100 Jahre BAUKADER SCHWEIZ 1911-2011
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BAUKADER SCHWEIZ CADRES DE LA CONSTRUCTION SUISSE QUADRI DELL’ EDILIZIA SVIZZERA CADERS DA CONSTRUCZIUN SVIZRA JAHRE ANS ANNI ONS 100 Jahre BAUKADER SCHWEIZ 1911–2011
BAUKADER SCHWEIZ CADRES DE LA CONSTRUCTION SUISSE QUADRI DELL’ EDILIZIA SVIZZERA CADERS DA CONSTRUCZIUN SVIZRA JAHRE ANS ANNI ONS «Für mich ist der Verband ein Netzwerk gemeinsamer Interessen auf hohem Niveau» Bernhard Schlegel, Präsident Sektion Seeland
Inhaltsverzeichnis 3 5 Grussbotschaft Adrian Hässig Zentralpräsident von Baukader Schweiz 6 Grusswort Dr. Ursula Renold Direktorin Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT 7 Grusswort NR Werner Messmer Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands 8 Grusswort Prof. Dr. Gerhard Grimscheid Institut Bau&Infrastrukturmanagement, ETH Zürich 9 Grusswort Dr. René Furler Vorsitzender der Direktion der HG COMMERCIALE 11 Hundert Jahre Baukaderverband – eine Erfolgsgeschichte 17 1911: Gründung des Schweizerischen Polierverbandes 37 Chronologie der Verbandsgeschichte in 100 Jahren 57 Highlights der Schweizer Baukader 1910 bis 1975 61 Highlights Verbandsgeschichte ab 1975 bis heute 65 Denkwürdiges und Kurioses 67 Fit für die Zukunft oder «Baukader Schweiz, dein Karrierepartner» 69 Baukader Schweiz Jetzt beitreten! 72 Impressum
Grussbotschaft Adrian Hässig, Zentralpräsident von Baukader Schweiz Geschätzte mitfeiernde Kolleginnen und Kollegen 5 Geschätzte Mitfeiernde aus Partnerorganisationen, Baufachschulen, Unternehmungen und Behörden Geschätzte mitfeiernde Sponsoren von Baukader Schweiz Geschätzte mitfeiernde Leserinnen und Leser Vor mir haben schon sehr viele kompetente der jeweiligen konkreten politischen, gesell- Zentralpräsidenten die erfolgreichen Geschicke schaftlichen und wirtschaftlich bedingten Um- der nun hundertjährigen Berufsorganisation setzungen dieser Eckpfeiler ernten. So freuen Baukader Schweiz geprägt und auch einige wir uns über die gemeinsame verlässliche So- Fährnisse gemeistert. Aber keinem von ihnen zialpartnerschaft mit dem Baumeisterverband ist es vergönnt gewesen wie mir nun, den hun- sowohl in Verhandlungen wie auch in gemein- dertsten Geburtstag unserer Organisation der samen Angeboten für die optimale berufliche Schweizer Baukader zusammen mit Ihnen allen Kompetenz und Weiterbildung der Baukader. feiern zu dürfen. Damals und auch heute ist es wichtig, ge- Ohne Zweifel gibt es in diesen hundert Jah- meinsam unsere Interessen zu vertreten und ren einige Eckpfeiler, die im Baukaderverband tragfähige Netzwerke aufzubauen. Auch die von allem Anfang bis heute und auch in Zu- Weiterbildung ist angesichts des technologi- kunft von hoher Wichtigkeit geblieben sind schen Wandels in der Bauwirtschaft auch heute und bleiben werden. Das «Verdienst» des Bau- von höchster Bedeutung geblieben. kaderverbands ist im Grunde einfach begrün- Ich denke, wir dürfen der Zukunft ruhig ent- det: Diese Eckpfeiler den Notwendigkeiten der gegenblicken. Allerdings sehen wir uns mit jeweiligen Zeit anzupassen und sie rechtzeitig Themen wie Globalisierung, Wirtschaftskrisen, zu erkennen zum Wohl unserer Mitglieder. Technologiewandel, neuen Werkstoffen, Bau- Zur Zeit der Gründung des Baukaderver- methoden und ökologischen Herausforderun- bands hiessen diese Eckpfeiler Förderung der gen konfrontiert. Kontakte der Baukader untereinander, die Ka- Doch wenn wir unseren Eckpfeilern treu blei- meradschaft und den Erfahrungsaustausch zu ben, uns den jeweiligen Veränderungen an- fördern, die soziale Stellung der Poliere zu fes- passen in einer effizienten und kostenbewuss- tigen durch gute Beziehungen mit dem Bau- ten, schlanken Organisation, werden wir alle, meisterverband. Sehr schnell wurde als weiterer wenn auch um einiges gealtert, mit jungen Eckpfeiler die Aus- und Weiterbildung erkannt Kräften zusammen den125. erfolgreichen Ge- zur Bewältigung von Berufsaufgaben, die stetig burtstag feiern können. wuchsen. Da es damals keine institutionelle Nun wünsche ich aber allen ein denkwürdi- Aus- und Weiterbildung gab, organisierten die ges rauschendes Geburtsfest zum 100-jährigen Poliervereine Vorträge, Kurse, Fach-Bibliothe- Bestehen mit uns zu feiern. ken und fachliche Diskussionen. Immer wieder konnte der Baukaderverband und kann heute Baukader Schweiz die Früchte Grussbotschaften
