Globaler Trend: Demographie - Deutsches Institut für ...

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Globaler Trend: Demographie - Deutsches Institut für ...
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 Analysen & Trends: Zukunftssicherung

 Globaler Trend: Demographie
 Februar 2009

 Deutschlands globaler Fondsmanager.
Globaler Trend: Demographie - Deutsches Institut für ...
Inhalt
Demographie – Ein Megatrend                          3

Demographie – Was kommt auf uns zu?                  4

Erwerbsbiographie- und kohortenspezifische
Versorgungsniveaus im Alter                         12

Renditevergleich zwischen Umlagesystem und
Kapitaldeckungssystem                               22

Wer ist besser vorbereitet?                         34

Alternde Gesellschaften –
Reformbeispiele zur Herausforderung Langlebigkeit   41

Kapitalmärkte in der Demographiefalle?              49

Investmentchance Demographie                        54

Investor’s Corner                                   61

Impressum                                           64
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Analysen & Trends: Zukunftssicherung

Demographie – ein Megatrend
                          Die Menschen leben länger, die Weltbevölkerung wächst.
                          Demographie wird zum globalen Megatrend, auch für Anleger.

Obwohl wir es jeden Tag um uns herum            ein globales, d. h., die Lebenserwartung der
erfahren, ist es uns doch nicht klar: Viele     Menschen steigt tendenziell weiter, während
Männer erreichen ein deutlich höheres Alter     folgerichtig auch der Anteil der Älteren an
als 76 Jahre und viele Frauen werden älter      der Bevölkerung zunimmt – aber die Ent-
als 81. Trotzdem verwechseln wir gerne die      wicklung ist bei genauerer Betrachtung sehr
hier zitierte durchschnittliche Lebenser-       unterschiedlich:
wartung bei Geburt mit unserer tatsäch-
lichen Lebenserwartung. Der Witz dabei ist:     · Die Industriestaaten altern merklich
Mit zunehmendem Alter steigt die Lebenser-        schneller und drastischer als die aufstre-
wartung. Denn je mehr Jahre wir auf dem           benden Staaten.
Buckel haben, desto mehr Jahre haben wir
hinter uns gebracht in denen andere, die in     · Die zu erwartenden Bevölkerungszu-
die Gesamtstatistik, eingehen, vorzeitig ver-     wächse fallen je nach Kontinent sehr
storben sind. Beispiel: Ein heute 40-jähriger     unterschiedlich aus. Während es inner-
Mann, der noch zu den Endausläufern der           halb der nächsten 35 Jahre in Europa zu
„Babyboomer“ gehört, hat eine Lebenser-           einem Rückgang kommen dürfte und
wartung von knapp 88 Jahren. Hat er erst          Lateinamerika und Nordamerika, gemes-
mal das (heutige) Rentenalter 65 erreicht,        sen an ihrer Einwohnerzahl, verhalten
kann er erwarten, über 90 Jahre alt zu wer-       wachsen, legen Afrika und Asien deutlich
den. Der „Lebensabend“ ist ein voller             zu. Allein Asien kann mit einem Zuwachs
Lebensabschnitt!                                  von ca. 1,3 Milliarden Menschen bis 2050
                                                  rechnen, so die Schätzungen der Verein-
Das Problem dabei: Demographisch ist es           ten Nationen.                                  30 Jahre nach 12
bereits 30 Jahre nach 12. Selbst wenn es
gelänge, die Zahl der Neugeborenen (die sich    · Eine hohe Dynamik beim Bevölkerungs-
weiterhin im Sinkflug befindet) deutlich zu       wachstum in bestimmten Regionen der
erhöhen – das demographische Loch bliebe.         Welt geht dabei mit einer hohen wirt-
Die Kinder, die über Jahrzehnte nicht gebo-       schaftlichen Dynamik einher. Länder mit
ren wurden, aber morgen gebraucht werden,         niedrigem Einkommen sollten während
um die Rentenkassen zu füllen, kämen zu           der nächsten Jahre und Jahrzehnte ca. dop-
spät auf die Welt. Zukunftssicherung heißt        pelt so schnell wachsen wie die Länder mit
für die Anleger von heute das Gebot der           hohem Einkommen. Wirtschaftswachs-
Stunde.                                           tum heißt Wohlstandswachstum, heißt
                                                  Nachfragewachstum.
Wenn aber die Gefahr des Rentenlochs im
Alter droht, ist da nicht die Frage erlaubt:    Die (ökonomische) Weltkarte verändert sich
Kann die demographische Entwicklung             aufgrund eines globalen Megatrends: Demo-
nicht auch als Investmentchance genutzt         graphie.
werden?
                                                Profitieren Sie als Anleger davon, meint Ihr
Der Blick auf die Weltkugel lohnt sich. Zwar
ist das Phänomen der „doppelten Alterung“                                 Hans-Jörg Naumer.

                                                                                                                    3
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Demographie –
was kommt auf uns zu?
                                 Die demographische Entwicklung in Deutschland rückt nun schon
                                 seit einigen Jahren immer mehr in den Blickpunkt von Presse und
                                 Politik. Zu Recht!

In erster Linie wird die demographische Ent-
wicklung als Auslöser für die notwendigen                  Gastbeitrag
Um- und vor allem Rückbauarbeiten am
                                                           Bei der vorliegenden Studie handelt es sich
Sozialsystem angeführt. Die Ursachen sind
                                                           um einen Gastbeitrag von Dr. Jürgen
alle bekannt: ein deutlicher Rückgang der
                                                           Stanowsky, Leiter Dresdner Economic
Fertilität gepaart mit einem erfreulichen
                                                           Research und Dr. Renate Finke, Volkswirtin
Anstieg der Lebenserwartung. Diese Ent-
                                                           bei Allianz Global Investors, International
wicklungen sind nicht auf Deutschland
                                                           Pensions.
beschränkt, sondern treffen – von wenigen
Ausnahmen abgesehen – auf alle Länder zu.
Die UN-Daten (UN-World Population Pro-
spects, 2006 revision, median variant) wei-              nimmt auch das Verhältnis der über-65-Jäh-      Doppelte Alterung
sen einen Anstieg des Medianalters (Alter                rigen zu den 15- bis 64-Jährigen (der soge-
über bzw. unter dem 50 % der Bevölkerung                 nannte Altenquotient) spürbar zu (vgl.
sind) der Weltbevölkerung von 24 Jahren in               Schaubild 1). Obwohl demographische Ver-
1950 auf 28 Jahre heute und rund 38 Jahre                änderungen in aller Regel schleichend und
im Jahr 2050 aus. Gleichzeitig sank die Welt-            mit langer Vorlaufzeit vonstatten gehen,
geburtenrate von 5 Kindern pro Frau vor 50               erfolgt in der öffentlichen Meinung oftmals
Jahren auf heute 2,55 Kinder, Tendenz weiter             eine überraschend schnelle Veränderung
fallend. In 45 Jahren werden nur noch 2,02               der Wahrnehmung. Anfang der Siebziger-
Kinder pro Frau erwartet. Hält diese Ent-                jahre, als der „Club of Rome“ seinen ersten
wicklung an, wird die Weltbevölkerung in                 Bericht zu den „Grenzen des Wachstums“
der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts                   vorlegte, stand die drohende Überbevölke-
anfangen zu schrumpfen. Gleichzeitig                     rung der Erde im Brennpunkt der Berichter-

Schaubild 1: Weltbevölkerung in Altersgruppen

(in Mio.)

