Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen

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Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Landesärztekammer Hessen K.d.ö.R.

Hessisches
Ärzteblatt
                                                                         6 2008
Die Zeitschrift der Landesärztekammer Hessen                           Juni 2008
Auch im Internet: www.laekh.de                                      69. Jahrgang

                                               • Ambrosia artemisiifolia in Hessen

                                               • 4. Fachtagung für palliative
                                                 Versorgung und hospizliche
                                                 ­Begleitung in Bad Nauheim

                                               • Aktueller Stand der Qualitäts­
                                                 sicherung bei der Anwendung
                                                 von Blutprodukten Angehörigen­
                                                 betreuung:

                                               • Eine stabile Entscheidung für
                                                 eine Organspende

                                               • Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit

                                                           Abbildung: Ambrosia artemisiifolia
                                                           © Projektgruppe Biodiversität und
                                                             Landschaftsökologie, Friedberg
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
6 2008 • Hessisches Ärzteblatt
Hessisches Ärzteblatt
Mit amtlichen Bekanntmachungen                                                                                                  6| 2008 • 69. Jahrgang
der Landesärztekammer Hessen K.d.ö.R.
und der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen K.d.ö.R.

Impressum
Herausgeber:
Landesärztekammer Hessen
Im Vogelsgesang 3, 60488 Frankfurt/M.
Tel. 069 97672-0
Internet: www.laekh.de
E-Mail: info@laekh.de
Schriftleitung (verantwortlich):                         Editorial                                                                                                  356
Prof. Dr. Toni Graf-Baumann
verantwortlich für Mitteilungen der LÄK Hessen:          Aktuelles
Dr. Michael Popovi ć                                    Ambrosia artemisiifolia in Hessen                                                                          358
verantwortlich für Mitteilungen der Akademie:
Prof. Dr. Ernst-G. Loch
                                                         4. Fachtagung für palliative Versorgung und hospizliche Begleitung in
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:                       Bad Nauheim                                                                                                361
Katja Möhrle, M. A.                                      Historisches
Wissenschaftlicher Beirat:                               Große der Chirurgie – Ein philatelistisches ABC                                                            365
Prof. Dr. med. Erika Baum, Biebertal                     Landesärztekammer Hessen
Karl Matthias Roth, Wiesbaden
Dr. med. Alfred Halbsguth, Frankfurt                     Umsatzsteuer auf Befundberichte für Versorgungsämter                                                       367
Prof. Dr. med. Dietrich Höffler, Darmstadt               Landesärztekammer Hessen
Dr. med. Georg Holfelder, Frankfurt
Dr. med. Siegmund Kalinski, Frankfurt
                                                         Aktueller Stand der Qualitätssicherung bei der Anwendung von
Dr. med. Norbert Löschhorn, Seeheim-Jugenheim            Blutprodukten in Hessen                                                                                   368
Prof. Dr. med. Peter Osswald, Frankfurt
Prof. Dr. med. Konrad Schwemmle, Gießen                  Aktuelles
Dr. med. Gösta Strasding, Frankfurt                      Angehörigenbetreuung: Eine stabile Entscheidung für eine Organspende                                       371
PD Dr. med. Oskar Zelder, Marburg
Dr. med. Walter Schultz-Amling, Hofheim                  Landesärztekammer Hessen
Arzt- und Kassenarztrecht:                               Das Versorgungswerk informiert: Reich im Alter – oder reicht’s im Alter?                                   375
Dr. Katharina Deppert,
Gutachter- und Schlichtungsstelle
                                                         Schöne neue e-Health-Welt?                                                                                 376
Dr. Alexander Schmid, Justitiar der LÄK Hessen           Fortbildung
Anschrift der Redaktion:                                 Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit                                                                           378
Angelika Kob
Im Vogelsgesang 3, 60488 Frankfurt/M.                    Arzt- und Kassenarztrecht
Tel. 069 97672-147, Fax 069 97672-247                    Akute Pankreatitis – medikamenteninduziert?                                                                381
E-Mail angelika.kob@laekh.de
                                                           Akademie für Ärztliche Fortbildung und Weiterbildung, Bad Nauheim                                        385
Redaktionsschluss:
fünf Wochen vor Erscheinen
                                                           Carl-Oelemann-Schule, Bad Nauheim                                                                        391
Verlag, Anzeigenleitung und Vertrieb:
Leipziger Verlagsanstalt GmbH                            Aktuelles
Paul-Gruner-Straße 62, 04107 Leipzig
Tel. 0341 710039-90, Fax 0341 710039-74 u. -99
                                                         Oberender: Keine Alternativen zu mehr Marktwirtschaft                  393
Internet: www.l-va.de                                    Fortbildung Sicherer Verordnen                                         394
E-Mail: lk@l-va.de
                                                         Mit meinen Augen Die Zeiten ändern sich – und wir ändern uns mit ihnen 395
Verlagsleitung:
Dr. Rainer Stumpe                                        Satire Germany’s next Topmanager                                       396
Anzeigendisposition:                                     Humoristisches Grün ist die Liebe                                      396
Livia Kummer
Tel. 0341 710039-92
E-Mail: lk@l-va.de                                       Von hessischen Ärztinnen und Ärzten                                                                       397
Druck:                                                   Bekanntmachungen der Landesärztekammer Hessen                                                             399
Druckhaus Dresden GmbH
Bärensteiner Straße 30, 01277 Dresden                    Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen                                                  408
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in Zusammenarbeit mit der LÄK Hessen                     Mit dem Einreichen eines Beitrages zur Veröffentlichung überträgt der Autor das Recht, den Beitrag in gedruck-
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zzt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 1.1.2008 gültig.
                                                         sische Ärzteblatt ist in seiner gedruckten und in der elektronischen Ausgabe durch Urheber- und Verlagsrechte
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ISSN: 0171-9661                                          Verordnen“ erfolgt außerhalb der Verantwortung der Schriftleitung und des Ver­lages.

                                                                                                                                                                               355
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
6 2008 • Hessisches Ärzteblatt
      Editorial

      Liebe Kolleginnen und Kollegen!