Grusswort Dr. Ursula Renold, Direktorin Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT 6 Berufsbildung baut Kader steht. Somit besitzen die Arbeitskräfte stets die Das Bauen gestaltet und prägt wie keine an- am Markt geforderten Berufsqualifikationen dere Tätigkeit das Leben, Arbeiten und die Na- und können jederzeit flexibel eingesetzt wer- tur der Schweiz. Fast sechs Prozent der ge- den. samtwirtschaftlichen Wertschöpfung werden im Bausektor erwirtschaftet. Der Zustand des Gut ausgebildete Arbeitskräfte sind seit jeher Bauwerks Schweiz hat somit unmittelbaren Ein- ein bedeutender Wirtschaftsfaktor der Schweiz. fluss auf Wohlstand, Wohlbefinden und Wirt- Dank ihnen gehören wir zu den führenden schaftlichkeit der Schweizer Bevölkerung. In Wirtschaftsnationen. Diese Spitzenposition ver- diesem komplexen Umfeld, sind Klimawandel, danken wir nicht zuletzt Partnern wie Baukader Abhängigkeit von endlichen Energieträgern, Schweiz als Berufsverband, der sich zusammen Sanierungsbedarf von Bauten sowie Ansprüche mit seinen 4300 Mitgliedern seit 100 Jahren an Mobilität und Infrastruktur nur einige der professionell und motiviert für die Ausbildung Herausforderungen, die es für die Baubranche von qualifizierten Kaderleuten und ausgewie- zu meistern gilt. Wichtig dabei ist, Berufe und senen Führungspersönlichkeiten in der Bau- ausgebildete Fachleute so weiter zu entwickeln, branche einsetzt. dass Bauarbeiten, Renovationen oder Sanie- rungen stets auf dem neusten Stand der Tech- nik ausgeführt werden können. Auf diesem Weg ist ein breitgefächertes, durch- lässiges Berufsbildungssystem mit vielfältigen Lernchancen von zentraler Bedeutung. Es ist die Grundlage dafür, dass die Baubranche auch in Zukunft über qualifizierte Fachkräfte verfügt und sich ihren Standortvorteil im internationa- len Wettbewerb sichern kann. Mit Lernen und Arbeiten im Betrieb sowie theoretischem Un- terricht in der Berufsfachschule bietet das duale System den direkten Bezug zur Arbeitswelt. Talentierten Jugendlichen ebnet die Berufsma- turität den Weg zu einem Fachhochschulstu- dium. Die höhere Berufsbildung führt sie zu Abschlüssen, die sie für anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben qualifizieren und am Markt höchste Anerkennung geniessen. Aus- gebildet wird auf jeder Bildungsstufe praxisnah und dort, wo ein Bedarf an Fachkräften be-
Grusswort NR Werner Messmer, Zentralpräsident des Schweizeri- schen Baumeisterverbands An die Mitglieder von Baukader Schweiz sowie qualitativ korrekt zu bauen, braucht es 7 Organisationen der Wirtschaftswelt sind mehr Kader, also Führungsgehilfen, welche instruie- als andere dazu aufgerufen, mit wachem Auge ren, anordnen, überwachen, korrigieren und und hoher Sensibilität die Entwicklungen im erst noch ihren eigenen Beitrag zur produktiven Umfeld und den Rahmenbedingungen der Bauleistung erbringen. wirtschaftlichen Tätigkeit wahrzunehmen, die Auswirkungen zu analysieren und Schlussfol- Dafür gebührt allen Kadermitarbeitenden, vor gerungen für das eigene Verhalten und die ei- allem aber den Mitgliedern von Baukader gene Politik zu ziehen. Dass Baukader Schweiz Schweiz ein aufrichtiger Dank der Baumeister. sein 100-Jahr-Jubiläum feiern kann, deutet da- Die Bauführer und Poliere sind in der Lage, ihre rauf hin, dass es dieser Kaderorganisation in anforderungsreiche Aufgabe wahrzunehmen, der Vergangenheit gelungen ist, dieser Auf- weil sie in den Schulen sorgfältig dafür ausge- gabe gerecht zu werden und sich den Heraus- bildet werden, ihre eigene Praxiserfahrung mit- forderungen der jeweiligen Zeit zu stellen. Bau- bringen und zu nutzen wissen und sich durch kader Schweiz agiert heute als anerkannter Weiterbildung auf dem Stand des Wissens hal- und respektierter Partner und trägt mit der of- ten. Gerade in der Weiterbildung spielt Bau- fenen und kooperativen Haltung dazu bei, im kader Schweiz eine geschätzte Rolle, indem ei- Bauhauptgewerbe tragbare und praktikable gene Weiterbildungen angeboten werden, die Lösungen zu finden. Dafür gebührt Baukader von den Mitgliedern auch gut angenommen Schweiz und seinen Führungsverantwortlichen werden. Dafür gebührt Baukader Schweiz und der Dank nicht nur seiner Mitglieder, sondern seinen Mitgliedern ein weiterer grosser Dank. auch des Schweizerischen Baumeisterverbands als Vertragspartner. Organisationen sind wie