10.000

    8.000

    6.000

    4.000

    2.000

        0
            1950      1960       1970     1980   1990   2000   2010     2020    2030     2040     2050

             0 14       15 64           65+

Quelle: UN Population Division

4
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Analysen & Trends: Zukunftssicherung

stattung über demographische Entwick-                          Was bestimmt die demogra-                        Fertilität deutlich
lungen. Diese Sichtweise hielt noch rund                                                                        gesunken.
eine Dekade an. Erst seit der zweiten Hälfte
                                                               phische Entwicklung?
der Neunzigerjahre rückte die Alterung in
                                                               Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes
den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
                                                               wird von drei Faktoren beeinflusst:
Dabei gehen geringere Befürchtungen hin-
                                                               1. Fertilität: in der Regel ausgedrückt als
sichtlich des Bevölkerungswachstums und
                                                               Anzahl der Kinder, die eine Frau im Laufe
größere mit Blick auf die Alterszusammen-
                                                               ihres Lebens zur Welt bringt, wenn die
setzung Hand in Hand. Die Folge eines Rück-
                                                               durchschnittliche altersspezifische Gebur-
gangs der Fertilität ist eine zunehmende
                                                               tenziffer (Anzahl Kinder je Frau im Alter x)
Alterung der Bevölkerung. Da zusätzlich
                                                               in Zukunft unverändert bleibt. Diese liegt in
auch noch die Lebenserwartung ansteigt,
                                                               Deutschland zurzeit (2007) bei 1,37, d. h.,
spricht man in Fachkreisen von einer dop-
                                                               1.000 Frauen bringen in ihrem Leben rund
pelten Alterung. Eine Entwicklung, von der
                                                               1.370 Kinder zur Welt.
heutzutage in besonderem Maße Japan und
                                                               2. Lebenserwartung: in der Regel ausge-
Europa betroffen sind. Aber auch in Asien
                                                               drückt als Anzahl der Jahre, die ein Mensch
allgemein zeichnen sich vergleichbare Ent-
                                                               bei Geburt wahrscheinlich erleben wird. Die
wicklungen ab, so sieht China die Folgen der
                                                               aktuelle Lebenserwartung ergibt sich aus
rigorosen Ein-Kind-Politik heute mit großer
                                                               der jeweiligen Sterbetafel und stellt daher
Sorge auf sich zurollen. Innerhalb Europas
                                                               keine wirkliche Prognose dar, sondern ist
sind besonders die Entwicklungen in
                                                               eher eine Momentaufnahme der altersspezi-
Deutschland, Italien und Spanien von Inte-
                                                               fischen Sterblichkeit in einem Land. Gegen-
resse, denn diese bevölkerungsreichen Län-
                                                               wärtig liegt die Lebenserwartung bei Alter 0
der weisen dramatisch niedrige Geburten-
                                                               für Männer bei 76,89 Jahren und für Frauen
raten auf. In den neuen EU-Mitgliedsländern
                                                               bei 82,25 Jahren.
gingen nach dem Ende der Sowjetunion die
                                                               3. Wanderungssaldo: Neben der natürlichen
Geburtenraten dramatisch zurück und sind
                                                               Bevölkerungsbewegung, die sich aus dem
immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Ein
                                                               Saldo Geborener zu Gestorbenen ergibt,
rapider Alterungsprozess der jeweiligen
                                                               bestimmen Zu- und Fortzüge aus einem
Bevölkerungen ist unvermeidlich. Einige
                                                               Land die Bevölkerungsentwicklung. 2007
Länder in der EU, wie z. B. Frankreich oder
                                                               wanderten rund 44.000 Menschen mehr
Schweden, weisen aber auch eine deutlich
                                                               nach Deutschland zu als fortzogen.
höhere Fertilität auf. In diesem Artikel wer-
den die wichtigsten demographischen Ent-
                                                               Damit die Bevölkerung in einem Land kon-
wicklungen Deutschlands beleuchtet.
                                                               stant bleibt, muss eine durchschnittliche
                                                               Frau in ihrem Leben rund 2,1 Kinder zur

Schaubild 2: Entwicklung der Fertilität in Deutschland

1.600.000                                                                                                3,0

1.400.000
                                                                                                         2,5
1.200.000
                                                                                                         2,0
1.000.000

 800.000                                                                                                 1,5

 600.000
                                                                                                         1,0
 400.000
                                                                                                         0,5
 200.000

        0                                                                                                0,0
            1950   1955     1960   1965       1970      1975      1980     1985   1990   1995   2000

               Lebendgeborene (linke Achse)          Fertilität (rechte Achse)

Quelle: Statistisches Bundesamt

                                                                                                                                      5
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Analysen & Trends: Zukunftssicherung

Welt bringen. Sie ersetzt damit sich selbst       Schaubild 3: Entwicklung der Lebenserwartung ab Geburt
und ihren Partner, hinzu kommt noch ein
                                                  90
„Sicherheitszuschlag“ für Kinder, die sich
später selbst nicht fortpflanzen können oder
                                                  80
vorher versterben. Das letzte Jahr, in dem
dieser Wert in Deutschland erreicht wurde,
                                                  70
war 1970, ihren höchsten Wert seit dem
zweiten Weltkrieg erreichte die Fertilität        60
1964 mit 2,54 (Schaubild 2). Neben der Ferti-
lität ist auch zu beachten, wie viele Kinder in   50
einem Land insgesamt geboren werden. Die
zahlenmäßige Besetzung der unterschied-           40
lichen Jahrgänge potenzieller Mütter ist               1932 1946 1950 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006 2007

dafür ausschlaggebend. Denn hat sich die                 Männer      Frauen
Fertilität einmal, wie z. B. in Deutschland,
dauerhaft nach unten bewegt, dann genügt          Quelle: Statistisches Bundesamt (2008)
ein entsprechender Anstieg auf das alte
Niveau nicht, um die Bevölkerungszahl kon-
stant zu halten. Da die Kohorten potenzieller     Ein Anstieg um 40 % bei Männern und um                    Lebenserwartung:

Mütter entsprechend dünner besetzt sind,          ein Drittel bei den Frauen, mit entspre-                  Trend steigt.

müsste die Fertilität sehr weit über den Wert     chenden Auswirkungen auf die Finanzen
von 2,1 ansteigen – sieht man einmal von          der Rentenkassen. Weitere Anstiege stehen
Zuwanderung ab – um in Deutschland die            bevor. Die Bevölkerungssituation in
gegenwärtige Bevölkerungszahl von 82,2            Deutschland wird neben Geburten und
Millionen dauerhaft zu halten. Bei einem          Lebenserwartung in erheblichem Maße von
Anstieg nur etwas über das Niveau von 2,1         Wanderungsbewegungen mitbestimmt. Fast
dauert es einige Generationen, bis die alte       681.000 Menschen zogen 2007 (das letzte
Bevölkerungszahl wieder erreicht wird.            Jahr, für das diese Daten vorliegen) nach
                                                  Deutschland zu, ihnen standen rund
Ein Blick auf die Zahl der Geborenen zeigt ein    637.000 Fortzüge gegenüber. Im Saldo wuchs
ähnliches Bild wie der auf die Fertilität.        die deutsche Bevölkerung durch Zuwande-
1964, dem Höhepunkt seit 1945, wurden in          rung um 44.000 Menschen.
Deutschland 1,36 Millionen Kinder geboren.        Die Zahlenreihe des Wanderungssaldos ist
2007 waren es noch 685.000, also 50 % weni-       starken Schwankungen unterworfen, die
ger. Allein seit 1990 ist die Zahl der Gebore-    u. a. von Änderungen gesetzlicher Rege-
nen um 25 % gesunken.                             lungen bezüglich des Asylrechts oder ande-
                                                  rer Bestimmungen herrühren. 1992 wan-
Ein Rückgang der Fertilität, verbunden mit
einer sinkenden Anzahl Neugeborener,
führt unweigerlich zu einer Alterung der
                                                  Schaubild 4: Entwicklung der Bevölkerungszahl
Gesellschaft. Zu wenige Junge rücken nach
und das Durchschnittsalter bzw. Medianal-
                                                   800.000
ter steigt an. Dieser Trend wird noch verstär-
kt, wenn die Lebenserwartung zunimmt               600.000
(Schaubild 3). In Deutschland betrug die
Zunahme der Lebenserwartung für Männer             400.000
seit 1970 gut 9,4 Jahre und für Frauen 8,4
Jahre. Der Trend zur Zunahme der Lebenser-         200.000
wartung hält nach wie vor an. Bedeutsam,
z. B. für die Berechnung zukünftiger Renten-              0

lasten, ist neben der Entwicklung der
                                                  –200.000
Lebenserwartung ab Geburt auch die ab
                                                              1991    1993     1995    1997   1999   2001     2003      2005   2007
Alter 65. 1970 betrug dieser Wert für Männer
12,06 Jahre und für Frauen 15,18 Jahre: Heute                   Sterbefallüberschuss       Zuwanderungsüberschuss
betragen diese Werte für Männer und                             Bevölkerungszunahme

Frauen entsprechend 16,93 und 20,31 Jahre.        Quelle: Statistisches Bundesamt

6
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

derten netto nahezu 800.000 Menschen           Bevölkerungsentwicklung Deutschlands im                                                     Wie entwickeln sich
nach Deutschland zu, 1998 waren es dage-       Zeitraum von 1950 bis 2050 unter diesen                                                     Migration und
gen knapp 50.000.                              Annahmen für die Zukunft wieder.                                                            Lebenserwartung?

