Graphit und Schwefel - Graphit und Schwefel in Deutschland - BGR
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Impressum Herausgeber: undesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe B Stilleweg 2 30655 Hannover Autor: Dr. Harald Elsner Kontakt: Dr. Harald Elsner Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Stilleweg 2 30655 Hannover harald.elsner@bgr.de Layout: Jolante Duba Stand: Oktober 2020 ISBN: 978-3-948532-15-4 (Druckversion) 978-3-948532-18-5 (PDF) Titelbild: In ihrem Werk in Bad Hönningen (Rheinland-Pfalz) produziert die belgische Solvay-Gruppe seit 1991 als Nebenprodukt bei der Herstellung von Strontium- und Bariumkarbonaten aus Strontium- und Bariumsulfaten auch Schwefelwasserstoff. Dieser wird vor Ort zu flüssigem Schwefel umgewandelt, der dann mit zunehmender Abkühlung zu Festschwefel erstarrt. Nach vollständiger Abkühlung wird der Schwefel aufgebrochen und in einem Zwischenlager als Brockenschwefel gelagert. Nach Aufmahlung wird er dann in Form von Mahlschwefel vor allem an die europäische Gummiindustrie verkauft, Foto: Solvay Infra Bad Hönningen GmbH (mit frdl. Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung 4 1 Übersicht und Definitionen 5 2 Verwendungsbereiche 9 2.1 Graphit 10 2.2 Schwefel 18 3 Rohstoffanforderungen 29 3.1 Graphit 30 3.2 Schwefel 34 4 In Abbau stehende Lagerstätten in Deutschland 37 4.1 Graphit 38 4.2 Schwefel 41 4.2.1 Schwefel aus Erdgas 41 4.2.2 Schwefel aus Erdöl 44 4.2.3 Schwefel aus Kohle 52 4.2.4 Schwefel aus Sulfaten 56 4.2.5 Schwefel aus der Titandioxidproduktion 58 5 Wertschöpfung in der weiterverarbeitenden Industrie 59 6 Gewinnung von Graphit und Schwefel und Umweltschutz 65 7 Gibt es noch genug? 71 8 Kleine komplizierte Produktionsstatistik von Graphit und Schwefel 75 Literatur 79
Graphit und Schwefel in Deutschland 4 Einleitung „Deutschland ist arm an Rohstoffen“. Dieser oft und immer wieder gehörte Satz entspricht in seiner Ein- fachheit so nicht der Wahrheit und muss stark relativiert werden. Zwar produziert Deutschland derzeit nur verschwindend geringe Mengen an Metallerzen, kann aber auf ein großes Sekundärangebot an Metallen aus dem Recycling zurückgreifen. Auch bei den Energieroh- stoffen – Erdgas, Grubengas, Erdöl und Braunkohle – wird ein geringer Teil noch in Deutschland gewon- nen. Noch wesentlich besser sieht es bei den Baurohstoffen und den Industriemineralen aus. Bei allen Bau- rohstoffen – grobkeramischen Tonen, Sand, Kies, Splitt, Gips/Anhydrit sowie Kalk- und Mergelsteinen für die Zementherstellung – ist Deutschland ein bedeutender Produzent, von Importen unabhängig und verfügt über weitreichende Vorräte. Auch einige Industrieminerale, z. B. Stein- und Kalisalz, Kaolin, Feld-, Fluss- und Schwerspat, Kalkstein für die Kalkherstellung, feinkeramische Tone sowie alle Quarzrohstoffe, kommen in Deutschland vor, stehen in Abbau und reichen teils zur Deckung unseres eigenen Bedarfs. Beim Wissen um die Gewinnung und Nutzung vieler nicht-metallischer mineralischer Rohstoffe ist Deutschland weltweit führend und deshalb in aller Welt ein sehr geschätzter Ansprechpartner. Auch Unternehmen in den großen und viel eher mit Rohstoffen in Verbindung gebrachten Bergbauländern, wie Australien oder Kanada, greifen gerne auf dieses deutsche Fachwissen zurück. Zu den nicht-metallischen mineralischen Rohstoffen, die wichtige wirtschaftliche Bedeutung besitzen und die auch in Deutschland gewonnen werden, gehören Graphit und Schwefel. Graphiterz wird seit über einem Jahrhundert im südöstlichen Bayerischen Wald nahe Passau abgebaut und auch dort aufbereitet. Schwefel wird aus den sogenannten Sauergasen im Südoldenburger Raum, in fast allen deutschen Raffi- nerien aus Rohöl sowie bei der Reinigung von Kokerei-Rohgas in einigen Kokereien abgetrennt. Dazu erzeugen auch mindestens zwei Chemiewerke elementaren Schwefel als Beiprodukt. Was ist überhaupt Graphit und wodurch unterscheidet sich natürlicher Graphit von synthetischem Graphit? Wofür ist der im Bayerischen Wald gewonnene Graphit besonders gut verwendbar? Ist der deutsche Graphit eventuell sogar unverzichtbar für die Energiewende in Deutschland? Warum wird in Deutschland so viel Schwefel produziert? Stammt der in Deutschland gewonnene Schwefel überhaupt aus Deutschland? Ist Schwefel immer gelb? Und wer braucht überhaupt Schwefel in Deutsch- land, wenn er nicht einmal im Baumarkt erhältlich ist? Welche Produkte enthalten Schwefel und welche großen Industriezweige sind von Schwefel abhängig? Diese und andere Fragen rund um die beiden Industrieminerale Graphit und Schwefel sollen in dieser Broschüre beantwortet werden. Graphit und Schwefel – Rohstoffe für die deutsche Industrie.