Organismen: Wenn sie sich nicht bewegen, rosten oder verkalken Das Bauhauptgewerbe hat wie viele andere sie. Der SBV hofft, Baukader Schweiz sei auch Branchen auch in den letzten 30 - 40 Jahren in Zukunft in der Lage, die Zeichen der Zeit zu fundamentale Änderungen erfahren. Diese ha- erkennen und sich den wandelnden Bedürf- ben sich nicht nur auf das Tempo der Baupro- nissen der Wirtschaftswelt anzupassen. Er rech- zesse, sondern auch auf die Mechanisierung net mit einem weiterhin kooperativen, zuver- und die Qualifikation der Mitarbeitenden dra- lässigen, für die Herausforderungen und matisch ausgewirkt. Zusätzlich gilt es, neue Probleme der Branche offenen Partner. Dann stets steigende Anforderungen des Umwelt- steht einer Fortsetzung der bisherigen sachli- schutzes und der Energiepolitik zu erfüllen. chen und fruchtbaren Zusammenarbeit aus Und schliesslich verlangen auch Arbeitssicher- Sicht des SBV nichts im Wege. Wir freuen uns heit und Gesundheitsschutz Massnahmen, die darauf. situationsgerecht, verständlich und vollziehbar sind. Um unter diesen Voraussetzungen und oft schwierigen Verhältnissen auf den Baustel- len erfolgreich, d.h. zeit- und budgetgerecht Grussbotschaften
Grusswort Prof. Dr. Gerhard Grim- scheid, Institut Bau&Infrastruktur- management, ETH Zürich 8 Ich gratuliere dem Verband Baukader Leistung und Kosten. Um dies umzusetzen, muss Schweiz zum 100-jährigen Bestehen. das Baukader seine Managementfähigkeiten in Die Mitglieder des Verbandes Baukader der Zusammenarbeit als Team erlernen. Schweiz bilden mit ihren Führungskräften in So muss der Baumeister mit seinen Polieren den verschiedenen Organisationsstufen wie den Wochenplan im Team erstellen. Der Polier Bauleiter, Bauführer, Baumeister und Poliere muss diese Soll-Vorgaben mit seiner Arbeits- das Rückgrat für den Erfolg der Schweizer Bau- gruppe als Team motiviert umsetzen. Der Bau- wirtschaft. meister muss seine Poliere anleiten, Tagesar- beitsprogramme zu erstellen. Der Polier muss Erfolg heisst heute einerseits, dass eine qualifi- wiederum mit seiner Gruppe jeden Tag überle- zierte fachliche Leistung erbracht wird und an- gen, wie die Arbeit effizienter erledigt werden dererseits, dass die Leistung effizient und kos- kann, welche Arbeiten am nächsten Tag anste- tengünstig erbracht wird. Der Erfolg kann nur hen und welches Material dafür benötigt wird.. längerfristig durch die Kundenzufriedenheit si- chergestellt werden. Die Anforderungen an das Das Baukader ist verantwortlich, die richtige, Baukader sind in den letzten Jahren enorm ge- nach Vertrag geforderte Qualität direkt und stiegen und werden in Zukunft weiter steigen. ohne Nachbesserung herzustellen. Qualitäts- management während der Herstellung ist Nicht nur der beste Handwerker wird in Zu- heute neben Termin- und Kostenmanagement kunft Polier, Baumeister oder Bauführer, son- unabdingbar, um zum qualifizierten Baukader dern derjenige, der auch managen und führen zu gehören. kann. Die heutigen Anforderungen verlangen eine systematische Arbeitsvorbereitung auf Ta- Die Aus- und Weiterbildung des Baukaders ist ges- und Wochenbasis. Das ist aber bei vielen dabei ganz wichtig. Wir haben im Baukader Unternehmen die Schwachstelle. Die Baustelle gute Leute – wir müssen sie nur gezielt weiter- wird abends verlassen, ohne Vorüberlegungen bilden. Das Ausbildungszentrum Sursee bietet anzustellen, welche Arbeiten am nächsten Tag u.a. dazu Möglichkeiten. Die ETH Zürich bietet qualitativ und quantitativ durchgeführt werden darüber hinaus für Bauführer, Baustellenchefs müssen. sowie Abteilungs- und Bereichsleiter in mittle- ren und grösseren Firmen sowie Firmenchefs Bei vielen Handwerksbetrieben fehlt eine Wo- von KMUs Fortbildung im Bauunternehmens- chen- und Tagesarbeitsvorbereitung. Oft konnte management an. ich feststellen, dass die Arbeitsgruppen eintrafen und nach zwei Stunden der erste Handyanruf Ich bin zuversichtlich, dass sich unsere Bau- zum Bauhof gemacht wurde, weil irgendwelche wirtschaft auf der Basis eines qualifizierten Bau- Handwerkzeuge oder Material fehlten. kaders erfolgreich weiterentwickelt. Denn die Eine systematische Arbeitsvorbereitung vom Bauwirtschaft ist zentral für unsere Gesell- Baumeister bis zum Polier ermöglicht Soll-Leis- schaft, da wir die Infrastrukturen für unsere tungsvorgaben und somit ein Controlling der Bürger erstellen.