Die Entwicklung der Bevölkerungszahl ergibt    Gemäß diesen Prognosen wird die Bevölke-
sich aus der Summe des Wanderungssaldos        rungszahl weiter schrupfen. Dieser Prozess
und des Geburten- oder Sterbeüberschusses      setzte 2003 ein, nachdem im Jahr 2002 die
(Schaubild 4). Da seit 1972 in Deutschland     Bevölkerungszahl in Deutschland ihren
Jahr für Jahr mehr Menschen sterben als        höchsten Stand mit 82,54 Millionen Men-
geboren werden, ging die Bevölkerungszu-       schen erreichte. Im Jahr 2050 werden dann
nahme bis 2002 allein auf die Nettozuwan-      noch rund 74 Millionen Menschen in
derung zurück. Seit 2003 reicht die            Deutschland leben. Fällt die Zuwanderung
Zuwanderung nicht mehr aus, den Sterbe-        nur halb so hoch aus, werden es knapp 69
überschuss zu kompensieren. Im Jahr 2007       Millionen Menschen sein. Sollte die Lebens-
schrumpfte die Bevölkerung um rund             erwartung stärker ansteigen als erwartet, in
98.400, 2006 gar um 126.100 Menschen.          der Vergangenheit war dies regelmäßig der
Langfristig wird an dieser Entwicklung         Fall, so fällt der Bevölkerungsrückgang
ohnehin so gut wie kein Weg vorbeiführen.      geringer aus. Zu konservative Prognosen der
Selbst ein jährlicher Wanderungsüber-          Lebenserwartung vermitteln das Bild einer
schuss von 200.000 Menschen reicht auf         tendenziell zu jungen Gesellschaft und las-
Dauer nicht aus, den Bevölkerungsrückgang      sen Reformen der sozialen Sicherungssy-
in Deutschland aufzuhalten.                    steme weniger notwendig erscheinen.

                                               Schaubild 5 gibt auch Aufschluss über die
Die zukünftige Bevölkerungsent-
                                               Entwicklung des sogenannten Altenquoti-
wicklung in Deutschland                        enten, der das Verhältnis der 65-Jährigen
                                               und älteren zu den 15- bis 64-Jährigen dar-
Verglichen mit vielen anderen Prognosen        stellt. Damit gibt dieser Aufschluss über das
sind Bevölkerungsvorausschätzungen rela-       Verhältnis von potenziell erwerbsfähiger
tiv sicher. Dies liegt daran, dass sich die    Bevölkerung zu den potenziellen Rentnern.
maßgeblichen Parameter Fertilität und          Dieser Quotient liegt zurzeit bei rund 30 %,
Sterblichkeit in aller Regel nur allmählich    d. h. auf 100 Personen in der Altersgruppe
ändern und die wahrscheinlichen Verände-       15-64 kommen im Schnitt 30 Personen über
rungen in die Prognosen aufgenommen            65. Bis 2015 weist dieser Quotient nur einen
werden können. Am schwierigsten ist die
Migration zu fassen. Neben ökonomischen
Veränderungen haben auf sie auch regulato-     Schaubild 5: Bevölkerungsentwicklung
rische Maßnahmen maßgeblichen Einfluss,        (in Mio.)                                                                                                              (in %)
diese sind allerdings kaum prognostizier-                                                                                                                                 80
                                               80
bar. Für Deutschland erstellt das Stati-                                                                                                                                    70
                                               70
stische Bundesamt Bevölkerungsprognosen.                                                                                                                                    60
                                               60
Diese Untersuchung bezieht sich auf die 11.
                                                                                                                                                                            50
koordinierte Bevölkerungsvorausberech-         50
                                                                                                                                                                            40
nung aus dem Jahr 2006. Unterstellt wurden     40
dabei verschiedene Szenarien für den           30                                                                                                                           30

zukünftigen Anstieg der Lebenserwartung,       20                                                                                                                           20
unterschiedliche Fertilitätsraten und die      10                                                                                                                           10
Entwicklung der Nettozuwanderung, sodass
                                                0                                                                                                                            0
insgesamt zwölf Varianten vorliegen. Im Fol-
                                                    1950
                                                           1956

                                                                  1962
                                                                         1968

                                                                                1974
                                                                                       1980

                                                                                              1986
                                                                                                     1992

                                                                                                             1998
                                                                                                                    2004

                                                                                                                           2010

                                                                                                                                  2016

                                                                                                                                         2022
                                                                                                                                                2028

                                                                                                                                                       2034

                                                                                                                                                              2040

                                                                                                                                                                     2046
                                                                                                                                                                     2049

genden beziehen wir uns immer auf die
mittlere Bevölkerungsvariante mit einer
                                                       65 und älter                0–15                        Altenquotient (rechte Skala)**
Zuwanderung von 200.000. Unterstellt ist               15–64                       Abhängigkeitsquotient (rechte Skala)*
dabei ein Anstieg der Lebenserwartung bis
                                                    * Verhältnis der unter 15- und über 65-Jährigen zur Bevölkerung im Alter zwischen
2050 für Männer auf 83,5 und für Frauen auf           15 und 64.
88 Jahre. Die Geburtenrate wird in etwa als         ** Verhältnis der über 65-Jährigen zur Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64.

konstant angenommen. Schaubild 5 gibt die      Quelle: Statistisches Bundesamt, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung, Var. 1-W2.

                                                                                                                                                                            7
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

vergleichsweise moderaten Anstieg aus. Die      stigsten wird dieses Verhältnis in rund 25
relativ geburtenschwachen Kriegs- und           Jahren: denn von 2026 bis 2033 übersteigt
Nachkriegsjahre sind die Ursache dafür. Erst    jedes Jahr die Zahl derer, die 65 Jahre alt
Mitte der Fünfziger-jahre des letzten Jahr-     werden, die der 20-Jährigen um über
hunderts begann die Zahl der Geburten wie-      500.000. Danach – mit dem Renteneintritt
der spürbar anzusteigen. Der Jahrgang 1955      der letzten Babyboomer – verringert sich
erreicht 2020 das Alter von 65 Jahren. In den   diese Zahl wieder (Schaubild 6).
Jahren von 2020 bis 2035 erreichen dann die
geburtenstarken Jahrgänge das Alter 65 und      Im Zuge dieser Entwicklung ist mit einer
der Altenquotient verschlechtert sich stetig    Entspannung der Lage auf dem Arbeits-
auf 52 % im Jahr 2035. 100 jüngeren Bürgern     markt zu rechnen, allerdings beruht ein
stehen dann mehr als 50 Rentner gegenüber,      erheblicher Teil der Arbeitslosigkeit in
1957 – als unser heutiges Rentensystem ein-     Deutschland darauf, dass die Qualifikation
geführt wurde – waren es nur 17.                oder der potenzielle Einsatzort von Arbeits-
                                                suchenden und angebotenen Stellen nicht
Mindestens genauso interessant wie der          zueinander passen. Dieses Missverhältnis
Altenquotient ist der totale Abhängigkeits-     kann auch die demographische Entwick-
quotient, der die potenziell erwerbstätigen     lung nicht beseitigen. Neben der absoluten
Personen zu denen ins Verhältnis setzt, die     Zahl wird sich auch der Altersaufbau der
noch nicht oder nicht mehr am Erwerbsle-        Erwerbsbevölkerung verändern. Die Zahl
ben teilnehmen, also das Verhältnis der 0-      der 35- bis 49-Jährigen wird sich bis 2050 um
bis 14-Jährigen und der über 65-Jährigen zu     gut ein Drittel verringern, die der 20- bis 34-
den 15- bis 64-Jährigen. Dieser Quotient gibt   Jährigen um ein Viertel, während die Zahl
an, wie groß der Anteil von Menschen an         der 50- bis 64-Jährigen nahezu konstant
einer Bevölkerung ist, die zwar konsumie-       bleibt. Gleichzeitig steigt auch das Median-              Kleines Zeitfenster für
ren, aber nicht für den Produktionsprozess      alter der Bevölkerung von heute rund 42 Jah-              Reformen.
zur Verfügung stehen. Mit knapp 59 %            ren auf 49 Jahre.
erreichte er Anfang der siebziger Jahre des
letzten Jahrhunderts einen Wert, der erst       Deutlich negativer als auf den Arbeitsmarkt
wieder 2025 erreicht wird. In den kommen-       wirkt die demographische Entwicklung auf
den 20 Jahren ist die demographische Situa-     die Renten-, Kranken- und Pflegeversiche-
tion Deutschlands in dieser Betrachtung         rung. Bei der Rentenversicherung ist der
vorteilhafter, als sie es vor 35 Jahren war.    Zusammenhang für jedermann offensicht-
Diese Zeit könnte man nutzen, um die Allo-      lich. Vergleicht man die Zahl der sozialversi-
kation von Ressourcen den neuen Erforder-       cherungspflichtig Beschäftigten mit der der
nissen anzupassen. Stark verkürzt bedeutet      Rentner, kommt man zu dem Ergebnis, dass
dies, dass nicht mehr Kindergärten und          heute 100 Beitragszahler für 58 Rentner auf-
Schulen wie in den Siebzigerjahren, sondern     kommen müssen, 2050 werden es 72 Rent-
mehr Altenheime bereitgestellt werden
müssen.                                         Schaubild 6: Rückgang des Arbeitskräftepotenzials – 20-Jährige minus
                                                65-Jährige, in tausend
Konsequenzen der demogra-                        400
phischen Entwicklung
                                                 200

