Gemeinsam weiter denken - Weil wir es - FH Münster
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WS 2019/2020 gemeinsam weiter denken JAHRE SMOT TO V I RTUA L R E A LIT Y LEUKIPP Weil wir es Wir sind alle Programmieren können Infonauten leicht gemacht
↖ Titelbild: Ein Team rund um Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann erforscht am IGTA-Institut Interdisziplinarität. Mehr dazu auf den Seiten 12 / 13. Foto Anne Holtkötter
Editorial 1.800.000 So viele Einträge bietet Google unter dem Stich- wort interdisziplinär. Aber wir müssen nicht surfen, um zu erfahren, was darunter zu ver- stehen ist. Wir leben es längst: Schon lange arbeiten die Fachbereiche unserer Hochschule zusammen, um gemeinsam an Lösungen zu tüfteln. Uns darauf noch mehr zu fokussieren ist das Ziel – deshalb haben wir das Jahr 2019 unter das Motto „gemeinsam weiter denken“ gestellt. Schon jetzt gibt es viele Beispiele dafür, wie verschiedene Fachdisziplinen ihre Kompetenzen in Lehre und Forschung zusam- menführen. Einige davon haben wir in der neuen Ausgabe unseres Hochschulmagazins Kontakt zusammengetragen. Prof. Dr. Ute von Lojewski praesidentin@fh-muenster.de Lassen Sie sich inspirieren, nutzen Sie das Foto Thorsten Arendt Know-how der Kolleginnen und Kollegen, um Ihre Ideen und Vorhaben noch besser zu ver- wirklichen – um konkurrenzfähig zu bleiben und vor allem, um einen Beitrag zu leisten bei der Lösung kleiner und großer Probleme auf unserer Erde. Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Prof. Dr. Ute von Lojewski Präsidentin der FH Münster 3
Inhaltsverzeichnis WS 2019/2020 Schwerpunkt Interdisziplinarität: gemeinsam weiter denken Editorial Laser auf dem Acker In-Institute an der FH Münster 03 1.800.000 18 Unkrautvernichtung 32 Fachbereichsübergreifend für Fortgeschrittene in Lehre, Forschung und Im Interview Praxistransfer 06 Weil wir es können: Gemeinschaftsverpflegung gemeinsam 20 Essen – auch eine Berufungen weiter denken Frage der Logistik 36 Willkommen an der FH Münster Palliativstation Virtual Reality: Immersive Learning Prof. Dr. Michael Schäferling 08 Zusammen für mehr Prof. Dr. Weronika Cichorek Lebensqualität 22 Wir sind alle Infonauten Prof. Dr. Claudia Oetting-Roß Palliative Care Prof. Dikkie Scipio IGTA 12 Zeit, Geduld und starke 24 Wenn vieles nicht 38 FH Münster im Profil Nerven und dabei den mehr hilft ... Horizont erweitern 39 FH-Storys Leukipp Ressourcen effizienter ausnutzen 26 Programmieren 14 Mit Grün. Mit Wasser. leicht gemacht Mittendrin. Nachhaltigkeit Berufsschule als Lernort für alle 28 Wärmedämmverbund- 16 Raum für Inklusion systeme sinnvoll verwerten Benutzerfreundlichkeit 30 Appsolute Pflege Hinweis zur geschlechter- Impressum gerechten Sprache fhocus Ausgabe 35 www.fh-muenster.de Die Gleichberechtigung aller Geschlech- ter ist im Leitbild der FH Münster ver- ankert. Nach Möglichkeit verwenden wir Herausgeber Die Präsidentin der FH Münster geschlechtsneutrale Formulierungen. Redaktion Pressestelle der FH Münster: Katharina Kipp (V. i . S. d. P.), Anne Holtkötter Gestaltung BOK + Gärtner GmbH, Münster, www.bokundgaertner.de Wo sich dies nicht umsetzen lässt, be- Korrektorat Lektorat Schreibweise, Hamm nutzen wir aus Gründen der besseren Druck Blömeke Druck SRS GmbH, Herne Lesbarkeit das generische Maskulinum. Papier Umschlag MultiOffset 190 g/m², Innenteil MultiOffset 100 g/m² Selbstverständlich sind dabei alle Ge- Auflage 1.400 Stück schlechter eingeschlossen. ISSN 1610-2592 5
Weil wir es können: gemeinsam weiter denken „Die Aufgaben der modernen Gesellschaft sind komplex und lassen sich nur selten einzelnen akademischen Disziplinen zuordnen. Voraussetzung für umfassende Lösungen ist es, die vielfältigen Ansätze der Fachgebiete zusammenzuführen. Daher ist interdisziplinäres Zusammenwirken in Lehre und Forschung für uns selbstverständlich.“ Hochschulentwicklungsplan 2011 – 2015 und 2016 – 2020 6 fhocus Ausgabe 35
Im Interview Seit 2011 ist der Wortlaut zur Handlungsmaxime Interdisziplinarität, wie sie sich aus unserem Leitbild ergibt, unverändert. Warum wir sie in diesem Jahr trotzdem verstärkt in den Blickpunkt nehmen, darüber sprachen wir mit der Präsidentin unserer Hochschule, Prof. Dr. Ute von Lojewski. Interview Anne Holtkötter Foto Stefanie Gosejohann fhocus: Frau von Lojewski, was hat das Präsi- dium bewogen, als Jahresmotto „gemeinsam weiter denken“ festzulegen? von Lojewski: Erstens ist dies notwendig, weil in der Praxis interdisziplinäre Zusammenarbeit ge- punkten können. Die Erfolge in der Drittmittel- braucht wird und weil von unseren Absolventen einwerbung belegen, dass wir den richtigen erwartet wird, dass sie als Studierende gelernt Weg eingeschlagen haben. Auch unsere Insti- haben, interdisziplinär zu agieren. Zweitens: Weil tute fördern wir aus unserem Selbstverständnis wir es können – aufgrund unserer Struktur und heraus, dass Fachgebiete zusammengeführt gelebten Kultur in Forschung und Lehre! Denn werden müssen. Als Beispiel sei hier nur das als Hochschule für angewandte Wissenschaften GUD genannt, das Institut für Gesellschaft und haben wir zum Glück keine Lehrstuhlstruktur, Digitales. Und für die Lehre, auch nur exemp- alle Professorinnen und Professoren verstehen larisch: Die AG Digitalisierung beschäftigt sich sich auch als Kolleginnen und Kollegen. Hinzu intensiv mit der Frage, auf welche interdiszip- kommen unsere räumlichen Bedingungen: linären Anforderungen in der Berufspraxis wir Auf dem Steinfurter Campus, im FHZ, auf dem unsere Studierenden vorbereiten müssen. ↗ Prof. Dr. Ute Leonardo-Campus, zukünftig auf dem Hüffer- von Lojewski Campus begünstigt die enge Nachbarschaft, dass bei der Präsen- tation des inter- sich Fachrichtungen zusammentun. Und drittens Wie ist es denn bestellt um die fhocus: disziplinären lohnt es sich, Interdisziplinarität zu befördern, gemeinsame Lehre unterschiedlicher Fach- Projekts „Palliativstation damit wir uns von anderen unterscheiden und bereiche? im Hiltruper im besten Fall mit Alleinstellungsmerkmalen von Lojewski: Auch da gibt es schon sehr viele Herz-Jesu- Krankenhaus“ von anderen abheben. gute Beispiele wie gemeinsame Studiengänge, Se- minare und Projekte. Doch nicht ohne Grund hat- Was heißt das für Forschung und fhocus: ten wir beim diesjährigen Hochschuldidaktiktag Lehre an unserer Hochschule? mit Prof. Dr. Ray Land aus Großbritannien einen von Lojewski: Angewandte Forschung und dar- ausgewiesenen Experten für Interdisziplinarität, aus entstehende Innovationen verlangen geradezu der dafür plädierte, Barrieren zu überwinden Interdisziplinarität. Dass etwa die Zusammen- und fachliche Felder zu verbinden. Zudem konn- arbeit von Sozial- und Ingenieurwissenschaften ten die Teilnehmer in den Impulsvorträgen und gefragt ist, zeigt das Mammutprojekt münster. Workshops viele Anregungen etwa für modul- Kontakt land.leben. Nur durch unser Know-how haben übergreifende Lehre mitnehmen. Jetzt gilt es, Prof. Dr. Ute von Lojewski praesidentin@fh-muenster.de wir hier und in vielen anderen Ausschreibungen von den guten Beispielen zu lernen! • 7
