Tarifergebnis bei der BVG: Ein Happen mehr und eine verpasste Chance
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Tarifergebnis bei der BVG: Ein Happen mehr und eine verpasste Chance Lars Keller, Infomail 1051, 21. April 2019 Nach dem 24-Stunden-Streik bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) am 1. April ging ver.di zügig zur Einigung mit dem Arbeit„geber“Innenverband KAV (Kommunaler Arbeitgeberverband) über. Am 4. April wurde das Ergebnis bekannt. Herausgekommen ist eine Lohnsteigerung von mindestens 8 % – die war dringend nötig und doch nicht ausreichend und relativiert sich bei einer Betrachtung des Gesamtabschlusses. Während die Laufzeit des Manteltarifes bis zum Juni nächsten Jahres reicht, gilt der Entgelttarifvertrag bis Dezember 2020, also fast zwei Jahre, womit sich die 8 Prozent deutlich relativieren. Die Entgeltgruppenordnung läuft bis Ende 2023. Das Weihnachtsgeld wurde auf 1600 Euro angehoben. Die Unterschiede zwischen den Entgeltgruppen wurden teilweise verkleinert, wenn auch nicht aufgelöst. Die Zusatzauszahlung für Gewerkschaftsmitglieder wurde nicht durchgesetzt. Schon vor dem Ausstand am 1. April hatte ver.di bereits bekanntgegeben, dass sie die Forderung der
Arbeitszeitverkürzung um 2,5 Stunden auf 36,5 Stunden pro Woche fallen lässt – obwohl dies für viele Beschäftigte die Kernforderung bezüglich einer Verbesserung des Manteltarifs darstellte, um so eine dringend nötige Entlastung durchzusetzen. Auch Pausen gelten weiterhin nicht als Teil des Arbeitstages. So wurde den VerhandlungsführerInnen und der BVG-Spitze bereits signalisiert, dass die ver.di- Verantwortlichen einen Arbeitskampf – wie gewohnt – nicht auf die Spitze treiben und auch nicht zum unbefristeten Vollstreik übergehen wollen. Dabei wäre genau der nötig gewesen! Den ganzen Tag im Stadtverkehr, Abfertigung im Minutentakt und dann noch die allseits bekannten Betriebsstörungen – kein Wunder, dass viele VerkehrsarbeiterInnen von sich aus in Teilzeit wechseln. Der Arbeitskampf Insgesamt gab es drei Arbeitsniederlegungen, was an sich schon mal ein Fortschritt war, denn der letzte Streik der BVGlerInnen lag bereits 7 Jahre zurück. Zurück lag und liegt die BVG mit der Tochter Berlin Transport (BT) auch bei der Vergütung. Im Vergleich mit anderen InfrastrukturbetreiberInnen Berlins wird das deutlich: LokführerInnen bei der S-Bahn Berlin (Tochter der DB AG) verdienen rund 930 Euro
Grundgehalt mehr im Monat – nicht ohne Grund wechseln einige FahrerInnen zur S- Bahn, die selbst an Personalmangel leidet. MüllbeseitigerInnen bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) verdienen bis zu 3500 Euro brutto. Damit liegen die FahrerInnen der BVG bei jetzt 2685 Euro brutto noch immer zurück. Der Arbeitskampf selbst ging nie über das Stadium von Warnstreiks hinaus. Der erste Streik am 15. Februar umfasste die Frühschicht in allen drei Bereichen Bus, Tram, U-Bahn. Der zweite Streik (15. März) war lediglich ein Teilstreik der BusfahrerInnen. Zum besagten letzten Streik am 1. April wurde wieder in allen Bereich mobilisiert. Den Beschäftigten fehlte es sicher nicht an Kampfkraft und Entschlossenheit, um noch deutlich mehr rauszuholen. Über die Jahre des Überstundensammelns, der Verschlechterung der Qualität im ÖPNV und steigender Lebenshaltungskosten – in Berlin insbesondere die Miete – hat sich unter den ArbeiterInnen viel Wut angestaut. Zudem war trotz der massiven Auswirkungen auf die ganze Stadt eine gewisse Solidarität unter der Bevölkerung gegeben. Selbst bürgerliche Blätter, normalerweise jederzeit bereit, gegen streikende LokführerInnen zu hetzen, hielten sich im Zaum und rechneten sogar vor, wie viel weniger eine BVGlerIn im Vergleich zu ihren KollegInnen andernorts
verdient (Berlin vor dem Arbeitskampf: 2270 Euro brutto, Bayern 2836 Euro brutto). Es stellt sich also die Frage, warum ver.di den Arbeitskampf nicht eskalierte und zum Vollstreik überging. Warum führte ver.di den zweiten Streik so inkonsequent und mobilisierte nur die BusfahrerInnen? So konnten viele auf U-Bahn und Tram ausweichen, es wurde so die eigene Aktion deutlich geschwächt. Die Antwort ist, dass das BürokratInnenteam um ver.di-Verhandlungsführer Jeremy Arndt nicht die Kontrolle über den Streik verlieren wollte und die Warnstreiks nur als Mittel betrachtete, einen etwas besseren Kompromiss zu erreichen, der den Senat nicht zu sehr schmerzt. Schon eine Urabstimmung über einen Vollstreik war zu viel. So wurde etwas gekämpft, ein bisschen Druck und Wut abgelassen und die Belegschaft mit einigen Häppchen beruhigt. Tatsächlich steckt ver.di beim BVG-Streik in einem Widerspruch. Politisch ist die Gewerkschaftsführung eng mit Linkspartei und SPD verbunden. Diese sind aber als Teil der Landesregierung und in diesem Arbeitskampf auf Seiten des/r Arbeit“geber“In, dem/r die BVG gehört. SPD und Linkspartei schauen auf den Landeshaushalt und haben die
Schuldenbremse im Nacken. Klar weiß das auch der ver.di-Apparat. So gibt sich Arndt dann auch zufrieden: „Der Abschluss kann sich sehen lassen, da der neue Tarifvertrag einen deutlichen Schritt im bundesweiten Vergleich nach vorne macht.“ Bloß keine zu großen Schritte machen und den Gehaltsrückstand zu anderen FahrerInnen auf einmal aufholen … Gewerkschaften, Senat und die Verkehrswende Der Streik hätte das Potential gehabt, auch politische Fragen aufzuwerfen. Einige BVG-Beschäftigte machten deutlich, dass sich der Streik nicht gegen die BerlinerInnen richtet, sondern vielmehr auch in ihrem Interesse ist. Eine höhere Entlohnung der FahrerInnen macht diesen Beruf attraktiver, eine Arbeitszeitverkürzung erhöht die Aufmerksamkeit und Ausgeglichenheit des Betriebspersonals und damit die Qualität des Berliner ÖPNV. Die Arbeitsqualität im ÖPNV ist ein relevanter Punkt für die Umsetzung eines anderen, momentan brennenden Themas: Zeitgleich mit dem Tarifkampf nahm die Umwelt-SchülerInnenbewegung „Fridays for Future“ massiv an Fahrt auf. Viele der Jugendlichen thematisieren korrekterweise