                             Sicher haben Sie in „Erfolgshonorar“ zahlen wird. Im April               u.U. auch schnell zu einer echten Belas-
                             den letzten Monaten 2008 kann im Internet Folgendes gefun-               tung entwickeln – wenn nämlich dauernd
                             beobachtet, wie Kran- den werden:                                        nachgefragt wird, warum was wie ent-
                             kenkassen ihre Aktivi-                                                   schieden wurde!
                             täten ausweiten! Dies      CompuGROUP „verschenke“ seine Pro-
                             alles geschieht, wenn      dukte an die Kunden und habe dadurch          Die DAK kooperiert mit Healthways. So
                             man den Presseberich-      bereits jetzt den exklusiven Zugang zu        beschreibt der „stern“ diese in Deutsch-
Dr. med. Ursula Stüwe
                             ten Glauben schenken       mehr als 300.000 Ärzten und Kranken-          land noch neue Firma, die auf den ersten
Foto: Monika Buchalik        darf, mit dem Ziel, die    häusern und ihrem Workflow sichern            Blick als Call-Center wahr genommen wird,
                             Versicherten „gesün-       können. Dadurch seien nicht nur die           am 8. Februar 2008:
       der“ zu haben, chronisch Kranke sollen           Markteintrittsbarrieren für potentielle         Vor ihnen rote Trennwände. Und doch
       intensiv betreut werden, damit Kranken-          Wettbewerber enorm hoch – zugleich sei          gibt es einen entscheidenden Unter-
       hauseinweisungen verhindert werden               das Unternehmen der bestmögliche Part-          schied zu den üblichen Inbound-Out-
       können. Eigentlich doch gute Ziele…              ner für Krankenkassen, Pharmaunterneh-          bound-Repräsentanten: „Alle Angestell-
       Diese Aktivitäten sind jedoch für die Ärz-       men, Finanzdienstleister u.a., die Compu-       ten sind examinierte Pflegekräfte oder
       teschaft interessant, weil hier offenbar         GROUP und die Ärzte für die einzigartige        Krankenschwestern. Sie sollen die Versi-
       anderen „Dienstleistern“ reichlich Gelder        Möglichkeit der Umsetzung ihrer indivi-         cherten dazu anhalten, sich therapietreu
      zur Verfügung gestellt werden, um eben            duellen Ziele wie z.B. der Effizienzsteige-     zu verhalten – sie „compliant“ machen.
       die Aufgaben zu erfüllen, die ureigene           rung und dem personalisierten Marke-            20 Minuten dauern die Gespräche im
       ärztliche Aufgaben sind: im weitesten Sin-       ting fürstlich entlohnen würden. Dies           Durchschnitt. Darin geht es um Ernäh-
       ne geht es um das „Fördern der Compli-           würden EBIT-Margen in diesem Segment            rungspläne, die Medikamenteneinnahme,
       ance“ der Patientinnen und Patienten.            von mehr als 40 % beweisen. 1                   aber auch um persönliche Ziele, was das
       Dazu gehören unterschiedliche Angebote:                                                         Thema Bewegung oder das Nichtrauchen
       Primärprävention, aber auch Sekundär-            Langfristiges Wachstum des Softwareab-          angeht“, sagt Michael Klein, Geschäfts-
       prävention und Betreuung der chronisch           satzes sei in dem von Ineffizienzen und         führer von Healthways Deutschland. 3
       Kranken. Allen Angeboten gemeinsam ist,          zunehmenden Budgetrestriktionen ge-
       dass hinter diesen „Dienstleistern“ fi-          prägten Gesundheitsmarkt sicher und           Eine weitere große Krankenkasse koope-
       nanzstarke Firmen stehen, die in ähnlicher       diene als Triebfeder für den weiteren Un-     riert ebenfalls: die KKH zusammen mit
      Weise schon sehr aktiv auf dem US-Ame-            ternehmenserfolg: Krankenkassen und           Health-Dialog der Unternehmensberatung
       rikanischen Markt sind.                          Pharmaunternehmen würden Compu-               Accenture:
                                                        GROUP nach der Zahl der erreichten Ärzte
       Die AOK Hessen z.B. kooperiert mit der           entlohnen, diese wiederum würden von           Wer mehr über seine Gesundheit weiß, der
       Firma CompuGROUP, ich hatte bereits in           technologisch ausgereifteren Produkten         lebt und handelt auch gesünder – nach die-
       der Delegiertenversammlung im Novem-             profitieren. Damit mache jeder hinzu-          ser Formel entwickelte die KKH ihr neues
       ber darauf hingewiesen. Damals war in            kommende Arzt das System für alle be-          Beratungsmodell in Zusammenarbeit mit
       allen öffentlich zugänglichen Medien zu          teiligten Personen noch wertvoller und         der Unternehmensberatung Accenture auf
       erfahren, dass die AOK Hessen den teil-          verstärke damit immer weiter die Wettbe-       Basis des Health-Coaching-Ansatzes des
       nehmenden Ärztinnen und Ärzten neben             werbsqualität von CompuGROUP.2                 US-Unternehmens Health Dialog. Rund 20
       einem außerbudgetären Fixbetrag ein                                                             medizinische Fachkräfte, die zuvor speziell
                                                      Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier      für diese Tätigkeit geschult wurden, spre-
        1
          http://www.ad-hoc-news.de/Nebenwerte/       vorwiegend ökonomische Interessen be-            chen am Telefon mit den Versicherten über
          de/16245195/CompoGROUP+kaufen, 8.4.2008     dient werden sollen, und ich möchte jeder        ihre Gewohnheiten, ihre Therapien und ihr
        2
          http://www.finanzen.net/analyse/Compo–
          GROUP_kaufen-SES_Research_GmbH_285709,      Ärztin, jedem Arzt raten, sich die Vertrags-     Befinden. Ziel ist es, das Bewusstsein für
          8.4.2008                                    unterlagen für derartige Kooperationen           den Umgang mit ihrer Krankheit zu schär-
        3
          http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/
          unternehmen/:Krankenkassen-Pflege-Tele-     intensiv und sehr genau anzuschauen. An-         fen. Besonderen Wert legt die KKH darauf,
          fon/609133.html                             fängliche „Erfolgshonorare“ können sich          das Verständnis für Wechselwirkungen von

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                                                                                                                                          Editorial

Krankheiten zu vertiefen – wie etwa für den        Liebe Kolleginnen und Kollegen – warum              Ich bin überzeugt, dass wir das besser
Zusammenhang von Übergewicht und Herz-             haben wir immer wieder darauf hingewie-             können – zum Nutzen der Patientinnen
Kreislauf-Beschwerden.                             sen, dass uns Zeit fehlt für die Patienten-         und Patienten. Jetzt wird viel Geld ausge-
„Die Telefonbetreuung ersetzt keineswegs           betreuung, für das Gespräch? Warum sind             geben an Beratungsunternehmen – war-
 den Arztbesuch, sondern ergänzt ihn. Wir          wir alle irgendwann in einem „Hamster-              um geht das Geld nicht dahin, wo derarti-
erreichen die Patienten im Alltag und kön-         rad“ angekommen in der täglichen Arbeit             ge Dinge „besser“ gemacht werden kön-
nen so zum Beispiel erfragen, ob es Unver-        – sowohl in der Praxis eines Vertragsarz-            nen, nämlich in unsere Kliniken und Pra-
träglichkeiten bei den verordneten Medika-         tes wie in den Kliniken? Warum wird nicht           xen! Und wir können es besser machen,
menten gibt oder inwieweit eine Ernäh-             den zentralen Playern im Gesundheitssys-            weil bereits eine persönliche Bindung zwi-
rungsumstellung eingehalten wird. Durch            tem – das sind wir Ärztinnen und Ärzte in           schen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient
 die regelmäßigen Kontakte baut sich ein           Klinik und Praxis! – gerade dieses Geld zur         besteht! Man muss uns nur endlich die
Vertrauensverhältnis auf und die Patienten         Verfügung gestellt, um eben diese Aufga-            Möglichkeit dazu geben!
 können dann leichter zu einem gesünderen          ben zur Förderung der Patienten-Compli-
Lebensstil hingeführt werden, als das beim         ance erfüllen zu können?                            Ihre
Arztbesuch möglich ist“, erläutert Kailuweit.     Trotz dieser ärgerlichen Widrigkeiten bie-
Bereits nach drei Monaten konnte die KKH           ten wir entsprechende Fort- und Weiterbil-
über 1.000 Teilnehmer für dieses Pilotpro-         dungen für Praxismitarbeiterinnen und
jekt gewinnen. Über die Perspektiven des          -mitarbeiter an! Wir werden genau das An-
telefonischen Gesundheits-Coaching infor-          bieten können, was für kranke Menschen              Dr. med. Ursula Stüwe
mierten sich bereits Vertreter des französi-       wichtig ist: persönliche Zu- und Hinwen-            Präsidentin
schen Dachverbandes der gesetzlichen               dung in schwierigen Lebensphasen. Und
Krankenkassen bei der KKH Hauptverwal-             das „aus einer Hand“ – nämlich aus der
tung in Hannover. 4                                Arztpraxis heraus mit bekannten Men-
                                                                                                         P.S.    Und nicht vergessen:
                                                   schen, die sogar nach Hause kommen bei
4
 http://www.kkh.de/detail.cfm?pageid=931&o                                                             		        KAMMERWAHL
p=dsp&pk=107492, 13.11.2007                        ernsthaften Problemen!

                                                                  Ausschreibung

                                        August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis 2008
                                                der Deutschen Stiftung für Herzforschung

Die Deutsche Stiftung für Herzforschung vergibt auch 2008 den August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis.
Ausgezeichnet wird eine wissenschaftlich hochwertige und zugleich patientennahe Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Teilnahmeberechtigt sind in Deutschland tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die das 40. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.
Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert. Die Arbeiten dürfen einen Gesamtumfang von 25 Seiten nicht übersteigen und in dieser Form noch nicht veröf-
fentlicht sein. Eine Zusammenfassung in deutscher Sprache ist sowohl englischsprachigen Arbeiten als auch deutschen Texten voranzustellen.
Die Bewerbungsunterlagen mit tabellarischem Lebenslauf sind in dreifacher Ausfertigung und mit Einverständniserklärung der Co-Autoren sowie der
Angabe zu deren jeweiligen Arbeitsanteilen bis zum 12. Juli 2008 (Poststempel) an die Deutsche Stiftung für Herzforschung, Vogtstraße 50, 60322
Frankfurt am Main, einzusenden. Der Bewerber verpflichtet sich, im Falle der Prämierung eine für die Veröffentlichung in der Zeitschrift der Deutschen
Herzstiftung „HERZ HEUTE“ allgemeinverständliche Kurzfassung zu erstellen. Über die Vergabe des Preises entscheidet der Vorstand der Deutschen
Stiftung für Herzforschung auf Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie im Oktober 2008 in Hamburg.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.dshf.de

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      Aktuelles

      Ambrosia artemisiifolia in Hessen.
       Wie kann die Ausbreitung dieser Pflanze mit hohem Allergiepotential noch gestoppt werden?

