Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz - OBSAN BERICHT Dominic Höglinger, Jürg Guggisberg, Jolanda Jäggi
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O BS A N B E R I C H T 01/2022 Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz Dominic Höglinger, Jürg Guggisberg, Jolanda Jäggi
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) ist eine von Bund und Kan- tonen getragene Institution. Das Obsan analysiert die vorhandenen Gesundheits informationen in der Schweiz. Es unterstützt Bund, Kantone und weitere Institutionen im Gesundheitswesen bei ihrer Planung, ihrer Entscheidfindung und in ihrem Handeln. Weitere Informationen sind unter www.obsan.ch zu finden. Herausgeber Titelseite Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) Sektion DIAM, Prepress / Print Autorinnen und Autoren Online – Dominic Höglinger (Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG) www.obsan.ch R Publikationen – Jürg Guggisberg (Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG) Print – Jolanda Jäggi (Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG) www.obsan.ch R Publikationen Projektleitung Obsan Bundesamt für Statistik, CH-2010 Neuchâtel, Monika Diebold order@bfs.admin.ch, Tel. 058 463 60 60 Reihe und Nummer Druck in der Schweiz Obsan Bericht 01/2022 Copyright Zitierweise Obsan, Neuchâtel 2022 Höglinger, D., Guggisberg, J. & Jäggi, J. (2022). Hör- und Sehbeeinträchti- Wiedergabe unter Angabe der Quelle gungen in der Schweiz (Obsan Bericht 01/2022). Neuchâtel: Schweizeri- für nichtkommerzielle Nutzung gestattet sches Gesundheitsobservatorium BFS-Nummer Auskünfte / Informationen 873-2201 www.obsan.ch ISBN Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, CH-2010 Neuchâtel, 978-2-940670-18-5 obsan@bfs.admin.ch, Tel. 058 463 60 45 Originaltext Korrigierte Version vom 20.07.2022, Deutsch Berichtigungen siehe Erratum letzte Seite Layout Obsan Grafiken Obsan Titelbild iStock.com / Matjaz Slanic
Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz Autoren Dominic Höglinger, Jürg Guggisberg, Jolanda Jäggi Herausgeber Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) Neuchâtel 2022
INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 3 5 Gesellschaftliche Kosten von Hör- und Sehbeeinträchtigungen 36 Zusammenfassung 4 6 Schlussbemerkungen 39 Résumé 7 7 Literaturverzeichnis 41 1 Einleitung 10 8 Anhang 45 2 Hör- und Sehbeeinträchtigungen aus medizinischer 8.1 Vertiefende Auswertungen und methodische Sicht 11 Ausführungen 45 8.1.1 Die Frage-Items zu Hören und Sehen in der SGB 2.1 Sehbeeinträchtigungen und Blindheit 11 und die Bildung der Analysevariablen 45 8.1.2 Auswertungen zur zeitlichen Entwicklung 46 2.2 Hörbeeinträchtigungen und Gehörlosigkeit 12 8.1.3 Auswertungen zu Prävalenz und Hörgeräte- 2.3 Hörsehbeeinträchtigungen 13 Versorgung nach sozialem Status 47 8.1.4 Auswertungen zu sensorischer Beeinträchtigung und sozialen sowie personalen Ressourcen 49 3 Epidemiologie von Hör- und Sehbeeinträchtigungen 8.2 Literaturrecherche: Methodisches Vorgehen und in der Schweiz 14 Suchresultate 50 3.1 Allgemeine Prävalenz von Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz 15 3.2 Die Versorgung mit Hörgeräten und die Prävalenz funktionaler Hörbeeinträchtigung 19 3.3 Langfristige Entwicklung der Prävalenz und der Versorgungslage 22 3.4 Prävalenzen und Versorgung nach soziökonomischem Status und Migrationshintergrund 24 4 Risikofaktoren, Begleiterkrankungen und Folgen für die Betroffenen 30 4.1 Risikofaktoren und Begleiterkrankungen 30 4.2 Psychische Gesundheit und Kognition 32 4.3 Funktionale Einschränkungen und allgemeines Wohlbefinden 34 2 HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis ADL Activities of Daily Living AHV Alters- und Hinterlassenenversicherung AMD Altersbedingte Makuladegeneration BFS Bundesamt für Statistik DSL Dual Sensory Loss GBD Global Burden of Disease IADL Instrumental Activities of Daily Living IV Invalidenversicherung RAI Resident Assessment Instrument RKI Robert Koch-Institut SGB Schweizerische Gesundheitsbefragung SZB Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen WHO Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization) HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ 3
ZUSAMMENFASSUNG Zusammenfassung Defizite der Sinnesorgane, worunter primär Hör- und Sehbeein- Die Verbreitung von Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der trächtigungen fallen, stehen gemäss der Global Burden of Dise- Schweiz ase Study global und auch in der Schweiz auf dem zweiten Rang jener Krankheiten, welche die meisten durch Krankheit beein- Dauerhafte Sehminderungen in einkommensstarken Ländern wie trächtigten Lebensjahre verursachen (Vos et al., 2016). Hör- und der Schweiz sind mehrheitlich auf nicht oder nur eingeschränkt Sehbeeinträchtigungen sind nicht nur aufgrund der Folgen für die behandelbare Erkrankungen des Auges zurückzuführen, nament- Betroffenen, sondern auch wegen der beträchtlichen gesamtge- lich die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD), den Grünen sellschaftlichen Kosten ein bedeutsames Gesundheitsproblem. Star (Glaukom) und die diabetische Retinopathie. Zu den am Die vorliegende, im Auftrag des Schweizerischen Gesund- meisten verbreiteten Formen von Hörbeeinträchtigung gehören heitsobservatorium (Obsan) erstellte Studie bietet eine systema- die frühkindliche Schwerhörigkeit, die altersabhängige Schwerhö- tische Übersicht zu Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der rigkeit (Presbyacusis) sowie Hörschäden durch übermässige Schweiz aus einer epidemiologischen Perspektive. Sie trägt be- Lärmbelastung. Bei der doppelten sensorischen Beeinträchtigung stehende Wissens- und Datengrundlagen zusammen und analy- (auch: Hörsehbeeinträchtigung) handelt es sich um eine eigene siert letztere neu. Wie verbreitet sind Hör- und Sehbeeinträchti- Form von Behinderung, die mit spezifischem Unterstützungsbe- gungen in der Schweizer Bevölkerung? Wie unterscheiden sich darf einhergeht. die Häufigkeit sensorischer Beeinträchtigungen und die Versor- Gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung sind gung mit medizinischen Hilfsmitteln zwischen einzelnen Bevölke- 6,2 Prozent der Schweizer Bevölkerung sehbeeinträchtigt, haben rungsgruppen? Was sind die wichtigsten Risikofaktoren, welche also Schwierigkeiten, ein Buch oder eine Zeitung zu lesen (allen- Zusammenhänge bestehen mit anderen Krankheiten und was falls mit Brille). 