Grusswort Dr. René Furler, Vorsitzender der Direktion der HG COMMERCIALE Die Kader auf dem Bau haben enorm vielfältige Zudem haben wir uns seit der Gründung im 9 Aufgaben zu erfüllen und stehen dabei gegen- Gleichschritt entwickelt. Wir sind beide stetig über mehreren Partnern in der Verantwortung. und gesund gewachsen, und sowohl Baukader Der Bauherr erwartet eine qualitativ einwand- Schweiz wie auch die HGC haben sich dem freie und termingerechte Bauleistung. Der Ar- Wandel der Zeit angepasst und sich gegenüber beitgeber des Poliers, der Unternehmer, ver- anderen Sparten der Baubranche geöffnet. langt wirtschaftliches und kostenbewusstes Denken und Handeln. Die Mitarbeiter auf der Diese Verbundenheit mit Baukader Schweiz Baustelle vertrauen darauf, dass die Vorausset- wollen wir auch in Zukunft pflegen und vertie- zungen für ein sicheres und zügiges Arbeiten fen. Als Genossenschaft sind wir überzeugt geschaffen sind und sie bei Fragen eine kom- von der Idee, dass man gemeinsam mehr er- petente Antwort erhalten. Der Polier agiert hier reichen kann als alleine. als Coach einer anspruchsvollen, multikulturel- Wir freuen uns, wenn wir als Partner unsere len Mannschaft. anspruchsvolle und kreative Branche weiter- Die Baukader müssen sich über jede neue Ent- bringen können und wünschen dem Verband wicklung in der Bautechnik auf dem Laufenden eine erfolgreiche Zukunft. halten und sind mit weiteren Anforderungen wie Umweltschutz, Bauvorschriften und vielem mehr konfrontiert. Hierzulande wird in einer vorbildlichen Qualität gebaut. Baukader Schweiz darf einen grossen Anteil dieses Erfolges für sich beanspruchen. Von seinen zahlreichen Dienstleistungen profi- tieren nicht nur die Mitglieder. Sie strahlen auf die ganze Bauwirtschaft aus und fördern so- wohl das Knowhow als auch die Zusammen- arbeit auf dem Bau. Baukader Schweiz steht uns nahe – aus ver- schiedensten Gründen. Die Firmen der Mitglie- der des Verbandes sind zu einem grossen Teil Mitglieder der HGC. Wir sind täglich mit den Kadern auf den Baustellen und in den Büros unserer Kunden in Kontakt, sie sind unsere ers- ten Ansprechpartner. Wie die HGC setzt sich Baukader Schweiz für die Ausbildung im Schweizer Baugewerbe ein. Grussbotschaften
BAUKADER SCHWEIZ CADRES DE LA CONSTRUCTION SUISSE QUADRI DELL’ EDILIZIA SVIZZERA CADERS DA CONSTRUCZIUN SVIZRA JAHRE ANS ANNI ONS Hundert Jahre Baukaderverband – eine Erfolgsgeschichte Bereits die ersten Poliervereine ab 1905 setzten in der weiteren Entwicklung stets als innovativ 11 sich das Ziel, die Kontakte untereinander zu und er erkannte stets erstaunlich die Zeichen erleichtern, gute Beziehungen zum allmächti- der jeweiligen Zeit, was auch stets zu weiteren gen Baumeisterverband herzustellen und die Massnahmen und Erfolgen führte. Verständigung mit den Arbeiterorganisationen zu fördern. Zudem sollte die soziale Stellung Der Baukaderverband der Poliere verbessert werden. erreicht den ersten Arbeitsvertrag Im Geburtsjahr des Polierverbands 1911 er- 1921 erreichte der gefestigte Polierverband mit kannten die Abgeordneten und der erste Zen- dem Baumeisterverband einen ersten Arbeits- tralvorstand die Dringlichkeit, einerseits erste vertrag. Durch all die Jahre bis heute lebt die Massnahmen einer Sozialabsicherung zu schaf- erspriessliche Sozialpartnerschaft mit dem Bau- fen. Dazu zählten die Unterstützung einzelner meisterverband, auch wenn die Partnerschaft Mitglieder in Notfällen und Stellenvermittlung manchmal durch zähe Vertrags- und Lohnver- sowie Einführung von verbandsinternen sozialen handlungen auf eine harte Probe gestellt Einrichtungen gegen Krankheiten, Unfall und wurde. Nun befasste sich der Verband mit der Arbeitslosigkeit. Andererseits war es das Ziel, Gründung einer Polierfachschule und darauf die Weiterbildung ihrer Mitglieder mit der Be- mit einer Polierprüfung zusammen mit dem schaffung von Lehrmittelschriften und Büchern Baumeisterverband. Darauf basiert die noch zu sichern sowie nicht nur gesellige, sondern heute enge Partnerschaft des Baukaderver- auch berufliche Versammlungen zu fördern. bands mit den Polierschulen und später den Aber auch Rechtsfragen standen im Fokus wie Bauführerschulen und sitzt auch stets in den Eingaben und Reklamationen im Interesse aller betreffenden Prüfungsgremien. oder auch einzelner Mitglieder. Diese Zielset- zungen sind letztlich bis auf den heutigen Tag Sozialabsicherungen dieselben geblieben, auch wenn sie sich den je- durch den Baukaderverband weiligen Veränderungen angepasst haben. Im Polierverband wurden im Jahr 1924 im Wis- Beispielsweise stehen den Mitgliedern bei sen vor einer neuen Krise rechtzeitig die Sterbe- beruflichen Rechtsfällen drei Vertrauensan- und Altersunterstützungskasse ausgesprochen wälte kostenlos zur Verfügung und die beruf- innovativ als soziale Einrichtung für die Poliere liche Rückversicherung erstreckt sich bis Fran- eingeführt. Damit engagierte sich der Bauka- ken 250 000.–. derverband in der sozialen Absicherung der Mitglieder stark und nachhaltig. Bis zum heu- Grundstein für die ersten tigen Tag unterhält Baukader Schweiz einen hundert Jahre Baukaderverband Bildungs- und Unterstützungsfonds für die Mit- Damit war 1911 an sich der Grundstein für die glieder in der Weiterbildung und in Notfällen. kommenden 100 Jahre gelegt, der durch die gesamte Entwicklung des Baukaderverbands Arbeitslosenversicherung Bestand behalten hat. Der Polierverband und auf den Rat vom Baukaderverband spätere Baukaderverband erwiesen sich aber Das Jahr 1932 hat mit seiner stetig zunehmen- Hundert Jahre Baukaderverband – eine Erfolgsgeschichte
