Green Building Technologie Report - Wirtschaftsagentur Wien
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Green Building Technologie Report 3 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Wien zählt zu den erfolgreichsten Metropolen im Bereich der nachhaltigen Innovationen. Insgesamt beschäftigen sich in Wien rund 9.200 Unternehmen mit Stadt- und Umwelttechno- logien. Mehr als 90.000 Menschen erwirtschaften Umsätze von rund 40 Mrd. Euro jährlich, das entspricht 16 % des Ge- samtumsatzes der Wiener Unternehmen. Laut verschiedenen Studien punktet Wien besonders stark mit Innovationskraft, der umfassenden Unterstützung von Startups sowie einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit. Auch in mehreren „Smart City“-Rankings liegt Wien auf den vordersten Plätzen. Das Leitziel von Smart City Wien ist die Bereitstellung der besten Lebensqualität bei größtmöglicher Ressourcenschonung bis 2050 und wird durch die Smart City Wien Rahmenstrategie1 durch viele innovative Einzelprojekte Wirklichkeit. Der Standort überzeugt außerdem durch sein forschungs- und technologiefreundliches Klima, die geogra- phische und kulturelle Nähe zu den östlich gelegenen Wachs- tumsmärkten, die hohe Qualität der Infrastruktur und des Ausbildungssystems sowie nicht zuletzt die weltweit höchste Lebensqualität. Um das Potenzial an diesem Standort optimal zu nutzen, fungiert die Wirtschaftsagentur Wien als Informations- und Kooperationsplattform für Wiener Technologieentwicklerin- nen und Technologieentwickler. Sie vernetzt Unternehmen mit Entwicklungspartnerinnen und Leitkunden aus Wirtschaft, Wissenschaft und Stadtverwaltung und unterstützt die Wiener Unternehmen mit gezielten monetären Förderungen und einer Vielzahl von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Zielgruppen sind Betriebe aus den Bereichen Energie und Umwelt, Mobilität und Bau sowie Soziale Innovationen und Assistierende Technologien. Der vorliegende Technologie Report bietet einen Über- blick über die verschiedensten Trends und Entwicklungen im Bereich „Green Building“ sowie eine Auswahl von Unterneh- men, die in diesem Bereich in Wien tätig sind. Ihr Team der Wirtschaftsagentur Wien 1 www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008551.pdf Einleitung
Inhalt 4 Inhalt 5 S. 16 4. Gebäudebe- S. 30 6.12 Vertical Farming – Lebensmittel- produktion im urbanen Gefüge wertungen und S. 31 6.13 Vertical Gardening – 50 Grüne Häuser Standards S. 33 6.14 Gründerzeit mit Zukunft – 4.1 Energetische Gebäudestandards das Projekt Kaiserstraße 7 S. 19 S. 33 6.15 Null-Energie-Bilanz – Das Boutiquehotel Stadthalle S. 19 4.2 Sanierung S. 34 6.16 Das Wiener Campusmodell – Räume für S. 20 5. Wegweisende neue Bildungsqualität Schritte zum S. 34 6.17 Eigenverantwortung im Geschoß- wohnbau – Passivhaus JAspern Gebäude der Zukunft S. 36 7. Leistungen der Wirtschaftsagentur S. 22 6. Ausgewählte Wien S. 7 2. Das Gebäude Wiener Leucht- S. 36 7.1 Aktuelle Förderprogramme als Einzelobjekt turm-Projekte 8. Unternehmen S. 39 und als Teil des urbanen S. 22 6.1 Bauteilaktivierung als Baustein aus Wien für die Stadt der Zukunft Verbundes 9. Impressum S. 24 6.2 Das virtuelle Kraftwerk – S. 55 2.1 Was Gebäude alles leisten Studierendenheim GreenHouse S. 7 S. 24 6.3 Das Plus-Energie-Bürogebäude – TU-Hochhaus am Getreidemarkt S. 8 2.2 Die Energiewende stellt neue Anforderungen S. 27 6.4 Technologiezentrum – das erste Gebäude in der Seestadt S. 8 2.3 Zusammenwirken im urbanen Verbund S. 27 6.5 Wärme und Kälte aus dem Grundwasser – die neue WU S. 10 3. Wiener Pläne für S. 28 6.6 Fernwärme aus dem Waffelbackofen die energieeffizi- S. 28 6.7 Gebäude im Stoffkreislauf – ente, grüne Stadt urban mining in der Seestadt der Zukunft S. 29 6.8 Bauen mit Holz – allgemein betrachtet 3.1 Die Stärken des S. 29 6.9 HoHo – das Holzhochhaus S. 13 S. 30 6.10 Pop Up Dorms – das modulare Wirtschaftsstandortes Wien nutzen Studentenwohnheim S. 13 3.2 Lösungsbeiträge der Stadt Wien S. 30 6.11 Der „UHI-Strategieplan Wien“ Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 6 2. Das Gebäude als Einzel- objekt und als Teil des urbanen Verbundes 7 Der mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnbau bietet die Versorgung mit leistbarem Wohnraum und erfüllt darüber hinaus eine wichtige Funktion bei der sozialen und ökonomi- schen Stabilisierung der Gesellschaft. Der Wiener soziale Wohnbau gilt seit fast hundert Jahren als vorbildliches Modell für soziale und gesundheitliche Standards bei der Wohnungs- versorgung in europäischen Städten. Er zeichnet sich als besonders ambitioniert und hoch qualitativ aus, was sich an den Fördersummen sowie an der Zahl der produzierten Woh- nungen ablesen lässt. Zwei von drei Wienerinnen und Wienern wohnen im geförderten Wohnbau, eine von vier Personen im Gemeindebau.4 Während bei den alten, gründerzeitlichen Miethäusern die Bauparzellen bis zu 85 % verbaut worden waren, wodurch sich teils finstere Wohnungen, gruppiert um enge Lichthöfe, ergaben, betrug die Bebauungsdichte bei den neueren Ge- meindebauprojekten höchstens 50 %.5 Hochwertige Grün- und Freiräume wurden auch in dichter mehrgeschossiger Bebauung zunehmend als wichtig erachtet. Durch die ge- stiegenen Baukosten und Grundstückspreise für den Wohn- bau, den hohen Wohnungsbedarf infolge des Bevölkerungs- wachstums in Wien sowie die aktuell angestrebte Verdichtung des Wohnbaus auf innerstädtischen und infrastrukturell be- reits erschlossenen Flächen kommen die Grün- und Freiflä- chen heute vermehrt unter Druck. Derzeit werden in verschie- Das Bauwesen gehört zu den ressourcenintensiven Wirt- Heute werden rund 90 Prozent der etwa 170.000 Gebäude Heute leben wir mehrheitlich schon in urbanen Räumen, bis denen Projektgebieten kooperative Planungsverfahren schaftszweigen, der Gebäudesektor ist für etwa ein Drittel in Wien zum Wohnen genutzt.2 Angesichts des prognostizier- 2050 werden weitere 2,5 Milliarden Menschen in Städte zu- abgehalten. Diese neuen Verfahren bieten eine gute Möglich- der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ge- ten Bevölkerungswachstums müssen bis 2030 zusätzlich ziehen. Der Anteil der Städter wächst damit auf rund 70 %, keit, die verschiedenen Akteurinnen (Verwaltung, Planer, Ex- bäude sind damit ein Schlüsselbereich der Transformation, mindestens 75.000 Wohnungen geschaffen werden. Kaum so eine aktuelle Studie der Vereinten Nationen. pertinnen, Bürgerinnen, Bauträger etc.) in einer relativ gleich- die mit den Klimazielen von Paris und den Sustainable Deve eine andere Großstadt in Europa baut derzeit mehr Wohnun- In