8,4 Prozent sind hörbeeinträchtigt, d.h. sie haben sind potenzielle Folgen? Wie hoch sind die gesamtgesellschaftli- Mühe, einem gewöhnlichen Gespräch zu folgen, oder sie tragen chen Kosten, die durch Hör- und Sehbeeinträchtigungen verur- ein Hörgerät. Sowohl beim Hören als auch beim Sehen beein- sacht werden? Die Studie liefert Antworten auf diese und ähnliche trächtigt sind 1,2 Prozent der Bevölkerung. Fragen und dient als umfassende Informationsgrundlage für die Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz von Hör- und öffentliche Gesundheit. Sehbeeinträchtigung wie auch einer doppelten sensorischen Be- einträchtigung mehr und mehr an. Besonders ausgeprägt trifft dies für Hörbeeinträchtigungen zu; ein Drittel der Personen ab 75 Vorgehen und Datengrundlage Jahren sind hörbeeinträchtigt. Dabei sind ältere Männer wesent- lich häufiger von einer Hörbeeinträchtigung betroffen als Frauen. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Analyse der Daten der Beim Sehen sind hingegen ältere Frauen stärker betroffen als Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB), die seit 1992 re- Männer. gelmässig alle fünf Jahre vom Bundesamt für Statistik (BFS) Keine wesentlichen Geschlechterunterschiede zeigen sich bei durchgeführt wird. Diese reichhaltige Datengrundlage ermöglicht der Hörsehbeeinträchtigung. Eine solche doppelte sensorische es nicht nur, Prävalenzen sowohl für die Bevölkerung als Ganzes Beeinträchtigung entwickelt sich bei der Mehrzahl der Betroffe- sowie für bestimmte Gruppen auszuweisen, sondern auch die Zu- nen erst in einer späteren Lebensphase, wobei sich teilweise vor- sammenhänge zwischen Hör- und Sehbeeinträchtigung und be- bestehende und neu entstehende Beeinträchtigungen überlagern. kannten Risikofaktoren, Begleiterkrankungen und psychischen Bei Personen ab 75 Jahren steigt die Prävalenz einer doppelten und sozialen Belastungen auszuleuchten. sensorischen Beeinträchtigung auf 4 Prozent an. Die Ergebnisse zu den Prävalenzen für die Schweiz werden Entsprechende methodische Studien und der Vergleich mit mit Ergebnissen anderer Studien kreuzvalidiert und diesen gegen- audiometrischen Befunden für andere Länder (für die Schweiz übergestellt. Zur weiteren Kontextualisierung und Ergänzung der sind solche nicht verfügbar) legen nahe, dass die auf der Selbst- Ergebnisse der empirischen Analysen wurde eine systematische einschätzung der Befragten beruhenden Ergebnisse der SGB die Literaturanalyse nach Schweizer Publikationen zu Hör- und Seh- altersbedingte Zunahme zumindest beim Hören unterschätzen beeinträchtigungen durchgeführt und mit relevanter Literatur aus und die Prävalenzraten in höheren Altersgruppen in Tat und Wahr- den Nachbarländern und internationalen Studien ergänzt. heit noch höher ausfallen dürften. In der Betrachtung über die vergangenen 25 Jahre haben die Prävalenzen für die Gesamtbevölkerung bei allen drei Formen 4 HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ
ZUSAMMENFASSUNG sensorischer Beeinträchtigung leicht zugenommen, am stärksten Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ohne nachobligatori- ausgeprägt bei der Hörbeeinträchtigung (+1,3 Prozentpunkte). sche Ausbildung hörbeeinträchtigt ist, ist rund doppelt so hoch Verantwortlich für diese Zunahme ist die fortschreitende demo- wie bei einer Person mit einem Abschluss auf Tertiärstufe (Hoch- grafische Alterung der Gesellschaft und damit der wachsende An- schule oder höhere Berufsbildung). Das Risiko einer Sehbeein- teil älterer Personen an der Gesamtbevölkerung. trächtigung ist beinahe dreifach erhöht und die Wahrscheinlich- keit einer doppelten sensorischen Beeinträchtigung nimmt relativ gesehen noch stärker zu. Ein analoges Bild zeigt sich beim Haus- Verbesserte Versorgung mit Hörgeräten haltseinkommen: je tiefer das Haushaltseinkommen, umso höher die Häufigkeit einer sensorischen Beeinträchtigung. Hörgeräte, deren Kosten bei einer entsprechenden fachärztlichen Was Berufe betrifft, so ist die Wahrscheinlichkeit einer Hörbe- Diagnose von der AHV und der IV in Form eines Pauschalbeitrags einträchtigung bei Hilfsarbeitskräften über dreimal höher als bei übernommen werden, ermöglichen in vielen Fällen wieder ein bes- Führungskräften oder akademischen Berufen, das Risiko einer seres Hören und Verstehen. Von den insgesamt 8,4 Prozent hör- Sehbeeinträchtigung fällt immer noch beinahe doppelt so hoch beeinträchtigten Personen in der Schweizer Gesamtbevölkerung aus. Eine auffällig erhöhte Prävalenz einer Hörbeeinträchtigung sind lediglich 5,5 Prozent auch funktional hörbeeinträchtigt, d.h. zeigt sich bei Fachkräften der Land- und Forstwirtschaft. Hier sie haben Schwierigkeiten beim Hören auch unter Berücksichti- dürften sich Gesundheitsrisiken, die mit dem sozioökonomischen gung der allfälligen Nutzung eines Hörgeräts – sei es, weil sie ent- Status verbunden sind, mit spezifischen berufstypischen Risiken weder kein Hörgerät tragen oder dieses die Hörbeeinträchtigung (übermässige Lärmbelastung) überlagern. Die berufsbedingte nicht bzw. nur unzureichend zu beheben vermag. Lärmschwerhörigkeit macht zahlenmässig den grössten Anteil Etwas weniger als die Hälfte aller Hörbeeinträchtigten in der der von der Unfallversicherung anerkannten Berufskrankheiten Schweiz tragen ein Hörgerät. Im internationalen Vergleich ist aus. Zur Erklärung des engen Zusammenhangs zwischen sozio- diese sogenannte Hörgeräte-Adoptionsrate überdurchschnittlich ökonomischem Status und sensorischer Beeinträchtigungen hoch – in Europa sind Hörgeräte nur in Dänemark, Schweden und wird in der Fachliteratur von komplexen Wechselwirkungen zahl- Grossbritannien verbreiteter (AEA et al., 2020). Die Hörgeräte- reicher Faktoren ausgegangen. Eine sensorische Beeinträchti- Adoptionsrate ist dabei bei älteren Hörbeeinträchtigten wesent- gung kann dabei sowohl Ursache, als auch Folge eines tieferen lich höher als bei jüngeren Hörbeeinträchtigten: Bei Personen ab sozioökonomischen Status sein. 75 Jahren tragen über zwei Drittel der Hörbeeinträchtigten ein Wird die Bevölkerung nach Migrationshintergrund differen- Hörgerät, und die Prävalenz einer funktionalen Hörbeeinträchti- ziert, so