Graphit und Schwefel in Deutschland 6 Graphit ist zusammen mit dem bekannten Edel- Graphit kommt in der Natur fast immer in Form von Graphit stein Diamant und dem sehr seltenen Mineral lagigen Anreicherungen von Flocken unterschied- Chaoit eine der drei in der Natur vorkommenden lichster Größe (> 0,001 mm) vor. Diese Lagen tre- Mineralmodifikationen von reinem Kohlenstoff ten in durch sehr hohe Temperaturen und Drucke (chemisches Symbol: C). Der Name Graphit leitet überprägte (sogenannte metamorphe) Gesteine sich aus dem altgriechischen γράφειν (graphein) wie Glimmerschiefer, Gneise oder Marmore, auf. ab, was „schreiben“ bedeutet und darauf hin- In diesen bildete sich der Flockengraphit durch weist, dass man schon früh dieses dunkelgrau- Anreicherung und Umwandlung organischen Mate- schwarze, sehr weiche Mineral zum Schreiben rials (z. B. Algen). Sind die Flocken extrem klein nutzte. Hieraus ging dann später die Nutzung („mikrokristallin“, < 0,001 mm), spricht man von in Bleistiften hervor, die allerdings gar kein Blei, amorphem Graphit. Nur auf Sri Lanka und zusam- sondern ein Graphit-Ton-Gemisch enthalten. men mit Flockengraphit auch im Süden Tansa- Von der Steinzeit bis ins Mittelalter diente Graphit nias tritt zudem der sogenannte Venengraphit aber vor allem zum Färben von Keramik, wäh- auf. Dieser bildet auf Sri Lanka bis 2 m mächtige rend weitere Anwendungen erst in der jüngeren Gänge aus fast reinem Kohlenstoff und entstand Neuzeit hinzukamen. vermutlich aus umgewandeltem Kohlenstoffdioxid, das aus dem Erdmantel aufstieg. Graphit gehört mineralogisch zur Unterabteilung der Halbmetalle und Nichtmetalle in der Abteilung Neben natürlichem Graphit, der bergmännisch der Elemente – zu denen auch Schwefel zählt. gewonnen wird, wird in der verarbeitenden Indust- Graphit bildet undurchsichtige, graue bis schwar- rie in großen Mengen auch synthetischer Graphit ze Kristalle in sechseckiger, tafeliger, schuppiger genutzt. Dieser künstlich erzeugte Graphit wird oder stängeliger Form, die auf den Kristallflächen durch Verkoken von zum Beispiel Braunkohle, Metallglanz aufweisen. Massige oder körnige Steinkohle, Erdöl oder Pech, aber auch Kunststof- Aggregate sind dagegen matt. Einzelne, nur fen produziert. Durch Erhitzen unter Luftabschluss zweidimensionale und deshalb ultraflache Lagen auf etwa 3.000 °C erfolgt dabei eine Umwandlung aus kristallinem Graphit bzw. Kohlenstoffatomen von amorphem Kohlenstoff zum polykristallinen werden als Graphen bezeichnet. Graphit. Graphiterz aus Kropfmühl/Bayern, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 7 Schwefel Schwefel (chemisches Symbol: S) ist ein im reichen Verbindungen vor. Hierzu zählen vor allem Universum sehr weit verbreitetes Element, das die Sulfide, wie die wichtigen Erzminerale Blei- bezüglich seiner Häufigkeit an achter Stelle auf der glanz (PbS), Kupferkies (CuFeS2), Pyrit und Marka- gesamten Erde und an 16. Stelle in der kontinen- sit (FeS2), Molybdänglanz (MoS2) oder Zinkblende talen Erdkruste steht. Der Name Schwefel stammt (ZnS), und die Sulfate, wie Gips/Anhydrit (CaSO4) aus dem althochdeutschen swëbal, das sich ver- und Schwerspat (BaSO4). Fast 1.000 Minerale, die mutlich von dem indogermanischen suel mit der Schwefel enthalten, sind bekannt. Bedeutung „langsam verbrennen“ ableitet, woraus im Germanischen auch „schwelen“ entstand. Schwefel ist auch ein essenzielles, d. h. notwendi- ges Element lebender Zellen und findet sich daher Schwefel wird seit Tausenden von Jahren genutzt, in allen organischen Ablagerungen, wie Torf, wobei die Anwendungen über lange Zeit gleich- Braunkohle, Steinkohle, Erdgas oder Erdöl. Auch blieben. Dies waren in erster Linie die Bleichung der menschliche Körper enthält ca. 200 g Schwefel. von Textilien, die Desinfektion, der Einsatz als Im Zuge des Abbaus der Biomasse durch Enzyme Arzneimittel und die Schwefelung von Wein zur und Mikroorganismen wird aus organischen Stof- Erhöhung der Haltbarkeit. Erst vor eintausend fen Schwefelwasserstoff (H2S) freigesetzt, ein Jahren kam in China zusätzlich die Herstellung nach faulen Eiern riechendes, farbloses, leicht ent- von Schwarzpulver hinzu. zündliches und für den Menschen schon in gerin- gen Dosen tödliches Gas. In der Atmosphäre liegt Reiner Schwefel ist unter Normalbedingungen Schwefel dagegen wesentlich häufiger als Schwe- ein hell- bis dunkelgelber („schwefelgelber“), feldioxid (SO2) vor. Zusammen mit Sauerstoff und geruch- und geschmackloser, nichtmetallischer Wasser wandelt sich Schwefeldioxid in eine star- Feststoff (α-Schwefel), der temperaturabhängig ke Säure, die Schwefelsäure (H2SO4) um, und eine Vielzahl von weiteren Modifikationen bildet. ist damit das Hauptgas, das den „sauren Regen“ Bei 95,6 °C liegt der Umwandlungspunkt zum fast verursacht. Für die Industrie gilt es, den Austritt farblosen β-Schwefel. Beim Erhitzen auf 119,6 °C von Schwefelgasen in die Atmosphäre mit allen schmilzt der β-Schwefel und es bildet sich eine verfügbaren technischen Mitteln zu minimieren. leicht zähe (niedrigviskose) Flüssigkeit von hell- Dabei bietet es sich an, anstelle der unerwünsch- gelber Farbe. Beim weiteren Erhitzen nimmt die ten Gase Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid Viskosität des Flüssigschwefels weiter zu und wichtige Rohstoffe, wie REA-Gips, Schwefelsäure erreicht bei 187 °C ihr Maximum. Oberhalb des oder eben Schwefel zu erzeugen. Siedepunkts bei 444,6 °C wird Schwefel gasför- mig und seine Farbe verändert sich mit weiterer Temperaturerhöhung von gelb über orange und Gediegen Schwefel in Gips aus der Gipsgrube dunkelrot nach dunkelrotbraun. Weenzen (Landkreis Hildesheim, Niedersachsen), Foto: Walter Kölle/Wikipedia. Flüssiger Schwefel wird bei 135 – 140 °C abge- füllt; die Temperatur darf beim Transport 118 °C nicht unter- und 160 °C nicht überschreiten. Die- ser Temperaturbereich wird durch Beheizung mit Niederdruckdampf von 3 – 4 bar sicher- gestellt, wodurch der Flüssigschwefel dann im flüssigen Zustand gehalten und so auch über weite Strecken per Schiff, in Kesselwagen oder in speziell ausgerüsteten Tank- wagen transportiert werden kann. In der Natur kommt Schwefel sowohl gediegen (d. h. rein, ähn- lich den Edelmetallen Gold, Platin oder Silber) als auch in Form seiner zahl-
Graphit und Schwefel in Deutschland 8 Stangenschwefel findet vor allem in der Stahl- und Zuckerindustrie Verwen- dung, Foto: CS Additive GmbH (mit frdl. Genehmigung).
2 Verwendungsbereiche
Graphit und Schwefel in Deutschland 10 2.1 Graphit Graphit wird deshalb vielfältig in folgenden Berei- chen eingesetzt. Diese sind in der Reihenfolge ih- Während die frühesten Verwendungen von Gra- rer Bedeutung: phit, dessen Einsatz als Färbe- und Schminkmittel, das Schmieren von hölzernen Wagenachsen, vor • Zusammen mit Magnesitsteinen findet Gra- allem aber die Herstellung von wasserdichten und phit Verwendung in der Herstellung thermisch feuerfesten Gefäßen (Geschirr, Krüge, Schüssel, hochbelastbarer Auskleidungen für Öfen Schmelztiegel) umfasste, sind die heutigen Ver- und Kamine in der Metall-, Glas-, Kalk- und wendungsbereiche wesentlich umfangreicher und Zementindustrie. Hier sind die gesuchten auch komplexer geworden. Eigenschaften von Graphit seine hohe mecha- nische Festigkeit, seine Resistenz gegenüber Dies liegt an den besonderen Eigenschaften von aggressiven Medien, seine Thermoschock- Graphit, die teils sehr spezielle Anwendungen beständigkeit sowie seine hohe Wärmeleit- ermöglichen. Graphit ist fähigkeit. Aufgrund der sehr hohen Tempera- turbeständigkeit und Reinheit nutzt besonders • sehr weich (Mohshärte 0,5 – 1) auch die Halbleiterindustrie Graphitwerkstoffe • relativ leicht (Dichte 2,1 – 2,3 g/cm3) als Wandmaterial in Hochtemperaturöfen. • druck- und temperaturbeständig (Graphit wird > 2.500 °C plastisch verformbar) • In Gießereien kommt Graphit ebenfalls als • uneingeschränkt temperaturwechselbeständig Auskleidungsmaterial, z. B. von Gussrinnen, • oxidationsbeständig bis ca. 450 °C aber auch zur Oberflächenbehandlung („Form- • resistent gegen alle Säuren und Laugen – schwärze“) von Gussformen, vor allem zum einzige Ausnahme ist konzentrierte Salpeter- besseren Herauslösen der Gusskörper zum säure Einsatz. Die Überzugsschicht aus einer Gra- • vollkommen spaltbar parallel der Schichtebenen phitemulsion isoliert zudem den Untergrund • sehr gut elektrisch und thermisch leitfähig in und schützt ihn vor thermischer Belastung der Schichtebene (ähnlich Metallen), aber durch die Metallschmelze. isolierend senkrecht zu den Schichtebenen • sehr stark diamagnetisch • Anoden von Lithium-Ionen- bzw. Lithium- • stark expandierfähig (Blähgraphit) Polymer-Batterien, wie sie in Elektrofahrzeugen • undurchsichtig, in feinsten Blättchen durch- zum Einsatz kommen, bestehen derzeit fast scheinend immer aus Graphit. Sowohl natürlicher Graphit • stark grauschwarz abfärbend als auch synthetischer Graphit werden für die- • Graphit besitzt zudem hervorragende Schmier- sen Zweck verwendet. Zwischen den einzelnen eigenschaften und Kohlenstoff- bzw. Graphenlagen, aus denen • erlaubt durch die geringe Bindekraft zwischen der Graphit besteht, lassen sich die Lithium- den Schichten die Einlagerung bestimmter Mo- Ionen mit sehr geringem Energieaufwand kon- leküle in das Kristallgitter (Interkalierfähigkeit) trolliert einlagern und wieder freigeben. Größe und Zugänglichkeit des Graphit-Kristallgitters sind hier von Bedeutung, wobei mechanisch gerundeter, zudem mit amorphen Kohlen- stoff überzogener Graphit („coated spherical graphite“) die besten Eigenschaften aufweist. Auch dehnt sich Graphit bei der Aufladung – im Gegensatz z. B. zu Silizium – kaum aus. Die spezifische Kapazität von Graphit ist jedoch re- lativ niedrig und liegt bei ca. 360 mAh/g. Heu- tige Modelle von Elektroautos benötigen dem- entsprechend in ihren Batterien große Mengen an Graphit, so der BMW i3 35 kg und der Tesla Model S 100 sogar ca. 110 kg. Meist handelt es sich dabei um eine Mischung aus Naturgra- In den 96 Lithium-Ionen-Batteriezellen des BMW i3 phit und synthetischem Graphit. sind 35 kg Graphit verbaut, Foto: MB-one/Wikipedia.
