Herbst 2021 - Jesuitenmission
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser! „Ich habe viel Freude und Leid erlebt, wie jeder andere auch“, sagte Maria Emilia Quesada in einem Gespräch mit mir vor einigen Jahren. Ich traf sie in der Jesuitenpfarrei Nuestra Señora de Montserrat im kubanischen Cienfuegos. Sie wurde von allen liebevoll Mima genannt. Damals im Jahr 2016, als das Titelfoto entstand, war sie bereits 115 Jahre alt und kam noch immer regelmäßig in den Sonntagsgottesdienst. Maria Emilia hat sicher mehr erlebt als viele andere. Als Kuba 1902 unabhängig wurde, war sie ein Jahr alt. Sie sah in den 1930er Jahren, wie sich Havanna unter dem Diktator Fulgencio Ba- tista zum Mafia-Paradies für Glücksspiel, Prostitution und Drogen entwickelte. Vielleicht stand sie 1959 an der Straße und begrüßte Fidel Castro und Che Guevara, als die Revolutionäre aus den Bergen kamen und triumphal durch Cienfuegos Richtung Havanna zogen. Im Oktober 1962 zitterte Maria Emilia während der 13-tägigen Kubakrise mit der ganzen Welt vor der Möglichkeit eines atomaren Krieges zwischen den USA und der UdSSR. Als die Sowjetunion 1989 zusammenbrach, begann die politische und wirtschaftliche Krise, die bis heute anhält. Maria Emilia und die Menschen in Kuba sind durch viele Krisen gegangen und haben große politische und wirtschaftliche Umwälzungen durchlebt. Die Kirche war mittendrin, hat die Menschen in dieser Zeit begleitet und war selbst Ziel von Anfeindungen und Beschränkungen. Maria Emilia hält das Blatt „Vida Christiana“ in der Hand, das „Christliche Leben“. Der Glaube hat sie bis zu ihrem Tod im Alter von 118 Jahren begleitet. Es ist der Glaube an Christus, so schreibt Pater Martin Lenk im Hauptartikel, der Hoffnung und Kraft gibt. Er hält den Traum wach, dass eine andere Welt möglich ist, eine freie Gesellschaft, in der die Würde eines jeden Menschen geachtet wird. Wir danken für Ihre Unterstützung und wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen, Ihre Klaus Väthröder SJ Mag. Katrin Morales Missionsprokurator Geschäftsführerin in Wien
Inhalt 04 Zuerst ist der Traum Loyola-Zentren bieten Hoffnung und Perspektiven für Kuba 12 Den Albtraum beenden Myanmar: Die internationale Gemeinschaft muss handeln 14 Universelle Apostolische Präferenzen Unsere Art und Weise, auf die Not zu antworten 18 Abschied von Stan Swamy Titel Kuba: Ein Märtyrer für Gerechtigkeit und Wahrheit die einst älteste Besucherin der Jesuitenpfarrei in Cienfuegos 19 Tropfen im Ozean des Elends COVID-19 und Zyklone fegen über Westbengalen Rücktitel Äthiopien: Sonnenstrahlen für das Flücht- 20 Müll als Ressource lingszentrum in Addis Abeba Plastik-Recycling in Kasisi 22 Schließt Freundschaften! Neustart unseres Jesuit Volunteers-Programms in europäischen Partnerprojekten 26 DACA: Ein großer Verlust und die Sehnsucht nach Normalität Der Tod von Father Tony, die Pandemie und eine Wiedereröffnung 28 Die größte Not lindern Einsatz des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Äthiopiens Krisenregion Tigray 32 Nachrichten und Termine Abschied von Judith Behnen – Nachruf auf Frido Pflüger SJ – Veranstaltungen jesuitenweltweit 3
Zuerst ist der Traum Wirtschaftskrise, Währungsreform, Pandemie: Kuba steckt in der Krise. Martin Lenk SJ, Jesuiten-Provinzial der Antillen, skizziert die Angebote der Loyola Zentren als Alternative zum sturen „Weiter so“ des Regimes und den gewalt samen Gegenprotesten: inklusiv, unideologisch und pragmatisch. 4 jesuitenweltweit
K uba ist bekannt für seinen Rum und die Revolution, Strand und Palmen, Zu- ckerrohr und Tabak, Salsa und Rumba. Kuba wird bewundert als die Perle der Antillen und geliebt als ein Paradies in der Karibik. Kuba war die letzte spanische Kolonie und eines der letzten Länder, die die Sklaverei abgeschafft haben, und heute ist Kuba eine der letzten Bastionen des Kommunismus. 62 Jahre sind seit der kubanischen Revolution vergangen, und erst vor zwei Monaten ist Raúl Castro mit 90 Jahren als Sekre- tär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas zurückgetreten. „Revolution ist Kontinuität“ verkünden die Plakate des Achten Parteikongresses; Kontinuität, weil auf Fidel Castro sein Bruder Raúl folgte und der neue Präsident Miguel Díaz Canel alles im Sinne der Castros weiterführen soll. jesuitenweltweit 5
Kuba Überraschende Gegensätze Die Stimmung in den Straßen von Havan- na ist eher bedrückend. Ab 5 Uhr morgens bilden sich lange Schlangen vor den Ge- schäften, um Grundnahrungsmittel wie Brot, Reis, Bohnen und hoffentlich auch ein wenig Fleisch zu ergattern. Käse und Milch sind schon lange nicht mehr auf dem Markt. Die Gegensätze überraschen. Kuba hat selbst zwei Impfstoffe gegen das Coro- navirus entwickelt, aber eine Aspirintablette ist nur schwer aufzutreiben. Die Regierung hat jahrelang auf Schule und Gesundheit gesetzt, aber die Blockade von außen und von innen hat das Land bis kurz vor den wirtschaftlichen Ruin gebracht. Mitunter meint man, sich auf einer Zeit- reise zu befinden. Um die Leute aus seinen drei Pfarreien zusammenzubringen, heuert der Pfarrer von Cienfuegos Pferdekutschen an, die auch sonst im Landesinneren weiter- hin ein wichtiges öffentliches Verkehrsmit- tel sind, schließlich brauchen Pferde kein Benzin. Die Straßenzüge von Havanna ha- ben sich in den letzten 60 Jahren nur wenig verändert: Viele Autos auf den Straßen sind Modelle aus der Zeit vor der Revolution, die Gebäude sind baufällig. Christen, nicht Staatsfeinde Die Kirche war viele Jahre lang zum Schwei- gen verurteilt. Alle kirchlichen Schulen wur- den beschlagnahmt. Priester und Ordens- leute wurden ausgewiesen oder haben das Land freiwillig verlassen. Mit der Zeit und besonders seit dem Besuch von Papst Johan- nes Paul II ist manches einfacher geworden. Heute kann man Christ sein, ohne als Staats- feind angesehen zu werden. Seit einigen Jahren erlaubt der Staat infor- Streifzüge durch die Straßen kubanischer Städte fühlen melle private Bildungsangebote. Das war sich mitunter an wie eine Zeitreise. für den Jesuitenorden Anlass, etwas anzu- 6 jesuitenweltweit