die Wichtigkeit der sogenannten Verkehrswende als Teil des Kampfes gegen den menschengemachten Klimawandel. SPD, Grüne und Linkspartei haben nicht gezögert, „Fridays for Future“ in Worten zu unterstützen. Gleichzeitig verschleppen sie eben jene „Verkehrswende“. In Berlin beschlossen sie zwar den Ausbau von U-Bahn und Tram für 28 Milliarden Euro, aber die Umsetzung soll sich bis 2035 hinziehen. In Brandenburg wurde vor einigen Jahren von SPD und DIE LINKE dem Ausbau des Braunkohletagebaus Welzow zugestimmt. Die Versuche von den beiden bürgerlichen ArbeiterInnenparteien, Umweltschutz, Belange der ArbeiterInnen und die Zwänge von Kapital und Staatshaushalt unter einen Hut zu bringen, führen bestenfalls zu Halbherzigkeiten wie z. B. der, dass man zwar perspektivisch, irgendwann aus der Braunkohleverstromung raus und irgendwie auch einen besseren ÖPNV will. In der Regel führt diese Politik aber dazu, dass vor dem Willen des Kapitals eingeknickt wird. So wird dann schon mal zugesichert, dass die Profite der Kohleindustrie oder des Automobilsektors gerettet und, wenn nötig, durch die SteuerzahlerInnen, sprich die ArbeiterInnen, bezahlt werden. Freilich dient als Rechtfertigung für diese kapitalhörige Politik die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Standortsicherheit Deutschlands, die in der Realität jedoch auch noch abgebaut werden, statt gleichwertige und gleich gut bezahlte
Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Es ist wichtig, diese politische Dimension zu begreifen. Die Gewerkschaften des DGB arbeiten dabei auch noch mitunter direkt gegeneinander. Ver.di und EVG sollten ein Interesse daran haben, den öffentlichen Personennah- und Schienengüterverkehr zu stärken. Die bürokratische Führung der IG Metall hat demgegenüber aufgrund ihrer Nähe zu den Bossen von Daimler, VW und Co. ein Interesse daran, die Profite der PKW- und LKW-Industrie zu sichern. Diese Widersprüchlichkeit schlägt sich dann eben auch in den Parteien der ArbeiterInnenbewegung nieder. Aus dem Kampf lernen Warum diese thematischen Bezüge zu Umweltschutz und Senatspolitik? Weil es unserer Meinung nach höchste Eisenbahn (oder Straßenbahn) ist, aus der scheinbar ewig währenden Lethargie von Tarifrunden auszubrechen und den Kampf um höhere Löhne mit politischen Forderungen zu verbinden. Es hätte sich geradezu angeboten, gemeinsame Proteste von BVGlerInnen und „Fridays for Future“ durchzuführen: einfach die SchülerInnen mit den bestreikten Fahrzeugen vor den Schulen abholen, vor den Bundestag fahren und geschlossen demonstrieren.
Freilich hätte es nicht nur gemeinsame Aktionen, sondern auch gemeinsame Forderungen gebraucht. Diese hätten nicht bei bloßen Tarifforderungen stehen bleiben dürfen, sondern eine politische Ebene einnehmen müssen. Eckpunkte wären: Keine Gehalterhöhung auf Kosten anderer! Gegen jede Ticketpreiserhöhung, die durch höhere Gehälter von BVGlerInnen begründet wird – im Gegenteil! Für einen kostenlosen ÖPNV und Berufsverkehr für ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen, bezahlt durch eine massive Besteuerung der Profite von Automobil-, Kohle-, und Flugzeugindustrie! Planmäßige Umstellung der Stromversorgung für Tram und U-Bahn auf regenerative Energie! Für einen durch ArbeiterInnen geplanten und demokratisch kontrollierten, organisierten Ausstieg aus fossiler und atomarer Stromerzeugung! Für die Verkehrswende in unseren Städten! Massiver Ausbau von S-Bahn und Straßenbahnen in Berlin – kontrolliert und demokratisch geplant durch die ArbeiterInnen von BVG und DB sowie Ausschüsse von Fahrgästen und PendlerInnen! Gegen jede Privatisierungsversuche und Auslagerung von ÖPNV! Ausgelagerte Buslinien wieder in die Hand der BVG! Es wäre aber nicht nur darum gegangen, die Verbindung zu den SchülerInnen zu suchen. Eine weitere wichtige Lehre aus
vergangenen Kämpfen besteht darin, dass wir für eine klassenkämpferische Neuausrichtung der Verkehrsgewerkschaften in ver.di, GdL und EVG in Form von oppositionellen Strukturen gegen die Apparatschiks kämpfen müssen. Die S-Bahn Berlin – ihrerseits Tochter der Deutschen Bahn AG und daher nicht Teil der Tarifverhandlungen zwischen ver.di und BVG – hatte im Rahmen der Streiks Betriebsreserven mobilisiert, um deren Auswirkungen abzufedern. Hier wären die EisenbahnerInnengewerkschaften EVG und GdL sowie die Betriebsräte gefragt, diesen Streikbruch zu verhindern. So wirkt die Grußbotschaft an die BVG-ArbeiterInnen in der aktuellen Ausgabe der EVG-Zeitung fast schon zynisch angesichts der Tatsache, dass nicht einmal die Zustimmung zu den Extrafahrten der S-Bahn verweigert wurde. Dieser Streikbruch durch die S-Bahn Berlin wird von der EVG nicht einmal erwähnt. Immerhin konnten die Beschäftigten bei BVG und BT den Streikbruch im eigenen Unternehmen teilweise bekämpfen, u. a. durch Streikposten in den Busdepots – ein wichtiger Teilerfolg! Die Lehre ist aber, dass die Widersinnigkeit gegenseitigen Streikbruchs von Beschäftigten desselben Sektors und die Untätigkeit, diesen zu verhindern, darauf verweist, wie notwendig der Kampf für eine Transport- und Logistikgewerkschaft ist, die
alle im Sektor Beschäftigen umfasst und demokratisch von diesen kontrolliert wird statt durch Vorgaben der BürokratInnen. So wäre es denn auch möglich, gemeinsam zu streiken, statt getrennt zu kämpfen oder die Aktionen der anderen faktisch zu unterlaufen – ansonsten fährt beim nächsten S-Bahn-Streik die BVG oder umgekehrt. Die Beschäftigten sollten bei künftigen Streiks – womöglich schon 2020 – eigene demokratische Basisstrukturen aufbauen und die Kontrolle über den Streik übernehmen. Sie wählen die Kampfmittel, die Länge des Streiks, bestimmen über die Forderungen, wählen und kontrollieren ihre VerhandlungsführerInnen, indem sie Rechenschaft von ihnen verlangen. Jede künftige Annahme neuer Tarifverträge bedarf einer vorherigen Zusstimmung durch die Belegschaft. Letztlich gilt es, eine internationale demokratische Gewerkschaft aller Transport- und LogistikarbeiterInnen zu erkämpfen, die die oben aufgeführten politischen Forderungen erhebt und die Kämpfe über Ländergrenzen hinweg zusammenführt, denn in letzter Konsequenz ist die Verkehrswende – so wie der Klimawandel und der Kampf dagegen – eine internationale Angelegenheit!