Die Folgen der demographischen Verände-
                                                   0
rungen lassen kaum einen Bereich der deut-
schen Wirtschaft unberührt. Das Erwerbs-        –200
personenpotenzial, das ist die Anzahl der
Menschen im Alter von 15-64, sinkt um 20 %      –400
von heute 54 Mio. auf 42 Mio. im Jahr 2050.
Geht man davon aus, dass die Berufstätig-       –600
keit mit dem 20. Lebensjahr beginnt und
                                                –800
dem 65. endet, so werden ab 2013 Jahr für
                                                       2000   2005   2010   2015   2020   2025   2030   2035   2040    2045    2050
Jahr mehr Menschen aus dem Erwerbsleben
ausscheiden als nachrücken. Am ungün-           Quelle: Statistisches Bundesamt

8
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

ner sein. Diese Zahl stimmt aber nur dann,              14 % der Bevölkerung in dieser Altersgruppe
wenn die Erwerbsquoten der Frauen und                   sein. Der Sachverständigenrat zur Begutach-
Personen über 55 Jahren in den nächsten                 tung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
Jahren kräftig ansteigen, auf Niveaus wie in            lung geht von einer notwendigen Verdreifa-
den skandinavischen Ländern.                            chung des Beitragssatzes zur
                                                        Pflegeversicherung bis 2030 aus. Die Alte-
Bei der Kranken- und Pflegeversicherung                 rung der Bevölkerung wird auch das Bild der
zeichnen sich Entwicklungen ab, die denen               Gesellschaft verändern (Schaubild 8).                                                       2050: 100 Beitragszahler
bei der Rentenversicherung an Dramatik                  In 15 Jahren werden mehr Menschen zwi-                                                      kommen auf 72 Rentner
nicht nachstehen. Ein Anstieg der Gesund-               schen 60 und 80 Jahre alt sein als zwischen                                                 – aber nur bei einer
heitskosten ist im Zuge der zunehmenden                 20 und 40. Dass ein rascher Wechsel demo-                                                   kräftig steigenden
Alterung der Gesellschaft nicht aufzuhal-               graphischer Trends ohne eine drastische                                                     Erwerbstätigkeit.
ten. So sind die Gesundheitsausgaben für                Veränderung der Zuwanderung nicht mög-
einen 60-Jährigen 2,8-mal (bei 80-Jährigen              lich ist, wird deutlich, wenn man die Gruppe
5,7-mal) so hoch wie für einen 30-Jährigen              potenzieller Mütter, also der Frauen im Alter
(vgl. Risikostrukturausgleich der Kranken-              von 15–49 Jahren betrachtet. Ihre Zahl wird
kassen, 2002) und die Arzneiausgaben von                voraussichtlich von knapp 20 Millionen
                                                                                                                                                    Auch Kranken- und
60-Jährigen 3,6-mal so hoch wie bei 30-Jäh-             heute auf rund 13,5 Millionen im Jahr 2050
                                                                                                                                                    Pflegeversicherung von
rigen. Die Zahl der 60-Jährigen und älteren             fallen. Der Rückgang um 30 % spiegelt die
                                                                                                                                                    der Demographie
wird von heute 20,5 Millionen auf 28,5 Milli-           heutige Fertilität wider. Bei einer Geburten-
                                                                                                                                                    betroffen.
onen im Jahr 2030 ansteigen. Ähnlich ist die            rate von rund 1,4 (also 2/3 der zum Bevölke-
Lage der Pflegeversicherung. Das Pflegefall-            rungserhalt notwendigen 2,1 Kinder pro
risiko steigt mit dem Alter (Schaubild 7). In           Frau) schrumpft eine Bevölkerung von
den Altersgruppen bis 60 Jahre ist es nahezu            Generation zu Generation um 30 %.
verschwindend gering, steigt danach aber
vergleichsweise steil an.
                                                        Ein Blick über den Tellerrand
Die Brisanz, die in diesen Zahlen steckt,
wird erst dann deutlich, wenn man sie mit
                                                        Die demographische Entwicklung Deutsch-
der zahlenmäßigen Entwicklung verschie-
                                                        lands darf nicht verallgemeinert werden.
dener Altersgruppen in Verbindung bringt.
                                                        Eine vergleichbar rasche Alterung der Bevöl-
So wird die Zahl der über 80-Jährigen in
                                                        kerung verbunden mit einem Bevölkerungs-
Deutschland von heute 3,9 Mio. auf 6,3 Mio.
                                                        rückgang ist keinesfalls die Regel, auch
im Jahr 2030 und 10,1 Mio. im Jahr 2050
                                                        nicht unter Industrieländern. Wie bereits
ansteigen. Statt 4,7 % wie heute werden dann
                                                        eingangs erwähnt, wächst die Weltbevölke-

Schaubild 7: Pflegefallrisiko für verschiedene
Altersgruppen in Prozent                                Schaubild 8: Bevölkerung in Altersklassen

                                                        (in Mio.)
 Alters- Männer Frauen                                  30

 gruppen                                                25

 60–64                     1,7                1,4
                                                        20
 65 –69                    2,9                2,5
                                                        15
 70–74                     5,1                5,1
                                                        10
 75–79                     8,5              10,6

 80–84                    16,1              22,5         5

 85–90                    29,4              43,4         0
                                                             1950

                                                                      1956

                                                                             1962
                                                                                    1968

                                                                                            1974

                                                                                                   1980

                                                                                                          1986

                                                                                                                 1992

                                                                                                                        1998

                                                                                                                               2004

                                                                                                                                      2010

                                                                                                                                             2016

                                                                                                                                                     2022

                                                                                                                                                            2028

                                                                                                                                                                   2034

                                                                                                                                                                          2040

                                                                                                                                                                                 2046
                                                                                                                                                                                 2049

 90–94                    44,0              65,0
                                                                    über 80                60–80            20–40
 95+                      28,3              66,1

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2003   Quelle: Statistisches Bundesamt

                                                                                                                                                                                   9
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

rung auf Sicht der nächsten 50 Jahre weiter.        seine Ursache vor allem darin, dass der
Unter den großen Industrieländern wach-             Geburtenrückgang vor rund 40 Jahren
sen vor allem die Vereinigten Staaten, deren        schneller erfolgte und auf ein niedrigeres
Bevölkerung von heute rund 300 Millionen            Niveau führte als in den meisten anderen
voraussichtlich auf über 400 Millionen im           Ländern.
Jahr 2050 ansteigen wird. Der Großteil des
Bevölkerungszuwachses auf der Erde wird             Fazit
allerdings in Afrika und Asien stattfinden
(Schaubild 9).                                      Deutschland hat keine Zeit mehr. Die Folgen
Selbst innerhalb der EU gibt es eine Reihe von      des demographischen Wandels zeigen sich
Unterschieden (Schaubild 10). So schwankte          immer rascher und deutlicher. Die sozialen
2005 die Fertilität zwischen 1,94 in Frankreich     Sicherungssysteme müssen darauf einge-
und 1,25 in der Slowakei. Abgesehen von             stellt werden. Während die Rentenversiche-
Frankreich weisen die großen Länder mit             rung nach den Reformen der letzten Jahre
etwa 1.34 alle ähnliche Raten auf und liegen        schon weitgehend „zukunftsfest“ umgestellt
damit unter dem Durchschnitt der EU-25              worden ist, besteht noch Handlungsbedarf
von 1,52 Kindern pro Frau. Deutlich höher ist       in der Kranken- und Pflegeversicherung, wie
der Wert für die USA, die eine zum Bevölke-         z. B.
rungserhalt ausreichende Geburtenzahl von
2,07 aufweisen, während Japan mit 1,38 auf          · Beschränkung des Leistungskatalogs der        Deutschland hat keine
dem Niveau Deutschlands liegt. Aus der Fer-           gesetzlichen Krankenversicherung verbun-      Zeit zu verlieren.
tilitätsentwicklung lassen sich auch die              den mit einer stärkeren Kapitaldeckung,
Bevölkerungsentwicklungen ableiten. Aus-            · Dynamisierung der Pflegeleistungen im
geprägter Bevölkerungsrückgang wird vor               Zuge einer Kapitaldeckung der Pflegeversi-
allem für Deutschland, Italien, Spanien               cherung usw.
sowie die neuen Mitgliedsländer erwartet.
Der anhaltende Anstieg der Lebenserwar-             Der anhaltende Verzicht auf Kinder ist das
tung führt jedoch zusammen mit den nied-            bestimmende Element des demogra-
rigen Geburtenraten zu einer Alterung der           phischen Wandels in Deutschland. Die Folge
Gesellschaft. Das Medianalter und der               ist auf gesellschaftlicher Ebene die gleiche
Altenquotient steigen in nahezu allen Län-          wie auf familiärer: Vorsorgeleistungen, die
dern. Die Niveaus, von denen aus dieser             früher von Kindern erbracht wurden, müs-
Anstieg erfolgt, weisen jedoch große Unter-         sen zukünftig stärker vom Individuum
schiede auf.                                        selbst geleistet werden. Bei der Rente bedeu-
Deutschland findet sich bei diesen Betrach-         tet dies, dass die fehlenden Nachkommen
tungen regelmäßig in der Ländergruppe mit           durch verstärkte Sparanstrengungen kom-
den ungünstigsten Entwicklungen. Dies hat           pensiert werden müssen. Eine Gesellschaft,

Schaubild 9: Bevölkerungswachstum in den Weltregionen in Millionen.

