HEIMAT WESTFALEN - HEIMAT UND SCHULE - REGIONALES PÄDAGOGISCH NUTZEN - WESTFÄLISCHER HEIMATBUND
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I N H A LT 3 Editorial WANdErN IM MüNSTErLANd HEIMAT uNd ScHuLE – rEgIoNALES pädAgogIScH NuTzEN 43 Neuer Wander- und Radweg MAX am Max-Clemens-Kanal eröffnet 4 dörTHE gruTTMANN Regionales Lernen in der Migrationsgesellschaft – WHB-SEMINArE Heimat als Lernangebot für die Schule – 44 Aktuelle Fortbildungen des WHB Eine Tagung in Kooperation mit Bildungspartner NRW NEuE MITgLIEdEr IM WHB 12 rAINEr oHLIgEr 45 Heimat- und Geschichtsverein für Beckum und die Beckumer Heimat in der Migrationsgesellschaft – Berge e. V. Eine Zukunftsperspektive für die Bildungsarbeit mit Schulen ENgAgIErT Vor orT 20 FrANzISkA HAckENES uNd MArkuS köSTEr 46 Heimatmacher-Praxisbeispiele aus Ihrer Arbeit Pädagogische Landkarte – Das Internetportal für außerschulische Lernorte in NRW – Heimatvereine TAguNgEN uNd VErANSTALTuNgEN als außerschulische Lernorte etablieren 50 KULTUR.MACHT.HEIMATen. Heimat als kulturpolitische Herausforderung – 10. Kulturpolitischer Bundeskongress 24 MANFrEd gröMpINg uNd THoMAS ScHLüTEr vom 27.-28. Juni 2019 in Berlin Best Practice: Funktionierende Kooperation von Schulen 51 Rückblick auf den Kreisheimattag Gütersloh in Marienfeld und Heimatvereinen in Raesfeld und Erle am 11. Mai 2019 28 JuNgES ENgAgEMENT NAcHrIcHTEN uNd NoTIzEN Justus Rose – Ortsheimatpfleger in Bestwig 52 100 Jahre Niederdeutsche Bühne am Theater Münster 53 Engagierte Arbeitsgemeinschaft erforscht seit 1986 MEINE HEIMAT WESTFALEN Geschichte des Hattinger Bergbaus 30 Hans-Jürgen Friedrichs, Hochsauerlandkreis prEISE uNd AuSScHrEIBuNgEN AuS gEScHäFTSSTELLE uNd grEMIEN 54 Übersicht zu Fördermitteln für Museen – LWL-Museums- 31 Einladung zum Westfalentag nach Hattingen amt für Westfalen stellt Download zur Verfügung 32 BHU-Jahrestagung beim Westfälischen Heimatbund zu Gast 34 WHB unterzeichnet Resolution „Haltung zeigen für die dANk uNd ANErkENNuNg Heimat“ 55 Nachruf Magdalena Padberg SErVIcEBüro WHB NEuErScHEINuNgEN 36 Projekt Kulturstrolche bringt Grundschüler mit lokalen 56 Gesammeldes Allerlei off Borbijer Bladd (und auf Hochdeutsch!) Kultureinrichtungen, Heimatvereinen und freien Künstlern 56 Die Soziale Marktwirtschaft – Made in Vreden zusammen 57 Spökenkieker 38 Das Institut für vergleichende Städtegeschichte in 57 ORTEN. Auf der Suche nach Heimat (DVD und Begleitheft) Münster – Serviceangebote für die lokale Geschichtsarbeit BucHBESprEcHuNgEN WHB-proJEkTE 58 Sakrale Kunst in Rietberg 42 Eine neue Heimat für das Bildarchiv des Westfälischen Heimatbundes – Volkskundliche Kommission übernimmt Fotosammlung HEIMAT WESTFALEN ISSN 2569-2178 / 32. Jahrgang, Ausgabe 4/2019 Herausgeber: Westfälischer Heimatbund e. V. · Kaiser-Wilhelm-Ring 3 · 48145 Münster. Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Silke Eilers Telefon: 0251 203810 - 0 · Fax: 0251 203810 - 29 E-Mail: whb@whb.nrw · Internet: www.whb.nrw Schriftleitung: Dr. Silke Eilers redaktion: Dr. Silke Eilers, Dörthe Gruttmann, Frauke Hoffschulte, Christiane Liedtke, Sarah Pfeil Layout: Gaby Bonn, Münster druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH, Hamm Für namentlich gezeichnete Beiträge sind die Verfasser persönlich verantwortlich. Diese Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember. Gefördert von: Titelbild: Schüler erarbeiten sich die Inhalte der lokalgeschichtlichen Dauerausstellung in der St.-Sebastian-Schule in Raesfeld. Foto/ Manfred Grömping
e d it o r ial D er Erhalt, die Vermittlung und Entwicklung regionaler Kultur und Natur – das sind ge- sellschaftsrelevante Themen und zugleich wertvolle pädagogische Zielsetzungen. Die Relevanz der Begegnung mit authentischen Objekten und Orten ist von Pädagogen bereits vor Jahrhunderten erkannt worden. Die Auseinanderset- zung mit regionaler Natur, Kultur und Geschichte befähigt zu persönlichem Erkenntnisgewinn durch Foto/ Greta Schüttemeyer eigenes Erleben. Oft verfügen Heimatakteurinnen und -akteure bereits über attraktive außerschulische Lernangebote, die durch Vielfalt der Methoden und Zugangsweisen bei jungen Menschen Interesse wecken und Aufnahme- bereitschaft fördern können. Sie verhelfen zu unmittelbaren Erfahrungen, die nicht durch den Wissenstrans- fer durch Lehrkräfte, Schulbücher oder das Internet ersetzt werden können. Wie können Heimatvereine und Heimatpfleger mit Kitas und Schulen sinnvoll kooperieren? Welchen Stellenwert hat Heimat überhaupt im Schulunterricht, und wie kann dem Thema gegebenenfalls mehr Raum und Bedeutung gegeben werden? Auch dies sind Anknüpfungspunkte für den WHB in seinem Jahresschwerpunkt „Heimat für Kinder und Jugendliche“. In der vierten Ausgabe der Heimat Westfalen steht dementsprechend die Verbindung von Heimat und Schule im Fokus. In einer gemeinsamen Tagung in Hamm haben Bildungspartner NRW und WHB regionales Lernen in der Migrationsgesellschaft in den Blick genommen. Ergänzend zum Bericht von Historikerin Dörthe Gruttmann beleuchtet Rainer Ohliger, ebenfalls Historiker und Sozialwissenschaftler, die Anschlussfähigkeit von Heimat für schulische Kontexte. Das breite Spektrum außerschulischer Lernorte verdeutlicht das Internetportal Päd- agogische Landkarte NRW. In unseren Rubriken wird unter anderem das Projekt Kulturstrolche, das Begegnungen zwischen Kindern und Kultur schafft, vorgestellt. Zudem werden die Serviceangebote des Instituts für vergleichende Städte- geschichte von Dr. Angelika Lampen veranschaulicht. Besonders hinweisen möchte ich noch auf die Resolution „Haltung zeigen für die Heimat“, die der WHB gemeinsam mit dem BHU und seinen weiteren Landesverbänden Anfang Juli verabschiedet hat. Heimat beruht auf der gesellschaftlichen Teilhabe vieler. Ich danke Ihnen in diesem Zusammenhang für Ihr vielfältiges ehren- amtliches Engagement, mit welchem Sie einen wesentlichen Beitrag für das soziale Miteinander und die Lebens- qualität vor Ort leisten. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam Heimat weltoffen und zukunftsgewandt gestalten! Herzliche Grüße Ihre Dr. Silke Eilers Geschäftsführerin des WHB HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 3