Tarifrunde Druckindustrie: Durchsetzungsstreiks für den Erhalt des Manteltarifvertrags! Helga Müller, Infomail 1051, 19. April 2019 Am Dienstag, dem 16. April, traten die streikenden KollegInnen der Druckindustrie aus Bayern in München auf dem Marienplatz zu einer öffentlichen Streikversammlung zusammen. Aufgerufen zu Solistreiks zur Unterstützung der DruckerInnen waren auch RedakteurInnen und Angestellte der Zeitungsverlage aus ganz Bayern, aus dem Konzern der Süddeutschen Zeitung auch die KollegInnen eines Buchverlages. Insgesamt versammelten sich ca. 500 KollegInnen auf dem Marienplatz. Die Stimmung war kämpferisch und man konnte auf dem Platz förmlich spüren, dass der Kampfesmut ungebrochen ist. Parallel zogen in Essen 250 streikende KollegInnen der Druckindustrie aus Nordrhein-Westfalen durch die Innenstadt. Es geht um viel: Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) bläst in dieser Tarifrunde zu einem Frontalangriff auf den lang und hart erkämpften
Manteltarifvertrag (MTV) der DruckerInnen – wie schon einmal im Jahr 2011. Laut ver.di würden die Forderungen des bvdm einen Lohneinbruch und damit Kostensenkungen im Personalbereich von 30 % bedeuten! Im Einzelnen möchte der bvdm folgendes durchsetzen: Verlängerung der Arbeitszeit von 35 Stunden auf bis zu 40 Stunden proWoche – das ist nichts anderes als Personalabbau und Mehrbelastung für die „übriggebliebenen“ KollegInnen Ersatzlose Streichung der Regelungen zur Maschinenbesetzung – auch dies bedeutet Personalabbau und Mehrbelastung Aufgabe des FacharbeiterInnenschutzes für DruckerInnen durch die Besetzung mit anderen Fachkräften – das ist nichts anderes als Lohnabbau Kürzung der Zuschläge für Wochenend- und Nachtarbeit – Lohnabbau Abschaffung der Erschwerniszulage für Sonn- und Feiertagsarbeit – Lohnabbau Kürzungen der Jahresleistung und des Urlaubsgeldes – Lohnabbau Durchsetzung von betrieblichen Öffnungsklauseln im MTV zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Neueingestellte, die auch auf Altbeschäftigte angewendet werden können: Einführung des Samstags als Regelarbeitstag,
Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, Kürzungen bei den Zuschlägen und dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Damit würden die Konflikte auf die Betriebsebene verlagert – dies würde die Beschäftigten in eine schwächere Position bringen, weil die Belegschaften Betrieb gegen Betrieb ausgespielt werden könnten. Aber das reicht den DruckunternehmerInnen immer noch nicht! Auch was das Entgelt angeht, will die Druckindustrie einen Durchbruch erzielen und einen Reallohnverlust durchsetzen. Ihr „Angebot“: 2,4 Prozent ab April 2019 und 1,4 Prozent ab April 2020 sowie 400 Euro als Einmalzahlung für 7 Nullmonate bei einer Laufzeit von 30 Monaten! Und das auch nur, wenn der MTV verschlechtert wird. Dieses „Angebot“ stellt noch nicht einmal einen Inflationsausgleich dar! Seit Oktober letzten Jahres sind die KollegInnen der Druckindustrie in mehreren mehrtägigen Warnstreikwellen für den Erhalt des MTV und für eine reale Erhöhung ihrer Löhne aktiv. Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hat sich die Streikwelle
ausgedehnt – auch sogenannte OT-Betriebe (Druckereien ohne Tarifbindung, die aber noch Mitglied im Arbeit„geber“Innenverband sind) konnten in die Streikwelle einbezogen werden. Dieser Druck – es geht um einen der am längsten bestehenden MTVs in der Bundesrepublik – hat dazu geführt, dass die seit Dezember bestehende Blockadehaltung des bvdm durchbrochen werden konnte und er am 9. April wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren musste. Die vielen Reden der Streikenden aus den verschiedenen Druckereien des Landes machten deutlich, dass die Kampfbereitschaft ungebrochen ist und die KollegInnen verstanden haben, was der bvdm will: eine grundsätzliche Veränderung des Kräfteverhältnisses zu seinen Gunsten, in einem Bereich der noch sehr gut organisiert und kampfstark ist. Auch der Verhandlungsführer von ver.di, Frank Werneke (designierter Nachfolger von ver.di Chef Bsirske), hielt eine kämpferische Rede. Auch er konnte nicht umhin, immer wieder zu betonen, dass der Kampf für einen 100-prozentigen Erhalt des Manteltarifvertrages noch nicht zu Ende ist und dieser ausgeweitet werden wird, bis der MTV ohne Abstriche wieder in Kraft tritt – was mit tosendem Beispiel quittiert wurde. Auch wenn die Streikfähigkeit im Osten und Norden der Bundesrepublik
nicht so stark ist wie im Süden und Westen, blieb er aber die einzige Antwort, die auf eine solche Provokation gegeben werden muss, schuldig – nämlich sofortige Urabstimmung für unbefristete Durchsetzungsstreiks und Fortführung der Solistreiks in der Zeitungsbranche. Am 2. Mai finden die nächsten Verhandlungen auf Bundesebene mit dem bvdm statt. Ob der Druck der vielen Warnstreiks, die ungebrochen weitergehen, ausreichen wird, um den bvdm von seinem Vorhaben, die KollegInnen für seine Krise zahlen zu lassen, abzubringen, wird sich dann spätestens herausstellen. Durchsetzungsstreiks für den Erhalt des Manteltarifvertrags und die volle Durchsetzung der geforderten 5 % Lohnerhöhung! Alle KollegInnen der Zeitungsverlage an die Seite der KollegInnen aus der Druckindustrie Tarifergebnis Stahl 2019 – ein Erfolg oder eher nicht? Kuno Benz, Frederik Haber, Infomail 1051, 16. April 2019
Nach vielen Warnstreiks und Aktionen der Beschäftigten der nordwestdeutschen Stahlindustrie und etlichen, zähen Verhandlungsrunden gab es nun am 16. März einen Abschluss, der schließlich auch im Saarland mit einer 2-monatigen tariflichen Verschiebung übernommen wurde. Aber: Kann dieser Abschluss als Erfolg gewertet werden? Viele Beschäftigte sind unzufrieden. Selbst in der Tarifkommission regte sich Unmut, vor allem aus den norddeutschen Betrieben. Aber die Dominanz der VertreterInnen von Thyssen-Krupp in der Tarifkommission sorgte für ein eindeutiges Ergebnis. Offensichtlich waren die führenden Kräfte aus diesem Konzern genauso zufrieden mit dem Abschluss wie der IG Metall-Vorstand. Haben die SpitzengewerkschafterInnen wegen der aufziehenden Krisenwolken die Bremse reingehauen oder hatten sie zu Beginn der Tarifrunde zu laut geklappert? „Wir wollen von dem dicken Kuchen, der auf dem Tisch liegt, dieses Mal ein gutes Stück abhaben“ tönte noch im Februar Duisburgs IG-Metall-Chef Dieter Lieske. „Nach den zum Teil hausgemachten Krisen der vergangenen Jahre, die wir als Arbeitnehmer zu einem guten Teil aufgefangen haben, hat die Stahlbranche im vergangenen Jahr wieder richtig gutes Geld verdient.“ Bei den Stahlpreisen in den vergangenen zwölf
