Giesserei Rundschau 50 Jahre Lehrstuhl Gießereikunde und 60 Jahre VÖG - ein herzliches Glückauf! - PROGUSS-AUSTRIA
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Jhg. 58 2010 Giesserei Rundschau 50 Jahre Lehrstuhl Gießereikunde und 60 Jahre VÖG – ein herzliches Glückauf!
Impressum Herausgeber: Verein Österreichischer Gießereifachleute, Wien, Fachverband der Gießereiindustrie, Wien Österreichisches Gießerei-Institut des Organ des Vereines Österreichischer Gießereifachleute und des Vereins für praktische Gießereifor- schung u. Lehrstuhl für Gießereikunde Fachverbandes der Gießereiindustrie, Wien, sowie des Österrei- an der Montanuniversität, beide Leoben chischen Gießerei-Institutes und des Lehrstuhles für Gießerei- Verlag Strohmayer KG kunde an der Montanuniversität, beide Leoben. A-1100 Wien, Weitmosergasse 30 Tel./Fax: +43 (0)1 61 72 635 E-Mail: giesserei@verlag-strohmayer.at Chefredakteur: Bergrat h.c. Dir.i.R. Dipl.-Ing. Erich Nechtelberger INHALT Tel./Fax: +43 (0)1 44 04 963 MFL – Das Werk Liezen Mobil: +43 (0)664 52 13 465 Die Maschinenfabrik Liezen und Gießerei GesmbH Jhg. 58 2010 E-Mail: nechtelberger@voeg.at wurde am 15. November 1994 neu gegründet. Dennoch kann die MFL durch ihren traditionellen Redaktionsbeirat: Prof. Dr.-Ing. Andreas Bührig-Polaczek Standort auf 70 Jahre Erfahrung in den Sparten Giesserei Rundschau Dipl.-Ing. Dr. mont. Hans-Jörg Dichtl Maschinenbau und Gießerei zurückgreifen. Das Prof. Dr.-Ing. Reinhard Döpp Leitbild der Geschäftsführung ist geprägt durch den 50 Jahre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Wilfried starken Willen, den Industriestandort Liezen mit Lehrstuhl Gießereikunde Eichlseder seinen ca. 750 Arbeitnehmern sicherzustellen. und 60 Jahre VÖG – Dipl.-Ing. Georg Geier ein herzliches Glückauf! Die Gießerei vertreibt ausschließlich im Maskenform- Dipl.-Ing. Dr. techn. Erhard Kaschnitz Dipl.-Ing. Adolf Kerbl, MBA verfahren hergestellte Stahlgussstücke zwischen 0,5 Dipl.-Ing. Dr. mont. Leopold Kniewallner und 200 kg weltweit. Das Werkstoffportfolio reicht Dipl.-Ing. Thomas Pabel von niedrig legierten höchstfesten Vergütungsstahl- Dipl.-Ing. Horst Rockenschaub gusssorten bis zu hochhitzebeständigen austeniti- Dipl.-Ing. Gerhard Schindelbacher schen Stahl- und Ni-Basislegierungen. Müllverbren- Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Schumacher nungsanlagen und Zementindustrie sowie Anwen- Anzeigenleitung: dungen im Fahrzeugbau und Bahnbereich stellen die Irmtraud Strohmayer Hauptmärkte für die Produkte aus Liezen dar. Tel./Fax: +43 (0)1 61 72 635 Maschinenfabrik Liezen und Gießerei GmbH Mobil: +43 (0)664 93 27 377 A-8940 Liezen,Werkstraße 5, www.mfl.at E-Mail: giesserei@verlag-strohmayer.at Abonnementverwaltung: Johann Strohmayer – 50 Jahre Lehrstuhl für Gießereikunde Tel./Fax: +43 (0)1 61 72 635 BEITRÄGE 74 an der Montanuniversität Leoben E-Mail: giesserei@verlag-strohmayer.at – Grundlagen für die Gießereiindustrie – Grundlagen für die Zukunft Bankverbindung des Verlages: PSK Bank BLZ 60000 – Das Leobener Kooperationsmodell zur Gießereiforschung Konto-Nr. 00510064259 – Grundlagenforschung als Basis für Innovationen Jahresabonnement: Inland: € 61,00 Ausland: € 77,40 Das Abonnement ist jeweils einen Rückblick auf Monat vor Jahresende kündbar, TAGUNGEN, 90 54. Österr. Gießereitagung 22./23. 4. 2010 Leoben sonst gilt die Bestellung für das SEMINARE, MESSEN mit 50 Jahre Lehrstuhl Gießereikunde und 60 Jahre VÖG folgende Jahr weiter. Veranstaltungskalender Erscheinungsweise: 6x jährlich Druck: INTERNATIONALE WFO Druckerei Robitschek & Co. Ges.m.b.H. ORGANISATIONEN 106 CAEF A-1050 Wien, Schlossgasse 10–12 Tel. +43 (0)1 545 33 11 E-Mail: druckerei@robitschek.at Aus den Betrieben AKTUELLES 108 Firmennachrichten Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages gestattet. Unverlangt einge- VÖG-VEREINS- Vereinsnachrichten sandte Manuskripte und Bilder werden nicht zurückgeschickt. Angaben und NACHRICHTEN 113 Personalia Mitteilungen, welche von Firmen stam- men, unterliegen nicht der Verantwort- lichkeit der Redaktion. LITERATUR 116 Bücher u. Medien
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 50 Jahre Lehrstuhl für Gießereikunde an der Montanuniversität Leoben*) 50th Anniversary of the Chair of Casting Research at the University of Leoben Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Schumacher, wertigem Gusseisen entwickelte er die Schlackentrübe-Theorie, welche durch Vorstand des Lehrstuhls für Gießereikunde, Department Metallurgie, Montanuniversität ein halbes Jahrhundert von ihrer Aktuali- Leoben und Geschäftsführer des Vereins tät und Brauchbarkeit nichts eingebüßt für praktische Gießereiforschung – hat. Die modernen Impfverfahren und das Österreichisches Gießerei-Institut, Leoben. Verständnis der Vererbung von Werkstoff- eigenschaften der Gusslegierungen basie- ren auf der Keil’schen Theorie. Seine Un- tersuchungen zusammen mit seinen Mit- arbeitern Alois Legat, Roland Mitsche und Einleitung Herbert Trenkler über Einfluß der Legie- Die Entwicklung eines kleinen Lehrstuhls, wie dem der Gieße- rungs- u. Erstarrungsart führten weiter zu der erstmalig aufge- reikunde, ist immer mit den am Lehrstuhl beschäftigten Perso- worfenen Frage der Wanddickenempfindlichkeit. nen und den jeweiligen Rahmenbedingungen an einer Univer- Ein früher Tod Prof. Keils hat diese Arbeiten für längere Zeit sität verbunden. Bei der Recherche der Geschichte des Lehr- unterbrochen. stuhls an der Montanuniversität traten jedoch zwei miteinan- In den Nachkriegs- und Aufbaujahren bestand ein erhöhter Be- der verwobene rote Fäden immer wieder auf: Knappheit der darf an gießereitechnisch ausgebildeten Eisenhüttenleuten und Geldmittel für Forschung und Lehre sowie Schwierigkeiten bei es wurde unter seinem Nachfolger Prof. Dr. Richard Walzel mit Umstrukturierungen der Montanuniversität. Erst mit dem neu- Hilfe der externen Honorar-Dozenten Springer, Weber und en Universitätsgesetz von 2002 wurde den Universitäten Frei- Rapatz versucht, einen „Gießereitechnischen Studienzweig“ raum gewährt, unabhängiger und kostenbewusster zu agieren. aufzubauen. Zwar hat dies nicht die Knappheit an Geldmitteln (besonders Es gelang jedoch erst 1957 unter Mitwirkung von Prof. Dr. Roland des Eigenkapitals der Universitäten) beseitigt, aber dazu ge- Mitsche (Lehrstuhl für Metallkunde), einen Lehrbeauftragten führt, dass in Leoben die Montanuniversität aktiv und erfolg- für Gießereikunde (Prof. Dr. Karl Zeppelzauer) zu gewinnen reich am „Forschungsmarkt“ agiert um Drittmittel zu lukrie- und im Studienjahr 1959/60 den Lehrstuhl für Gießereikunde ren. Besonderer Dank gebührt dem Rektorat der Montanuni- auf Dauer einzurichten. versität, das in ungewissen Zeiten von nicht immer zielführen- den bzw. verständlichen Vorgaben und Leistungsvereinbarun- gen etc. Strukturen geschaffen hat, die es den Lehrstühlen er- O.Univ.