Kuba bieten, das über den rein kirchlichen Be- reich von Gottesdiensten und Katechese hinausgeht. Mittlerweile haben wir in Kuba sechs Centros Loyola – Loyola Zentren mit einem weitgespannten Bildungsangebot für alle Altersstufen und mehreren hundert Mitarbeiter:innen und mehreren tausend Teilnehmer:innen. Drei dieser Zentren sind in Havanna, die anderen in Cienfuegos, Camagüey und Santiago de Cuba. Die An- gebote sind von einer verblüffenden Viel- falt: Hausaufgabenhilfe, Musikunterricht, Tanzkurse, Erwachsenenbildung, Vorträge, Filmforen, Frauenarbeit, Seniorenbetreu- Zukunft ungewiss: Kubas Jugend braucht Perspektiven. ung und vieles andere mehr. und Einsamkeit leiden. La „Casa de Valeria Zeichen der Hoffnung – Das Haus von Valeria“ ist ein originelles Immer wieder hört man, dass für viele, ge- Projekt für Kinder während der Pandemie. rade in der Pandemie, die Loyola Zentren Über Handys und mit einer aufrechten ein Zeichen der Hoffnung und der Zuver- Internetverbindung wird mit den Eltern sicht sind. Damit wird gleich deutlich, dass Kontakt aufgenommen, damit die Kinder es um mehr geht als um Hausaufgabenhilfe die Möglichkeit erhalten, an Aktivitäten oder das Erlernen eines Musikinstrumentes. zu beteiligen: Lieder singen, Bilder malen, Es geht um die Würde des Menschen. Die Theater spielen oder an einem Kurs im Ge- Aufgabe der Loyola Zentren ist es nicht nur, brauch von Stelzen teilnehmen, der viele etwas beizubringen, was man auch anders- Kinder aus Los Sitios begeistert hat. Dast wo lernen könnte, sondern es geht darum, ist ein besonders problematischer Teil der die Welt etwas menschlicher zu machen. Stadt, der direkt hinter unserer Kirche im Zentrum von Havanna liegt. Zuhören, verstehen, mitmachen Kinder erfahren, was alles an Möglich- Frohe Botschaft für alle keiten und Werten in ihnen steckt. Alte Die Hoffnung, die geweckt wird, trügt nicht. Menschen erleben, dass sie zwar dem Staat Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte nicht mehr durch ihre Arbeit nützlich sein Menschen erfahren, dass sie wichtig sind, können, aber deswegen nicht weniger wert dass ihr Leben einen Sinn hat, dass sie ange- sind. Frauen, die verschiedene Formen von nommen sind. Wer im Loyola Zentrum mit- Missbrauch durchgemacht haben, finden macht, muss nicht getauft sein, braucht kein Menschen, die ihnen zuhören und sie ver- Christ zu sein, aber die frohe Botschaft von stehen. Eine Ordensschwester, die zugleich der Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, Psychologin ist, begleitet Frauen in dem Pro- kommt auf einem indirekten Weg zu ihm. jekt „Escucha – Zuhören“ im Loyola Zen- Manche sind schon in der Kirche, andere be- trum in der Mitte von Havanna. Andere ginnen mit der Katechese und andere kom- betreuen das Programm „Otoño – Herbst“ men nur zu den Veranstaltungen der Loyola für alte Menschen, die oft unter Hunger Zentren. Alle sind wilkommen jesuitenweltweit 7
Kuba Berufung des Salzes wenn man gewohnt ist, dass alles, was man Aus der Sicht des Evangeliums kann man sagt und tut, beobachtet wird, und wenn es die Berufung der Loyola Zentren mit Salz öffentlich nur eine Meinung geben darf. vergleichen. Davon nimmt man nur wenig, aber es gibt allem den richtigen Geschmack. Initiative ergreifen Die Suppe, das Fleisch und der Salat sol- Eines der emblematischen Projekte der Lo- len nicht nach Salz schmecken, sondern ihr yola Zentren ist „Incuba-Empresas“. Seit eigener Geschmack soll besser zur Geltung einigen Jahren dürfen in Kuba kleine Unter- kommen. So ähnlich ist es mit dem Evange- nehmen selbständig existieren. Das Projekt lium. Die Musik und die Hausaufgabenhil- hilft ihnen dabei, sie auf den Weg zu bringen fe und alles, was wir sonst so machen, sollen und Kooperativen zu bilden. Es schmerzt zu nicht nach Weihrauch schmecken, sondern sehen, wie es in Kuba an allem fehlt, in einem sollen dazu helfen, dass jeder mehr er oder Land, das genug Lebensmittel für den Ex- sie selbst sein kann. Alles hat seinen eigenen port produzieren könnte und viele gut aus- Wert, und hoffentlich können wir ihn mehr gebildete Leute hat. Unser Projekt gibt vielen zur Geltung bringen; dann tragen wir auch Selbständigen Mut, Initiative zu ergreifen, dazu bei, dass die Welt ein wenig menschli- um so sich selbst und anderen zu helfen. Die cher wird. Auf diesem Weg kommt Gott zu verschiedenen in Eigeninitiative betriebenen uns, der selbst Mensch geworden ist. Kleinunternehmen decken sehr unterschied- liche Bereiche ab. Es gibt Projekte in der Während der Pandemie haben unsere Lo- Landwirtschaft, in der Modebranche, Gas- yola Zentren mit den Kindern einen Mal- tronomie, im Handwerk und Kunstbetrieb wettbewerb über die Enzyklika Fratelli tutti und vieles andere. Besonders hilfreich für die durchgeführt. Alle waren eingeladen, eine Arbeit der Unternehmer:innen sind Fremd- Erfahrung von „Geschwisterlichkeit und sprachen und Grundbegriffe von Informatik sozialer Freundschaft“ künstlerisch dar- und Buchhaltung, die sie im Zentrum lernen zustellen. Es geht nicht um irgendwelche können. Ideologien, die die Menschen untereinan- der zu Feinden machen, sondern darum, im Was macht Menschen zu Menschen? andern unsere Schwester und unseren Bru- Drei Dimensionen spielen für das Mensch- der zu erkennen. Nur so kann menschlicher liche zusammen: Kunst, Kultur und Fortschritt zustande kommen. Glauben. Buchvorstellungen, Filmvor- führungen, musikalische Präsentationen, Die Loyola Zentren haben ihre Aufgabe Theatervorführungen, folkloristische und im sozialen, erzieherischen und kulturellen klassische Tänze, all das gehört zu den Lo- Bereich. Und immer geht es darum, dass yola Zentren. Dafür wird der Theatersaal in wir frei und ehrlich wir selbst sein können. Havanna häufig genutzt. Mitunter erzieht uns die Gesellschaft dazu, zu sagen, zu denken und zu tun, was der In Kuba liebt man Musik, mit Verwunde- andere, derjenige der Mittel und Macht hat, rung sehe ich, wie nicht nur Kurse in Gi- hören und sehen will. Dagegen geht es uns tarre oder im Trommeln angeboten werden, darum, zur Freiheit zu erziehen, zur Ehr- sondern viele Kinder Querflöte oder Gei- lichkeit und zur Wahrheit. Das führt auch ge lernen. In allen Zentren stehen Biblio- immer wieder zu Konflikten, vor allem theken zur Verfügung, die eifrig genutzt 8 jesuitenweltweit
Kuba werden. Zeichnen, Malen und plastische Kunst gehören zum festen Programm. In verschiedenen Veranstaltungen wird über das Verhältnis von Wissenschaft, Kunst, Gesellschaft und Glaube diskutiert. Was macht den Menschen zum Menschen? Si- cher auch, dass er in der Kunst einen Frei- raum findet, in dem er sich selbst ausdrü- cken kann. In den letzten Monaten waren es immer wieder die Künstlerinnen und Künstler, die gegen jegliche Art von Repres- sion protestiert haben. Träumen heißt Kraft schöpfen Papst Franziskus hat sich bei seinem Besuch in Havanna auch mit kubanischen Jugendli- chen getroffen. Wie so oft hat er ihnen nicht den vorbereiteten Text vorgelesen, sondern frei zu ihnen gesprochen, um direkt auf ihre Anfragen zu antworten. Dabei hat er Bezug auf einen lateinamerikanischen Schriftstel- ler genommen, der sagt, dass wir alle zwei Augen haben, ein Auge zum Sehen und ein Auge zum Träumen. Dann hat Papst Fran- ziskus dazu aufgefordert, zuerst zu träumen. Nur, wer einen Traum hat, bringt auch den Mut und die Kraft auf, etwas zu tun. Aber zuerst ist der Traum. Die Loyola Zentren in Kuba sind ein solcher Traum, ein Traum davon, dass eine andere Welt möglich ist, in der mit Kreativität und Freundschaft, mit Initiative und Freiheit eine Gesellschaft entsteht, in der die un- vergleichliche Würde eines jeden Menschen geachtet wird. Der Glaube an Christus gibt uns die Hoffnung und Kraft, uns zu bemü- hen und ungeachtet aller Schwierigkeiten und Widrigkeiten weiterzuarbeiten. Wir können nur wenig tun, aber das Senfkorn, das wir säen, ist ein Zeichen des Reiches Gottes, das schon unter uns ist. So vielfältig wie das Leben: Die Aktivitäten der Loyola Zentren Martin Lenk SJ geben den Menschen Freiraum, sich auszudrücken. jesuitenweltweit 9