unterscheidet sich die Prävalenz sensorischer Beein- gung fällt als Folge fast nur noch halb so gross aus wie die Prä- trächtigung ebenfalls. Deutlich häufiger als bei Personen ohne valenz einer medizinischen Hörbeeinträchtigung. Migrationshintergrund finden sich alle drei Formen sensorischer Im untersuchten 25-jährigen Zeitraum hat die Verbreitung von Beeinträchtigung bei der ersten Migrationsgeneration aus Süd- Hörgeräten stark zugenommen. Unter Rentnerinnen und Rent- westeuropa, aus Ost- und Südosteuropa sowie aus nicht-europä- nern hat sich der Anteil Personen, die ein Hörgerät tragen, zwi- ischen Ländern. Hingegen sind bei der ersten Einwanderungsge- schen 1992 und 2017 beinahe verdoppelt (von 7,1 auf 13,8 Pro- neration aus Nord- und Westeuropa sowie bei der zweiten Gene- zent). Als Folge ist der Anteil an funktional hörbeeinträchtigten ration (unabhängig vom Herkunftsland der Eltern) kaum Unter- Rentnerinnen und Rentnern von 1992 bis 2017 um beinahe einen schiede zu den Prävalenzen von Personen ohne Migrationshinter- Drittel zurückgegangen. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung grund festzustellen. blieb die Prävalenz einer funktionalen Hörbeeinträchtigung so Auch die Versorgung mit Hörgeräten variiert in Abhängigkeit mehr oder weniger stabil bei rund 6 Prozent. Damit hat die im Zeit- der sozioökonomischen Merkmale. Der Anteil der Hörbeeinträch- verlauf verbesserte Versorgung mit Hörgeräten die durch die de- tigten mit einem Hörgerät ist umso geringer, je tiefer der sozio- mografische Alterung bedingte Zunahme der Hörbeeinträchti- ökonomische Status einer Gruppe ist. Sowohl beim Ausbildungs- gung in der Gesamtbevölkerung neutralisiert. niveau wie auch bei den Haushaltseinkommen beträgt die Diffe- renz zwischen der tiefsten und der höchsten Statusgruppe bei der Hörgeräte-Adoptionsrate jeweils rund 20 Prozentpunkte. Als Hör- und Sehbeeinträchtigungen und gesundheitliche Un- Folge zeigen sich die beobachteten sozioökonomischen Unter- gleichheit schiede in der Prävalenzrate bei der funktionalen Hörbeeinträch- tigung, d.h. den Hörschwierigkeiten, welche auch unter allfälliger Menschen mit geringeren sozialen und ökonomischen Ressour- Nutzung eines Hörgeräts bestehen, noch weiter verstärkt. Perso- cen verfügen tendenziell über eine schlechtere Gesundheit, wie nen mit tieferem sozialem Status leiden somit nicht nur häufiger zahlreiche Studien zu gesundheitlicher Ungleichheit belegen. So- unter einer sensorischen Beeinträchtigung, es erfolgt auch we- wohl bei der Prävalenz von Hör- und Sehbeeinträchtigungen als sentlich seltener eine Rehabilitation mittels eines Hörgeräts bei auch bei der Versorgung mit Hörgeräten besteht ein enger Zu- einer Hörbeeinträchtigung. sammenhang mit sozioökonomischen Merkmalen wie Ausbil- Die analysierten Daten erlauben keinen Aufschluss darüber, dung, Einkommen und Beruf. Gleiches gilt für den mit sozioöko- was die spezifischen Gründe sind, weshalb eine hörbeeinträch- nomischen Merkmalen assoziierten, aber nicht darauf reduzierba- tigte Person kein Hörgerät trägt. Personen können aus finanziel- ren Migrationsstatus, v.a. wenn dieser differenziert aufgeschlüs- len oder anderen Gründen auf das Tragen eines Hörgeräts ver- selt wird. HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ 5
ZUSAMMENFASSUNG zichten, und nicht alle Hörverluste sind gleich gut mit einem Hör- Personen mit Hörbeeinträchtigungen schätzen gegenüber Men- gerät behebbar. Möglicherweise ist bei Bevölkerungsgruppen mit schen mit Sehbeeinträchtigungen die Lebensqualität deutlich tieferem sozioökonomischem Status das Wissen über die Kos- häufiger als mangelhaft ein (+13,7 vs. +7,9 Prozentpunkte). Die- tenübernahme durch die Sozialversicherungen mangelhaft oder selbe Rangfolge zeigt sich auch bei den Indikatoren der psychi- es besteht eine geringere Sensibilisierung zur Wirksamkeit und schen Gesundheit und bei der selbsteingeschätzten allgemeinen dem Nutzen von Hörgeräten. Gesundheit. Hingegen berichten Personen mit Sehbeeinträchti- gungen häufiger von funktionalen Einschränkungen, insbeson- dere hinsichtlich grundlegender Alltagsaktivitäten. Diese gegen- Risikofaktoren sowie Zusammenhang mit psychischer Ge- läufigen Muster decken sich mit dem Argument, dass Hörverlust sundheit und Gedächtnis namentlich im Alter auf den ersten Blick als weniger gravierend erscheint als ein Sehverlust, da dieser funktional in der Regel we- Tabakkonsum, Diabetes und übermässige Lärmbelastung sind niger einschränkt. Jedoch erschwert eine Hörbeeinträchtigung wichtige etablierte Risikofaktoren für die Entwicklung von Hör- die Kommunikation stärker und wirkt sozial ausschliessend (Wall- und Sehbeeinträchtigungen. Wechselwirkungen und Zusammen- hagen, 2010; Wahl et al., 2013), was letztlich dem Wohlbefinden hänge, bei denen die genaue ursächliche Wirkung ungeklärt ist, stärker abträglich ist. bestehen u.a. mit Arthritis, Bluthochdruck, starkem Übergewicht Nicht alle Personen mit sensorischen Einschränkungen sind (Adipositas) oder Herzkreislauf-Erkrankungen. Die durchgeführ- im gleichen Ausmass von negativen Auswirkungen betroffen. Mo- ten Analysen der SGB widerspiegeln diese Befunde aus der Fach- derierend wirkt die Verfügbarkeit von sozialen und personalen literatur, auch wenn basierend auf Querschnittsdaten allein keine Ressourcen, die als Schutzfaktoren agieren können. So ist etwa gesicherten Aussagen zur Kausalität gemacht werden können. die Lebensqualität am wenigsten häufig beeinträchtigt bei jenen Mit einer starken beruflichen Lärmbelastung steigt die Wahr- Betroffenen mit einem hohen Niveau an sozialer Unterstützung, scheinlichkeit einer Hörbeeinträchtigung um +3,1 Prozentpunkte. Kontrollüberzeugung oder Resilienz. Das entsprechende Muster Bei der Sehbeeinträchtigung ist Diabetes der Faktor mit der gröss- zeigt sich bei allen drei Formen sensorischer Beeinträchtigung. ten Risikodifferenz (+3,0 Prozentpunkte). Bei der doppelten sen- sorischen Beeinträchtigung hebt sich keiner der untersuchten Faktoren klar von den anderen ab. Hohe Lasten für die gesamte Gesellschaft Psychische Einschränkungen sowie Gedächtnisprobleme tre- ten bei Personen mit einer sensorischen Beeinträchtigung deut- Kenntnisse der Kostenfolgen von Hör- und Sehbeeinträchtigun- lich häufiger auf als bei Personen