den Städten verschmelzen Gebäude und Außenraum berechtigten Form frühzeitig mit in die Entwicklung neuer lopment Goals (SDG) der UN-Agenda 2030 vereinbart wurde. gen pro Kopf als Wien. So wurden im Jahr 2018 in Wien 13.039 und bilden völlig artifizielle Lebensräume. Die urbane Dichte Stadtteile einzubinden.6 Weltweit hat sich mit dem Begriff „Green Building“ die neue Wohnungen fertiggestellt, davon 4.282 von gemein- ist dabei zugleich Chance und Herausforderung. Die dicht Idee von einem Gebäude, das in seiner Planung, Konstruktion nützigen Bauvereinigungen.3 besiedelten Städte bieten bessere Voraussetzungen sowohl oder seinem Betrieb negative Auswirkungen auf unser Klima Dieser Technologiereport gibt einen Überblick, wie in für eine nachhaltige Mobilität als auch für eine effiziente Ener- und unsere natürliche Umwelt verringert oder beseitigt und Wien die großen Herausforderungen des Wohnbaus gelöst gieversorgung, darüber hinaus sind auch die Bedingungen für positive Auswirkungen haben kann. Grüne Gebäude bewah werden und zeigt die speziellen Rahmenbedingungen für Produktivität und Innovation günstig. Die große Herausforde- ren wertvolle natürliche Ressourcen und verbessern unsere „Green Buildings“ in Wien. Seit Jahrzehnten wird mit großem rung besteht darin, bei all dem auch die Voraussetzungen für Lebensqualität. Zertifizierungssysteme wie BREAM, LEED, Engagement an Planungs- und Steuerungsinstrumenten ge- eine hohe Lebensqualität zu schaffen. DGNB oder die österreichischen Anbieter ÖGNI, ÖGNB und arbeitet, die für die künftige Entwicklung wegweisend sind. klimaaktiv definieren das „Green Building“ jeweils auf ihre Art. Wien will in der Welt einen sichtbaren Platz einnehmen und 2.1 Was Gebäude Die Gebäude und öffentlichen Räume definieren eine Stadt zeigen, dass hier exzellente Lösungen für die Menschen im zu einem wesentlichen Teil. Für Wien können fünf Perioden Sinne der Smart City Wien generiert werden. alles leisten unterschieden werden, die die Stadt geprägt haben. Auf Re- Angestrebt wird eine weitgehende Dekarbonisierung, naissance, Barock, Rokoko, Klassizismus-Biedermeier folgte wobei auch leistbarer Wohnraum, soziale Durchmischung, die Gründerzeit der Jahre 1848 bis 1918, die heute noch mit gute Architektur und ökologische Qualität gewährleistet sein ihrer Blockrandbebauung das Stadtbild mehrerer Bezirke be- sollen. Das erfordert, dass neue Gebäude im Niedrigstener- Gebäude im urbanen Verbund sollen neben ihrer primären stimmt. Typisch für die Zeit nach dem 1. Weltkrieg ist die ge- giestandard gebaut, bestehende Gebäude umfassend saniert Bestimmung, geschützten, sicheren Raum für Wohnen oder meindeeigene Großwohnanlage mit sozialen Einrichtungen, und die Wärme- bzw. Energieversorgung der Gebäude schritt- andere Zwecke zu schaffen, eine Vielzahl von weiteren Auf- 65.000 neue Wohnungen wurden innerhalb nur eines Jahr- weise auf nicht-fossile Energieträger umgestellt werden. gaben erfüllen: die Identität eines Stadtteils mitbestimmen, zehnts errichtet. Nach 1945 musste rasch wieder Wohnraum Darüber hinaus sollen die Baukonzeptionen an die Kreislauf- Begegnungen ermöglichen, indem öffentliche und halböffent- geschaffen werden, die Bauten aus dieser Wiederaufbauzeit wirtschaft angepasst werden. liche Räume geschaffen werden. Die gebaute Umwelt ist aber 4 www.wien1x1.at/site/wirtschaftsstandort-wien-2018 bedürfen heute nicht zuletzt wegen ihres mangelnden Wärme- auch ein neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere und die schutzes umfassender Sanierung. Ab etwa 1976 wurden die Begegnung mit der Natur ist immer ein bestimmender Faktor Anforderungen an die Qualität von Gebäuden schrittweise der Lebensqualität. Mit der zunehmenden Überhitzung der immer höher. Neben baugesetzlichen Vorgaben spielten Ar- 2 Städte werden die Möglichkeiten, mit Pflanzen das Mikroklima 5 https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008551.pdf, Seite 73 www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/matis_wohnbau.pdf chitekturwettbewerbe und Förderkriterien dabei zunehmend zu verbessern, immer mehr gefragt. eine Rolle. 3 6 Statistik Austria Vgl. www.wohnbauforschung.at/index.php?id=435 Kapitel 2, Das Gebäude als Einzelobjekt und als Teil des urbanen Verbundes Kapitel 2, Das Gebäude als Einzelobjekt und als Teil des urbanen Verbundes
8 Wiener Gebäude haben den niedrigsten Pro-Kopf-Energieverbrauch. Energieverbrauch in 1.000 kWh / Kopf, Jahr 2016 Energieverbrauch für Heizen und Warmwasser in Gebäuden, pro Kopf, 2016 12 Erneuerbare 2.2 Die Energiewende der ersten Energiegemeinschaften Europas, dem Viertel Zwei, Quelle: vgl. www.urbaninnovation.at/tools/uploads/full/40383.jpg ein innovatives Projekt wie überschüssige, selbst produzierte 10 stellt neue Anforde Energie gekauft, verkauft oder lokal gespeichert werden kann. Mithilfe neuer Technologien wie Blockchain kann dies voll- Fernwärme rungen automatisch über Plattformen geschehen. 8 2.3 Zusammenwirken Mit der Energiewende sind weitere Herausforderungen dazu- Strom gekommen: Gebäude sollen gemäß der europäischen Ge- 6 im urbanen Verbund bäuderichtlinie nicht nur einen „nahe bei Null liegenden“ (nearly zero) Energiebedarf aufweisen. Gemäß dieser euro- päischen Vereinbarung ist der Niedrigstenergie-Standard im Erdgas Neubau zur Mindestanforderung geworden. Auf Grund einer Dieses positive Zusammenwirken betrifft auch Wohngebäude speziellen Interpretation des europäischen Standards und Betriebe. Vorbei die Zeit, wo die Trennung der Funktionen 4 „Nearly-Zero-Energy-Building“ gelten in Österreich für groß- Wohnen und Arbeiten ein großes Ziel war. Die meisten Be- Kohle volumige Gebäude deutlich niedrigere Grenzwerte für den triebe arbeiten heute, ohne ihre Umgebung besonders zu Heizwärmebedarf als für Einfamilienhäuser. Für großvolumi- beeinträchtigen, dafür können Synergien genutzt werden. Das 2 ge Neubauten gelten damit in Punkto Wärmeschutz Anfor- können kurze Arbeitswege sein, zunehmend interessant wird derungen nahe dem Passivhausstandard. es, betriebliche Abwärme für Heizung und Warmwasser zu Heizöl inkl. Beim immer noch verbleibenden Energiebedarf verschie- nutzen. Diese Nutzung findet mit den heute viel niedrigeren Flüssiggas ben sich die Relationen. Die Bereitung von Warmwasser und Heizungstemperaturen und neuen Konzepten wie Energie- 0 zunehmend auch die Energie für Kühlung gewinnen an Be- netze mit Wärmepumpen auch deutlich günstigere Rahmen- Wien OÖ Stmk Vbg Bgld Sbg Tirol Ktn NÖ deutung. Dieser Energiebedarf soll gemäß Gebäuderichtlinie bedingungen als früher. über erneuerbare