      Ursel Heudorf*, Heidrun Behrendt**                         ze werden zu den stärksten Allergenen gezählt               gefunden, wenn die Temperatur ansteigt und
      Beate Alberternst***, Stefan Nawrath***                    nicht nur im Hinblick auf die Häufigkeit und die            die relative Luftfeuchtigkeit abnimmt (Laaidi et
      * Stadtgesundheitsamt Frankfurt;                           Schwere der Sensibilisierung sondern auch                   al., 2003).
      **Zentrum für Allergie und Umwelt,                         bezüglich der Intensität der Symptome. So rei-              Da die Pollen insbesondere im Spätsommer/
      Technische Universität München;                            chen wenige Pollen/m3 zur Sensibilisierung                  Herbst fliegen, treten die Symptome nach der
      *** Projektgruppe Biodiversität und                        aus, die sehr rasch nach Ansiedlung der Pflan-              typischen Gräserpollenflugzeit auf und belas-
      Landschaftsökologie, Friedberg                             ze in einer Region auftritt. Dies konnte bei-               ten die Betroffenen bis in den späten Septem-
                                                                 spielsweise sehr gut in der Region Mailand                  ber (Anfang Oktober). Das bedeutet für die
      Ambrosia breitet sich in den letzten Jahren ra-            gezeigt werden: dort nahm der Anteil der Sen-               Betroffenen nicht nur ein um weitere Wochen/
      sant aus, auch in Hessen. Die Pollen dieser                sibilisierten von 1990 bis 2006 von ‹ 1% auf                Monate verlängertes Leiden, darüber hinaus
      Pflanze – Ragweed Pollen – gehören zu den                  › 20 % zu; im Jahr 2007 war Ambrosia bereits                ist mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten
      stärksten bekannten Inhalationsallergenen.                 die zweithäufigste Ursache für Pollen-Asthma                durch medizinische Behandlung, Arbeitsaus-
      Deswegen fordern Allergologen wirksame Ak-                 in dieser Region. Auch ältere Erwachsene, die               fälle, aber auch für die Bekämpfung der Amb-
      tionen, der weiteren Ausbreitung dieser Pflan-             nie Allergieprobleme hatten, können erstmals                rosia selbst zu rechnen; das Umweltbundes-
      ze in unseren Breiten zuvorzukommen. Aber                  an einer Ambrosia-Allergie erkranken, mit                   amt geht von etwa 17 bis 47 Millionen Euro im
      nicht nur Ärzte sehen die Ausbreitung dieser               schweren Symptomen (Asero 2007). Interes-                   Jahr aus ( Reinhardt et al. 2003 ).
      Pflanze als sehr problematisch an. So ist die              santerweise sind die Symptome in Bevölkerun-
      Art in einigen Ländern (z.B. Ungarn, Kanada)               gen, wo diese Pflanze neu auftritt, noch we-                Ambrosia – Ausbreitung in
      ein gefürchtetes landwirtschaftliches Unkraut,             sentlich stärker ausgeprägt als in Regionen,                Europa …
      das Ertragseinbußen bei verschiedenen Feld-                wo sie seit langem wächst. Kreuzallergien zu               1863 wurde erstmals eine Ambrosia in Bran-
      früchten verursachen kann. Bekämpfungs-                    Beifuß, Kräutern, aber auch zu Nahrungsmit-                 denburg und Frankreich dokumentiert, nach
      maßnahmen gegen die Ambrosia könnten                       teln wie Melonen, Gurken, Bananen sind be-                  dem 2. Weltkrieg wurde eine langsame weitere
      auch eine weitere Reduzierung der Artenviel-               schrieben (Egger et al., 2006).                             Ausbreitung in Europa beschrieben. Seit weni-
      falt zur Folge haben.                                      Die sehr kleinen Pollen können je nach Wetter-              gen Jahren ist jedoch eine rasante Ausbreitung
                                                                 lage über weite Strecken (› 100 km) mit dem                 in verschiedenen Ländern Europas zu verzeich-
      Ambrosiapollen – ein höchst                                Wind transportiert werden und Menschen in                   nen, u.a. in verschiedenen Regionen in Frank-
      potentes Allergen                                          Regionen sensibilisieren, wo die Pflanze selbst             reich und Norditalien, in Ungarn, Kroatien, Bul-
      In den USA, wo diese Pflanze heimisch ist, sind            noch nicht heimisch geworden ist (Cecchi et al.,            garien, Österreich, Schweiz und Tschechien
      etwa die Hälfte der Pollenallergien auf Rag-               2007). Im Tagesgang werden die höchsten Pol-               (D´Amato 1998; Cecchi et al., 2007). Als (Mit)-
      weed zurückzuführen. Die Pollen dieser Pflan-              lenkonzentrationen in den Morgenstunden                     Ursache wird der Klimawandel diskutiert, mit

      Abb. 1-3
      Ausbreitung der Ambrosia in Hessen 2002-2007. Daten der Arbeitsgruppe Biodiversität; Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. Alberternst und Dr. Nawrath

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der Änderung der Temperatur und des CO2-            ähnelt dem gemeinen Beifuß (Artemisia vulga-       …. Gefahr gebannt?
Gehalts. So haben Untersuchungen aus den            ris) und kann leicht mit diesem, aber auch an-     Wird diese Pflanze festgestellt, sollte sie durch
USA zeigen können, dass die Pflanzen in Bal-        deren Pflanzen aus dieser Gattung verwechselt      wirksame Bekämpfungsmaßnahmen kurzfris-
lungsgebieten mit höheren Temperaturen und          werden. Die Wuchshöhe variiert, das zunächst       tig entfernt werden – im privaten und öffentli-
CO2-Gehalten eine signifikant höhere Anzahl         unscheinbare einjährige Kraut kann eine Höhe       chen Bereich. Falls Ambrosia zur Samenbil-
an Pollen und Samen produzieren als in umlie-       von bis zu etwa 2 Meter erreichen. Auf der         dung gelangt ist, sind auch in den nachfolgen-
genden kühleren Nachbargebieten.                    Pflanze befinden sich sowohl männliche als         den Jahren Kontrollen durchzuführen. Im Pri-
                                                    auch weibliche Blütenköpfchen.                     vatgartenbereich sollte sie mit der Wurzel her-
… und in Hessen                                     Charakteristische Kennzeichen der Ambrosia         ausgezogen und in einem Plastiksack in der
Auch in Hessen breitet sich diese Pflanze ra-       sind die doppelt fiederteiligen Blätter mit grü-   Restmülltonne entsorgt werden – möglichst vor
sant aus. Dies zeigen die Abbildungen 1-3 die       ner Unterseite (Beifuß: silbrig-grauer Untersei-   der ca. Mitte Juli beginnenden Blüte. Zum Schutz
die Arbeitsgruppe Biodiversität auf der Grund-      te) und die abstehend behaarten Stängel (Bei-      vor Kontaktallergien sollten dabei Handschuhe
lage der Meldungen erstellt hat. Einige Allergo-    fuß: unbehaarte, glatte Stängel). Bei der Be-      getragen werden. Bei Entfernung bereits blü-
logen berichten bereits über Ambrosia               stimmung der Pflanze können die aufgeführten       hender Pflanzen wird darüber hinaus das Tra-
(Ragweed)-Allergien bei ihren Patienten, sys-       Internetseiten Hilfe bieten, s. z.B. Kästchen.     gen einer Feinstaubmaske, eines Mund-Nasen­
tematische Untersuchungen liegen allerdings         Die Blütezeit der Beifuß-Ambrosia erstreckt        schutzes zum Schutz vor Pollen empfohlen.
für unseren Raum noch nicht vor.                    sich relativ spät von Mitte Juli bis zum ersten    Generell sollte möglichst Ambrosiafreies Vo-
Die Einschleppung und Ausbreitung der Sa-           Frost. In dieser Zeit werden pro Pflanze bis zu    gelfutter verwendet werden (Händler fragen!),
men wird vor allem durch menschliche Aktivi-        einer Milliarde Pollen gebildet, die – typischer   und Vogelfutterreste sollten nicht in der freien
täten bewirkt:                                      Windbestäuber – mit dem Wind weit fort getra-      Landschaft entsorgt werden. Mit Samen der
• Transport von belasteter Erde im Rahmen von       gen werden können. Die Frucht ist etwa 2,5 x       Beifuß-Ambrosia verunreinigte Erde darf nicht
  Baumaßnahmen (stark im Raum Darmstadt).           3,5 mm groß mit einer ca. 2 mm langen Spitze       für Baumaßnahmen verwendet werden. Bau-
• Verschleppung durch an Fahrzeuge anhaftende       und enthält einen einzigen Samen. Pro Pflanze      stellen und Erdzwischenlager sind auf Vorkom-
  Samen bzw. Erde entlang von Straßen.              können mehrere Tausend bis zu ›60.000 Sa-          men der Pflanze zu kontrollieren. Vogelfutter
• Verschleppung durch an landwirtschaftliche        men produziert werden. Diese sind sehr lange       darf nicht in die Landschaft ausgebracht wer-
  Fahrzeuge anhaftende Samen bzw. Erde von          im Boden lebensfähig und können nach Jahr-         den, z.B. als Saatgutersatz für Schnittblumen-
  Acker zu Acker.                                   zehnten noch keimen.                               felder oder für Wildäcker.
• Mit Ambrosia-Samen verunreinigtes Vogelfut-
  ter und Futtermittel.
• Verwendung von Sonnenblumensamen-Vogel-
  futter zur Einsaat von Schnittblumenfeldern
  und Wildäckern.
Deswegen wird die Pflanze im Gartenbereich
häufig im Umfeld von Vogelhäuschen, im öf-
fentlichen Bereich auf Brachflächen, Bau-
stofflagern, Erdaufschüttungen, Neubaugebie-
ten, entlang von Verkehrswegen und Straßen
(die Pflanze ist recht salztolerant) und an Bahn-
gleisen gefunden. In Südfrankreich konnte
gezeigt werden, dass die Samen auch über
Flüsse weiterverbreitet werden können (Fuma-
nal et al., 2007).