Zusammen für mehr Lebensqualität ↘ Studierende des Fachbereichs Wirtschaft erarbeiteten zwei Finanzie- rungskonzepte für die neue Palliativstation des Herz-Jesu- Krankenhauses. 8 fhocus Ausgabe 35
Palliativstation Das Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster-Hiltrup wünscht sich eine neue Palliativstation, um unheilbar Kranke bestmöglich zu pflegen. Wie sieht die ideale Station aus? Wie lässt sie sich finanzieren? Vier Fachbereiche unserer Hochschule helfen mit, diese Fragen zu beantworten. Text Stefanie Gosejohann und Victoria Liesche Fotos Anne Holtkötter (linke Seite), Stefanie Gosejohann (Seite 10/11) Den Anfang machten Studierende des Fachbereichs Info Wirtschaft im Sommersemester 2018. Unter Lei- Angestoßen tung von Prof. Dr. Olaf Arlinghaus konzentrierten hatten die Kooperation sie sich auf zwei Finanzierungskonzepte. Ein Team zwischen Herz- beschäftigte sich mit Crowdfunding, der Finan- Jesu-Kranken- haus und zierung durch die Macht der Massen. „Man stellt Wie sollte die neue Station gestaltet sein, um FH Münster die online ein Projekt vor und bittet um finanzielle die Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen, Domfreunde Münster. Unterstützung. Dafür gibt es unterschiedliche Platt- Pflegenden und Therapeuten optimal zu erfüllen? formen“, erklärte Student Markus Schrick bei der Auf diese Frage suchte eine Studierendengruppe Abschlusspräsentation. des Fachbereichs Gesundheit unter Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Ostermann und Prof. Dr. Claudia Inwiefern das systematische Einwerben von Oetting-Roß Antworten. Ihre zentrale Erkennt- Spendengeldern, also Fundraising, sinnvoll für nis nach zwei Semestern Recherche: Ausreichend die Kapitalbeschaffung sein kann, untersuchte die Raum ist eine sehr wichtige Voraussetzung für eine zweite Gruppe. Die Idee: Aufmerksamkeit schaf- ideale Palliativstation. Denn es wird sowohl genü- fen, um das Interesse und den Willen zum Spen- gend Platz für die bestmögliche Pflege gebraucht den zu wecken. Gelingen soll das beispielsweise als auch für vertrauliche Gespräche und Stille. durch gezielte Medienkampagnen, Aktionen wie ein Weihnachtssingen sowie über Stiftungen, Ko- Und so sieht die Vision der Studierenden aus: Den operationen und eine Schirmherrschaft. „Das sind Mittelpunkt bildet ein großes Personalzimmer, alles wichtige Marketingmaßnahmen, ohne die es der Pflegestützpunkt. Die freundliche, offene nicht funktioniert“, betonte Studentin Lisa Darius. Gestaltung soll gleichzeitig den Anforderungen des Datenschutzes genügen. Die Patientenzimmer Die praxisnahen Ausarbeitungen der Studieren- sind so geräumig, dass die Möbel ohne großen den zeigten den Verantwortlichen des Herz-Jesu- Aufwand umgestellt werden können und genü- Krankenhauses, welche Wege sie beschreiten könn- gend Platz ist für ein zusätzliches Bett für einen ten, um Ressourcen für den Umbau zu beschaffen. Angehörigen. Eine eigene, ebenfalls großzügig 9
↙ Der Entwurf von Josefine Smolnik sieht für jeden Patienten einen eigenen Außenbereich vor, dessen Türen sich so weit öffnen lassen, dass das Patientenzimmer gefühlt zu einer Art Loggia wird. gestaltete Nasszelle garantiert die Intimsphäre. Die Dazu kommen ausreichend große Funktionsräume technisch-materielle Ausstattung sorgt für viele für die Pflege, ein Behandlungszimmer für das Handlungsoptionen der Betroffenen und erleich- Ärzteteam, ein multifunktionaler Therapieraum, tert die Arbeit von Pflegenden und Therapeuten – ein Entspannungsbad mit großer Badewanne, ein zum Beispiel durch Betten, in denen die Patienten therapeutisch konzipierter „Snoezelraum“ zur Sin- leicht von der liegenden in die sitzende Position nesförderung und Pausenräume für das Personal. wechseln können. Die Ideen der Bachelorstudierenden, die alle Für alle Räume empfehlen die Studierenden helle, selbst Berufserfahrung in der Pflege mitbringen, freundliche Farben, dimmbare Lichtsysteme basierten nicht nur auf Fachliteratur, sondern und einen direkten, barrierefreien Zugang zur auch auf Interviews, die sie mit Patienten, deren Natur. So soll eine angenehme, geborgene Atmo- Angehörigen und Teammitgliedern der Palliativ- sphäre geschaffen werden, die sich positiv auf die station geführt hatten. „Sie haben in den Gesprächen Lebensqualität der Patienten und ihrer Ange- mit uns sehr genau hingehört und sind sehr gut hörigen auswirkt. Raum für Stille und Trauer, aber auf unsere Bedürfnisse eingegangen“, lobte Elke auch für Gespräche und Begegnung sollen liebevoll Bertels-Janett, Pflegerische Leitung der Palliativ- gestaltete Gemeinschaftszimmer bieten. station, beim Projektabschluss. 10 fhocus Ausgabe 35
Palliativstation sich austauschen können. „So ein Treffpunkt ist sehr wichtig“, unterstrich Dr. Wolfgang Clasen, Chefarzt und Leiter der Palliativstation, der sich bei der Abschlusspräsentation sichtlich beeindruckt von den kreativen Ideen der Studierenden zeigte. In konkrete Entwürfe setzten Masterstudierende Auch Prof. Victor Mani, der das Entwurfsseminar vom Fachbereich Architektur, der Münster School geleitet hatte, lobte das Engagement der Studie- of Architecture (MSA), die von den Pflegestudie- renden: „Dass sich 25-Jährige bewusst für ein Pro- renden formulierten Anforderungen an eine ideale jekt mit einer derart existenziellen Fragestellung ↗ Prof. Victor Palliativstation um. „Für uns war es sehr wichtig, entscheiden, ist sehr beeindruckend“, betonte der Mani (l.) zeigte die fachliche Perspektive verstehen und einnehmen Hochschullehrer. „Die Studierenden haben zehn sich bei der Abschlussprä- zu können“, erläutert Josefine Smolnik. „Dabei Wochen lang Informationen zusammengetragen, sentation hat uns der Austausch mit den Studierenden des um verstehen zu können, was es für einen Pati- im Herz-Jesu- Krankenhaus Fachbereichs Gesundheit und dem Pflegepersonal enten bedeutet, palliativ versorgt zu werden.