6.000
5.500
5.000
4.500
4.000
3.500
3.000
2.500
2.000
1.500
1.000
  500
     0
                 Afrika                 Asien     Europa          Latein-            Nord-
                                                                  amerika           amerika
          2005       2020        2050

Quelle: UN Population Division

10
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

Schaubild 10: Unterschiede in den                             knick“ – womit der plötzliche Rückgang der
Fertilitätsraten (Kinder pro Frau, 2005)                      Fertilität ab 1968 beschrieben wird – auch in
                                                              Japan und dort sogar früher einsetzte, zeigt
        EU-25                                                 die Problematik, denn die „Pille“ als Verhü-
    Tschechien                                                tungsmittel ist in Japan nach wie vor nicht
  Deutschland                                                 zugelassen. Eine Steigerung der Fertilität ist
       Spanien                                                daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
    Frankreich
                                                              – doch die Frage, wo der günstigste Ansatz-
         Irland
                                                              punkt für einen ersten Schritt ist, spaltet die
        Italien
                                                              Experten. Neuere Forschungen zeigen aber,
       Ungarn
   Niederlande
                                                              dass sich das Wunschbild von der idealen
         Polen                                                Familiengröße im deutschsprachigen Raum
      Slowakei                                                immer stärker an die heute tatsächlich
    Schweden                                                  angetroffene Situation annähert. Inzwi-
Großbritannien                                                schen liegt die bei Umfragen von Frauen
          USA                                                 zwischen 20 und 34 Jahren als optimal
         Japan                                                erachtete Kinderzahl bei 1,7 und damit
        China
                                                              unter dem Selbsterhaltungsniveau. In aller
        Indien
                                                              Regel werden weniger Kinder realisiert als in
              0,0   0,5    1,0    1,5   2,0       2,5   3,0
                                                              den Wünschen geäußert. Dies liegt zum Teil
                                                              auch daran, dass das Alter der Mütter bei der
Quelle: Eurostat, UN World Population Prospects
                                                              ersten Geburt immer weiter ansteigt, die
                                                              Fruchtbarkeit mit dem Alter aber abnimmt,
die weniger Kinder alimentieren muss, ver-                    „(...) – so wird das Risiko der ungewollten
fügt aber auch über die finanziellen Mittel,                  Kinderlosigkeit, das bei einer 35-jährigen
diese Leistungen zu erbringen.                                Frau etwa 25 % beträgt, in Zeiten eines
                                                              immer späteren Kinderwunsches völlig
Die Problematik kurzfristig durch eine                        unterschätzt“ (Börsch-Supan 2005).
Anhebung der Geburtenrate zu lösen, ist
unmöglich. Zum einen liegt sie bereits viel                   Sieht man einmal ab von den Unwägbar-
zu lange auf niedrigem Niveau, um die                         keiten, die mit einer veränderten Zuwande-
dadurch hervorgerufenen Veränderungen                         rungspolitik verbunden sind, so ist die
des Bevölkerungsaufbaus innerhalb einer                       demographische Entwicklung in Deutsch-
Generation zu korrigieren. Zum anderen ist                    land für die kommenden 50 Jahre recht gut
auch nicht klar, wie dies bewerkstelligt                      abschätzbar und kaum veränderbar. Die
werden könnte. Denn Klarheit scheint nur                      Gesellschaft als Ganzes und jeder Einzelne        Eine kurzfristige
insoweit zu herrschen, als dass es keine                      sind nun an der Reihe, ihre Dispositionen so      Anhebung der
monokausale Erklärung für den Geburten-                       zu treffen, dass sie von dieser Entwicklung       Geburtenrate ist keine
rückgang gibt. Dass der sogenannte „Pillen-                   nicht überrascht werden.                          Lösung.

                                                                                             Der anhaltende Verzicht
                                                                                             auf Kinder ist das bestim-
                                                                                             mende Element des demo-
                                                                                             graphischen Wandels in
                                                                                             Deutschland.

                                                                                                                                         11
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

Erwerbsbiographie- und
kohortenspezifische
Versorgungsniveaus im Alter 1
                                 Über die Höhe des Versorgungsniveaus im Alter besteht nach wie vor
                                 oft Unklarheit. Diese Informationen sind aber dringend notwendig,
                                 damit rechzeitig Maßnahmen wie zusätzliches Altersvorsorgesparen
                                 ergriffen werden, um bestehende Rentenlücken zu schließen.

Offizielle Angaben der Gesetzlichen Rentenver-
sicherung (GRV) zum Rentenniveau beziehen                          Gastbeitrag
sich immer auf den so genannten Standardrent-
ner, eine fiktive Person, die 45 Jahre das Durch-                  Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Martin
schnittseinkommen verdient und in dieser Zeit                      Gasche. Herr Dr. Gasche war bis zum
Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt                      31.12.2008 Senior Economist bei Allianz
hat. Da der Standardrentner in der Realität wohl                   Dresdner Economic Research und dort u. a.
kaum zu finden sein wird, herrscht Unsicherheit                    für die Themen Altersvorsorge, Demogra-
über das realistisch zu erwartende Rentenni-                       phie, soziale Sicherungssysteme und Wirt-
veau. So weisen viele Erwerbstätige nicht die                      schaftspolitik zuständig. Vorher war er
unterstellten 45 Jahre an Beitragszeiten auf und                   wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sach-
viele Versicherte haben nicht die für den Stan-                    verständigenrat zur Begutachtung der
dardrentner unterstellte Einkommensbiogra-                         gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
phie, also stets das jeweils gültige Durchschnitts-
einkommen. Vielmehr zeichnet sich eine
typische Einkommensbiographie durch im Zeit-
verlauf im Vergleich zum Durchschnittseinkom-                   Typisierte Beispielfälle und
men steigende Einkommen aus. Zudem gibt es
                                                                Messkonzepte
in der Realität durch Kindererziehungszeiten,
Arbeitslosigkeit oder Ausbildung unterbrochene
                                                                Die Versorgungsniveaus werden für elf typi-
und kürzere Erwerbsbiographien. Dieser Kritik
                                                                sierte Erwerbsbiographien berechnet, die in
am Konzept des Standardrentners wird im Fol-
                                                                Tabelle 1 näher erläutert sind. Als Maßzahl
genden durch eine erwerbsbiographiespezi-
                                                                für das Versorgungsniveau werden zwei
fischen Betrachtungsweise von typisierten Bei-
                                                                Größen verwendet:
spielfällen Rechnung getragen. Dabei werden
für einzelne Geburtsjahrgänge die Versorgungs-
                                                                · Die Ersatzrate: Sie entspricht der Relation              „Standardrentner“ ent-
niveaus durch die gesetzliche Rente und durch
                                                                  der Bruttorente zum zuletzt verdienten                   spricht kaum der Realität
eine mögliche zusätzliche Altersvorsorge wie
                                                                  individuellen Bruttoeinkommen. Die
der Riester Rente berechnet.
                                                                  Ersatzrate gibt somit Auskunft über die
                                                                  individuelle Einkommenssituation in der
                                                                  Rentenzeit im Vergleich zur Erwerbszeit
                                                                  (intertemporaler Einkommensvergleich
                                                                  bezogen auf eine Person).

1
    Dieser Aufsatz beruht auf folgenden Working Paper: Gasche, M. (2008a): Erwerbsbiografie, kohortenspezifische Versor-
    gungsniveaus und Versorgungslücken in Deutschland, Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr. 119,
    Frankfurt 2008.

