GEDENK STÄTTEN FAHRTEN - Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung - Herausgegeben und unterstützt durch: Lobby für ...

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                                                                          FAHRTEN
Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung

KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof/ Elsaß, fotografiert von Igor Sigov

Herausgegeben und unterstützt durch:
GEDENK STÄTTEN FAHRTEN - Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung - Herausgegeben und unterstützt durch: Lobby für ...
Inhaltsverzeichnis

0.        Projektbeschreibung . ...................................................................................................................... . . . . . . . . . . 4

1.	Experten informieren über:
    Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik.
    Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten . . ................................... . . . . . . . . . . 6
    Grundsätzliches zu Gedenkstättenfahrten und praktische Hinweise.
1.1	
    Der Gedenkstättenbesuch aus gedenkstättenpädagogischer Sicht.
    Von Sarah Rehberg, viele Jahre pädagogische Mitarbeiterin an der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen .... . . . . . . . . . . 6
    T ipps der Bundeszentrale für politische Bildung zur Planung von Gedenkstättenfahrten, Auszug
1.2	
    aus „Wegweiser zur Erinnerung“ .......... ............................................................................................. . . . . . . . . . 16
1.3       „Didaktische Leitlinien“ des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks (IBB) . ............... . . . . . . . . . 18

2.        Gedenkstättenfahrten mit kulturell heterogenen Teilnehmergruppen . .................................... . . . . . . . . 20
2.1       Einleitung ............................................. .............................................................................................. . . . . . . . . 20
2.2	Erinnern unter Migranten, Grundsatz-Artikel von Dr. Juliane Wetzel, veröffentlicht von der
     Bundeszentrale für politische Bildung, 2008 . ................................................................................... . . . . . . . . . 20
2.3       Stellungnahme von Frau Rehberg, Sachsenhausen (siehe auch Kapitel 1.1) . .................................... . . . . . . . . 23
2.4	Stellungnahme von Frau Gryglewski, pädagogische Leitung des Hauses der Wannseekonferenz . ... . . . . . . . . . 24
2.5       Stellungnahme von Frau Kuran, Lehrerin an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Leverkusen . ............ . . . . . . . . . 25

3.        Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW und Deutschland . ................................................ . . . . . . . . 27
3.1       Lernen in lokalen und regionalen Gedenkstätten, Einleitung ............................................................ . . . . . . . . 27
3.2       Gedenkstätten in NRW – Beispiele und Empfehlungen ................................................................... . . . . . . . . 28
3.2.1 Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf . ............................................................................................... . . . . . . . . 28
3.2.2 NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln – EL-DE-Haus“ . ............................................................ . . . . . . . . . 30
3.2.3 Ehemalige „NS-Ordensburg Vogelsang“, Schleiden . . ......................................................................... . . . . . . . . . 31
3.3       Gedenkstätten in Deutschland – Beispiele und Empfehlungen . ..................................................... . . . . . . . . 32
3.3.1 Gedenkstätte Bergen-Belsen . ........................................................................................................... . . . . . . . . . 32
3.3.2 Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin . .................................................. . . . . . . . . 34
3.3.3 Museum Blindenwerkstatt Otto-Weidt, Berlin . .................................................................................. . . . . . . . . 35
3.3.4 Gedenkstätte Buchenwald ................................................................................................................ . . . . . . . . . 36
3.3.5 KZ Gedenkstätte Dachau ................................................................................................................... . . . . . . . . 38
3.3.6 KZ Gedenkstätte Flossenbürg ............................................................................................................ . . . . . . . . 39
3.3.7 KZ-Gedenkstätte Neuengamme . ...................................................................................................... . . . . . . . . . 41
3.3.8 Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück .............................................................................................. . . . . . . . . 43
3.3.9 Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen .................................................................................... . . . . . . . . . 45

4.        Gedenkstättenfahrten nach Polen und in andere europäische Länder .................................... . . . . . . . . . 47
4.1       Einleitung ............................................. .............................................................................................. . . . . . . . . 47
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4.2       Gedenkstätten in Polen – Beispiele und Empfehlungen . ....................................................................... . . . 48
4.2.1 Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau . .. ............................................................................................ . . . . 48
4.2.2 Staatliches Museum Majdanek . .............................................................................................................. . . . 49
4.3       Gedenkstätten in anderen europäischen Ländern – Beispiele und Empfehlungen ................................ . . . 51
4.3.1 Konzentrationslager Natzweiler-Struthof . ................................................................................................ . . . 51
4.3.2	Gedenkstättenfahrt des ZfsL Düsseldorf nach Natzweiler-Struthof / Elsaß
       Interview mit Silvia Savelsberg ................... ............................................................................................ . . . . 52
4.3.3 Gedenkstätte Theresienstadt . . ................................................................................................................ . . . 54

5.        Förderung und Finanzierung . ............................................................................................................. . . . . 56

6.	Erfahrungsberichte – Praxisbeispiele von Kolleg*innen, zur Vorbereitung, Durchführung und
    Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten . ...................................................................................... . . . . 58
6.1       Vorbemerkung – Überblick .................................................................................................................... . . . . 58
6.2       Erfahrungsberichte / Praxisbeispiele ....................................................................................................... . . . 58
6.2.1 Bildungsangebote in der Gedenkstätte Bonn ........................................................................................ . . . . 58
6.2.2 Weimar/Buchenwald. Ein Projekt für die Fächer Deutsch – Kunst ........................................................ . . . . 60
6.2.3 Auschwitz-Fahrt an der Gesamtschule Monheim: Ein Interview ............................................................. . . . 62
6.2.4 Helmholtz-Gymnasium Hilden: Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz ................................................. . . . . 64
6.2.5 Evangelische Kirche Monheim, Auschwitzfahrten ................................................................................... . . . 65
6.2.6 Methoden der Nachbereitung / ein Überblick ...................................................................................... . . . 66
6.2.7 Evaluierungsverfahren „Sprechende Tischdecke“ ................................................................................... . . . 66
6.2.8 Blog zu Dachau München .......................... ............................................................................................ . . . . 67
6.2.9 Beispiel einer Internet basierten Evaluation ............................................................................................ . . . 68
6.2.10 Praxisbeispiel Fotoausstellung ................................................................................................................ . . . . 69

7.        Überlegungen und Erfahrungen zur Nachhaltigkeit ......................................................................... . . . 70
7.1       Verankerung von Gedenkstättenfahrten im Schulprogramm .................................................................. . . . 70
7.2	Praxisbeispiel: Das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal – Schule mit einer gelebten
     Erinnerungskultur ....................................... ............................................................................................ . . . . 71

8.	Gedenkstättenfahrten in der Lehrerausbildung. .............................................................................. . . . . 73
    Interview mit Christoph Deußen, Leiter des Seminars Gesamtschule / Gymnasium am Zentrum
    für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL), Düsseldorf . ....................................................................... . . . 73

9.        Anbieter von Gedenkstättenfahrten . ................................................................................................. . . . 75
9.1       Gemeinnützige Veranstalter .................................................................................................................... . . . 75
9.2       Kommerzielle Veranstalter . ..................................................................................................................... . . . 77

                                                                                                                                                                         3
GEDENK STÄTTEN FAHRTEN - Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung - Herausgegeben und unterstützt durch: Lobby für ...
Projektbeschreibung

    Erinnern unterstützen – Orientierung für die Zukunft ermöglichen

    „Gedenkstätten dokumentieren die Geschichte der NS-Verbrechen. Es sind Tatorte, Leidensorte
    und Trauerorte bis heute. /.../ Irgendwann müssen wir diese Geschichte ohne das lebendige
    Zeugnis der Zeitzeugen vermitteln. Umso wichtiger für das Lernen und Erinnern sind die Besu-
    che von Gedenkstätten als Orte des Leidens.“ (Wegweiser zur Erinnerung, Bundeszentrale für pol. Bildung)