Gefahr erkannt ….
Was also ist zu tun? Zunächst gilt es, die Pflan-
ze zu erkennen. Die Ambrosia (A. artemisiifolia)
                                                                                                                                                           359
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      Aktuelles

      Ambrosiabestände außerhalb von Gärten sollten       ländlichen Raum und Verbraucherschutz und             Egger M. Mutschlechner S, Wopfner N, Gader-
      entweder an die Projektgruppe Biodiversität         die Wissenschaftler der Projektgruppe Biodi-          maier G, Briza P, Ferreira F. Pollen-food syndro-
      (www.ambrosiainfo.de; meldung@ambrosiainfo.         versität der Universität Frankfurt (www.ambro-        mes associated with weed pollinosis: an update
      de) und/oder an die örtlichen Behörden (z.B. Um-    siainfo.de) eindringlich Vorsorge- und Bekämp-        from the molecular point of view. Allergy (2006)
      weltämter) gemeldet werden. Oft hapert es hier-     fungsmaßnahmen. Mit Informationsmaterial              61: 461-476
      zulande dann aber an ausreichenden Maßnah-          (Internet und Flyer) wird die Bevölkerung auf
      men, wobei mit fehlender gesetzlicher Grundlage     das Problem aufmerksam gemacht und aufge-             Fumanal B, Chauvel B, Sabatier A, Bretagnolle F.
      argumentiert wird. Hier gilt es anzusetzen. So      fordert, in ihrem Bereich die Ambrosia zu besei-      Variability and Cryptic Heteromorphism of Am-
      könnte von anderen Ländern (Ungarn oder             tigen. In einzelnen Städten, so auch in Frankfurt,    brosia artemisiifolia Seeds: What Consequences
      Schweiz) gelernt werden. In der Schweiz bei-        nehmen die Ämter Meldungen über Ambrosia-             for its Invasion in France? Ann Bot (Lond). (2007)
      spielsweise wurden auf folgende Weise Erfolge       bestände entgegen und veranlassen deren               100: 305-13. Epub 2007 Jun 16
      erzielt:                                            Beseitigung in den stadteigenen öffentlichen
      • Gesundheits- und Landwirtschaftsbehörden          Grünanlagen. Für die nicht im Zugriff der öffent-     Laaidi M, Laaidi K, Besancenot JP, Thibaudon M.
         arbeiten zusammen (nicht gegeneinander)          lichen Hand liegenden Privatflächen bestehen          Ragweed in France: an invasive plant and its al-
      • Futtermittel für Heimtiere müssen Ambrosiafrei    – nicht zuletzt wegen fehlender gesetzlicher Re-      lergenic pollen. Ann Allergy Asthma Immunol.
         sein.                                            gelungen – derzeit keine direkten Zugriffsmög-        (2003) 91 : 195-201.
      • Vorkommen müssen gemeldet und entfernt            lichkeiten.
        werden.                                                                                                 Reinhardt F, Herle M, Bastiansen F, Streit B: Öko-
      • Die Bevölkerung wurde umfassend informiert        Literatur:                                            nomische Folgen der Ausbreitung von Neobiota.
         und es werden nationale Ambrosiabekämp-          Alberternst B, Nawrath S, Klingenstein F. Biolo-      Umweltbundesamt Texte (2003) 79/03, 248 S.
         fungstage organisiert                            gie, Verbreitung und Einschleppungswege von
                                                                                                                 Wichtige Internetadressen:
      • Grundstückseigentümer sind verpflichtet, ihre     Ambrosia artemisiifolia in Deutschland und Be-
                                                                                                                 www.ambrosia.de
         Grundstücke den Behördenvertretern zugäng-       wertung aus Naturschutzsicht. Nachrichtenbl.
                                                                                                                 www.ambrosiainfo.de
         lich zu machen und entsprechende Bekämp-         Deut. Pflanzenschutzdienst (2006) 58: 279-85
                                                                                                                 www.bba.bund.de/ambrosia
         fungsmaßnahmen mit zu tragen
                                                                                                                 www.polleninfo.de
      • Landwirte werden für Ambrosia-Schäden ent-        Asero, R. Analysis of new respiratory allergies in     www.acw.admin.ch
         schädigt.                                        patients monosensitized to airborne allergens
      In unseren Regionen kann angesichts des derzei-     in the area North of Milan. J Invest Allergol Clin    Korrespondenzanschrift
      tigen Verbreitungsdrucks dieser Pflanze nur eine    Immunol. (2004) 14: 208-213                           PD Dr. med. Ursel Heudorf
      sehr baldige abgestimmte Bekämpfung noch                                                                  Stadtgesundheitsamt Frankfurt
      Abhilfe schaffen, jedes weitere Zuwarten ver-       Asero R. The changing pattern of ragweed aller-       Medizinische Dienste und Hygiene
      ringert die Chancen, diese Pflanzenart und da-      gy in the area of Milan, Italy. Allergy (2007) 62:    Ursel.heudorf@stadt-frankfurt.de
      mit dieses hohe Allergenpotential für die Bevöl-    1097-1099.
      kerung fernzuhalten. Leider werden in Deutsch-
      land oftmals nicht die notwendigen Maßnah-          Cecchi L, Torrigiani T, Albertini R, Zanca M, Rido-
      men ergriffen, um die Ambrosia wirksam zu           lo E, Usberti I, Morabito M, Dall´Aglio P, Orlandi-
      bekämpfen und die weitere Ausbreitung zu un-        ni S. The contribution of long-distance transport
      terbinden. Während einige Umweltbehörden            to the presence of Ambrosia pollen in central
      argumentieren, dass das Auftreten neuer Pflan-      northern Italy. Aerobiologica (2007) 23: 145-151.
      zenarten ein ständiger Prozess sei, der dynami-
      schen Prozessen unterliege und durch den            D‘Amato G, Spieksma FT, Liccardi G, Jäger S,
      Menschen nicht beeinflusst werden könne/sol-        Russo M, Kontou-Fili K, Nikkels H, Wüthrich B,
      le, fordern beispielsweise das Julius Kühn-Ins-     Bonini S. Pollen-related allergy in Europe. Aller-
      titut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflan-   gy (1998) 53: 567-78.                                 Kästchen: Informationen zu Ambrosia und Mel-
      zen (www.bba.bund.de/ambrosia) und in Hes-                                                                deformular; Internetseite der Arbeitsgruppe Bio-
      sen das Hessische Ministerium für Umwelt,                                                                 diversität; www.ambrosiainfo.de
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„Nur die Akteure vor Ort können die Situation vor Ort
 beurteilen“ 4. Fachtagung für palliative Versorgung und hospizliche Begleitung in Bad Nauheim