12
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

· Das individuelle Rentenniveau: Es ent-           Vergleich der individuellen Rentenniveaus
  spricht dem Anteil des individuellen Brut-       kann zudem Informationen über die rela-
  torentenbetrags am jeweiligen Brutto-            tive Einkommensposition eines Rentners
  Durchschnittseinkommen der                       im Vergleich zu anderen Rentnern liefern
  Rentenversicherung. Diese Maßzahl gibt           (interpersoneller Einkommensvergleich).
  Auskunft über die individuelle Rentenhöhe        Für den Standardrentner (Fall 1) ist das
  im Vergleich zu allen Erwerbstätigen. Der        individuelle Rentenniveau mit dem in der

Tabelle 1: Beispielfälle

        Fall                       Beschreibung
  1     Standard                   Der Versicherte verdient in jedem Jahr das Durchschnittseinkommen (derzeit ca. 30.000
                                   EUR). Bei 45 Beitragsjahren entspricht dies dem Konzept des Standardrentners.

  2     Halber Standard            Der Versicherte verdient in jedem Jahr das halbe Durchschnittseinkommen.
        (Geringverdiener)

  3     Doppelter Standard         Der Versicherte verdient in jedem Jahr das Doppelte des Durchschnittseinkommens.

  4     GRV-Querschnitt Gesamt     Der Versicherte hat während seines Erwerbslebens immer das durchschnittliche Einkom-
                                   men seiner Altersklasse. Das Einkommen ist also zu Beginn der Erwerbszeit mit annah-
                                   megemäß 20 Jahren zunächst geringer als das Durchschnittseinkommen, nimmt mit der
                                   Zeit aber zu und ist ab dem Alter von ca. 35 Jahren höher als das Durchschnittseinkom-
                                   men. Dieses Einkommensprofil wurde aus einer nach Altersgruppen und Geschlecht dif-
                                   ferenzierten Versichertenstatistik der Deutschen Rentenversicherung des Jahres 2005
                                   abgeleitet. Es ergibt sich also aus dem Querschnitt der Versichertengemeinschaft. Impli-
                                   zit wird somit angenommen, dass das altersspezifische Einkommensprofil des Jahres
                                   2005 konstant bleibt und ein Versicherter während seines Erwerbslebens dieses Profil
                                   durchläuft.

  5     GRV- Querschnitt Mann      Der Versicherte hat während seines Erwerbslebens immer das durchschnittliche Einkom-
                                   men eines Mannes in seiner Altersklasse. Es gelten die Erläuterungen zum Fall 4 analog.

  6     GRV- Querschnitt Frau      Die Versicherte hat während ihres Erwerbslebens immer das durchschnittliche Einkom-
                                   men einer Frau in ihrer Altersklasse. Es gelten die Erläuterungen zum Fall 4 analog.

  7     Facharbeiter               Der Versicherte tritt im Alter von 20 Jahren ins Erwerbsleben ein, verdient zunächst das
                                   Durchschnittseinkommen. Bis zum Alter von 40 Jahren erhöht sich sein Einkommen kon-
                                   tinuierlich auf das 1,5fache des Durchschnittseinkommens. Danach bleibt es auf diesem
                                   Niveau konstant.

  8     Akademiker                 Der Versicherte tritt im Alter von 30 Jahren ins Erwerbsleben ein, verdient zunächst das
                                   1,5-fache des Durchschnittseinkommen. Bis zum Alter von 40 Jahren erhöht sich sein Ein-
                                   kommen auf das 2fache des Durchschnittseinkommens. Danach bleibt es auf diesem
                                   Niveau konstant.

  9     Teilzeitkraft              Der Versicherte hat immer 50 % des Einkommens des GRV-Querschnitts Gesamt (Fall 4).

  10    Alleinerziehende/r         Der Versicherte ist im Alter von 20 bis 25 erwerbstätig und verdient das Einkommen im
                                   Fall 6. Danach ist der Versicherte sechs Jahre nicht erwerbstätig. In den zehn darauffol-
                                   genden Jahren übt der Versicherte eine Teilzeittätigkeit aus und hat 50 % des Einkom-
                                   mens des Falls 6. Danach hat der Versicherte wieder 100 % des Einkommens des Falls 6.

  11    Langzeitarbeitsloser       Der Versicherte verdient zunächst das Einkommen des Falls 2, wird mit 50 Jahren arbeits-
        Geringverdiener            los, erhält ein Jahr Arbeitslosengeld und danach Arbeitslosengeld II. Nach sieben Jahren
                                   nimmt er wieder eine Beschäftigung auf und erzielt das halbe Durchschnittseinkommen
                                   (Fall 2) bis zum Renteneintritt.

                                                                                                                               13
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

    Öffentlichkeit zitierten Standardrentenni-                    geltpunkte aufweisen. Für die anderen
    veau identisch.                                               Beispielsfälle wird die Anzahl der Entgelt-
                                                                  punkte ebenfalls entsprechend der längeren
Da zudem im Fall des Standardrentners                             Erwerbszeit angepasst.4
(Fall 1) das individuelle Einkommen gleich
dem Durchschnittseinkommen ist, stim-
                                                                  Kohortenspezifische
men individuelles Rentenniveau und Ersatz-
rate für den Standardrentner überein.                             Versorgungsniveaus durch die
                                                                  gesetzliche Rente
Für das zu erwartende Versorgungsniveau
eines Rentners sind nicht nur die Erwerbsbio-                     Betrachtet man nur das Leistungsniveau der
graphie und die Anzahl der Beitragsjahre von                      Gesetzlichen Rentenversicherung, zeigt sich
entscheidender Bedeutung sondern auch der                         durch die Rentenreformen der letzten Jahre
Geburtsjahrgang. Denn die Geburtsjahrgän-                         (Riester-Reform 2001 und Rürup-Reform
ge werden in unterschiedlicher Weise von                          2004) ein Rückgang der kohortenspezi-
den Leistungsrücknahmen im Umlagesy-                              fischen individuellen Rentenniveaus und
stem und von der Anhebung des gesetzlichen                        der Ersatzraten (Schaubild 1 und 2). Denn
Renteneintrittsalters getroffen.                                  diese Reformen führen über den Mechanis-
                                                                  mus der Rentenanpassungsformel verein-
Für die kohortenspezifische Betrachtung wird                      facht ausgedrückt dazu, dass im Zeitverlauf
vereinfachend angenommen, dass jeder Ver-                         die Rentensteigerungen hinter den Lohn-
sicherte eines Geburtsjahrgangs im Alter                          steigerungen zurückbleiben, sodass das all-
von 20 ins Erwerbsleben eintritt 2 und dann                       gemeine Rentenniveau (Bruttostandardren-
bis zu dem für diesen Geburtsjahrgang gül-                        te in Relation zum Durchschnittseinkommen)
tigen gesetzlichen Renteneintrittsalter Bei-                      sinkt. Die Ersatzraten gehen vom Jahrgang
träge in die Gesetzliche Rentenversicherung                       1945 bis zum Jahrgang 1985 um mehr als 5
einbezahlt und dabei die oben für die ein-                        Prozentpunkte zurück, weshalb schon
zelnen Beispielfälle dargestellte Erwerbsbio-                     daran deutlich wird, dass eine zusätzliche
graphie durchläuft. Betrachtet werden die                         Altersvorsorge vor allem für die jüngeren
Jahrgänge 1945 bis 1985. Für die Jahrgänge                        Jahrgänge wichtig ist. Zusammengefasst
1945 und 1946 gilt als Renteneintrittsalter                       erhält man die folgenden Ergebnisse:
65 Jahre. Entsprechend hat der Standardren-
tner dieser Jahrgänge 45 Entgeltpunkte                            · Die Konstruktion des Standardrentners
erworben. 3 Vom Jahrgang 1947 bis zum Jahr-                         führt bei gleicher Anzahl von Beitragsjah-
gang 1958 steigt das gesetzliche Rentenein-                         ren immer zu der rechnerisch höchsten
trittsalter in Monatsschritten an, sodass die                       Ersatzrate, definiert als Anteil der Brut-
Anzahl der Entgeltpunkte für den Standard-                          torente am letzten Bruttoeinkommen. Für
rentner ebenfalls um 1/12 Punkt zunimmt.                            realistische Einkommensbiographien mit
Entsprechend hat der Standardrentner des                            im Zeitverlauf relativ zum Durchschnitts-
Jahrgangs 1958 insgesamt 46 Entgeltpunkte.                          einkommen steigenden Einkommen, ist die
Ab dem Jahrgang 1959 bis zum Jahrgang                               Ersatzrate geringer. Erwerbsbiographien
1964 steigt das Renteneintrittsalter in                             mit längeren Ausbildungszeiten, Zeiten von
Zweimonatsschritten, sodass die Standard-                           Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung füh-
rentner des Jahrgangs 1964 und alle fol-                            ren ebenfalls zu geringeren Versorgungsni-
genden Jahrgänge annahmegemäß 47 Ent-                               veaus als im Fall des Standardrentners.