HEIMAT uNd ScHuLE Foto/ WavebreakMediaMicro – stock.adobe.com rEgIoNALES LErNEN IN dEr MIgrATIoNS- gESELLScHAFT – HEIMAT ALS LErNANgEBoT Für dIE ScHuLE EINE TAguNg IN koopErATIoN MIT BILduNgSpArTNEr NrW VoN dörTHE gruTTMANN 4 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen D as diesjährige WHB-Themenjahr „Heimat für Kinder und Jugendliche“ setzt sich damit ausein- ander, was Heimat für junge Menschen aktuell bedeutet und wie man sie dabei unterstützen kann, sich Heimat zu erschließen und diese aktiv mitzugestalten. Um Antworten hierauf zu finden, realisiert der WHB in 2019 etliche Veranstaltungen in Kooperation mit kom- petenten Partnern. Über die dreiteilige Tagungsreihe in Kooperation mit der Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung NRW“, auf der ehrenamtliche Projekte für Kinder und Die Teilnehmer des Eröffnungsgespräches Jugendliche vorgestellt werden, berichteten wir bei- Foto/ Andreas Weinhold/ Bildungspartner NRW spielsweise bereits in unserer vorherigen Ausgabe. Thematisch enger gefasst war die Tagung, die der WHB und vermittelt Einblicke in die Geschichte der Orte und gemeinsam mit Bildungspartner NRW am 5. Juni im Landschaften, zugleich in gegenwärtige Herausforde- Gustav-Lübcke-Museum in Hamm durchführte. Hier rungen. Es kann Verständnis für die Vielfalt von Kultur gingen Referenten und Teilnehmende der Frage nach, und Gesellschaft wecken“, so Eilers. Viele außerschuli- wie Angebote von ehrenamtlichen Akteurinnen und Akteuren gestaltet „Wie können wir Schülerinnen und Schülern ihr Lebensumfeld sein sollten, damit sie von Schulen nahebringen und auf welche Weise kann regionales Lernen in nachgefragt werden. Wie können wir Schülerinnen und Schülern ihr unserer von Migration geprägten Gesellschaft funktionieren?“ Lebensumfeld nahebringen und auf welche Weise kann regionales Lernen in unserer von sche Lernorte und Heimatakteure böten bereits Angebo- Migration geprägten Gesellschaft funktionieren? te des regionalen Lernens. Es sei das Ziel von WHB und Bildungspartner NRW, Lehrkräften und Heimataktiven In ihrer Begrüßung thematisierte die Leiterin der Ab- Impulse für eine gemeinsame Arbeit zu geben. Dabei teilung Stadtgeschichte des Gustav-Lübcke-Museums, stünden Fragen im Fokus wie zum Beispiel: Wie soll- Dr. Maria Perrefort, den emotional aufgeladenen Heimat- ten Lernangebote beschaffen sein, um junge Menschen begriff, der durch ein dynamisches Konzept geprägt sein zu erreichen? Wie sind diese gerade auch in unserer sollte, welches viele – individuell unterschiedene – Hei- Migrationsgesellschaft anschlussfähig? Wie kann die Mi- maten zulässt. Dazu passe auch die Stadt- und regional- grationsgeschichte der Regionen ebenfalls in regionales geschichtliche Ausstellung des Gustav-Lübcke-Museums Lernen einbezogen werden? – als ein Entwurf zur Heimatgeschichte – die vielfältig sei und einen großen Zeitraum abdecke, so Perrefort. An dem von Eilers anschließend moderierten Eröff- nungsgespräch nahmen Prof. Dr. Markus Köster, Leiter des LWL-Medienzentrums für Westfalen sowie stellvertre- Vielfalt in der Heimat – tender Leiter von Bildungspartner NRW, Michael Eckhoff, Eröffnungsgespräch Stadtheimatpfleger von Hagen, Vorsitzender des Hagener Heimatbundes e. V. und Pressesprecher des Hasper Hei- Dr. Silke Eilers, Geschäftsführerin des WHB, griff in ihrer mat und Brauchtum-Vereins von 1861 e. V., Gerda Küper, Begrüßung die Worte Perreforts in Bezug auf den Hei- Lehrerin an der Hermann-Leeser-Realschule in Dülmen matbegriff auf und verwies darauf, dass Heimat etwas sowie die Schülerin Preyanka Chuntharakannan vom Dynamisches, in steter Veränderung Begriffenes sei, das Märkischen Gymnasium in Hamm teil. Hierbei ging es sich durch Austausch wandle. Heimat werde aktiv ge- darum, sich dem Thema Heimat für Schülerinnen und staltet und sei eine Einladung für jene, die zu uns kom- Schüler aus unterschiedlichen Positionen zu nähern und men. „Regionales Lernen ermöglicht Zugänge zur Welt dessen Rolle im Schulbereich zu beleuchten. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 5
heimat und schule kann. Dies stellt eine wichtige Ergänzung zu Schulbü- chern dar, die nicht lokal orientiert sind.“ Gerda Küper machte in ihrer Funktion als Lehrerin da- rauf aufmerksam, dass Heimat im Lehrplan bei weiter- führenden Schulen nicht verankert sei, während in der Grundschule heimatkundliche Aspekte zumindest im Sachunterricht thematisiert würden. „Es muss gekämpft werden, dass der Bereich Heimat und Lokalgeschichte irgendwie im Lehrplan verankert wird“, erklärte Küper. In Dülmen hätten die Anstrengungen bereits Erfolge ver- zeichnet. Ein Beispiel sei das erfolgreich in Kooperation von Geschichts-AG der Realschule, Stadtarchiv und Hei- matverein durchgeführte Projekt der Erstellung einer Gra- phic Novel zur Lebensgeschichte von Helga Becker-Leeser. Dörfliche und groSSstädtische Strukturen verlangen unterschiedliche Ansätze Michael Eckhoff hat durch seine vielfältigen ehrenamtli- chen Funktionen in Hagen und Umgebung bereits viele Erfahrungen in der Projektarbeit mit Schülerinnen und Schülern sammeln können. Er erachtet bei der Thematik regionales Lernen in der Migrationsgesellschaft eine Dif- ferenzierung zwischen eher dörflichen, kleinstädtischen Strukturen und mittel- sowie großstädtischem Kontext Lernen im Nahraum: Kindern lernen heimische Pflanzen auf der wie etwa im Ruhrgebiet für wichtig. Hier gebe es noch „Zechen -Safari“ im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall einmal spezifische Herausforderungen durch den hohen in Witten kennen. Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshin- Foto/ Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen tergrund. In Hagen etwa habe jeder zweite junge Mensch unter 18 einen Migrationshintergrund, der Anteil liege damit deutlich höher als im NRW-Durchschnitt. Markus Köster stellte aus seinem Arbeitsfeld das Kon- In der Gesprächsrunde stellte er ein gelungenes und zept der Bildungspartnerschaften vor und erläuterte, in weniger gelungenes Beispiel aus seiner Arbeit mit Schu- welchen Bereichen bereits derartige Kooperationen be- len vor. In einer Arbeitsgruppe zum Thema „Kulturer- stehen. Die beteiligten Einrichtungen reichen von Archi- be Europa“ war die Idee entstanden, die 2010 von den ven, Bibliotheken, Bühnen, Museen und Gedenkstätten Landschaftsverbänden Westfalen und Rheinland konzi- über Medienzentren, Einrichtungen der Umweltbildung pierte Ausstellung „Fremde Impulse“ nach Hagen zu ho- und der naturwissenschaftlichen Bildung bis hin zu Mu- len. Die AG aus städtischem Europabüro, pädagogischer sikschulen, Volkshochschulen und Sportvereinen. Mehr Abteilung des Fachbereichs Kultur (u. a. mit dem Stadt- als 1.300 Schulen und über 400 außerschulische Part- museum) und Stadtheimatpfleger wollten die Schau mit ner sind bereits Bildungspartner NRW. Sie verabreden