Kuba Ein virtueller Garten als Oase Seit ich klein war, habe ich an Work- Obwohl in den letzten Monaten keine Grup- shops und Kursen im Loyola Zent- pen zusammenkommen konnten, wird gerade rum teilgenommen. Sie machen Spaß während der Pandemie der große Stellenwert und ich kann dabei viel lernen – trotz der Arbeit der Loyola Zentren deutlich: Die Pandemie. Dank Plattformen wie WhatsApp-Gruppe „Jardín“ (dt.: „Garten“) WhatsApp geht das Programm weiter: der ist virtueller Treffpunkt für die Loyola Familie Soñarte-Kurs, wo ich Gitarre spielen und viel und gibt Unterhaltung und Orientierung in über Musik im Allgemeinen lerne, der Work- einer schwierigen Zeit. shop „Laudato Si für Katecheten“, die Jugend- gruppe „Mit anderen sein und wachsen‘‘, der Raum des „Persönlichen Wachstums‘‘ und das Projekt „Cuestarriba‘‘ mit seinen Kursen und einer Zeitschrift. Fernanda Solís Tames, Santiago de Cuba Die Jardin-Gruppe hat in diesen weltweit schwierigen Zeiten wichtige Arbeit geleistet. Ihr morgendlicher Gruß, die Beiträge aus den Bereichen Interessantes und Kurioses, kubani- sche Erinnerungen, Mythologie und Geschichte oder universelle Kunst waren bereichernd und inspirierend. Kinder die, wie meine Enkelin, zu Hause bleiben mussten, haben jeden veröffentlich- ten Beitrag genossen, solange es eine Inter- netverbindung gab. Auch für meinen Beruf als Erzieherin konnte ich Hunderte der Ge- schichten und Rätsel gut nutzen. Rosario del Pilar Brioso Peréz Die aktuelle Situation verstärkt die Herausforderungen der kubanischen Gesellschaft: des sozialen Mitein- anders, der Bürgerbeteiligung, der Suche nach dem Gemeinwohl, der Anerkennung von Vielfalt und des Dialogs. Im aktuellen Kontext, der Angst, Hoffnungslosigkeit, Furcht und Abnutzung erzeugt hat, weichen wir auf digitale Plattformen aus, um mehr Menschen zu erreichen und ihnen neue mögliche Hori- zonte aufzuzeigen. Maite Pérez Millet, Leiterin Loyola Zentrum Havanna 10 jesuitenweltweit
jesuitenweltweit Unsere Bitte für Kuba Was darf man sagen in Kuba, im Gespräch mit dem Nachbarn oder der Arbeitskollegin? Was darf man für ein nicht-kubanisches Magazin zu Papier bringen, als „Expat“ auf der Insel? Regierungskritische Äußerungen können den Job kosten oder die Aufenthaltsgenehmigung. Und auch über der Arbeit der Jesuiten in Kuba schwebt ein Damoklesschwert der Zensur. Schnell werden Menschen, die sich kritisch äußern, als „konterrevolutionär“ geächtet. Umso relevanter ist die Bedeutung der Loyola Zentren: Hier muss niemand Partei ergreifen, hier geht es nicht um Sturz oder Stärkung des Systems, sondern um Versöhnung. Denn das Auseinanderdriften der kubanischen Gesellschaft ist traurige Wirklichkeit: Der Staat ist hoff- nungslos überschuldet, Folgen der aktuellen Währungsreform sind massive Preissteigerungen sowie eine drastische Entwertung des kubanischen Pesos. Zum 1. Januar hat der Staat alle Gehälter verdreifacht oder vervierfacht. Allerdings wurden auch die Preise entsprechend ange- hoben. Vieles gab es nur in Dollar zu kaufen. Schnell aber wurde der Besitz von Dollar wieder verboten... In diesen schweren Tagen bieten die Loyola Zentren Tausenden Kubaner:innen Hoffnung und Perspektive, Mut für die Zukunft. Für den Fortbestand dieser Arbeit bitten wir Sie herz- lich um Unterstützung und bedanken uns für Ihre Hilfe! Danke für Ihre Hilfe! Spendenkonto Österreich Klaus Väthröder SJ IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 Missionsprokurator Spendenkonto Deutschland IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 jesuitenmission.de/kuba • jesuitenmission.at/kuba Stichwort: X31213 Kuba
Den Albtraum beenden Die Militärjunta in Myanmar schlägt brutal jeden Widerstand nieder. Die inter- nationale Gemeinschaft muss eingreifen, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. A n dem Tag, als die heftigen Kämp- viele ihrer Familienmitglieder sind im Dorf fe ausbrachen, war ich zu Hause. zurückgeblieben und andere sind in den Ich hatte große Angst und wusste Dschungel geflohen. Sie macht sich große nicht, was ich tun sollte. Es war niemand Sorgen um sie. Ich spüre ihren Schmerz. in der Nähe, der mir helfen konnte. Zum Obwohl sie mich nicht sehen kann, vertraut Glück kam dann eine meiner Enkeltöchter sie mir und erzählt mir von ihren Erfahrun- zurück. Es ist sehr schwer für mich in die- gen der Vertreibung. Das berührt mich und ser Situation, weil ich blind bin und immer ist wertvoll für mich. Ihre Geschichte ver- jemanden brauche. Ich fühle mich sehr ver- dient es, gehört und geteilt zu werden.“ letzlich und es fällt mir nicht leicht, andere um Hilfe zu bitten.“ Es gibt in Myanmar gerade unzählige Ge- schichten, die es verdienen, geteilt und ge- Jedes Zeugnis ist ein Risiko hört zu werden. Leider dringt vieles nicht Eine lokale Helferin in einem der Camps nach außen, und öffentlich mit Namen und für Binnenvertriebene in Myanmar erzählt Gesicht zu sprechen, gefährdet nicht nur ei- von ihrer Begegnung mit der Großmut- nen selbst, sondern auch Arbeit, Familie und ter: „Zuerst habe ich gar nicht bemerkt, Umfeld. Das gilt auch für die Jesuiten, die dass sie blind ist. Sie tut mir sehr leid. Sie gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und ist hier jetzt erst einmal in Sicherheit, aber Mitarbeitern an verschiedenen Orten helfen. 12 jesuitenweltweit