Graphit und Schwefel in Deutschland 11 Schmiedeteile werden in der Metallumformtechnik häufig mit Graphit geschmiert, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. Genehmigung). In konventionellen Batterien, z. B. in Alkali- Mangan-, Nickel-Cadmium- oder Zink-Kohle- Zellen, aber auch in Lithium-Ionen-Batterien, kommt Naturgraphit als oxidationsstabiler Leit- fähigkeitszusatz zum Einsatz. • Da Graphitteilchen leicht aufeinander glei- ten und dadurch die Reibung verringern, sich Graphit zudem im Gegensatz zu Öl weder mit Schmutz verbindet noch verharzt, ist er als Feststoffzusatz für Schmierfette und für den Einsatz an thermisch hochbelasteten Schmier- Graphit ist ein wichtiger Bestandteil in Bremsbe- stellen besonders gut geeignet, sogar dort, wo lägen, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. eine Ölschmierung unmöglich ist. Die Schmier- Genehmigung). fähigkeit von Graphit wird zudem in der Her- stellung von nahtlosen Stahlrohren („Dorn- rend zwischen Schmierfähigkeit und Brems- schmierung“) oder auch Schmiedeteilen in leistung, was in Reibbelägen kein Widerspruch der Metallumformtechnik genutzt. Mit Graphit- sein muss. Vielmehr trägt Graphit als Schmier- pulver werden Schlösser im Haushalt ge- mittel zum Bremskomfort bei, erhöht die Le- schmiert. bensdauer des Belags beträchtlich, reduziert das Bremsgeräusch und sorgt als hervorra- • Zur Herstellung von Bremsbelägen werden gender Wärmeleiter dafür, dass die Beläge im verschiedene Komponenten wie Metalle, Mi- Einsatz nicht heiß laufen. Auch hier wird die neralfasern, Sulfide und Harze mit Graphit ver- lokale Härtung (Aufkohlung), wie im nächsten backen. Der Graphit steht dadurch moderie- Absatz beschrieben, genutzt.
Graphit und Schwefel in Deutschland 12 Die Zugabe von Graphit zu Metallpulvern schmiert diese beim Sintern. Gesinterte Werkstücke kommen vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. Genehmigung). • Um gesinterte Werkstücke vor allem für die schicht und erhöht dadurch die mechanische Automobilindustrie (z. B. Lagerschalen, Lager, Festigkeit des Werkstücks. Motoren- und Getriebeformteile, Siebe, Filter, Magnete) herzustellen, werden zunehmend • Für selbstschmierende Sinterwerkstücke, Metallpulvern geringe Mengen an Wachsen wie selbstschmierende Lager, Dicht- oder und Graphit beigemischt und diese Pulver Gleitringe, gibt es spezielle Metallpulvermi- dann unter hohem Druck (0,1 – 1,0 GPa) zu schungen mit gröberen Graphiten, die beim sogenannten „Grünlingen“ verpresst. Dabei Sinterprozess nur zu einem geringen Anteil reduziert Graphit den Verschleiß des Press- in Lösung gehen. Die Graphitpartikel werden werkzeugs und schmiert die Pulvermischung überwiegend unversehrt in die Matrix des während der Kompaktierung. Im Verlauf des Werkstücks eingebunden und während der Sintervorgangs, bei dem die Grünteile bis Nutzungsdauer nach und nach freigelegt. Das knapp unterhalb des Schmelzpunkts erhitzt Werkstück wird im Betrieb selbstschmierend werden, wird das Material weiter verdichtet. und der Verschleiß geringer. Feiner Graphit diffundiert in die Metallrand-
Graphit und Schwefel in Deutschland 13 • Graphitdispersionen in der Metallbearbeitung dienen der Schmierung, der Verschleißredu- zierung, der Trennung und Auslösung der Tei- le, der Isolierung und Wärmeableitung sowie dem Oberflächen- und Korrosionsschutz. • Kohlebürsten sind wichtige Bauteile in fast jedem Elektromotor. Über Schleifringe oder Kollektoren stellen sie den elektrischen Kon- takt zum rotierenden Teil eines Antriebs her. In jeder Kohlebürste ist Graphit als Zusatz im Gleitkontakt enthalten. Weil Kohlebürsten ho- hem Verschleiß ausgesetzt sind, müssen sie besonders widerstandsfähig und oxidationsre- sistent sein. Dazu wird Eisen- oder Kupferpul- ver mit Graphit vermischt, in Form gepresst und gesintert. Um eine möglichst hohe elektrische Leitfähigkeit bei hohen Schmiereigenschaften zu erzielen, wird hierfür häufig hochkristalliner Venengraphit aus Sri Lanka verwendet. • Hochtemperatur-Dichtungen spielen in che- mischen und petrochemischen Industrieanla- gen eine wichtige Rolle für die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Zur Herstellung dieser Art von Dichtungen wird Blähgraphit mit einer großen lateralen Ausdehnung der Schichtebe- ne expandiert. Dabei entstehen ziehharmoni- kaartige Teilchen, die zu Folien kompaktiert werden. Während des Herstellungsprozesses der Folien richten sich die Graphitteilchen aus, was eine starke Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften, wie der thermischen Leitfähig- keit, zur Folge hat. Graphitdispersionen kommen in zahlreichen In jeder Kohlebürste ist Graphit als Zusatz im Gleit- Anwendungen zum Einsatz, Foto: Graphit Kropf- kontakt enthalten, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH mühl GmbH (mit frdl. Genehmigung). (mit frdl. Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 14 • Bleistiftminen bestehen aus einem Gemisch • Schmelztiegel sind robuste Gefäße aus Gra- aus Graphit (als Pigment), einem plastischen, phit und Ton, in denen Metalllegierungen ge- sehr fein aufgemahlenen und sehr homoge- mischt, geschmolzen und transportiert werden. nen Ton (als Bindemittel) sowie Fetten und Für die Herstellung von Schmelztiegeln wird Wachsen (als Imprägniermittel). Die intensiv großflockiger Graphit mit gut ausgeprägter vermischten Ausgangsstoffe werden durch Kristallstruktur verwendet. Er ist resistent ge- eine Düse zu einem Strang gepresst und da- gen Schmelzen aller Art, leitet Wärme im Tie- raufhin abgeschnitten. Dieser wird anschlie- gel ab und hält gleichzeitig sehr hohen Tempe- ßend getrocknet und danach bei ca. 900 °C raturen stand. Graphit verhindert zudem, dass gebrannt. Anschließend wird die fertige Mine die Schmelztiegel brechen. In größerem Maß- noch mit Wachs oder Palmöl veredelt, was ei- stab kommen aus den gleichen Gründen in der nen geschmeidigen Abrieb ermöglicht. Das Mi- Gießerei- und Feuerfestindustrie Gussformen schungsverhältnis von Graphit und Ton sowie aus bzw. mit Graphit zum Einsatz. Brenndauer und -temperatur bestimmen die Härte der Mine. Der Graphitanteil in Graues expandiertes Polystyrol (EPS), wie • der Mine variiert zwischen 20 % und 90 %, Neopor®, ist Styropor®, in dessen Struktur