Energien vor Ort abgedeckt werden. Dafür Gebäude im urbanen Verbund spielen auch eine neue bietet sich die Nutzung von Sonnenenergie sowie von Umwelt- Rolle im Verkehrsgeschehen. Noch ist der Garagen-Stellplatz wärme in den verschiedenen Formen an. Gebäude nutzen eine bestimmende Größe in der Gebäudeplanung, die Ent- ihre Oberflächen zunehmend, um Energie zu produzieren. Für wicklung in den Metropolen der Welt zeigt aber, dass die die Gestaltung und Nutzung von Dachflächen stellt sich nun Mobilität in den Städten sich grundlegend wandelt. Mit der Zu diesen Indikatoren ist anzumerken, dass die urbane Dich- die Herausforderung, verschiedene Ansprüche unter einen E-Mobilität übernehmen Gebäude auch die Funktion der Tank- te eine wesentliche Voraussetzung für günstige Werte im Hut zu bringen: Begrünung und Regenwasserrückhalt, Freizeit stelle, darüber hinaus möglicherweise auch die des Schwarm- Vergleich zu ländlicheren Regionen ist. Die Wege sind kürzer, und Begegnung, Energiegewinnung und Platz für technische speichers. Nämlich dann, wenn die E-Mobile über ein intelli- der öffentliche Verkehr ist gut ausgebaut und leistungsfähig, Anlagen. gentes Lademanagement be- und ev. auch entladen werden. kompakte Häuser- und Wohnungsverbände können an Wär- Für die vermehrte Nutzung von Umweltwärme und Ab- Diese Rahmenbedingungen der Großstadt lassen ihre menetze angeschlossen werden und verlieren deutlich weni- wärme werden Wärmepumpen eingesetzt, womit der Strom- Auswirkungen durch Performance-Indikatoren erkennen: ger Wärme als freistehende, kleinere Einheiten. In kompakten bedarf des Gebäudesektors deutlich ansteigt. Der Ausbau ● Wien stößt im Österreich-Vergleich am wenigsten Siedlungsstrukturen wird mit wesentlich geringerem Energie- der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist im Gange Treibhausgase aus – sowohl beim Vergleich der Emis- aufwand gebaut. Hingegen soll der Einsatz von Biomasse im und wird noch deutlich verstärkt werden. Diese Stromproduk- sionen pro Kopf als auch pro Euro Wirtschaftsleistung. Gebäudebereich im städtischen Bereich aus Gründen der tion ist aber witterungsabhängig. Damit kommt die nächste ● Wien hat die wenigsten PKW pro Einwohnerin und Luftreinhaltung und Logistik nicht forciert werden. Für die Herausforderung auf den Gebäudesektor zu. Gefragt sind Einwohner – und ihre Zahl sinkt im Unterschied zu Nutzung der Solarenergie stehen im Geschoßbau in Relation flexible Abnehmende, die nicht unbedingt genau dann, wenn allen Bundesländern und fast allen Landeshauptstäd- zur Nutzfläche weniger nutzbare Dach- und Außenflächen zur alle anderen ihre Heizung einschalten, auch viel Strom brau- ten weiter. Verfügung als bei Einfamilienhäusern. Ein umfassender Trans- chen. Möglich wird dies, wenn vor allem die Speicherwirkung ● Wiener Gebäude haben den niedrigsten Pro-Kopf- formationsprozess hin zu einem dekarbonisierten Energie- von Gebäuden aktiv genutzt wird und damit die Lasten um Energieverbrauch und weisen auch die geringsten system braucht das erfolgreiche Zusammenspiel aller Akteu- einige Stunden verschoben werden können. Diese Netzdien- CO2-Emissionen pro Kopf auf. rinnen und Akteur. Da macht im Sinne einer „smarten“ lichkeit ist Teil der Neuorientierung des Gebäudes hin zum ● Wien hat den niedrigsten Bodenverbrauch pro Kopf. Arbeitsteilung jeder und jede – ob in der Stadt oder am Land – intelligenten Energiekonsumenten und -produzenten in Strom- das, was er oder sie am besten einbringen kann. Green Buil- netzen, die sich zum smart grid entwickeln. ding Konzepte können dabei in Wien auf solide Grundlagen Diese neuen Möglichkeiten der Einbindung in Netze zugreifen. gibt es auch für Wärmenetze, große Erwartungen werden derzeit in ganz Europa in Synergien mit der Nachbarschaft gesetzt. In Form von Erneuerbaren Energiegemeinschaften soll es in erster Linie Haushaltskundinnen ermöglicht wer- den, aktiv an der Transformation des Energiesystems teil- zunehmen. Prosumer erzeugen, verbrauchen und verkaufen erneuerbare Energie zu einem begünstigten Ortstarif. Die rechtlichen Bestimmungen hierfür definiert Artikel 22 der Erneuerbaren Richtlinie. Neben Strom sollen Mitglieder einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft auch Wärme und Kälte erzeugen und teilen können. Wien Energie testet in einer Kapitel 2, Das Gebäude als Einzelobjekt und als Teil des urbanen Verbundes Kapitel 2, Das Gebäude als Einzelobjekt und als Teil des urbanen Verbundes
3. Wiener Pläne für die energieeffiziente, grüne Stadt der Zukunft 10 Photovoltaik am Technologiezentrum, © Wirtschaftsagentur Wien / David Bohmann Die drei großen Energie-Ziele lauten: 1. Senkung der Treibhausgasemissionen pro Kopf um 80 % bis 2050 in Wien (im Vergleich zu 1990). Zwi- schenziel: Senkung der CO2-Emissionen pro Kopf um jedenfalls 35 % bis 2030 in Wien (im Vergleich zu 1990). 2. Steigerung der Energieeffizienz und Senkung des End- energieverbrauchs pro Kopf in Wien um 40 % bis 2050 (im Vergleich zu 2005). Der Primärenergieeinsatz pro Kopf sinkt dabei von 3.000 Watt auf 2.000 Watt. 3. Im Jahr 2030 stammen mehr als 20 %, 2050 50 % des Bruttoendenergieverbrauchs Wiens aus erneuerbaren Quellen. Folgend dieser Beschlussfassung der Smart City Wien Rah- menstrategie bestehen folgende Ziele im Bereich der Ge- bäude: 7 ● Der Endenergieverbrauch für Heizen, Kühlen und Warmwasser in Gebäuden sinkt um ein Prozent, die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr. ● Ab 2025 wird der Wärmeverbrauch von neuen Ge- bäuden grundsätzlich durch erneuerbare Energie oder Fernwärme gedeckt. ● Gebäude werden zur Begrünung und solaren Energie- gewinnung genutzt. In Wien wird seit Jahrzehnten mit großem Engagement an ● Ab 2030 ist standort- und nutzungsgerechtes Planen Planungs- und Steuerungsinstrumenten gearbeitet, die für und Bauen zur maximalen Ressourcenschonung Stan- die künftige Entwicklung wegweisend sind. Ein hierarchisch dard bei Neubau und Sanierung. Wichtige Grundsätze: gegliedertes, aus Strategieebenen und untergeordneten ● Bauteile und Materialien von Abrissgebäuden und ● Betrachtung des Lebenszyklus und der Lebenszyklus- Handlungsfeldern bestehendes Instrumentarium orientiert Großumbauten werden 2050 zu 80 % wiederverwen- kosten als Entscheidungskriterium. Aufwand und Aus- sich am Leitbild der Stadt der Zukunft. det oder -verwertet. Diese Zielorientierung der Smart wirkung von Wartung, Instandhaltung werden berück- City Strategie für den Gebäudebereich ist im Zusam- sichtigt, auch für Rückbau und Entsorgung. Instrumente zur Steuerung: menhang mit der nachhaltigen Entwicklung