mit intaktem Hör- und Sehver- gen sind nicht nur wichtig zum Verständnis derer gesellschaftli- mögen – am stärksten bei Hörsehbeeinträchtigten, gefolgt von chen und volkswirtschaftlichen Relevanz, sondern auch zur Prio- Betroffenen mit einer Hörbeeinträchtigung und schliesslich am risierung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von entsprechen- wenigsten ausgeprägt, aber immer noch erhöht, bei Personen mit den Präventions- und Behandlungsmassnahmen. Die vorgenom- einer Sehbeeinträchtigung. Inwiefern sensorische Beeinträchti- mene Übernahme und Übertragung der Kostenschätzungen aus gungen kognitive Einschränkungen und Demenz fördern und be- anderen Studien und für andere Länder auf die Schweiz verdeut- schleunigen und was die genauen Mechanismen sind, bleibt Ge- licht die beträchtlichen gesamtgesellschaftlichen Lasten, welche genstand weiterer Forschungsbemühungen. durch Hör- und Sehbeeinträchtigungen ausgelöst werden. Insge- samt ist gemäss diesen Schätzungen von jährlichen Kosten in der Grössenordnung von rund 7 Milliarden Franken für Hörbeein- Einschränkungen im Alltag und Auswirkungen auf das Wohl- trächtigungen und von 3,8 bis 6,7 Milliarden Franken für Sehbe- befinden einträchtigungen auszugehen. Die immateriellen und indirekten Kosten in Form von wirtschaftlichen Produktivitätsverlusten, un- Seh- und Hörbeeinträchtigungen können tiefgreifende Folgen auf bezahlter Sorgearbeit von Angehörigen sowie verringerter Le- den Alltag der Betroffenen haben. Personen im Rentenalter mit bensqualität übersteigen dabei die direkten medizinischen Kos- einer sensorischen Beeinträchtigung berichten wesentlich häufi- ten um ein Vielfaches. ger, dass sie bei der Erledigung von instrumentellen und grundle- Im Zuge der fortschreitenden demografischen Alterung der genden Alltagsaktivitäten funktional eingeschränkt sind (IADL Gesellschaft ist für die Schweiz in zukünftigen Jahren von einem und ADL-Scores). Auch Stürze treten bei sensorisch beeinträch- weiteren Anstieg der Prävalenzen und so auch von den durch Hör- tigten Personen häufiger auf. und Sehbeeinträchtigung verursachten Kosten auszugehen. Gegenüber Personen mit intaktem Hör- und Sehvermögen be- Diese Kosten stellen jedoch keine unabänderlichen Grössen dar, urteilen Personen mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen zu deut- sondern sind mittels Prävention, Früherkennung, wirksamen Be- lich höheren Anteilen ihren Gesundheitszustand und ihre Lebens- handlungsmöglichkeiten und Rehabilitation (inklusive der breiten qualität als nicht gut. Dies trifft in besonderem Masse auf Perso- Verfügbarkeit von Hilfsmitteln wie Hörgeräten) beeinflussbar. Die nen mit doppelter sensorischer Beeinträchtigung zu, bei welchen negativen Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit und die Lebens- der entsprechende Anteil jeweils um +28,0 respektive +24,3 Pro- qualität können mit entsprechender Unterstützung der Betroffe- zentpunkte erhöht ist. Dies veranschaulicht eindrücklich die mit nen abgemildert werden. dieser doppelten Beeinträchtigung verbundene schwerwiegende Krankheitslast – auch im Vergleich zu Personen mit jeweils nur einer Hör- oder einer Sehbeeinträchtigung. 6 HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ
RÉSUMÉ Résumé Selon l’étude sur la charge globale de morbidité (Global Burden of Prévalence des déficiences auditives et visuelles en Suisse Disease Study, Vos et al. 2016), les handicaps sensoriels et en particulier les déficiences auditives et visuelles occupent la deu- Dans les pays à haut revenu comme la Suisse, la malvoyance est xième place des maladies à l’origine du plus grand nombre d’an- le plus souvent due à des maladies de l’œil qu’il n’est guère pos- nées vécues avec un handicap, tant dans le monde qu’en Suisse. sible de traiter, notamment la dégénérescence maculaire liée à Ces déficiences constituent un problème de santé majeur non l’âge (DMLA), le glaucome et la rétinopathie diabétique. Les seulement en raison de leurs conséquences pour les personnes formes les plus répandues de déficience auditive comprennent la qui en souffrent, mais aussi à cause de leur coût social. surdité précoce, la surdité liée à l’âge (presbyacousie) et les lé- Menée sur mandat de l’Observatoire suisse de la santé (Ob- sions auditives dues à des nuisances sonores excessives. On ap- san), la présente étude donne un aperçu systématique des défi- pelle surdicécité la déficience simultanée des organes de la vue ciences auditives et visuelles en Suisse d’un point de vue épidé- et de l’audition. La surdicécité est une forme de handicap à part miologique. Rassemblant les connaissances et les données exis- entière qui requiert une prise en charge spécifique. tantes, elle les soumet à une nouvelle analyse. Quelle est la pré- Selon l’enquête suisse sur la santé, la population suisse com- valence des déficiences auditives et visuelles au sein de la popu- prend 6,2% de personnes malvoyantes, soit des personnes qui lation suisse? La fréquence de handicaps sensoriels et la mise à éprouvent des difficultés à lire un livre ou un journal malgré le port disposition de moyens auxiliaires médicaux diffèrent-elles en de lunettes. Par ailleurs, 8,4% sont atteintes de troubles de l’audi- fonction du groupe de population? Quels sont les principaux fac- tion et ont du mal à suivre une conversation ordinaire ou portent teurs de risque, quelles corrélations existent entre ces déficiences un appareil auditif. Enfin, 1,2% de la population souffre à la fois de et d’autres maladies et quelles en sont les conséquences? À com- troubles de l’audition et de la vision. bien se chiffrent les coûts sociaux induits par les déficiences au- Avec l’âge, la prévalence des déficiences auditives et visuelles ditives et visuelles? L’étude fournit des réponses à ces interroga- ainsi que de la double déficience sensorielle s’accroît de plus en tions et à d’autres questions du même type et constitue une so- plus. Ce constat vaut en particulier pour les déficiences auditives: lide base d’informations pour les acteurs de la santé publique. un tiers des personnes de 75 ans ou plus sont malentendantes. Dans ce groupe d’âge, les problèmes auditifs touchent nettement plus souvent les hommes que les femmes et la tendance s’in- Méthode appliquée et base de données