    UNSERE ZIELSETZUNG:
    Unsere Idee und unser Ziel ist es, Schulen darin zu unter-   Es ist uns weiterhin wichtig deutlich zu machen, dass Ge-
     stützen Gedenkstätten-Projekte zu planen und                 denkstätten-Besuche nicht isoliert für sich stehen sollten,
     durchzuführen.                                               sondern immer in den Kontext der Erinnerungskultur und
                                                                  des historischen Lernens an der Schule eingebunden sind.
     edenkstätten-Fahrten sind dann ein Gewinn, wenn sie
    G
    sorgfältig und sachkundig geplant und professionell
    durchgeführt werden. Mit unseren Materialien und Bera-        UNSERE UNTERSTÜTZUNGSANGEBOTE:
    tungsangeboten möchten wir dazu einen Beitrag leisten.        Wir bieten auf einer Informationsplattform / Homepage
                                                                  ausführliche und detaillierte Informationen zu Fahrtzielen
                                                                  und Finanzierungsmöglichkeiten an sowie hilfreiche Tipps
    UNSERE MOTIVE:                                                und Hinweise zu wesentlichen Aspekten der Vorbereitung,
    Die offensichtliche Veränderung des gesellschaftlichen        Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstätten-
    Klimas bereitet uns Sorge. Wir wollen einen Beitrag           fahrten.
    gegen die Zunahme von rechtsextremem Gedankengut
    und Antisemitismus leisten.                                   Wir bieten auf Wunsch Beratungsgespräche an, sei es tele-
                                                                  fonisch, via Internet oder in persönlichen Begegnungen.
    In der Verharmlosung von NS-Verbrechen sehen wir eine
    Verhöhnung der Opfer und deren Nachkommen und                 Das bedeutet: Interessierte KollegInnen und Kollegen
    eine Gefahr für die Zukunft unserer Gesellschaft und          erhalten bei uns
    unseres Gemeinwesens.                                         • Informationen über
                                                                     -- mögliche Ziele im lokalen, regionalen und überre-
    Mit Besuchen von Gedenk- und Erinnerungsorten als aktiver            gionalen Bereich sowie im europäischen Ausland
    Form der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit             -- Finanzierungsmodalitäten (Antragsfristen, Genehmi-
    an authentischen Orten des Nazi-Terrors kann unseres Er-             gungsbedingungen…) und Finanzierungsmöglich-
    achtens ein Beitrag dazu geleistet werden, junge Menschen            keiten durch Behörden, Stiftungen, Sponsoring…
    gegen Populismus und Antisemitismus zu sensibilisieren           -- hilfreiche Literatur
    und sich für Menschenrechte, Pluralität und Demokratie           -- Adressen und Links von unterstützenden Institu-
    einzusetzen. Wichtig ist uns auch, dass Jugendliche Gedenk-          tionen
    stätten als Orte des Gedenkens der Opfer erfahren.
                                                                  • Hilfestellung bei der Beantragung von Fördergeldern
    Wir wollen aber auch darauf hinweisen, dass Gedenkstät-          und der Genehmigung der Fahrten
    ten und Erinnerungsorte die Möglichkeit bieten, sich über
    Täter und Mitläufer zu informieren. Ebenso wichtig ist es     • B
                                                                     eratung in wichtigen Fragen der didaktisch-methodi-
    uns, deutlich zu machen, dass diese Orte die Möglichkeit        schen Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung
    bieten, jungen Menschen aufzuzeigen, dass der Wider-            von Fahrten, z.B.:
    stand gegen das NS-Regime breit gefächert war und dass           -- Welche Fragen müssen im Leitungsteam vorab
    es viele „unbesungene Helden“ gab, die Handlungsspiel-               geklärt werden?
    räume nutzten und während des Holocaust jüdischen                -- Wie bereiten wir die SchülerInnen vor, inhaltlich –
    Mitbürgern halfen.                                                   emotional – in Bezug auf Verhaltensregeln…?

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GEDENK STÄTTEN FAHRTEN - Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung - Herausgegeben und unterstützt durch: Lobby für ...
Projektbeschreibung

   -- M üssen wir unsere muslimischen SchülerInnen in      UNSERE EXPERTISE:
       besonderer Weise vorbereiten?                        Wir sind pensionierte Pädagogen und verfügen über um-
   -- Ab welcher Jahrgangsstufe ist eine Teilnahme         fangreiche Erfahrungen in den Bereichen Schule, Schul-
       sinnvoll?                                            entwicklung und Gedenkstättenfahrten. Die Mitglieder
   -- Gibt es Empfehlungen zur Gruppengröße?                unseres Teams sind:
   -- Wie und wann kooperieren wir mit dem pädagogi-
       schen Stab der Gedenkstätte?                                            Anne Ackers-Weiss, bis zur Pensio-
   -- Was erwarten die Gedenkstättenpädagogen von                             nierung viele Jahre Schulleiterin einer
       unserer Zusammenarbeit?                                                 Gesamtschule im Raum Düsseldorf
   -- Was gehört zu angemessenem Verhalten der                                und Moderatorin für Schulentwick-
       SchülerInnen während eines Gedenkstättenbe-                             lung bei der Bezirksregierung Düssel-
      suchs?                                                                   dorf. Sie hat in Zusammenarbeit mit
   -- Wie verhalten wir uns, wenn SchülerInnen wäh-                           der Mahn- und Gedenkstätte Düssel-
       rend des Gedenkstättenbesuchs emotional über-                           dorf viele Jahre lang Zeitzeugenge-
      fordert sind oder wenn sich jemand unangemes-                            spräche an Schulen organisiert.
      sen verhält?
   -- Wie gehen wir mit rechtsextremen Einstellungen                          G
                                                                                regor Randerath, bis zur Pensio-
       bzw. Bemerkungen von Schülern um?                                       nierung Lehrer an einer Gesamt-
   -- Welche Methoden bzw. Rituale der Aufarbeitung                           schule im Raum Düsseldorf, bis April
       vor Ort haben sich bewährt?                                             2018 Fachleiter für Pädagogik und
   -- Welche Methoden bieten sich, eine Gedenk­                               Kernseminarleiter am Zentrum für
       stättenfahrt auszuwerten?                                               schulische Lehrerausbildung (ZfsL)
   -- Wie kommunizieren wir die Erfahrungen und                               Düsseldorf; er hat zahlreiche Ge-
       Eindrücke der Fahrt anschließend in die Schul­                          denkstättenfahrten mit SchülerInnen
       gemeinde?                                                               und ReferendarInnen organisiert,
   -- Was ist zu tun, damit eine Gedenkstättenfahrt kein                      Ko-Autor eines Unterrichtswerkes
       einmaliges Ereignis bleibt, sondern nachhaltig in                       für den Pädagogik-Unterricht über
       der Schule/im Schulprogramm verankert wird?                             Aggression.

• Vermittlung von kompetenten Gesprächspartnern, z.B.                          laus Schlotterose, bis zur Pensio-
                                                                               K
   -- pädagogische Dienste der Gedenkstätten,                                  nierung Lehrer an einer Gesamt-
   -- MitarbeiterInnen der Kompetenzteams                                      schule im Raum Bonn, Fachleiter
   -- Ansprechpartner bei den Bezirksregierungen als                          für Geschichte am ZfsL Vettweiß. Er
       genehmigende Behörden                                                   hat viele Jahre einen deutsch-israe-
   -- Kolleginnen und Kollegen, die über Erfahrungen                          lischen Schüleraustausch mitorgani-
       mit Gedenkstättenfahrten verfügen.                                      siert und ist ehrenamtlicher Mitarbei-
                                                                               ter der Bonner Gedenkstätte für die
                                                                               Opfer des Nationalsozialismus.