Monaten hätten die Arbeit„geber“Innen das Geld nur noch mit der Schneeschaufel in die Garagen schubsen müssen. Unmittelbar nach dem Abschluss werteten beide Seiten die Einigung als „schwierigen, aber vertretbaren“ Kompromiss. „Wir haben in den letzten drei Monaten und auch in den letzten 16 Stunden hart miteinander gerungen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, betonte IG Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler. „Gerade die unteren Entgeltgruppen profitieren besonders von den 1.000 Euro zusätzlicher tariflicher Vergütung.“ Damit habe der Vertrag eine starke soziale Komponente. Und mit den Regelungen für mehr freie Tage in der Stahlbranche setze die IG Metall ihre arbeitszeitpolitische Offensive fort. Nach dem Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie sei ihr in einer weiteren großen Branche ein Durchbruch für mehr Arbeitszeitsouveränität gelungen. „Damit tragen wir dem Wunsch der Beschäftigten nach mehr Selbstbestimmung, Entlastung und mehr Freiräumen für das Private Rechnung“, sagte Giesler. Die IG Metall ist also mehr als zufrieden mit dem Abschluss. Und die Arbeit„geber“Innen? Sie stöhnen zwar ein wenig – jedoch mehr über die Tarifrunde als
solche denn über das Ergebnis: „Diese Tarifrunde war außergewöhnlich komplex und wurde dementsprechend intensiv geführt. Insbesondere die Forderung nach einem in Freizeit umwandelbaren Zusatzentgelt hat uns vor eine Zerreißprobe gestellt“, erklärte auch Christian Büttner, Geschäftsführer im Arbeitgeberverband Stahl. Wie ist aber der Abschluss für uns zu bewerten? Woher kommt der Unmut der Kolleginnen und Kollegen? Entgelt Man kann Tariferhöhungen unterschiedlich einschätzen. Auf lange Sicht ist die Erhöhung der Tabellenwerte entscheidend, für den Lebensunterhalt zählt dagegen das Volumen im laufenden Jahr. Die Tabellenerhöhung von 3,7 % klingt ordentlich, ist aber die einzige Erhöhung der Entgeltgruppen während der gesamten Laufzeit von 26 Monaten. Dazu kommt dann noch das „zusätzliche Urlaubsgeld“ in Höhe von 1.000 Euro ab dem Jahr 2020. Dieses ist tarifdynamisch, soll also bei den nächsten Tariferhöhungen steigen. Immerhin
bedeuten diese 1.000 Euro eine Sockelerhöhung, die in der Vergangenheit, wenn eine solche Forderung aus den Vertrauenskörpern kam, von der IG Metall-Führung heftig bekämpft wurde. Die 1.000 Euro entsprechen einer Tariferhöhung von etwa 1,5 % (geschätzter Mittelwert), wenn man 13,2 Monatsentgelte zugrunde legt. Zusammen ergibt sich also eine Erhöhung der Tarifentgelte von 3,7 % + 1,5 %, also 5,2 % über 26 Monate oder 2,4 % auf 1 Jahr gerechnet – denn die Preissteigerungsraten sind auch immer auf 1 Jahr gerechnet. Und dann sieht der Abschluss also alles andere als üppig aus! Wie viel mehr im Geldbeutel? Die Tariferhöhung von 3,7 % gilt ja erst ab 1. März. Zuvor gibt es 100 Euro für Januar und Februar. Wenn man also das Volumen ab dem Zeitpunkt der Laufzeit – also ab 1. März 2019 – rechnet, dann erhöhen 3,7 % in zehn Monaten das Jahreseinkommen nur um rund 3,1 %, zu denen dann noch 100 Euro Einmalbetrag kommen. Die gleiche Betrachtung findet
dann 2020 nochmals statt, wenn das zusätzliche Urlaubsgeld die einzige Tariferhöhung sein wird – je nach Entgelt im Mittel rund 1,5 %. Und 2021 startet aufgrund der Laufzeit des Tarifvertrags mit zwei Null- Monaten. Arbeitszeit Anders als in der Metall- und Elektroindustrie forderte die IG Metall keine „verkürzte Vollzeit“ oder „tarifliches Zusatzgeld“ (T-ZUG), sondern mehr Urlaub. Immerhin wurde dann das Ergebnis auch längst nicht so kompliziert – und auch nicht an bestimmte Beschäftigungsgruppen bzw. Voraussetzungen gekoppelt. Als Ergebnis kann jede(r) Beschäftigte ab 2020 das zusätzliche Urlaubsgeld in bis zu 5 freie Tage umwandeln – allerdings ist der Anspruch je nach Anzahl der Anträge gedeckelt. Für die Arbeit„geber“Innen ist das Ergebnis zunächst „kostenneutral“ – dafür kostet einen Beschäftigten jeder freie Tag 200 Euro. Bewertung Eine genaue Betrachtung des Ergebnisses lässt wenig von der Begeisterung übrig, die die
Verlautbarungen der IG Metall, aber auch manche BetriebsrätInnen und Vertrauensleute verbreiten. Die Erhöhung der Tariftabellen um rund 2,4 % auf 12 Monate gerechnet ist nicht der große Erfolg. Das gleicht kaum die Preissteigerungen aus. Der Produktionsfortschritt geht weiter überwiegend in die Kassen des Kapitals. Die maximal 5 Tage zusätzlicher Urlaub sind durchaus etwas, was vielen nützt, den zunehmenden Arbeitsstress oder private Belastungen zu bestehen – so es für sie finanziell verkraftbar ist. Wie weit diese Möglichkeit tatsächlich genutzt wird, bleibt abzuwarten. Die Regelung verliert bei der Umwandlung in Urlaub übrigens ihre „soziale Komponente“: Der zusätzliche Urlaubstag ist für alle Entgeltgruppen der gleiche! Wenn er freiwillig genommen wird, ist das dennoch okay. Nicht aber, wenn aus dieser Urlaubs-Flatrate per Betriebsvereinbarung ein Zwang werden würde. In etlichen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie, so bei Ford, Opel, Audi, wird die Umwandlung der dort „tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG)“ genannten Komponente schon als Kurzarbeitsinstrument (ohne KurzarbeiterInnengeld) genutzt. Betrachtet man jedoch, was
eigentlich tarifpolitisch nötig wäre, sieht der Abschluss schlecht aus. Der zunehmende Arbeitsdruck; bevorstehende Angriffe auf Arbeitsplätze und Standorte; massive Arbeitsplatzverluste durch E-Mobilität, Digitalisierung und Industrie 4.0; die Ausdifferenzierung der Belegschaften in überausgebeutete LeiharbeiterInnen und Ausgegliederte einerseits und tarifliche Stammbelegschaften andererseits – all das wurde schon im Vorfeld bei der Debatte um die Aufstellung der Forderungen ausgeblendet. In der betrieblichen Wirklichkeit bestimmt dies viel mehr das Arbeiten und das gewerkschaftliche Handeln als individuell einige Urlaubstage mehr oder weniger. Bei einer Gesamtbewertung des Abschlusses muss dies die Perspektive sein. Als Mittel gegen die schon bestehenden und drohenden weiteren Arbeitsplatzverluste hätte die Forderung nach einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung erhoben werden müssen. Die Arbeitsproduktivität ist in den letzten Jahren gestiegen, so dass mit weniger KollegInnen in der gleichen Zeit mehr produziert werden kann. Von daher wäre es möglich und auch nötig gewesen, eine kollektive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu fordern. Natürlich hätte man das mit der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Abmilderung von Arbeitsdruck vor allem bei Schichtarbeit verbinden müssen. Kollektive Arbeitszeitverkürzung
ist aber das einzige Mittel, um dem drohenden Arbeitsplatzabbau auf gewerkschaftlicher Ebene etwas entgegenzusetzen. Dass dies bei Aufstellung der Forderungen nicht diskutiert werden konnte, zeigt auch, wie wenig die KollegInnen in den Betrieben darüber in einer Tarifrunde entscheiden können. Und das Ergebnis zeigt auch, dass trotz des Kampfwillens, den viele in der Warnstreikrunde gezeigt haben, die IG Metall-Führung nicht geneigt ist, die ganze Kampfkraft durch unbefristete Streiks in die Waagschale zu werfen. Ihr ist ein Ergebnis, das die UnternehmerInnen nicht zu viel kostet, wichtiger, als die Arbeitenden vor Arbeitsdruck, Arbeitsplatzverlust und prekärer Beschäftigung zu schützen. Dieses Ergebnis reiht sich ein in die Tarifpolitik der letzten Jahre: Die Kampfkraft der Lohnabhängigen wird nicht ausgeschöpft, damit „Deutschland“ weiter Exportweltmeister bleibt. Auch die lange Laufzeit von 26 Monaten gibt den UnternehmerInnen Planungssicherheit, wie VertreterInnen der Unternehmerverbände ganz unverhohlen loben. Sie ist auch ein Geschenk für die Bundesregierung von Seiten der (un)heimlichen MitkoalitionärInnen im IG Metall-Apparat an ihre ParteifreundInnen von der Koalitionspartnerin SPD. Auch der Kampf um die