-Prof.Dr. Karl ZEPPELZAUER möglicht haben, erfolgreich zu sein. Hier sei beispielhaft die *20.12.1901 † 7.12.1993 Unterstützung bei der Sanierung des Lehrstuhls für Gießerei- Der Lehrstuhl für Gießereikunde wurde kunde und des Metallurgiegebäudes neben anderen Neubauten im Studienjahr 1959/60 gegründet. Prof. und Sanierungen an der Montanuniversität erwähnt. Dr. Karl Zeppelzauer war der erste Inha- Auf Seite der Lehre ist die einschneidendste Änderung die ber des Lehrstuhls für Gießereikunde. Er Einführung des Bachelor- und Masterstudiums, unter Beibe- hatte eine fundierte technische Ausbil- haltung der Qualitätskriterien des anerkannten Diplominge- dung an der TH Wien absolviert und 1933 nieurs. in den technischen Wissenschaften pro- Die für den Lehrstuhl strategisch wertvollste Entwicklung über moviert. Bereits ab 1925 arbeitete er in die letzten Jahre ist der Kooperationsvertrag zwischen der der Niederrheinischen Eisenhütte und Maschinenfabrik (Dül- Montanuniversität und ihrem Lehrstuhl für Gießereikunde mit ken) und gewann dort sein praktisches Wissen der Gießerei- dem Österreichischen Gießerei-Institut (ÖGI). Dieses inzwi- kunde. Seine hervorragenden didaktischen Qualifikationen be- schen international anerkannte (und in Schweden kopierte) wies er an der Höheren Technischen Lehranstalt Wien (HTBL Kooperationsmodell hat sich von einer Kooperation zu einer Wien X), wo er maßgeblich beteiligt war, die Abteilung für Gie- Symbiose zwischen grundlagennaher und praxisnaher For- ßereikunde aufzubauen. 1957 wurde Professor Zeppelzauer schung und Lehre entwickelt. zum Außerordentlichen Professor und 1964 zum Ordentlichen Mit dieser Festschrift soll nicht nur ein Rückblick stattfinden, Professor an der Montanuniversität Leoben ernannt. Der Auf- sondern auch das Fundament für zukünftige Arbeiten sichtbar bau der akademischen Ausbildung für Gießereikunde an der werden. Montanuniversität ist der besondere Verdienst von Prof. Zep- pelzauer. Seine Forschungstätigkeit widmete sich zunächst der REFA in Gießereien. Sein umsichtiges Wirken kommt auch in Kurze Chronik des Lehrstuhles seiner Rektoratszeit von 1967 bis 1968 zum Ausdruck. Auch Die Gießereikunde stand bereits von 1929 bis 1945 im Lehr- nach seiner Emeritierung 1974 verblieb Prof. Zeppelzauer dem plan der Eisenhüttenkunde. Lehrstuhl und der Montanuniversität treu verbunden. Prof. Dr.-Ing. Othmar Keil v. EICHENTHURN O.Univ.-Prof.Dr.-Ing. Joseph CZIKEL * 11.09.1888 +19.08.1932 *19.7.1914 † 26.2.1992 Begründer der wissenschaftlichen Gusseisenforschung in Öster- Prof. Joseph Czikel wurde in Kosice (Ka- reich war Prof. Dr.-Ing. Othmar Keil v. Eichenthurn, Vorstand schau) geboren und studierte zunächst des Institutes für Eisenhüttenkunde von 1921 bis 1932. Aus Philosophie und Medizin, bevor er ab systematischen Forschungsarbeiten zur Herstellung von hoch- 1935 an der Bergakademie Krakau (AGH) seine Diplomarbeit über die Graphitbe- stimmung in Roh- und Gusseisen fertig *) Auszug aus der Festschrift „50.Jubiläum Lehrstuhl für Gießereikun- stellte. Seine weitere berufliche Laufbahn de“, Montanuniversität Leoben, April 2010. führte ihn als Assistent an das Institut für 74
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) Eisenhüttenkunde und Gießereiwesen der Universität Breslau O.Univ.-Prof.Dipl.-Ing.Dr. Peter SCHUMACHER und als Beschäftigten der Gießerei der Auto-Union (Chemnitz) sowie der Geisweider Eisenwerke, bevor er 1946 an die Berg- *5.6.1964 akademie Freiberg berufen wurde. Hier dissertierte und habili- Prof. Dr. Peter Schumachers akademische tierte (1952) er auf dem Gebiet der Anschnitttechnik des Form- Laufbahn führte ihn über ein Studium des gusses und der Gießtechnik des Halbzeuggusses. Von 1958 bis Maschinenbaus an der TU Braunschweig 1966 leitete er das Gießerei-Institut der Bergakademie Freiberg (1989) zu einem Doktoratsstudium an der als Professor und Direktor. Nach dem Verlassen der damaligen Universität Cambridge (1993) und zu ei- DDR übernahm Prof. Czikel 1967 die Leitung der Forschung nem EPSRC Advanced Fellowship an der der Eisengießerei Buderus in Wetzlar, bevor er 1973 an die Universität Oxford (2002). Während sei- Montanuniversität Leoben berufen wurde. Professor Czikel war ner Arbeiten widmete er sich der schnel- unermüdlich in seinen wissenschaftlichen Arbeiten, betreute len Erstarrung von kriechfestem Blei, den 11 Doktoranden und veröffentlichte 74 Arbeiten. Auch nach amorphen Aluminiumlegierungen, Squee- seiner Emeritierung schrieb er wissenschaftliche Arbeiten und ze Casting und DC-Casting, sowie anderen Themen der metal- arbeitete aktiv in den Vorständen des „Vereins Österreichischer lurgischen Herstellung von High-End-Produkten. Hierbei wur- Gießereifachleute (VÖG)“ und dem Trägerverein des ÖGI, dem den seine Arbeiten maßgeblich von Industriebetrieben (Alcan Verein für praktische Gießereiforschung, mit. Die LM-Druck- Int, Banbury, LSM, Rotherham, QintiQ, u.a) unterstützt. gussabteilung am ÖGI geht auf seine Initiative zurück. Er ist ausgewiesener internationaler Experte für die Kornfei- nung von Aluminium- und Magnesium-Legierungen. O.Univ.-Prof.Dipl.-Ing.Dr.mont. Heiko PACYNA Als Nachfolger von Prof. Bührig-Polaczek setzte er die Moder- nisierungsarbeiten am Lehrstuhl und am ÖGI fort. Unter seiner *21.6.1929 Leitung kam es zu einem Zubau der Werkstätten am ÖGI und Prof. Heiko Pacyna absolvierte eine Lehre einer Modernisierung der Labors sowie einer Sanierung der als Modellbaufacharbeiter, bevor er sein Gebäudestruktur des ÖGI. Diplomstudium der Gießereikunde an der In seiner Zeit als Leiter des Departments Metallurgie der Mon- Rheinisch Westfälischen Technischen tanuniversität wurden die Gebäudeeinrichtungen der einzel- Hochschule in Aachen 1956 abschloss. Ne- nen Lehrstühle des Departments Metallurgie modernisiert, die ben seiner beruflichen Tätigkeit an der da- nun mit dem Lehrstuhl für Gießereikunde abgeschlossen wer- maligen Friedrich-Wilhelms-Hütte (Mühl- den. Am Lehrstuhl wurde eine Forschungsinfrastruktur reali- heim a.d. Ruhr), der Buderus AG (Wetzlar) siert, welche eine industrienahe Legierungsentwicklung, Er- und der Edelstahl Gießerei Carp & Hones starrungsforschung auf Grundlagenbasis und eine Gefügecha- (Ennepetal) dissertierte und habilitierte er rakterisierung ermöglicht, die sich in der Forschung des Lehr- auf den Gebieten der Stoff- und Wärmebilanz im Schachtofen stuhls unter Prof. Schumacher widerspiegelt. (1961) sowie der Klassifikation von Gussstücken (1969). Bevor Prof. Pacyna 1985 an die Montanuniversität berufen wurde, ar- beitete er als selbstständiger beratender Ingenieur und war an der Lehre RWTH Aachen als Lehrender für arbeitswissenschaftliche und Mit der Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 und den Bo- betriebswissenschaftliche Themen engagiert. An der Montanuni- logna Beschlüssen sind in der 50-jährigen Geschichte des versität Leoben etablierte er die ersten Computeranwendungen Lehrstuhls die umfassendsten Änderungen im Lehrplan der zur rechnergestützten Arbeitsplanung wie auch die Multiple Ein- Metallurgie und damit für die Lehre der Gießereikunde einge- flussgrößenanalyse. Hoch angerechnet wird ihm sein Einfluss auf treten. Hierbei war es für die Montanuniversität Leoben wich- die Arbeitssicherheit in Gießereien sowie seine langjährige prak- tig, die Qualitätsmerkmale eines Diplomstudiums in der neuen tische Erfahrung in Gießereien, die er akademisch vermittelte. Studieneinteilung des Bachelor- und Masterstudiums weiter- zuführen. Auch weiterhin ist der Masterabschluss dem eines O.