wobei sie umso weicher wird, je höher der vor dem Aufschäumen speziell modifizierter, Graphitanteil ist. Auch der Ursprung des feingemahlener Graphit eingearbeitet wurde. Graphits, die Partikelgröße und die Art des Ähnlich einem Spiegel reflektiert graues EPS Vermahlens haben einen erheblichen Ein- die Wärmestrahlen und verringert den Tempe- fluss auf die Qualität des Bleistifts. raturverlust. Wärmedämmsysteme mit Graphit erzielen eine um bis zu 25 % höhere Dämm- leistung als weiße Dämmstoffe. Zudem isoliert EPS den Schall, ist druckfest, sehr leicht und wiederverwendbar. Thermoplatten bestehen aus einem Kern aus • EPS, (s. o.), und einer beidseitig aufgebrach- ten Zement-Gewebe-Kaschierung. Thermo- platten besitzen eine hohe Wärmeleitfähigkeit und dienen daher sowohl der Raumklimaregu- lierung als auch der Vermeidung von Wärme- brücken mit der Gefahr von Schimmelbildung. Noch bessere Eigenschaften besitzen Gips- kartonplatten mit Graphitbeimengungen, da Gips auch noch eine hohe Feuerwiderstands- fähigkeit besitzt. • Graphitplatten und -folien bestehen aus ex- pandiertem Blähgraphit und besitzen eine gute thermische und elektrische Leitfähigkeit. Sie sind zudem leicht, kompressibel, medien- beständig und bis mindestens 450 °C nicht brennbar. Ihr Haupteinsatz liegt in der Wär- meableitung in Automobilen, elektronischen Bauteilen sowie Batterien, aber auch in der Energiespeicherung (Wärme und Kälte) in der Lebensmittelindustrie. In der Produktion von Bleistiftminen kommen Graphit, Tone und Fette zum Einsatz, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 15 • Graphit-, Graphitfolien- und Graphittextil- garne bestehen aus expandiertem Naturgra- phit und zeichnen sich durch geringe Reibung, hohe Flexibilität und Belastbarkeit, ausge- zeichnete chemische Beständigkeit, hohe Temperatur- und Oxidationsbeständigkeit, hohe thermische Leitfähigkeit, hervorragende Dichtigkeit, sehr gute Wärmeabführung, feh- lendes Verspröden mit der Zeit und reduzierte Kontaminierung der Prozesse aufgrund hoher Reinheit aus. Sie dienen der Abdichtung in der chemischen und petrochemischen Industrie und kommen in Raffinerien mit ihren korrosi- ven oder toxischen Medien sowie hohen Pro- zesstemperaturen, in der Automobilindustrie, Schmelztiegel bestehen aus einer Mischung aus Graphit und Ton, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH im Maschinenbau, in der Papierindustrie oder (mit frdl. Genehmigung). auch in Kraftwerken zum Einsatz. • Blähgraphit ist ein wirksames Flamm- schutzadditiv in Schäumen, Textilien und Kunststoffen. Wirkt Hitze auf das jeweilige Material ein, expandiert der zugesetzte Bläh- graphit auf das mehrere Hundertfache und schwillt zu einer schützenden Schicht auf der Oberfläche an, die die Brandausweitung ver- langsamt. Zudem wird während des Blähvor- gangs der Umgebung Wärme entzogen. Durch das Verschließen von Hohlräumen, etwa mit- tels blähgraphithaltigen Manschetten, werden Brandgase abgefangen, die das Material an- sonsten durchdringen würden. Graphit ist zu- dem schwermetallfrei, halogenfrei und sehr gut umweltverträglich. Expandiertem Polystyrol wird Graphit zur Erhöhung der Wärmedämmeigenschaften zugegeben, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. Genehmigung). • Bei der Niederbringung von flachen geother- mischen Bohrungen zur Wärmegewinnung wird die ins Bohrloch eingeführte Wärmesode in graphithaltiges Verfüllmaterial eingebettet. Dieses enthält einen speziell für diesen Zweck abgestimmten, feinkristallinen Naturgraphit. Dadurch wird der thermische Kontakt zwischen der Erdwärmesonde und dem umgebenden Erdreich gewährleistet (hohe Wärmeleitwerte) und die Rohre mechanisch fixiert. • In Gummi (z. B. für Förderbänder), Kunst- und Klebstoffen sowie Speziallacken und -farben dient Graphitpulver aus expandiertem Natur- graphit auch dank seiner geringen Dichte, sei- ner großen spezifischen Oberfläche und seiner hohen Temperaturbeständigkeit als umwelt- Folien aus Blähgraphit dienen vor allem der Wärme- ableitung in Autos, elektronischen Bauteilen sowie freundlicher (aktiver) Füller zur Verbesserung Batterien, Foto: Graphit Kropfmühl GmbH (mit frdl. der elektrischen Leitfähigkeit, zur Erhöhung Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 16 der Wärmeleitfähigkeit und zum Herabsetzen des Reibungskoeffizienten. Als Zusatz in Far- ben verbessert Graphit den Rostschutz von Metalloberflächen. • In der Galvanoplastik macht man nichtleiten- de Stoffe durch einen Überzug von Graphit lei- tend und kann dadurch ihre Form reproduzie- ren. • Graphit ist ein Zusatz in der Verkleidung von Hitzeschilden für Raketentriebwerke und Raumkapseln. Graphitstreubombe BLU-114/B des US-Militärs, Foto: Marko Milosavljević/Wikipedia. • Blähgraphit dient zur Abdeckung hochwerti- ger Metallschmelzen, um diese thermisch zu Venengraphit kommt bevorzugt in der Pulverme- isolieren und deren Oxidation zu verhindern. tallurgie und in der Produktion von Batteriezellen, Kohlebürsten, Plastikanwendungen, feuerfesten • Graphit ist eines der zahlreichen Materialien, Stoffen sowie Schmiermitteln zum Einsatz. Dazu die in der Ummantelung von Schweißelektro- kommen viele Spezialanwendungen wie z. B. die den Verwendung finden. Heißmetallumformung, die Produktion von Spezi- allacken, die Schmierung von Eisenbahnweichen, • Naturgraphit kann zusammen mit Borsili- die Behandlung von Saatgut zur Verhinderung kat-Glas gemischt und diese Mischung dann des Verstopfens beim maschinellen Austrag oder bei 1.000 bar Druck und 1.000 °C verdichtet die Beschichtung von Gummis – z. B. Scheiben- werden. Die daraus resultierende Matrix ist wischern – zur Erhöhung der Gleitfähigkeit. praktisch porenfrei und die besonderen Eigen- schaften von Graphit und Glas, d. h. chemische Synthetischer Graphit wird dagegen vorwie- und mechanische Stabilität, Auslaugungswi- gend als hitzebeständiges Schmiermittel sowie derstand und Wärmeleitfähigkeit, machen sie als Zusatz in Brems- und Reibbelägen verwendet. zu einer idealen Matrix zur Einbettung von Auch in gesinterten, selbstschmierenden Werkstü- radioaktiven Abfällen aller Art. cken, Blei-Säure-Batterien sowie Anoden für Lithi- um-Ionen-Batterien kommt je nach Unternehmen • Graphit-Streubomben enthalten Graphit in teilweise