2
    Eine Ausnahme bildet der Akademiker, der annahmegemäß zehn Jahre später erwerbstätig wird.
3
    Ein Versicherter erhält einen Entgeltpunkt gutgeschrieben, wenn er ein Jahr lang Beiträge nach Maßgabe des Durch-
    schnittseinkommens geleistet hat. Bei geringeren Einkommen als das Durchschnittseinkommen ist die Entgeltpunktzahl
    proportional niedriger, bei höheren Einkommen entsprechend größer. Ein Entgeltpunkt repräsentiert derzeit in West-
    deutschland einen monatlichen Rentenanspruch von 26,56 EUR.
4
    Für die Rentenentwicklung, also die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts bis 2030, werden die Werte des BMAS
    zugrundegelegt (Vgl BMAS: Rentenanpassung 2008 – Formulierungshilfe des Gesetzentwurfes für die Koalitionsfrakti-
    onen, Berlin 8. April 2008). Für die Zeit nach 2030 wird der aktuelle Rentenwert mit der Rentenanpassungsformel fortge-
    schrieben, wobei angenommen wird, dass sich der Rentnerquotient in der Rentenanpassungsformel wie der Altenquoti-
    ent gemäß der mittleren Variante 1-W2 der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung entwickelt. Für die
    Lohnsteigerungen wird gemäß dem Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung angenommen, dass das Durch-
    schnittseinkommen bis 2021 um durchschnittlich 2,5 % p.a. wächst. Für die Zeit danach wurde eine Rate von 3 % p.a.
    unterstellt.

14
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

· Grundsätzlich gilt, dass das Versorgungsni-                                             · Ein Geringverdiener (Fall 2) mit dem halben              Niedrige Versorgung
  veau durch die Gesetzliche Rentenversiche-                                                Durchschnittseinkommen (zur Zeit 15.000                  durch gesetzliche Rente.
  rung nicht hoch ist. Selbst im günstigsten                                                Euro) kann alleine mit der GRV-Rente das
  Fall des Standardrentners beträgt die Brut-                                               Grundsicherungsniveau nicht überschrei-
  torente derzeit weniger als 47 % des letzten                                              ten. Die Grundsicherung im Alter macht
  Bruttoeinkommens. In Folge der Rentenre-                                                  derzeit mit rund 630 Euro im Monat rund
  formen wird dieses Rentenniveau bis 2030                                                  25 % des Durchschnittseinkommens aus.
  sukzessive auf weniger als 41 % sinken.                                                   Ein solches Rentenniveau wird vom Gering-
                                                                                            verdiener aber nicht erreicht (Schaubild 2),
· Ein Akademiker, der ein relativ hohes und                                                 sodass er ohne zusätzliche Alterseinkom-
  im Lebensverlauf steigendes Einkommen                                                     men im Alter auf jeden Fall auf staatliche
  aufweist, muss mit einer sehr geringen                                                    Hilfe angewiesen ist.
  Ersatzrate durch die GRV rechnen. Im
  Rechenbeispiel ergibt sich selbst bei 35 Jah-                                           · Niedrige Versorgungsniveaus im Alter und
  ren Beitragszeit eine Ersatzrate von nicht                                                die Gefahr von Altersarmut bestehen
  mehr als 35 % des letzten Bruttoeinkom-                                                   außer bei Geringverdienern besonders bei
  mens. Für jüngere Geburtsjahrgänge ist                                                    Personen mit langen Phasen der Arbeitslo-
  das Versorgungsniveau noch niedriger.                                                     sigkeit (Fall 11) und bei Teilzeitbeschäf-
                                                                                            tigten (Fall 9). Entsprechend helfen Voll-
· Die Kindererziehung mit den damit verbun-                                                 zeittätigkeit und Qualifikation, die i.d.R.
  denen Erwerbspausen sowie möglichen Teil-                                                 ein höheres Einkommen zur Folge haben,
  zeittätigkeiten schlägt sich negativ auf das                                              Altersarmut zu vermeiden.
  Versorgungsniveau im Alter nieder. Trotz
  Anrechnung von Kindererziehungszeiten                                                   Generell schlagen sich kürzere Beitrags-                   Faustformel
  und Höherbewertung der Beitragszahlungen                                                zeiten negativ auf die Versorgungsniveaus
  ist die Ersatzrate im Fall 10 um bis zu 7 Pro-                                          der GRV nieder. Dabei gilt die Faustformel,
  zentpunkte geringer als im Fall ohne Kind                                               dass ein Jahr weniger Beitragszeit die Ersatz-
  und durchgängiger Erwerbstätigkeit (Fall 6).                                            rate um rund 1 Prozentpunkt reduziert.
  Die rentenerhöhende Wirkung der Kinderer-                                               Zudem reduzieren Rentenabschläge bei vor-
  ziehungszeiten und die kindbezogene Höher-                                              zeitigem Renteneintritt für sich genommen
  bewertung von Pflichtbeitragszeiten können                                              die Ersatzrate um 1,2 bis 1,6 Prozentpunkte
  also nur mildernd wirken. Ein auch nur                                                  pro Jahr vorzeitigem Renteneintritts. Der
  annähernder Ausgleich der Nachteile wird                                                Bezug einer Erwerbsminderungsrente redu-
  nicht erreicht. Umso wichtiger ist es also für                                          ziert das Alterseinkommen aufgrund des
  diese Personengruppe frühzeitig zusätzlich                                              Zusammenwirkens von geringeren Beitrags-
  vorzusorgen.                                                                            zeiten und möglichen Rentenabschlägen

Schaubild 1: Kohortenspezifische GRV-Ersatzraten

                              50 %
                              45 %
in % des letzten Einkommens

                              40 %
                              35 %
                              30 %
                              25 %
                              20 %
                              15 %
                              10 %
                                     1945        1949        1953      1957    1961       1965       1969    1973     1977         1981       1985
                                                                              Geburtsjahrgang

                                      Fall 1, Fall 2 und Fall 3               Fall 6: GRV-Querschnitt Frau      Fall 9: Teilzeitkraft
                                      Fall 4: GRV-Querschnitt gesamt          Fall 7: Facharbeiter              Fall 10: Alleinerziehende/r
                                      Fall 5: GRV-Querschnitt Mann            Fall 8: Akademiker                Fall 11: Langzeitarbeitsloser

Quelle: eigene Berechnungen.

                                                                                                                                                                           15
Analysen & Trends: Zukunftssicherung

enorm: Ein um 9 bis 10 Prozentpunkte gerin-                                              Riester-Rente zur Schließung
geres Versorgungsniveau ist möglich. 5
                                                                                         der Versorgungslücken durch
Die Frage, ob man mit der gesetzlichen                                                   die Rentenreformen?
Rente seinen Lebensstandard sichern kann,
muss man unabhängig vom betrachteten                                                     Seit der Riester-Reform 2001 wird der Auf-                    Gesetzliche Rente kann
Beispielfall mit Nein beantworten. Die                                                   bau einer kapitalgedeckten dritten Säule                      Lebensstandard nicht
Ersatzraten, hier definiert als die Brut-                                                staatlich massiv gefördert. Die so genannte                   sichern.
torente im Verhältnis zum letzten Brutto-                                                Riester-Rente soll die Versorgungslücke
einkommen, liegen bei allen betrachteten                                                 schließen, die durch den Rückbau der
Fällen unter 50 %. Wenn man annimmt, dass                                                ersten Säule entstanden ist bzw. entstehen
zur Lebensstandardsicherung 70 % des letz-                                               wird. Der durch Zulagen und Steuererspar-
ten Bruttoeinkommens erforderlich sind,6                                                 nisse geförderte Sparhöchstbetrag stieg
ergibt sich selbst bei 45 Beitragsjahren für                                             seit dem Jahr 2002 schrittweise an und hat
alle eine Rentenlücke von weit über 20 % des                                             im Jahr 2008 mit 4 % des Einkommens,
letzten Bruttoeinkommens. Wenn man eine                                                  höchstens jedoch 2.100 EUR, sein Maxi-
geringere Anzahl von Beitragsjahren auf-                                                 mum erreicht.
weist oder Abschläge wegen vorzeitigem
Renteneintritt hinnehmen muss, wird die                                                  Es stellt sich nun die Frage, ob mit der Rie-
Rentenlücke noch größer. Diese Lücke                                                     ster-Rente die durch die Rentenreformen
müsste durch andere Einkommensquellen                                                    entstehenden Versorgungslücken für alle
geschlossen werden.                                                                      Geburtsjahrgänge tatsächlich geschlossen

Schaubild 2: Kohortenspezifische GRV-Rentenniveaus

                                   100 %

                                    90 %
in % des Durchschnittseinkommens

                                    80 %

                                    70 %

                                    60 %

                                    50 %

                                    40 %

                                    30 %

                                    20 %

                                    10 %
                                           1945     1949      1953       1957   1961     1965       1969        1973      1977       1981       1985
                                                                                    Geburtsjahrgang

                                             Fall 1: Standard                    Fall 5:GRV-Querschnitt Mann           Fall 9: Teilzeitkraft
                                             Fall 2: halber Standard             Fall 6: GRV-Querschnitt Frau          Fall 10: Alleinerziehende/r
                                             Fall 3: doppelter Standard          Fall 7: Facharbeiter                  Fall 11: Langzeitarbeitsloser
                                             Fall 4: GRV-Querschnitt gesamt      Fall 8: Akademiker

Quelle: eigene Berechnungen.