verse pour ce qui est des problèmes de vue. Quant à la surdicécité, aucune différence significative ne sé- L’étude repose pour l’essentiel sur l’analyse des données issues pare les deux sexes. Chez la majorité des personnes concernées, de l’enquête suisse sur la santé (ESS) que l’Office fédéral de la cette double déficience sensorielle n’apparaît qu’à un âge relative- statistique (OFS) réalise tous les cinq ans depuis 1992. Fort abon- ment avancé, de nouvelles déficiences venant parfois s’ajouter à dantes, les données disponibles permettent non seulement de dé- des problèmes préexistants. La prévalence de la surdicécité at- terminer des prévalences pour l’ensemble de la population et pour teint 4% parmi les personnes de 75 ans ou plus. certains groupes spécifiques, mais aussi de mettre en lumière di- Des études méthodologiques à ce sujet et la comparaison verses corrélations entre les déficiences auditives et visuelles et avec des observations audiométriques dans d’autres pays (de les facteurs de risque connus, les maladies concomitantes et les telles données n’étant pas disponibles pour la Suisse) suggèrent contraintes psychiques et sociales. que les résultats de l’ESS, qui reposent sur les déclarations des L’étude compare les résultats concernant les prévalences en personnes interrogées, sous-estiment l’aggravation de ces défi- Suisse avec ceux d’autres études et les valide par recoupements. ciences avec l’âge (du moins pour l’audition), de sorte que les taux Afin de mieux cerner le contexte et de compléter les résultats de de prévalence devraient en réalité s’avérer encore plus élevés l’analyse empirique, les auteurs ont procédé à une analyse systé- chez les personnes âgées. matique des publications suisses sur les déficiences auditives et À plus long terme, les observations portant sur les 25 der- visuelles, puis parachevé cette analyse en y incluant la littérature nières années montrent que les taux de prévalence des trois types spécialisée des pays voisins et des études internationales. de déficiences sensorielles ont augmenté dans l’ensemble de la population. La plus forte hausse a été enregistrée par la défi- cience auditive (+1,3 point de pourcentage). Cette augmentation HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ 7
RÉSUMÉ s’explique par le vieillissement démographique et donc par la pro- La probabilité qu’une personne sans formation postobligatoire portion croissante de personnes âgées au sein de la population soit malentendante est environ deux fois supérieure à celle d’une totale. personne diplômée du degré tertiaire (haute école ou formation professionnelle supérieure). Le risque de déficience visuelle est presque trois fois plus élevé et la probabilité d’une double défi- Progrès dans la mise à disposition d’appareils auditifs cience sensorielle s’accroît encore plus fortement en termes rela- tifs. La situation est analogue si l’on considère le revenu du mé- Lorsque la perte de l’ouïe est diagnostiquée par un spécialiste, nage: plus ce revenu est bas, plus la fréquence d’une déficience l’AVS et l’AI versent un montant forfaitaire pour l’acquisition d’ap- sensorielle est élevée. pareils auditifs. Dans de nombreux cas, ces appareils permettent Pour ce qui est des professions, la probabilité d’une déficience aux personnes concernées de mieux entendre et de mieux com- auditive est plus de trois fois supérieure chez les personnes exer- prendre à nouveau. Sur les 8,4% de personnes malentendantes au çant une activité non qualifiée que chez les cadres ou les univer- sein de la population suisse, 5,5% seulement souffrent aussi d’une sitaires et le risque de déficience visuelle demeure presque deux déficience fonctionnelle, c’est-à-dire qu’elles ont des difficultés à fois plus élevé. La prévalence de la déficience auditive s’avère par- entendre même en cas de recours à un appareil auditif, soit parce ticulièrement élevée chez les professionnels de l’agriculture et de qu’elles ne le portent pas, soit parce que celui-ci ne remédie qu’in- la sylviculture. Dans leur cas, les risques liés au statut socio-éco- suffisamment, voire pas du tout, à la déficience auditive. nomique s’ajoutent probablement aux risques inhérents à la pro- En Suisse, un peu moins de la moitié des personnes malen- fession (exposition à des nuisances sonores). En chiffres absolus, tendantes portent un appareil auditif. En comparaison internatio- la surdité professionnelle représente la plus grande partie des ma- nale, cette proportion (également appelée taux d’adoption ou ladies professionnelles reconnues par l’assurance-accidents. d’utilisation d’appareils auditifs) est supérieure à la moyenne. En Pour expliquer le lien étroit entre statut socio-économique et dé- Europe, seuls le Danemark, la Suède et le Royaume-Uni affichent ficiences sensorielles, la littérature spécialisée avance l’existence un taux d’utilisation plus élevé (AEA et al., 2020). Ce taux est sen- d’interactions complexes entre de multiples facteurs. Une défi- siblement plus élevé chez les personnes malentendantes plus cience sensorielle peut ainsi être à la fois la cause et la consé- âgées que chez les jeunes: dans le groupe des 75 ans ou plus, quence d’un statut socio-économique inférieur. plus de deux tiers des personnes malentendantes portent un ap- La prévalence des déficiences sensorielles diffère également pareil auditif, de sorte que la prévalence d’une déficience auditive si l’on distingue les groupes de population selon leur origine mi- fonctionnelle est presque deux fois moins élevée que la préva- gratoire. Les trois formes de déficience sensorielle sont nette- lence globale. ment plus fréquentes chez les immigrés de première génération Durant la période étudiée, qui s’étend sur 25 ans, l’usage d’ap- originaires d’Europe du Sud-Ouest, d’Europe de l’Est et du Sud-Est pareils auditifs s’est largement répandu. Parmi les personnes à la et de pays non européens que chez les personnes non issues de retraite, la proportion de celles qui portent un appareil a pratique- l’immigration. Les prévalences ne diffèrent en revanchent guère ment doublé entre 1992 et 2017, passant de 7,1 à 13,8%. En con- entre les immigrés de première génération venus d’Europe du séquence, la part de personnes à la retraite souffrant d’une défi- Nord et de