zu sehen. ● Abstimmung von Anforderungen an die Lebensdauer ● Die Smart City Wien – Rahmenstrategie 2050 Diese verlangt, dass sowohl Wirkungen in der Zukunft im Hinblick auf die geplante Nutzungsdauer. ● Das Kernstück der Wiener Energiepolitik: die Energie- als auch an anderen Orten einbezogen werden, die ● Orientierung an der Kreislaufwirtschaft (Materialien rahmenstrategie 2030 Systemgrenzen für eine stimmige Optimierung werden und Produkte): Umbaufähigkeit, Demontierbarkeit, ● Das Städtische Energieeffizienz Programm 2030: weiter gesteckt. Eine derartige Optimierung ist bisher Wiederverwendung, Recyclingfähigkeit, Abfallvermei- SEP 2030 nicht verpflichtend, Gebäudebewertungssysteme bie- dung, Massenausgleich, kurze Wege. ● Der Stadtentwicklungsplan 2025 ten aber Kriterien und Nachweismöglichkeiten. Auch ● Auswirkungen von Produktionsprozessen, auch wenn ● Das Fachkonzept Energieraumplanung: Energie in bei den in Wien eingeführten Bauträgerwettbewerben diese in anderen Teilen der Welt erfolgen, werden Stadtplanungsprozessen können nachhaltige Qualitäten vielfach punkten. berücksichtigt (sofern Daten vorhanden sind). ● Das Klimaschutzprogramm der Stadt Wien: KliP Wien ● Die Beachtung der städtebaulichen, gestalterischen, ● Die Wirtschafts- und Innovationsstrategie der Stadt technischen und funktionalen Qualität. Wien Damit werden wesentliche Anforderungen an die Gebäude, Der strategische Überbau wird von der Energierahmenstra- die ab jetzt errichtet werden, gestellt. Alle diese Anforderun- tegie 2030 gebildet, die auf der obersten Ebene die Smart gen sollen die Nachhaltigkeit des Gebäudesektors verbessern City Wien Rahmenstrategie 2050 ansiedelt. Die Schonung und sind als Investition in die Zukunft zu sehen. von Ressourcen, eine ganzheitliche Betrachtungsweise, eine hohe, sozial ausgewogene Lebensqualität und der produktive Einsatz von Innovationen und neuen Technologien – das sind die Schwerpunkte der Smart City Strategie, die in unter- schiedlichsten Themenbereichen umgesetzt werden sollen. Insgesamt wurden 38 konkrete Ziele bis 2025, 2030 oder 2050 definiert. 7 https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008551.pdf, Seite 73ff Kapitel 3, Wiener Pläne für die energieeffiziente, grüne Stadt der Zukunft Kapitel 3, Wiener Pläne für die energieeffiziente, grüne Stadt der Zukunft
13 3.1 Die Stärken des Im geförderten Wiener Wohnbau sind Bauträgerwettbewerbe und Grundstücksbeirat bewährte Instrumente zur Qualitäts- Wirtschaftsstandortes sicherung. Eine zentrale Aufgabe des wohnfonds_wien ist es, für den geförderten Wohnbau geeignete Liegenschaften an- Wien nutzen zukaufen. Alle Wohnprojekte, die Förderung beanspruchen wollen, werden im Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs oder im Grundstücksbeirat beurteilt. Befindet sich eine Liegen- Wien ist ein international herausragender Wirtschaftsstandort schaft im Besitz des wohnfonds_wien, wird jedenfalls ein Bau- Seeparkquartier, © Schreinerkastler_web2016 und spielt eine verbindende Rolle für die wirtschaftlichen und trägerwettbewerb ausgelobt. Wenn eine Bauträgerin die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen West- und Ost- Liegenschaft besitzt, wird ab 500 Wohneinheiten ein Bau- europa. Die Pro-Kopf Wirtschaftsleistung ist auf Platz 18 von trägerwettbewerb durchgeführt; kleinere Projekte unter 500 281 EU-Regionen; die Produktivität ist überdurchschnittlich; Wohneinheiten werden vom Grundstücksbeirat beurteilt. rund die Hälfte aller ausländischen Firmen, die sich in Öster- www.wohnfonds.wien.at reich ansiedeln, kommen nach Wien. Ein Viertel der gesamten österreichischen Wertschöpfung wird in der Bundeshaupt- stadt erwirtschaftet. Neben privatwirtschaftlichen Betrieben sind auch die Betriebe der öffentlichen Hand wichtige Ge- stalter Wiens. So verwaltet, saniert und bewirtschaftet die Unternehmung Wiener Wohnen die städtischen Wohnhaus- anlagen Wiens. Dazu gehören rund 220.000 Gemeindewoh- nungen.8 Die Wirtschafts- und Innovationsstrategie der Stadt Wien fokussiert Wien auf jene Themen, für die am Standort Wien bereits Stärken existieren, und die Antworten auf die großen Herausforderungen der kommenden Jahre geben. Eines der Spitzenthemen ist „Smarte Lösungen für den städtischen Lebensraum des 21. Jahrhunderts“.9 Für die bisherige Entwicklung des Gebäudesektors haben sich unter anderem zwei Faktoren bezahlt gemacht: erstens wurde mit den Klimaschutzplänen (KliP) schon im Jahr 1990 begonnen und zweitens wurde die Wiener Wirtschaft von Anfang an in den Transformationsprozess eingebunden. 3.2 Lösungsbeiträge der Stadt Wien Der international verwendete Begriff Green Building erhält mit der im internationalen Vergleich großen Bedeutung des geförderten, sozialen Wohnbaus sowie den Aktivitäten zur ökologischen Beschaffung zusätzlich eine wienspezifische Dimension. 8 www.wien.gv.at/wirtschaft/standort/pdf/wien2030-wirtschaft-innovation.pdf 9 www.wien.gv.at/wirtschaft/standort/pdf/wien2030-wirtschaft-innovation.pdf Kapitel 3, Wiener Pläne für die energieeffiziente, grüne Stadt der Zukunft
14 Quelle: www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/themenstadtplan/erdwaerme/ Der Grundstücksbeirat prüft jedes Projekt nach den Kriterien des „4-Säulen-Modells“. Bei der Beurteilung stehen die Gesamt- qualität und die Ausgewogenheit der vier Qualitätssäulen im Vordergrund: Ökonomie – Soziale Nachhaltigkeit – Architektur – Ökologie. Kriterien des „4-Säulen-Modells“ ● Grundstückskosten ÖKONOMIE ● Gesamtbaukosten Erdwärmepotentialkataster von Wien ● Nutzerkosten und Vertragsbedingungen ● Kostenrelevanz der Bauausstattung ● Alltagstauglichkeit SOZIALE ● Kostenreduktion durch Planung NACHHALTIGKEIT ● Wohnen in Gemeinschaft ● Wohnen für wechselnde Bedürfnisse ● Stadtstruktur ARCHITEKTUR ● Gebäudestruktur ● Wohnungsstruktur ● Gestaltung ● Klima- und ressourcenschonendes Bauen ÖKOLOGIE ● Gesundes und umweltbewusstes Wohnen ● Stadträumlich wirksame Qualität im Grün- und Freiraum ● Differenzierte Nutzungsangebote im Grün- und Freiraum Die ökologische Beschaffung ist für Gebäude der Stadt Wien Kooperation mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern verbindlich. ÖkoKauf Wien ist Teil einer europäischen Strate- der Themenstadtplan Energie erstellt. Dieser digitale Katas- gie, die Umsetzung des freiwilligen Instruments Green Public ter ist frei verfügbar und liefert unter anderem Informationen Procurement (GPP) für die Stadt Wien. GPP ist in der EU als zum Solar-, Erdwärme-, Wind- und Abwärmepotenzial sowie ein Prozess definiert, „bei dem öffentliche Einrichtungen ver- zum Gründachpotenzial. Druckfertige Karten und Pläne wer- suchen, Güter, Dienstleistungen und Arbeiten mit verringerter den im Umweltatlas gesammelt: Umweltbelastung während ihres gesamten Lebenszyklus zu www.smartcity.wien.gv.at/site/themenstadtplan-energie beschaffen im Vergleich zu Waren, Dienstleistungen und Ar- www.wien.gv.at/umweltschutz/umweltgut/umweltatlas.html beiten mit der gleichen Funktion, die sonst beschafft würden.