“ Im beeindruckt von des Herz-Jesu-Krankenhauses sehr geholfen“, so ergänzenden Vertiefungsseminar hatte sein Kol- den Entwürfen der Studierenden. die Soziologin und angehende Architektin. „Durch lege Prof. Martin Weischer mit den Architektur- deren professionellen Ansatz haben wir gelernt, das studierenden ebenfalls umfassend recherchiert, Begleiten von schwerstkranken und sterbenden wie sie sich dem schwierigen Thema technisch Menschen nicht nur mit negativen Gefühlen zu und organisatorisch am besten nähern können. verbinden, sondern auch als etwas Positives und Würdevolles zu betrachten.“ Als vierter Fachbereich sind die Designer an dem interdisziplinären Kooperationsprojekt beteiligt: In ihrem Entwurf legte Smolnik den Fokus da- Die beiden Studentinnen Elena Schütte und Kira rauf, die begrenzten Räumlichkeiten durch die Pawlewski kreierten ein Logo für die neu gestaltete „Überlagerung von Bewegungsflächen“ optimal Palliativstation. Es besteht aus einer gewölbten, auszunutzen. So haben ihre Bäder variable Falttü- leicht geöffneten Hand, die von einem Kreis um- ren, die sich bei Benutzung so schließen, dass schlossen wird. „Das passt sehr schön zum Wort innen ausreichend Platz bleibt – etwa für einen ‚palliativ‘“, erklärt Schütte, „denn darin steckt das Rollstuhl. Bei Nichtbenutzung können sie dagegen lateinische Wort ‚palliare‘, was ‚mit dem Mantel weiter innen geschlossen werden, wodurch sich das bedecken, umhüllen‘ bedeutet.“ • Patientenzimmer vergrößert. Für jeden Patienten plante die Masterstudentin zudem einen eigenen Außenbereich, dessen Türen sich so weit öffnen lassen, dass das Patientenzimmer gefühlt zu einer Kontakt Art Loggia wird. Prof. Dr. Olaf Arlinghaus arlinghaus@fh-muenster.de Auch ihre Kommilitoninnen Eva Poorthuis und Prof. Dr. Claudia Oetting-Roß oetting-ross@fh-muenster.de Magdalena Walochnik haben versucht, den be- grenzten Raum durch flexible Funktionen mög- Prof. Dr. Rüdiger Ostermann ruediger.ostermann@fh-muenster.de lichst ideal auszunutzen: Ihr Besprechungszim- mer lässt sich durch Faltwände mit integrierten, Prof. Victor Mani vmani@fh-muenster.de ausklappbaren Arbeitsplätzen je nach Bedarf in kleinere Büros oder Therapieräume aufteilen. Was Prof. Martin Weischer m.weischer@fh-muenster.de alle studentischen Entwurfsgruppen eingeplant haben, ist ein Ort, an dem die Patienten in an- Prof. Rüdiger Quass von Deyen quassvondeyen@fh-muenster.de genehmer Atmosphäre zusammenkommen und 11
Das IGTA-Institut unserer Hochschule vereint nicht nur verschiedene Professionen – es beforscht sogar explizit die eigene Interdisziplinarität. Das verlangt den Beteiligten manchmal einiges ab. Text Victoria Liesche Foto Anne Holtkötter Zeit, Geduld und starke Nerven und dabei den Horizont erweitern 12 fhocus Ausgabe 35
IGTA Positive Horizonterweiterung IGTA, das steht für Interdisziplinarität, Gesund- Dass diese Art der Zusammenarbeit für die Stu- heit, Technik und Arbeitsfähigkeit. Hier kommen dierenden sehr erhellend sein kann, haben bereits Ingenieure mit Forschern aus dem Gesundheits- Lehrprojekte gezeigt, die Menzel-Begemann mit bereich zusammen, um gemeinsam ganzheitliche Prof. Dr. Marcellus Bonato sowie Kollegen und Lösungen zu erarbeiten. Bereits auf Studierenden- Studierenden der Fachhochschule Bielefeld durch- Info ebene gibt es Projekte, in denen verschiedene geführt hat. Die Studierenden aus den Bereichen Am IGTA-Institut Professionen die Perspektive der jeweils anderen Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, beteiligt sind die Fachbereiche kennen- und mit der Zeit schätzen lernen. Mechatronik und Wirtschaftsingenieurwesen Gesundheit, hatten hier zum Beispiel die Aufgabe, gemein- Elektrotechnik und Informatik „Haltung und Bewegung aus interdisziplinärer Sicht“ sam technische Hilfsmittel zur Unterstützung der sowie Physik- heißt eines der neu konzipierten Lehrprojekte, das morgendlichen Grundpflege von Herzinfarktpati- ingenieurwesen, assoziiert sind Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann vom Fachbereich enten zu entwickeln. Sozialwesen und Gesundheit zusammen mit Prof. Dr. Klaus Peiken- Oecotrophologie · Facility kamp, Dr. Annette Kerkhoff und Thilo Künnemann „Ohne das Feedback der Studierenden aus Management. vom Fachbereich Physikingenieurwesen initiiert Münster wäre am Ende vermutlich eine Vision Die Institutsgrün- hat und das in diesem Wintersemester erstmals entstanden, die zwar technisch auf dem höchsten dung hat unsere stattfindet. Bachelorstudierende des Fachbereichs Niveau angesiedelt ist, aber den Grundnutzen Hochschule bereits im Antrag Gesundheit, teilweise mit physiotherapeutischem des Zimmers und somit auch den Nutzen für den „münster.land. Hintergrund, bilden Kleingruppen mit Master- Patienten übersteigt“, reflektierte ein Student aus leben“ ange- kündigt. Die studierenden aus dem Bereich Biomedizinische dem technischen Bereich in seiner Seminararbeit. Basis dafür Technik des Fachbereichs Physikingenieurwesen „Durch das Projekt und die daraus resultierenden bildet das HEP- Entwicklungsfeld und entwickeln integrative Konzepte zur Bewe- Gespräche mit der anderen Disziplin hat man „Gesundheit gungsanalyse oder -behandlung. Ein wichtiger einen ganz anderen Einblick in die Thematik be- leben“. Zusatzauftrag: die interdisziplinäre Zusammen- kommen. Beispielsweise war es für die Ingenieure arbeit zu reflektieren. sehr interessant zu hören, wie es wirklich auf den Intensivstationen abläuft und dass nicht alles so Unterschiedliche Herangehensweisen stimmt, wie man es aus Serien und Filmen kennt“, IGTA-Institutssprecherin Menzel-Begemann gibt führte er weiter aus. Diese Horizonterweiterung zu, dass den Studierenden in der Veranstaltung sei sehr positiv gewesen. • einiges abverlangt wird. „Interdisziplinarität kann sehr anstrengend sein: Man braucht Zeit und Geduld, um Begrifflichkeiten und die unter- schiedlichen Denkweisen zu klären. Und man muss auch mal konfliktträchtige Auseinander- setzungen aushalten.“ Zu unterschiedlich seien einfach manchmal die Herangehensweisen. „Da werden dann auch teilweise Vorurteile laut – zum Beispiel, dass Ingenieure davon ausgehen, dass immer alles mit Zahlen und Werten normiert ist.“ Ziel des Projekts sei, trotzdem oder gerade des- wegen einen gemeinsamen Nenner zu finden, als Team vorwärtszukommen und ein inhaltlich gutes Ergebnis abzuliefern. „Wir werfen die Studieren- ↖ Koordinator des den ins kalte Wasser, aber wir begleiten sie auch IGTA-Instituts ist bei diesem Prozess“, verspricht Menzel-Begemann. Kontakt Thilo Künnemann. Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann Sie und die anderen Initiatoren hoffen, dass die (Institutssprecherin) Beteiligten durch diese Lehrveranstaltung den Thilo Künnemann (Koordination) Mehrwert von interdisziplinärem Arbeiten er- igta@fh-muenster.de kennen und auch in Zukunft offen für Austausch www.fh-muenster.de/igta sein werden. 13