Schüler-Aktionen ergänzen. Zahlreiche Schulen seien gemeinsame Ziele und eine verbindliche Umsetzung. Ge- gebeten worden, sich mit dem Thema kreativ auseinan- fragt nach der Relevanz von regionalem Lernen antwor- derzusetzen und Beiträge einzureichen. Um die Sache tete Köster: „Der Vorteil von regionalem Lernen ist, dass attraktiver zu machen, seien Geldpreise für die Klassen- man den Nahraum als Erlebnisraum begreifbar machen kassen ausgelobt worden. Letztlich hätten nur wenige 6 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Schulklassen mitgemacht. Die Chance, via Ausstel- kaum über das Thema Heimat gesprochen, auch außer- lung zu einer Auseinandersetzung im Hinblick auf die schulische Lernorte würden keine nennenswerte Rolle reichhaltige und spannende Migrationsgeschichte Ha- spielen, so die Schülerin. Lediglich in der AG „Schule ge- gens zu kommen, habe letztlich in diesem Zusammen- gen Rassismus“ komme der Aspekt Heimat zur Sprache. hang keine Schule genutzt. Dabei ist Chuntharakannan der Überzeugung, dass sich viele Schülerinnen und Schüler durchaus für das Thema E rfolgreich war hingegen ein Projekt in der 1997 interessieren. stillgelegten Textilfabrik Elbers, die sich als außerschulischer Lernort anbot. Hier sei es ge- Gerda Küper fügte den Aussagen der Gymnasiastin lungen, Kindern und Jugendlichen die Tür zu Kunst hinzu, dass ihrem Verständnis nach Heimat nichts mit und Kultur weit zu öffnen. Eckhoff habe eine Kultur- Migrationshintergrund zu tun habe. „Viele Kinder sind Fachfrau aus der benachbarten Stadtbücherei und beispielsweise durch die Trennung der Eltern heimat- den im Ruhrgebiet bekannten Rapper Gandhi Chahi- los geworden.“ Deshalb werde in der Herrmann-Leeser- ne sowie einen Lehrer einer Hauptschulklasse aus der Schule in Dülmen auch das Motto: „Heimat ist nicht da, Elbers-Nachbarschaft für das Projekt gewonnen. Die wo dein Körper ist, sondern wo dein Herz ist!“ hochge- betreffende Klasse, hauptsäch- lich Schülerinnen und Schüler „Der Vorteil von regionalem Lernen ist, dass man den Nahraum mit Migrationshintergrund, als Erlebnisraum begreifbar machen kann. Dies stellt eine wichtige hätten sich über einen längeren Zeitraum mit der Geschichte der Ergänzung zu Schulbüchern dar, die nicht lokal orientiert sind.“ Fabrik beschäftigt und in die- sem Zusammenhang mit Menschrechten, Migration, halten. Das funktioniere ihrer Ansicht nach nur, wenn Gleichberechtigung, Arbeitsleben in Gegenwart und die Akzeptanz des Andersseins vorgelebt werde. Vergangenheit sowie Umweltverschmutzung früher/ Auf die Nachfrage nach Gelingensbedingungen für eine heute auseinandergesetzt. Am Ende habe es noch eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und Heimatverei- größere Veranstaltung in der Stadtbücherei gegeben, nen verwies Markus Köster darauf, dass fehlende Koope- in der die Jugendlichen ihre Erkenntnisse im Rahmen rationen vielfach nicht an den vorhandenen Lehrplänen eines „Poetry Slams“ vorgetragen hätten („Wenn aus scheitern würden. Vielmehr nähmen Lehrkräfte Heimat- Geschichte Worte werden“). Zudem sei eine kleine vereine bisher noch nicht in ausreichendem Maße als Broschüre produziert worden. Finanziert wurde alles geeignete Partner wahr. mit Mitteln des NRW-Kulturrucksacks. „Das Projekt war zwar enorm zeitaufwändig und auch nicht immer Daher sollten Heimatvereine durchaus aktiv auf Schu- ganz einfach durchführbar, dennoch hat es allen Be- len zugehen und den ersten Schritt auf dem Weg einer teiligten – hoffe ich – am Ende viel Spaß gemacht. Und Zusammenarbeit wagen. Wie eine erfolgreiche Partner- die jungen Leute haben wahrscheinlich ihren ‚Heimat- schaft zustande kommen kann, erläutern WHB und Horizont‘ erheblich erweitert“, so Eckhoff. Bildungspartner NRW in einer jüngst publizierten ge- meinsamen Handreichung, die auf der Webseite des WHB Die Schülerin Preyanka Chuntharakannan erklärte auf herunterzuladen ist. die Frage, was für sie Heimat sei: „Ich habe nicht nur Das Dokument ist zu finden unter www.whb.nrw eine Heimat, sondern mehrere.“ Allerdings, so ihre Er- fahrung, werde ihr von anderen Menschen Heimat in Wie können Heimatvereine als Brückenbauer zur Inte- gewisser Hinsicht immer wieder abgesprochen. „Meine gration beitragen? „Diese Frage lässt sich,“ so Michael Familie kommt aus Sri Lanka. Wenn ich dorthin reise, Eckhoff, „nicht pauschal beantworten. Hier kommt es werde ich jedoch als Deutsche abgestempelt. Hier in immer auf die jeweilige Situation vor Ort an.“ Zudem Deutschland werde ich hingegen oftmals nur als Person müsse die Bereitschaft bestehen, die große Altersdiffe- mit Migrationshintergrund wahrgenommen.“ An dem renz zwischen älteren Mitgliedern und Jugendlichen von ihr besuchten Gymnasium werde im Unterricht überwinden zu wollen. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 7
heimat und schule Aus Sicht der Zielgruppe machte Preyanka Chuntharakan- Beispiele. Der aktuelle Buchmarkt verdeutliche ebenso nan deutlich, dass sie sich wünschen würde, dass dem die Bedeutung von Heimat, aber auch die Bedeutung Thema Heimat mehr Raum in der Schule gegeben würde. von Migration im gesellschaftspolitischen Diskurs. Hier- So könnte bereits früh bei Schülern ein Bewusstsein für aus folgerte Ohliger seine Arbeitshypothese: „Heimat die Beschäftigung mit dem Nahraum geschaffen werden. und Migration sind für die lokale Bildung anschlussfä- hige Themen.“ Daraus ergäben sich folgende Fragen: Wo Dass einmal zustande gekommene Kooperationen zwi- sind die thematischen Bezugspunkte und gemeinsamen schen Hauptamt und Ehrenamt durchaus nachhaltige Themenkreise? Wie lassen sich Themen lokalisieren und Impulse geben können, bestätigt Gerda Küper für Dül- in die Praxis umsetzen? Welche Rolle können Heimat- men. Dies sei auf allen Seiten aber immer auch sehr vereine und Schulen (als Kooperationspartner) spielen? stark von den agierenden Personen und ihrem Engage- Und nicht zuletzt: Wo sind Kooperationen möglich und ment abhängig. sinnvoll? Abschließend machte Markus Köster in der Gesprächs- Allein die Bildung von Heimatministerien in Bayern, runde seine Überzeugung deutlich: „Heimat kann in NRW und auf Bundesebene zeige, so Ohliger, dass Hei- der Migrationsgesellschaft funktionieren. Hierbei müs- mat als politischer Begriff und politisches Angebot in sen sich Heimatvereine jedoch etwas von retrospektiven unruhigen Zeiten aufgefasst werde. Die Zentralität von Erzählungen lösen und aktuellen, zukunftsgewandten Identitäts- und Zugehörigkeitsfragen bilde hier eine Fragestellungen öffnen.