“ www.urbaninnovation.at/de/Projects/Infografiken-Energie Im Sinne des Klimaschutzes wurde von der Stadt Wien 1998 das Programm ÖkoKauf Wien ins Leben gerufen. Für den Hochbau existieren Richtlinien und Kriterienkataloge für Pro- dukte des Hochbaus, Haustechnik und Beleuchtung, Innen- ausbau sowie für die Baustellen-Umweltlogistik, deren Inhal- te in die Ausschreibungstexte übernommen werden können. Diese detailliert ausgearbeiteten ökologischen Anforderungen stehen über die Verwaltung hinaus allgemein und frei zur Verfügung: www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf/ergebnisse.html Die Stadt stellt die Grundlagen für die Nutzung der nachhaltigen Energiequellen bereit. Um Bauträgerinnen, Unternehmen, Sachverständigen, Behörden und Planenden einen raschen Überblick über lokal vorhandene Energiepo- tenziale zu geben wurde von der MA 20 (Energieplanung) in Kapitel 3, Wiener Pläne für die energieeffiziente, grüne Stadt der Zukunft
4. Gebäudebewertungen und Standards 16 17 zugemessen. ÖGNI zertifiziert mit dem DGNB-System Die ÖGNB Projektdokumentation umfasst knapp 200 ge- und der blueCARD nachhaltige Gebäude und Stadt- prüfte Projekte: www.oegnb.net/zertifizierte_projekte.htm quartiere. Im Gegensatz zur Selbstdeklaration melden ÖGNI-Au- ● IBO Ökopass14 ein speziell auf Wohnhausanlagen aus- ditoren Projekte zur Zertifizierung an, begleiten die Projekte gerichteter Gebäudepass. Ziel ist der Nachweis der und reichen die erforderlichen Nachweise zur Konformitäts- baubiologischen und bauökologischen Qualität. prüfung, die von der ÖGNI koordiniert wird, ein. Zertifizierte Grundlagen sind die Ergebnisse und Beurteilungen Projekte: www.ogni.at/projekte anhand von Planungsunterlagen, Berechnungen, Mes- Mit dem IBO ÖKOPASS wurden seit 2001 über 300 sungen und Baubegehungen, die in einem umfassen- Wohnhausanlagen bewertet: www.ibo.at/gebaeudebewertung/ den Bewertungsbericht dokumentiert sind. ibo-oekopass ● EU Green Building15 ist ein Programm der EU, um die Mit einem Smart-Readiness-Indikator (SRI) sieht die EU- Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen und ent- Gebäuderichtlinie in Zukunft eine neue, zusätzliche Bewertung hält nur ein Energiekriterium, nämlich dass die natio- vor, die zeigen soll, inwieweit ein Gebäude für ein weitgehend nal höchst zulässigen Verbrauchsziele um 25 % (in dekarbonisiertes, erneuerbares Energiesystem vorbereitet Österreich: OIB-Richtlinie 6 bzw. Bauordnungen der ist. Insgesamt stellen Gebäude dabei ein riesiges Potential Länder) unterschritten werden. Ausgezeichnet oder für diese Art der Bewirtschaftung (Demand Side Manage- zertifiziert wird auch nicht das eigentliche Gebäude, ment) und die Speicherung von Energie in Form von Wärme sondern die jeweiligen Auftraggebenden. Wohngebäu dar. Neue Tarifmodelle, wie z. B. Smartflex von Energie AG de werden nicht bewertet, ausgezeichnet wird d er / die Vertrieb und LINZ STROM Vertrieb oder hourly von aWATTar Auftraggebende für exemplarisch gesetzte Energie- bieten für flexibles Verbraucherverhalten Kostenvorteile, der- effizienzmaßnahmen. artige Modelle entsprechen einer europäischen Entwicklung ● BREEAM16 für umfangreiche Projekte, Infrastruktur und werden zunehmend ausgeweitet. Die Einführung des SRI und Gebäude, Bewertung in 11 Kategorien, die Aus- ist derzeit in Vorbereitung, vorgesehen ist dabei eine Erwei- zeichnung wird von zertifizierten Beraterinnen und terung des bestehenden Energieausweises. Ein Vorschlag Beratern vergeben (U.K.). für die Umsetzung in Österreich liegt vor. Die Grundanforderungen an Bauwerke in der EU sind in der ● LEED17 für Gebäude und deren Siedlungsgebiet; die www.nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/ EU-Bauprodukte-Verordnung (Nr. 305 / 2011) definiert: Mecha Ressourcen-Effizienz wird ausgezeichnet (U.S.A.). sri-austria.php nische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, Sicherheit und Barrierefrei- Die Systeme unterscheiden sich stark, auf Grund ihrer Her- heit, Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz, kunft, durch die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Während ihre Marktpräsenz und die für die Zertifizierung anfallenden die ersten sechs Themen mit sechs OIB-Richtlinien über die Kosten. Der Prozess der Gebäudedeklaration unterstützt die Bauordnungen in nationales Recht übernommen wurden, fehlt Zieldefinition und bietet ein System zur Optimierung. Mit den 10 www.klimaaktiv-gebaut.at bislang eine Richtlinie zur Nachhaltigkeit. gewählten Anforderungen kann der Leistungsumfang im Sin- Die Nachhaltigkeit von Immobilien wird dennoch mehr ne hoher Bestellqualität definiert werden. Mit den erforder- und mehr zu einem Kriterium für Investoren. Weltweit wurden lichen Nachweisen sind die erreichten Qualitäten gut doku- Gebäudezertifizierungen entwickelt und sie erfreuen sich mentiert. Die Auszeichnung soll zeigen, dass das beurteilte 11 https://www.oegnb.net/tqb/tqb.htm steigender Nachfrage. In jedem Fall sind es Systeme, die frei- Gebäude nachweisliche Qualitäten aufweist, die in den ent- willig beauftragt werden. In Österreich werden derzeit vor sprechenden Punkten über das übliche Niveau hinausgehen. allem folgende Bewertungssysteme angeboten: Klimaaktiv ist derzeit der bekannteste Gebäudestandard 12 ● klimaaktiv10 die Gebäudebewertung im Rahmen der in Österreich. In der klimaaktiv Gebäudedatenbank finden sich www.dgnb-system.de/de Initiative des Bundesministeriums für Klimaschutz ist mit Stand Frühjahr 2020 rund 900 Gebäude, die in Österreich eine Selbstdeklaration mit Plausibilitätskontrolle, für entsprechend den klimaaktiv-Kriterien geplant oder bereits Wohnbau und weitere Gebäudearten, Neubau und errichtet wurden. Auch alle Träger des Staatspreises für Archi- 13 www.ogni.at/leistungen/zertifizierung Sanierung, der Schwerpunkt liegt auf Energiekriterien. tektur und Nachhaltigkeit sind Teil der Datenbank. Ein eigenes Bewertungsinstrument gibt es für die www.klimaaktiv-gebaut.at Siedlungsentwicklung. 14 ● TQB (Total Quality Building)11 – ÖGNB (Österreichi- www.ibo.at/gebaeudebewertung/ibo-oekopass sche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), ist ein um fassendes Gebäudebewertungssystem, im Energie- bereich mit klimaaktiv kompatibel. Angewendet u. a. 15 www.ec.europa.eu/energy/intelligent/projects/en/projects/greenbuilding in der Seestadt Aspern, wo rund 30 neue Gebäude jeglicher Nutzungsart mit diesem Bewertungssystem qualitätsgesichert werden. ● DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bau- 16 www.breeam.com en)12 wird in Österreich von der ÖGNI (Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft)13 vertreten, der Anspruch lautet, allen Aspekten des 17 nachhaltigen Bauens wird eine gleich große B edeutung www.usgbc.org/leed Kapitel 4, Gebäudebewertungen und Standards Kapitel 4, Gebäudebewertungen und Standards