Mit Grün. Mit Wasser. Kontakt Prof. Dr.-Ing. Mathias Uhl (Leiter des Verbundprojekts) uhl@fh-muenster.de Dr.-Ing. Malte Henrichs (Koordinator) henrichs@fh-muenster.de Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme flamme@fh-muenster.de Prof. Dr.-Ing. Jens Haberkamp haberkamp@fh-muenster.de Prof. Dr.-Ing. Peter Vennemann vennemann@fh-muenster.de www.fh-muenster.de/iwaru Mittendrin. ↙ Projektleiter Prof. Dr. Mathias Uhl (l.), Projekt- koordinator Dr. Malte Henrichs (r.) und Dokto- randin Birgitta Hörnschemeyer bei einer Besprechung. 14 fhocus Ausgabe 35
Ressourcen effizienter ausnutzen Das ist das neue Motto der Ruhrgebietsstadt Herne. In den beiden Stadtteilen Strünkede und Pantringshof soll es nun mithilfe unserer Hochschule umgesetzt werden. In diesen „Modellquartieren“ sind verschiedene Maßnahmen geplant, um die Lebensqualität der Bewohner zu erhöhen. Text Stefanie Gosejohann Fotos Stefanie Gosejohann (links unten), Andreas Matzinger (rechts unten) Der Fokus liegt dabei auf einem nachhaltigen, Entsorgungsproblem betrachtet, heute dagegen kosten- und nutzeneffizienten Umgang mit auch als Ressource“, sagt der Wasserexperte. Den Info unseren Ressourcen. Denn Städte verbrauchen Stoffströmen widmen sich Flamme und ihr Team: Das Verbund- fast 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie Welche Rohstoffe wurden verbaut? Können sie projekt R2Q und nahezu 70 Prozent der globalen Ressourcen. wieder genutzt werden? Wenn ja, wie? Haberkamp gehört zur Fördermaßnahme „Und dabei bieten sie ein enormes Potenzial für und seine Mitarbeiter nehmen das Abwasser in den „Ressourcen- ressourceneffizientes Wirtschaften, das bisher Blick: Wie können Wasserversorgung und Abwas- effiziente Stadt- quartiere für nur unzureichend ausgeschöpft wird“, erläutert serentsorgung verbessert werden? Welche Möglich- die Zukunft“ des Prof. Dr. Mathias Uhl vom Institut für Infrastruk- keit gibt es, um weniger verunreinigtes Grauwasser Bundesminis- teriums für tur · Wasser · Ressourcen · Umwelt (IWARU) un- aufzubereiten und eventuell ein zweites Mal zu Bildung und serer Hochschule. Wie sich dies ändern lässt, er- verwenden? Vennemann und sein Team widmen Forschung und wird mit 2,8 forscht ein interdisziplinäres Verbundprojekt unter sich allen Fragen rund um die Energie: Lohnt es Millionen Euro seiner Leitung. Das Ziel von „RessourcenPlan im sich, ein Blockheizwerk zu errichten? Oder ist eine gefördert. Quartier“, kurz R2Q, ist es, am Beispiel der beiden Dämmung für die Gebäude effizienter? Herner Stadtteile herauszuarbeiten, wie die Res- sourcen Wasser, Fläche und Raum, Stoffe – etwa Herne als Vorbild Baumaterialien – sowie Energie bei dem geplanten In dem auf drei Jahre angelegten Projekt soll ein Umbau- und Sanierungsprozess am effizientes- Fachplan entstehen, der den Ressourcenverbrauch ten eingesetzt werden können. „Ein besonderes in Modellrechnungen realitätsgetreu abbildet. Optimierungspotenzial liegt zwischen den ver- „Durch Simulationen wird er konkrete Informa- Info schiedenen Ressourcenebenen, denn es müssen tionen liefern, an welchen Stellschrauben gedreht Neben unserer Hochschule sind auch Synergieeffekte berücksichtigt werden. Zum werden muss, um etwa den CO2 -Ausstoß zu ver- die RWTH Beispiel, indem die Wärme aus Abwasser vom ringern oder den Energieverbrauch zu reduzie- Aachen, die TU Berlin und das Duschen oder Waschen durch Wärmetauscher ren“, erläutert Dr. Malte Henrichs, Koordinator des Kompetenz- wieder der Energieversorgung zugeführt wird“, Projekts. „Im zweiten Schritt werden wir daraus zentrum Wasser Berlin beteiligt. erklärt der Leiter des Verbundprojektes. dann konkrete Maßnahmen ableiten.“ Die Ergeb- Praxispartner nisse des Projekts R2Q werden sich nicht allein sind neben der Stadt Herne das Alle Ressourcentypen gemeinsam im Blick auf den Umgestaltungsprozess der beiden Herner Institut für Vier Teilprojekte werden von Wissenschaftlern Modellquartiere auswirken. Denn die erarbeiteten technisch-wis- senschaftliche unserer Hochschule geleitet: Neben Uhl sind Methoden lassen sich auch auf andere Kommunen Hydrologie, dies Prof. Dr. Sabine Flamme und Prof. Dr. Jens übertragen und sollen als Open-Source-Tool frei zu- Gelsenwasser, ExKern und Jung Haberkamp, beide ebenfalls vom IWARU, sowie gänglich allen Planern zur Verfügung stehen. • Stadtkonzepte. Prof. Dr. Peter Vennemann vom Institut für Ener- gie und Prozesstechnik. Das Team um Uhl befasst sich mit der Regenwasserbewirtschaftung: Wie lässt es sich zurückhalten, um bei großer Hitze durch Verdunstung das Klima zu verbessern? Wie lassen sich Überflutungen durch Starkregen vermeiden? „Früher wurde Regenwasser nur als 15
Raum für Inklusion 16 fhocus Ausgabe 35
Berufsschule als Lernort für alle Neue pädagogische Konzepte brauchen andere Räumlichkeiten zum Lernen. Wie sie aussehen könnten, damit befassten sich Anna Hagemann und Jeanne Lengersdorf in ihrer Masterarbeit. Text Anne Holtkötter Fotos Marcel Frommer (linke Seite), Anne Holtkötter Kontakt Prof. Dr. Ursula Bylinski bylinski@fh-muenster.de Prof. Claudia Grönebaum groenebaum@fh-muenster.de Sie trägt den Titel „Raum für Inklusion – Schule als Lernort für Alle gestalten und nutzen“. Und gewählt ist er mit Bedacht: Ein Raum, das heißt nicht einfach nur, dass es vier Wände gibt, eine Tür, Fenster und Möbel. Nein, das Wort ist doppeldeutig. Lernen für alle: Sie gliederten einen großen Semi- Wer Raum für Inklusion möchte, will mehr: sich narraum auf dem Leonardo-Campus in mehrere in einer Atmosphäre entfalten können, in der in- Inseln, und die Besucher schlüpften in die Rolle dividuelles Lernen möglich wird und Spaß macht. des Schülers, des Lehrers, des Sozialarbeiters, des Auch wenn es nicht dudenkonform ist, „Alle“ ist Architekten. Sie nutzten die ruhige Leseecke und absichtlich großgeschrieben. „Wir meinen wirk- Sitzgelegenheiten, um sich die Audiodateien der lich jeden, egal welche Voraussetzungen jemand Interviews anzuhören und über einen Beamer mitbringt“, sagt Anna Hagemann. gute Beispiele von bestehenden Lernlandschaften anzuschauen. An einer weiteren Station tausch- Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Jeanne Len- ten sie sich über das Raumkonzept und die Print- gersdorf studierte sie an unserem Institut für Be- version der Masterarbeit aus. rufliche Lehrerbildung (IBL) des Münster Centrum für Interdisziplinarität (MCI) mit der Fachrichtung „In unserer wissenschaftlichen Arbeit geht es um ↖ Prof. Dr. Ursula