Myanmar Seit dem Militärputsch im Februar 2021 ver- kämpfte Gebiete sind vom Militär abgerie- sucht das Regime mit brutaler Härte, die lan- gelt, Menschen werden wahllos erschossen. desweite Protestbewegung niederzuschlagen, Die Vereinten Nationen warnen, dass in die vor allem von der jungen Generation or- Myanmar die Zahl der Hungernden auf ganisiert und getragen wird. mehr als sechs Millionen Menschen an- wachsen wird. Nach Einschätzung unserer „Wir sind Teil der Welt“ Projektpartner wird das vom Militärregime Ich erinnere mich an eine Begegnung mit bewusst in Kauf genommen: „Aushungern jungen Studierenden während unserer Pro- ist eindeutig die Strategie der Junta.“ jektreise nach Myanmar im Februar 2020. Nach ihren Hoffnungen und Träumen ge- Tom Andrews, der UN-Sonderberichter- fragt erzählte uns einer von ihnen: „Ich lerne statter für Myanmar, betonte im Juli in Englisch, um einen guten Job mit internatio- seiner Rede vor dem Menschenrechtsrat in nalen Kontakten zu bekommen, zum Beispiel Genf, dass es an der Zeit sei, „Maßnahmen im Tourismus. Die Zeit der Isolation und zu ergreifen, die helfen können, diesen Alp- Unfreiheit kennen wir eigentlich nur aus den traum zu beenden“, und fügte hinzu: „Die Erzählungen unserer Eltern und Großeltern. internationale Gemeinschaft lässt das Volk Wir selbst sind mit Handy und Facebook auf- von Myanmar im Stich.“ Unsere Projekt- gewachsen, wir sind Teil der Welt.“ partner hoffen, dass durch internationalen Druck die Militärjunta zumindest huma- Nur ein Jahr später hat die Junta die Ver- nitären Zugang gestattet, um das bloße bindung zur Welt wieder gekappt und die Überleben zu sichern. Und noch eine wei- Menschen zurück in die Dunkelheit der tere Bitte erreicht uns von ihnen: „Betet für Militärherrschaft gestoßen. „Die Hälfte Myanmar. Wir sind hier mit dem schieren der Bevölkerung Myanmars ist unter 30“, Bösen konfrontiert.“ erklärt einer unserer Projektpartner. „Die Judith Behnen meisten haben das Gefühl, dass dieser Coup Foto: Provisorisches Camp für vertriebene Familien auf ihnen die Zukunft raubt. Sie sehen, wie Ar- dem Gelände einer Pfarrei in Kachin. beitsplätze verschwinden und Investitionen wegfallen. Einige fliehen aus Myanmar, an- dere schließen sich dem Widerstand an. Sie Danke für Ihre Hilfe! sind eher bereit zu sterben, als sich wieder einer Diktatur zu unterwerfen.“ Die Bildungsprojekte der Jesuiten lau- fen weiter und sind wichtiger denn je. Zynische Junta-Strategie Dank Ihrer Spenden auf unsere letzte Schon vor dem Putsch hatten viele arme Weihnachtsbitte können wir diese Arbeit Familien aufgrund von COVID-19 zu mit fast 250.000 Euro fördern. Für die kämpfen. Ernten gingen verloren, Lebens- akute Nothilfe in Myanmar bitten wir mittelpreise sind gestiegen. Seit dem Putsch weiterhin um Ihre Unterstützung. ist Myanmar in eine noch tiefere Krise ge- Projektcode: X66520 Myanmar stürzt, der Konflikt zwischen ethnischen Kräften und dem Militär hat sich rapide Infos zu unserem Myanmar-Abend am verschärft. Ganze Dörfer sind zerstört, 23. September finden Sie auf Seite 34. Hunderttausende wurden vertrieben, um- jesuitenweltweit 13
Corona-Pandemie Unsere Art und Weise, auf die Not in der Welt zu antworten Universell – also weltweit – sollen die Universellen Apostolischen Präferenzen Leben und Arbeit der Jesuiten leiten. Für junge Jesuiten, die einen Teil ihrer Ausbildung in einer fremden Kultur verbringen, bekommen die UAPs neue Bedeutung. G anz neu sind die Anliegen der Egal wie unterschiedlich wir in einer sehr UAPs – ein Weg zu Gott, mit den international zusammengesetzten Kommu- Armen, mit der Jugend, für die nität auch sein mögen, in der Fremde kann Schöpfung – nicht, und doch haben sie – ich Verbindendes erfahren, den Blick auf und doch haben sie einen wichtigen Mehr- das Gemeinsame richten. Die Präferenzen wert, so meinen die drei Autoren dieses Ar- sehe ich als große Chance und Hilfe, weil sie tikels: sie sind eine Einladung, noch mehr weltweit gültig sind trotz aller Unterschiede. die Zusammenarbeit zu suchen, auch dort, wo das noch nicht selbstverständlich ist. Nicht nur innerhalb des Jesuitenordens, auch in der Zusammenarbeit mit anderen, schei- Trennendes weglassen dürfen nen mir die UAPs eine Einladung zu sein, Was mich in meiner Situation besonders Trennendes wegzulassen und Gemeinsames anspricht, ist das U der UAPs. Das Uni- zu sehen. Am deutlichsten zeigt sich mir das versale ermutigt mich hier in der Fremde: in der 4. Universellen Apostolischen Präfe- über den Kern nachzudenken, der uns renz, der Sorge um das gemeinsame Haus. verbindet, der unser Jesuit-sein ausmacht. Ökologie fällt schwer. Hier höre ich den Ruf, 14 jesuitenweltweit
Universelle Apostolische Präferenzen neue Wege zu gehen und als Jesuit darüber zu reflektieren, sehr deutlich. Bei den ande- ren UAPs kann ich sagen, wenn ich auf mein Leben schaue, dass sie sehr selbstverständlich Platz haben. Mein Apostolat bringt mich auf einfache Weise mit ihnen in Kontakt. Öko- logie aber scheint etwas Neues zu sein, ein ständiger Stachel, der uns von anderen ler- nen lässt, auch außerhalb unseres gewohnten Umfelds. Ich sehe eine starke Einladung zur Zusammenarbeit und eine Herausforderung für uns. Wir sind zu einem Neuaufbruch eingeladen, um weiterzukommen, zu lernen, zusammenzuarbeiten, mit Menschen, die ihre eigene Mission haben und eine Ziel- setzung, die sich mit unserer überschneidet. Über das Thema Ökologie können wir auch mit einer säkularisierten Welt in Dialog tre- ten und unsere Sichtweise einbringen. Wenn ich die UAPs in ein Bild bringen dürfen glauben, dass Versöhnung bereits da müsste, fällt mir dazu ein biblischer Be- ist. Von diesem Standpunkt aus die Dinge zugspunkt ein: Antiochien. Hier wurden anzugehen, das bringt etwas Neues ein, ein Christen zum ersten Mal „Christen“ ge- Fundament, auf dem wir aufbauen können. nannt. Auch hier wird man in der Frem- Es nimmt uns den Leistungsdruck, alles selbst de, im Überschreiten des eigenen Rau- machen zu müssen und ist eine Einladung, in mes, das Verbindende finden. Das trifft unserem Tun Zeugnis von dieser Versöhnung gerade sehr meine eigene Erfahrung im zu geben. Ausland. Man merkt, wieviel Trennen- des man weglassen kann, um an das Ei- Moritz Kuhlmann SJ (Deutschland) - Erfah- gentliche zu kommen. Und wenn wir es rungen im Kosovo und im chinesischsprachigen schaffen, dann können wir bei unserem Raum Namen genannt werden, dann sind wir gemeinsam Jesuiten. Zusammen statt für jemanden machen Im Abuna Frans Haus lebe ich mit anderen Ein ganz wichtiges Wort, um die Universel- Jesuiten und acht Flüchtlingen zusammen, len Apostolischen Präferenzen zu beschreiben während ich studiere. Dass dieses Zusam- und zusammenzufassen, ist „Versöhnung“. menleben Teil meiner Ausbildung ist, das hat Mit Gott, mit den Menschen, mit der Schöp- für mich auch mit den UAPs zu tun. Früher fung und glauben zu dürfen, dass Gott uns gab es im Jesuitenorden bestimmte Prioritä- und die Welt schon mit sich versöhnt hat. Das ten, Dinge vorrangig zu tun, Gebiete, in de- hat großen Einfluss auf die Art und Weise, wie nen wir uns vorrangig einsetzen sollen. Die wir Dinge tun, finde ich. Es ist nichts, das wir UAPS sind anders: es geht darum, nicht et- machen müssen, leisten müssen, sondern wir was Bestimmtes zu tun, sondern um die Art jesuitenweltweit 15