19 www.buildup.eu/en/events/smart-readiness-indicator-buildings-stakeholder-meeting 4.1 Energetische können durch die Anpassung an den Stand der Technik be- trächtliche Energiemengen einsparen, Energie am Standort Gebäudestandards gewinnen und auch speichern und damit ihren CO2-Ausstoß deutlich reduzieren. Gleichzeitig schafft die Gebäudesanierung langfristige Werte und sorgt in besonderem Maß für lokale Niedrigstenergiegebäude: Smart-Readiness Indikator, Quelle: vgl. © VITO, 2019. Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Die Sanierung der Wiener Die Mindestanforderungen für Neubauten und größere Sa- Bausubstanz soll jetzt besonders vorangetrieben werden, dazu nierungen orientieren sich an der EU-weiten Vorgabe des bereitet die Stadt im Rahmen des EU-Projektes Renobooster Niedrigstenergie-Standards (Nearly Zero Energy Building, neue Angebote und eine zentrale Anlaufstelle für Eigentüme- nZEB). Die nationalen Vorgaben finden sich in der OIB-Richt- rinnen und Eigentümer von Wohngebäuden vor.18 linie 6. Innovative Lösungen zeigen auch die Projektberichte der Förderaktion Mustersanierung des Klima- und Energiefonds Passivhaus: seit dem Jahr 2013: Die ursprüngliche Definition lautet „Ein Passivhaus ist ein Ge- www.klimafonds.gv.at/report/mustersanierung-2013 bäude, in welchem die thermische Behaglichkeit (ISO 7730) allein durch Nachheizen oder Nachkühlen des Frischluftvolu- menstroms, der für ausreichende Luftqualität (DIN 1946) er- forderlich ist, gewährleistet werden kann, ohne dazu zusätzlich Umluft zu verwenden.“ Die Beheizung über das Lüftungssys- tem ist aber kein Muss. Der geringe Heizwärmebedarf kann z. B. auch über Flächenheizungen (Fußboden, Bauteilaktivie- rung in der Decke) eingebracht werden. Plus-Energie-Gebäude: Ein Gebäude, dessen jährlicher Primärenergieverbrauch vor dem Hintergrund höchster Energieeffizienz unter der vor Ort produzierten erneuerbaren Energie liegt. Unter „vor Ort“ wird innerhalb der Grenzen der Siedlung oder des Gebäudes bzw. in unmittelbarer Nachbarschaft verstanden. Es ist – wie das Nullenergiehaus und die Plusenergie-Varianten – ein Bilanz- modell. Begrünte Gebäude erhöhen die Punkteanzahl bei Zertifizierungssystemen, © pixabay 4.2 Sanierung Wenn auch der Begriff Green Building vor allem mit dem Neu- bau in Verbindung gebracht wird, darf nicht übersehen werden, dass der bereits vorhandene Gebäudebestand nicht den An- forderungen eines dekarbonisierten Energiesystems ent- spricht. Die Sanierung der Bausubstanz ist aber auch ent- scheidend für die Lebensqualität und den Wohnkomfort sowohl im Sommer als auch Winter. Sanierung bedeutet dabei das Herstellen eines „gesunden“ Zustandes, das Haus soll – unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gebäudes – heu- tigen Anforderungen entsprechen. So ist Energieeffizienz eine wesentliche Voraussetzung für die Energiewende. Gebäude 18 www.wien.gv.at/wohnen/wohnbautechnik/foerdern/projekt-renobooster/index.html Kapitel 4, Gebäudebewertungen und Standards
5. Wegweisende Schritte zum Gebäude der Zukunft 20 21 Als logischer nächster Schritt wurde versucht, auch die Um- Großes Gewicht wird in Wien seit langem auf die Gesundheit Diese kontinuierliche Entwicklung wurde maßgeblich durch weltbelastungen, die mit der Herstellung und Instandhaltung in Innenräumen gelegt. Vor allem im geförderten Wohnbau Forschungsprogramme unterstützt. Das Programm Haus der von Gebäuden einhergehen zu reduzieren. Die technischen werden Dienstleistungen zur Beratung und Umsetzungskon- Zukunft lief von 1999 bis 2012, dabei wurden 450 Forschungs- Voraussetzungen sowie Bewertungsinstrumente im Sinne von trolle in der Bauausführung bei der Auswahl von Baustoffen und Entwicklungsprojekte mit einem Förderbudget von 63 geeigneten Ökobilanzierungen wurden geschaffen. Für die und Bauchemikalien sehr häufig in Anspruch genommen. Mit Mio. Euro finanziert. Aufbauend auf der solaren Niedrigener- vereinfachte Bewertung der ökologischen Materialqualität einer umsichtigen Auswahl von Materialien und der dazu emp- giebauweise und dem Passivhaus-Konzept sowie Ansätzen hat sich in Österreich der Ökoindex 3 (OI3) durchgesetzt. fohlenen Umsetzungskontrolle (Chemikalienmanagement) im Bereich zur Nutzung ökologischer Baustoffe und nach- Dieser versteht sich als Teil-Ökobilanz und beurteilt drei Kenn- kann gleichzeitig auch in den freiwilligen Gebäudestandards wachsender Rohstoffe im Bauwesen wurden neue zukunfts- größen: Bedarf an nicht erneuerbarer Primärenergie, total als gepunktet werden. Unterstützung in der Produktauswahl bie- weisende Konzepte und Technologien entwickelt und in 62 (Teil der) Herstellungsenergie, das Treibhauspotential (GWP) – tet die frei verfügbare Datenbank baubook, in der unter an- Demonstrationsprojekte umgesetzt. Ab 2013 werden die der durch die Produktherstellung verursachte Anteil an der derem auch baurelevante Produkte mit diversen Umweltzei- Themen von Haus der Zukunft erweitert und Aspekte des globalen Erwärmung durch Treibhausgase sowie das Ver- chen zu finden sind: www.baubook.info urbanen Energiesystems im Rahmen des Forschungs- und säuerungspotential (AP) – die regional wirksame Versäuerung Die Erkenntnis, dass der Wohnort und die vorhandene Technologieprogramms Stadt der Zukunft weitergeführt. Ziel von Böden, Wald und Gewässer.20 In Demonstrationsprojek- Infrastruktur entscheidenden Einfluss auf das Mobilitätsver- des Programms „Stadt der Zukunft“ ist es, über die System- ten wie dem Sozialen Wohnbau Holz-Passivhaus Mühlweg in halten und den Mobilitätsbedarf der Bewohnerinnen und Be- grenze Gebäude hinaus einen Transformationsprozess in Wien Floridsdorf oder dem Holzhochhaus in der Seestadt wohner haben, hat dazu geführt, dass „green buildings“ auch Richtung einer nachhaltig ausgerichteten, zukunftsfähigen konnte gezeigt werden, wie die Einsatzbereiche von nach- entsprechende Angebote