                                                            WIR ARBEITEN EHRENAMTLICH.

                                                                                                                         5
GEDENK STÄTTEN FAHRTEN - Wege zu Orten der Erinnerung und Mahnung - Herausgegeben und unterstützt durch: Lobby für ...
1.	Experten informieren über:
           Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik.
           Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten

    1.1	Grundsätzliches zu Gedenkstättenfahrten und praktische Hinweise.

    Den nachstehenden Text möchten wir allen Besuchern unserer Plattform ganz besonders empfehlen. Er
    gibt hilfreiche Antworten auf wesentliche Fragen zur Planung und Durchführung einer Gedenkstätten-
    fahrt aus der Sicht einer Gedenkstätten-Pädagogin. z.B.
    • Was gehört unbedingt in die Vorbereitung der Gruppe vor der Fahrt (inhaltlich, Gruppen bezogen,
       psychologisch…)?
    • Sind Gedenkstättenfahrten für alle Schüler*innen geeignet, kann ich auch Schüler*innen mitnehmen,
       bei denen ich Unkonzentriertheiten oder unangemessenes Verhalten befürchte?
    • Was tun bei Verhaltensproblemen während des Besuchs?
    • Was erwarten die Guides der Gedenkstätte von mir als Betreuerin und von unserer Zusammenarbeit
       während des Besuchs?
    • Wie kann ich einen Gedenkstättenbesuch abschließen, reflektieren und auswerten?

    Auch diejenigen, die bereits Gedenkstätten mit Schülerinnen und Schülern besucht haben, finden hier
    kompetente Anregungen und Nachdenkenswertes.

    Der Gedenkstättenbesuch aus gedenkstättenpädagogischer Sicht
    von Sarah Rehberg

    Diese Internetseite möchte Lehrer*innen und Pädagog*in-        listischen Massenverbrechen ist tief verunsichernd,
    nen bei ihrer Entscheidung, ob sie einen Gedenkstät-           umso mehr braucht pädagogische Vermittlung an
    tenbesuch mit Jugendlichen ins Auge fassen möchten,            diesen Orten Orientierung – für Mitarbeiter(innen)
    unterstützen. Zwar ist der Besuch von Gedenkstätten in         und Besucher(innen) gleichermaßen.“
    den meisten Bundesländern fest in den Rahmenlehrplan           Thimm, Kößler, Ulrich, „Verunsichernde Orte“, 2010, S. 9.
    verankert, dennoch tun sich bei den Lehrkräften zahlreiche
    Fragen und/oder auch Bedenken gegenüber seiner Um-             Der Besuch einer NS-Gedenkstätte oder die Gedenk-
    setzung auf. Im Folgenden möchte ich auf einige dieser         stättenfahrt unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom
    Fragen aus gedenkstättenpädagogischer Sicht eingehen           gängigen Museumsbesuch oder Aufenthalt in einer
    und bin bemüht, mögliche Befürchtungen abzubauen               anderen außerschulischen Bildungsstätte. Das ist nicht
    oder zumindest sachlich zu begegnen. Mein Name ist             nur inhaltlich unschwer erkennbar, sondern äußert sich
    Sarah Rehberg und ich arbeite seit 2015 als historisch-poli-   auch immer wieder in Gesprächen mit Lehrer*innen.
    tische Bildnerin, davon mehrere Jahre für den Besucher-        Im Gegensatz zu anderen Klassenausflügen stellen viele
    dienst der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhau-            Lehrkräfte im Vorfeld des Gedenkstättenbesuchs deut-
    sen in Oranienburg bei Berlin. Zuletzt war ich dort unter      lich komplexere Überlegungen an. Sie äußern Bedenken
    anderem mit der Durchführung von Lehrerfortbildungen           darüber, unter welchen Umständen sich dieser sinnvoll
    betraut. Seit Anfang 2020 bin ich in der Bildungsabteilung     in den schulischen Unterricht integrieren lässt und ob er
    des Dokumentationszentrum Topographie des Terrors              überhaupt für alle Schüler*innen gleichermaßen ge-
    in Berlin tätig. Mit diesem Beitrag hoffe ich, auch jene zu    eignet bzw. für jede Gruppe zweckmäßig ist. Darüber
    unterstützen, die ich persönlich nicht erreichen kann.         hinaus haben sie häufig hohe Erwartungen hinsichtlich
                                                                   der Lernerfolge, die sich bei den Jugendlichen einstellen
    „Allein das Wissen zu den Orten der nationalsozia-             sollen. Angesichts der sensiblen Thematik, welche den

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1. Experten informieren über: Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten

NS-Gedenkstätten zugrunde liegt und der daran ge-                      möglich emotional sehr berührt und sie setzen nun auf
knüpften oder erhofften Lernziele bei äußerst diversen                 eine mindestens ebenso intensive, emotionale Erfahrung
Zielgruppen steht der Gedenkstättenbesuch vor großen                   am „authentischen“ Ort. Beides kann ausbleiben. Dass
pädagogischen und didaktischen Herausforderungen.                      sie nämlich kein Konzentrationslager besichtigen, sondern
Diese möchte ich in diesem Text ansprechen. Denn so                    eine moderne, den vielfachen Funktionen angepasste,
unbestritten das pädagogische Potential von Gedenkstät-                über die Jahre veränderte Gedenkstätte, darauf sind viele
tenbesuchen ist, so sehr müssen auch die didaktischen                  Jugendliche im Vorfeld gedanklich nicht vorbereitet. Ent-
Herausforderungen des Lernens am historischen Ort                      täuschung über den Ort oder gar über sich selbst kann
thematisiert werden. Nur so können realistische Vor-                   die Folge sein. Andere wiederum glauben aufgrund ihres
stellungen von einem gelungenen Gedenkstättenbesuch                    vertrauten Umgangs mit Bildern und Darstellungen über
und Erwartungen zu möglichen Lernzielen gewonnen                       den Nationalsozialismus und den Holocaust ausreichend
werden. Anhand dieser Fragen möchte ich auf folgende                   auf das, was sie erwartet, vorbereitet zu sein und sind
Punkte weiter eingehen:                                                von der Konfrontation mit dem historischen Ort emotio-
01. Pädagogisches Selbstverständnis der NS-                           nal überwältigt.
      Gedenkstätten
02. R  ollenverständnis zwischen Referent*in und Lehr-                In den Gedenkstätten begegnen den Mitarbeiter*innen
      kraft bzw. Gruppenbetreuer*in                                    alle denkbaren Reaktionen und Emotionen. Aufgrund der
03. B  edenken gegenüber dem Gedenkstättenbesuch                      Spezifik des historischen Lernortes „Gedenkstätte“ hat
      - ist er für alle geeignet?                                      sich in der Bildungsarbeit eine eigene Gedenkstätten-
04. Praktisches zur Planung                                            pädagogik herausgebildet, die bemüht ist, auf komplexe
05. V  or- und Nachbereitung des Gedenkstätten­                       Besuchererwartungen adäquat zu reagieren und ihren
     besuches                                                          eigenen Bildungsauftrag ständig zu reflektieren. Ohne die
                                                                       Absicht, für andere Gedenkstätten oder Pädagog*innen
                                                                       sprechen zu wollen, die an ähnlich „verunsichernden
1. P
    ÄDAGOGISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS                                    Orten“ wie dem einer KZ-Gedenkstätte arbeiten, möch-
   DER NS-GEDENKSTÄTTEN                                                te ich an dieser Stelle gern versuchen, einige wichtige
Das historisch-politische Lernen am historischen Ort,                  Grundsätze vorzustellen, die in der Gedenkstättenpäda-
insbesondere mit Schülergruppen, stellt uns vor einige                 gogik immer wieder wichtige Orientierungspunkte bilden.
pädagogische und didaktische Herausforderungen.