Universelle Apostolische Präferenzen auch in den anderen UAPs. Zum Beispiel in der Arbeit mit jungen Menschen, weil die Jugend eine Zeit der Entscheidungen ist. Die UAPs bedeuten für mich: Zusam- men etwas machen. Also miteinander, in Begleitung, Mitgehen, auf Augenhöhe, und nicht etwas für jemanden anderen tun. Sich klar zu machen, dass nicht wir alles wissen, sondern dass wir gemeinsam unterwegs sind. Wir machen mit, mit vielen anderen Menschen zusammen, um Ziele zu erreichen. Courage Bakasa SJ (Simbabwe) – derzeit im Abuna Frans Haus in Deutschland Ganz konkret – jeden Tag und Weise, wie etwas getan werden soll. Egal Seit 10 Tagen bin ich hier in Syrien, in in welcher Arbeit. Homs. Endlich darf ich hier sein. Neue Eindrücke, die arabische Sprache mit vie- Diese vier Schwerpunkte sind in meinem len neuen Ausdrücken verlangen Konzen- Leben, in meiner Arbeit, immer präsent. tration. Erwartet zu werden, sehr viel Vor- Alles, was ich als Jesuit gemacht habe, kann schussvertrauen zu bekommen, das macht ich mit ihnen in Verbindung bringen. Man- Freude. Das Zentrum, in dem die Kommu- ches mehr und manches weniger, leichter nität wohnt und zu der ich jetzt gehöre, ist und schwerer, je nach meiner Lebenssitua- von einer sehr offenen Atmosphäre geprägt. tion und wie sie in meinem Leben vorkom- Unser „Kloster“ soll eine Oase und ein Ort men, aber da sind sie. Mit den Armen und der Begegnung für Menschen sein, inmit- Ausgegrenzten unterwegs sein: Das ist für ten aller Schwierigkeiten ihres Alltages. An mich persönlich sehr wichtig. In Simbabwe, einem solchen Ort zu leben ist in Homs, wo meiner Heimat, habe ich mit armen Men- ganze Stadtviertel in Trümmern liegen, alles schen gearbeitet. Jetzt lebe ich mit Flücht- andere als selbstverständlich. Einige Straßen lingen zusammen. Auch die Arbeit mit jun- weiter kann man sich in Ruinen verirren. gen Menschen hat mich immer begleitet. Ich bin neu hier, vieles kann ich noch nicht Diese beiden UAPs sind in meinem Leben fassen, ich bin mit dabei, höre zu, lerne. am stärksten ausgeprägt. Im Bereich Ökolo- gie glaube ich, dass wir noch viel nachden- Mein Hauptaufgabenbereich wird in der ken müssen, was wir tun können. Aber auch Arbeit mit Jugendlichen und Studieren- hier sehe ich Ansätze, sowohl in Simbabwe den sein und von drei der UAPs besonders als auch in Deutschland. Über die Exerziti- begleitet. Im Unterwegssein mit jungen en, die Begleitung in der Unterscheidung, Menschen spielen die die Exerzitien eine wird oft nicht so viel gesprochen, aber ich wesentliche Rolle, die Nachfrage ist groß. denke das ist, weil sie immer mit drin sind, Was es bedeutet, mit Menschen, die ausge- 16 jesuitenweltweit
Universelle Apostolische Präferenzen grenzt sind, unterwegs zu sein, sie zu be- gleiten, erfahre ich hier nochmal ganz neu: In Deutschland und Österreich war ich in Kontakt mit bestimmten Gruppen, die in unserer Gesellschaft am Rand stehen: Menschen mit Fluchthintergrund, meine Arbeit im Jugendarrest. In Syrien bin ich damit konfrontiert, dass ein ganzes Land im Abseits steht und ausgegrenzt ist. Im Gespräch mit den Jugendlichen erfahre ich deutlich, dass sie auf der Suche nach Zu- kunft sind, dass sie aus ihrer Situation her- auskommen wollen – und niemand will sie. In dieser Situation mitzuleben, dabei zu sein, das fordert mich heraus. Viele Dinge, die in Europa für mich selbstverständlich sind, gibt es hier nicht oder nur sehr ein- geschränkt. Als Kommunität ist es für uns eine ständige Gratwanderung, was wir uns leisten können und wollen – im Blick auf die Menschen um uns. Mittel hätten wir vielleicht, aber wie sieht es mit unserer Glaubwürdigkeit aus? Brauchen wir viel- leicht doch Solarzellen auf dem Dach, da- mit in unseren Büros – für die Menschen – gearbeitet werden kann? Keine einfachen Exerzitien. Sie haben mich in den Orden Fragen und keine einfachen Antworten. geführt und sind mitunter die schönste Aufgabe. Momente von Entwicklung, von Die UAPs helfen mir Sie sind Anhalts- Wachstum bei anderen miterleben zu dür- punkt und Orientierungspunkt, wie ich fen, gerade in Lebenssituationen wie im als Jesuit und wir als Jesuitenkommuni- Libanon und Syrien. Sehen zu dürfen, wie tät leben wollen. Ganz besonders, wenn Jugendliche in der Erfahrung, dass Gott es heißt „mit den Ausgegrenzten unter- in ihrem Leben mitgeht, Vertrauen ent- wegs sein“. Würden wir eine abgeschot- wickeln, und dieses Vertrauen ihr Leben tete Sonderexistenz führen, wir hätten verändert. Dass etwas entsteht, das Mut keine Existenzberechtigung, denke ich. macht für die Zukunft und sie leben lässt. So zu leben, dass wir Inklusion und nicht Exklusion fördern, ganz konkret, genau Die UAPs geben für mich die Richtung an, hier, jeden Tag. Für diese konkreten Fra- wie ich mir vorstelle, als Jesuit zu arbeiten gen sind die UAPs lebensentscheidend. und zu leben, und wie Entscheidungen zu treffen sind. Ich habe eine Lieblingspräferenz: Die Be- Gerald Baumgartner SJ gleitung der Menschen auf Gott zu, die (Österreich) arbeitet im Nahen Osten jesuitenweltweit 17
In der Nacht auf Montag, 5. Juli 2021, erlag der indische Jesuit und Menschen- rechtsaktivist Stan Swamy (84) nach acht Monaten Haft den Folgen einer Corona-Infektion. Sein Freund, Mit- bruder und Mitstreiter Cedric Prakash, weiß: Stans Tod war nicht vergebens. „Du wirst für immer leben“ D anke, lieber Stan, du wirst für im- Danke, lieber Stan, du wirst für immer leben: mer leben: Wir danken Gott für Wir alle wissen, wie Intellektuelle, Anwälte, dich, sein Geschenk an so viele Schriftsteller, Dichter, Aktivisten, Studenten Menschen: die Ausgeschlossenen und Aus- ins Gefängnis gesteckt werden, weil sie ihren gebeuteten, die Adivasi und Dalits, die Ar- Widerspruch zum Ausdruck bringen. Kurz men und Ausgegrenzten. vor deiner Verhaftung am 8. Oktober 2020 hast du gesagt: „Ich bin bereit, den Preis zu Danke, lieber Stan, du wirst für immer zahlen, was auch immer er sei.“ leben: Du warst ein außergewöhnlicher Mensch; als junger Priester hast du in ei- Danke, lieber Stan, du wirst für immer le- nem Adivasi-Dorf gelebt und dir eine kleine ben: Die Mächte, die versucht haben, dich Hütte mit einer Familie geteilt. Du hast an zu vernichten, sind mit ihrem bösen Plan die Jugendlichen geglaubt, ihnen Identität kläglich gescheitert. Sie wussten nicht, dass gegeben und ihnen geholfen, zu erkennen, dein Tod überall Hunderte, Tausende von was mit ihrer Stammesgesellschaft passiert. „Stan Swamys“ hervorbringen würde. Danke, lieber Stan, du wirst für immer le- Danke, lieber Stan, du wirst für immer le- ben: Du warst Aktivist für die Rechte der ben: Du hattest die Kühnheit, mit den Aus- Adivasi; für ihr Recht auf Land, Arbeit und geschlossenen und Ausgebeuteten zu gehen. Wald; deine Arbeit stand in Widerspruch zu Heute bist du ein Märtyrer für Gerechtigkeit Gesetzen, von denen Du überzeugt warst, und Wahrheit. Aber du bist nicht gestorben; dass sie gegen die Verfassung verstoßen. Du du wirst weiterhin in jedem von uns leben. hast uns die wahre Bedeutung von „Solida- rität“ gelehrt, was es bedeutet, den Worten Danke, lieber Stan: Du wirst für immer leben! Taten folgen zu lassen; Dein Bruder Cedric 18 jesuitenweltweit