D
         as Interesse an einer weiteren Vernet-    eine „Suizidmaschine“ zu präsentieren. „Noch        schlüsse des Gemeinsamen Bundesaussschus-
         zung der palliativen Versorgung in        haben sich die Krankenkassen erstaunlicher-         ses zur Verordnung von spezialisierter ambu-
         Hessen ist unvermindert hoch: Über        weise nicht dazu geäußert“, bedauerte Stüwe         lanter Palliativversorgung (SAPV). So werde
200 ehrenamtliche Betreuer, Ärzte, Pfleger         und forderte deren Vertreter zu einer klaren        dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ Rech-
 und einige Seelsorger nahmen am 9. April an       Stellungnahme auf. Dass die wachsende Öko-          nung getragen. Kritisch merkte Hölz jedoch an,
 der 4. Fachtagung „Palliative Versorgung und      nomisierung inzwischen auch vor dem Sterben         dass wichtige Richtlinien, wie die zur Speziali-
 hospizliche Begleitung in Hessen“ im Fortbil-     nicht mehr zurückschrecke, mache deutlich,          sierung der Leistungserbringer und Vorschläge
 dungszentrum der Landesärztekammer Hes-           dass das Thema Palliative Versorgung und            zur    interprofessionellen   Zusammenarbeit,
 sen in Bad Nauheim teil. „Angst, Hilflosigkeit,   hospizliche Begleitung wichtiger sei denn je.       vage blieben. „Nur die Akteure vor Ort können
Schmerzen und Einsamkeit belasten die Men-         Stüwe plädierte dafür, die Palliativmedizin als     die Situation vor Ort beurteilen“, hob Hölz her-
 schen am Ende ihres Lebens“, sagte die Prä-       Bestandteil des Medizinstudiums zu etablie-         vor.
 sidentin der Landesärztekammer Hessen,            ren. Auch die Moderatoren Professor Loch und
 Dr. med. Ursula Stüwe zu Beginn der Veran-        Dr. Popović machten deutlich, wie wichtig es       Beschlüsse des Gemeinsa-
 staltung. „Wir wollen unsere Patienten daher      sei, für eine humane Sterbebegleitung – mög-        men Bundesausschusses
 gemeinsam mit allen uns in der palliativen        lichst zuhause – einzutreten.                       Dr. Thomas Schindler, Geschäftsführer der
 Medizin und Betreuung zur Verfügung ste-                                                              Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin,
 henden Möglichkeiten die Angst vor dem            „In der schwächsten Phase des Lebens ist an         teilte die Bedenken in seiner Analyse der neu-
Sterben nehmen, sie begleiten und ihre An-         der Menschenwürde unbedingt festzuhalten“,          en Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesaus-
 gehörigen unterstützen.“                          unterstrich Dr. Stephan Hölz vom Hessischen         schusses. So sei die Absicht des Gesetzgebers,
Auch in diesem Jahr standen der Informations-      Sozialministerium in seinem Grußwort. Ob-           die palliative Versorgung im Zuge der 2007
 austausch und die Verbesserung der Zusam-         wohl heute 80-90 % der Menschen in Kranken-         verabschiedeten Gesundheitsreform (GKV-
 menarbeit aller an der Sterbebegleitung betei-    häusern oder Heimen stürben, hofften die            Wettbewerbsstärkungsgesetz) zu fördern,
 ligten Berufsgruppen auf regionaler Ebene im      meisten, die letzte Zeit ihres Lebens in vertrau-   zwar gut, aber offensichtlich nicht gut vorbe-
 Mittelpunkt der interdisziplinären Tagung         ter Umgebung zu Hause verbringen zu können.         reitet gewesen. Schindler nannte den Geset-
(Schirmherrin: Hessische Sozialministerin Sil-     Hölz bezeichnete die von menschlicher Zuwen-        zestext und auch die später erlassenen Richtli-
 ke Lautenschläger, Leitung und Moderation:        dung getragene Sterbebegleitung durch Hos-          nien an einigen Stellen unbestimmt. So hätten
 Professor Dr. med. Ernst-Gerhard Loch,            pizarbeit und Palliativmedizin daher als wich-      nur ca. 10 % der Sterbenden einen besonderen
 Dr. med. Michael Popović), die gemeinsam von     tig und sprach sich für ein partnerschaftliches     Versorgungsbedarf; das Gros der Patienten
 der Akademie für Ärztliche Fortbildung und        Miteinander beider Bereiche aus. Grundsätz-         würde weiterhin von den Strukturen der allge-
 Weiterbildung, der Koordinations- und An-         lich begrüßte er die nach dem § 37 b des Sozi-      meinen Palliativversorgung betreut. Wie las-
 sprechstelle für Dienste der Sterbebegleitung     algesetzbuches V formulierten neuen Be-             sen sich die 10 % identifizieren, gibt es Instru-
 und Angehörigenbetreuung (KASA) und der
 Landesarbeitsgemeinschaft Hospize Hessen
 veranstaltet wurde. Darüber hinaus bot die
 Fachtagung Informationen zur aktuellen Ge-
 setzgebung und einen Überblick über die vor-
 handenen Strukturen zur hospizlichen und
 palliativen Versorgung in den hessischen Regi-
 onen.

Für eine humane
Sterbebegleitung
 Eindeutig sprach sich Ärztekammerpräsidentin
Stüwe gegen aktive Sterbehilfe aus und verur-
 teilte gegenläufige Strömungen, die einen
 Hamburger Händler ermutigt hätten, kürzlich
                                                                                                                                                           361
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      Aktuelles

      mente dafür und wer regelt das? Auf diese Fra-     allerdings um ein „verpacktes Überraschungs-         Jahr erfolgreich fortgeschritten ist, zeigten die
      gen gäben die neuen Beschlüsse keine Antwort.      Ei“. Zugleich dränge sich der Eindruck auf, dass     Berichte aus sechs hessischen Regionen. In
      Auch werde nicht gesagt, wer die Leistungser-      die Einrichtung realer Palliative–Care–Teams         Diskussionen und Workshops wurden weitere
      bringer seien. Schindler meldete außerdem          von einigen Beteiligten gar nicht wirklich er-       Unterstützungsangebote und Strukturen zur
      Bedenken der Deutschen Gesellschaft für Pal-       wünscht sei. Ein Zeichen dafür sei, dass das         Verbesserung der Arbeit erörtert (siehe nach-
      liativmedizin an, ob die Zusatzweiterbildung       vom Gesetzgeber bereit gestellte Geld zwar           folgender Bericht von Sigrid Blehle). Ein mögli-
      „Palliativmedizin“ als Qualifikation ausreiche,    vorhanden sei (80 Mio Euro allein für das Jahr       ches Unterstützungsangebot können Regiona-
      um dem – im Bereich Palliativmedizin durchaus      2007), aber wegen des brutalen Verteilungs-          le Hospiz- und Palliativkonferenzen (RHPK) sein,
      erfahrenen Hausarzt – unterstützend zur Seite      kampfes nicht abgerufen wurde. „Lassen Sie           die von gemeinsamen Arbeitsgruppen aus Ver-
      zu stehen. Die Deutsche Gesellschaft für Palli-    uns nicht mehr abwarten, sondern gestalten           tretern örtlicher Gesundheitsämter, Bezirksärz-
      ativmedizin und der Deutsche Hospiz- und           wir die Umsetzung vor Ort in Hessen mit“, ap-        tekammern der Landesärztekammer, der LAG
      Palliativ-Verband hätten auf Bundesebene ge-       pellierte Otto daher. Dies erfordere eine enge       Hospize und der KASA getragen werden sollen.
      meinsam Vorschläge und Empfehlungen vorge-         Kooperation aller an der Sterbebegleitung Be-        Ihre Aufgabe wird es sein, die vorhandenen
      legt, berichtete Schindler. Man wisse jedoch       teiligten und die Einsicht in die Gleichwertigkeit   Strukturen in den Regionen zu beraten, zu un-
      nicht, wie rasch diese umgesetzt würden.           der vier Säulen der palliativen Betreuung: me-       terstützen und die Kommunikation in der Ver-
                                                         dizinische, pflegerische, psychosoziale und          sorgung zu fördern. Die Teilnehmer der 4. Fach-
      Enge Kooperation aller                             spirituelle Versorgung. In Hessen seien Zusam-       tagung waren sich darin einig, dass es zukünf-
      Beteiligten                                        menarbeit und Vernetzung der an der Sterbe-          tig darauf ankommen muss, auch in den ländli-
      „Sollen wir warten? Und wie lange?“, fragte        begleitung beteiligten Berufsgruppen auf der         chen Regionen Hessens nachhaltige Strukturen
      Pfarrer Peter Otto von der Landesarbeitsge-        Grundlage der vergangenen drei Fachtagungen          zu schaffen, wie sie in den Ballungsgebieten
      meinschaft (LAG) Hospize Hessen. Man warte         in Bad Nauheim aufgebaut worden. „Lassen             bereits existieren. Zugleich soll der Kreis der
      schon geraume Zeit auf das SAPV-Programm,          Sie uns nicht länger warten, sondern das Feld        Menschen, die sich im Bereich der hospizlichen
      auf seine Präzisierung durch Richtlinien und auf   selbst bestellen“, forderte Otto.                    und palliativen Versorgung engagieren, erwei-
      die Umsetzung. Noch handele es sich bei SAPV       Dass die regionale Vernetzung auch im letzten        tert werden.
                                                                                                                                                 Katja Möhrle