liefern. Dabei geht es um die Anzahl Stadt einzuleiten. Im Mittelpunkt stehen innovative Techno- wachsenden Baustoffen, insbesondere Holz, ausgeweitet und Situierung von PKW-Stellplätzen und Fahrradabstell logien und Konzepte der Energieerzeugung, -verteilung, -um- werden können. räumen, das Lademanagement für E-Fahrzeuge, zunehmend wandlung und -speicherung, die Realisierung von Plus-Ener- Mit der Zunahme der Hitzetage wird die Sommertaug- aber auch um sharing Angebote für diverse Fahrzeuge. We- gie-Quartieren, aber auch der Verbrauchsoptimierung in lichkeit der Gebäude immer wichtiger. Laut Bauordnung sind sentlich sind auch die Fußgängerfreundlichkeit und die Er- Gebäuden und Gebäudeverbänden sowie Technologien und Wohngebäude zwar so zu planen, dass keine maschinelle reichbarkeit des öffentlichen Verkehrs. Das 2012 gestartete Effizienz für Neubau und Sanierung. Die Ergebnisse der For- Kühlung erforderlich ist, in der Praxis werden aber mehr und Programm „Mobilität der Zukunft“ fördert technologische, schungs-, Technologie- und Entwicklungs- (FTE-) Projekte aus mehr Wohnungen gekühlt, wie das bei Bürogebäude schon organisatorische und soziale Innovationen im Mobilitätsbe- den bisherigen Ausschreibungen im Rahmen von „Stadt der länger der Fall ist. In den Kriteriensystemen der Gebäude- reich: mobilitaetderzukunft.at/de Zukunft“ sind verfügbar: www.nachhaltigwirtschaften.at/de/ Die Entwicklung der Konzepte für Green Building kann anhand zertifikate finden sich dazu Kriterien. Eine „Glasarchitektur“ Wie ein leistbarer Wohnbau sichergestellt werden kann, sdz/projekte einer kurzen Entwicklungsgeschichte und der im nächsten ohne Beschattung wird heute nicht mehr als zukunftsweisend das wird derzeit europaweit besonders intensiv diskutiert. Die Ergebnisse der abgeschlossenen Bauträgerwett- Kapitel getroffenen kleinen Auswahl von Projekten dargestellt erachtet. Als eine interessante Option hat sich hingegen die Bereits im Jahr 2006 konnte am Beispiel eines Passivwohn- bewerbe des wohnfonds wien seit 1995 sind ebenfalls werden. Bauteilaktivierung erwiesen, wobei mit geringem Energieauf- baus mit 39 Wohneinheiten in Wien 14, Utendorfgasse gezeigt ausführlich dokumentiert: www.wohnfonds.wien.at/website/ Das weltweit erste Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein wand und kleinen Temperaturdifferenzen Räume nicht nur im werden, dass die Anwendung der Passivhaustechnologie auch article/nav/140 ist nun 25 Jahre alt. In Wien werden seit 2005 Wohnhaus- Winter sondern auch im Sommer konditioniert werden können. unter den Kostenbedingungen des sozialen Wohnbaus mög- anlagen in Passivhausstandard errichtet. Im Jahr 2006 wurde Darüber hinaus steigt das Interesse, mit Bepflanzungen lich ist. Ein vielversprechender Lösungsansatz ist eine zeit- das bis dahin größte Passivhaus weltweit eröffnet: die Wohn- Schatten zu bieten und durch deren Verdunstung das Mikro- gemäße Umsetzung des seriellen Bauens. Heute noch mani- hausanlage Roschégasse im 11. Wiener Gemeindebezirk. Der klima ein wenig zu verbessern. fest in den Bauten der Nachkriegszeit, da man rasch Wohnraum Baustandard „Passivhaus“ hat als Leuchtturmtechnologie das benötigte. Diese sind in Wien aber nicht vergleichbar mit Verständnis von Bauen und Wohnen grundlegend verändert. manch anderen Satellitenstädten mit ihren Typenbauten in Für ausgewählte Passivhaus-Wohnanlagen in Wien liegen mit Plattenbauweise. Heute geht es um die „Standardisierung der dem Projekt NaMAP Ergebnisse eines Nachhaltigkeits-Mo- Vielfalt“: Vereinheitlichung von Erzeugnissen bei einer kosten- nitorings vor.19 günstigen Produktion und gleichbleibender Qualität und Ver- Bis heute sehr kontrovers wird die Frage der Wohnraum- einheitlichung von Konzepten und um die Vorfertigung. Im lüftung gesehen. Während im Passivhaus die Wärmerück- Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) wird schon gewinnung aus der Abluft einen Teil des Energiekonzeptes auf einige Projekte verwiesen: Temporäres Wohnen in Florids- darstellt, ist die Sicherstellung eines ausreichenden Luftwech- dorf, Wohnbauten in der Seestadt Aspern oder aktuell der sels heute bei jedem Gebäude – insbesondere in Anbetracht Wohnbau in der Berresgasse, wo in der Donaustadt bis 2022 eines kaum steuerbaren Nutzerverhaltens – eine Herausfor- ein neues Stadtquartier mit rund 3.000 überwiegend geför- derung. Gebäude müssen nach Bauordnung so luftdicht er- derten Wohnungen entsteht. richtet werden, dass die verbleibenden Undichtheiten im Regelfall nicht ausreichen, um einen dauerhaften Feuchte- und Schimmelschutz zu gewährleisten. Dennoch werden An- lagen zur kontrollierten Wohnraumlüftung in Österreich derzeit nicht standardmäßig installiert. 19 www.wohnbauforschung.at/index.php?id=392 20 www.ibo.at/fileadmin/ibo/materialoekologie/OI3_Berechnungsleitfaden_ V4.0_20181025.pdf Kapitel 5, Wegweisende Schritte zum Gebäude der Zukunft Kapitel 5, Wegweisende Schritte zum Gebäude der Zukunft
6. Ausgewählte Wiener Leuchtturm-Projekte 22 Die Wohnsiedlung in der Mühlgrundgasse in Wien 22 mit 160 Wohneinheiten zeigt, wie Gebäude künftig konditioniert wer- den können. Das hat dem Projekt den Ruf eingebracht, ein „Game Changer“ zu sein, ein wichtiger Baustein für die Stadt der Zukunft. Das neue und außergewöhnliche ist der erst- malige Einsatz von thermischer Bauteilaktivierung (TBA) zum Heizen und Kühlen im sozialen Wohnbau – vorrangig mit Wind- energie. Die Technologie ist bestechend einfach: der Beton wird über integrierte Rohrsysteme „aktiviert“, in denen je nach Heiz- oder Kühlzweck warmes oder kaltes Wasser fließt. Die große Masse des Bauteils wirkt gleichzeitig als Pufferspeicher, der Temperaturfluss erfolgt über die gesamte Oberfläche. Die Größe dieser Übertragungsfläche bedingt beim Heizen eine niedrigere Vorlauftemperatur als bei kleineren Wärmeabgabe- systemen, die besten Voraussetzungen für den effizientesten Einsatz von Wärmepumpen. Mit Sole / Wasser-Wärmepumpen in Verbindung mit 30 Erdwärme-Tiefensonden mit je 150 Me- ter Tiefe, wird je nach Bedarfsfall geheizt oder gekühlt, wobei zusätzlich auch ein intersaisonaler Erdwärmespeicher genutzt wird. Ein weiterer positiver Effekt liegt d arin, dass die Wärme- pumpen mit Hilfe eines Windstrom-Lastmanagements be- trieben werden, womit zu Zeiten, da im Netz ein Überschuss durch Windenergie vorhanden ist, diese in Form von Wärme in Beton eingespeichert wird. Das Bauprojekt ist im schnell und „smart“ wachsenden In diesem Kapitel soll anhand von ausgewählten, erfolgreich Wiener Osten angesiedelt, der bis hin zur Seestadt Aspern realisierten