Indien Tropfen im Ozean des Elends 3,4 bis 4,9 Millionen Menschen sind gemäß einer Studie des Center for Glo- bal Development in Indien an den Folgen des Corona-Virus gestorben – zehn Mal mehr als nach offiziellen Angaben. Saju George SJ schildert die Situation in Westbengalen, wo mehrere Zyklone die Lage massiv verschärften Eine beispiellose Verkettung von Katastro- phen hat in den beiden letzten Jahren den Golf von Bengalen heimgesucht. Vier Super- Zyklone zogen durch das Land, verheerende Überschwemmungen ließen das Leben von Menschen, die in großer Mehrheit unterhalb der Armutsgrenze leben, völlig aus den Fu- gen geraten. Alles begann mit dem Zyklon „Fani“ im Mai 2019, danach verwüsteten „Bulbul“ im November 2019, „Amphan“ im Mai 2020 und „Yaas“ im Mai 2021 gan- Bis heute haben wir etwa 6000 der am ze Landstriche. Am schlimmsten betroffen schlimmsten betroffene Familien erreicht, sind die immer kleiner werdenden Inseln im einige von ihnen sogar mehrmals. Wir ver- Sundarbans-Archipel. teilen vor allem Reis, Weizenmehl, Hül- senfrüchte, Zucker, Sojabohnen, Speiseöl, Das an sich schon unfassbare Leid wird Gewürze, Waschpulver, Seifenstücke sowie durch die Wellen der Pandemie immens Decken, Kleidungsstücke, Handtücher, verstärkt. Sie haben erbarmungslos vie- Moskitonetze, Desinfektionsmittel, Mas- le Menschenleben verschlungen. Und sie ken und einige Medikamente. suchen uns auch noch im Sommer heim. Der immer lauter werdende Schrei so vieler Jetzt überlege ich, wie ich ein paar Famili- lautet: „Wir können es nicht mehr ertra- en helfen kann, ihre Zukunft und ihre teil- gen.“ Das Leben in ständiger Angst ist für weise oder ganz weggeschwemmten Häuser die meisten das Schlimmste, dazu kommt wieder aufzubauen. Oder wie wir die vie- der Mangel an ausreichender medizinischer len hilflosen Kinder und Jugendlichen un- Versorgung, an Ärzten, Gesundheitsein- terrichten können. Arbeitslosigkeit, die zu richtungen und an Impfstoffen. noch größerer Armut führt, ist eine Reali- tät. Die steigenden Preise für lebenswichti- Hilfe für 6.000 Familien ge Güter sind alarmierend. Unsere stille Ar- Als Reaktion auf all das Unglück habe ich beit geht weiter und gibt einigen Hoffnung. mich mit einem kleinen Team im April 2020 Wie ein Tropfen im Ozean des Elends. in Nothilfe-Aktionen gestürzt. Wir began- nen die Hilfsaktion in unserer eigenen Nach- Saju George SJ barschaft und gingen dann zu den entlegens- ten Dörfern in den Sundarbans, die unsere jesuitenmission.de/corona Hilfe am dringendsten nötig hatten. jesuitenmission.at/corona jesuitenweltweit 19
Müll als Ressource 500 Kilogramm Plastik pro Woche werden im Recyclingprojekt von Kasisi auf- bereitet: P. Claus Recktenwald SJ über die Kunst der Wertschöpfung aus Abfall. I n der Abendhitze von Kasisi breitet sich Die Sache selbst in die Hand nehmen schwerer Rauch aus, der von beißen- In der Kasisi Mission gibt es zwei Schulen, dem Gestank begleitet wird. Jemand ein Waisenhaus, ein Bildungs- und Exerziti- hat sein Heim aufgeräumt und den Müll enhaus, das Agrar-Trainingszentrum KATC, in einem Loch hinter dem Haus angezün- die Kommunitäten der Schwestern und der det. Das Müllentsorgungssystem in Sambia Jesuiten sowie die privaten Haushalte der steckt noch in seinen Kinderschuhen. Mitarbeiter:innen. Wir wollten nicht warten, bis der Staat das Problem der Müllentsor- Unschöne Zeitkapseln gung löst (es ist es vor allem Plastikmüll, der In der Hauptstadt Lusaka gibt es erste die Mülllöcher zu 80% füllt), sondern haben Ansätze und eine ganze Reihe von Müll- selbst angefangen, eine Müllentsorgung auf- sammlern, die Plastik für Recycling-Unter- zubauen. Der Plastikrecycling-Workshop des nehmen oder für den Export nach China vergangenen Jahres verfolgte eine doppelte auflesen. Meistens aber landet der Müll auf Zielsetzung: den Plastikmüll aus Kasisi und der Straße, in der Natur oder im besten Fall den umliegenden Dörfern zu sammeln und noch auf den Müllhalden, die oft direkt in nach Reinigung und Aufbereitung an die den Wohngebieten der armen Bevölkerung Recycling-Firmen in Lusaka zu verkaufen. von Lusaka liegen. Auch auf dem Land fällt in den letzten Jahren immer mehr Eine neue Einnahmequelle Plastikmüll an. Hier gibt es keine offiziel- Es geht darum, ein Bewusstsein bei den le Entsorgung. Die Zahl dieser dezentralen Menschen zu schaffen, für die Produktion Müllkippen nimmt zu und hinterlässt un- von Müll, die gerechte Entsorgung, aber schöne „Zeitkapseln“ für die kommenden auch für eine Wiederverwendung. Plas- Generationen. Bis das Plastik in zumindest tikabfall ist auch ein Rohstoff, der wei- unsichtbare Partikel zersetzt ist, dauert es ter genutzt werden und der auch zu einer um die 400 Jahre. Einnahmequelle werden kann. Mit diesem 20 jesuitenweltweit
Sambia Hintergedanken haben wir das Plastik-Re- cycling Projekt gestartet. Zwei Maschinen sind dabei im Einsatz. Ein Schredder, der das Plastik zu kleinen Schnipseln schneiden kann, die dann wiederum von der Bündel- maschine in Plastikbälle gepresst werden. Dadurch kann das Plastik transportfähig gemacht werden. Baupläne aus dem Internet Vor drei Monaten sind die ersten Versuche mit den Maschinen angelaufen, die bereits einige hundert Kilogramm Plastik aufberei- tet haben. Die Routine müssen wir noch ver- bessern und das Team vergrößern, damit die Produktion schneller und effizienter vonstat- tengehen kann. Für die Bewusstseinsbildung und um das Funktionssystem zu veranschau- Projekt im Dreischritt: Bewusstsein schaffen, technisches lichen, haben wir drei kleine Maschinen Know-How erwerben, wirtschaftliches Denken entwickeln. gebaut, die Plastik zum Schmelzen bringen können – eine Kompressions-, eine Extrusi- Das Schmelzen und Gießen des Plastiks ons- und eine Injektionsmaschine. Die Bau- brauchen Wissen, Erfahrung und Kunstfer- pläne dafür kommen aus dem Internet. tigkeit. Das Team muss die richtige Tempe- ratur für die Bearbeitung finden, verschie- Über den Tellerrand schauen dene Mischverhältnisse ausprobieren, und Wir hatten ein Projekt mit den Schülern letztendlich ist es auch ein kreativer Prozess. und Waisen in Kasisi initiiert, um Plastik Dafür haben wir einen jungen Mann, der im zu sammeln, ein Produkt aus recyceltem Waisenhaus von Kasisi aufgewachsen ist und Plastik zu entwickeln und dann zu ver- seit kurzer Zeit wieder in Kasisi arbeitet – er kaufen. Ziele: Bewusstseinsbildung, tech- ist Künstler. Es ist großartig, so viele verschie- nisches Know-How und wirtschaftliches dene Begabungen im Team zu haben und Denken verbinden. Derzeit sind die Ma- noch großartiger, wenn das Team wachsen schinen bei Trainingseinheiten im KATC kann: Frauen aus den umliegenden Dörfern im Einsatz, da die Schulen lange geschlos- sollen die Endbearbeitung und das Zusam- sen bleiben mussten. mensetzen der Teile in Heimarbeit machen, um so nebenbei das Einkommen für ihre Fa- Vorwärts mit kleinen kreativen Schritten milien aufzubessern und die Schulgebühren Um die ersten alltagstauglichen Gegenstände für ihre Kinder zu zahlen. So würde sich ein herstellen zu können, sind Formen für den kleiner Kreislauf schließen. Plastikguss notwendig. Eine Plastikfliese ist beispielsweise leicht und kann vor Ort her- Claus Recktenwald SJ gestellt werden, ein Plastikbecher hingegen muss von einer Firma mit entsprechendem jesuitenmission.de/katc Werkzeug gemacht werden. jesuitenmission.at/katc jesuitenweltweit 21