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas BÜHRIG-POLACZEK Diplomabschlusses gleichzusetzen. Im Bild 1 ist die Struktur des neuen Bachelor- und Masterstudiums schematisch darge- * 28.6.1959 stellt. Innerhalb des 7-semestrigen Bachelorstudiums werden Prof. Andreas Bührig-Polaczek absolvierte in den ersten vier Semestern die Grundlagen eines techni- sein Diplomstudium (Gießereikunde) an schen Studiums mit dem besonderen Schwerpunkt Physikali- der RWTH Aachen 1987 und promovierte sche Chemie gelehrt. In den darauf folgenden 3 Semestern 1992 mit einer Arbeit zum Thema „Rech- werden die Grundlagen für Gießereikunde, Umformtechnik, nerische Simulation des Niederdruck-Ko- Eisen- und Stahlmetallurgie, Nichteisenmetallurgie, Metall- killen-Gießverfahrens am Beispiel von kunde und Betriebswissenschaften neben ergänzenden Fä- Autorädern“. Seine Arbeiten unter Prof. chern vermittelt. Peter R. Sahm zu den Themen der rechne- Das Bachelorstudium beinhaltet zwei Bachelorarbeiten, in de- rischen Simulation, zum Thixo-Formen nen die Studenten selbstständig erste wissenschaftliche und und zum Kokillenguss weisen ihn als in- technologische Themen systematisch bearbeiten. Innerhalb ternationalen Experten aus. des Bachelorstudiums ist es die Aufgabe des Lehrstuhls, die Im Rahmen des Kooperationsvertrages zwischen der Montan- Lehrinhalte der allgemeinen Erstarrung von Metallen, beson- universität und dem ÖGI wurde Prof. Bührig-Polaczek 1998 ders der Gusseisen und der Aluminium-Gusslegierungen zu die Leitung des ÖGI und des Lehrstuhls für Gießereikunde vermitteln sowie eine Einführung in die Gießverfahren des übertragen. Hier übernahm er eine Pionierrolle, indem er die Sand-, Kokillen- und Druckgusses zu geben. Hervorzuheben ist Modernisierung beider Institute einleitete. Am Lehrstuhl für die Vorlesung „Gießereikunde I“, die derzeit von über 120 Stu- Gießereikunde war er federführend in der wissenschaftlichen denten der Metallurgie, der Werkstoffwissenschaft und des Ausarbeitung der Topologieoptimierung für Gussstücke, insbe- Maschinenbaus besucht wird. Zusätzlich wird den angehen- sondere für die Anwendung im Druckguss. Seine Mitarbeit in den Studenten in einem weiteren Seminar des Maschinenbaus Universitätsgremien war maßgebend für den Erfolg der Lehr- das Konstruieren mit Gusswerkstoffen mit Hilfe der Simulati- stühle des heutigen Departments für Metallurgie. Prof. Bührig- on und realer „studentischer“ Abgüsse vermittelt. Als Allein- Polaczeks Qualitäten als Lehrstuhlleiter und Geschäftsführer stellungsmerkmale der angehenden Gießereistudenten an des ÖGI waren offensichtlich und führten zu seiner Berufung deutschsprachigen Universitäten sind die Betriebswissen- an seine alte Alma Mater. Seit Oktober 2002 leitet Prof. Bührig- schaften und die Eisen- und Stahlmetallurgie (ehemals Hütten- Polaczek erfolgreich den international anerkannten Lehrstuhl wesen) zu sehen, welche es den Studenten ermöglichen, me- für Gießereikunde an der RWTH Aachen. tallurgische Grundprozesse der Stahlherstellung auch in Gie- 75
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 Bild 1: Aufbau der Lehre. ßereien anzuwenden. Hierbei sind die Grundlagen der Be- werden können. Weitere Blöcke in der Eisen- und Stahlmetal- triebswirtschaft, einschließlich Qualitätswesen und Anlagen- lurgie, Nichteisenmetallurgie, Umformtechnik, Wärmetechnik wirtschaft, als allgemein gültiges Rüstzeug für das zukünftige und Betriebswissenschaften erlauben eine individuelle Gestal- Berufsleben zu sehen. tung der Lehrinhalte entsprechend der Neigung der Studenten. Im Masterstudium können die Studenten der Metallurgie ei- Innerhalb der praktischen Übungen werden zum einen Gieß- nen Schwerpunkt in der Gießereitechnik bilden, in dem zwei verfahren und Maschinen am ÖGI mit benutzt oder z. B. durch Wahlblöcke, Gießverfahren und Bauteilgestaltung, gewählt kombinierte Exkursionen, Übungen und Vorlesungen die theo- 200 330.002 WS Einführung in die Gießverfahren 180 330.003 SS Eutektische Gusslegierungen 330.013 WS Gießereikunde I 160 330.025 SS Gießereitechnik für Maschinenbauer 140 330.016 SS Grundlagen der Gussteilfertigung 330.004 WS Technologie der Gießverfahren 120 100 80 60 40 20 0 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 Bild 2: Studentenzahlen der Vorlesungen: 2005/06 bis 2009/10. 76
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) retischen und praktischen Aspekte der Kupolofentechnologie Forschungsinfrastruktur vermittelt. In den Vorlesungen und Übungen wird ganzeinheit- lich gelehrt, wie durch Konstruktion, Wahl des Gießmetalls, Die Forschungsinfrastruktur des Lehrstuhls ist zum einen da- des Gießverfahrens und des Gussgefüges die Eigenschaften ei- rauf ausgerichtet, kleinste Versuchsschmelzen und kleinere nes Bauteils eingestellt werden können. Versuchsschmelzmengen kontrolliert und im Industriestan- dard herstellen zu können sowie nachfolgend die eingestellten Hier werden den Studenten auch die Möglichkeiten der Simu- Gefüge mit Methoden der Lichtmikroskopie, Rasterelektronen- lation, Topologieoptimierung und Betriebsfestigkeit vermittelt. mikroskopie und Transmissionselektronenmikroskopie zu cha- Weiterhin ist die Masterarbeit oder Diplomarbeit wesentlicher rakterisieren. Dafür stehen dem Lehrstuhl aufwändige Proben- Bestandteil des Studiums, das mit einer umfassenden Diplom- präparationstechniken zur Verfügung, um diese Proben auf prüfung abgeschlossen wird. Einen Überblick über die steigen- hochauflösenden Elektronenmikroskopen in Kooperation mit den Studentenzahlen der Vorlesungen des Lehrstuhls für Gie- anderen Forschungseinrichtungen zu untersuchen. Dabei wer- ßereikunde gibt das Bild 2. Eine Übersicht der Lehrinhalte ist den die eingestellten Gefüge zu Vorhersagen von Simulationen auf der Webseite des Lehrstuhls ersichtlich. abgeglichen. Gleichzeitig stehen für die Studentenübungen ein Abschließend sei allen Firmen der österreichischen Gießerei- Sandlabor und eine kleine Versuchsgießerei zur Verfügung. industrie, die über den Fachverband oder direkt den Lehrstuhl Die Infrastruktur des Lehrstuhls ergänzt damit die hervorra- mit Exkursionen, Lehrenden und Materialien unterstützen, ge- genden Möglichkeiten am ÖGI, Untersuchungen zum mecha- dankt. Besonders sollen hier stellvertretend die folgenden