oder vorwiegend synthetischer Graphit Form feinsten Pulvers oder von Fäden. Sie zum Einsatz. In den folgenden fünf Anwendungs- werden von einem Flugzeug abgeworfen oder bereichen wird ausschließlich synthetischer Gra- mittels einer Rakete zum Ziel gebracht. Über phit verwendet: dem Ziel wird die Bombe gesprengt und eine Wolke aus Graphitpartikeln senkt sich darauf • Graphit-Formteile aus gepressten Blöcken herab, wo sie sich ablagert und über die Belüf- synthetischen Graphits finden als Einzelteile tungs- und Kühlsysteme auch in innenliegen- und in Kleinserien in den unterschiedlichsten de Anlagenteile eindringt. Die Schadwirkung Branchen und Fertigungsverfahren Anwen- beruht darauf, dass der Graphit mit seiner dung, u. a. im Maschinenbau, in der Glas- hohen elektrischen Leitfähigkeit bereits in ge- industrie, in der chemischen Industrie und ringen Mengen in allen elektrischen Geräten Metallurgie sowie bei der Funkenerosion, ei- einen Kurzschluss verursacht, der zu einer nem komplexen, abtragenden Verfahren von Sicherheitsabschaltung oder zumindest einer leitfähigen Materialien bzw. Werkzeugstählen. Beschädigung führt. Die Kurzschlüsse verur- sachen großflächige Stromausfälle, die die In- • Die Herstellung von Aluminium aus dem Alu- frastruktur und Wirtschaft des Gegners lahm- miniumoxidmineral Bauxit (Tonerde) erfolgt legen. mittels der sogenannten Schmelzflusselek- trolyse. Hierbei wird Bauxit mit Fluorchemika- lien zur Erniedrigung der Schmelztemperatur
Graphit und Schwefel in Deutschland 17 (Flussmittel) vermischt und dann elektrisch in werden Elektroden, Heizelemente, Rohre, Rin- einer großen eisernen Wanne aufgeschmol- ge und Platten aus synthetischem Graphit ver- zen. Diese ist mit Kohle oder Graphit ausge- wendet. kleidet. Sowohl die Kathode als auch die Ano- de bestehen aus Graphitzylindern, die in die • Synthetischer Graphit dient als Absorbermate- Schmelze tauchen. Bei einer relativ geringen rial für hochkorrosive Gase in der chemischen Spannung von 5 bis 6 Volt, aber einem sehr Industrie aber auch von hochenergetischen hohen Stromfluss von 150.000 Ampere oder Teilchen (z. B. im Großen Hadronen-Speicher- mehr setzt sich dann am Boden flüssiges Alu- ring in Genf). minium ab. Die Kathode dient nur der Strom- zuführung in einer hochkorrosiven Umgebung, Graphen besitzt eine höhere Stabilität als Stahl, während an der Anode die elektrochemische ist hart wie Diamant, elastisch wie eine Folie und Reduktion des Aluminiumoxids erfolgt. Daher zugleich eine Million Mal dünner als ein mensch- löst sich die Anode bei der Aluminiumherstel- liches Haar. Aufgrund seiner hohen elektrischen lung auf und muss ständig erneuert bzw. aus- Leitfähigkeit hat Graphen vor allem für die Mikro- getauscht werden. elektronik und Computertechnik eine revolutionä- re Bedeutung. Bisher kommt dieses neue Material • Auch bei der Herstellung von Stahl aus weltweit allerdings nur im Kilogrammmaßstab und Schrott in elektrisch beheizten Lichtbogenö- fast immer in Form mehrlagigen Graphens (GNP fen tragen gezündete Lichtbogen zwischen – Graphene Nano Platelets oder Multi-Layer-Gra- Graphitelektroden die zum Aufschmelzen des phene) zur Anwendung. Zukünftige Anwendungen Metalls erforderliche Energie in sehr kurzer könnten aber auch in der Herstellung elektrisch lei- Zeit ein. Die Elektroden sind dabei extremen tender Tinten (Tintenstrahldruck von elektrischen Temperaturspitzen und Temperaturgradienten Schaltkreisen), ultraflachen energieeffizienten ausgesetzt. Die Reduktion von Oxiden am Beleuchtungssystemen (Handy- und Kamerabild- Graphit, die Lösung von Kohlenstoff in der schirme), Dünnfilmtransistoren (vertikale Feld- Stahlschmelze sowie die Oxidation des Gra- effekttransistoren), selektiv durchlässigen Mem- phits an der Luft führen auch in dieser Anwen- branen (effiziente Trennfolien, Regenkleidung, dung zu einem kontinuierlichen Verbrauch der Gasfilter, elektromechanische Schalter), Gra- Elektroden. Für die Herstellung einer Tonne phen-Hydrogelen als Grundstoff für makrokristal- Elektrostahl werden ungefähr zwei Kilogramm line Materialien (Schwämme) oder der besseren Graphit verbraucht. Verarbeitbarkeit bzw. Herstellung extrem stabiler Dispersionen dienen. • In den Produktionsschritten von der Herstellung von Polysilizium aus Graphen – unscheinbar, aber mit großem Potenzial, Foto: Rohsilizium bis zur Züchtung von Graphit Kropfmühl GmbH Kristallen aus Reinstsilizium (mit frdl. Genehmigung). für Solarzellen
Graphit und Schwefel in Deutschland 18 2.2 Schwefel • zur Gewinnung von Zink aus Zinkerzen nach dem nassen Verfahren Die chemisch-physikalischen Eigenschaften von • zur Herstellung von Fluorwasserstoff und Schwefel (z. B. Viskosität, Wärme- und elektrische Flusssäure aus Flussspat Leitfähigkeit, Dichte, Schmelz- und Siedepunkt, • zur Herstellung von Salzsäure bzw. Chlor aus Löslichkeit, Reaktionsvermögen) sind vor allem Steinsalz für seine Herstellung und Lagerung wichtig, nicht • zur Herstellung von Nitriersäure zusammen mit jedoch für seine Verwendung. Salpetersäure als Grundlage für verschiedens- te chemische Vorstoffe Es wird geschätzt, dass weltweit 80 – 90 % des • zur Herstellung von Caprolactam aus bestimm- produzierten Schwefels zur Herstellung von ten Erdölderivaten als Vorprodukt des Kunst- Schwefelsäure (H2SO4), einem wichtigen Grund- stoffs Polyamid. Ammoniumsulfat, ein stick- stoff der chemischen Industrie, verarbeitet werden. stoffhaltiges Düngemittel, fällt als Beiprodukt Aus 1 t Schwefel werden dabei rund 3 t konzen- an. trierte Schwefelsäure erzeugt. Bei den meisten • zur Herstellung von Cellulose aus Holz für die Verfahren ist hierfür vor allem erforderlich, dass Papierherstellung nach den Sulfat- und Sulfit- der Schwefel hochrein ist (s. Kapitel 3.2) und mög- prozessen lichst bereits in flüssiger Form vorliegt. • bei der Synthese (Alkylierung) bestimmter Kohlenwasserstoffe in Erdölraffinerien Schwefelsäure wird im Wesentlichen verwendet • zum Beizen von Stählen • zur Herstellung von Sulfaten, Thiosulfaten, • zum Aufschluss von Phosphaterzen mit dem Sulfiten, Sulfiden, Sulfonsäuren und zahlrei- Ziel der Herstellung von Phosphorsäure bzw. chen anderen Schwefelverbindungen, die in phosphathaltigen Düngemitteln unzähligen Anwendungen der Industrie und • zum Aufschluss von Titanerzen nach dem Sul- des Alltags benötigt werden fatverfahren mit dem Ziel der Herstellung des • als Batteriesäure in Bleiakkumulatoren (Auto- weltweit wichtigsten Weißpigments Titandioxid batterien) • zur Gewinnung von Kupfer aus oxidischen Kupfererzen Schwefel, der nicht zur Schwefelsäure verarbeitet • zur Gewinnung von Nickel aus Lateriten wird, findet Verwendung in der