Errungenschaften der Baukader: Arbeitslosenversicherung, Weiterbildung, frühzeitige Pensionierung 12 den wirtschaftlichen Not auch das Baugewerbe und Bauführer» im verbandseigenen Verlag. in den Strudel mit hinab gezogen. Bereits an- Auch heute reagiert der Verlag mit neuen Titeln derthalb Jahre zuvor hat der Polierverband die u.a. zu den neuen Normen der Baustellensig- Mitglieder aufgefordert, der Arbeitslosenver- nalisation und zu den neuen Betonnormen. sicherung beizutreten. Die Mitglieder betrach- teten es aber als unnötig und sie mussten nun Das nachstehende Interview zur Fachausbil- erkennen, dass sie den Ernst der Lage nicht dung und zur Förderung veranschaulicht die erfasst hatten. Durch die ganzen hundert Jahre stete Förderung der Mitglieder durch Baukader Verbandsgeschichte zeigt sich das oberste Ziel Schweiz der Förderung des Wohlergehens ihrer Mit- glieder. Interview zur Im Jahre 1957 wurde endlich die verbands- Fachausbildung Baukader Schweiz eigene Arbeitslosenkasse geschaffen. Erstaun- lich eigentlich, wenn man bedenkt, dass es ge- Bei Baukader Schweiz wird Bildung gross nau die Jahre der Fortschrittsgläubigkeit waren geschrieben. Was für eine Bedeutung mes- und der immer noch steigenden wirtschaftli- sen Sie und Ihr Verband diesem bei? chen Konjunktur. Die Aus- und Weiterbildung auf allen Stufen der Kader im Bauhauptgewerbe ist für Bauka- Verhandlungen von Baukader Schweiz der Schweiz ein absolut zentrales Anliegen. für erste Polierprüfungen Die Förderung und Unterstützung kompetenter Der Zentralvorstand erhielt 1936 den Auftrag, Kader, Vorarbeiter bis Bauleiter, insbesondere mit dem Baumeisterverband über das neue Be- unserer Mitglieder auf den komplexen Baustel- rufsbild zu verhandeln und über die Durchfüh- len ist eines unserer Hauptanliegen. Unsere rung von Polierprüfungen zu diskutieren. Die Mitglieder profitieren zudem von ihrem Netz- neuen Statuten ermöglichten es zudem, die werk in den Sektionen im Erfahrungsaustausch im Baufach tätigen Aufseher, Platzmeister, Vor- und weiteren Weiterbildungsanlässen. arbeiter und Bauführer aufzunehmen. Schon damals wie heute lebte und lebt der Verband Baukader Schweiz ist vor allem im Polier- die Offenheit für alle Kader im Bauhauptge- bereich tätig. Weshalb sind entsprechende werbe und deren berufliche Förderung. Fachausbildungen auch auf dieser ersten Stufe der Baukarriereleiter wichtig? Ständige Weiterbildung Die optimale Weiterbildung kompetenter Bau- durch Baukader Schweiz kader setzt auf der ersten Stufe der Vorarbeiter Durch die zunehmende Mechanisierung auf ein. Kompetente Gruppenführer sind genauso den Baustellen veränderte sich auch die Wei- wichtig wie höhere Kader. Ein Schwerpunkt terbildung. Dies bis zum heutigen Tag mit liegt aber tatsächlich in der Weiterbildung der neuen europäisierten Normen. Bereits in der Poliere. Beide Kaderstufen profitieren von nam- 24. Auflage befindet sich heute das stets ak- haften Vorteilen durch den Bildungsfonds des tualisierte 600-seitige «Taschenbuch für Poliere Parifonds-Bau. Baukader Schweiz ist denn auch
Seit 1921 profitieren die Mitglieder von Baukader Schweiz massgeblich durch Lohn- und Vertragsverhandlungen Partner der Baukaderschulen in der Schweiz. Nun noch etwas zu Ihrem Verband allge- 13 Zudem ist Baukader Schweiz den paritätischen mein: Sie bemühen sich intensiv um Neu- Prüfungskommissionen vertreten. mitglieder. Führen Ihre Bemühungen zum Erfolg? Welche Lehrgänge bieten Sie konkret an? Die Massnahmen für die Werbung von Neu- Das Weiterbildungspaket von Baukader mitgliedern sind ein wichtiges Anliegen von Schweiz bietet eigene Weiterbildungsangebote Baukader Schweiz, nicht zuletzt darum, ein oder Weiterbildungsangebote vor allem in Zu- wichtiger Partner in der Sozialpartnerschaft zu sammenarbeit mit dem Ausbildungszentrum sein. Die längere Kampagne «Mitglieder wer- AZ Sursee des Baumeisterverbands an. ben neue Mitglieder» zeigt Früchte. Eine Nach- Exklusiv bietet Baukader den sehr erfolgrei- folgekampagne ist in Planung. An sich sind die chen Workshop «Baustellensignalisation» im Vorteile der Mitgliedschaft bei Baukader Weiterbildungsangebot sowie den Workshop Schweiz evident. Dennoch bleibt die Werbung «Werkvertrag und Bauversicherungsrecht» an. um Neumitglieder