35-Stundenwoche im Osten – eine Angleichung, die schon vor etlichen Jahren am Widerstand der westdeutschen BetriebsratsfürstInnen in der Automobilindustrie scheiterte – wird mit diesem Abschluss und der darauf folgenden Friedenspflicht untergraben. Von der IG Metall ist dazu nur zu hören, dass sie Vereinbarungen aushandeln wolle. Wie sollen hier Vereinbarungen auf reinem Verhandlungsweg erzielt werden, wenn die UnternehmerInnen schon jetzt sagen, alles solle im Osten so bleiben, weil die Produktivität dort nach wie vor geringer sei als im Westen. Eine Angleichung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden wie im Westen wird von den Arbeit„geber“Innen weiterhin abgelehnt. Die IG Metall will sie zumindest dazu bringen, mit ihr zu verhandeln. „Wir sind mit den Arbeitgebern in Ostdeutschland bereits im Gespräch“, sagt Bernd Kruppa, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Doch die Arbeit„geber“Innen rühren bereits Beton an: „Der Osten braucht diesen Wettbewerbsvorteil weiterhin. Die längere Arbeitszeit muss bleiben“, stärkt Gesamtmetall- Präsident Rainer Dulger den HardlinerInnen in Sachsen den Rücken. Die ArbeiterInnen brauchen die Kontrolle über ihren Kampf von Anfang an – von Aufstellung der Forderungen, über die Durchführung, wo, wann und wie lange gestreikt wird,
bis zum Abschluss der Verhandlungen. Es darf kein Übereinkommen geben, ohne dass die Beschäftigten in den Betrieben über die genauen Bedingungen des Tarifvertrags auf Betriebsversammlungen und mit Aushängen eingehend informiert wurden und in einer Urabstimmung darüber entschieden haben. Tarifkampf bei der Berliner BVG: Solidarität mit dem Streik! Lars Keller, Neue Internationale 236, April 2019 In den vergangenen Monaten fanden nicht nur die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes der Länder statt. In Berlin kämpfen die ArbeiterInnen der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) für bessere Arbeitsbedingungen. Zu dem Zeitpunkt, da dieser Artikel verfasst wird, steht ein 24- Stunden-Streik am 01. April an, nachdem die Verhandlungen zwischen ver.di und dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) am 28. März abgebrochen wurden.
Dieser Streik verdient in jedem Fall unsere Solidarität! Forderungen Konkret gefordert werden von ver.di: eine 36,5-Stunden-Woche, Weihnachtsgeld für neu Eingestellte, Wegfall der unteren Lohngruppen in Verbindung mit schnelleren Gehaltssprüngen sowie eine Einmalzahlung von 500 Euro für Gewerkschaftsmitglieder. Angesichts der explodierenden Mieten in der Stadt und der geringeren Entlohnung der BVG-ArbeiterInnen im Vergleich zu anderen Infrastrukturbeschäftigten (DB/Deutsche Bahn, BWB/Berliner Wasserbetriebe, BSR/Berliner Stadtreinigung) sind die Forderungen mehr als berechtigt. Zudem müssen die BVG-Beschäftigen seit Jahren die verfehlte Personalpolitik ausbaden. Auch deshalb ist die Arbeitszeitverkürzung um 2,5 Stunden pro Woche so wichtig und richtig. Berlin bildet dabei nur die Spitze des Eisberges. Laut ver.di fehlen bundesweit im ÖPNV mehr als 30.000 Beschäftigte. Hier zeigen sich die Folgen von Privatisierungen und
der sogenannten Schuldenbremse, die die Kommunen zum Sparen verdonnert und damit die Kosten der Finanzkrise 2008 vor allem auf die ArbeiterInnen abwälzt – sei es durch geringe Löhne, Überlastung, fehlendes Personal oder durch hohe Fahrpreise. Dementsprechend quer stellen sich die Arbeit„geber“Innen. Dreist war das Angebot Mitte März von 12 % über 5 Jahre Vertragslaufzeit. Das Ziel ist eindeutig: die Belegschaft durch einen hohen Wert blenden und sie gleichzeitig möglichst lange in die Friedenspflicht zwingen. Gleichzeitig verdient eine Sigrid Nikutta (BVG-Vorstand) 500.000 Euro pro Jahr und fährt selbstverständlich mit einer dicken Limousine durch die Gegend. Wo gestreikt wird, da lauert auch der Streikbruch. Beim zweiten Warnstreik am 15. März lieferte ver.di gleich selbst die Möglichkeit zur Schwächung des Arbeitskampfes, indem die Gewerkschaft lediglich die FahrerInnen der Busse zum Streik mobilisierte. Wie kämpfen?
Zu Recht empörten sich viele BVGlerInnen, viele Fahrgäste konnten auf Tram und U-Bahn ausweichen. Diese Art von Teilwarnstreik schwächt den Kampf. Daher ist es nur richtig, dass zum 1. April wieder die gesamte Belegschaft mobilisiert wird. Dazu gehört die Forderung, die ver.di nicht aufgestellt hat, an Subunternehmen ausgelagerte Buslinien mitsamt ihren Beschäftigten wieder unters Dach der BVG zu integrieren! Diese Linien werden am Montag nahezu uneingeschränkt betrieben und damit den Streik unterlaufen. Aber auch aus einer anderen Ecke droht der Streikbruch: Die S-Bahn Berlin – ihrerseits Tochter der Deutschen Bahn AG und daher nicht Teil der Tarifverhandlungen – hat bereits angekündigt, Betriebsreserven zu mobilisieren, um die Auswirkungen des Streiks abzufedern. Hier wären die EisenbahnerInnengewerkschaften EVG und GdL sowie die Betriebsräte gefragt, diesen Streikbruch zu verhindern. Diese Widersinnigkeit gegenseitigen Streikbruchs von Beschäftigten desselben Sektors und die Untätigkeit, diesen zu verhindern, verweist darauf, wie notwendig der Kampf für eine Transport- und Logistikgewerkschaft ist, die alle im Sektor Beschäftigen umfasst und die demokratisch von diesen
kontrolliert wird statt durch Vorgaben der BürokratInnen. Für diese klassenkämpferische Neuausrichtung muss in der Basis von ver.di, GdL und EVG in Form von oppositionellen Strukturen gegen die Apparatschiks gekämpft werden. Für den Streik selbst gilt, was wir bereits im Flugblatt zum ersten Ausstand der BVG schrieben: Nur ein entschlossener Arbeitskampf kann die Lage ändern – und das heißt: vom Warnstreik zum unbefristeten Vollstreik! Damit ein solcher breit getragen wird und erfolgreich sein kann, braucht es Vollversammlungen der Beschäftigten. Ver.di soll so rasch wie möglich die Urabstimmung einleiten. Inhalt von Versammlungen in den Depots wie einer Vollversammlung bei der BVG muss vor allem eine Diskussion sein, wie die Forderungen ohne faule Kompromisse erzwungen werden können. Dazu braucht es rechenschaftspflichtige Streikleitungen, die aus der Belegschaft heraus gewählt werden und den Arbeitskampf koordinieren. Die Verhandlungskommission muss diesen Versammlungen gegenüber rechenschaftspflichtig und von diesen abwählbar sein. Es darf keinen Abschluss ohne Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder geben!