“ Schnittstelle zur Migrationsgesellschaft. „Bildungspartner NRW kann für die Heimatvereine ein Heimat und Bildung in der Migrations- mögliches Zugangstor für Bildungspartnerschaften gesellschaft – Impulsvortrag und somit das Näherbringen von Heimat für Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund In seinem Impulsvortrag im Anschluss sprach der Histo- darstellen“, ist der Referent überzeugt. Durch die Gegen- riker und Sozialwissenschaftler Rainer Ohliger über ver- überstellung der Strukturen von Heimatvereinen und schiedene Aspekte zum Thema Heimat. Der im Vorstand Schulen scheint auf den ersten Blick eine Kooperation des Netzwerks Migration in Europa Tätige ist selbst Mit- schwierig: Während viele Heimatvereine mit einem glied in einem Berliner Heimatverein und im Kuratorium demografischen Problem kämpften, ihre Themen bei des Bundes Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU). Kindern und Jugendlichen teils wenig Interesse her- vorrufen und mitunter nicht ins Curriculum der Schulen „Heimat kann in der Migrationsgesellschaft funktionieren. Hierbei passen würden sowie die- müssen sich Heimatvereine jedoch etwas von retrospektiven Erzählungen se in der Regel höchstens lösen und aktuellen, zukunftsgewandten Fragestellungen öffnen.“ teildigitalisiert seien, hät- ten Schulen gegensätzliche Strukturen. Sie hätten klare Statt einer Definition des Heimatbegriffes, die nur schwer pädagogische Zielvorgaben, der Besuch beruhe nicht auf möglich sei, so Ohliger in seinen einführenden Worten, Freiwilligkeit (wie die Arbeit in einem Heimatverein), es stellte er aus dem ZEIT-Magazin eine Karikatur von Janosch erfolge eine stetige Digitalisierung und in Bezug auf die vor. Auf dem Bild steht eine Person vor einer Fabrik mit Themenführung gebe es einen engen Zeitplan. rauchenden Schornsteinen. Auf die Frage „Herr Janosch, was ist Heimat?“ antwortet dieser: „Die Heimat ist der Ort, Doch Ohliger macht Mut und ist überzeugt, dass die- wo das Herz auf ewig wohnt, egal ob es dort stinkt.“ se strukturellen Schwierigkeiten überwunden werden können. Auch sollte, so Ohliger, eine Erweiterung von Dass der Begriff auch in politischen und wirtschaftli- Bildungsinhalten und -formen erfolgen, um die Zivilge- chen Kontexten genutzt wird, zeigten weitere visuelle sellschaft mit der Schule zu vernetzen. 8 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Als Beispiel hierfür nannte er die Anknüpfung an aktu- elle Debatten und Bewegungen wie Fridays for future. Abschließend stellte Rainer Ohliger Praxisbeispiele und Ideen als Anregung vor, bei denen es sich um Pro- jekte an der Schnittstelle von Heimat und Migration handelt. Das 2017 beendete Projekt „Wo ich singe, ist meine Heimat!“ aus Südbaden beispielsweise brachte Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwande- rungsgeschichte als auch Eltern und Lehrkräfte im Chor zusammen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl, Tole- ranz und Akzeptanz zu stärken. Heimatvereine sollten neue Kooperationen begründen und bereits bestehende nutzen, ist Ohliger überzeugt. Eine „glokale“ Dimension besäßen beispielsweise Schul- und Städtepartnerschaften. Auch eine stärkere Posi- tionierung von Heimatvereinen im Geflecht anderer lokaler Vereine hält Ohliger für wichtig. Dass dies Her- ausforderungen ebenso wie offene Fragen mit sich brin- ge, zum Beispiel in Bezug auf Formen und Inhalte, sei selbstverständlich. „Heimatinnovation ist ein sozialer Prozess“, so Ohliger, der eine Gruppe unterschiedlicher Akteure und Institutionen benötige, eine Konzeptidee, einen Fahrplan und eine Prozesssteuerung sowie neben einer ausreichenden Finanzierung eine Frustrationsto- Becker-Leeser, Helga: „Von allem etwas …“. Meine jüdische leranz, wenn mal etwas nicht sofort klappen sollte. Kindheit in Dülmen und Rotterdam, 1928–1945. Erinnerungen von Helga Becker-Leeser. Hrsg. von der Geschichts-AG der Hermann-Leeser Schule Dülmen Heimatarbeit in der Praxis – und dem Stadtarchiv Dülmen. Dülmen 2015. Workshops 95 S., ISBN 978-3-00-050390-0, 9,80. . Nach einem gemeinsamen Mittagessen standen den Teil- nehmenden zwei Workshops zur Auswahl. Namensgebers ihrer Schule aufgearbeitet und haben Unter dem Titel „Von allem etwas. Meine jüdische hierfür im Stadtarchiv und beim Heimatverein Dülmen Kindheit in Dülmen und Rotterdam 1928–1945“, stellte recherchiert. Am Ende entstand die von Helga Becker- die Lehrerin Gerda Küper zusammen mit dem Schüler Leeser persönlich aufgeschriebene Geschichte in Form David Alt und Erik Potthof vom Heimatverein Dülmen einer Graphic Novel, die ihre Erinnerungen in Bildern das Projekt des Stadtarchivs Dülmen, der Hermann- und Texten festhält. Das Buch von Jugendlichen für Kin- Leeser-Schule und des Heimatvereins Dülmen zu der und Jugendliche wurde von der Medienberatung des den Erinnerungen der Holocaust-Überlebenden Helga Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Becker-Leeser als Beispiel einer gelungenen Kooperation vor. Im zweiten Workshop am Nachmittag stellten An- dreas Weinhold und Derya-Aylin Lehmeier von Bil- Die Schüler der Geschichts-AG der Hermann-Leeser- dungspartner NRW die Bildungs-App BIPARCOURS Realschule haben über ein Jahr lang außerhalb des vor. BIPARCOURS ist ein kostenloses Lernwerkzeug von Unterrichts die Kindheitsgeschichte der Tochter des Bildungspartner NRW zur Unterstützung schulischen HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 9
heimat und schule Ein Smartphone mit geöffneter BIPARCOURS-App der Bildungspartner NRW Foto/ Anne Neier © LWL-Medienzentrum für Westfalen Lernens und außerschulischer Lernorte in NRW. Die Fortbildung. Allerding ist die App nur in Nordrhein- Anwendung wurde zur Entwicklung digitaler Lernange- Westfalen verfügbar, da es ein kostenfreies Angebot des bote für schulische Lerngruppen innerhalb der Schule Landes ist. und an außerschulischen Lernorten konzipiert. Vor- aussetzung für die Nutzung durch einen Heimatverein Bei den Spielen kann es sich um Einzel- oder Gruppen- ist, das eine Bildungspartnerschaft eingegangen wird. spiele handeln, die unterschiedliche Aufgabenformate Eine eigenständige Bildungspartnerschaft mit Schulen haben können. Manche Spiele können nur an einem können Heimatvereine eingehen, wenn sie über einen außerschulischen Lernort gespielt werden und manche eigenen archivischen oder musealen Ausstellungsort nur im Unterricht. „Die Potenziale der App sind vielfäl- (Heimatmuseum etc.) bzw. eine Natur- oder Umweltbil- tig,“ erläutert Weinhold. Sie ermöglicht die Zeitlichkeit dungseinrichtung verfügen. Ohne diese Voraussetzung und Geschichte des Nahraums zu entdecken und zu besteht die Möglichkeit, in Kooperation mit einer kom- erschließen. Bei der Begehung eines außerschulischen munalen Bildungs- oder Kultureinrichtung Bildungs- Lernortes kann die App zusätzliche Informationen lie- partner von Schulen zu werden. fern. Indem man selbst Autor eines Parcours wird, kann man sich neues Wissen aneignen. Die Lernwirksamkeit w as macht BIPARCOURS aus? Derya-Aylin ist bei Schülern höher, wenn sie den Parcours selbst Lehmeier stellte die App näher vor: „Sie be- erstellen. Zudem ermöglicht die App kulturelle Teil- inhaltet digitale Lernangebote in Form von habe und Mitwirkung an lokalen Kulturangeboten für Spielen. Es stehen bereits über 4.000 davon in der App Schüler unterschiedlicher sozialer Herkunft, was eine zur Verfügung.