Das liegt daran, dass sich an den Besuch von NS-Ge-                    Emotion | Wissen
denkstätten häufig ganz besondere pädagogische Erwar-                  „Ich dachte, ich würde hier irgendwie traurig
tungen knüpfen: nämlich, dass hier besonders ein- und                  sein, aber ich fühle gar nichts. Ich glaube, mit mir
nachdrücklich Geschichte begriffen werden könne. Die                   stimmt etwas nicht.“ Eine Schülerin der 9. Klasse zum
Gedenkstätte soll der Anschaulichkeit dienen, dem bes-                 Ende der Führung durch die Gedenkstätte Sachsenhausen, 2017
seren Nachvollziehen und Verstehen. Auch die Jugend-
lichen werden nicht selten mit dieser Erwartungshaltung                Oft beherrscht die Vorstellung, junge Menschen müss-
konfrontiert. Oft bringen sie sogar selbst Erwartungen an              ten von einem Gedenkstättenbesuch emotional berührt
sich oder den Ort im Gepäck mit. Wir Gedenkstättenmit-                 werden, die gesellschaftlichen Erwartungen und die ihrer
arbeiter*innen sprechen von einer Authentizitätserwar-                 Lehrer*innen. Bestimmte Emotionen von Jugendlichen
tung der Besucher*innen an den historischen Ort, die                   jedoch abzuverlangen oder dahingehend gezielt zu be-
meist auf vorgefertigte Bilder im Kopf zurückzuführen ist.             einflussen, ist selten erfolgreich und ruft eher Abwehr-
So wollen viele Schüler*innen Dinge sehen, von denen                   reaktionen hervor oder gar Enttäuschungen bei den
sie in Erzählungen und Literatur schon „so oft“ gehört                 Jugendlichen selbst, wenn diese ausbleiben. Auch kön-
haben, die sie durch Dokumentar- und Spielfilme bereits                nen starke Emotionen den Lernprozess behindern. Die
„tausendfach“ vor Augen hatten. Sie entwickeln klare                   Aufnahmefähigkeit für neue Inhalte kann mitunter stark
Vorstellungen davon, was in einer NS-Gedenkstätte zu                   beeinträchtigt werden, wenn körperliche Erfahrungen wie
sehen sei. Auch haben diese Bilder und Berichte sie wo-                Hitze, Kälte, Enge oder der Anblick von Gaskammern,

                                                                                                                                              7
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    Leichenkellern und Gefängniszellen bewusst in den                      Menschenrechts- und Demokratieerziehung gerückt. Dies
    Fokus genommen werden. Im Vordergrund der Erfahrung                    ist Ausdruck eines Standpunkts, dass sich aus dem Natio-
    steht dann das körperliche oder emotionale Empfin-                     nalsozialismus allgemeingültige Lehren formulieren ließen.
    den, nicht aber das Verständnis um die Geschichte des                  Ohne dies an dieser Stelle kritisch analysieren zu wollen,
    Ortes. Schlussfolgerungen, die jede Schülerin und jeder                ob diesem Ansatz zuzustimmen ist oder nicht, sollte dies
    Schüler individuell für sich zieht, sind dann kaum noch                nicht dazu führen, dass Pädagog*innen – Lehrer*innen
    nachvollziehbar und müssen nicht zwangsläufig die ge-                  wie Referent*innen der außerschulischen Bildung glei-
    wünschte Wirkung einer Sensibilisierung für das Leid der               chermaßen – vorgefertigte Werturteile und Appelle als
    Opfer beinhalten. Im Gegenteil, langfristig können solche              angestrebte Lernziele dem Lernprozess vorwegnehmen.
    Erfahrungen eine Abwehr für das gesamte Thema aus-                     Ein Bildungsangebot sollte junge Menschen dazu ermuti-
    lösen. Daher gilt es, die Schüler*innen nicht emotional zu             gen, Beobachtungen kritisch zu hinterfragen und sich eine
    überfordern, sondern fundiertes Wissen zu vermitteln. Es               eigene Meinung zu bilden. Auch ein Gedenkstättenbesuch
    ist richtig, dass Empathie wichtig für den Lernprozess und             sollte die Schüler*innen dazu befähigen, am Ende eines
    schlussendlich für die Meinungsbildung bzw. das Fällen                 Lernprozesses eigene Werturteile zu formulieren und nicht
    von Werturteilen ist. Mithilfe einer biografischen Annähe-             zum Ziel haben, sie moralisch zu beeinflussen. Teil dieses
    rung das Handeln historischer Akteure in ihren historischen            Lernprozesses ist es, die Fragen und Meinungen der Schü-
    Strukturen zu verstehen, ihre Erfahrungen zu begreifen,                ler*innen offen zu diskutieren, auch die unpopulären. Hier
    bildet hierzu den nötigen Rahmen. Ein Nachempfinden                    betone ich noch einmal ganz bewusst die Funktion der
    dieser Erfahrungen, indem Schüler*innen angemahnt oder                 Gedenkstätte als außerschulischer Lernort historisch-poli-
    methodisch dorthin gelenkt werden, sich in damalige Situ-              tischer Bildung. Spontanäußerungen, die der Ort bei
    ationen hineinzuversetzen, ist nicht legitimer Bestandteil             manchen Jugendlichen hervorbringen mag, müssen ohne
    historischen Lernens. Es ist weder erstrebenswert, noch                Sanktionierung möglich sein. Was nicht ausgesprochen
    historisch betrachtet ansatzweise möglich.                             wird, kann auch nicht verhandelt werden. Unser Ansatz
                                                                           liegt eher darin, aufzudecken, wo provokante oder gar poli-
    Prinzip der Freiwilligkeit: Die Gedenkstätten empfehlen                tisch problematische Äußerungen ihren Ursprung haben
    meist einen Besuch auf freiwilliger Basis, d.h. dass die               und mit Faktenwissen darauf einzugehen.
    Jugendlichen in die Entscheidung für einen gemeinsamen
    Besuch eingebunden werden. Den Gedenkstättenmit-                       Überwältigungsverbot: In einer NS-Gedenkstätte,
    arbeiter*innen ist aber bewusst, dass der Gedenkstätten-               welche eine traumatische Geschichte in sich trägt und
    besuch in einem schulischen Rahmen organisiert wird, der               Teil einer Erinnerungskultur der Verantwortung ist, erhält
    nicht immer eine freiwillige Teilnahme garantiert. Dennoch             dieses Verbot ein umso größeres Gewicht. Es gilt nicht,
    herrscht in den meisten Gedenkstätten das Prinzip der                  Jugendliche mit einer Vielzahl schockierender Momente
    Freiwilligkeit. Das bedeutet, dass es den Schüler*innen                emotional zu überrumpeln und diese Momente dafür zu
    überlassen ist, sich Situationen, die sie überfordern, jeder-          nutzen, moralische Botschaften zu vermitteln. Vielmehr
    zeit zu entziehen. Im Idealfall macht der*die Referent*in              sollen sie in ihrer Fähigkeit bestärkt werden, die Ge-
    transparent, was als nächstes passieren wird und überlässt             schichte differenziert zu analysieren und diese Fähigkeit
    es den Jugendlichen, den nächsten Schritt mitzugehen.                  auch bei der Betrachtung gegenwärtiger politischer und
                                                                           gesellschaftlicher Entwicklungen zu nutzen.