Streik und Verkehrsfrage Eine Aufwertung des Berufes der FahrerIn ist eines der Versprechen der viel gepriesenen Verkehrswende. Die Parteien des Berliner Senats (SPD, Linke, Grüne) befinden sich in der Tarifauseinandersetzung auf Arbeit„geber“Innenseite, auch wenn sie vorgeben, die SchülerInnenbewegung Fridays for Future zu unterstützen und den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Trotzdem wird die Finanzierbarkeit als Grund vorgeschoben, die Forderungen ver.dis abzulehnen. Dies zeigt nicht nur die engen Grenzen der kommunalen Kassen, sondern auch die eines grünen Kapitalismus. Wenn sie nicht finanzierbar ist, gibt es eben keine Qualitätssteigerung im ÖPNV, gibt es weder mehr Personal noch Entlastung der FahrerInnen. Deswegen treten wir anstelle einer kapitalistischen Verwaltung durch Land und BVG-ChefInnen für eine demokratische Kontrolle durch die VerkehrsarbeiterInnen und lohnabhängigen Fahrgäste in Form eines gewählten Verkehrsplanungskomitees ein. Unser Ziel ist
ein kostenloser ÖPNV, finanziert durch hohe Besteuerung der Reichen und KapitalistInnen insbesondere der Automobil- und Ölindustrie sowie privater Verkehrsgesellschaften. Auch aufgrund dieses Zusammenhangs sollten sich ver.di und die streikenden SchülerInnen zusammentun, Schulstreiks und BVG-Streik zusammenführen. Unbefristeter Streik für unsere Zukunft! Massenentlassungen bei Opel Österreich: ein umfassender Streik ist nötig! Michael Märzen, Infomail 1048, 31. März 2019 Von der Ankündigung des Stellenabbaus sei man im Betriebsrat von Opel in Wien-Aspern nicht überrascht gewesen, nur vom tatsächlichen Ausmaß. Am Dienstag wurde der Belegschaft des Motoren- und Getriebe-Werks bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass bis Jahresende 350–400 Arbeitsplätze wegfallen sollen – angesichts der knapp 1.200 Beschäftigten ist das jede dritte Stelle! Kämpfen wolle man um die Arbeitsplätze
aber nicht, immerhin gebe es noch vom Vorjahr, als damals schon 100 Jobs gestrichen wurden, einen Sozialplan. „Jetzt beginnen erst einmal die Detailverhandlungen mit der Geschäftsleitung“, sagt dazu die Vorsitzende des Arbeiter*innen-Betriebsrats, Renate Blauensteiner. In diese Richtung geht neben den Gewerkschaften PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) auch der Vorsitzende des Angestellten-Betriebsrats, Franz Fallmann: „Gesucht werden Mitarbeiter, die mit Jahresende freiwillig austreten, aus Altersgründen oder Jobwechsel.“ Das werde aber nicht reichen. Die Pläne der Konzernleitung bedeuten somit nicht einfach einen Haufen goldener Handschläge, sondern tatsächlich Arbeitslosigkeit sowie eine Arbeitsverdichtung für die restliche Belegschaft. Dass Betriebsrat und Gewerkschaften einen solchen heftigen Anschlag einfach hinnehmen, spricht Bände über die sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion FSG, deren Angehörige Blauensteier (nebenbei auch Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien) ist. Der rigorose Sparkurs der Opel-Automobilsparte Warum aber möchte die Konzernleitung überhaupt so viele Arbeitsplätze abbauen? Laut der Tageszeitung „Die
Presse“ macht der deutsche Autokonzern Opel als Tochtergesellschaft von General Motors schon seit dem Jahr 2000 jährlich Verluste. Im März 2017 wurde das Unternehmen vom französischen Automobilhersteller PSA (Peugeot, Citroën, DS, Vauxhall) übernommen. Noch im selben Jahr begann man im Rahmen des sogenannten Zukunftsplans „Pace“ (zu deutsch: Tempo) mit der Umsetzung rigoroser Sparpläne. Größere „Umstrukturierungen“ gab es dann 2018 in Deutschland, wo bspw. 3.700 Jobs vernichtet wurden. Insgesamt konnte man so die Fixkosten stark reduzieren, sodass man schon 2018 wieder Gewinne verbuchte. PSA-Chef Carlos Tavares ist das aber offenbar nicht genug. Denn wie das deutsche Wochenmagazin „Stern“ berichtete, liegt es im strategischen Konzerninteresse, den operativen Gewinn bis 2026 weiter zu erhöhen. Insgesamt läuft die Strategie auf die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hinaus, um neue Märkte zu erobern. So sollen die Übersee- Exporte bis 2020 verdoppelt werden und bis 2022 will man 20 neue Exportmärkte erschließen, etwa in Saudi-Arabien, Taiwan und Argentinien. Mittelfristig möchte man womöglich nach China und Brasilien liefern. Es steckt also viel mehr hinter der Arbeitsplatzvernichtung als irgendwelche Wettbewerbsschwierigkeiten.Es geht um Expansion zur Gewinnsteigerung auf Kosten der ArbeiterInnen! Die
sozialdemokratische Strategie ist gescheitert Nachdem PSA den Opel-Konzern übernommen hatte, mussten die Belegschaften in den verschiedenen Ländern um ihre Standorte fürchten. So auch in Wien-Aspern, wo in diesem Jahr die Aufträge zur Produktion von 5-Gang-Schaltgetrieben auslaufen. Damit ein neues Schaltgetriebe durch den Mutterkonzern in Auftrag gegeben wird, hat sich die Stadt Wien im Juni letzten Jahres zu einer „Innovationsförderung“ auf Kosten der Allgemeinheit in der Höhe von einer Million Euro hinreißen lassen, wobei man nicht einmal eine Arbeitsplatzgarantie erwirken konnte. Damit schrieb sich die Stadtregierung allerdings die Rettung des Standorts auf die Fahnen. Ähnlich wie die SPÖ Wien hat sich der Betriebsrat schon drei Jahre davor verhalten, als er mit der Geschäftsführung einen Standortsicherungspakt mit zwei mal 2 % Lohnverzicht unterzeichnete. Weder die Förderung der Stadt Wien noch der Lohnverzicht der Belegschaft haben Arbeitsplätze retten können. Und es stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Autoproduktion angesichts der Tendenz zum Elektroantrieb in einigen Jahren auf die neuen Schaltgetriebe verzichten kann. Werden dann noch mehr Arbeitsplätze abgebaut? Oder wird dann doch das ganze Werk geschlossen?