l’Ouest, les immigrés de deuxième génération (quel que cience auditive fonctionnelle a diminué de près d’un tiers durant soit le pays d’origine des parents) et les personnes non issues de cette période. Par rapport à l’ensemble de la population, la préva- l’immigration. lence de cette forme de déficience est ainsi restée plus ou moins Le recours aux appareils auditifs varie également en fonction stable et continue d’avoisiner 6%. Les progrès réalisés au fil du de caractéristiques socio-économiques. Plus le statut socio-éco- temps dans la mise à disposition d’appareils auditifs ont donc nomique d’un groupe est bas, plus la proportion de personnes compensé la hausse, induite par le vieillissement démographique, malentendantes équipées d’un appareil auditif est faible. Que ce de la prévalence des déficiences auditives au sein de l’ensemble soit pour le niveau de formation ou le revenu des ménages, le taux de la population. d’utilisation d’appareils auditifs affiche un écart d’environ 20 points de pourcentage entre le groupe au statut le plus bas et le groupe au statut le plus élevé. Par conséquent, on observe des Déficiences auditives et visuelles et inégalités en matière de différences socio-économiques encore plus marquées dans le santé taux de prévalence de la déficience auditive fonctionnelle, c’est-à- dire des difficultés à entendre qui persistent même en cas d’utili- Comme le montrent de nombreuses études sur les inégalités en sation d’un appareil auditif. Les personnes de statut social infé- matière de santé, les personnes disposant de ressources sociales rieur sont donc moins bien loties à double titre: elles souffrent et économiques limitées tendent à être en moins bonne santé. Or, plus souvent d’une déficience sensorielle et bénéficient plus rare- tant la prévalence des déficiences auditives et visuelles que la ment de l’effet positif d’un appareil en cas de déficience auditive. mise à disposition d’appareils auditifs sont étroitement liées à des Les données analysées ne permettent pas de connaître les caractéristiques socio-économiques telles que la formation, le re- raisons spécifiques qui amènent une personne malentendante à venu et la profession. Le même constat vaut pour le statut migra- ne pas porter d’appareil auditif. Ces raisons peuvent être d’ordre toire, associé aux caractéristiques socio-économiques mais non financier. De plus, un appareil auditif n’offre pas la même effica- réductible à celles-ci, surtout lorsqu’il est considéré de manière cité face à toutes les pertes d’audition. Il est en outre possible que nuancée. les groupes de population au statut socio-économique inférieur 8 HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ
RÉSUMÉ ne possèdent pas d’informations suffisantes sur la prise en Les personnes atteintes d’une déficience auditive sont nettement charge des coûts par les assurances sociales ou qu’ils soient plus nombreuses que celles atteintes d’une déficience visuelle à moins sensibilisés à l’efficacité et à l’utilité des appareils auditifs. estimer que leur qualité de vie est médiocre (+13,7 contre +7,9 points de pourcentage). Le classement est le même dans l’auto-évaluation de la santé psychique et de l’état de santé géné- Facteurs de risque et lien avec la santé psychique et la mé- ral. Les personnes souffrant de déficiences visuelles font à l’in- moire verse plus souvent état de difficultés fonctionnelles, en particulier dans l’exécution d’activités quotidiennes de base. Ces observa- La consommation de tabac, le diabète et l’exposition à des nui- tions divergentes recoupent l’hypothèse selon laquelle les pertes sances sonores sont des facteurs de risque bien connus dans d’audition, notamment à un âge avancé, apparaissent de prime l’apparition de déficiences auditives et visuelles. Des interactions, abord moins graves que les pertes de la vue, car les premières dont le rapport cause à effet n’est toutefois pas connu, existent sont en général moins handicapantes sur le plan fonctionnel. Une notamment aussi avec l’arthrite, l’hypertension, l’obésité et les déficience auditive entrave cependant davantage la communica- maladies cardiovasculaires. Les analyses effectuées dans le tion et conduit à une exclusion sociale (Wallhagen, 2010; Wahl et cadre de l’ESS reflètent ces résultats issus de la littérature spécia- al., 2013), phénomène qui détériore davantage le bien-être. lisée, même si les données transversales ne permettent pas, à Les personnes souffrant de déficiences sensorielles n’éprou- elles seules, de tirer des conclusions définitives sur d’éventuels vent pas toutes les mêmes conséquences négatives. Les res- liens de causalité. Une forte exposition professionnelle au bruit sources sociales et personnelles tendent à atténuer ces consé- augmente la probabilité d’une déficience auditive de 3,1 points de quences et jouent le rôle de facteurs de protection. Les effets pourcentage. Dans le cas de la déficience visuelle, le diabète est d’une déficience sensorielle se répercutent ainsi le moins souvent le facteur qui engendre le plus fort accroissement du risque (+3,0 sur la qualité de vie de personnes qui disposent d’un fort soutien points de pourcentage). En ce qui concerne la double déficience social et d’une grande résilience et qui ont le sentiment de maîtri- sensorielle, aucun des facteurs étudiés ne se distingue clairement ser leur vie. Le même constat se retrouve pour les trois types de des autres. déficience sensorielle. Des troubles psychiques et des problèmes de mémoire sont nettement plus fréquents chez les personnes souffrant d’une dé- ficience sensorielle que chez celles dont l’ouïe et la vue sont in- Des coûts élevés pour l’ensemble de la société tactes. Les personnes les plus touchées sont celles souffrant de surdicécité; viennent ensuite les personnes atteintes d’une défi- Il est important de connaître les conséquences financières des cience auditive et, avec une fréquence moins grande mais néan- déficiences auditives et visuelles non seulement pour com- moins élevée, celles présentant une déficience visuelle. Quant à prendre leur impact sur la société et sur l’économie, mais aussi savoir dans quelle mesure les déficiences sensorielles favorisent pour définir des priorités et évaluer la rentabilité des mesures de et accélèrent