wichtiges Thema von Bau- In Zusammenarbeit mit dem Ausbildzentrum kader Schweiz. AZ Sursee des Baumeisterverbands steht vor al- lem der Weiterbildungslehrgang für Baupoliere Von was profitieren Baukader-Mitglieder im Vordergrund. Ebenso erfolgreich ist der ge- sonst noch? meinsam entwickelte Lehrgang Weiterbildung Die Mitglieder von Baukader Schweiz profitie- Bauleiter (WLB) in sechs Modulen, der auch ren massgeblich durch die Lohn- und Vertrags- Bauunternehmungen angeboten werden kann. verhandlungen mit dem Baumeisterverband (Baukadervertrag für Poliere und Werkmeister, Profitieren Mitglieder Ihres Verbandes in Lohnempfehlungen für Bauleiter, Festlegung spezieller Weise von Ihren Weiterbildungs- von Mindestlöhnen und Vergütungen). Weiter angeboten? ist Baukader Schweiz mit verantwortlich für Die Mitglieder von Baukader Schweiz profitie- die Aushandlung des so genannten grünen ren von Sonderkonditionen für die Weiterbil- Vertrags für die planenden Kader im Bauhaupt- dungslehrgänge. Hierzu unterstützt wiederum gewerbe sowie für den GAV Holzbau und die der Bildungsfonds Parifonds-Bau die Weiter- entsprechenden Kader. bildungslehrgänge. Zudem haben die Mitglieder Rückhalt durch kostenlose Unterstützung unserer drei Vertrau- Sollten sich Bauunternehmer Ihrer Mei- ensanwälte und die Rechtsschutzversicherung nung nach finanziell an den Weiterbildun- mit Kosten bis zu Franken 250 000.– abdecken gen Ihrer Mitarbeiter beteiligen? kann, wenn Probleme im Arbeitsumfeld auf- Die Bauunternehmer unterstützen die Weiter- tauchen. bildungsmöglichkeiten für Baukader sehr wohl, Baukader Schweiz hat schon vor Jahren als sowohl durch die Beiträge an den Parifonds Vorreiter mit dem Projekt ATZ (Altersteilzeit) Bau wie auch durch Freistellungen ihres Ka- für Baukader eine teilweise Reduktion ihres Ar- derpersonals für Weiterbildungen. beitspensums nach 60 verwirklicht. Erst danach Hundert Jahre Baukaderverband – eine Erfolgsgeschichte
Bauführervertrag vom 19.12.1995 14 unter namhafter Mitwirkung konnte für alle Pionierarbeit von Baukader Schweiz Mitarbeiter das Projekt FAR (frühzeitiger Ar- für die frühzeitige Pensionierung beitsrücktritt) mit allen Sozialpartnern im Bau- Baukader Schweiz, wie der Baukaderverband hauptgewerbe unter Beteiligung der Mitarbei- heute heisst, hat in Hinsicht auf die frühzeitige ter realisiert werden. Pensionierung ihrer Mitglieder (heute GAV-FAR) Die Mitglieder von Baukader Schweiz ge- zusammen mit dem Baumeisterverband Pio- niessen Sonderkonditionen sowohl in der Wei- nierarbeit geleistet. Bereits im Polierkadervertrag terbildung, als auch bei den Verlagsprodukten vom 19. Dezember 1995 wurde vereinbart, von Baukader Schweiz. Diesbezüglich ganz be- dass die Vertragsparteien (Baumeisterverband sonders im Hinblick auf das ausserordentlich und Baukader Schweiz) die Einführung einer erfolgreiche und stets topaktuelle Standard- Lösung zur ganzen oder teilweisen Arbeits- werk «Taschenbuch für Poliere und Werkmeis- entlastung für ältere Poliere und Werkmeister ter». Zudem hat Baukader Schweiz ein umfas- auf den 1. Januar 1997 beabsichtigen. Nach sendes Dienstleistungspaket für die Mitglieder, der Bildung einer Arbeitsgruppe gründeten die sowie den Zugang zum Intranet der neuen Sozialpartner den Verein Trägerschaft Altersteilzeit Homepage, welches nur den Mitgliedern vor- (ATZ). Daraus entwickelte sich die heutige Lösung behalten bleibt. für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Neumitglieder begrüsst Baukader Schweiz im Bauhauptgewerbe mit dem GAV-FAR, also mit einem Begrüssungsgeschenk. Es profitieren der möglichen (auch teilweisen) Frühpensionie- auch die erfolgreichen Poliere, die an der Fach- rung ab sechzig Jahren. Das Bauhauptgewerbe ausweisübergabe bereits Mitglied bei Baukader kennt also eine solche Bahn brechende Lösung. Schweiz geworden sind. Wesentlich ist, wie bereits dargestellt, der Der neue GAV Holzbau unter wesentlicher berufliche Erfahrungsaustausch unter den Mit- Mitarbeit von Baukader Schweiz gliedern in den 40 Sektionen von Baukader Auch heute zeigt sich die Innovationskraft von Schweiz sowie das Weiterbildungsangebot in Baukader Schweiz. Der erfahrene Berufsver- den einzelnen Sektionen (Besichtigungen, band der Schweizer Baukader in GAV-Ver- Fachvorträge, Produktneuheiten). Aber auch handlungen für seine Mitglieder, hat für den das gemütliche Zusammensein unter Kollegen, neuen innovativen GAV Holzbau massgeblich teils mit ihren Familien. mitgearbeitet. Gemeinsam vereinbartes Ver- Dem Vernehmen nach profitieren unsere Mit- tragsziel war, nicht nur die soziale Besitzstands- glieder auch von ehrenamtlichen Tätigkeiten wahrung im Bereich der materiellen Arbeits- zum Beispiel in der EKAS (Eidg. Kommission für bedingungen, sondern darüber hinaus die Arbeitssicherheit), in Gremien, Kommissionen Verankerung einer neuen, erfolgsorientierten und Arbeitsgruppen. Zudem geniessen unsere Zusammenarbeits- und Unternehmenskultur Mitglieder attraktive Grossanlässe: Dieses Jahr zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und beim 100. Jubiläum von Baukader Schweiz, Sozialpartnern in allen Branchenbetrieben. Da- aber auch bei runden Jubiläen in den Sektionen. mit will die Holzbaubranche neue Wege in der