ArbeiterInnen und Gewerkschaften müssen kämpfen! Die bisherige SPÖ-FSG-Strategie des Klein-Beigebens ist klar gescheitert. Durch kampflose Zugeständnisse erreicht man eben doch nichts weiter als neue Einsparungen. Die jetzige Orientierung von Betriebsrat, PROGE und GPA-djp auf einen Sozialplan bedeutet, den Kampf schon aufzugeben, bevor er überhaupt begonnen hat. Um die Vorstöße der Konzernführungen heute und morgen abzuwehren, muss man aber in die Offensive gehen, statt Schritt für Schritt zurückzuweichen! Wenn die ArbeiterInnen von Opel Wien-Aspern den Jobabbau nicht einfach hinnehmen wollen, dann müssen sie Druck auf ihre VertreterInnen in Betriebsrat und Gewerkschaft ausüben. Sie müssen neue Betriebsversammlungen fordern und über Kampfmaßnahmen diskutiert. Sollen die Arbeitsplätze und das Werk erhalten bleiben, dann muss gestreikt werden. Mit einem Streikkomitee, gewählt aus den eigenen Reihen, jederzeitig rechenschaftspflichtig und abwählbar, kann die Führung des Streiks durch die ArbeiterInnen selbst kontrolliert werden. In einem solchen Arbeitskampf dürfen die Streikenden auch nicht den Angaben der Geschäftsführung vertrauen, sondern müssen den Einblick in die Geschäftsbücher verlangen. Kann das Unternehmen das Werk und die Arbeitsplätze nicht erhalten, dann sollte es entschädigungslos und unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten von der Allgemeinheit übernommen werden!
„Aus unseren Kämpfen lernen“ – aber wie? Frederik Haber/Helga Müller, Infomail 1064, 14. März 2019 Unter obigem Motto fand die 4. Streikkonferenz vom 15. bis 17. Februar in Braunschweig statt. Mit rund 800 Teilnehmenden war sie die bisher größte ihrer Art. Offensichtlich gibt es Bedarf, über die Praxis der Gewerkschaften zu diskutieren. Von den Mitgliederzahlen her waren diese in den letzten 70 Jahren noch nie so schwach wie heute. Nur noch die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Betrieben mit Betriebs- oder Personalräten, der Geltungsbereich von Tarifverträgen ist auf unter 50 Prozent gesunken. Niedergang Dieser Niedergang hat nicht nur auf Grundlage strategischer Niederlagen wie der Agenda 2010 stattgefunden, sondern setzte sich in den letzten Jahren auch ohne scharfe offene Angriffe und Rückschläge fort, in Zeiten, in denen die Gewerkschaftsführungen mit der Regierung kooperieren, ja sie sogar offen unterstützen; in Zeiten, in denen der DGB gemeinsam mit den Unternehmerverbänden „Hundert Jahre Mitbestimmung“ feiert.
Höchste Zeit also zu fragen, was die Gewerkschaften falsch machen. Ist es nur die Praxis oder steht dahinter auch eine bestimmte Politik? Die Rosa- Luxemburg- Stiftung als Veranstalterin der Braunschweiger Konferenz beschränkte sich allerdings bewusst auf ein Konzept, einzelne gute Beispiele zu präsentieren, die dann anderswo nachgeahmt werden können. Recht offen stellte ihre Vorsitzende dar, dass in den Gewerkschaftsführungen oft Leute sitzen, die nichts ändern möchten. Sie berichtete von der mühevollen Arbeit, diese trotzdem von der Notwendigkeit dieser Konferenz zu überzeugen. Die einfache Frage, warum die Leute, die für den Niedergang der Gewerkschaften verantwortlich sind, an der Klassenzusammenarbeit um praktisch jeden Preis festhalten und daran auch nichts ändern wollen, noch hofiert, stellt sie nicht und offensichtlich nicht viele im Publikum: Gehören solche Leute nicht einfach rausgeschmissen? Die VeranstalterInnen setzen denn auch darauf, möglichst viele regionale Verantwortliche als UnterstützerInnen zu gewinnen. Überhaupt sind viele Hauptamtliche dabei. Beim Branchentreff Metall stellen sie rund die Hälfte der
Anwesenden. Mag sie auch Unbehagen über die derzeitige Politik nach Braunschweig getrieben haben, in der Diskussion verteidigen sie die Politik der Führung – sei es aus Überzeugung oder Reflex. Der Tarifabschluss 2018 sei ein Einstieg in die Arbeitszeitdebatte und hätte eine Verkürzung der Arbeitszeit gebracht – meinte z. B. das IGM- Vorstandsmitglied Urban. Dass der Abschluss ein größeres Arbeitszeitvolumen ermöglicht und viele Unternehmen dies nutzen, wird genauso wenig erwähnt, wie dass der rechte Apparat der IGM mit diesem Abschluss die Arbeitszeitdebatte für beendet erklärt hat. Jegliche Strategie der Linken muss aber von der Realität ausgehen und nicht von Wunschdenken und Schönreden. Rechtsruck und Gewerkschaften Die Krise der Gewerkschaften drückt sich auch darin aus, wie sie mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft umgehen. So sorgte sich die IG Metall bei den Betriebsratswahlen 2018 sehr um das Abschneiden einiger betont rechter, rassistischer und gewerkschaftsfeindlicher Listen. Nachdem diese aber nur wenige Mandate erzielt
hatten, ist das kein wirkliches Thema mehr. Dazu trug Klaus Dörre auf der Konferenz ein Referat vor, das darauf hinwies, dass „sich nur wenige Kandidaten gefunden haben, die sich während der Betriebsratswahlen auf Listen offensiv dazu bekennen, rechte Positionen zu vertreten, doch das bedeute nicht, dass diese nicht existieren.“ Allein 19 Prozent der Lohnabhängigen und 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder haben bei der Bundestagswahl 2017 der AfD ihre Stimme gegeben – bei einem Gesamtergebnis von 12,6 Prozent ein deutlich überdurchschnittlicher Wert. Er stellte dar, dass es nicht nur GewerkschafterInnen gibt, die sowohl „korrekte“ gewerkschaftliche Positionen vertreten wie auch rechtspopulistische Floskeln äußern, sondern auch überzeugte rassistische ReaktionärInnen, die manchmal eine führende Rolle in den betrieblichen Strukturen ausüben und als „gute InteressensvertreterInnen“ gelten. Wo diese einmal etabliert sind, wird das Thema vom Apparat tabuisiert, solange die Mitglieder oder Betriebsräte keine Konkurrenzliste aufmachen. Das hätte viel Anlass zur Diskussion geben können und müssen. Es zeigt, dass die
reformistischen BürokratInnen rassistische, nationalistische und rechtspopulistische Positionen dulden, solang diese Kräfte die Gesamtpolitik des Apparates nicht stören. Man könnte das als unausgesprochenes Stillhalteabkommen bezeichnen. Für die Linke in den Gewerkschaften bedeutet dies, dass es nicht reicht, nur gute, aktive Betriebsarbeit zu machen, auf „Organizing“ zu setzen und sich um die unorganisierten Bereiche insbesondere im prekären Sektor zu kümmern, der bekanntlich von der Bürokratie fast völlig vernachlässigt wird. Vielmehr muss dies mit einem aktiven Kampf gegen Rassismus verbunden werden – und eine solche Politik muss auch gegen den Apparat in den Gewerkschaften und in den Großkonzernen durchgesetzt werden. Es liegt auf der Hand, dass diese nicht in „Bunt statt Braun“- Bekenntnissen aller Gutmenschen oder in gemeinsamen Erklärungen von Betriebsräten mit den Unternehmensleitungen bestehen kann. Die richtige Erklärung, dass die AFD „neoliberale“ und arbeiterInnenfeindliche Politik mache, bleibt solange weitgehend unwirksam, wie die Gewerkschaften auf Klassenzusammenarbeit mit den BetreiberInnen und ProfiteurInnen dieser „neoliberalen“ Politik setzen. Der Kampf gegen rechts ist in den Gewerkschaften zugleich einer gegen die Klassenzusammenarbeit und kann letztlich nur so erfolgreich sein.