      Vorträge und Workshops am Nachmittag

      A
              m Nachmittag hält Elisabeth Terno          zinische, die palliativpflegerische, die psy-        vor Ort. Hieraus resultierend sollten Ver-
              (KASA )ihren Vortrag über „die Idee        chosoziale und die spirituelle – mitgestal-          besserungspotentiale formuliert werden.
              der regionalen Hospiz- und Pallia-         ten. Das multiprofessionelle Handeln von             So berichteten aus der Region Kassel
      tivkonferenzen (RHPK). Ziel dieser Konfe-          Haupt- und Ehrenamt im palliativen und               Dr. med. Elisabeth Lohmann und Michael
      renzen soll sein, Netzwerkarbeit regional          hospizlichen Bereich könnte besser abge-             Poetsch, aus Fulda/Bad Hersfeld berichte-
      strukturiert fortzusetzen. Diese Konferen-         stimmt werden. Es würden damit Kommu-                ten Dr. med. Ulrike Mäthrich und Manuela
      zen sollten in den sechs Versorgungsgebie-         nikationsplattformen auf drei Ebenen ge-             Straub, aus Frankfurt/Offenbach Professor
      ten der Hessischen Krankenhausplanungs-            schaffen werden – im Rahmen der Runden               Dr. med. Kaesemann und Monika Müller-
      regionen ausgerichtet werden. Die Träger-          Tische, der RHPK und der hessenweiten                Herrmann,      aus     Wiesbaden/Limburg
      schaft vor Ort könnte gemeinsam durch die          Fachtagungen. Dies wäre eine gute Basis              Dr. med. Harald Braun und Lothar Lorenz,
      Gesundheitsämter, die LAG Hospize, die             für eine suffiziente palliative und hospizli-        aus Gießen/Marburg Martin Leimbeck und
      Bezirksärztekammern und die KASA über-             che Versorgung sterbender Menschen und               Judith Pfeiffer de Fragoza und aus Darm-
      nommen werden. Durch diese Konferenzen             deren Angehöriger, erläuterte Terno.                 stadt berichteten Dr. med. Mathias Pfiste-
      würden die Akteure unterstützt und entlas-                                                              rer und Doris Kellermann. Im Rahmen die-
      tet, die Kommunikation untereinander ver-          Danach folgte die Einteilung in die einzel-          ser Workshops wurde die Bestandsaufnah-
      bessert werden. Von der Basis aus würden           nen Arbeitsgruppen. Dies bezog sich so-              me der vorhandenen Strukturen mit kriti-
      die Beteiligten unter Beachtung der vier           wohl auf vorhandene Strukturen als auch              scher Reflexion der Situation vor Ort er-
      Säulen der Hospizidee – die palliativmedi-         auf eine kritische Reflexion der Situation           gänzt. Hierbei stellten die Teilnehmer fest,
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dass teilweise noch unbekannte Doppel-         wurde das Kon-
strukturen existieren.                         kurrenzdenken
                                               untereinander
Forderung nach finanzieller                    und die fehlen-
Absicherung                                    de Vernetzung
In allen Regionen sind mittlerweile regio-     im Bereich der
nale Runde Tische aktiv. Der Impuls hierzu     ambulanten
ging von der letzten Fachtagung aus. Wün-      Strukturen. Hier
schenswert sei jedoch eine bessere Struk-      solle es das er-
turierung der Runden Tische, verbunden         klärte Ziel sein,
mit einer neutralen aber kompetenten Mo-       ein verbesser-
deration z.B. durch die Gesundheitsämter       tes Entlassungs-
oder die KASA. Auch soll hier eine gemein-     m a n a g e m e n t Berichte aus der Praxis
same und effektive Öffentlichkeitsarbeit       und eine verbes-
angesiedelt sein. Ergänzend ist die Erarbei-   serte Informationsweitergabe in den am-        Palliative Care sei eine multiprofessionelle
tung eines Internetauftritts für Hessen ge-    bulanten Bereich umzusetzen. Anzustre-         Ausbildung (Pflege, Ärzte, Therapeuten
plant. In Nordhessen als einziger Region       ben sei eine 24–h–Erreichbarkeit von Ärz-      (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Lo-
fehle noch ein I.V.–Vertrag. Als gemeinsa-     ten mit palliativmedizinischer Qualifikation   gopäden) und ein interdisziplinärer Ansatz in
mes Ziel wurde formuliert, dass endlich        für Pflegedienste und Familien und erwei-      der Aus- und Weiterbildung wichtig. Beson-
eine finanzielle Absicherung der geleiste-     terte Beratungsangebote. Für kleine Hos-       ders betont wurde hier die Fortbildung für
ten Arbeit erfolgen müsse. Es solle Klarheit   pizvereine ohne hauptamtliche Mitarbeiter      die Sterbebegleiter bei Demenzkranken.
bezüglich der Kostenübernahmen geschaf-        sei darüber hinaus finanzielle Hilfe not-      Wünschenswert sei ein Fonds der Landesre-
fen werden. Nur so könne dann nachhaltig       wendig.                                        gierung für Fort- und Weiterbildungsmaß-
die Breitenversorgung sichergestellt wer-                                                     nahmen. An Unterstützung werden eine
den.                                           Multiprofessionelle Ausbil-                    entsprechende Qualitätssicherung der Ver-
                                               dung, interdisziplinärer                       sorgung und eine klare Integration der Hos-
Innerhalb der verschiedenen Regionen er-       Ansatz                                         pizdienste gewünscht. Dies könne idealer
streckt sich das Spektrum der vorhande-        Für eine effektive Netzwerkarbeit brauche      Weise durch einen multiprofessionell ausge-
nen Strukturen von rudimentär bis profes-      man eine externe, ordnende Kraft, mehr         richteten Qualitätszirkel ergänzt werden.
sionell. Im ambulanten Bereich gibt es oft     Aus-, Fort- und Weiterbildung und mehr         Strukturell seien hierfür nicht zu viele Zirkel,
gute Netzwerkstrukturen, funktionierende       Wissen umeinander. Bei der Ausbildung in       jedoch eventuell eine RHPK jährlich sowie
Kooperationsverträge und regional gute
Schmerzversorgung. Beklagt wurde, dass
insbesondere im ländlichen Bereich man-
gelhafte Entwicklungsstrukturen existier-
ten. Im Bereich der Pflegeheime gäbe es
auf der einen Seite eine gute Palliative-
Care-Ausbildung, auf der anderen Seite
jedoch eine mangelhafte Versorgung mit
einer adäquaten Schmerztherapie. Im Be-
reich der Krankenhäuser sei eine gute spi-
rituelle Begleitung, eine suffiziente Anwen-
dung einer entsprechenden Schmerzthera-
pie, eine adäquate Symptomkontrolle und
eine gute Zusammenarbeit durch gute per-
sönliche Kontakte vorhanden. Kritisiert
                                                                                                                                                 363
6 2008 • Hessisches Ärzteblatt
      Aktuelles

                                                                                sorgung gäbe.       In der nachfolgenden Diskussion wurde
                                                                                Ein Problem sei     durch Elke Kilz vom Hessischen Sozialminis-
                                                                                prinzipiell, dass   terium ergänzt, dass es mittlerweile für fi-
                                                                                keine soliden       nanzschwache Hospizinitiativen eine Mög-
                                                                                Zahlen vorlägen.    lichkeit zur Finanzierung einer hauptamtli-
                                                                                So könne eine       chen Arbeitskraft gäbe. Hierfür würde das
                                                                                solide Bedarfs-     Land Hessen 150.000 Euro zur Verfügung
                                                                                planung nicht       stellen. Grundsätzlich wurde betont, dass
                                                                                erstellt werden.    erhebliche Impulse von der letzten Fachta-
                                                                                                    gung ausgegangen seien, die zur Gründung
                                                                                                    regionaler Tische geführt haben. Die Teil-
                                                                                Professio-          nehmer sprachen sich für eine Fortführung
      angeregte Diskussionen in den Arbeitsgruppen                              nelle Netz-         der überregionalen Fachtagungen aus, die
                                                                                werkarbeit          auch zukünftig als Plattformen für eine hes-
      eine zentrale, überregional ordnende Kon-       Eine Anleitung zur aktiven und professionellensenweite Netzwerkbildung und einen hes-
      taktstelle notwendig. Erforderlich seien        Netzwerkarbeit wurde als wünschenswert        senweiten Erfahrungsaustausch zur Verfü-
      darüber hinaus ganztägige überregionale         bezeichnet und die Durchführung von Regio-    gung stehen sollen.
      Workshops.                                      nalkonferenzen mit Unterstützung eines ex-
      Die zur Verfügung stehenden Instrumente         ternen Experten, wie z.B. KASA, ausdrücklich Darüber hinaus wurde einhellig die Meinung
      sollen genutzt werden. Auch werden offe-        gewünscht. Diese sollten möglichst zwei Mal vertreten, dass der Druck auf die Politik ver-
      ne Netzwerke für Leistungserbringer ge-         jährlich durchgeführt werden. Kleine Gruppen stärkt werden solle. Es sei nicht zu verant-
      wünscht; bestehende Strukturen sollen           vor Ort sollten ihre Treffen nach wie vor in Ei- worten, dass 60.000 betroffenen Patienten
      abgestimmt werden. Zu wünschen ließe            genregie organisieren; bei ländlichen Struktu- nur deshalb eine adäquate Versorgung vor-
      nach wie vor die Zusammenarbeit mit den         ren müsse die Versorgung regional und sehr enthalten werde, weil sich die Verantwortli-
      Hausärzten, kritisierten die Teilnehmer.        individuell z.B. über Kooperationsverträge chen über die Art und Weise der Mittelver-
      Hier bestünde ein erheblicher Nachholbe-        gelöst werden. Alle Beteiligten waren sich ei- wendung nicht einig werden.
      darf bezüglich der palliativen Kompetenz        nig, dass vorhandene Strukturen erhalten,
      und einer kooperativen Zusammenarbeit           gefördert und eingebunden werden müssen.
      mit allen Beteiligten. Auch könne die           Diesen solle die Möglichkeit gegeben werden,                                  Sigrid Blehle
      Schnittstelle Pflegedienst und Hausarzt         auf Augenhöhe mit Institutionen, die einen I.V.-                           Fotos: S. Blehle
      noch optimiert werden. U.a. bestünde            Vertrag abgeschlos­­
      Nachholbedarf bei den Hausärzten bezüg-         sen haben, inner-
      lich der Kenntnisse über BTM-Verordnun-         halb von entspre-
      gen. An dieser Stelle komme es immer wie-       chenden Kooperati-
      der zu Engpässen. Die Einbindung von            onen zusammenzu-
      Physio- und Ergotherapie solle vermehrt         arbeiten. Neben der
      erfolgen. Bei Vorhandensein eines ambu-         Implementierung
      lanten Palliativdienstes sei der reale Bedarf   der I.V.-Versorgung
      an nächtlichen Hausbesuchen gering, da          und der SAPV (spe-
      ein entsprechendes Sicherheitsgefühl bei        zialisierte ambulante
      den Beteiligten präsent sei und tagsüber        Palliativversorgung)
      vorausschauend geplant werde. In Frank-         solle unbedingt auch
      furt werde dies durch ein zentrales Hospiz-     die allgemeine Pal-
      und Palliativtelefon noch verstärkt. Ergänzt    liativversorgung ge­
      wurde, dass es ein Defizit an qualifizierter    ­­­fördert und weiter-
      Sozialarbeit und psychoonkologischer Ver-       entwickelt werden. Dr. Mathias Pfisterer im Einsatz als Moderator
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                                                                                                                         Rubrik