Graphit und Schwefel in Deutschland 19 • Reifen- und Gummiindustrie • Chemischen Industrie Zur Gummiherstellung wird eine Kautschuk- Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffdisulfid, CS2) mischung, bestehend aus Roh- oder Synthe- wird aus Methan und Granulatschwefel bei sekautschuk, Schwefel (Mahlschwefel oder 600 °C mithilfe von Katalysatoren synthetisiert. ölangereicherter Schwefel), Füllstoffen (wie Es wird in großen Mengen zur Herstellung Ruße, Quarzmehl, Kaolin oder Kreide), Weich- von Cellulosefasern aus Zellstoff eingesetzt. machern (meist Mineralöl) sowie verschiede- Zudem ist es ein Lösungsmittel für Fette, Har- nen Chemikalien und Katalysatoren erhitzt. Bei ze, Gummi und Kautschuk, während der sehr der folgenden chemischen Reaktion, der soge- wirksame Einsatz von Schwefelkohlenstoff als nannten Vulkanisation, die bei Temperaturen Pflanzenschutzmittel seit über 20 Jahren ver- von 120 – 160 °C abläuft, werden die langket- boten ist. tigen Kautschukmoleküle durch Schwefelbrü- cken vernetzt. Hierdurch gehen die plastischen Ultramarin ist eine anorganische Pigmentfarbe, Eigenschaften des Kautschuks bzw. der Kaut- die bei der Erhitzung von pulverisiertem Kaolin, schukmischung verloren und die Mischung Natriumsulfat, Natriumcarbonat (Soda), Mahl- wird vom plastischen in einen elastischen schwefel und Aktivkohle entsteht. Als kommer- Zustand überführt. Je mehr Schwefel einge- zielle Farben sind ultramarinblau, ultramarin- setzt wird, desto härter wird das Gummi. Für violett, wie auch ultramarinrot im Einsatz. Zu- Weichgummi setzt man in den meisten Fällen dem gibt es weitere, chemisch sehr komplexe 1,5 % bis 3 % Schwefel zu, im Extremfall bis schwarze, braune und dunkelblaue Farben auf zu 8 %. Mengen von 8 % bis 20 % Schwefel Schwefelbasis, mit denen kostengünstig und ergeben lederartiges Halbhartgummi, und bis waschecht Baumwolle gefärbt werden kann. zu 32 % Schwefel braucht man für Hartgum- mi. Erfinder des Verfahrens der Vulkanisation war der US-Chemiker Charles Goodyear (1800 – 1860). Die Vulkanisation von Kautschuk zur Produktion von Gummi, u. a. für Gummistiefel, ist weltweit einer der wichtigsten Verwendungsbereiche von Schwefel, Foto: Jolante Duba.
Graphit und Schwefel in Deutschland 20 Netzschwefel als Pflanzenschutzmittel, vor allem gegen Mehltau im kommerziellen Weinbau, wird auch in Deutschland produziert, Foto: agrostulln GmbH (mit frdl. Genehmigung). • Schädlingsbekämpfung Kaliumnitrat mit Schwefel zu Stickstoffmonoxid Im Pflanzenschutz wird Schwefel in Form von und Distickstoffmonoxid und die darauffolgen- Netzschwefel oder Kaliumsulfid (sogenannte den Explosionsreaktionen dieser Zwischen- Schwefelleber) benutzt. Netzschwefel ent- produkte mit Kohlenmonoxid zu Stickstoff und steht durch Erhitzen von Mahlschwefel und Kohlendioxid. anschließendem Auskristallisieren in kaltem Wasser. Schwefelleber besteht aus Kaliumcar- • Zündholzindustrie bonat (Pottasche) und Mahlschwefel, die zu- Mit Schwefel getränkte Zündhölzer wurden sammengeschmolzen werden. Netzschwefel schon vor über 1.000 Jahren in China verwen- ist ein sehr fein vermahlenes Pulver mit Zusatz det und im Mittelalter auch in Europa benutzt. von Netzmitteln (Tensiden), das sich dadurch Heute enthalten die meist aus Espenholz her- gut in Wasser lösen lässt. Spritzungen mit gestellten Streichhölzer einen Zündkopf mit Netzschwefel wirken gegen Schorf und insbe- Kaliumchlorat und feingemahlenem Schwefel. sondere gegen Echten Mehltau, z. B. im kom- Die Reibefläche besteht aus einer Mischung merziellen Weinbau. Bei Falschem Mehltau von Glaspulver und rotem Phosphor. Streicht und Schimmelpilz helfen sie kaum. Schwefel- man mit dem Zündkopf über die Reibefläche, leber wirkt gegen Echten Mehltau, Schorf und reiben sich dort Spuren des Phosphors ab, der die Schrotschußkrankheit. Die fungizide Wir- mit dem Kaliumchlorat zündet. Diese Mischung kung beider Schwefelprodukte beruht darauf, aus rotem Phosphor und Chlorat ist zwar dass auf der Blattoberfläche der Pflanze abge- hochexplosiv, führt jedoch in diesen geringen lagerte Schwefelpartikel unter Einwirkung von Mengen nur zur gefahrlosen Entflammung der Feuchtigkeit, Licht und Sauerstoff zu Schwefel- brennbaren Stoffe und schließlich des Hölz- dioxid umgewandelt werden. Dieses Gas wirkt chens. auch in geringen Mengen giftig auf Pilze und Insekten. Schwefelteilchen, die in die Pilzorga- • Stahlindustrie nismen eindringen, töten diese von innen ab. Automatenstähle sind Stähle, die für das Zer- spanen (Drehen, Fräsen, Bohren) auf automa- • Pyrotechnik tisierten Werkzeugmaschinen optimiert sind. Aufgemahlener Schwefel ist mit einem Anteil Diese Eigenschaften werden durch das Legie- von 10 – 20 % neben Kaliumnitrat (Salpe- ren mit Blei oder aus Umweltschutzgründen ter, 67 – 80 %) und Kohlenstoff (Holzkohle, verstärkt mit Schwefel (0,25 %) und Mangan 10 – 25 %) einer der wichtigsten Bestandteile erreicht. Durch den Schwefelzusatz entstehen im Schwarzpulver und damit der Pyrotechnik. weiche, zeilenförmig ausgeprägte Mangansul- Schwefel setzt die Zündtemperatur in pyro- fid-Einschlüsse im Stahl, an denen die Späne technischen Sätzen erheblich nach unten, brechen. Der Schwefel, in Form von Granu- macht sie also "zündfreudiger". Bei der Ver- latschwefel oder Stangenschwefel, wird gezielt brennung von Schwarzpulver laufen zudem durch spezielle Fülldrähte in die Gießpfanne viele verschiedene chemische Reaktionen ab, eingebracht. die Schwefel erfordern, so die Reaktion von
Graphit und Schwefel in Deutschland 21 Die Herstellung von Schwarzpulver und damit auch Feuerwerk ist ohne Zusatz von Schwefel nicht möglich, Foto: nickgesell/pixabay. Zündköpfe von Streichhölzern bestehen aus einer hochexplosiven Mischung aus Kaliumchlorat und Schwe- fel mit Zusätzen wie Leim, Paraffin oder Farbstoff, Foto: 024-657-834/pixabay.