Fir- nischen und thermophysikalischen Verhalten sowie Compu- men erwähnt werden: GF Traisen, TRM, GF Herzogenburg, Ne- tertomographie durchzuführen. Hervorzuheben sind die Sanie- mak Linz, SAG Lend, VMG Vöcklabruck und die voestalpine- rung der bestehenden und die gewonnenen neuen Räumlich- Gießereien Linz und Traisen. keiten, die eine optimale Nutzung für Forschung und Lehre er- möglichen. Kooperation mit dem ÖGI Eine einzigartige Zukunftsorientierung der österreichischen Probenherstellung Gießereiindustrie für Lehre und Forschung wurde durch eine ● Lichtbogenofen Kooperationsvereinbarung zwischen der Montanuniversität ● Bridgmanofen Leoben, ihrem Lehrstuhl für Gießereikunde und dem Träger- verein des Österreichischen Gießerei-Instituts (ÖGI) 1997 um- ● Schmelzspinner gesetzt. Maßgebend für diesen Kooperationsvertrag waren der ● Vakuumschmelzöfen Fachverband der österreichischen Gießerei-Industrie (Geschf. ● Umluftwärmebehandlungsöfen (Nabertherm) DI Dr. Hansjörg Dichtl), der Verein für praktische Gießerei- ● Widerstandsofen (900°C, 40 kg Al) (Nabertherm) forschung (Vorst. Vors. Dr. Walter Blesl) und auf der Seite der ● Kipptiegelofen (1250°C, 80 kg Al) (Nabertherm) Montanuniversität Rektor Prof. Dr Peter Paschen und Prof. Dr. Franz Jeglitsch. ● Unterdruckdichtegerät Durch den zeitgleichen Pensionsübertritt des damaligen Ge- ● Rotationsentgasungsgerät (Foseco) schäftsführers des ÖGI (Bergrat h.c. DI Erich Nechtelberger) ● Bühler 530 DC Druckgussmaschine (am ÖGI) und des Professors für Gießereikunde an der Montanuniversi- tät Leoben (Prof. Dr. Heiko Pacyna) wurde in einem Kooperati- onsvertrag festgelegt, dass künftig beide Institute in Personal- union vom jeweiligen Professor der Gießereikunde geführt werden sollten. Bild 3: Kooperation ÖGI und Lehrstuhl. Durch den Kooperationsvertrag gelang es auch, Forschungsin- frastruktur besser zu nutzen und Geräteinvestitionen besser zu koordinieren. Gleichzeitig war es möglich, den Studenten praktische Versuche an Industrieanlagen zu ermöglichen und Übungen durch qualifiziertes Fachpersonal des ÖGI praxisnah anbieten zu können. In der Forschung gelang damit eine nahtlose Verkettung der grundlagennahen Forschung am Lehrstuhl mit der praxisna- Bild 4: hen Forschung und Entwicklung am ÖGI (siehe Bild 3). Auch Industrie- in der Lehre sind ständig Anknüpfungspunkte durch prakti- nahe sche Übungen, Bachelorarbeiten, Diplomarbeiten und Doktor- Proben- arbeiten sowie Arbeiten durch studentische Hilfskräfte am fertigung Lehrstuhl und ÖGI gegeben. von Alu- Über die in den Jahren 1958 bis 2010 am Lehrstuhl durchge- minium- führten 121 Diplomarbeiten und 33 Dissertationen gibt die Legierun- vom Lehrstuhl aufgelegte Festschrift bzw. die Internetseite un- gen. ter www.unileoben.ac.at Auskunft. 77
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 Probencharakterisierung Forschung ● Schliffanfertigung Die Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls für Gießereikun- (ATM Schleif- und de liegen in der physikalischen Metallurgie der Erstarrung un- Poliergeräte) ter industrienahen Bedingungen. Hierbei finden bei den ● Lichtmikroskop mit Leichtmetallen Aluminium und Magnesium Kornfeinung von automatischem Pro- Primärkristallen und Veredelung von Eutektika besondere Be- bentisch (Zeiss Axio rücksichtigung. Dies hat unter Einbeziehung von Industrieinte- Imager.A1m) resse zu einem Schwerpunkt der Legierungsentwicklung am ● Rasterelektronenmi- Lehrstuhl geführt. Besonders hervorzuheben sind die interna- kroskop (FEI Quanta tionalen Forschungspreise, die dem Lehrstuhl in Zusammenar- 200 Mk2, in Koopera- beit mit dem ÖGI im Bereich der Kornfeinung von Mg-Legie- tion: Department für rungen und der Wärmebehandlung von Aluminiumlegierun- Metallurgie) gen zuerkannt worden sind. ● TEM Probendünnge- rät (Fischione Instru- ments Modell 120) ● Präzisions-Ionen- Polier-System PIPS (Gatan) (ab Mai 2010 in Kooperation: Erich- Schmid-Institut) ● Differential Scanning Calorimeter (Perkin- Bild 6: Probencharakterisierung am Elmer, Power compen- Lehrstuhl sated DSC am ÖGI) ● Constant Load Test Stand für Spannungsrisskorrosion (in Kooperation: CD-Labor Örtliche Korrosion) Simulationstools ● Thermocalc (in Kooperation Metallkunde) Bild 8: Gewinner des TMS Magnesium Award 2006 der besten ● Magmasoft (in Kooperation Modellierung und Simulation Veröffentlichungen in der Sektion „Mg-Technologie“, Gerald metallurgischer Prozesse) Klösch, Peter Schumacher. Bild 9: ACR-Kooperations-Preisträger 2007 des ÖGI und des Lehrstuhls auf Basis der Diplomarbeit von Georg Dambauer. Bild 5 (oben): ThermoCalc Berechnung. In Zusammenarbeit mit dem ÖGI werden auch Themen des Gusseisens und Stahlgusses mitbearbeitet. Einen Überblick Bild 7 (links): über die Forschungstätigkeiten geben die aktuellen Themen CLT Korrosions- der Diplom- und Doktorarbeiten, die der Internetseite entnom- stand. men werden können. Aktuelle Forschungsthemen am Lehrstuhl: Weitere Informa- ● Eigenspannungs- u. Verzugssimulation v. Gussbauteilen tionen zu den (P Hofer) Geräten können ● Entwicklung v. Niederdruckgusslegierungen (T Pabel) der Webseite des Lehrstuhles ent- ● Formstoff- und Schlichteeinflüsse beim Stahlguss (J Steiner) nommen werden. ● Hochfeste Aluminiumgusswerkstoffe (G Dambauer) 78
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) ● Keimbildung u. Wachstum v. Graphit in Gusseisen (G Geier) Forschungspartner: ● Klassifizierung und Charakterisierung von verfahrensbe- dingten Gussfehlern im Kokillenguss (K Tucan) ● Korrosionseigenschaften v. Al-Zn-Legierungen (S Bozorgi) ● Örtliche Korrosionseigenschaften v. NEM-Gusslegierungen (S Bozorgi) ● Parameter der Mg-Drahteinspulung für Spähroguss (S Sön- mez) ● SE-Metalle in Al-Basis-Legierungen (K Haberl) ● Simulation v. Schleuderguss (R Lackner) ● Thermodynam. Eigenschaften von Multiphasensystemen (S Bozorgi, K Haberl) ● Veredelung v. Al-Si u. Al-Mg2Si Eutektika (Z Zarif) Wesentliche Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhles liegen in der Schmelzemetallurgie (Keimbildungs- u. Wachstumsvor- Kontaktadresse: gänge: Kornfeinung, Veredelung, Impfung, Schmelzebehand- Lehrstuhl für Gießereikunde a.d. Montanuniversität Leoben lung u. Schmelzequalität von Leichtmetall- u. Gusseisenlegie- Univ.-Prof. DI Dr. Peter Schumacher rungen), Entwicklung von Gusslegierungen (hochfeste Alumi- 8700 Leoben, Franz-Josef-Straße 18 niumlegierungen u. Magnesiumlegierungen), sowie in thermo- Tel.: +43 (0)3842 402 3300 physikalischen Berechnungen (ThermoCalc). E-Mail: giesskd@unileoben.ac.at Der Lehrstuhl steht in enger Kooperation mit anderen For- http://institute.unileoben.ac.at/giessereikunde schungseinrichtungen u. Industriebetrieben in Europa. Die thematische Schwerpunktsetzung in der Entwicklung auf dem Leichtmetallsektor führte zu einer intensiven Zusammenarbeit insbesonders mit Firmen der Fahrzeug- u. Luftfahrtindustrie bzw. deren Zulieferfirmen.