    Moral | Urteilskraft
    „Und deswegen ist es wichtig, dass Ihr später im-                      Erleben | Lernen
    mer wählen geht.“ Die Lehrerin einer 10. Klasse bei der                „Wenn ich mir hier das ehemalige Lager ansehe
    Evaluationsrunde am Ende eines Studientages in der Gedenk-             und überlege, was hier passiert ist, und da drau-
    stätte Sachsenhausen, 2016                                             ßen am Eingang nicht weit von hier die Wohnhäu-
                                                                           ser der SS, kann ich mir nur schwer vorstellen, wie
    Gedenkstättenbesuche und die schulische Auseinander-                   die Wachmänner nach ihrer Arbeit nach Hause zu
    setzung mit dem Nationalsozialismus und der Shoa sind                  ihren Familien gehen konnten.“
    über die Jahre verstärkt in das Feld einer allgemeinen                 Ein Schüler beim Rundgang während eines Studientages, 2017

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Sosehr die gezielte Emotionalisierung innerhalb der Ge-                einflussen. Diese versuchen wir, dem Alter, Vorwissen,
denkstättenpädagogik abgelehnt wird, steht es dennoch                  Lernniveau und – wenn geäußert – Interessen der Ju-
außer Frage, dass die Wahrnehmung der Schüler*innen                    gendlichen, sprich den Bedürfnissen der Teilnehmenden
vom Ort eine zentrale Rolle für den Lernprozess spielt.                anzupassen. Dabei müssen wir aber trotz allem ein Auge
Mitunter kann sie historisches Verstehen befördern. Etwa               darauf haben, ob die Jugendlichen sich nicht zu irgendei-
durch Irritationen und daraus folgende Fragen, welche                  nem Zeitpunkt überfordert fühlen, sowohl emotional als
die Ortserfahrung bei ihnen aufwirft, oder ein Gefühl,                 auch vom Anspruch des Angebotes.
welches sie an sich selbst wahrnehmen. Gefühle, die der
historische Ort auslösen kann, werden demnach nicht                    Gerade bei der Vermittlung sensibler und mitunter
tabuisiert, sondern können Gegenstand der Auseinander-                 aufwühlender Inhalte und unter Berücksichtigung der
setzung werden, wenn danach gefragt wird, wo sie her-                  Ortserfahrung machen wir es daher zum Prinzip, Störun-
kommen. Tatsächlich können Jugendliche den Ort, von                    gen bspw. in Form einer Verweigerungshaltung oder von
dem sie Bilder und Vorstellungen mitbringen, „sinnlich                 provokanten Äußerungen Vorrang zu geben.
erleben“. Erleben heißt hier aber nicht nacherleben,
auch nicht sich in das Erlebte von Opfern oder gar                     Subjektorientierung/Schülerorientierung: Die aktive
Tätern hineinzuversetzen. Vielmehr ist es Anspruch                     Mitgestaltung durch die Lernenden, deren Selbstständig-
der Gedenkstätten durch ein breites, methodisch                        keit und Mitverantwortung sind wesentliche Bestandteile
variierendes und multiperspektivisches Angebot den                     eines schülerorientierten Bildungsangebotes. Dieses
Jugendlichen eine Fülle an Zugängen zum Thema                          Prinzip beruht auf einem demokratischen Grundgedan-
anzubieten. Unter Multiperspektivität verstehen wir aller-             ken und soll außerdem die Motivation der Schüler*innen
dings nicht das bloße Bemühen, eine Vielzahl und Vielfalt              erhöhen. In den Gedenkstätten sind die Referent*innen
„unterschiedlicher“ Sichtweisen zu berücksichtigen,                    bemüht, dialogisch zu arbeiten, die Teilnehmenden in
sondern die Reflexion auf das Verhältnis der Perspektiven              Entscheidungsprozesse und Diskussionen aktiv mit ein-
zueinander.                                                            zubeziehen und die Wahl des individuellen Zugangs zum
                                                                       Ort bzw. Thema offen zu lassen.
Multiperspektivität: Die Gedenkstättenpädagog*innen
bemühen sich bei der Wahl ihrer Zugänge, der Methoden
sowie der quellengestützten Perspektiven vielfältig vorzu-             2. R
                                                                           OLLENVERHÄLTNIS ZWISCHEN GEDENK­
gehen, Diversität aufzuzeigen, jede präsentierte Pers-                    STÄTTEN­MITARBEITER*IN UND LEHRKRAFT
pektive aber auch quellenkritisch mit den Jugendlichen                    BZW. GRUPPEN­BETREUER*IN
gemeinsam zu untersuchen und zu reflektieren.                          Während einer Führung bleiben einige aus der
                                                                       Gruppe zurück und sind unaufmerksam, obwohl
                                                                       der Guide etwas erklären möchte. Die Lehrerin
Konsumieren | Aktivieren                                               ruft laut in die Richtung ihrer Schüler*innen: „Alle
„Was muss ich jetzt machen?“                                           Mann antreten!“
Die Frage, die wir alle schon tausendfach zu einem x-beliebigen        Während einer Führung in der Gedenkstätte Sachsenhausen,
Zeitpunkt von Schüler*innen gehört haben.                              2012

Zuletzt ist es nicht in unserem Interesse, die Teilnehmen-             Sie, die betreuenden Fachlehrer und Fachlehrerinnen,
den zu bloßen Konsument*innen unserer Vermittlungs-                    sind diejenigen, die Ihre Klasse am besten kennen
bemühungen zu machen. Die Führungen sind im besten                     und damit unsere wichtigsten Ansprechpersonen. Dies
Fall dialogisch angelegt. Es sollte breiten Raum für Fragen            kommt besonders in der Planungsphase Ihres Gedenk-
und Diskussionen geben, die zum Nachdenken anregen.                    stättenbesuchs zum Tragen. Damit die Gedenkstätten-
Durch selbstständiges Auswählen und Erarbeiten von In-                 mitarbeiter*innen ein möglichst zielgruppenorientiertes
halten mithilfe unterschiedlicher Quellen, wie Fotografien,            Programm auswählen bzw. zusammenstellen können,
Häftlingskunst, archäologische Überreste, Dokumente                    sollten Sie bei der Anmeldung ausführliche Angaben
und Erinnerungsberichte in den Workshops, werden die                   zu Ihren Schüler*innen und deren Bedürfnissen ma-
Schüler*innen aktiviert, ihre Lerninhalte selbst zu be-                chen. Während Ihres Besuches jedoch müssen Sie das