“ Ein sogenannter Parcours, ein Wissens- Demokratieerfahrung darstellt. Durch diese Form der Quiz, kann von den Beteiligten, also von Schulen in Medienbildung lernen die Teilnehmer gleichzeitig die NRW, von außerschulischen Lernorten oder von Multi- Chancen und Beschränkungen digitaler Lern- und In- plikatoren, am Computer selbst erstellt werden und ist formationsangebote zu erkennen. anschließend in der App verfügbar. Zielgruppen und Die Grenzen der App kamen ebenfalls zur Sprache. Nutzer sind Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer in Denn die App kann Lernmittel ergänzen, aber nicht 10 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Schüler vor einem Stolper- stein auf dem Gehweg Foto/ Andreas Weinhold/ Bildungspartner NRW ersetzen. Ethische Grenzen, zum Beispiel bei Bildern, Muhammad Waqas erklärte dazu: „Es braucht mehr als müssen ebenso beachtet werden wie die Grenzen des einen Pass für Heimat. Ich muss mich wohlfühlen.“ Spiels als Vermittlungsform. Zudem hänge viel von Die Frage „Wie schafft man Nachhaltigkeit?“ beant- der digitalen Ausstattung der Schulen ab. Letztend- worteten die Moderatoren der Workshops mit dem Ver- lich beruht die Wissensvermittlung darauf, was die weis, dass die Schüler einen positiven und nachhaltigen Ersteller eines Parcours erarbeiten. Es gibt keine Kon- Eindruck von einem Projekt bekommen müssten. Das in trollinstanz, die überprüft, ob die Inhalte, die ver- Dülmen entstandene Buch zum Beispiel sei nachhaltig, mittelt werden sollen, korrekt sind. Auch müssen die es besäße Erinnerungscharakter. Erik Potthof erläuter- Autoren die erstellten Lernangebote selbst aktualisie- te, dass ein situativer Ansatz hilfreich sein kann. „Man ren. Weitere Informationen zur App finden sich unter muss sich immer neu fragen, wie man Schüler errei- https://biparcours.de/ chen kann. Man muss kreativ bleiben, Sensibilität zei- gen und Schule nicht als einzigen Partner betrachten.“ Um das umzusetzen, arbeite der Heimatverein Dülmen Heimat als Integrationsfaktor – derzeit beispielsweise an einem App-Projekt. Schlussdiskussion Mit der Frage, wie Migration in Projekte integriert wer- Zum Abschluss der Tagung moderierte Rainer Ohliger den könne, schloss die Gesprächsrunde. Erik Potthoff eine Diskussionsrunde, an der neben den Workshopmo- verwies darauf, dass der Erlös der Buchverkäufe in den deratoren Derya-Aylin Lehmeier und Erik Potthof auch Kauf von Büchern, die sich unter anderem mit Migrati- die Schüler Muhammad Waqas vom St. Franziskus- onsgeschichte auseinandersetzen, für Klassen investiert Berufskolleg und Andrea Krysmalski vom Elisabeth- werde. Derya-Aylin Lehmeier erläuterte die vielfältigen Lüders-Berufskolleg in Hamm teilnahmen. Hier wurden Beteiligungsmöglichkeiten von Schülern bei der Erstel- noch einmal die Ergebnisse der beiden Workshops resü- lung von Spielen für die App, die unabhängig von Natio- miert und insgesamt sehr positiv bewertet. nalität und sozialer Herkunft sei. Im Anschluss wurden die Aussagen des Tages im Aus- Auf die Frage nach der Übertragbarkeit beziehungswei- tausch mit dem Publikum auf den Prüfstand gestellt. se Identifizierung mit dem eigenen Leben sahen sich die Hierbei wurde noch einmal von Teilnehmern auf Schwie- Schüler in gewisser Weise durch die Lebensgeschichte von rigkeiten in der Praxis verwiesen, jedoch gleichzeitig Helga Becker-Leeser repräsentiert, haben doch beide ent- auch auf die positiven Auswirkungen von Kooperationen weder persönliche oder familiäre Erfahrung mit Formen und deren Potenziale aufmerksam gemacht. Die Tagung der Migration gemacht. Andrea Krysmalski beurteilte zu- hat vielfältige Anregungen geliefert und den Teilnehmen- dem, dass durch die Tagung für sie der Begriff Heimat den Impulse gegeben, sich weiterhin oder ganz neu mit verständlicher geworden sei. Der aus Pakistan stammende Ideen zu Bildungskooperationen auseinanderzusetzen. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 11
HEIMAT uNd ScHuLE HEIMAT IN dEr MIgrATIoNSgESELLScHAFT EINE zukuNFTSpErSpEkTIVE Für dIE BILduNgSArBEIT MIT ScHuLEN VoN rAINEr oHLIgEr Museumspädagogisches kinderprogramm zur Handweberei in der Museumsfabrik im LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt Foto/ Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen 12 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Ausgangsüberlegungen: Nicht ver- Menschen, die um ihre Heimat besorgt sind, zu er- reichen und gleichzeitig diejenigen, die nach Heimat zahnte Debatten Heimat und Migration suchen, bei ihrer Be-Heimatung zu unterstützen. Zwei große gesellschaftspolitische Themen stehen in den Heimat in der Migrationsgesellschaft ist noch weitge- letzten Jahren im Mittelpunkt öffentlicher Debatten: Mi- hend eine Leerstelle, die es klug zu füllen gilt. Hier er- gration und Heimat. Die Frage nach der Rolle und Re- geben sich somit auch große Herausforderungen für die gulierung von Migration ist schon seit mindestens drei praktische Arbeit von Heimatvereinen und deren Dach- Jahrzehnten ein thematischer Dau- erbrenner. Mit der Fluchtmigration der Jahre 2015/2016 hat dieses Thema „Heimat in der Migrationsgesellschaft ist noch weitgehend eine aber noch einmal ungeahnte Fahrt Leerstelle, die es klug zu füllen gilt.