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 Grundlagen für die Gießereiindustrie – Grundlagen für die Zukunft*) Basics for the Foundry Industry – Basics for the Future Prof. Dr.-Ing. Klaus Eigenfeld, Dr. Uwe Richter, Unerläßlich ist für diese gesamte zukunftsorientierte Entwick- Dr. Hartmut Polzin, Gießerei-Institut, Dr. Volker lung eine kompetente Politik, die von der Bildung über Inves- Uhlig, Institut für Wärmetechnik und Thermo- titionen weiterhin verläßliche Rahmenbedingungen für Perso- dynamik, Dr. Joachim Ulbricht, Institut für Kera- nal-, Energie-, Umwelt- und Finanzpolitik garantiert. Hauptau- mik, Glas und Baustofftechnik, alle Technische genmerk muss dann auf eine schnelle Umsetzung der Grundla- Universität Bergakademie Freiberg, Sven-Olaf generkenntnisse in die betriebliche Praxis gelegt werden. Sauke, ZPF therm Maschinenbau GmbH, In der hauptsächlich klein- und mittelständisch strukturierten Siegelsbach, Dipl.-Ing. Anton Miklin, EVOSTEEL GmbH, Leipzig-Knautnaundorf Gießereiindustrie fehlt es nun oftmals an eigener Forschungs- und Entwicklungskapazizät. Hier können Universitätsinstitute eine Lücke schließen, wenn die angedachten Forschungspro- Die Entwicklung der Technik schreitet weltweit in einem im- jekte ohne großen administrativen Aufwand durchgeführt wer- mer größeren Tempo fort und technische Innovationen sind den können. Weiterhin müssen diese Projekte so angelegt wer- nicht mehr das alleinige Vorrecht der Industrieländer. Aus die- den, dass die gewonnenen Ergebnisse direkt in die Praxis um- ser Situation heraus hat sich ein globaler Wettbewerb entzün- gesetzt werden können. Begleitend muss während der For- det, der immer heftiger ausgetragen wird und der letztendlich schungsperiode permanent die ökonomische Voraussetzung auch über die Zukunft unserer Lebensqualität entscheiden für den Forschungsablauf und die spätere Einführung in die wird. Produktion beachtet werden. Dies betrifft naturgemäß auch die Gießereiindustrie, die in Ein Kernpunkt ist aber auch das grundsätzlich gegenseitige Deutschland und in Europa eher klein- und mittelständisch Verständnis für die Belange der jeweiligen Partner. strukturiert ist. Nur vereinzelte Großunternehmen sowie einige An drei Beispielen soll nun dargelegt werden, wie das Gieße- große Gießereien im Firmenverbund von Automobilkonzernen reiinstitut der Technischen Universität Bergakademie Freiberg sind aber in der Lage, Forschung gesamthaft oder teilweise diesen Anspruch realisieren will. vom Bereich der Grundlagen bis zur Anwendung zu betreiben. Es ist jedoch ein hoher Bedarf an Grundlagenforschung vor- handen, da in der Gießereiindustrie noch viel aus Erfahrung gearbeitet wird. Der in den letzten Jahren verstärkte Trend zur Nutzung von Simulationstools auch in kleineren Unterneh- men, die zwar meist gut ausgereift und praxisnah eingesetzt werden können, ersetzen jedoch nicht die innovative Produkt- entwicklung in ihrer gesamthaften Breite. Hier gilt es nun, die Verzahnung von Grundlagenforschung, angewandter For- schung und Vorserienerprobung auf eine Basis zu stellen, die vom Kleinunternehmen bis zum Konzern neue Wege anstößt und in die Produktion einführt. Dafür sind jedoch einige Vorbedingungen notwendig, wie in Abb. 1 als Übersicht dargestellt. Die Branche braucht leis- tungswillige und bestens ausgebildete Mitarbeiter mit Visio- nen für innovative Ansätze und hierfür brauchen wir ein durchgängig hoch effektives Schulsystem, um vom Kindergar- ten bis zum Abschluss der Berufsausbildung unter Einschluss des lebenslangen Lernens die angesprochenen Innovationen auch erreichen zu können. Darüber hinaus sind auch die Lei- tungsebenen der Betriebe gefordert, neue Entwicklungen, auch Abb. 2: Schiffspropeller mittlerer Größe mit 8,9 m Durchmes- wenn sie risikoreich sind, mitzutragen. ser und 92 Tonnen Gewicht Die Optimierung der Leistungsfähigkeit großer Schiffspropel- ler ist eine Forderung, die durch die Steigerung der Effizienz aller technischen Produkte bei der Ressourcenschonung der Energie begründet ist. Klassische Schiffspropeller haben Wir- kungsgrade von ca. 65 % und sind in ihrer Herstellung ver- hältnismäßig energieaufwendig. In Abb. 2 ist ein mittelgroßer Propeller dargestellt. Die Leistungsfähigkeit der Schiffe ist je- doch gestiegen und so erreichen Schiffspropeller heute Dimen- sionen von ca. 150 t Gewicht und Durchmesser von ca. 11 m. Der Aufwand der Fertigung derartiger Propeller ist in Abb. 3 gezeigt; hier wird gleichzeitig aus einer 80 t Pfanne und einem 80 t Induktionsofen gegossen. Beim Abguss dieser Propeller beträgt die Erstarrungszeit gut 2 Wochen und eine Kornfeinung zur Steigerung der mechanischen Eigenschaften über die Zuga- be von z.B. Zirkon ist nicht wirkungsvoll, da während dieser Abb. 1: Voraussetzungen für ein kontinuierliches Wachstum langen schmelzflüssigen Phase das Zirkon seigert und seine der Gießerei-Industrie Wirksamkeit verliert. Höhere Festigkeiten sind jedoch zwin- gend notwendig, um den Materialeinsatz zu reduzieren und *) Vorgetragen von K. Eigenfeld auf der 54. Österr. Gießerei-Tagung am gegebenenfalls auch den Wirkungsgrad durch optimierte Geo- 23. 4. 2010 in Leoben. metrien steigern zu können. 80
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) Abb. 3: Abguss eines Schiffspropellers gleichzeitig aus 80 t Abb. 6: Große transversale Magnetanlage des Gießerei-Institutes Pfanne und 80 t Induktionsofen facheren Teilen im Aluminiumguss bis hin zum Großguss in Kupfer-Aluminium-Bronze die Grundlagen in eine Anwen- dung übergeführt werden. Dieser Ablauf soll im folgenden schematisch unterlegt werden. Ziel des Sonderforschungsbereiches im Bereich des Gießereiin- stitutes war die Einstellung feiner Gefüge durch Nutzung mag- netohydrodynamischer Vorgänge. Die ersten grundlegenden Untersuchungen sowie die Modellierung der dabei ablaufenden Vorgänge wurden zusammen mit der TU Dresden und dem For- schungszentrum Dresden-Rossendorf an kleinen Proben in ei- ner universellen Magnetfeldanlage, Abbn. 4 und 5, durchge- führt. Mit diesen Erkenntnissen konnte dann eine größere An- lage am Gießereiinstitut aufgebaut werden, wie in Abb. 6 bild- lich dargestellt ist. Die Versuche mit der typischen Kupfer-Alu- minium-Eisen-Mangan-Bronze zeigten beeindruckende Ergeb- nisse der Kornfeinung, wie sie als Vergleich normal erstarrt und unter Einwirkung eines transversalen Magnetfeldes erstarrt in Abb. 4: Ansicht der kleinen Magnetfeldanlage für rotatorische u. Abb. 7 dargestellt sind. Die Übertragung dieser Ergebnisse er- transversale Felder am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf folgte dann am Beispiel einer kleineren Nabe für einen Verstell- propeller. Dieser reale Abguss ist in Abb. 8 zu sehen. Abb. 7: Korngrößeneinstellung bei konventioneller Erstarrung (a) und Erstarrung unter Einfluss eines transversalen Magnet- feldes mit 10 Millitesla Feldstärke Abb. 5: Probenform aus dem Forschungszentrum Dresden-Ros- sendorf (links) und einfache Probenform des Gießerei-Institu- tes (rechts) Hier ergab sich nun die Verknüpfung mit dem Sonderforschungs- bereich 609 der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Elektro- magnetische Strömungsbeeinflussung in Metallurgie, Kristall- züchtung und Elektrochemie“ mit der Sprecheruniversität TU Dresden, dem Forschugnszentrum Dresden-Rossendorf und der Mecklenburger Metallguss GmbH – MMG, Waren an der Müritz, einem Unternehmen mit derzeit knapp 300 Mitarbeitern. Hier wird die Verknüpfung unterschiedlicher Wissensgebiete und Institute von den theoretischen Grundlagen über die Mo- dellierung bis hin zur universitären Bauteilerprobung darge- Abb. 8: Abguss eines Versuchskörpers (Propellernabe für einen stellt. Dies führt dann in die industrielle Praxis, in der von ein- Verstellpropeller) Magnetfeldeinfluss 81
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 Abb. 9: Konzeptentwicklung für massereduzierte Nabenanbin- dung der Flügel und Erhöhung der Eigendämpfung durch ke- ramische Inserts Abb. 12: Formträgertechnologie mit permanenter Formhinter- füllung (Feuerfestbeton GA70, Korundbasis) für ein Gussteil in der Serienfertigung im Stahl-Niederdruck-Sandguss Abb. 10: Beispiel zur Erhöhung des Wirkungsgrades durch neue Geometrien Darüber hinaus sollten weitere Lösungsansätze für eine Opti- mierung gefunden werden. In Abb. 9 ist dieser Ansatz schema- Abb. 13: Versuchsgeometrie für den Stahl-Niederdruck-Sand- tisch zu sehen. Eine reduzierte Masse im Bereich der Anbin- guss mit Formträgertechnologie, durchschnittliche Wanddicke dung der einzelnen Blätter an die Nabe wurde rechnerisch 2 mm durch Einlegen von Kernen und Abstützung über Streben rea- lisiert. Weiterhin wurde das Eingießen von keramischen Struk- Ein weiteres Beispiel für das Zusammenwirken von universitä- turkörpern simuliert, um durch die erhöhten Dämpfungsfakto- rer Grundlagenforschung und industrieller Anwendung stellt ren von Verbundwerkstoffen eine Erhöhung des Wirkungsgra- der dünnwandige Stahlguss dar. Stahlguss ist bekannt als Ver- des durch Verminderung des Eigenschwingungsverhaltens des treter großer dickwandiger und schwerer Teile, wenn er nicht Propellers zu realisieren. Die Verknüpfung mit Forschungen an im kostenintensiven Feinguss gefertigt wird. Die Zusammenar- der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam GmbH führte dann zu beit erfolgte hier mit der EVOSTEEL GmbH in Leipzig Knaut- Lösungsansätzen wie in Abb. 10 gezeigt, die in einem Ver- naundorf, einem Start-up-Unternehmen mit derzeit 16 Mitar- suchspropeller mit kleinem Durchmesser demnächst realisiert beitern unter Anlehnung an das Stahl- und Hartgusswerk werden sollen. Boesdorf GmbH. Der innovative Ansatz bestand nun darin, mittels eines neuarti- gen Niederdruck-Stahlgießverfahrens, wie in Abb. 11 gezeigt, sehr dünnwandige Gussteile bei hohen Fertigungsgeschwindig- keiten zu gießen. Entscheidend hierfür war eine enge Grundla- genverzahnung zwischen der Formstoffforschung, der Entwi- ckung des Gusswerkstoffes sowie der Integration einer neuen Gießtechnologie. Ziel der Formstoffentwicklung war die Nut- zung von Formstoffen mit angepasster Wärmeleitfähigkeit, um die typischen Stahlgusseigenschaften kompensieren zu kön- nen. Da spezielle Formstoffe höhere Kosten verursachen und deren Verbrauch demzufolge minimiert werden sollte, kam eine Formträgertechnologie zur Serienreife, die gleichzeitig eine hohe Toleranzgenauigkeit des Gussteiles gewährleistet. Sche- matisch ist dies in Abb. 12 dargestellt. Mittels eines geome- trisch einfach konzipierten Versuchsträgers (Abb. 13) mit durchgängig 2 mm Wanddicke wurden die grundlegenden Ei- genschaften und Effekte untersucht und optimiert. Diese Er- kenntnisse führten dann zu der Entwicklung erster realer Proto- typen, wie sie am Beispiel der Abb. 14, Fahrwerks- und Struk- turteile für einen englischen Hochleistungs-Sportwagen, darge- stellt sind. Neben erreichbaren Minimalwanddicken von 1,5 mm konnten hier auch bemerkenswerte Werkstoffeigenschaften Abb. 11: Prinzipdarstellung eines Niederdruck-Stahlgießofens erzielt werden. Mit der Entwicklung spezieller Stahllegierun- 82
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) Abb. 17: Versuchstiegel für die Optimierung des Feuerfestma- teriales (a), ohne (b) und mit (c) Infiltration nach Langzeittests Abb. 14: Beispiele von Prototypteilen für einen Hochleistungs- im realen Ofen (d) bei Temperaturbeaufschlagung mit praxis- Sportwagen nahen Temperaturen Abb. 15: CAD-Modell als Ausgangspunkt für eine durchgängi- ge Modellierung Abb. 18: Modellierte Temperaturverteilung im Gesamtmodell (y-z-Ebene) Abb. 16: Schmelz- und Warmhalteofen mit 300 kg/h Schmelz- In Grundlagenversuchen wurden unterschiedliche Feuerfestma- leistung und 500 kg Warmhaltekapazität als Versuchsträger, terialien und Überzüge auf ihre Standzeit unter Schmelze- und links Ofenansicht, Mitte Steuerschrank mit Prozessvisualisie- Temperatureinwirkung untersucht, verglichen und optimiert. rung, rechts Ausschnitt aus der Messtechnik Einen Eindruck von diesen Abläufen gibt Abb. 17. Die Model- lierung der thermophysikalischen Vorgänge erbrachte Erkennt- gen für dieses Verfahren wurden Zugfestigkeiten von über 700 nisse, die in dieser Art bisher nicht vorlagen. Die Vorgehens- MPa bei Bruchdehnungswerten von über 60 % erzielt. weise hierzu zeigen die Abbn. 18 bis 20, in denen die Tempe- Ein letztes Beispiel soll sich der Aluminium-Ofentechnologie raturverteilung bei voller Flammenleistung im Querschnitt des widmen. Die Verminderung von Emissionen, Reduzierung von Ofens in Abb. 18 zu sehen ist, Abb. 19 zeigt die Temperatur- Energie- und Ressourcenverbrauch sowie eine allgemeine Stei- verteilung im Längsschnitt in der Ausmauerung und in gerung der Effizienz und der Betriebssicherheit sind heutige gängige Schlagworte. Angewendet auf das Schmelzen von Alu- minium bedeutet dies die Analyse herkömmlicher Ofentech- nik und daraus resultierend die Ableitung neuer Ofenkonzep- te. Das Projekt dazu setzt sich zusammen aus der universitären Forschung im Bereich der Grundlagen der Thermodynamik, den keramischen Werkstoffen und der Aluminiummetallurgie. Partner sind in einem BMBF-geförderten Projekt die ZpF term Maschinenbau GmbH als Ofenbauer, ein Unternehmen mit 57 Mitarbeitern, das Institut für Wärmelehre und Thermodyna- mik, das Institut für Glas, Keramik und Baustoffe sowie das Gießereiinstitut, alle TU Bergakademie Freiberg. In einer ersten Stufe wurde die Geometrie eines Versuchsofens simulationstechnisch aufgearbeitet, vernetzt und mit entspre- chenden Simulationsprogrammen untersucht. Der Ofen selber wurde mit der dazu passenden Sensorik bestückt und entspre- chend unter Betriebsbedingungen gefahren. Ein Eindruck hier- zu ist in Abb. 15 zu sehen, die bildliche Darstellung des Ofens zeigt Abb. 16. Ein Forschungsaspekt stellt dabei die Erhöhung der Lebens- dauer des Feuerfestmateriales dar, da vorzeitige Erneuerung zu Energie- und Ressourcenverbrauch sowie zu Stillstandszeiten Abb. 19: Temperaturverteilung im Feuerfestmaterial der Aus- des Ofens führt. mauerung mit Maximaltemperaturen bis ca. 1.400 °C 83