Bylinski Mediendesign und Designtechnik. Auf die Idee für Denken ohne Grenzen“, sagt Lengersdorf. Um den (l.) und Prof. ↖ Anna die Abschlussarbeit kamen sie durch das Seminar pädagogischen Wandel, das Inklusionsverständ- Claudia Grönebaum Hagemann (l.) „Inklusion konkret“ bei Prof. Dr. Ursula Bylinski, der nis, die Raumkomponente – letztendlich um die haben die und Jeanne Lengersdorf Erstprüferin der Masterarbeit, in dem sie mit der Notwendigkeit und die Möglichkeit, Barrieren im Masterarbeit betreut. durchleuchteten Inklusionsbeauftragten von Hamburg die Berufs- Kopf und in der Berufsschulpraxis zu beseitigen. das Konzept der Lernlandschaften schule 24 besuchten. „Die Vorreiterschule ist ein „Die Voraussetzungen, die Schüler an Berufsschulen unter vier gutes Beispiel, bei dem wir ansetzen konnten – um mitbringen“, erzählt Bylinski, „sind nämlich sehr Aspekten: der Beziehungsebene, empirisch zu forschen, qualitative Interviews mit verschieden: unterschiedliche Lernausgangslagen, der multipro- Experten, Schülern und Lehrern zu führen und Beeinträchtigungen, schulische Misserfolgserleb- fessionellen Teamarbeit, dem uns Lernformate genauer anzuschauen. Wie ist die nisse und vieles andere mehr. Jetzt gilt es, ihnen Ort des Lernens Raumnutzung? Wie harmonieren Klassenraum Erfolgserlebnisse zu ermöglichen – Lernlandschaf- und dem indi- vidualisierten und Lernkultur? Entspricht die Lernlandschaft ten liefern positive Lernerfahrungen. Wir schauen Lernen. den Vorstellungen einer inklusiven Didaktik?“ auf die Potenziale, nicht auf die Defizite.“ Das ist auch das Herzstück im Buch „Raum für Inklusion“. Mit Prof. Claudia Grönebaum vom Fachbereich Bylinski: „Mit dem pädagogischen Konzept der Design haben die zukünftigen Berufsschullehrerin- Lernlandschaft, das individuelles Lernen fördert, nen eine Expertin für Kommunikationsdesign als und der These, dass die Gestaltung des Raums Zweitprüferin gewonnen. „Raumgestaltung heißt dafür eine große Rolle spielt, haben die Studen- Prozesse gestalten: Für individualisierte Lernset- tinnen zwei eigenständige Perspektiven zu einer tings braucht es unterschiedliche Raumsituationen, vereint, mit einem größeren Mehrwert: Das ist die Interaktion, Kommunikation, Konzentration Interdisziplinarität.“ Man kann die Masterarbeit und Entspannung möglich machen“, erklärt als Handbuch für das große Thema Inklusion an Grönebaum – und lieferte damit einen entschei- beruflichen Schulen lesen – oder aber auch „nur“ denden Impuls. Für das Kolloquium der Master- Anregungen für kleine Schritte daraus ziehen. arbeit schufen sie einen Ort und ein Szenario zum Weil auch sie am Ende zählen. • 17
Unkraut- vernichtung für Fortgeschrittene Wenn Laserexperten und Maschinenbauer aufeinandertreffen, dann entsteht so manch ausgefallene Idee. So auch in einem Teilprojekt von „E&P Agro“: Ein Wissenschaftlerteam arbeitet daran, wie sich Unkraut auf Feldern per Laser entfernen lässt. Text und Fotos Theresa Gerks Kontakt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Scholz juergen.scholz@fh-muenster.de 18 fhocus Ausgabe 35
Laser auf dem Acker Exakt zielen Nein, der ist nicht aus Star Wars: ein kleiner Robo- Genau daran feilen Wermers und Lautenschläger ter, der durch den Garten tuckert und unliebsames gerade. Wie sich Unkraut in der Theorie am effizi- Unkraut mit einem Laserstrahl zur Strecke bringt. entesten mit einem Laser beseitigen lässt, hat ein Zugegeben, dieser Roboter existiert in dieser Art studentisches Team bereits untersucht: Der Laser Info noch nicht. Aber die Wissenschaftler im Projekt müsste das Wachstumszentrum treffen – und das Im 3,3 Millionen Euro schweren, „E&P Agro“ der Fachbereiche Maschinenbau und befindet sich bei den Pflanzen an unterschiedli- deutsch- Physikingenieurwesen sind auf dem besten Weg chen Stellen. Die Software dazu steht schon, ein niederländischen INTERREG- dorthin. Und sie denken noch größer: für die Land- Bildverarbeitungsprogramm erkennt automatisch Projekt „E&P wirtschaft, die mit Laserunkrautbekämpfung nach- die Wachstumszentren auf Bildern, die eine am Agro“ arbeitet die FH Münster haltiger und ökologischer werden würde. „Wenn Laser integrierte Kamera aufnehmen soll, und gibt zusammen mit wir auf unsere Felder hier in der Region schauen, die Ziele als Koordinaten aus. „Unsere Aufgabe ist den Unternehmen ADLER Arbeits- dann sehen wir blanken Mutterboden zwischen es jetzt, das Bearbeitungsfeld des Lasers mit dem maschinen GmbH den Pflanzenreihen – das ist ohne Chemie kaum Koordinatensystem der Kamera abzugleichen“, & Co. KG, VNK B.V., Mts Van möglich“, sagt Matthias Lautenschläger, wissen- erklärt Wermers. Das ist nicht ohne: Der Laser der Veen und schaftlicher Mitarbeiter des Laserzentrums unserer muss die kleinen Wachstumszentren präzise tref- Machinefabriek Boessenkool B.V. Hochschule. Gemeinsam mit Steffen Wermers fen, die etwa einen Millimeter groß sind. Denn am vom Labor für Verfahrenstechnik und nachwach- einfachsten lässt sich Unkraut beseitigen, wenn sende Rohstoffe stellt er sich der Aufgabe, eine es noch im Keimlingsstadium ist und nur wenig Unkrautbekämpfung per Laser zu entwickeln. Widerstandskraft aufbauen konnte. Info Das Auge trügt Auch für die Umwelt Für realitäts- Ohne Kameras geht bei „E&P Agro“, das für „Elek- Ende des nächsten Jahres, so rechnet das Projekt- nahe Versuche hat das Team trisierung und Präzisierung in der Landwirtschaft“ team, soll eine tragbare Box fertig sein, die per ein Testfeld mit steht, gar nichts. Aktuell zum Beispiel im studenti- Laser zielsicher Unkraut zerstört. Dann ist eines Unkraut, Mais, Rüben und schen Projekt von Vivien Hillmann, die Wermers der vielen Vorhaben im Großprojekt „E&P Agro“ Petersilie auf zuarbeitet. Zielsicher hält die Studentin erst einen erfüllt, das Prof. Dr.-Ing. Jürgen Scholz vom Fach- dem Steinfurter Campus angelegt. Infrarotbrenner über eine kleine Unkrautpflanze, bereich Maschinenbau koordiniert. „Die Land- dann eine Fluoreszenzkamera. Sie misst die Chloro- wirtschaft ist mit wachsenden Ansprüchen an phyll-Fluoreszenz. „Nach einer kurzen Behandlung Qualität und Leistung konfrontiert“, sagt Scholz. ist die Pflanze weiterhin grün und man sieht mit „Neue Techniken können helfen, zum Beispiel neue bloßem Auge keine Schäden, obwohl die Pflanze Elektroantriebe, GPS-gesteuerte Landmaschinen, ↙ Steffen in ein paar Tagen verwelken wird, weil die Blätter Drohnen und eben auch Laser und Bilderkennung. Wermers stattet beschädigt sind“, erklärt Hillmann. „Aber mit Mit ,E&P Agro‘ wollen wir die Präzision verbes- einen Infrarot- brenner mit einem der speziellen Fluoreszenzkamera lässt sich sehr sern und gleichzeitig der Umwelt helfen, zum GPS-System aus. wohl analysieren, ob die Pflanze abgestorben oder Beispiel durch weniger Treibstoffkosten, weniger nur an manchen Stellen beschädigt ist, weil sich CO2 -Emissionen, weniger Lärm und eben weniger gesunde Pflanzen in der Fluoreszenz deutlich von Chemie.