“ aufgenommen. Es ist (neben Umwelt- und Klimapolitik) eines der heißen Eisen, an dem sich die organisationen auf der Länder- und Bundesebene. Dafür deutsche und europäische Gesellschaft zurzeit spaltet. müssen verschiedene Fragen systematisch beantwortet, konzeptionell durchdacht und strategisch angegangen Das Thema Heimat als gesellschaftspolitische Debatte werden. Einige kurze und kursorische Überlegungen ist hingegen ein Newcomer auf der Bühne der Ausein- seien dazu hier angerissen, vor allem mit Blick auf andersetzungen. Es galt lange als für Politik und Gesell- die Möglichkeiten, die Bildungsarbeit in der Migra- schaft irrelevantes Sujet, für viele ob der schwierigen tionsgesellschaft, insbesondere an Schulen, stärker mit Geschichte von Heimat und Heimatpolitik auch als außerschulischen Angeboten (von Heimat- und Bürger- „Schmuddelthema“, das man aus dem politischen vereinen) zu verzahnen. Raum fernhalten wollte. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Bezeichnend war dafür die Gründung von Heimatministerien, erst in Bayern und Nordrhein- Traditionen und Traditionsbrüche Westfalen, dann auch auf der Bundesebene, wo das The- ma Heimat dem Innenministerium mit einer neuen, Heimat spielte vom Ende des 19. Jahrhunderts, als sich großen Abteilung unterstellt wurde. Diese politischen die Heimatbewegung formierte und politisierte, in der und institutionellen Entscheidungen waren von gro- schulischen Arbeit bis zum Ende der 1960er- bzw. bis ßen öffentlichen und medialen Debatten um das The- in die frühen 1970er-Jahre in der Schule eine wichtige ma Heimat begleitet. Sie kulminierten in zahlreichen Rolle. Diese spiegelte sich im Fach Heimatkunde wider, Artikeln, Berichten und Tagungen, vor allem im und das in Grund- und Volkschulen ein wichtiger Baustein seit dem Jahr 2018. Das Thema lag also offensichtlich des Fächerangebotes und der schulischen Rahmenricht- jenseits der Neugründungen von Institutionen im poli- linien (Curricula) war. Mit der Reformdebatte und -bewe- tischen Raum in der Luft. Es hat einen Nerv der Gesell- gung seit 1968 und der Herausbildung eines reflexiven schaft getroffen. und kritischen Heimatbegriffs verschwand die Heimat- kunde aus dem Fächerkanon der Schulen in den mei- Betrachtet man die beiden großen Debatten um Migrati- sten Bundesländern. on und Heimat, fällt auf, dass sie nur kleine Schnittstel- len aufweisen. Die Themen werden derzeit noch kaum Heimatkunde wurde zumeist durch Sachkunde bzw. in der Zusammenschau verhandelt und diskutiert. Dies Sachunterricht, in weiterführenden Schulen durch Sozi- zeigt sich an der institutionellen Landschaft wie auch an al- und Gesellschaftskunde ersetzt. Dieser pädagogischen den Publikationen zum Thema. Eine Ausnahme bildete Modernisierung fielen die – nicht zu Unrecht – als ver- der diesjährige Bundeskongress der Kulturpolitischen altet, verstaubt und angejahrt empfundenen Konzepte Gesellschaft, der zur Diskussion stellte, ob Kulturpoli- des Heimatlernens zum Opfer, die oft in der Tradition tik nicht heute auch Heimat- und Integrationspolitik regionaler Engführung und nationaler und lokalpatrio- sein kann und muss, indem man sich darum bemühe, tischer Orientierungen standen. Heimatbezüge gab es HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 13
heimat und schule Foto/ highwaystarz –stock.adobe.com allerdings weiterhin, nur firmierten sie jetzt z. B. unter 2. Was sind die institutionellen und programmatischen dem Rubrum lokales oder regionales Lernen. Bedingungen, Möglichkeiten, und Grenzen von Heimat- vereinen und Schulen, um praktisch in der Migrations- gesellschaft kooperieren zu können? Wandel und Neuausrichtung Die Verschiebung von Heimat zu Region in den Schulen Begriffswelten und institutionell- stand für eine kritische, manchmal auch allzu kritische, politische Auswirkungen Begriffsdiskussion, teils auch für methodische Neuaus- richtungen. Die neuen Zugänge versuchten, sich vom Heimat ist ein schillernder Begriff. Es gibt für ihn kei- ideologischen Ballast des Heimatbegriffs zu befreien ne klare Definition. Er entzieht sich der Eindeutigkeit. und weniger emotional aufgeladene sowie inklusivere Eine Begriffsbestimmung muss daher immer situativ Zugänge zu schaffen. Dies geschah allerdings meist im und perspektivisch offen sein, so dass der Begriff und Rahmen von am Nationalstaat orientierten und auf die die daraus abgeleiteten konzeptionellen Ableitungen, deutsche Herkunftsgesellschaft ausgerichteten Wegen der sich ändernden Wirklichkeit angepasst werden und Methoden. Der ad acta gelegte Heimatbegriff fand können. Die Migrationsgesellschaft bringt eine zen- seine Nische in außerschulischen Kontexten, vor allem trale Herausforderung für die Anpassung des Begriffs bei Heimat- und Bürgervereinen, die weniger noch als mit sich. Er kann kein exklusiver (Begriff) mehr sein, Schulen die werdende und bestehende Migrationsgesell- der von einem statischen „Wir“ versus einer ebenso schaft mitdachten. statischen Vorstellung von „die Anderen“ ausgeht. Hier liegen nun die zentralen Herausforderungen der Stattdessen braucht es eine Flexibilisierung des Be- Gegenwart, und zwar sowohl für die Schulen wie auch griffs und daraus hervorgehende tragfähige Konzepte für die Heimat- und Bürgervereine. Diese Herausforde- für die Bildungsarbeit. Mit anderen Worten: Heimat rungen lassen sich anhand von zwei Fragen konkreti- muss inklusiv gedacht werden, wenn sie uns heute sieren: und in Zukunft noch etwas sagen soll. Für Heimat- 1. Welcher Begriff von Heimat ist für die Gegenwart und und Bürgervereine heißt dies: sie müssen sich für die Zukunft tragfähig, um die Vielfalt der deutschen und Migrationsgesellschaft öffnen, und zwar personell, europäischen Wirklichkeit sowie Migration und Globa- programmatisch, politisch und auch mit Blick auf die lisierung abzubilden? Partner, mit denen man kooperiert. Diese sehr abstrakte 14 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Forderung ist von sehr konkreter und alltagstaugli- Schnittstellen zwischen Schulen und cher Bedeutung. Sie zieht wichtige Folgefragen nach Heimatvereinen sich: – Wie gelingt es Heimat- und Bürgervereinen und de- ren Dachorganisationen, ihre Mitgliederstruktur Wo sind nun die Schnittstellen für die konkrete Arbeit und Zusammensetzung der Vorstände und Gremien von Heimat- und Bürgervereinen mit Schulen in der langfristig an die gesellschaftliche, von Migration Migrationsgesellschaft? Was sind die heutigen Aus- geprägte Lebenswirklichkeit anzupassen? gangsvoraussetzungen für erfolgreiche Kooperationen? – Welche migrationsrelevanten Themen kann man be- Welche Chancen und Hindernisse gibt es? Und was ist in spielen und besetzen, ohne die Traditionsbestände der Praxis machbar? Die letztere Frage kann hier nicht allesamt über Bord zu werfen? beantwortet werden, sondern ist in das Ermessen und – Welche strategischen Partnerschaften und Koope- die praktische