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 Unter Einbeziehung der Stoffbilanz.des Schmelzens in Verbin- dung mit beteiligten Gießereien werden dann darüber hinaus- gehende Bilanzen für die Fahrweise, ob groß- oder klein- stückig, hohe oder geringe Chargiermengen und deren Häufig- keit getestet und ausgewertet. Diese Ergebnisse sollen dann in einen neu zu definierenden Prototypen eines gasbeheizten Aluminium-Schachtofens einfließen. Diese Beispiele sollen demonstrieren, dass eine enge Verknüp- fung der Grundlagenforschung und ihre industrielle Anwen- dung gut darstellbar ist, unabhängig davon, ob es sich bei den Partnern um kleine oder große Unternehmen handelt. Gleich- zeitig konnte mit diesen Beispielen gezeigt werden, dass eine enge Verknüpfung von reiner Grundlagenforschung, ange- wandter Technologieentwicklung und Übertragung in die in- dustrielle Produktion gut möglich und zielführend ist. Für die Unterstützung zu dieser Thematik danke ich den Her- ren Dr. U. Richter, Dipl.-Ing. V. Metan, Gießerei-Institut TU Bergakademie Freiberg, den Instituten für Wärmetechnik und Thermodynamik sowie Glas, Keramik und Baustoffe, ebenfalls TU Bergakademie Freiberg sowie Herrn Dipl.-Ing. A. Miklin, EVOSTEEL GmbH und den fördernden Institutionen Sächsi- sche Aufbaubank und Bundesministerium für Forschung und Abb. 20: Darstellung modellierter Stromlinien mit Geschwin- Technologie. digkeitsdarstellung und Richtungsvektor Kontaktadresse: Technische Universität Bergakademie Freiberg, D-09596 Freiberg, Abb. 20 sind die Stromlinien der Brenngase mit der jeweils Bernhard von Cotta Straße 4, Tel.: +49 (0)3731 39 2441, örtlichen Geschwindigkeitsverteilung dargestellt. E-Mail: klaus.eigenfeld@ifg.tu-freiberg.de Das nächste Heft der GIESSEREI RUNDSCHAU Nr. 7/8 erscheint am 27.August 2010 zum Thema: „Kokillenguss und Druckguss“ Redaktionsschluss: 9.August 2010 84
HEFT 5/6 GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) Das Leobner Kooperationsmodell zur Gießereiforschung *) The Foundry Research Cooperation Model at Leoben Dipl.-Ing. Dr.mont. Hansjörg Dichtl, Nach drei Jahren löste sich die Studiengemeinschaft auf und es entstand am ÖGI ein eigener „Arbeitskreis Sphäroguss“, der Vorstandsvorsitzender des Vereins f. praktische Gießereiforschung – ÖGI sich mit dem Thema des Gusseisens mit Kugelgraphit befasste. Wenn heute nun das 50 Jahr-Jubiläum des Gießereilehrstuhls gefeiert wird, so darf nicht versäumt werden, den Spiritus Rek- tor dieser Gründung, Prof. Dr. Roland MITSCHE, gebührend hervorzuheben. Er war es, der bereits 1955 die Gießereiausbil- dung an der MUL mit der Einführung eines Sondersemesters forcierte und er war es auch, der Dr. Karl ZEPPELZAUER nach Leoben brachte, der dann im Studienjahr 1959/60 zum ersten Das 50-Jahr-Jubiläum des Lehrstuhls für Gießereikunde ist für Professor des neu gegründeten Lehrstuhls für Gießereikunde die gesamte Österreichische Gießereifamilie ein besonders berufen wurde. freudiger Anlass, der heute*) entsprechend gefeiert wird. Es ist Mit Prof. Dr. Roland MITSCHE verbindet den Autor persönlich dies aber auch eine passende Gelegenheit, sich rückzubesin- sehr viel: Er war sein Lehrer, er war aber auch sein erster Chef nen auf die verschiedensten Kooperationen in der Gießereifor- am Institut für Metallkunde und Werkstoffprüfung und später schung, die in diesen 50 Jahren vonstatten gingen und wesent- ein guter väterlicher Freund. Im Zeitraum von 1960 bis 1970 lich zum Erfolg unserer Branche beitrugen. Gerade in einer kam es zu vielen gemeinsamen Arbeiten über die Erstarrung hektischen Zeit wie der heutigen, wo der Blick gerne nur nach des Gusseisens und zur Morphologie des Graphits (Lit.1,2). vorne gerichtet wird, ist es wert, sich auch der Vergangenheit zu besinnen, denn nur eine gesunde Balance zwischen Bewah- Mit zwei Bildern aus dem Gästebuch der TRM Tiroler- Röhren ren und Erneuern führt zu einem wirklichen Fortschritt. und Metallwerke AG (heute Duktus Tiroler Rohrsysteme GmbH) wird der Rückblick auf die 60-iger Jahre und diese ers- In diesen 50 Jahren hat sich in der Gießereibranche weltweit ten Kooperationen zur Gießereiforschung abgerundet. und auch in unserem Land sehr viel verändert. Eine Entwick- lung in den frühen 50-iger Jahren löste aber in den Gießereien Bereits 1962 hatte MITSCHE die Bedeutung des Sphärogusses unseres Landes und auch in Deutschland ein besonderes Un- voll erkannt. behagen aus. Es war die Erfindung des Sphärogusses und vor allem waren es die US- Patente zur Mg-Behandlung von Guß- eisenschmelzen von MILLIS, GAGNEBIN und PILLING, die zu heftigen Patentstreitereien führten. Alle Eisengießer wussten, dass der Grauguss nun eine ernsthafte Konkurrenz bekommt und es wurde an vielen Stellen am zähen Gusseisen und an der Modifikation des Graphits gearbeitet, so auch in Leoben. Die Professoren WALZL und MITSCHE sowie SUESS (Gen.