Vorzeigebeispielen illustriert werden, wie innova- wie kein anderes Gebiet als ein Versuchsfeld für die Neuge- tive Technologien neuen Konzepten zum Durchbruch ver- staltung urbanen Raums steht. Die Gebäude selbst werden helfen. Was sich hier ebenfalls widerspiegelt ist ein zuneh- im Niedrigenergiehausstandard errichtet, mit einem Heiz- mend ganzheitlicher Ansatz, der in der Entwicklung von wärmebedarf von 24 – 28 kWh / m²a. www.mgg22.at gebäudezentrierten Konzepten wie dem Passivhaus hin zu den umfassenden Strategien im Smart City Konzept findet. Gleichzeitig soll hier auch aufgezeigt werden, wie facetten- reich und vielseitig gestaltbar die Herangehensweise an ein Green Building sein kann und welche Ergebnisse die wirt- Wohnprojekt in der Mühlgrundgasse als „Game Change“, © wohnbund:consult schaftsnahe Forschung und Entwicklung in Wien hervorge- bracht hat. 6.1 Bauteilaktivierung als Baustein für die Stadt der Zukunft „Das Projekt MGG22 trägt dazu bei, dass wir die notwendigen vorhandenen Betonbauteile eines Gebäudes mit einer einfachen Lösung sinnvoll als Speichermasse nutzen können. Hinzu kommt, dass wir erneuerbare Energie dann verwenden, wenn sie im ‚Überfluss‘ vorhanden ist.“ Harald Kuster, Experte für Bauteil aktivierung, Geschäftsführer bei Future is now, Kuster Energielösungen GmbH Kapitel 6, Ausgewählte Wiener Leuchtturm-Projekte
24 Plusenergie-Hochhaus am Getreidemarkt, © Schöberl & Pöll GmbH 6.2 Das virtuelle Kraft- Die Aspern Smart City Research (ASCR) hat ein intelligentes Gebäude-Energie-Managementsystem (BEMS) implemen- werk – Studierenden- tiert. Das Gebäude verbraucht, steuert und handelt seine Energie vollautomatisch – und es springt flexibel ein, um das heim GreenHouse Stromnetz zu stabilisieren. Neben der Eigenverbrauchsopti- mierung wird also erforscht, wie Gebäude ihre Flexibilitäten zur Stützung des lokalen Mittel- und Niederspannungsnetzes Dieses Beispiel zeigt, welchen Effekt der kombinierte Einsatz anbieten bzw. als aktive Teilnehmende am Strommarkt agie- verschiedener, teils neuer Technologien auf die Gesamt-Per- ren können. Mit dem auf diesem Prinzip beruhenden virtuellen formance eines Gebäudes haben kann und welche Qualität Kraftwerk können schon heute Gewerbekundinnen über- sich daraus für die Bewohnerinnen und Bewohner und für den schüssigen Strom als Regelenergie verkaufen, zusätzliche urbanen Verbund ergibt. Das spiegeln auch folgende Zertifi- Erlöse generieren und zur Netzstabilität beitragen. Solche zierungen und Bewertungen wider: Passivhaus Plus (PHI zer- Energiepool-Manager können auch zehntausende private tifiziert), 1000 klimaaktiv-Punkte, 905 ÖGNB-Punkte, vom Solaranlagen und Wärmepumpen intelligent aufeinander ab- ÖGNB für seine Nachhaltigkeit ausgezeichnet! stimmen. Das Studierendenheim GreenHouse bietet mit einer Net- tonutzfläche von 14.600 Quadratmetern 313 Wohnplätze an 6.3 Das Plus-Energie- und ist im Passivhaus Plus Standard realisiert. Die Wärme- und Warmwasserversorgung erfolgen durch Fernwärme. Die Bürogebäude – Photovoltaikanlage befindet sich am Dach des Studierenden- heims. Sie ist mit 738 Hochleistungsmodulen ausgestattet TU-Hochhaus am und hat eine Leistung von 222 Kilowattpeak (kWp). Die Jah- reserzeugung beträgt 218.000 kWh. Sie deckt bei voller Son- Getreidemarkt neneinstrahlung den gesamten elektrischen Bedarf des Heims. Das beinhaltet die 313 Wohneinheiten, die elektrische Warmwasseraufbereitung sowie Beleuchtung und andere allgemeine Verbraucher des Gebäudes. „Die Sanierung des alten TU-Hoch- Das ehemalige Chemie-Hochhaus der TU Wien mit einer Net- hauses in das weltweit erste Plus- „Je dezentraler die Stromerzeugung togrundfläche von 13.500 Quadratmetern auf elf Stockwer- Energie-Bürohochhaus zeigt, was ken, wurde im Zuge einer Generalsanierung zu Österreichs wird, umso vernetzter muss das mit den richtigen Energiesparmaß- größtem Plus-Energie-Bürogebäude umfunktioniert und Gesamtsystem werden. Allein bis gleichzeitig zu einem weltweit einzigartigen Vorzeigeobjekt. nahmen alles möglich ist. Wir haben 2030 sollen zusätzliche 30 TWh Bemerkenswert ist, dass hier mit einem bestehenden Hoch- für das Gebäude keine überdurch- erneuerbare Energie ins Netz ein- haus aus den 70er-Jahren der Plus-Energie-Standard erreicht schnittlich komplexen Techniken werden konnte – primärenergetisch, am Standort. gespeist werden. Das kann z u angewandt, aber durch die akribi- Möglich wurde das durch eine Gebäudehülle im Passiv- Schwankungen führen. Damit die haus-Standard, ergänzt durch eine hochenergieeffiziente sche Analyse und Optimierung von Stabilität des Stromnetzes weiter Haustechnik. Dazu zählt eine thermische Bauteilaktivierung über 9.300 Einzelkomponenten gewährleistet ist, sind alle Kompo- in Form von aktivierten Estrichen zum Heizen und Kühlen, eine konnten wir diese extreme Energie- Lüftungsanlage mit minimalen Druckverlusten – ohne Heiz- nenten gefragt – von den Erzeu- einsparung erzielen. Das Projekt und Kühlregister, eine Kernlüftung zur automatisierten Nacht- gungsanlagen, über Verbraucher, zeichnet sich durch seine Multipli- lüftung und Kühlenergieeinsparung. Speicher, bis zu ganzen Gebäuden. Die Kernbereiche für die Energieerzeugung sind die Fas- zierbarkeit aus und beweist somit Denn in einem von immer höherer sade mit der bis dato größten gebäudeintegrierten Photo- seinen Wert für die Zukunft.“ voltaikanlage Österreichs (230,6 kWp), die PV-Dachanlage Volatilität und von zahlreichen dezen Helmut Schöberl, Experte für energie mit 97,8 kWp und die Abwärmenutzung aus dem Serverraum tralen Anlagen geprägten Energie- effiziente Gebäude, Geschäftsführer von für die Bauteilaktivierung, womit ein Großteil des Heizenergie- system ist der Gebäudesektor ein Schöberl & Pöll GmbH bedarfs abgedeckt werden kann. Darüber hinaus wird selbst wesentlicher Baustein für eine er- mit Energierückgewinnung aus dem Betrieb der Aufzüge ein folgreiche Energiewende. Die in Beitrag zur Erreichung des Plusenergie-Standards geleistet. Ermöglicht wird dies auch dadurch, dass in diesem Gebäude ASCR getesteten Lösungen führen unzählige Innovationen stecken, die hervorragend illustrieren unser Energiesystem in die Zukunft was „State of the art“ im Hinblick auf die maximal erzielbare und haben enormes Potenzial.“ Energieeffizienz bedeutet! Wien Energie Die Qualität, die dieses Gebäude bietet, ist auch an den 983 erreichten Punkten im Gebäudezertifikat TQB unmittelbar erkennbar. Kapitel 6, Ausgewählte Wiener Leuchtturm-Projekte Kapitel 6, Ausgewählte Wiener Leuchtturm-Projekte
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