Große der Chirurgie
Ein philatelistisches ABC            Hans Hermann Dietrich

G
        roßen der Chirurgie soll diese Mar-   gung des Vatikan zur Medizin. In Krakau      Sektor einen Namen. 1931 übertrug er als
        kenreihe gewidmet sein. Mit den       lehrte er neben Anatomie und Geburtshil-     erster Hornhaut von frischen Leichen auf
        kleinen Bildern einer alphabeti-      fe vor allem Chirurgie. Sein Hauptwerk       Patienten mit Hornhauttrübung. Die Fila-
schen Reihe soll ihrer gedacht sein und       besteht in einer umfangreichen mit vielen    towsche Gewebetherapie bedeutet Ein-
sie vor der Vergessenheit bewahren.           Zeichnungen ausgestatteten Verbandleh-       pflanzung von tierischem oder menschli-
                                              re.                                          chem Gewebe als biogene Stimulation.
                     Asklepios wurde als
                     Gott der Heilkunde                              Doppler, Christian                           Galen, Claudius
                     verehrt. Der angebli-                           Joh. D. (1803 –                              (um 129 – um 199)
                     che Sohn des Apollo                             1853) gab dem                                war neben Hippo-
                     und der thessali-                               Doppler-Effekt sei-                          krates der bedeu-
                     schen Königstochter                             nen Namen. Seine                             tendste Arzt der
                     Phlegias war wahr-                              Entdeckung 1842                              Antike. Aufbau-
scheinlich ein thessalischer Fürst, der als                          beinhaltet das                               end auf der Vier-
Heilkundiger Wunderheilungen durchge-                                Gesetz in der Wel-                           säftelehre (Blut,
führt haben soll. Der von Epidaurus aus-      lenlehre, dass erhöhte Schwingungen von                             Schleim, gelbe
gehende Asklepioskult gelangte bis Rom.       Licht- oder Schallwellen bei Annäherung                             und     schwarze
Heilende Kräfte wurden den Zungen von         zu Frequenzsteigerung führen. ln der ge-     Galle) entwickelte er wirksame Behand-
Hund und Schlange, den ursprünglichen         samten Medizin wie in Angiologie und         lungsmethoden wie Diätetik, Pharmako-
Symbolen des Asklepios zugeschrieben.         Chirurgie wird heute auf die Doppler-Me-     therapie und Chirurgie. Er war Gladiato-
Der Äskulapstab bildet noch heute das         thode nicht mehr verzichtet.                 renarzt und Leibarzt Marc Aurels.
Symbol der Ärzteschaft.
                                                                Eisenbarth, Johann                            Halsted, William Ste-
                     Böhler, Lorenz (1885                       Andreas (1663 – 1727)                         wart (1852 – 1922)
                     – 1973) gilt als Vater                     galt lange Zeit als                           rechnet zu den bedeu-
                     der konservativen                          marktschreierischer                           tendsten Chirurgen
                     Knochenbruchbe-                            Wanderarzt, dessen                            der neueren Zeit. Der
                     handlung. In Öster-                        Heilmethoden in aller                         Professor für Chirur-
                     reich schuf er die                         Munde waren. So wur-                          gie an der Universität
                     Vorausset zungen                           de er weltbekannt. Je-     John Hopkins in Baltimore führte bereits
                     für die Eigenstän-                         doch weiß man heute,       1884 die Eigenblutinfusion aus, schuf ein
digkeit der Unfallheilkunde. lm ersten        dass gemessen an seiner Zeit er als Arzt     Jahr später die Cocainanästhesie und ver-
Weltkrieg errichtete er das erste Spezial-    ein gediegenes Wissen und Können be-         wendete erstmalig Gummihandschuhe
lazarett für Schussbrüche in Bozen. Spä-      saß. Dieser Stein- und Bruchschneider        beim Operieren. Mit Bassini entwickelt er
ter gründete er sieben Unfallkrankenhäu-      war ein Vorkämpfer der Chirurgie. Da wohl    eine Methode der Hernienradikal-Opera-
ser. Sein Lebenswerk war gekennzeichnet       sein Ruf nach neueren Forschungen nicht      tion.
durch eine straffe Organisation, klare Ty-    so negativ war, wurde er von seinem Kö-
pisierung, exakte Dokumentation und ge-       nig zum Hofrat gemacht.                                                      Karbol-
nau aufgezeichnete Behandlung jedes                                                                                        spray ge-
Traumas.                                                         Filatow, Wladimir Pet-                                    hört un-
                                                                 rowitsch (1875 – 1956)                                    weigerlich
                      Czerwiakowski, Ra-                         Professor für Augen-                                      zum Na-
                      phael Josef (1743 –                        heilkunde in Odessa                                       men von
                      1816) wechselte als                        machte sich durch         Lord Josef Lister (1827 – 1912), Professor
                      ursprünglich Geist-                        Operationen vor allem     für Chirurgie in Edinburgh. Mit seinem
                      licher mit Genehmi-                        auf augenärztlichem       Karbolspray wurde er zum Begründer der
                                                                                                                                        365
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      Historisches