- Dir. der VOEST) und SCHREIBER (Dir. der TRM) haben er- kannt, dass mit dem duktilen Gusseisen umfangreiche Ent- wicklungen einsetzen werden, die die Entwicklungskapazität einzelner Gießereien überfordern würden. Und so kam es im September 1950 unter dem Vorsitz von R. WEINBERGER zur konstituierenden Sitzung der „Studiengemeinschaft für die Weiterentwicklung des hochwertigen Gusseisens“. Die wissen- schaftliche Leitung dieses Arbeitskreises lag in den Händen 1 von Prof. Dr. Roland MITSCHE und 10 Gießereien beteiligten sich an diesen Arbeiten. In dieser ersten Leobner Kooperation ging es vor allem darum, wie die US Patente umgangen wer- den könnten und so befassten sich die Untersuchungen vor- Seine Karikatur im Gästebuch der TRM (Bild 1) zeigt, wie die nehmlich mit dem Einfluss der Schmelzebehandlung auf die Graphitkugeln in einer Wurfparabel nach oben fliegen. Dass Morphologie des Graphits und welche alternativen Zusätze, die tatsächliche Entwicklungskurve dieses neuen Gusswerk- wie Cer Mischmetall, ebenfalls zu einer Kugelgraphitbildung stoffes (rechts im Bild) wesentlich progressiver verlaufen wür- führen. de, daran hat damals niemand so richtig geglaubt; rückbli- Die positiven Eindrücke, die bei dieser Zusammenarbeit ge- ckend sieht das natürlich völlig anders aus. wonnen wurden, führten bereits 1951 zu Überlegungen, ein Bild 2 zeigt in zwei Karikaturen die letzten Arbeiten zum Ös- Gießereiforschungsinstitut zu gründen. Diese Idee wurde vom terreichischen Austauschvortag für den Internationalen Gieße- Fachverband der Giessereindustrie Österreich und seinem da- reikongress in Paris 1967 (Lit.3). Die beiden Verzweifelten und maligen Präsidenten A.VOGELSINGER unterstützt und führte Gestressten im linken oberen Bild, von Eingeweihten gut er- bereits im Juli 1951 zur Gründung des Vereins für praktische kennbar, sitzen über den letzten Seiten des Vortrags. Wie man Gießereiforschung. Schon im September 1952 wurde mit den dem Text entnehmen kann, sollte das Manuskript natürlich Bauarbeiten begonnen und 1955 kam es zur feierlichen Eröff- schon längst fertig sein. nung des Österreichischen Gießereiinstituts (ÖGI). Die be- Unter dem Titel: „Tag der 5 Todsünden“ hielt Prof. MITSCHE wusst gesuchte räumliche Nähe zur Montanuniversität war 1971 die Probleme mit Chunky-, Flotations- und Vermikular- und ist auch heute ein hoch einzuschätzender Vorteil für beide graphit fest, offensichtlich gab es diesbezüglichen Ärger bei Seiten. TRM. Ein Thema, das auch heute noch die Sphärogießer be- schäftigt. *) Vorgetragen anlässlich des Festaktes auf der 54. Österreichischen Für all jene, die Prof. MITSCHE nicht kannten, sei nochmals Gießerei-Tagung am 23. April 2010 in Leoben. erwähnt, dass der Lehrstuhl für Gießereikunde vor allem auf 85
GIESSEREI-RUNDSCHAU 57 (2010) HEFT 5/6 2 3 seine Bemühungen zurückzuführen ist. Abgesehen von seinem Lehrstuhl für Gießereikunde weitergehen könnte bzw. sollte. internationalen Ansehen als profundem Fachmann auf dem Es gab viele Pro-Stimmen, aber auch die ein oder andere ab- Gebiet der Metallkunde hat er sehr viel für die Montanuniver- lehnende Haltung. sität und Leoben in den verschiedensten Bereichen – vom Ein vom FV konzipiertes Positionspapier der Gießereiindustrie Sport bis hin zur Kultur – getan. wurde im Mai 1996 Rektor Peter PARSCHEN präsentiert. Nun aber zum eigentlichen Thema des Beitrages, zum Koope- Am 19. 06. 1996 fand die konstituierende Sitzung des Arbeits- rationsvertrag zwischen der Montanuniversität und dem ÖGI. kreises „Gießereikunde“ zur Nachbesetzung des Ordinariats Als im Jahr 1997 die nahende Pensionierung der Herren Prof. für Gießereikunde statt und Herr Prof. Dr. Friedwin STURM Dr. Heiko PACYNA, Ordinarius des Gießereilehrstuhls, und wurde zum Vorsitzenden des Arbeitskreises gewählt. Bergrat DI Erich NECHTELBERGER, Geschäftsführer des Ver- Auf Einladung von Dr. Walter BLESL, ÖGI-Vorstandsmitglied eins f. praktische Gießereiforschung und Direktor des ÖGI im u. GF-Geschäftsführer, besichtigten Rektor Peter PASCHEN Raum standen, wurde erstmals ein engeres Kooperationsmo- und 6 Kollegen des Arbeitskreises am 19. 08. 1996 die +GF+ dell ventiliert. Automobilguss GmbH in Herzogenburg, um im industriellen Selbstverständlich wurde auch in den Jahren davor zwischen Umfeld der größten Gießerei Österreichs das Thema der Nach- dem ÖGI und der MUL eng zusammengearbeitet und die Gie- besetzung zu diskutieren: ßereiprofessoren CZIKEL und PACYNA waren zwar im Vor- In dieser Sitzung befürwortete der Arbeitskreis die Nachbeset- stand des ÖGI eingebunden und hatten damit auch beratende zung der Planstelle eines Universitätsprofessors für Gießerei- Funktionen, aber eben nur beratende Funktionen. Eine Aus- kunde und die Weiterführung des Institutes, wenn es zu einer nahme bildete Prof. Dr. Karl ZEPPELZAUER, der von März Kooperation mit dem ÖGI kommen sollte. 1964 bis Mai 1967 auch Geschäftsführer des Vereins f. prakt. Bereits am 6. 9. 1996 unterzeichneten Rektor Peter PASCHEN Gießereiforschung war. und Dr. Robert SPONER, der damalige Vorsitzende des Vereins Anfang 1996 kam es mit den verschiedensten Funktionsträ- für praktische Gießereiforschung, eine Absichts-Erklärung be- gern der Montanuniversität zu ersten Kontaktgesprächen. Ziel- züglich einer engeren Verschränkung in Form einer Personal- setzung war – und diese Idee wurde von beiden Seiten einge- union. bracht – über eine Personalunion zu einer besseren Nutzung Nach dieser klaren Weichenstellung wurden die weiteren von Synergien und Einrichtungen nachzudenken. Schritte, wie die Zustimmung des Universitätskollegiums, die Schon bisher wurden die Übungen für Gießereikunde im ÖGI Gespräche mit dem Ministerium bis hin zu einem Vertragsent- abgehalten und auch die Möglichkeiten von Diplomarbeiten in wurf, erstellt von OLG-Präs. Hon. Prof. Dr. Josef KROPIUNIG – der Industrie genutzt. Ein Großteil der Entscheidungsträger relativ rasch durchgezogen. war davon überzeugt, dass durch eine engere Verflechtung bei- Die feierliche Unterzeichnung des Kooperationsvertrages fand de Institutionen, der Lehrstuhl und das ÖGI, aufgewertet wer- am 24. 1. 1997 im Rektorat im Beisein zahlreicher Professoren den und die Gießereiforschung in Leoben zusätzliche Impulse und Industrievertreter sowie auch der lokalen Presse statt bekommen würde. (Bild 4). Noch am selben Tag wurde unter dem Vorsitz von Schon damals war es allen, die sich mit der angewandten For- schung beschäftigten, bewusst, dass bei hoch entwickelten Verfahren aber auch Werkstoffen der Grundlagenforschung mehr Raum und Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. In- sofern stellt der Zusammenschluss eines praxisorientierten In- stitutes (ÖGI) mit dem grundlagenorientierten Lehrstuhl der Montanuniversität ein Erfolgsmodell dar, das auch Nachahmer fand. Weitere Zielsetzungen waren: die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung, die Einbindung der Industrievertreter in die Berufungskommission der Montanuniversität und nicht zu- letzt das Bemühen, den Gießereilehrstuhl zu erhalten und gute Voraussetzungen für eine bestmögliche Nachbesetzung zu schaffen. Die weiteren Schritte zur Kooperation sind im Bild 3 zusam- mengefasst. Im 1. Halbjahr 1996 kam es in den verschiedenen Kreisen der Montanuniversität, des Fachverbandes der Gießereiindustrie 4 und des ÖGI-Vorstandes zur Meinungsbildung, wie es mit dem 86
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