Die Sozialpartner Holzbau Schweiz, Baukader Schweiz, die Gewerkschaften Syna, Unia und KV Schweiz schufen 2006 einen der innovativsten und einzigartigen neuen GAV Holzbau. Sozialpartnerschaft beschreiten. Baukader Schweiz als Dienstleistungs- und 15 Das angestrebte Modell basiert auf der ge- Kompetenzzentrum für die Mitglieder meinsamen Überzeugung, dass als Vorausset- Baukader Schweiz passt sich auch stets den zung einerseits ein sozialverantwortliches Ar- Bedürfnissen ihrer Mitglieder und der jeweili- beitgeberverhalten und andererseits ein gen Zeit an. Heute ist die Geschäftsstelle das langfristiger Unternehmenserfolg neben an- Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum mit deren Faktoren auch durch höhere Produktivi- einem reichen Dienstleistungsangebot auch tät, Leistungseffizienz und Innovationsbereit- durch zahlreiche Kooperationen und Angebote, schaft gesichert wird. Als Schlüsselfaktor des so dass Baukader Schweiz überzeugt ist, auch Unternehmenserfolges rückte damit die ge- fit für die Zukunft zu sein. Darüber lesen Sie zielte Personalentwicklung ins Blickfeld: Die den Beitrag «Fit für die Zukunft», S. 67 dieser Förderung der Mitarbeiter als Mitwisser, Mit- Festschrift. denker und Mittreiber im Interesse des ge- meinsamen Markterfolges. Das vereinbarte Branchenziel einer solchen Unternehmens-, Leistungs- und Zusammenarbeitskultur soll un- ter Einbezug der Betriebe mit einer Vielzahl von Massnahmen gemeinsam konkretisiert und umgesetzt werden. Alle Mitarbeitenden, vom Lernenden bis zur Holzbau-Meisterin und zum Holzbau-Meister, wurden dem GAV Holzbau unterstellt. Mit einem flexiblen Lohnsystem mit erfah- rungsabhängigen Mindestlöhnen, einer Leis- tungslohnkomponente, mindestens 5 Wochen Ferien für alle, bezahlten Weiterbildungstagen, Gleichstellung der Teilzeitarbeit und fortschritt- lichen Sozialleistungen werden im neuen GAV zeitgemässe Anstellungsbedingungen veran- kert. Damit schufen die Sozialpartner Holzbau Schweiz, Baukader Schweiz, die Gewerkschaf- ten Syna, Unia und KV Schweiz 2006 einen der innovativsten und einzigartigen neuen GAV Holzbau. Baukader Schweiz freut sich als Arbeitneh- merorganisation und Sozialpartner darüber, an diesem Vertrag mitgearbeitet zu haben, der nun von allen Sozialpartnern getragen wird. Hundert Jahre Baukaderverband – eine Erfolgsgeschichte
1911 – 2011 « Der Verband lebt von den Sektionen. Diese sind bestrebt, ihren Mitglie- dern interessante Jahresprogramme mit Fachvorträgen und interessanten Anlässen in Produktionsstätten anzu- bieten. Die Geselligkeit mit dem Aus- tausch von beruflichen Ereignissen zwischen Jung und Alt führen zu an- regenden Diskussionen.» Erich Binz, Präsident Sektion Thun und Umgebung
1911: Gründung des Schweizerischen Polierverbandes Mit Datum vom 5. Juni 1911 trafen sich die Vertreter der fünf Sektionen Basel, 17 Rorschach, St. Gallen, Winterthur und Zürich in Basel zur Gründung des Schwei- zerischen Polierverbandes. Von 1911 bis 1915 war St. Gallen Vorort-Sektion, von 1915 fanden die Zentralvorstandssitzungen dann jeweils in Zürich statt. Um die Gründung unseres Verbandes besser verstehen zu können, muss man in der Geschichte ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Das politische Umfeld dung des Bundesstaates im Jahre 1848 in ihrer Mit Ausnahme von Frankreich war die Schweiz industriellen Entwicklung im eher gemächli- von Monarchien umgeben. Im Norden regierte chen Tempo, so wurde sie von der rasanten In- Kaiser Wilhelm II (1859 – 1941) das Deutsche dustrialisierung förmlich überrannt. In wenigen Reich. Im Osten bestand der Völkerstaat Öster- Jahrzehnten musste die Balance des Wandels reich-Ungarn mit Kaiser Franz Josef I (1830 – vom Agrarstaat zum Industriestaat gemeistert 1916). Italien wurde von Viktor Emanuel III werden. (1869 – 1947) regiert. In etwas weiterer Distanz lag das Osmanische Reich und Russland mit Enorme Entwicklung seinen Zaren. Die Schweiz als republikanischer- der Bevölkerungsdichte demokratischer Bundesstaat entwickelte sich So stieg zum Beispiel die Bevölkerung zwischen zu dieser Zeit als ein Horst von Freiheit und 1850 und 1910 von 2.3 Mio. auf 3.7 Mio. an. Humanität. Dieses war natürlich den umlie- Zählte man im Jahre 1850 noch 8 Städte, so genden Monarchen ein Dorn im Auge. Beson- waren es im Jahre bereits 26. Innert 110 Jahren ders der deutsche Kanzler Bismarck (1815 – (1800 – 1910) wuchs zum Beispiel Zürich von 1898) übte immer wieder Druck auf die 17'000 Einwohnern auf 190'000 Einwohnern Schweiz aus. Die demokratischen Vorgänge in an. In der Schweiz waren 1880 210'000 Fremd- der beschaulichen Schweiz waren in seinen arbeiter