Graphit und Schwefel in Deutschland 22 • Zuckerindustrie kleben. Um die Effizienz des Elektrofilters zu Großtechnisch gewonnener Zucker aus Zu- verbessern, kann Schwefeltrioxid (SO3) zum ckerrüben oder Zuckerrohr muss raffiniert, Rauchgas zudosiert werden. Dazu wird zu- d. h. gereinigt werden, bevor er in den Handel erst Schwefel aufgeschmolzen und in flüssiger gelangt. Auch ziehen die meisten Konsumen- Form in einen sogenannten Schwefelbrenner ten weißen, gebleichten Zucker dem geleitet, wo ein Schwefeltrioxid-Luft-Gemisch braunen Zucker vor. Zu den Prozess- erzeugt wird. Dieses wird dann zum Rauchgas schritten der Raffination und Aufhel- hinzudosiert. Das SO3 reagiert mit der Flug- lung gehört auch die Sulfitation, bei asche und verändert dadurch den elektrischen der Schwefeldioxid (gewonnen direkt Widerstand des Rauchgases. Diese Verän- in den Zuckerfabriken durch die Ver- derung des Rauchgases erhöht die Abschei- brennung von Stangen-, Granulat- deleistung des Elektrofilters erheblich und hat oder Brockenschwefel in soge- in etwa denselben Effekt wie eine Verdoppe- nannten „Schwefelöfen“) lung des Filtervolumens. dosiert dem Zuckerroh- saft hinzugeben wird. Zu den Prozessschritten der Raffination von Roh- zucker gehört die dosierte Zugabe von Schwefel- dioxid, das durch Verbrennen von Schwefel direkt in den Zuckerfabriken hergestellt wird, Foto: Sara- mukitza/pixabay. • Arzneimittelindustrie Schwefel ist ein Wirkstoff mit antimikrobiel- len, antiparasitären und hornschichtlösenden Eigenschaften, der in der Medizin hauptsäch- lich für die Behandlung von Hauterkrankungen wie Akne, Krätze, Schuppen, Ekzemen, Pilz- infektionen, Seborrhö (übermäßiger Talgaus- fluss) oder Rosazea (Hauterkrankung mit Rotfärbung im Gesicht) eingesetzt wird. Auch zahlreiche pharmazeutische Wirkstoffe ent- halten Schwefel. Schwefelseife wird zur Rei- nigung und Pflege unreiner und fettiger Haut verwendet. Schwefelbäder dienen zur unter- stützenden Therapie bei rheumatischen Er- krankungen. • Rauchgasreinigung Rauchgas entsteht bei den verschiedensten Verbrennungsprozessen und kann neben un- terschiedlichen Staubpartikeln auch Öldämpfe, Säuredämpfe, Kohlenmonoxid und andere gif- tige Stoffe enthalten. Um die Umweltbelastung zu verringern, muss entstehendes Rauchgas aufgereinigt werden. Eine Möglichkeit zur Rauchgasreinigung ist die Elektrofiltration. Da- bei werden Asche- und Staubteilchen in einem elektrischen Feld ionisiert und bleiben dann in Form einer Staubschicht an einer Elektrode
Graphit und Schwefel in Deutschland 23 • Meerwasseraquarien ten Methoden, um Nitrat aus Aquarienwasser In Aquarien dient Nitrat als Nahrungsgrundlage zu entfernen. Schwefel dient gleichzeitig als für Algen und ist häufig neben hohen Phosphat- Siedlungsfläche und als Nahrungsgrundlage werten die Hauptursache für unkontrollierten für denitrifizierende Bakterien. Diese Bakterien Algenwuchs. Eine weitere Auswirkung ho- reduzieren das im Aquarienwasser befindliche her Nitratwerte in Meerwasser ist, dass das Nitrat zu Stickstoff. Als weitere Produkte ent- Wachstum von kleinpolypigen Steinkorallen stehen Sulfat und Säuren. Damit es zu keinem stark gebremst wird und deren Farbintensität pH-Abfall im Aquarium kommt, werden die nachlässt. Sogenannte Schwefelfilter – gefüllt Säuren von dem eingesetzten Calciumcarbo- mit zwei Drittel Schwefelkugeln und einem Drit- nat neutralisiert. tel Calciumcarbonat – zählen zu den effektivs- Zu hohe Nitratwerte in Meerwasser führen zu einer Bleichung der Korallen. Diesem Vorgang kann in Meer- wasseraquarien durch Filterung mit Schwefel entgegengewirkt werden, Foto: pixabay.
Graphit und Schwefel in Deutschland 24 Getrocknete Früchte werden zur Haltbarmachung mit Schwefeldioxid geschwefelt, Foto: szjeno09190/ pixabay. • Landwirtschaft • Lebensmittelindustrie Bei der Schwefelernährung von Kulturpflan- Die Schwefelung von Wein und getrockneten zen spielt die Schwefelnachlieferung aus dem Früchten ist eine seit Jahrtausenden bekannte Bodenvorrat eine entscheidende Rolle. Zur Konservierungsmethode. Konservierend wirkt Schwefeldüngung werden häufig schwefelhal- dabei das heute nicht mehr direkt aus Schwe- tige Stickstoffdünger eingesetzt, aber auch ele- fel, sondern aus verschiedenen schwefelhalti- mentarer Schwefel ist geeignet. Dieser muss gen Chemikalien gewonnene Schwefeldioxid allerdings als feiner Mahlschwefel oder als bzw. das in wässriger Lösung gebildete Sulfit, Flüssigprodukt aufgebracht werden, um von ein Salz der schwefeligen Säure. Die Schwefe- Bakterien schnell zum pflanzenverfügbaren lung bewirkt, dass das Trockenobst hell bleibt Sulfat umgewandelt werden zu können. und sich Mikroorganismen nicht vermehren können. In Wein wirkt Schwefeldioxid anti- mikrobiell und enzymdeaktivierend. Das Schwefeldioxid unterstützt zudem den senso- rischen Geschmack und die Sulfite verhindern die Oxidation und damit das Umschlagen des Weins. • Batterieherstellung In Natrium-Schwefel-Batterien besteht die Anode aus geschmolzenem Natrium, die Ka- thode aus einem mit flüssigem Schwefel ge- tränkten Graphitgewebe. Als Elektrolyt kommt Auch in der ökologischen Landwirtschaft müssen ein natriumhaltiges Aluminiumoxid zum Ein- Pflanzen mit Schwefel, einem elementaren Grund- nährstoff, gedüngt werden. Foto: Schwoaze/pixa- satz. Natrium-Schwefel-Batterien benötigen bay. hohe Betriebstemperaturen zwischen 270 und