                                                                                                                                              9
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     Zepter ein wenig aus der Hand geben. Das fällt einigen                 Schüler*innen besser kennen, wir sie hingegen in einem
     Lehrer*innen nicht leicht. Wir machen gelegentlich die                 äußerst überschaubaren Zeitfenster erleben. Uns wird
     Erfahrung, dass Lehrkräfte thematisch in das Programm                  es nicht möglich sein, in so kurzer Zeit den Blick für alle
     eingreifen, weil sie bestimmte Themen platziert wissen                 Teilnehmer*innen offen zu halten. Sie unterstützen uns
     oder sicherstellen wollen, dass die für sie wichtigen                  dabei, indem Sie den Überblick über den Verbleib der
     Schlussfolgerungen „eindeutig“ vermittelt wurden. Das                  einzelnen Schüler*innen behalten, oder auch in dem Fall,
     kann den*die Referent*in in der Durchführung seines*ih-                dass eine Einzelbetreuung notwendig wird. Sofern ein
     res Programms behindern bzw. seine*ihre Zielsetzung                    solches Handeln oder Eingreifen nicht erforderlich wird,
     sabotieren. Besonders jüngere Gedenkstättenreferent*in-                wünschen wir uns, innerhalb der Veranstaltung erste An-
     nen erleben häufig, dass sie in ihrer Expert*innen-Rol-                sprechperson für die Jugendlichen zu sein.
     le für die Vermittlung der Geschichte des Ortes nicht
     ausreichend anerkannt werden. Wünschenswert ist ein                    Auch haben wir einen anderen Blick darauf, was ein
     kollegialer Umgang miteinander. Wenn Sie Beobachtun-                   dem Ort angemessenes Verhalten ist. Häufig beginnt die
     gen machen, die Sie stören oder stutzig machen, nutzen                 Kluft schon bei der Frage danach, ob die Jugendlichen
     Sie die nächste Pause zwischen zwei Arbeitsphasen und                  während eines Gedenkstättenbesuchs essen und trinken
     bitten den Guide um ein Gespräch unter vier Augen.                     dürfen. Wir nehmen daran in der Regel keinen Anstoß.
     Vieles lässt sich auf diese Weise leichter klären.                     Das körperliche Wohl ist für den Lernprozess absolut
                                                                            wichtig und körperliche Bedürfnisse sollten daher nicht
     Gedenkstättenbesuche und -fahrten bedeuten für die                     übergangen werden. Außerdem ist der Aufenthalt im
     begleitenden Lehrkräfte, viele organisatorische Aufgaben               Gelände, im Sommer wie Winter, enorm anstrengend
     im Blick zu behalten. Das führt manchmal dazu, dass                    und gerade Jugendliche benötigen hierbei häufiger eine
     Lehrer*innen in der Zeit des gedenkstättenpädagogischen                kleine Pause bzw. Stärkung. Auch bezüglich abweichen-
     Seminars Ansagen an die Klasse richten, die inhaltlich                 der Unterhaltungen, Kichern und Lachen nehmen wir
     dort nicht hingehören. Diese können positiven Inhalts sein             eine entspannte Haltung ein, solange es noch nicht in
     („Am Ende unseres Programms gehen wir heute Nach-                      einem grob störenden Maße erfolgt. Wann dieses über-
     mittag an den Badesee. Stellt Euch schon mal drauf ein!“),             schritten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und
     aber auch negativen Ursprungs sein („Wie Ihr Euch letzte               ist so individuell wie die Gruppen und die Referent*in-
     Nacht in der Jugendherberge verhalten habt, will ich nicht             nen selbst. Gerade bei einem so belastenden Thema
     noch einmal erleben, sonst sehe ich mich gezwungen,                    wie der Geschichte des Nationalsozialismus benötigen
     …“). Das ist insofern nachvollziehbar, als sie die Gelegen-            die Jugendlichen gelegentliche Pausen, die sie sich über
     heit alle beieinander zu haben, für eine Ankündigung an                persönliche Unterredungen holen. Anspannung und
     die Gruppe nutzen wollen. Dem*der Referent*in er-                      Stress, die der Anblick verstörender Bilder und Orte oder
     schwert dies die Arbeit allerdings sehr, weil diese*r mit              die Aufnahme belastender Inhalte verursachen können,
     der Stimmung, welche die Ansage unter den Jugendlichen                 werden mitunter durch Lachen abgebaut. Das muss kein
     erzeugt, umgehen muss bzw. sich diese Stimmung auf die                 Anzeichen für Respektlosigkeit oder Desinteresse sein.
     Motivation der Jugendlichen, sich weiter in das Gedenk-                Für uns ist es wichtig, dass Sie akzeptieren, dass es sich
     stättenprogramm einzubringen, überträgt.                               bei NS-Gedenkstätten um außerschulische Lernorte
                                                                            handelt, die zuweilen andere Maßstäbe ansetzen. Deren
     Des Weiteren machen wir häufig die Beobachtung, dass                   Mitarbeiter*innen wissen einen kollegialen Austausch
     die Vorstellungen der betreuenden Lehrkräfte in Bezug                  mit den Lehrkräften sehr zu schätzen, die eine Gruppe
     auf das Verhalten der Jugendlichen in einer Gedenkstätte               begleiten, und sei es nur eine Verständigung durch Blick-
     von den unseren abweichen. Aus Sorge, die Jugend-                      kontakt oder ein kurzes Nachfragen in der Pause.
     lichen könnten sich nicht angemessen verhalten oder
     sich im Seminar nicht ausreichend beteiligen, neigen                   In den Gedenkstätten wünschen wir uns zudem davon ab-
     viele Lehrer*innen dazu, ihre Schüler*innen vermehrt                   zusehen, während der Führungen und Seminare Aufgaben
     zu disziplinieren oder zu mehr Mitarbeit und Interesse                 zur Bearbeitung mitzugeben oder Schulnoten zu verteilen.
     anzuhalten. Ich würde Ihnen empfehlen, dies auf ein                    Aufgabenbögen engen die Jugendlichen in ihrer Wahrneh-
     Nötigstes zu beschränken. Uns ist bewusst, dass Sie ihre               mung der Gedenkstätte ein, indem sie sie auf die Suche

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1. Experten informieren über: Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten

nach den „richtigen Antworten“ schicken. Sollte ihnen das              stättenmitarbeitern im Vorfeld des geplanten Besuchs von
an einem ihnen unbekannten Ort nicht gelingen, stellt                  großer Bedeutung, ebenso wie die Hinweise hinsichtlich
sich Frust ein. Der*die Referent*in gerät in die Rolle, den            der Rolle begleitender Lehrkräfte (vgl. Kapitel 2). Schau-
Jugendlichen beim Lösen ihrer Aufgaben zu assistieren                  en Sie, ob Sie die Gruppe von schulischer Seite für den
und ist an der Durchführung des geplanten Programmes                   Besuch klein halten können. Wählen Sie in Absprache mit
gehindert. Darüber hinaus sollte der Gedenkstättenbe-                  den Gedenkstättenpädagog*innen ein Programm, wel-
such ohne Leistungsdruck erfolgen. Wenn Gedanken und                   ches die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit
Empfindungen ohne Bewertung geäußert werden können,                    der Schüler*innen berücksichtigt und ggf. einen weniger
entsteht Raum für weiterführende Fragen.                               schulischen Zugang bietet. Sprechen Sie den Guide, der
                                                                       Ihre Gruppe betreut, zu Anfang der Veranstaltung an und
                                                                       loten aus, wieviel Unterstützung im Laufe des Seminars
3. BEDENKEN GEGENÜBER DEM GEDENKSTÄT-                                 oder der Führung gewünscht ist und bleiben Sie in Kon-
    TENBESUCH – IST ER FÜR ALLE GEEIGNET?                              takt. Viele Jugendliche, deren Verhalten im Schulkontext
Einige Lehrkräfte stellen in Beratungsgesprächen die                   mitunter auffällig ist, zeigen sich während des Gedenkstät-
Frage, ob sie mit ihren Schüler*innen überhaupt eine                   tenbesuchs wider Erwarten interessiert. Wenn sie erfahren,
NS-Gedenkstätte besuchen können. Auf die Rückfrage,                    dass ihre Fragen und Interessen ernst genommen werden
worin ihre Bedenken liegen, treten als Antwort wieder-                 und sie teilweise frei wählen dürfen, welchen Themen und
holt drei Beschreibungsformen der betroffenen Jugend-                  Schauplätzen sie sich intensiver widmen können, bringen
lichen zutage: Zum einen werden einzelne oder mehrere                  sie dem Ort auch den entsprechenden Respekt entgegen.
Schüler*innen einer Klasse als „verhaltensauffällig“ be-               Nur in sehr seltenen Fällen werden einzelne Jugendliche
schrieben, von denen die Lehrer*innen befürchten, dass                 einer Veranstaltung verwiesen, weil ein Fortführen des
sie dem Guide und dem Bildungsangebot gegenüber                        Programms sonst unmöglich wäre. Dies ist eine ultimative
desinteressiert begegnen und die gesamte Veranstaltung                 Maßnahme, die im Anschluss unbedingt mit ihnen bespro-
maßgeblich stören könnten. Zum anderen beschreiben                     chen werden sollte.
Lehrer*innen von Klassen mit sogenanntem hohen
Migrationsanteil die Sorge, ob Jugendliche ohne familien-              Über die Rolle von Jugendlichen aus nicht-deutschen
biografischen Bezug zum Nationalsozialismus überhaupt                  Familien in der Vermittlung der Geschichte des National-
einen Zugang zu der spezifischen Geschichte des NS                     sozialismus und des Holocausts ist in den letzten Jahren
und des Holocausts finden könnten. In der Regel meinen                 eifrig diskutiert worden. Ein Thema, das lange vernachläs-
sie damit Jugendliche, deren Familien aus Herkunftslän-                sigt wurde, erfuhr plötzlich eine große Aufmerksamkeit
dern stammen, deren Verbindung zum Nationalsozialis-                   und konzentrierte sich bisweilen auf einzelne Gruppen,
mus tatsächlich marginal oder zumindest nicht Teil des                 wodurch sich zahlreiche weiterführende Fragen daran
deutschen Erinnerungsdiskurses ist, geschweige denn im                 anknüpften. Meine persönliche Antwort auf die Frage
Kontext des schulischen Geschichtsunterrichts auftaucht.               fällt hingegen sehr knapp aus. Meines Erachtens braucht
Und zuletzt äußern Lehrer*innen die Befürchtung, dass                  es keinen familiären Bezug, um Interesse für ein histori-
Jugendliche, bei denen sie eine rechte Gesinnung vermu-                sches Thema oder Empathie für die Erlebnisse der Opfer
ten, mit politisch problematischen Äußerungen den Ge-                  nationalsozialistischer Verfolgung zu entwickeln. Die
denkstättenbesuch sabotieren könnten. Einfache Antwor-                 meisten Jugendlichen heutzutage kennen niemanden
ten gibt es auf diese Themen nicht, zumal sie zahlreiche               mehr persönlich, der die Zeit des Nationalsozialismus
Unterpunkte umfassen. Dennoch möchte ich versuchen,                    erlebt hat und ihnen davon berichten kann. Für sie ist das
in aller Kürze auf die übergeordnete Frage einzugehen,                 Thema, kurz gesagt, Geschichte. Übermittelte Familienge-
ob ein Gedenkstättenbesuch durchführbar ist.                           schichten sind sicherlich ein Zugang zur Geschichte des
                                                                       Nationalsozialismus, aber eben auch nur einer von vielen,
Schüler*innen, die durch unkonzentriertes und zuweilen                 und es ist häufig fraglich, wie wahrheitsgetreu diese
störendes Verhalten auffallen und damit den Unterricht                 tradierten Familiennarrative schlussendlich sind. Darüber
immer wieder unterbrechen, sollen selbstverständlich eine              hinaus sehen viele Jugendliche die Notwendigkeit, sich
Gedenkstätte besuchen können. Bei den angesprochenen                   mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, nicht
Problemfeldern sind genaue Absprachen mit den Gedenk-                  mehr einzig und allein darin begründet, weil ihre Fami-

                                                                                                                                              11
1. Experten informieren über: Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten

     lien bereits vor über 75 Jahren in Deutschland lebten.                 nur ein Baustein innerhalb eines größeren Netzwerks
     Die meisten begreifen das Wissen um den National-                      der historisch-politischen Bildung sein. Sollte es aber zu
     sozialismus und den Holocaust inzwischen als globale                   der befürchteten Situation kommen und der Guide weiß
     Geschichte, die alle Menschen betrifft. Die Zugänge                    zu antworten, wird der erhoffte Lerneffekt kaum bei der
     dazu sind vielfältig und können meines Erachtens nicht                 betroffenen Person zu beobachten sein. Vielmehr zielt
     durch die Vorlage ausgewählter Themen oder Biografien,                 eine verbale Reaktion auf rechte Äußerungen darauf ab,
     die eine besondere nationale, ethnische oder kulturelle                die anderen Teilnehmenden in der Gruppe zu stärken und
     Berücksichtigung vornehmen, vorbestimmt werden. Die                    Grenzen des Sagbaren deutlich aufzuweisen. Eine klare
     Verfolgung von Menschen aus rassistischen, religiösen,                 Positionierung von Seiten des Guides hat für den Moment
     politischen, eugenischen, sozialdarwinistischen und an-                somit weniger erzieherische Absichten gegenüber dem Ur-
     deren Gründen ist universell und es sollte Schüler*innen               heber, sondern zeigt gegenüber den anderen Schüler*in-
     unbedingt frei stehen, ihren persönlichen Zugang selbst                nen auf, dass es wünschenswert und möglich ist, solchen
     zu entdecken. Diese Auffassung schließt eine Erweite-                  Aussagen argumentativ entgegen zu treten.
     rung der Perspektiven um bisher wenig berücksichtigte
     Randthemen und weniger bekannte Einzelschicksale im
     gängigen Bildungsangebot keineswegs aus, sollte aber                   4. PRAKTISCHES ZUR PLANUNG
     nicht auf einzelne Zielgruppen exklusiv ausgerichtet sein.             Auf dieser Website finden Sie zahlreiche Informationen
                                                                            und Angebote, die Ihnen bei der Planung Ihres Gedenk-
     Zuletzt sorgen sich Lehrer*innen wieder vermehrt dar-                  stättenbesuchs behilflich sein können. Für Ihren Kontakt
     um, dass Schüler*innen durch rechte Äußerungen in der                  mit den Mitarbeiter*innen der Gedenkstätten und Ihren
     Gedenkstätte auffallen bzw. die Veranstaltung sabotieren               Aufenthalt vor Ort möchte ich Ihnen lediglich ein paar
     könnten. Sie nehmen einen zuweilen hemmungslosen                       organisatorische Tipps zur Hand geben.
     Umgang mit rassistischen, antisemitischen oder allgemein
     diskriminierenden Aussprüchen wahr, bei denen häufig                   Viele größere Gedenkstätten sind seit Jahren mit steigen-
     schwer einzuschätzen ist, ob sie der Provokation dienen                den Besucherzahlen konfrontiert. Dementsprechend wird
     oder ideologischen Ursprungs sind. Gelegentlich schätzen               den Besucher*innen weitestgehend empfohlen, früh-
     sie einzelne oder mehrere ihrer Schüler*innen tatsächlich              zeitig eine Anmeldung vorzunehmen. Einige Gedenkstät-
     als politisch rechts stehend ein und fragen sich, ob sie               ten können hingegen mitunter noch äußerst kurzfristig
     diese dennoch für einen Gedenkstättenbesuch gewinnen                   Gruppenanmeldungen annehmen. Auch die Altersemp-
     können bzw. sie dazu verpflichten sollten. Ihre Wahrneh-               fehlungen bzw. das Mindestalter für die Bildungsangebo-
     mung sollte Lehrkräfte nicht davon abhalten, eine Gedenk-              te variieren von Ort zu Ort. Erkundigen Sie sich über die
     stättenfahrt zu planen, sie sollten ihre Beobachtungen                 Website oder ggf. telefonisch über die Rahmenbedingun-
     aber unbedingt im Vorfeld den Gedenkstättenmitarbei-                   gen und Abläufe.
     ter*innen mitteilen. Viele Referent*innen haben in den
     letzten Jahren an Schulungen im Umgang mit rechtspopu-                 Grundsätzlich kann ich allen Lehrer*innen nahelegen, mit
     listischen Äußerungen in der Gedenkstättenarbeit teilge-               den Bildungsabteilungen der Gedenkstätten persönlich
     nommen und der Diskurs darüber wird in den Gedenk-                     Kontakt aufzunehmen. Auf diese Weise können Sie sich
     stätten intensiv geführt. Doch auch für die Guides bleibt es           über das Programmangebot im Detail informieren, und
     eine Herausforderung, in der Situation immer adäquat zu                zum anderen – und das erachte ich als besonders wich-
     reagieren. Sich im Voraus auf die Möglichkeit einzustellen,            tig – Ihre Klasse und deren Bedürfnisse direkt bespre-
     kann schon eine große Hilfestellung bedeuten. Auch sollte              chen. Scheuen Sie sich nicht, besondere Bedarfe Ihrer
     es auf Seiten der Lehrer*innen keine falsche Vorstellung               Schüler*innen und mögliche Schwierigkeiten, die Sie bei
     von der Funktion des Gedenkstättenbesuchs geben. Er                    Ihren Jugendlichen sehen, anzusprechen. So hilft uns
     ist keine Immunisierung gegen rechtes Gedankengut.                     zum Beispiel die Information, dass sich Menschen mit
     Dass sich Schüler*innen mit politisch problematischen                  körperlichen Einschränkungen in der Gruppe befinden,
     Haltungen in einer Klasse befinden, sollte weder der aus-              bei unserer Programmplanung weiter, denn nicht immer
     schlaggebende Grund sein, einen Gedenkstättenbesuch                    sind Gedenkstätten und Ausstellungsräume barriere-
     ins Auge zu fassen, noch dafür, dies nicht zu tun. Er kann             frei. Wenn Sie Jugendliche betreuen, die Deutsch erst