Arbeit der Akteure vor Ort gestellt. Hier rationen kann man mit anderen Institutionen ein- können also nur kurz und kursorisch die Rahmenbedin- gehen, die gegebenenfalls schon mehr Erfahrung gungen aufgezeigt werden, die das Feld dieser prakti- mit Blick auf die interkulturelle Öffnung haben und schen Arbeit bestimmen und beeinflussen. Dies soll mit innerhalb ihrer Strukturen bereits die Vielfalt der einem soziologisch-analytischen Blick entlang der Para- Migrationsgesellschaft abbilden? meter „Strukturbedingungen“ und „Themen“ geschehen. – Wie kommunizieren die heimatpolitischen Dachor- ganisationen auf Länderebene (z. B. der Westfälische Heimatbund) und auf Bundesebene (insbesondere Projektdokumentation und Bestandsaufnahme von Angeboten in der Bund Heimat und Umwelt) mit der und für die Niedersachsen, die bis 2017 entwickelt wurden und Heimat- und Migrationsgesellschaft? Bürgervereine mit Neubürgerinnen und Neubürger zusammen- brachten. Findet man darauf kluge und mutige Antworten und Grafik/ Niedersächsischer Heimatbund e. V. gelingt die Entwicklung realisierbarer Konzepte für die praktische Heimatarbeit, kann ein substanzieller Beitrag zu sehr zentralen Fragen von Identität und Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft geleistet werden. Werden keine Antworten gefunden, ist die Wahr- scheinlichkeit, dass Heimatvereine zukünftig eine nur noch sehr untergeordnete Rolle spielen werden, mehr als wahrscheinlich. Es geht hier also nicht um ein Randthema, sondern um eine existenzielle Frage. Es geht darum, wie Beheimatung in der Migrations- gesellschaft unabhängig von der Herkunft gelingen kann. Das ist alles andere als eine leichte Aufgabe. Ein wegweisendes Beispiel liefert der Westfälische Hei- matbund. Als mitgliederstärkster Dachverband unter den Landesheimatverbänden befasst er sich bereits seit längerem mit der Thematik und setzt aktuell sein Engagement mit dem Projekt „Heimat für alle – Hei- matvereine als Brückenbauer für Integration“ fort, das gezielt an Strukturen arbeiten möchte und in seiner Ausrichtung Modellcharakter besitzt. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 15
HEIMAT uNd ScHuLE STrukTurBEdINguNgEN uNd VErFügBArE THEMEN HEIMATVErEINE • Heimatvereine befinden sich gegenwärtig unter einem starken Druck der Anpassung und des Wandels, der für andere Vereine (und andere Organisationen, z. B. Kirchen, Parteien, Gewerkschaften) ebenso gilt. Die- ser Anpassungsdruck geht intern vom rapiden Wandel der Mitgliedschaft aus, die erstens schrumpft, zwei- tens schnell altert und drittens fast ausschließlich herkunftsdeutsch geprägt ist, und ebenso mitunter von der tradierten Themenausrichtung, die sich leider noch häufig in den Organisationsebenen der Vereine verinnerlicht zu haben scheint. • Zwar gelingt es bereits etlichen Akteuren aus dem Bereich der Heimatarbeit mit zeitgemäßen Forma- ten und Ansprachen die gegenwärtig nachwuchs- sichernden Zielgruppen zu erreichen, jedoch müsste dies noch flächendeckender geschehen, um nachhal- tige Effekte auf die Existenzsicherung der Vereine zu haben. • Aber neue Zielgruppen (Migranten, Jugendliche, urbane Mittelschichten) sind nicht einfach zu errei- chen. Hier muss jeweils im Einzelfall über eine ziel- gruppenorientierte Anpassung und auch über neue Formen und Methoden der Vermittlung nachgedacht werden. • Zusätzlich wird die institutionelle Modernisierung vom teils noch stark analogen Arbeits- und Themen- angebot der Heimat- und Bürgervereine behindert, das nur in Teilen oder gar nicht digitalisiert ist. Will man die (stark migrantisch geprägte) digital ausge- richtete Schülerschaft erreichen, braucht es einen nachhaltigen Aufbruch in das längst angebrochene digitale Zeitalter. Hinzu kommt als Strukturbedingung mit Blick auf die Zielgruppe Schulen in der Migrationsgesellschaft, dass Heimat- und Bürgervereine lokal handelnde zivil- gesellschaftliche und meist auch ehrenamtliche Ak- teure sind, Schulen aber ein staatliches Regelangebot bieten. Die Schnittstellen sind also notwendigerwei- se begrenzt. Für Kooperationen braucht es daher ein kluges und kontinuierliches Schnittstellenmanage- ment bzw. eine koordinierende Hand. 16 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
rEgIoNALES pädAgogIScH NuTzEN Im Naturschutzgebiet „Heiliges Meer“: Schulklasse des gymnasiums Nottuln auf einer naturkundlichen Exkursion der „Biologischen Station Heiliges Meer“ (Außenstelle des LWL-Museums für Naturkunde, Münster) Foto/ Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen ScHuLrELEVANTE HEIMATTHEMEN Zu den Kernthemen von Heimat- und Bürgervereinen zählen: • die Geschichte und Gegenwart des sozialen Nah- raums • Natur und Kulturlandschaft (Ökologie/Umwelt) • die Baukultur und Denkmalpflege • das immaterielle Kulturgut („erzählte Erfahrungen“ und „Brauchtum“). Kein Heimatverein schaut nur in die Vergangenheit. Vie- le setzen sich für Ortsentwicklung, sozialen Zusammen- halt und Lebensqualität vor Ort ein – also die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Gleicht man diese Themen mit schulrelevanten The- men und Fächern ab, gibt es partielle Überschneidungen, aber keine Deckungsgleichheit. Unter den vier genannten Themenfeldern – nach Schul- arten und Schulstufen unterschiedlich – sind die Themen Geschichte und Gegenwart des sozialen Nahraums sowie Natur und Kulturlandschaft (Ökologie/Umwelt) am ehe- sten für den schulischen Unterricht, also den Fächerka- non und curriculare Vorgaben anschlussfähig. Diesen Themenblick muss man dann noch einmal migrationsgesellschaftlich ausbuchstabieren. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 17