l’apparition de troubles cognitifs et de démences et prévention et des traitements correspondants. La transposition à quels mécanismes sont en jeu, la question fait l’objet d’autres tra- la Suisse des estimations de coûts issues d’autres études et pro- vaux de recherche. venant d’autres pays, met en évidence la charge considérable que les déficiences auditives et visuelles font peser sur l’ensemble de la société. Selon ces estimations, les coûts annuels s’élèvent à Problèmes au quotidien et conséquences sur le bien-être quelque 7 milliards de francs pour les déficiences auditives et se situent entre 3,8 et 6,7 milliards de francs pour les déficiences vi- Les déficiences auditives ou visuelles peuvent entraver grave- suelles. Relevons que les coûts immatériels et indirects, sous ment le quotidien. Les personnes à la retraite souffrant d’une dé- forme de pertes de productivité économique, du travail d’assis- ficience sensorielle se disent considérablement plus souvent limi- tance non rémunéré des proches et de détérioration de la qualité tées dans l’exécution d’activités instrumentales et de base de la de vie, dépassent de loin les coûts médicaux directs. vie quotidienne (scores IADL et ADL). Les chutes sont également Compte tenu du vieillissement de la population, la prévalence plus fréquentes chez les personnes atteintes d’une déficience des déficiences auditives et visuelles continuera de s’accroître en sensorielle. Suisse et leurs coûts pourraient suivre la même évolution. L’aug- Comparées aux personnes dont l’ouïe et la vue sont intactes, mentation des coûts n’est toutefois pas inexorable. Il est en effet celles qui souffrent de troubles auditifs et visuels sont nettement possible d’exercer une influence sur leur montant à travers la pré- plus nombreuses à juger mauvais leur état de santé et médiocre vention, le dépistage précoce, des traitements efficaces et des leur qualité de vie. C’est plus spécialement le cas des personnes moyens de réadaptation (incluant une large mise à disposition présentant une double déficience sensorielle, chez qui les propor- d’appareils auditifs). Enfin, assurer une prise en charge adéquate tions sont respectivement de 28,0 et de 24,3 points de pourcen- aux personnes concernées permet d’atténuer les effets négatifs tage plus élevées. Ces résultats montrent clairement la lourde sur l’activité professionnelle et sur la qualité de vie. charge de morbidité associée à cette double déficience, même en comparaison avec des personnes ne souffrant que d’une défi- cience sensorielle (auditive ou visuelle). HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ 9
EINLEITUNG 1 Einleitung Augen und Ohren öffnen Menschen die Tür zur Welt und verschaf- durchgeführt wird. Diese reichhaltige Datengrundlage ermöglicht fen optische und akustische Eindrücke, welche die Orientierung es nicht nur, Prävalenzen für die Gesamtbevölkerung sowie diffe- und die Interaktion mit der Umwelt und anderen Menschen er- renziert nach soziodemografischen Merkmalen und für be- möglichen. Ist einer dieser Sinne (oder beide) beeinträchtigt, hat stimmte Personengruppen zu berechnen, sondern auch vielfäl- dies meist einschneidende Folgen für die Betroffenen. Menschen tige Zusammenhänge zwischen Hör- und Sehbeeinträchtigungen mit einer Beeinträchtigung der Sinnesorgane finden sich auf allen und bekannten Risikofaktoren, Begleiterkrankungen sowie psy- Altersstufen. Da Schwierigkeiten mit Hören und Sehen mit zuneh- chischen und sozialen Belastungen aufzuzeigen. mendem Alter häufiger werden, sind Hör- und Sehbeeinträchti- Die Ergebnisse zu den Prävalenzen für die Schweiz werden gungen unter der älteren Bevölkerung jedoch besonders weit ver- mit Zahlen aus anderen Studien kreuzvalidiert und diesen gegen- breitet. Defizite der Sinnesorgane, worunter primär Hör- und Seh- übergestellt. Ausführungen zu den verwendeten Daten und dem beeinträchtigungen fallen, stehen global wie auch in der Schweiz genauen Vorgehen bei den jeweils durchgeführten Analysen, u.a. an zweiter Stelle jener Krankheiten, welche die meisten durch zu den vorgenommenen statistischen Adjustierungen, finden sich Krankheit beeinträchtigten Lebensjahre (YLD, engl. years lived with jeweils direkt in den betreffenden Abschnitten. disability) verursachen (Vos et al., 2016). Für Menschen mit einer Zur Kontextualisierung und Ergänzung der Ergebnisse der Hör- oder Sehbeeinträchtigung ist entscheidend, dass sie trotz empirischen Analysen wurde eine systematische Literaturrecher- teilweisen oder vollständigen Ausfalls eines Sinnes (oder beider) che zu Schweizer Publikationen zu Hör- und Sehbeeinträchtigun- ein möglichst wenig eingeschränktes, selbstbestimmtes und gen durchgeführt und mit relevanter Literatur aus den Nachbar- selbständiges Leben führen können – sei dies in der Ausbildung, ländern und internationalen Studien ergänzt. Ausführlichere Infor- in der Berufswelt oder im Privaten –, und dass sie bei Bedarf auf mationen zum genauen diesbezüglichen Vorgehen finden sich im wirksame Unterstützung zählen können. Anhang 8.2. Die vorliegende, im Auftrag des Schweizerischen Gesund- heitsobservatorium (Obsan) erstellte Studie bietet eine systema- tische Übersicht zu Hör- und Sehbeeinträchtigung in der Schweiz Aufbau des Berichts aus einer epidemiologischen Perspektive. Sie trägt bestehende Wissens- und Datengrundlagen zusammen und analysiert letz- Seh- und Hörbeeinträchtigungen haben vielfältige Ursachen und tere neu. Wie verbreitet sind Hör- und Sehbeeinträchtigungen in manifestieren sich bei Betroffenen unterschiedlich. Abschnitt 2 der Schweizer Bevölkerung? Wie unterscheiden sich die Häufig- bietet einen einführenden Überblick zu den verschiedenen Krank- keit sensorischer Beeinträchtigungen und die Versorgung mit me- heitsbildern, Formen und Ausprägungen von Beeinträchtigungen dizinischen Hilfsmitteln zwischen einzelnen Bevölkerungsgrup- des Hör- und Sehvermögens. Eine vertiefte epidemiologische Be- pen? Was sind die wichtigsten Risikofaktoren? Welche Zusam- trachtung von Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz er- menhänge mit weiteren Begleiterkrankungen sowie sozialen und folgt in Abschnitt 3. Es wird aufgezeigt, wie häufig Hör- und Seh- psychischen Belastungen bestehen? Wie hoch sind die gesamt- beeinträchtigungen sowie die