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1. Experten informieren über: Grundsätze der Gedenkstättenpädagogik. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gedenkstättenfahrten

noch als Fremdsprache erlernen oder die traumatische                   Nachbesprechung. Und sage den Geschichtslehrern,
Erfahrungen (bspw.: Fluchterfahrung) gemacht haben                     weil ich ja nicht alle Klassen selber habe, macht bitte
könnten, ist das Wissen darum für den*die Referent*in                  eine Vor- und Nachbereitung. Meistens passiert das.
wesentlich, um sich darauf einzustellen. Darüber hinaus                Aber ich habe auch schon Klassen gehabt, die ich bei
ist nicht jedes Seminarformat für jede Gruppe geeignet.                Null abholen musste.“
Es gibt leseintensive Seminare, die auf ein gutes Vor-                 Ein Lehrer über die Organisation von Gedenkstättenbesuchen
wissen aufbauen, quellengestützte Einstiege, welche die                in seiner Schule, aus: Karin Huber: Bildungschancen und
Jugendlichen zu einem selbstständigen forschenden Ler-                 Bildungsgrenzen eines schulischen Gedenkstättenbesuchs.
nen anregen, kunst- und kulturpädagogische Workshops,                  Magisterarbeit, Wien 2010, S. 68.
in denen eine kreative, assoziative Auseinandersetzung
mit dem Ort stattfindet. Schüler*innen mit Lern- oder                  „Ich komme mit meinen Klassen immer ganz be-
Konzentrationsschwierigkeiten würde ein leseintensiver                 wusst zu Ihnen in die Gedenkstätte, bevor wir den
Seminartag mit längeren Arbeitsphasen sicherlich über-                 Nationalsozialismus im Unterricht behandeln. Ich
fordern oder gar frustrieren. Es gibt aber viele andere                sehe meine Jugendlichen als eine Art tabula rasa.
interessante Zugänge, die stattdessen gewählt werden                   Der Eindruck, welcher dieser Ort bei ihnen hinter-
können. Die Gedenkstättenpädagog*innen werden Sie                      lässt, macht sie viel offener für die Geschichte,
bei der Wahl des Programmes beraten und können auf                     wenn wir sie dann in der Schule durchnehmen.“
diese Weise ein zielgruppenorientiertes Format erstellen.              Ein Lehrer einer 9. Klasse vor Beginn einer Führung in der
                                                                       Gedenkstätte Sachsenhausen, 2017
Zuletzt noch ein paar ganz praktische Tipps: Die örtlichen
Gegebenheiten variieren von Gedenkstätte zu Gedenk-                    Tatsächlich sollte der Gedenkstättenbesuch selbst nicht
stätte. In manchen hält man sich größtenteils in Räumen                als Vorbereitung auf die Behandlung der Geschichte des
auf, andere verfügen über ein großes Außengelände,                     Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges im
auf dem mitunter längere Strecken zurückgelegt werden                  Unterricht dienen. Vorhandenes Wissen hilft, neue Infor-
müssen und die Besucher*innen dem Wetter zu großen                     mationen, welche die Jugendlichen während des Gedenk-
Teilen ausgeliefert sind. Wie bereits erwähnt, ist das kör-            stättenbesuchs erhalten, einzuordnen und eigene Fragen
perliche Wohlergehen der Jugendlichen wichtig für ihre                 an die Geschichte des Ortes zu entwickeln. Dennoch
Aufnahmefähigkeit. Sind Ihre Schüler*innen aber abge-                  sehen sich viele Lehrer*innen mit Zwängen im schulischen
lenkt, weil sie frieren, nass werden, hungrig oder durstig             Alltag konfrontiert, die eine Einbettung der Gedenkstät-
sind, wird es ihnen schwer fallen, einer Führung zu folgen             tenfahrt in den Unterricht oder gar eine Projektarbeit im
oder sich bereitwillig ins Seminar einzubringen. Die Not-              gewünschten Sinne nicht immer zulassen. Enge Rahmen-
wendigkeit, wetterfeste Kleidung, bequemes Schuhwerk                   lehrpläne, die nur unzureichend viele Unterrichtseinheiten
und Proviant mitzunehmen, muss unbedingt mit den                       für dieses komplexe Themenspektrum einräumen, Termin-
Schüler*innen vorab besprochen werden.                                 findungsschwierigkeiten aufgrund von Klausurphasen oder
                                                                       die plötzliche Notwendigkeit als fachfremde Begleitperson
                                                                       einzuspringen, sind nur einige der bekannten Hindernisse.
5. V
    OR- UND NACHBEREITUNG DES                                         Wir sind uns in den Gedenkstätten dieser Schwierigkeiten
   GEDENKSTÄTTENBESUCHES                                               bewusst und haben dafür volles Verständnis. Dennoch
„Im besten Fall gibt es eine Vorbereitung, eine Fahrt                  gibt es viele Möglichkeiten, den Gedenkstättenbesuch im
und eine Nachbereitung. Ich sage im besten Fall, weil                  Unterricht sinnvoll vor- und nachzubereiten, und ich möch-
die Praxis oft so ist: Es ist täglicher Unterrichtsstress              te gern an dieser Stelle einige Anregungen geben, wie
und keiner hat Zeit für irgendetwas. Dann heißt es,                    dies bei unterschiedlichen zeitlichen Kapazitäten aussehen
man sollte [in die Gedenkstätte] auch gefahren sein.                   kann. Einige Leistungen in Vor- und Nachbereitung er-
Dann schaut man, welche Klassen können gerade?                         achten wir als absolut notwendig. Das werde ich kenntlich
Wo sind gerade keine Schularbeiten? Wo sind keine                      machen. Bei anderen handelt es sich um Vorschläge, die
Projekte? Man findet irgendwie einen Termin wo es                      Sie für Ihre Arbeit in Erwägung ziehen können. Es handelt
geht, findet einen Bus und fährt dorthin. Dann mache                   sich nicht um ausgearbeitete Unterrichtseinheiten, sondern
ich im Bus oft eine Einleitung und im Bus dann die                     um thematische Anregungen, die Sie aufgreifen können.

                                                                                                                                              13
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