“ • beschädigten Pflanzen unterscheiden.“ Die Herausforderung bei dieser Art der Unkraut- behandlung: Es ist kompliziert, Energie präzise zu dosieren, und die Handhabung ist schwierig, weil die Behandlungsdauer genau stimmen muss, damit die Pflanzen ausreichend aufgeheizt werden. In einem anderen Teilprojekt von „E&P Agro“ stattet das Team einen gängigen Gasbrenner deshalb mit neuer GPS-Technik aus. Aber in der Unkrautver- nichtung ist für die Wissenschaftler vor allem die Arbeit mit der Fluoreszenzkamera ein Muss, um Bilder von Unkräutern auswerten zu können – und somit zu erkennen, wie effizient die Unkrautbe- handlung arbeitet. 19
Große Krankenhäuser wie das Universitätsklinikum Münster liefern deutlich mehr als 1.000 Mahlzeiten am Tag an ihre Patienten aus. In eigenständigen Pflegeeinrichtungen sind es normalerweise viel weniger. Doch auch sie stehen vor großen logistischen Aufgaben. Text und Foto Dzemila Muratovic Essen – auch eine Frage der Logistik 20 fhocus Ausgabe 35
Gemeinschaftsverpflegung Um seine Studierenden umfassend auf diese Herausforderungen vorzubereiten, arbeitet der Fachbereich Gesundheit mit dem Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management zusammen. „Wir sehen nur die fertige Mahl- ihre Kommilitonen sich auch Prozesse, die den Ablauf und zeit an Bett und Tisch. Dafür mit der Logistik befasst – zu- die Qualität des Essens in Pfle- ↖ Ellen Hahn müssen aber im Hintergrund nächst nur theoretisch. „Füh- geeinrichtungen bestimmen“, und ihre alle Prozesse in der Kommuni- rungskräfte sollten auch die erklärt Albrecht Fleischer. Der Kommilitonen lernen im food lab kation und die Technik funktio- praktischen Herausforderungen Ingenieur für Lebensmitteltech- muenster die Prozesse kennen, niert haben“, sagt Ellen Hahn, kennen, wenn sie Entscheidun- nologie ist gelernter Koch mit die für die Qualität Studentin im Bachelor Pflege- gen treffen“, so Niehues. 20-jähriger Berufserfahrung des Essens in der Gemeinschafts- und Gesundheitsmanagement im eigenen Restaurant. verpflegung wichtig sind. an unserer Hochschule. Zu den Für die Praxis holte sich der Herausforderungen gehört, dass Fachbereich Gesundheit den Ihr Blick habe sich geschärft, die vielen Gerichte zur selben Fachbereich Oecotrophologie · sagt Ellen Hahn zusammen- Zeit bei allen Patienten in Facility Management mit sei- fassend. „Weil man die andere Kontakt einwandfreiem Zustand an- ner guten Laborausstattung ins Seite sieht und den Aufwand Prof. Dr. Christopher Niehues kommen. Vor allem auch, dass Boot. Die Kooperation besteht erkennt, den es für gute Mahl- christopher.niehues@fh-muenster.de jeder Einzelne das Essen erhal- seit drei Semestern; Prof. Dr. zeiten braucht.“ Dipl.-Ing. Albrecht Fleischer ten muss, das seine gesundheit- Sigrun Schwarz hatte sie ins Le- albrecht.fleischer@fh-muenster.de lichen Einschränkungen und ben gerufen. Im food lab muens- Ein Aufwand, der sich rechnet: Vorlieben berücksichtigt. Nicht ter, dem Labor für Lebensmittel- Einer Studie des Centrums für zuletzt muss es trotz der großen technologie, beschäftigen sich Krankenhausmanagement zu- Mengen schmecken – und wirt- die Studierenden bei Albrecht folge werden gesundheitliche schaftlich sein. Fleischer und begleitet von Oe- Einrichtungen wie Kranken- cotrophologie-Studierenden mit häuser und Kurzzeitpflegeein- Sollte Ellen Hahn nach dem der Praxis der Gemeinschafts- richtungen stark nach dem Studium eine Position im mitt- verpflegung. Essen beurteilt. Vor der Auf- leren Management von Kran- nahme ist zwar die medizini- kenhäusern oder Altenpflege- Dazu greifen sie auch selbst sche und pflegerische Qualität einrichtungen annehmen, wäre zu Schneidebrett und Messer das wichtigste Entscheidungs- sie auch für solche Prozesse ver- und lernen Verfahren zur Le- kriterium. „Bittet man die antwortlich. In einem Seminar bensmittelverarbeitung in der Patienten aber sechs Wochen bei Dr. Christopher Niehues, der Gemeinschaftsverpflegung ken- nach der Entlassung um eine im Wintersemester an den Fach- nen. „Über diese praktische Ar- Qualitätsbewertung, sind die bereich Gesundheit zum Profes- beit gewinnen Pflegemanager Ausstattung der Zimmer, die sor für Betriebswirtschaftslehre Einsicht in die Herstellverfah- Freundlichkeit der Mitarbeiter im Gesundheitswesen berufen ren von Cook and Chill, Cook und das Essen von zentraler wurde, haben Ellen Hahn und and Freeze oder Cook and Hold – Bedeutung“, so Niehues. • 21
Virtual Reality – eintauchen in andere Welten. Diesen Effekt auch zum Lernen benutzen, das ist ein Gedanke, der es in sich hat. Dazu forschen Studierende der Fachbereiche Design sowie Elektrotechnik und Informatik. Text und Fotos Theresa Gerks Wir sind alle Infonauten „Wir sind eine Partizipationskultur, wir wollen Teil reale Welt um sich herum vergessen und in die des Bildes sein. Das ist das Duftkerzenprinzip.“ neue spielerisch-narrativ abtauchen – wenn das Wenn Prof. Dr. Lars Grabbe über Medientheorie didaktische Konzept dahinter stimmt. Designer spricht, dann leuchten seine Augen, und gleichzei- und Entwickler müssen wissen, wie dies funktio- tig bleibt er cool, denn er ist dafür, „die Dinge un- nieren kann, und hierzu Kompetenzen aufbauen. aufgeregt zu betrachten“. Bei Virtual Reality, längst Die Idee zum Projekt „Immersive Learning“ war schlicht VR, ist das aber nicht so einfach, denn geboren. „Wir sind alle Infonauten und müssen Grabbe sagt glasklar: „Das wird eine Schlüsselrolle surfen lernen.“ im Medienwandel einnehmen.“ Zwischen Büchern und Zeitschriften, Social Media und Radio, TV Virtuelle Welten Kontakt und Netflix, Apps und digitalen Anzeigetafeln – Perspektivwechsel. 15 Studierende sitzen im Werk- Prof. Dr. Lars Grabbe l.grabbe@fh-muenster.de in diesem Medienberg den Überblick zu behal- stattseminar. Skizzieren Ideen auf Papier, sammeln ten, das sei eine große Herausforderung unserer Überlegungen am Laptop oder Tablet. Vor ihnen Prof. Tina Glückselig glueckselig@fh-muenster.de Zeit. Und VR könne eine wunderbare Möglichkeit liegen verschiedene Modelle von VR-Brillen. Und sein, Informationen zu kanalisieren und, besser über allem schwebt die Frage: Wie lassen sich die Prof. Dr. Jürgen te Vrugt vrugt@fh-muenster.de noch, Inhalte zu lehren, weil die Anwender die Entwürfe als erste Prototypen in VR umsetzen? 22 fhocus Ausgabe 35