Schließt Freundschaften! Nach einer einjährigen Pause freuen wir uns über fünf Jesuit Volunteers aus ganz Deutschland und neue Partnerprojekte in verschiedenen Teilen Europas. D a die pandemische Lage weltweit für die Zusammenarbeit mit dem Jesuit Vo- weiterhin recht unstabil ist, sen- lunteers Programm und geben den Freiwil- den wir unsere Jesuit Volunteers ligen Ratschläge mit auf den Weg: in diesem Jahr ausschließlich in europäische Einsatzstellen: nach Lettland, Bosnien und Mutig sein zu träumen und zu lieben Herzegowina, Bulgarien, Griechenland und „Unsere NGO heißt „Nepaliec viens“, das in den Kosovo. ist Lettisch und bedeutet ‚Bleib nicht al- lein‘. Sie wurde gegründet, um Wege zu Auch wenn viele Einsatzstellen neu sind, suchen, Menschen, die auf unterschiedli- bleiben wir unseren Werten treu und die che Weise am Rande unserer Gesellschaft Freiwilligen können sich für Menschen zurückgelassen werden, zu unterstützen. am Rande der Gesellschaft sowie für eine Wir laden die Freiwilligen ein, sich in zwei gerechtere und nachhaltigere Welt enga- strukturellen Bereichen unserer NGO, die gieren und gleichzeitig neue Netze der mit Familien mit Kindern mit Behinde- Freundschaft in der im April gegründeten rungen (hauptsächlich Autismus) arbeiten, Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten, zu engagieren: dem multifunktionalen knüpfen. Zentrum „Solis Augšup“ sowie der ehren- Unsere neuen Kooperationspartner:innen amtlich tätigen Jugendgruppe „Jauniešu stellen sich vor, erläutern ihre Motivation pastorālā māja“. 22 jesuitenweltweit
Jesuit Volunteers Wir freuen uns, die Zusammenarbeit mit Je- vielleicht nie kennengelernt hätten. Wir er- suit Volunteers zu beginnen, weil wir sicher möglichen einen Zugang zur lettischen und sind, dass junge Freiwillige aus Deutschland gleichzeitig können wir die deutsche Kultur uns frische Ideen und neue Perspektiven kennenlernen. In der neuen ECE-Provinz bringen werden, die das Leben unserer Or- stellt dieser Austausch eine direkte Verbin- ganisation noch bunter und vielfältiger ma- dung zwischen unseren beiden Ländern dar, chen werden. Deshalb möchten wir gerne welcher die Freundschaft noch mehr vertie- Raum und Unterstützung für neue Initia- fen kann. tiven schaffen. Wir hoffen auch, dass unse- Für junge Menschen ermöglicht diese Erfah- re Organisation ein Ort sein wird, an dem rung das Kennenlernen neuer Kulturen und junge Freiwillige nicht nur auf verschiedene Orte, das Gewinnen neuer Lebenserfahrung Weise wachsen können, sondern auch viel sowie das Bewusstsein für Unterschiede und Spaß und Abenteuer erleben können. Wir Gemeinsamkeiten in Europa. glauben, dass der wichtigste Aspekt eines je- den Freiwilligendienstes nicht darin besteht, Dinge zu tun – obwohl es wichtig ist! – son- dern darin, voll präsent zu sein: für die Men- schen, die Erlebnisse und für sich selbst. Das Leben ist voller schöner Überraschungen, wenn wir nur bereit sind, sie zu sehen. Allen Freiwilligen, die sich auf ihren Dienst im Ausland vorbereiten, möchten wir nur folgendes sagen: Seid mutig zu träumen und immer zu lieben! Meiner Meinung nach ist das Wichtigste an einem Freiwilligendienst die Bereitschaft und der Wille, zu gehen, anderen zu begegnen, zu lernen und im Dienst, auf der individuellen Ebene sowie als Freiwilliger zu wachsen. Der Rat, den ich den Freiwilligen geben möchte, ist einfach und herausfordernd zugleich. Sei aufgeschlossen und flexibel, sei bereit, überrascht zu werden, sei of- fen, dich auf die neuen Erfahrungen ein- Ieva Jokste, Freiwilligenkoordinatorin zulassen, bringe dich mit deiner Arbeit in Lettland/Riga und auch deiner Kultur ein und schließe Freundschaften. Und versuche das Beste Austausch innerhalb der ECE-Provinz aus dem zu machen, was gerade da ist. Die Jesuitenkommunität in Riga heißt die Jesuit Volunteers herzlich willkommen, weil es eine Gelegenheit ist, jungen Menschen (Father Janis Melnikovs SJ, Superior der Lettland zu zeigen, die dieses Land sonst Kommunität in Lettland/Riga) jesuitenweltweit 23
Jesuit Volunteers Engagement gegen Diskriminierung Non-Food-Artikeln an benachteiligte Men- „Der Jesuit Refugee Service Greece (JRS schen in der Nachbarschaft, im Women Griechenland) wurde im November 2015 Day Centre, das neben einem Wäsche- und gegründet und konzentriert sich auf schutz- Duschservice auch verschiedene Workshops bedürftige Menschen um die soziale Inklu- anbietet, um Frauen zu unterstützen, im Pe- sion und Integration von Geflüchteten und dro Arrupe Centre, einem sozialen Integra- anderen Zwangsmigrantinnen und -mig- tions-Zentrum, das durch außerschulische ranten in Griechenland. Förderprogramme Kindern mit Migrati- onshintergrund den Weg in die griechische Seit den Anfängen sind Freiwillige ein un- Gesellschaft und das Bildungssystem er- schätzbarer Teil der Arbeit des JRS-Teams leichtern möchte oder in der Hub Commu- in Griechenland. Ihre Anwesenheit spielt nity mit non-formalen Bildungsangeboten. eine wichtige Rolle, da sie Motivation und Begeisterung in die Aktivitäten mit einbrin- gen. Die internationalen Freiwilligen kom- Den Freiwilligen wird durch ihre Tätig- men zu uns, um uns bei unserer Arbeit mit keit beim JRS Griechenland ermöglicht, Migranten und Geflüchteten zu unterstüt- sich aktiv für eine gerechtere und nach- zen und um die ignatianische Spiritualität haltigere Welt zu engagieren, indem sie des Jesuiten-Ordens vor Ort mitzuerleben. zu einer inklusiveren europäischen Ge- sellschaft beitragen und konstruktiv auf Herausforderungen reagieren, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist, wie zum Beispiel die Zunahme von Dis- kriminierung und einer Stimmung ge- gen Migranten. Raquel Verdasco Martinez, Referentin für Pro- jekte und Advocacy JRS Griechenland/Athen Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen Aus verschiedenen Ländern zu kommen Dank der Unterstützung von großzügigen und gemeinsam für das gleiche Ziel zu ar- Menschen und Partnerorganisationen in beiten, ermöglicht es dem JRS-Team, of- ganz Europa sind wir beim JRS Bosnien- fen für verschiedene Perspektiven zu sein. Herzegowina in der Lage, unseren neuen Außerdem will das JRS-Team Menschen Freund:innen in temporären Aufnahme- verbinden, um christliche Werte wie Team- zentren und in deren Umgebung täglich zu arbeit, Geschwisterlichkeit, Solidarität, Ge- helfen. So verteilen wir einerseits verschiede- rechtigkeit, Brüderlichkeit und Menschen- ne Hilfsgüter im Rahmen der Notfallhilfe, rechte zu entwickeln. Freiwillige können bieten viele kulturelle und pädagogische in den drei Zentren mitarbeiten, die der Workshops in den Camps an, aber auch JRS Griechenland in Athen verantwortet: psychosoziale Unterstützung und Über- bei der Verteilung von Lebensmitteln oder setzungsdienste beim Besuch von Gesund- 24 jesuitenweltweit
Jesuit Volunteers heitseinrichtungen oder Behörden. Die Ar- beit der Freiwilligen ermöglicht, dass wir die Geflüchteten noch besser begleiten und uns für sie einsetzen können. Jugendliche sollten sich ehrenamtlich en- gagieren, um zum Beispiel ihre Koopera- tionsfähigkeit und ihr lösungsorientiertes Denken zu stärken, was für ihren Erfolg im Studium, am Arbeitsplatz und in ihrem persönlichen Leben wichtig ist. Egal ob es darum geht, Spenden zu sammeln oder sich Vedran Mihić, Freiwilligenkoordinator um ältere Menschen zu kümmern oder, beim JRS Bosnien und Herzegowina/Bihać wie in unserem Fall, Migrant:innen und im Gespräch mit der zukünftigen Geflüchtete zu unterstützen, Jugendliche Freiwilligen Patricia lernen, was es bedeutet, verantwortungs- voller Bürgerinnen und Bürger zu sein. Freiwilligenarbeit hilft jungen Menschen, Bewerbungsverfahren ihre Lebensläufe mit realen Erfahrungen zu für einen Freiwilligendienst füllen. Junge Menschen, die sich freiwillig 2022/23 engagieren, bauen Freundschaften auf und stärken ihr „soziales Kapital“. Haben wir Ihr Interesse an einem Freiwil- ligendienst ab Sommer 2022 geweckt Auf der einen Seite profitieren die Freiwilli- oder kennen Sie jemanden, der Interesse gen selbst sehr von ihrem Einsatz, aber auch daran hat? Alle Informationen zu unserem wir als Organisation haben viele Vorteile, Bewerbungsverfahren sowie dem Bewer- wenn wir die Freiwilligenarbeit junger Men- bungsschluss finden Sie auf: schen fördern: Wir können neue Ideen und Fähigkeiten der Freiwilligen in unser Pro- jesuit-volunteers.org/jv-werden gramm integrieren, eine Gemeinschaft voll Vertrauen aufbauen und zu lebenslangem Ehrenamt ermutigen. Den Freiwilligen möchte ich mit auf den Weg geben, dass sie sich immer wieder bewusst sein sollen, dass sie als Gast in einer neuen Gemeinschaft willkommen sind. Dies bedeutet nicht, dass sie ihre weltbegeistert eigenen Werte aufgeben sollen, sondern die Werte der Menschen, mit denen sie zusammenleben und arbeiten, respektie- ren sollten. 6067894_JV-Postkarte.indd 2 14.12.15 13:19 jesuitenweltweit 25
DACA: Trauer um Father Tony Antony Raj SJ, Gründer eines Bildungszentrums für „Kastenlose“ in Tamil Nadu, ist am 10. Mai Covid erlegen. Joe Übelmesser SJ erinnert sich an den Traum seines Freundes: eine Gesellschaft, in der jeder Mensch in Würde lebt. I ch habe Tony vor mehr als 25 Jahren all die Mühe, die er für seine Leute auf sich kennengelernt. Sein damaliger Provin- genommen hat, auch in Indien Früchte tra- zial war zu Besuch bei uns in Nürnberg gen wird. und bat mich um Hilfe bei der Fertigstel- lung von Tonys Doktorarbeit. Das war der Joe Übelmesser SJ Beginn einer langen Freundschaft. Obwohl ich selbst mein Theologiestudi- um in Indien absolviert habe, habe ich erst durch die Begegnung mit Tony erkannt, in welcher Situation so viele Dalits, „Kasten- lose“, in Indien leben müssen und wir hal- fen bei der Gründung von DACA, der Dr. Ambedkar Cultural Academy. Etwa 10 Tage vor seinem Tod hat Tony zum letzten Mal mit mir telefoniert. Er hat einen sicheren Platz in meiner Erinnerung und in meinem Herzen und ich hoffe, dass 26 jesuitenweltweit
Indien Hoffen auf den Neustart Die Pandemie und der Lockdown sind für die Mädchen aus dem Internat eine Kata- strophe. Online-Unterricht ist für die we- nigsten eine Option, viele müssen arbeiten statt zu lernen. Nach fast 10 Monaten Corona-Zwangs- pause konnte DACA-Direktor Vargheesh Antony SJ im Januar das Vidivelli Girls‘ Home, Mädcheninternat der Akademie, wieder öffnen: „Unser Team war gut vor- bereitet, wir haben alle notwendigen Vor- sichtsmaßnahmen getroffen.“ Die Kampfkunst Silambam gibt den Mädchen Selbstvertrauen. Der Großteil der 124 Mädchen aus dem Vidivelli Girls’ Home stammt aus abge- schulische Leistungen. Online-Unterricht legenen Dalit-Dörfern Tamil Nadus und ist für viele keine Option: „Meine Eltern besucht die St. Anne’s Higher Secondary hatten große Mühe, uns Kinder während School, etwa einen Kilometer entfernt. Ne- des Lockdowns zu ernähren“ berichtet etwa ben einem umfangreichen pädagogischen Zwölftklässlerin Gowri, die jetzt arbeiten Programm legt die Dr. Ambedkar Cultural muss, statt zu lernen. Academy auch Wert auf Sport, Kunst, prak- tische Fähigkeiten und gibt den Mädchen Mit einem umfangreichen pädagogischen Identität und Selbstbewusstsein, etwa durch Programm, psychosozialen Angeboten und Training in Silambam, einer alten tamili- einem strengen Hygienemanagement rüstet schen Kampfkunst. man sich bei DACA, um die Mädchen nach der so sehnlich erhofften Wiedereröffnung „Die Situation ist erbärmlich“ aufzufangen. „Im ersten Lockdown konnte Nur einen Monat nach Wiedereröffnung ich an den Online-Kursen teilnehmen, aber der Schulen meldeten mehrere Einrichtun- ich habe nichts verstanden“, sagt Priya aus gen erneut Covid-Fälle. Zunächst wurde der 11. Jahrgangsstufe, „aber als ich zu DACA per Regierungsbeschluss für die Klassen zurückkam, hatte ich die Chance, die Sonder- 9 bis 11 das gesamte Schuljahr ausgesetzt, klasse für Englisch und Mathematik zu besu- kurze Zeit später auch für die zwölften chen. Jetzt fühle ich mich etwas entspannter Klassen: Alle Abschlussprüfungen wurden und habe eine Grundlage für die nächste Klas- auf das kommende Schuljahr verschoben, se. Ich bin DACA sehr dankbar.“ und auch DACA stellte den Betrieb ein, ob- schon es auf dem Campus keine Covid-Fälle Steffen Windschall gab. „Die Situation unsere Schülerinnen ist erbärmlich“, klagt Vargheesh Antony SJ. Er Spenden & helfen: beobachtet Konzentrationsstörungen, Ver- jesuitenmission.de/daca haltensauffälligkeiten, sich verschlechternde jesuitenmission.at/daca jesuitenweltweit 27
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