heimat und schule Eine Schülerin arbeitet mit einer archivierten Zeitung. Foto/ Andreas Weinhold/ Bildungspartner NRW Schulen Schulen sind nach Schulart und Schulstufen strukturell beim Umfang der Digitalisierung. Schüler sind durch- und von der Themenausrichtung sehr unterschiedlich. weg Digital Natives. Sie kennen keine Welt mehr, in der Die folgenden Ausführungen werden daher der kom- das Smartphone nicht existierte. Und die Institution plexen Bildungswirklichkeit nur ungenügend gerecht. Schule selbst digitalisiert sich auch rapide, angefan- Dennoch lassen sich kurz einige strukturelle und the- gen beim Einsatz von Whiteboards bis hin zu digitalen matische Gemeinsamkeiten benennen. Lehrmitteln sowie dem universellen Einsatz des Infor- mationsmediums Wikipedia und der Allgegenwart der Im Rahmen eines staatlichen Regelangebots haben Suchmaschine Google. Schulen anders als Heimat- und Bürgervereine klare Mit den oben genannten Schwerpunktthemen von pädagogische Zielvorgaben, die sie erfüllen müssen. Heimat- und Bürgervereinen korrespondieren am ehe- Schule basiert nicht auf Freiwilligkeit, sondern ist eine sten (in der Grundschule) der Sachunterricht, in den Pflichtveranstaltung (für Schüler und Lehrer). Der Ab- weiterführenden Schulen die Fächer Biologie (Ökolo- lauf ist weitgehend vorgegeben, thematisch bestehen gie, Umweltkunde) sowie Geschichte, Sozialkunde und Spielräume nur innerhalb der curricularen Vorgaben. Geographie. Anknüpfungspunkte für heimat- und mi- Schulischer Unterricht folgt einer engen (prüfungsrele- grationsrelevante Themen gibt es allerdings auch in den vanten) Themenführung innerhalb eines straffen Zeit- Fächern Kunst, Musik und in den Sprachen. plans. Dies sind wesentliche Unterschiede zur Struktur zivilgesellschaftlicher Organisationen. Als Randbemerkung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die ganz überwiegend herkunftsdeutsche Lehrer- Anders als Heimat- und Bürgervereine sind Schulen, schaft an bundesdeutschen Schulen oft weder einen nein, ist die Schülerschaft, demografisch und ethno- starken Bezug zum Thema Heimat noch zum Thema kulturell äußerst heterogen. In deutschen Klassenzim- Migration und ihrer Geschichte hat. Hier gibt es immen- mern sitzt die Welt, und zwar nicht nur in den großen se Lücken der Aus- und Fortbildung, die gegebenenfalls Städten, sondern mittlerweile auch in kleinstädtischen auch in Kooperation mit Akteuren der neuen und alten und ländlichen Räumen. Unterschiede gibt es auch Heimatbewegung geschlossen werden können. 18 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen Ein glokaler migrationsgesellschaft- So wären zwei Dimensionen überaus aktueller Ent- wicklungen als Perspektive möglich, die der nicht licher Exkurs: nur globalisierten, sondern vielmehr transnationalen Vom Problem zur Perspektive Wirklichkeit der Welt stärker gerecht würde. Migra- tion könnte sich so im Bildungskontext von Heimat- Wo liegen die Schnittstellen des vermeintlich nur lo- vereinen und Schulen jenseits der binären Vorstellung kalen Themas Heimat mit dem globalen Thema Migra- von „hier und dort“, von „Wir und Sie“ abbilden und tion? Nimmt man den sprachspielerischen, von Ronald vermitteln lassen. Migration würde so vom Problem Robertson popularisierten Ansatz der Glokalisierung zur Perspektive. und der Glokalität auf, ließe sich ein neuer und inklu- siver Heimatbegriff auch als ein glokaler Begriff ima- ginieren. Dann erscheinen Heimat und Migration auf INFO einmal nicht mehr als Gegensätze oder Widersprüche, sondern es ließe sich über das Einschreiben der Globa- Rainer Ohliger ist Historiker und Sozialwissenschaftler. lisierung in lokalregionale Kontexte reflektieren. Um- Seine Interessen- und Arbeitsgebiete sind historische gekehrt könnte man die Perspektiven der Heimat in und internationale Migration, interethnische Beziehungen der Migrationsgesellschaft mit Blick auf die Herkunfts- sowie Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungs- gesellschaften von Migranten in den Blick nehmen. gesellschaft. Er gehört zum Vorstand des im Jahr 2001 gegründeten Netzwerks Migration in Europa e. V. Seit 2017 leitet er das Programmbüro des Förderprogramms Museumspädagogisches Kinderprogramm zur Arbeitswelt des Land.Zuhause.Zukunft der Robert Bosch Stiftung. Er ist Steinkohlebergbaus im Besucherbergwerk LWL-Industriemuseum ebenfalls seit 2017 Mitglied im Kuratorium des Bundes Zeche Nachtigall in Witten Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU). Foto/ Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 19
heimat und schule Grafik/ https://www.lwl.org/paedagogische-landkarte/LernortFinden 20 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2019
regionales pädagogisch nutzen „Pädagogische Landkarte“ – Das Internetportal für auSSerschulische Lernorte in NRW Heimatvereine als auSSerschulische Lernorte etablieren von Franziska Hackenes und Markus Köster d er mit großzügiger Unterstützung der LWL- Unmittelbarer Bezug von historischen Kulturstiftung aufgebaute kostenfreie Internet- Themen service „Pädagogische Landkarte NRW“ bietet eine ständig wachsende und vielfältige Sammlung Für die Anliegen der örtlichen Kulturpflege und Heimat- qualitätsgeprüfter außerschulischer Lernorte. arbeit, für deren überregionale Sichtbarkeit und für die wünschenswerte kulturelle Vermittlung der Inhalte an Lehrkräfte aller Schulformen, Pädagogen und Inter- Kinder und Jugendliche ist es sinnvoll, sich als außer- essierte erhalten hier einen Überblick über Lernorte, schulischer Lernort im Netzwerk der „Pädagogischen die praktische, konkrete und wirklichkeitsnahe Lern- Landkarte NRW“ zu etablieren. Lokale und regionale wege und Kulturerfahrungen für Schülerinnen, Schü- Kultureinrichtungen wie z. B. Heimatmuseen, Gedenk- ler und andere Lernende eröffnen. stätten, Kulturlandschaften, ehemalige Industriestätten oder historische Gebäude bieten unzählige Anknüpfungs- Hervorzuheben ist, dass neben vielen klassischen gro- punkte, von denen Schülerinnen und Schüler profitieren ßen Lernorten wie Museen und Bibliotheken auch können. Sie ermöglichen den unmittelbaren Bezug von außergewöhnliche kleinere Orte und Einrichtungen, historischen Themen zum Lebensumfeld von Kindern und wie Heimatvereine, Kräutergärten und Handwerks- Jugendlichen. Kinder und Jugendliche sollen die Möglich- betriebe die Möglich- keiten erhalten, sich „Für die Anliegen der örtlichen Kulturpflege und Heimatarbeit, für deren über- als Lernorte zu profi- regionale Sichtbarkeit und für die wünschenswerte kulturelle Vermittlung der lieren. Aktuell finden sich Inhalte an Kinder und Jugendliche ist es sinnvoll, sich als außerschulischer über 2.500 Angebote Lernort im Netzwerk der ‚Pädagogischen Landkarte NRW‘ zu etablieren.“ an über 1.200 Lern- orten, und das Verzeichnis wächst beständig. Für die keit haben, sich das Besondere des Lernorts selbsttätig im Portal aufgenommenen Lernorte wird garantiert, erkundend, aktiv beobachtend und erforschend anzueig- dass sie Schulklassen oder anderen Lerngruppen wäh- nen. Etliche der dem WHB angeschlossenen Vereine und rend des Besuchs ein verlässliches und qualifiziertes deren Wirkstätten sind bereits als außerschulischer Lern- Bildungsangebot bieten. ort registriert und kooperieren regelmäßig mit Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen. HEIMAT WESTFALEN – 4/2019 / 21
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