Virtual Reality: Immersive Learning „Wir sind eine Partizipationskultur, wir wollen Teil des Bildes sein.“ Der riesige Touchscreen an der Wand zeigt ani- Prof. Dr. Lars Grabbe mierte Dinosaurier. „Wir haben uns überlegt, dass wir auf prähistorische Spurensuchen gehen“, er- zählt Design-Studentin Josefin Schenk. „In unserer Herauskristallisiert haben sich vier Säulen, die VR-Welt folgt man Fußspuren von Dinosauriern. für VR-Anwendungen wichtig sind, damit die ↗ Eintauchen in andere Welten Und die sind genauso groß, wie sie früher wirklich Studierenden konkrete Kompetenzen in diesem und diese selbst waren, so kann man sich die Dinos viel besser vor- Bereich entwickeln: Ästhetik, Kommunikation, gestalten – das geht mit Virtual stellen.“ Andere Gruppen wollen die Anwender mit Interaktion, Wahrnehmung. Wenn sie darüber Reality. in verschiedene Schlafphasen und Traumwelten im Kurs diskutieren, Ideen vorstellen, über das nehmen, in das Innere von menschlichen Knochen, Storytelling reden, sich fragen, wie die Nutzer in Unterwasserwelten oder auf den zukünftigen mit den VR-Inhalten interagieren könnten, dann Planeten Erde, auf dem es längst keine Menschen sprechen sie schon wie selbstverständlich von den mehr gibt. „Grabbe-Kriterien“. Das Besondere daran: Hier sitzen nicht ausschließ- Projekt-Halbzeit lich angehende Designer, sondern auch drei Studie- Das Professorenteam gibt Impulse und Feedback rende vom Fachbereich Elektrotechnik und Infor- zum jeweiligen Projektstand. So entwickeln die matik. Denn bei den zu entwickelnden Konzepten Studierenden ihre Ideen immer weiter zu einem dürfen die Studierenden nicht aus den Augen schlüssigen und visuell ansprechenden Prototyp. ↙ Das VR- Professoren- verlieren, dass die geplanten VR-Anwendungen Ein Jahr ist jetzt vorbei im Projekt „Immersive Team (v.l.): auch technisch umsetzbar sein müssen. Learning“, Halbzeit, und nach der theoretischen Prof. Dr. Lars Grabbe, Prof. Vorarbeit und dem Werkstattseminar folgt ab dem Tina Glückselig, Prof. Dr. Eine Frage der Definition Wintersemester die erste Pilotphase. Vielleicht Jürgen te Vrugt „Wir sind gerade dabei, eine gemeinsame Sprach- steht zum Schluss ein Lehrveranstaltungskonzept, ebene zu finden und Entwürfe so zu vermitteln, das mit den Prinzipien des Immersive Learning dass die Entwickler sie direkt verstehen“, sagt arbeitet. Die Weichen dafür sind gestellt. „Für uns Design-Professorin Tina Glückselig. Sie betreut Medientheoretiker gibt es keine schönere Zeit, als die Studierenden zusammen mit Grabbe und jetzt zu forschen“, sagt Grabbe. • Prof. Dr. Jürgen te Vrugt vom Fachbereich Elektro- technik und Informatik. Denn wenn Designer und Informatiker zum Beispiel von Ästhetik sprechen, dann meinen sie ganz verschiedene Dinge. „Unterschiedliche Perspektiven ent- sprechen verschiedenen Erfahrungshorizonten und Begriffskulturen“, erklärt Grabbe. 23
Wenn vieles nicht mehr hilft … … dann beginnt Palliative Care. Und weil es innovative Konzepte und wissen- schaftlichen Nach- wuchs braucht, hat unsere Hochschule den gleichnamigen Masterstudiengang entwickelt. Im Mittel- punkt: die familien- orientierte Versorgung in unterschiedlichen Lebensphasen. Text und Foto Anne Holtkötter 24 fhocus Ausgabe 35
Palliative Care „Die Absolventen werden Die Absolventen werden darauf vorbereitet, später Pionierarbeit leisten.“ in interdisziplinären Teams zu arbeiten. Deshalb nutzt der Fachbereich Gesundheit nicht nur das Know-how von Praktikern außerhalb der Hoch- Prof. Dr. Claudia Oetting-Roß schule, sondern vor allem auch das von Kollegen des Fachbereichs Sozialwesen. „Der Umgang mit Sterben und Tod sagt viel aus über die Lebenskul- tur eines einzelnen Menschen und einer Gesell- Info schaft“, so Prof. Dr. Hugo Mennemann, der mit den Der Studiengang Die Hauptrolle dabei spielte Prof. Dr. Claudia Studierenden die soziologischen und kulturellen startet zum Sommersemester Oetting-Roß vom Fachbereich Gesundheit. Doch Dimensionen von Palliative Care im Kontext von 2020. Bewerben das war nur im Team möglich, betont sie: mit Sozialer Arbeit beackert – und dabei auch die Not- können sich Bachelorabsol- ihren Kolleginnen Meike Schwermann, sie lehrt wendigkeit betrachtet, Palliative Care noch mehr venten von Palliative Care und Palliative Geriatrie, und Prof. im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Pflege-, Sozial- und Gesundheits- Dr. Susanne Kreutzer mit dem Lehrgebiet Ethik. Für Prof. Dr. Enka Gläseker ist der Studiengang wissenschaften, „ein wichtiger Baustein für die zukünftige Versor- die sich für Palliative Care „Es gibt schon viele gute Ansätze in Teams mit gungssituation. Palliative Care geht uns alle an.“ Die interessieren Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern, Psychologen Symptompalliativmedizinerin nimmt vor allem oder dort schon tätig sind. und Ehrenamtlichen“, sagt Oetting-Roß. Dies weiter das Systemmanagement und die vorausschauende zu akademisieren, interdisziplinär zu verankern – Kriseninterventionsplanung in den Blick. das sei das Ziel des neuen berufsbegleitenden Studiengangs. „Und was wir dringend brauchen: Gerüstet mit diesem Wissen, sind die Absolventen Wir müssen die Perspektive der Betroffenen einneh- klinische Experten für Palliative Care und somit men, den Einzelfall verstehen, um eine professio- fit für die Mitarbeit in und Leitung von interpro- nelle Beziehung und bedürfnisgerechte Versorgung fessionellen Teams. „Die Absolventen werden Pio- in einer schweren Lebenslage mit Betroffenen und nierarbeit leisten“, prophezeit Oetting-Roß. Denn ihren Familien gemeinsam zu gestalten.“ Family es ginge ja nicht nur um die Arbeit im Hospiz oder Care treibe sie einfach um, sagt Oetting-Roß, die die direkte Versorgungspraxis. „Schon jetzt besteht zur Situation und Perspektive lebenslimitierend ein großer Bedarf an akademisch gebildeten Health erkrankter Kinder und Jugendlicher in häusli- Professionals auf Masterniveau – in der Forschung, cher Palliativversorgung promoviert hatte und im Verbraucherschutz, bei Leistungsträgern, in Klinische Pflegeforschung, Palliative Care und der Politik.“ Pädiatrische Pflege lehrt. „Familie ist nicht Vater, Mutter, Kind, sondern das, was die Betroffenen Wenn die erste Kohorte 2023 verabschiedet wird, als Familie ansehen.“ Familienorientierung aber könnte die Akademische Feier auf dem Hüffer-Cam- sei bislang nicht gut in Studiengängen verankert. pus stattfinden. Dort nämlich, wo die Fachbereiche Gesundheit und Sozialwesen wegen ihrer inhalt- Deshalb ist eine familienorientierte palliative Ver- lichen Nähe von Forschungs- und Lehrinhalten sorgung in unterschiedlichen Lebensphasen – vom auch räumlich nah beieinander ein gemeinsames Säugling bis zum hochaltrigen Menschen – ein Dach haben werden. Wie gut, dass die Zusammen- Schwerpunkt. In weiteren Modulen geht es um arbeit auch jetzt schon funktioniert. • historische und ethische Dimensionen von Ster- ben und Tod. „Und die Studierenden können drei Semester lang theoriegeleitet konkrete Fälle aus Kontakt ihrem Berufsalltag reflektieren. Solch reflexive Prof. Dr. Claudia Oetting-Roß oetting-ross@fh-muenster.de Räume zu schaffen, das ist wirklich innovativ“, so Oetting-Roß. Andere Module widmen sich etwa Prof. Dr. Hugo Mennemann h.mennemann@fh-muenster.de den Chancen und Grenzen von Technik in der palliativen Versorgung und dem Management Prof. Dr. Enka Gläseker glaeseker@fh-muenster.de von Institutionen der Palliativversorgung. 25