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                 Vgl. dazu ausführlicher: Gasche, M. (2008a), a.a.O.
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                 Eine „lebensstandardsichernde“ Ersatzrate von 70 % kann man damit begründen, dass im Rentenalter die Arbeitnehmerbei-
                 träge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Aufwendungen für die zusätzliche
                 Altersvorsorge wegfallen. Zudem ist die Steuerbelastung der Bruttorenten geringer, da die Renteneinkünfte zumindest für
                 die älteren Rentnerjahrgänge nur zum Teil versteuert werden müssen und überdies die Einkommen auf einer geringeren
                 Progressionsstufe besteuert werden. Ferner fallen im Rentenalter diejenigen Kosten weg, die mit der Erwerbstätigkeit
                 zusammenhängen wie z.B. Fahrtkosten zur Arbeitsstätte oder Aufwendungen für Arbeitskleidung. Diesen geringeren Auf-
                 wendungen muss gegengerechnet werden, dass die Rentner den vollen Pflegeversicherungsbeitragssatz leisten müssen.
                 Sicherlich könnte man auch eine höhere „lebensstandardsichernde“ Ersatzrate plausibel begründen. Vor allem könnte man
                 bei den Geringverdienern argumentieren, dass ihre Steuerbelastung schon in der Erwerbszeit sehr niedrig war und deshalb
                 die Steuerersparnisse im Rentenalter kaum ins Gewicht fallen. Zudem könnte man eine höhere „Zielersatzrate“ mit zu
                 erwartenden Beitragssatzsteigerungen in der Krankenversicherung rechtfertigen.

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Analysen & Trends: Zukunftssicherung

werden können. Entscheidend ist dabei, ob                         dem Geburtsjahrgang größer und beträgt
das durch die Riester-Rente zusätzlich                            für den Akademiker (Fall 8) des Jahrgangs
geschaffene Versorgungsniveau für die ein-                        1985 über 20 % des Durchschnittseinkom-
zelnen Geburtsjahrgänge so schnell                                mens, für den im gleichen Jahr geborenen
ansteigt, wie das Versorgungsniveau in der                        langzeitarbeitslosen Geringverdiener (Fall
GRV zurückgeht.                                                   11) rund 4 % des jeweiligen Durchschnitts-
                                                                  einkommens (Schaubild 3).
Für die Berechnungen wird vereinfachend
angenommen, dass die Versicherten aller                           Stellt man diesen Versorgungslücken durch                    Schließt die Riester-Rente
betrachteten Jahrgänge im Jahr 2008 einen                         die Reformen die mit der Riesterrente für                    die Versorgungslücke?
Riester-Vertrag abschließen und bis zu ihrem                      den jeweiligen Jahrgang maximal erreich-
Renteneintritt in jedem Jahr 4 % des Brutto-                      baren Versorgungsniveaus gegenüber, zeigt
einkommens einbezahlen. Entsprechend                              sich, dass in jedem Beispielfall spätestens ab
steigt die Anzahl der Riester-Beitragsjahre                       dem Geburtsjahrgang 1950 das durch die
von Jahrgang zu Jahrgang an. Der Jahrgang                         Riester-Rente zusätzlich generierte Versor-
1945 zahlt nur im Jahr 2008 und 2009, – also                      gungsniveau ausreicht, um die durch die
nur am Ende der Erwerbszeit – Riester-Beiträ-                     Reformen verursachte Lücke zu schließen,
ge, der Jahrgang 1985 dagegen 47 Jahre lang,                      wie Schaubild 4 für den Beispielfall des Stan-
also sein ganzes Erwerbsleben. Weiterhin                          dardrentners zeigt. Im Fall des Akademikers
wird unterstellt, dass sich das angesparte                        (Fall 8) kann sogar schon der Jahrgang 1948
Riester-Kapital in der Ansparphase mit dem                        die Lücke schließen. Das liegt daran, dass
Kapitalmarktzins abzüglich eines Abschlags                        die Akademiker der älteren Jahrgänge ein
für die Verwaltungs- und Garantiekosten von                       vergleichsweise hohes Einkommen haben
20 % des Zinssatzes verzinst.7 Zur Vereinfa-                      und deshalb relativ viel Kapital im Riester-
chung wird des weiteren angenommen, dass                          Vertrag akkumulieren können.10
die Renten 20 Jahre in Form einer konstanten
Annuität gezahlt werden. Zur Ermittlung der                       Insgesamt ist die Riester-Rente geeignet, die                Maximal geförderte
Annuität wurde ein Diskontierungssatz von                         Leistungsrücknahmen der jüngsten Renten-                     Sparquote nutzen.
4,5 % unterstellt.8                                               reformen auszugleichen, wenn die maximal
                                                                  geförderte Sparquote von 4 % des Bruttoein-
Die durch die Rentenreformen erzeugte Ver-                        kommens verwirklicht wird. Der Rückgang
sorgungslücke ergibt sich annahmegemäß                            des gesetzlichen Rentenniveaus kann für die
aus der Differenz der jeweiligen individu-                        meisten Geburtsjahrgänge durch die Rie-
ellen Rentenniveaus bzw. Ersatzraten zu                           ster-Rente aufgefangen werden. Nur für die
dem jeweils im Jahr 2000 mit der gleichen                         älteren rentennahen Jahrgänge bis 1950
Entgeltpunktzahl erreichbaren individu-                           bleibt eine kleine Versorgungslücke beste-
ellen Rentenniveau bzw. zu der erreichbaren                       hen, weil sie nicht mehr genügend Zeit zum
Ersatzrate.9 Die Versorgungslücke wird mit                        Riester-Sparen haben.11

7
     Als Kapitalmarktzins werden die von Börsch-Supan et al. (2006) mit Hilfe eines Simulationsmodells ermittelten Raten für
     den Fall weltweiter Anlagemöglichkeiten der Ersparnisse zugrunde gelegt. Danach sinkt der Kapitalmarktzins von 7 % in
     2008 auf gut 6 % in 2070, womit die renditesenkenden Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Kapital-
     märkte abgebildet werden. Vgl. Börsch-Supan, A.; Ludwig, A. und Winter, J. (2006): Aging, pension reform, and capital
     flows: A multi-country simulation model, in: Economica, 73, S. 625-658.
8
     Steigende Annuitäten würden zu geringeren Rentenzahlungen führen. Wenn man für die Rentenlaufzeit die erwartete
     Restlebenserwartung unterstellte, würde das Rentenniveau für die jüngeren Geburtsjahrgänge etwas niedriger ausfal-
     len. Zumindest bis zu den 1970er Jahrgängen stellt eine Lebenserwartung von zusätzlichen 20 Jahren ab Renteneintritt
     eine plausible Annahme dar. Vgl. Gasche, M. (2008b): „Rente mit 69“? Auch eine Frage der intergenerativen Gerechtig-
     keit, Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr. 102, Frankfurt.
9
     Technisch gesprochen bedeutet dies,, dass der Wert eines Entgeltpunkts aus dem Jahr 2000 zugrundegelegt, mit der
     kohortenspezifischen Anzahl der Entgeltpunkte aus der GRV multipliziert und das Ergebnis durch das Durchschnittsein-
     kommen des Jahres 2000 dividiert wird.
10
     Der „Break-Even-Jahrgang“ verschiebt sich hin zu den jüngeren Jahrgängen, wenn man eine dynamische Riester-Rente
     oder eine längere Rentenlaufzeit der Riester-Rente unterstellt.
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     Das Problem der Rentenlücken wird von den Berechnungen allerdings tendenziell unterschätzt, weil die Riester-Rente
     zur Vereinfachung mit konstanten Annuitäten gerechnet wurde. Unterstellt man eine im Zeitverlauf z.B. mit der Inflati-
     onsrate steigende Riester-Rente, sind die anfänglichen Rentenzahlbeträge und damit die Ersatzraten niedriger, so dass
     tendenziell für noch einige weitere Geburtsjahrgänge die Versorgungslücke durch die Rentenreformen nicht ganz
     geschlossen würde.

                                                                                                                                                       17
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