Graphit und Schwefel in Deutschland 25 350 °C. Sie haben eine vergleichsweise hohe plastischem Schwefel beim Abkühlen entsteht. Speicherdichte und werden weltweit als kleine Schwefelbeton besitzt gegenüber Standardbe- bis mittlere stationäre Batterie-Speicherkraft- ton eine höhere Druck- und Zugfestigkeit sowie werke betrieben, die der Lieferung von Spit- Frühfestigkeit und ist wesentlich korrosionsbe- zenlast, der Netzstabilisierung im öffentlichen ständiger gegenüber Säuren und Salzen. Er Stromnetz sowie dem Ausgleich volatiler er- ist dort von Bedeutung, wo aggressive Chemi- neuerbarer Energien dienen. kalien und grundwasserschädliche Stoffe zum Im Gegensatz hierzu sind Lithium-Schwefel- Einsatz kommen bzw. gelagert oder umgefüllt Akkumulatoren noch in der Entwicklung. Hier werden. Im Vergleich zur USA kommt Schwe- besteht die Anode aus Lithium und die Katho- felbeton in Deutschland allerdings bisher kaum de aus einem Schwefel-Kohlenstoff-Gemisch. zum Einsatz. Die Hauptschwierigkeit besteht gegenwärtig darin, stabile Zellen mit hohen Energiedichten In Deutschland werden große Mengen an Kunst- und gleichzeitig vielen möglichen Ladezyklen stoffen und Chemiefasern hergestellt, so dass dies zu entwickeln. der mit großem Abstand wichtigste Einsatzbereich von Schwefel bzw. Schwefelsäure ist. Es folgt die • Bauindustrie Herstellung von Titandioxid nach dem Sulfatpro- Schwefelbeton ist ein künstlicher Stein, der aus zess sowie die Produktion von Gummi. Alle weite- einem heißen Gemisch von Sand, Kies oder ren Einsatzbereiche von Schwefel sind in Deutsch- Splitt mit 15 – 20 % modifiziertem und dadurch land von weit nachrangiger Bedeutung. Der Hybridgroßspeicher des Energieunternehmens EWE AG in Varel im Emsland ging Ende 2018 in Betrieb. Er dient zum Ausgleich kurzfristiger Frequenzschwankungen durch die Einspeisung erneuerbarer Energien in das Stromnetz. Die Lithium-Ionen-Batterien links (7,5 MW Gesamtspeicherkapazität/2,5 MWh Arbeitska- pazität) erlauben einen raschen Zugriff auf die gespeicherte Energie, während die Natrium-Schwefel-Batte- rien rechts in den doppelstöckigen Containern (4,0 MW Gesamtspeicherkapazität/20 MWh Arbeitskapazität) dem längerfristigen Zwischenspeichern großer Kapazitäten dienen. Der japanische Keramikhersteller NGK Insulators, Ltd. hat an bisher rund 200 Standorten weltweit derartige Natrium-Schwefel-Batterien mit einer Gesamtspeicherkapazität von 400 GWh aufgestellt, Foto: NGK Insulators, Ltd. (mit frdl. Genehmigung).
Graphit und Schwefel in Deutschland 26
Graphit und Schwefel in Deutschland 27 Aufgrund der Bedeutung der Herstellung von Chemiefasern/Kunststoffen sowie von Titandioxid (s. Kapitel 5) auf den Schwefelverbrauch in Deutschland sollen diese beiden Anwendungsbe- reiche etwas näher erläutert werden. • Chemiefasern/Kunststoffe Die weltweit wichtigsten Chemiefasern, die seit über 80 Jahren unter den Handelsnamen Nylon oder Perlon bzw. chemisch unter der Bezeichnung Polyamid 6 bekannt sind, werden synthetisch durch Polymerisation des Vorpro- dukts Caprolactam hergestellt. Nylon in Faser- form findet sich nicht nur in Strumpfhosen, son- dern auch in Teppichböden, Textilien, Bürsten und Pinseln sowie Industriegarnen, z. B. für Fischernetze. Thermoplastische Kunststoffe aus Nylon kommen in der Automobilindustrie (z. B. für Zahnriemen), als Kabelummantelung oder zur Produktion von Spezialfolien, z. B. für die Verpackung von Lebensmitteln, zum Ein- satz. Caprolactam wird meist aus den Erdölderi- vaten Cyclohexan oder seltener Phenol über verschiedene Zwischenprodukte und in Ge- genwart von Schwefelsäure synthetisiert. Je nach Verfahren benötigt man dabei 1,8 – 1,9 t Schwefelsäure pro Tonne Caprolactam, wo- bei als Beiprodukt 1,5 – 4,5 t Ammoniumsulfat anfallen. Ammoniumsulfat dient als Stickstoff- düngemittel, Brandschutzmittel, Streusalz im Winterdienst, zum Beizen von Leder und für verschiedene andere Anwendungen. Die derzeitige Weltjahresproduktion an Capro- lactam liegt bei rund 6,5 Mio. t im Wert von rund 13 Mrd. €. Hersteller von Caprolactam in Deutschland sind die BASF SE in Ludwigs- hafen sowie die DOMO Caproleuna GmbH in Leuna mit Jahreskapazitäten von 400.000 t bzw. 170.000 t. Beide Unternehmen erzeu- gen die von ihnen benötigte Schwefelsäure durch Verbrennen von Flüssigschwefel mittels Schwefelbrenner. Hüllen für Heißluftballone bestehen aus dünnem und reißfestem Nylon, das einseitig mit Polyure- than beschichtet ist, um genügende Dichtigkeit zu gewährleisten. Dieser Stoff ist sehr leicht und hitze- beständig, Foto: Timrael/pixabay.
Graphit und Schwefel in Deutschland 28 • Titandioxid Dabei reagiert das im Erz enthaltene Eisenoxid Titandioxid (TiO2) ist das weltweit bevorzugte zu Eisensulfat, das Titanoxid zu Titanylsulfat. Weißpigment. Es hat aufgrund seiner hohen Das Eisensulfat („Grünsalz“) wird in getrock- Deckkraft, Leuchtkraft und seines Weißegrads, neter Form in der Abwasseraufbereitung, zur seiner Reaktionsträgheit und chemischen Sta- Bindung von Schwefelwasserstoff sowie als bilität, seiner hohen thermischen und UV-Sta- Düngemittel eingesetzt. Das Titanylsulfat zer- bilität sowie seiner Nicht-Toxizität im gebun- fällt mit Wasser weiter zu Titanoxidhydrat, das denen Zustand alle anderen Weißpigmente nach einer Wäsche in großen Drehrohröfen bei vom Markt verdrängt. Titandioxid findet sich 800 bis 1.000 °C zu reinweißem Titandioxid in Farben und Lacken, Kunststoffen, Gummi, geglüht wird. Die ebenfalls anfallende verdünn- Papier, Keramik, Zahnpasta, Sonnenschutz-, te (ca. 23 %ige) Schwefelsäure („Dünnsäure“) Arznei- und Lebensmitteln und vielen anderen wird bis auf eine Konzentration von ca. 80 % Produkten des Alltags. Mit nur wenigen Aus- angereichert und dann erneut verwendet. Pro nahmen verdanken die weißen Materialien in Tonne nach dem Sulfatverfahren hergestell- fast allen Einsatzgebieten weltweit ihre „Farbe“ ten TiO2 werden je nach Titanerz 1,4 – 4,0 t TiO2-Pigmenten. Schwefelsäure benötigt und 0,6 – 2,7 t Eisen- Es gibt zwei industrielle Verfahren zur Her- sulfat produziert. stellung von Titandioxid, wobei das ältere Die derzeitige Weltjahresproduktion an Titandi- Sulfatverfahren bereits seit 1919 industriell oxid liegt bei rund 6,0 Mio. t im Wert von rund angewandt wird. Hierbei wird feingemahlenes 20 Mrd. €. Weitergehende Informationen zur und angereichertes Titanerz mit konzentrier- Produktion und Wertschöpfung von Titandioxid ter (96 %iger) Schwefelsäure aufgeschlossen. in Deutschland sind in Kapitel 5 zu finden. Ohne Titandioxid, dem weltweit wichtigsten Weißpigment, gäbe es keine ungiftigen weißen Farben, Lacke, Plastik, Papier oder Sonnenschutzmittel, Foto: stux/pixabay.
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