Programmieren leicht gemacht „Dahinter steckt eine Kollaborations- idee, ähnlich wie bei Wikipedia: ↘ Für Leukipp Jeder kann es nutzen und ergänzen.“ benötigt man kein Extraprogramm und nicht viel Bruno Burke Speicherplatz. Ein Internetbrowser reicht aus. Kontakt Prof. Dr. Sebastian Schinzel schinzel@fh-muenster.de Prof. Dr. Peter Vennemann venneman@fh-muenster.de 26 fhocus Ausgabe 35
Leukipp
Wärmedämmverbund- systeme sinnvoll verwerten „Ich möchte etwas Nachhaltiges schaffen, von dem man in der Praxis profitiert.“ Niklas Heller ↖ Häuser mit Wärmedämmver- bundsystemen werden immer häufiger zurückgebaut. 28 fhocus Ausgabe 35
Nachhaltigkeit Ist ein Gebäude richtig gedämmt, spart das Energie. Eine beliebte Dämmmethode sind Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) mit Styroporplatten. Doch ein jahrelang verwendetes Flammschutzmittel sowie der Verbund verschiedener Materialien erschweren die Verwertung. Text Katharina Kipp Fotos Günter Hogen (linke Seite), Katharina Kipp Wie das trotzdem funktioniert, geht aber wegen HBCD nicht, im sogenannten Prallzerkleine- Kontakt untersucht Bauingenieur Niklas denn das darf nicht wieder in rer. Hier werden die Materialver- Niklas Heller Heller vom IWARU – und arbei- den Kreislauf gebracht werden. bunde gelöst. Danach folgt die n.heller@fh-muenster.de tet dabei mit dem Fachbereich Bei der zweiten Möglichkeit wird Siebung, die feine Stoffe von den Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme Maschinenbau zusammen. Styropor in einem Lösemittel ver- anderen trennt. Anschließend flamme@fh-muenster.de „HBCD heißt das Flammschutz- flüssigt und anschließend vom kommt es zur Windsichtung, Prof. Dr. Hans-Arno Jantzen jantzen@fh-muenster.de mittel“, sagt Heller. Das steht Flammschutzmittel abgetrennt. einem elementaren Schritt zur für Hexabromcyclododecan Anschließend kann das Poly- Trennung. Das kann man sich Institut für Infrastruktur · Wasser · Ressourcen · Umwelt und macht in Kombination mit styrol sauber zurückgewonnen wie einen Windkanal vorstel- iwaru@fh-muenster.de den WDVS-Bestandteilen Putz werden. So zumindest die The- len: Leichte Stoffe wie Styropor und Kleber den Weg in die Müll- orie, denn das Verfahren befin- fliegen im Luftstrom weiter als verbrennungsanlage sehr teuer. det sich noch in der Entwicklung. schwere Putzteilchen.“ Dabei Info Genau da landen aber bislang die „Nachteil von beiden Varianten widmet sich der 32-Jährige ent- Styroporplatten Dämmsysteme aus dem Abriss ist, dass sie sich nur auf die Ver- scheidenden Fragen: Wie viel werden eines Gebäudes. „Styropor aus wertung des Styropors beziehen. Geld kostet das? Wie hoch sind bevorzugt zum Dämmen von dem Rückbau enthält in der Re- Der viel größere Massenanteil an die CO2-Emmissionen? Wie teuer Gebäuden gel HBCD und ist damit nachweis- Putzen und Klebern bleibt unbe- sind die Transportwege? eingesetzt, denn sie sind leicht pflichtig – das kostet viel Geld.“ rücksichtigt.“ Also widmet sich zu verarbeiten Und da fängt das Problem an. Heller einer weiteren Alternative: Zusammenarbeit und günstig. Ihr Marktanteil „Die Platten mit HBCD sind bis dem Zementwerk. mit dem Fachbereich liegt bei etwa 2015 in vielen Gebäuden verbaut Maschinenbau zwei Drittel. worden, etliche davon sind be- Sekundäre Roh- und Unterstützung hat er sich von reits Jahrzehnte alt und werden Brennstoffe schaffen unserem Fachbereich Maschi- nach und nach abgerissen. Also „Im Prinzip geht es darum, sekun- nenbau geholt, denn dort ist ↘ Prof. Dr. Hans- nimmt dieser Rückbau in den däre Stoffe aus Styropor und Putz Prof. Dr. Hans-Arno Jantzen Ex- Arno Jantzen (l.) nächsten Jahren zu.“ Dann lan- zu schaffen“, sagt Heller. „Beides perte für Strömungslehre – und und Niklas Heller stehen an den Dämmplatten aus Styropor, wird im Zementwerk verbrannt deshalb Hellers erster Ansprech- einem Zick-Zack- Kleber- und Putzschichten im und das HBCD dadurch zerstört. partner, wenn es um Fragen zur Sichter, mit dem sich Schütt- Container. Aber wohin damit? Die freiwerdende Energie wird Windsichtung geht. „Das lag ein- güter trennen für den Brennprozess verwendet fach total nahe“, so Heller. „Das lassen. Die Alternative: Zementwerk und ersetzt fossile Brennstoffe Labor von Prof. Jantzen verfügt Visualisierung über einen „Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Öl oder Gas. Die Verbren- über jahrelange Erfahrung im Laserlichtschnitt und auch der Wärmedämmverbundsysteme nungsasche nutzt man als Roh- Bereich der Windsichtung und Einsatz von Nebel oder Teile davon zu verwerten“, stoff bei der Zementherstellung.“ setzt modernste Messtechnik helfen dabei, die Vorgänge im erklärt der Doktorand am Insti- und Simulationswerkzeuge zur Sichter besser tut für Infrastruktur · Wasser · Denkbar sind auch unterschied- Prozessverbesserung ein.“ Und zu verstehen. Ressourcen · Umwelt (IWARU), liche Verwertungswege für die deshalb treffen sich beide immer Arbeitsgruppe Ressourcen von verschiedenen Abfallfraktionen wieder. Noch bis Januar 2021 Prof. Dr. Sabine Flamme. HBCD- aus WDVS. Damit das funkti- läuft das Projekt, mit seiner Dis- haltige Styroporplatten werk- oniert, ist eines unumgänglich: sertation will er vorher fertig sein. stofflich zu verarbeiten, sei keine die Trennung von Mauerwerks- „Ich möchte etwas Nachhaltiges Option. Dabei würde man den resten, Styroporplatten und schaffen, von dem man in der Dämmstoff einschmelzen und Putzschichten in einzelne Be- Praxis profitiert. Da bin ich auf Granulat draus machen. Das standteile. „Zuerst landet alles einem guten Weg.“ • 29
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