      Antisepsis und gab damit der Chirurgie         errang Ruhm als deutscher Kolonialpoliti-    er der Thoraxchiurgie neue Möglichkeiten.
      den Boden zu ihrem großen Aufschwung.          ker, der Togo und Kamerun für Deutsch-       lm 1. Weltkrieg schuf er seine willkürlich
      Listers Erfolge basierten auf den Ergeb-       land erwarb.                                 beweglich künstliche Hand. Die Naht einer
      nissen von Louis Pasteur.                                                                   verletzten Lunge und die Verwandlung
                                                                            Paré, Ambroise        des offenen in einen geschlossenen Pneu-
                          Leriche, René (1879                               (1510 – 1590), Va-    mothorax gehören zu seinen Verdiensten.
      –                   1955) gilt als einer                              ter der französi-     Seine Laufbahn wurde gekrönt durch den
                          der bedeutendsten                                 schen Chirurgie       Ruf an die Charité.
                          Chirurgen      Frank-                             entdeckte bereits
                          reichs. Er nannte die                             mit 19 Jahren als                              Vesalius, Andreas
                          Operation das größ-                               Wundarzt der Ar-                               (1514 – 1564) Pro-
                          te und wichtigste al-                             mee neu die für                                fessor der Chirur-
                          ler Experimente. Er                               die Chirurgie so                               gie in Padua und
                          trat für ein behutsa-                             wichtige Gefäß-                                Leibarzt Kaiser
      mes und schonendes Operieren ein. Sein         unterbindung. Er verbesserte Trepanation                              Karls V. forderte
      Hauptarbeitsgebiet betraf Magen und Ge-        und Frakturbehandlung. Das übliche Aus-                               die Autopsie zur
      fäße. Er entdeckte die Bedeutung des ve-       gießen von Wunden mit siedendem Ho-                                   genauen Erkennt-
      getativen Nervensystems.                       lunderöl ersetzte er durch kühlende Ver-                              nis des menschli-
                                                     bände. Als erster erkannte er den Schen-                              chen Körpers und
                              Moniz, Antonio Ca-     kelhalsbruch, für Amputierte ließ er         begründete damit die neuzeitliche Anato-
                              etano de Abreu         Kunstglieder anfertigen. 30 Jahre zog der    mie. Er wird als tüchtiger Chirurg beschrie-
                              Freire Egas (1874 –    von der Truppe vergötterte Heereschirurg     ben, der als erster 1544 eine Oberarmam-
                             1955) Professor in      durch die Lande.                             putation durchgeführt habe.
                              Lissabon erhielt
                             1949 den Nobel-                                 Rydygier, Ludwig
                              preis für Medizin                              (1850 – 1920)
                              für seine Entde-                               stammte      aus
                              ckung des thera-                               Westpreußen.
      peutischen Wertes der praefrontalen Leu-                               Als erster wurde
      kotomie bei gewissen Psychosen. Er wur-                                er auf den chirur-
      de damit zum Begründer der Psychochir-         gischen Lehrstuhl der Fakultät Lemberg
      urgie. Zeitweilig fungierte er als Botschaf-   berufen. Er entwickelte eine neue Metho-
      ter seines Landes und als Außenminister.       de zur Therapie der Pseudarthrose und        Die Betrachtung großer Vorbilder auf klei-
                                                     ersann ein Verfahren zur Lappenplastik       nen Marken und die Darstellung eines
                          Nachtigall,    Gustav      nach Oberschenkelamputation. Pylorus-        Operationsteams möge dem unbekannten
                          (1834 – 1884) wurde        resektion und Splenopexie sind mit sei-      Chirurgen in aller Welt ein Denkmal set-
                          zunächst Militärarzt,      nem Namen verbunden.                         zen, der in selbstloser Arbeit Tag für Tag
                          ging dann aus Krank-                                                    unermüdlich seine Pflicht tut und das ver-
                          heitsgründen nach                                Sauerbruch, Ferdi-     wirklicht, was die Großen einst vorlebten.
                          Nordafrika. Dort wur-                            nand (1875 – 1951)
                          de er Chefarzt der Ma-                           wurde zum unum-        Anschrift des Verfassers
      rine. Er durchquerte die Sahara, wobei er                            strittenen Führer      Dr. med. Hans Hermann Dietrich
      als Forscher und Arzt tätig wurde. Der                               der deutschen Chir-    Tannenweg 3
                                                                                                  35066 Frankenberg/Eder
      Mann, der nur kurz als Chirurg tätig sein                            urgie. Mit seiner
      konnte leistete Großes für die Wissen-                               pneumatischen
      schaft, wie ihm Virchow bescheinigte und                             Kammer eröffnete
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6 2008 • Hessisches Ärzteblatt
                                                                                                  Landesärztekammer Hessen

Umsatzsteuer auf Befundberichte für Versorgungsämter
Ärzte sind verpflichtet, Anfragen von Versor-   Leistungsbegriff durch die Verwendung der       ten Argumenten an die Hessische Staatsmi-
gungsämtern in Schwerbehindertenange-           Worte „Honorar“ und „Leistung“ im Zusam-        nisterin Silke Lautenschläger gewandt, da-
legenheiten zu beantworten und eingefor-        menhang mit dem sachverständigen Zeugen         mit diese sich bei den Versorgungsämtern
derte Befundberichte zeitnah zu erstellen.      erfüllt sei. Zwar könne die Verwaltung bei      für die Ärzte einsetzt. Dem Hessischen Lan-
Die Vergütung hierfür ist mehr als gering.      dem Arzt als sachverständigen Zeugen            desamt für Versorgung und Soziales wurde
Hinzu kommen noch unterschiedliche Auf-         grundsätzlich zunächst davon ausgehen,          von der Rechtsabteilung der Landesärzte-
fassungen zwischen Versorgungsämtern            dass dieser nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG von    kammer Hessen das gleiche Anliegen unter-
und Finanzbehörden über die Umsatzsteu-         der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenom-         breitet. Die Bundesärztekammer wurde um
er, die letztlich auf dem Rücken der Ärzte      men sei, weil die dort genannten Umsatz-        Unterstützung auf Bundesebene durch Ein-
ausgetragen werden.                             grenzen nicht überschritten würden. Sofern      wirken auf das Bundesfinanzministerium
                                                der Arzt für seine Leistungen nach dem JVEG     gebeten.
Für Verärgerung sorgt dabei insbesondere        aber Ersatz der auf die Vergütung entfallen-
die restriktive Haltung der Versorgungs-        den Umsatzsteuer begehrt, sei er verpflich-     Silke Lautenschläger hat in ihrer Antwort an
ämter, den Ärzten nicht die von ihnen be-       tet, im Zweifelsfall seine Veranlagung zur      die Präsidentin die Auffassung des Landes
rechnete Umsatzsteuer auf Befundberichte        Umsatzsteuer gegenüber der Verwaltung           Hessen kurz skizziert und im Ergebnis auf
zu erstatten. Ärzte, deren umsatzsteuer-        nachzuweisen. Ohne einen solchen Nach-          die ausstehende Entscheidung beim Bun-
pflichtige Einnahmen im Vorjahr Euro            weis sei die Verwaltung nicht verpflichtet,     dessozialgericht verwiesen. Bis zu einer
17.500,- überschritten haben bzw. voraus-       Umsatzsteuer zu ersetzen.                       Entscheidung durch das Bundessozialge-
sichtlich Euro 50.000,- im Jahr der Veranla-    Das Gericht stellt damit klar, dass bei nach-   richt wird – so Silke Lautenschläger – in Hes-
gung übertreffen werden, haben nach § 19        gewiesener Veranlagung Umsatzsteuer von         sen keine Umsatzsteuer für Befundberichte
Abs. 1 Satz 1 UStG Umsatzsteuer an das Fi-      den Versorgungsämtern auch zu bezahlen          im Rahmen der Durchführung des SGB IX
nanzamt abzuführen. Diese wird von den          ist.                                            erstattet werden.
Finanzämtern in jedem Fall auch eingefor-
dert, unabhängig davon, ob Versorgungs-         Im allgemeinen Geschäftsleben würde jeder       Somit bleibt es bei der unbefriedigenden
ämter dem Arzt Umsatzsteuer gezahlt haben       wirtschaftlich denkende Unternehmer bei         Situation, dass Ärzte gegen jeden Bescheid
oder nicht.                                     einer derartigen Konstellation seine Leis-      des Versorgungsamtes, der nicht die bean-
                                                tung von einer Kostenübernahme des Auf-         tragte Umsatzsteuer ausweist, rechtlich
Versorgungsämter benötigen in der Regel         traggebers abhängig machen, die auch die        vorgehen müssen. Ihnen kann nur empfoh-
für ihre Entscheidungen in Schwerbehin-         Umsatzsteuer enthielte. Dieses wirtschaft-      len werden, Widerspruch gegen diese Be-
dertenangelegenheiten das Wissen der be-        liche Handeln ist Ärzten aufgrund ihrer Ver-    scheide einzulegen und hier auf das Urteil
handelnden Ärzte. Dieses fordern sie durch      pflichtung zur Abgabe derartiger Befundbe-      des Hessischen Landessozialgerichtes so-
Befundberichte ohne nähere gutachtliche         richte nach dem Sozialgesetzbuch – die sich     wie die ausstehende Entscheidung des Bun-
Äußerung im Sinne der Nummer 200 der An-        auch in § 25 der Berufsordnung für die Ärz-     dessozialgerichtes zu verweisen. Parallel
lage 2 zu § 10 Justizvergütungs- und Ent-       tinnen und Ärzte in Hessen widerspiegelt –      dazu sollte ggf. unter Einbeziehen eines
schädigungsgesetz (JVEG) ein. Die Vergü-        verwehrt. Sie müssten letztlich bei jeder auf   Steuerberaters bei dem Finanzamt eine
tung beträgt hier Euro 21,-.                    die Umsatzsteuer entfallenden Rechnungs-        Stundung der Umsatzsteuer in diesen Fällen
                                                kürzung durch die Versorgungsämter einen        nachgefragt werden.
Das Hessische Landessozialgericht hat in        rechtsmittelfähigen Bescheid einfordern
                                                                                                		                  Rechtsabteilung
seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil        und hiergegen gerichtlich vorgehen bzw.
vom 29. August 2007 (AZ.: L 4 SB 15/07)         das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Ent-
entschieden, dass auf die Vergütung nach        scheidung durch das Bundessozialgericht
Nummer 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1          beantragen. Dies kann aber weder im Sinne
JVEG die begehrte Umsatzsteuer zu ersetzen      der Versorgungsämter noch der Ärzte sein.
ist. Das Gericht vertritt die Auffassung, aus
dem Wortlaut des Gesetzes gehe eindeutig        Aus diesem Grunde hat sich die Präsidentin
hervor, dass der umsatzsteuerrechtliche         Dr. med. Ursula Stüwe mit den oben genann-
                                                                                                                                                 367
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