kombinierte Form einer Hörsehbe- gesellschaftlichen Kosten, die durch Hör- und Sehbeeinträchti- einträchtigung in der Gesamtbevölkerung vorkommen und wie gungen verursacht werden? Die Studie liefert Antworten auf diese sich die Prävalenzen nach soziodemografischen Merkmalen so- und ähnliche Fragen und dient damit als umfassende Informati- wie zwischen Bevölkerungsgruppen mit verschiedenem sozialem onsgrundlage für die öffentliche Gesundheit. Die Studie richtet Status und in Abhängigkeit eines Migrationshintergrunds unter- sich an Fachpersonen, an Entscheidungsträgerinnen und -träger scheiden. Betrachtet wird ebenfalls die Versorgung mit Hörgerä- sowie an ein breiteres interessiertes Publikum. ten sowie die Entwicklung im langfristigen Zeitverlauf. In Ab- schnitt 4 werden die wichtigsten Risikofaktoren, häufige Be- gleiterkrankungen und die weiteren gesundheitlichen, psychi- Methodisches Vorgehen schen und sozialen Belastungen im Zusammenhang mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen dargelegt. Abschnitt 5 beschäftigt sich Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Analyse der Daten der mit den gesamtgesellschaftlichen Kosten, die Hör- und Sehbeein- Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB), die seit 1992 re- trächtigung verursachen, und in Abschnitt 6 wird ein abschlies- gelmässig alle fünf Jahre vom Bundesamt für Statistik (BFS) sendes Fazit gezogen. 10 HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ
HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN AUS MEDIZINISCHER SICHT 2 Hör- und Sehbeeinträchtigungen aus medizinischer Sicht Hören und Sehen sind zentrale Sinne für die Interaktion mit den In Westeuropa sind dauerhafte Sehminderungen hingegen häufi- Mitmenschen, für die Orientierungsfähigkeit und die Aufnahme ger auf Erkrankungen zurückzuführen, die nicht oder nur teilweise von Informationen. Auch bei regulärem Hör- und Sehvermögen therapierbar sind, namentlich die Altersbedingte Makuladegene- unterstützen und ergänzen sich diese beiden Sinne; bei kurzzeiti- ration (AMD), der Grüne Star (Glaukom) und die diabetische Re- ger oder dauerhafter Beeinträchtigung des Hörens oder Sehens tinopathie (RKI, 2017; Bourne et al., 2018): spielt die Kompensation mit dem jeweils anderen Sinn eine wich- Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine Netz- tige Rolle (Spring & Bartelt, 2017). Einschränkungen des Seh- und hauterkrankung, bei der es zunehmend zum Verlust visueller Hörvermögens können sich unabhängig vom Schweregrad des Informationen in der Mitte des Gesichtsfelds kommt. Im Spät- Sinnesverlustes individuell sehr unterschiedlich auf die Lebenssi- stadium der Erkrankung werden zwei Formen von AMD unter- tuation der Betroffenen auswirken. Der persönliche Umgang mit schieden: Bei der trockenen Form kommt es zum Absterben einer Seh- oder Hörschädigung, das Alter, die vorhandenen Unter- von Netzhautzellen und einem langsam voranschreitenden stützungsangebote und die Anpassungen der Umwelt an die ei- Sehverlust; für sie gibt es keine medizinische Behandlungs- genen Bedürfnisse sind entscheidend dafür, in welchem Masse möglichkeit. Die feuchte AMD ist durch krankhafte Gefäss- neubildungen und Flüssigkeitsansammlungen in der Netz- Beeinträchtigungen – verstanden als die physischen, psychi- hautmitte gekennzeichnet. Sie verläuft schneller, kann aber schen und psychosozialen Folgen eines Seh- oder Hörverlusts – mit therapeutischen Massnahmen verlangsamt werden als behindernd erlebt werden. Behinderungen entstehen in der (Heussler et al., 2016; RKI, 2017; Mitchell et al., 2018). Wechselwirkung zwischen Person und Umfeld: Personen sind in der Ausübung von Aktivitäten eingeschränkt und werden gleich- Die diabetische Retinopathie ist eine Erkrankung der Netz- haut als Folge von Diabetes Mellitus. Zu Beginn bleibt sie zeitig durch die Umgebungsbedingungen und das Umfeld behin- symptomlos, in fortgeschrittenen Stadien kommt es zu einer dert (Heussler et al., 2016; Spring & Bartelt, 2017; Seibl, 2019). Verschlechterung der Sehschärfe bis hin zur Erblindung. Stu- Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick zu den ver- dien aus Deutschland zeigen, dass zwischen 14 und 20 Pro- schiedenen Formen und Ausprägungen von Beeinträchtigungen zent der Diabetikerinnen und Diabetiker an einer Retinopathie des Hör- und Sehvermögens. leiden (RKI, 2017; Raum et al., 2015). Risikofaktoren für die Entstehung einer diabetischen Retinopathie sind u.a. eine schlechte Einstellung des Blutzuckers, hoher Blutdruck und 2.1 Sehbeeinträchtigungen und Blindheit Übergewicht (Shukla & Tripathy, 2021). Mit einer frühzeitigen Diagnose kann das Fortschreiten der Erkrankung verlang- Beeinträchtigungen des Sehvermögens sind meist auf Augener- samt oder zum Stillstand gebracht werden, eine Heilung gibt krankungen oder Fehlfunktion der Sehorgane zurückzuführen. es derzeit nicht (Heussler et al., 2016; RKI, 2017). Viele dieser Augenkrankheiten sind gut behandelbar und die Beim Grünen Star (Glaukom) sterben die Fasern des Seh- Chancen auf den Erhalt der Sehfähigkeit daher stark von der Ver- nervs allmählich ab, und unbehandelt führt die Krankheit zu sorgungssituation abhängig: Aufgrund fehlender Behandlungs- irreversiblen Einschränkungen im Gesichtsfeld («Röhren- möglichkeiten und mangelndem Zugang zu Sehhilfen ist die Prä- blick») bis hin zur vollständigen Erblindung. Das Glaukom ist valenz von Sehbeeinträchtigungen in ärmeren Ländern rund vier- häufig mit einem erhöhten Augeninnendruck verknüpft. Bei mal so hoch wie in Westeuropa oder Nordamerika (WHO, 2021c). frühzeitiger Behandlung (Augentropfen, Lasereingriff, Opera- So gehören unkorrigierte Refraktionsfehler (Weit- und Kurzsich- tion) lässt sich der Verlauf der Krankheit jedoch aufhalten tigkeit) oder der Graue Star (Katarakt), der sich operativ meist gut (Heussler et al., 2016; RKI, 2017). behandeln lässt,1 weltweit zu den häufigsten Erblindungsursa- chen. 1 Beim Katarakt wird die Augenlinse trüb, die Betroffenen haben ein ver- Schleier. Mit dem Ersatz der trüben Augenlinse durch eine Kunstlinse stärktes Blendungsempfinden und sehen alles wie durch einen grauen kann das Sehvermögen meist wiederhergestellt werden. HÖR- UND SEHBEEINTRÄCHTIGUNGEN IN DER SCHWEIZ 11
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