Dies wird nicht nur in den Gewerkschaftsstrukturen kaum thematisiert. Auch in Braunschweig gab es keine Diskussion mit Dörre zu dessen Studien und teilweise provozierenden Thesen. Nur ein Workshop ganz am Ende der Tagung betrachtete den „Umgang mit Rechtspopulismus in Betrieb und Gewerkschaft“ – ansonsten wurde das Thema routiniert ausgesessen. Beteiligung Ein gutes Drittel der TeilnehmerInnen kann man als „jung“ (also unter 40) bezeichnen und insgesamt lag der Altersdurchschnitt deutlich unter dem der meisten Gewerkschaftsveranstaltungen. Aber die in Braunschweig versammelte „Gewerkschafts-Jugend“ war nicht sonderlich radikal. Es schienen viele Studierende unter ihnen zu sein, denen die Konferenz mal erlaubt, an Betriebsarbeit zu schnuppern, aber auch viele, die direkt an einem Aufstieg in den Apparat arbeiten. Frappant war der geringe Anteil an MigrantInnen auf der Konferenz. Sie sind bekanntlich in der Gewerkschaft umso schlechter vertreten, je höher es in die Ränge der
FunktionärInnen geht. In Braunschweig kamen gerade mal 16 Menschen zum Workshop über Migration. Das stand in eklatantem Gegensatz zu Bernd Riexingers Statement in der Podiumsdiskussion am Freitagabend, dass Streiks „heute jünger, weiblicher und migrantischer“ seien. Diese Aussage ist dort gültig, wo Streiks im Handel, bei ErzieherInnen und in ähnlichen Bereichen stattfinden. Sie wirft aber auch ein Licht darauf, dass genau diese KollegInnen in Braunschweig wenig anwesend waren, sondern vor allem die GewerkschaftssekretärInnen, die diese Kämpfe betreuen und organisieren. Insgesamt war ver.di viel besser vertreten als die IG Metall – ein Indiz dafür, dass dort die Spielräume größer sind. Das liegt einerseits an deren branchenbedingter Vielfalt und einem relativ schwächeren Apparat, aber auch daran, dass die IG Metall die Schlachtschiffe des deutschen Groß- und Exportkapitals organisiert, insbesondere die Autoindustrie. Ihr Beitrag zu der dort herrschenden engen Zusammenarbeit mit dem Kapital ist es, alle eigenständigen Bewegungen und Initiativen zu ersticken, die die arbeitsteilige Produktion und den Umsatz gefährden könnten. Ja, es werden sogar störende Elemente in Kollaboration mit dem Management aus den Betrieben entfernt.
Pflegenotstand Ein wichtiger Schwerpunkt der Konferenz war die Debatte zum Gesundheitswesen. Kein Wunder fehlen nach ver.di-Angaben über 100.000 Pflegekräfte. Ver.di hatte deswegen vor ca. 2 Jahren eine Kampagne zur Entlastung der Klinikbeschäftigten initiiert und in immerhin 13 Krankenhäusern Tarifverträge und schuldenrechtliche Abkommen für mehr Personal durchsetzen können, teilweise durch wochenlange Durchsetzungsstreiks wie an den Unikliniken in Essen und Düsseldorf. In den Medien ist seitdem die Personalmisere insbesondere in den Krankenhäusern immer wieder Thema. Selbst die Politik musste mit diversen neuen Gesetzen reagieren, die vorgeben den Personalnotstand zu bekämpfen. Von daher wurden auf der Konferenz diverse Arbeitsgruppen zur Bilanz der Entlastungskampagne und wie es damit weitergeht angeboten. Trotz positiver Beispiele wie Abkommen und Tarifverträge für mehr Personal durchgesetzt werden konnten, wurde hier versäumt intensiv darüber zu diskutieren, welche Mittel die Belegschaften einsetzen müssen, um die Tarifverträge auch gegen den Willen der Klinikleitungen in der Realität umzusetzen. Trotz eines Beschlusses des Bundesfachbereichsvorstandes 3 (Fachbereich 3 ist in ver.di für den
Gesundheitsbereich zuständig), die Kampagne fortzuführen und trotz des ernstgemeinten Appells eines linken Gewerkschaftssekretärs, die Umsetzung des Personalaufbaus gemeinsam mit allen Beschäftigten der 13 Krankenhäuser gegen die Verweigerungshaltung der Klinikleitungen durchzusetzen, wurde es versäumt zu diskutieren, wie genau dieses gemeinsame Vorgehen gegen den Willen des Apparats durchgesetzt werden kann. Lag doch eine der Schwächen der Kampagne genau darin, dass die ver.di-Verantwortlichen die Kampagne in keiner Phase des Kampfes so angelegt hatten, dass die Belegschaften aller Krankenhäuser in einen gemeinsamen Kampf für die Durchsetzung von mehr Personal entsprechend dem Bedarf geführt wurden. Eigentlich eine gewerkschaftliche Binsenweisheit! Liegt doch die Kraft eines bundesweit angelegten gewerkschaftlichen Kampfes gerade darin, dass besser organisierte und kampffähigere Belegschaften schwächere mitziehen können und diese durch ein bundesweites Abkommen für mehr Personal davon profitieren können. Immer wieder wurde auch gemunkelt, dass der Bundesvorstand die Kampagne gerne nur noch auf Sparflamme hätte fortführen wollen bis sie dann zu guter Letzt ganz aufgegeben wird. Das konnte tatsächlich durch den Kampf der Belegschaften der 13 Krankenhäuser durchbrochen werden. Sehr richtig wurde in den
Diskussionen von ver.di-Seite angemerkt, dass diese Kampagne mehr ist als der „übliche“ gewerkschaftliche Kampf um einen Tarifvertrag, diese darüber hinausgeht und auch eine politische Kampagne beinhaltet. Aber anstatt Ross und Reiter zu nennen, dass es um einen politischen Streik geht gegen die Privatisierungspolitik der Regierungen und gegen die Einführung der sog. DRGs (Fallpauschalen), die die Privatisierung erst für Gesundheitskonzerne lukrativ gemacht haben, verwiesen die anwesenden Gewerkschaftssekretäre und die Vertreter der Linkspartei auf die diversen Volksbegehren in Hamburg, Berlin, Bremen und Bayern, die zum Ziel haben einen verbindlichen gesetzlichen Personalschlüssel durchzusetzen. Egal ob im Norden oder Süden der Republik – diese Volksbegehren haben den großen Nachteil, dass sie einerseits einem mehr oder weniger komplizierten gesetzlichen Verfahren unterworfen sind, das zum Ziel oder auch nicht führen kann und das andererseits vollkommen vom politischen Willen der jeweiligen Regierungen abhängig ist. Perspektive Insgesamt ist
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