beschäftigt, im Jahre 1914 stieg diese Augen eine Gefahr für die eigene Macht. So Zahl auf 600'000 an. erstaunt es auch nicht, dass die erste Gründung Betrachtet man diese Zahlen, so ist es nicht einer sozialistischen Partei 1870 in der Schweiz verwunderlich, dass sich das soziale Gefüge im vom Deutschen Hermann Greulich (1842 – rasanten Tempo bewegte. Bauern zogen in die 1925) gegründet wurde. Städte. An ihren Rändern entstanden grosse Industrieviertel. Geballte Wohnquartiere wur- Das wirtschaftliche Umfeld den aus dem Boden gestampft. Der seit dem Die internationale Entwicklung des Wirtschafts- Mittelalter geführte Kampf zwischen Stadt und liberalismus und die wirtschaftliche Expansion Land erreichte seinen Höhepunkt und brachte auf der einen Seite sowie die Organisation der eine noch nie erlebte Dominanz der Städte. diversen Arbeiterbewegungen zur Verbesse- Das hatte politische, wirtschaftliche, struktu- rungen der Arbeits- und Lebensumstände führ- relle, kulturelle und ideologischen Auswirkun- ten zu dauerhaften und heftigen Konflikten. gen, die den jungen Bundesstaat vor vielfältige Entwickelte sich die Schweiz nach der Grün- Probleme stellte. 1911: Gründung des Schweizerischen Polierverbandes
Kirchenbau 1911 Erster Boom der Bauwirtschaft tigen Baumeisterverband herzustellen und die 19 Mit der gesteigerten Produktivität erlebte auch Verständigung mit den Arbeiterorganisationen die Bauwirtschaft einen regelrechten Boom. Die zu fördern. Zudem sollte die soziale Stellung Zahl der Arbeitenden auf dem Bau verdoppelte der Poliere verbessert werden. sich und schon bald führte dieser Umstand auch zu einem Mangel an Arbeitskräften. Die Mate- 1907 erfolgten die Gründungen der rialkosten stiegen, selbst die Löhne wurden an- Sektionen Bern (1907), Rorschach/Ober- gehoben, dies obwohl der im Jahre 1897 ge- thurgau (1907) und Winterthur (1909) gründete allein herrschende Baumeisterverband Die Fühlungsaufnahme, speziell unter Initiative den Ton angab und die Baumarktsituation kon- des Parlierverbandes Basel, bewirkte das ge- trollierte. Zwar gab es zur Jahrhundertwende genseitige Interesse zur Bildung einer überre- bereits die Organisation der Maurer und Hand- gionalen Gemeinschaft. Obwohl das Zusam- langer, doch waren die Schweizer Arbeiter ge- menwirken durch den Gewerkschaftsbund und genüber den Italienern klar in der Minderheit, der Arbeiterunion, in denen die damaligen Po- was eine einheitliche Gewerkschafts- und/oder liere organisiert waren, vehement bekämpft Verbandspolitik erschwerte. wurde, gelang es durch Mut, Beharrlichkeit und Zuversicht dem Ziel, einer verbandsmässi- Geschichte des Verbandes gen Gemeinschaft näher zu kommen. im Zeichen der Weltwirtschaft Im Jahre 1910 konnte erstmals eine gemein- same Zusammenkunft in Basel erreicht werden, Entstehung des an der die Abgeordneten der Organisationen Schweizerischen Polierverbandes von Zürich, Basel, Winterthur, St. Gallen und In den Jahren 1905 – 1910 hatten sich in der Rorschach teilnahmen. Auf Grund der erwor- deutschen Schweiz Poliere und Vorarbeiter des benen gemeinsamen Interessen und des Be- Holz- und Steingewerbes zu örtlichen Vereinen dürfnisses eines Zusammenschlusses wurde ein und Verbänden zusammengeschlossen. Es Ausschuss gewählt mit der Aufgabe, die Vor- hatte zu dieser Zeit viel Mut gebraucht, neben arbeiten zur Gründung eines einheitlichen Ver- den Gewerkschaften eine Organisation von bandes an die Hand zu nehmen. Vorarbeitern und Polieren zu gründen. «Hart war das Brot und lang der Arbeitstag, Fr. 8.00 Die Gründung des Taglohn und keine Unfallversicherung und im Schweizerischen Polierverbandes 1911 Winter oftmals keine Arbeit». So erzählte Hans Nachdem der gewählte Ausschuss seine Vor- Bruhin, Ehrenmitglied des SBKV, seine Erinne- arbeiten zur Gründung eines Gesamtverbandes rungen an die Gründung der Sektion Zürich getätigt hatte, wurde auf den 5. Juni 1911 in der Maurerpoliere im Jahre 1905. Auch in Basel Basel eine Abgeordnetenversammlung einbe- gründeten im gleichen Jahr zwanzig Poliere rufen. Nach gründlicher Beratung des Pro- den Parlierverein Basel. Ihre Vereinigung ent- gramms und der Satzungen wurde mit ein- stand mit dem Ziel, die Kontakte untereinander stimmiger Bejahung formell die definitive zu erleichtern, gute Beziehungen zum allmäch- Gründung des Schweizerischen Polierverban- 1911 – 2011
Plakat zur schweizerischen Zeitglockenthurm, Bern 1914 Landesaustellung in Bern 1914 des feierlich als vollzogen erklärt. Als Vorort terstützte deshalb die Gründungen der diversen 21 und Sitz des Zentralvorstandes wurde die Sek- Sektionen, um damit landeseigene Kaderleute tion St. Gallen betraut. Der erste Zentralvor- zu erhalten. stand setzte sich wie folgt zusammen: Zentralpräsident: Die hohe Bedeutung der Aus- Mayer Ottmar, Steinhauerpolier und Weiterbildung im jungen Verband Vizepräsident: Augustino Jeremia, Maurerpolier Die wirtschaftliche Blüte im Allgemeinen und Kassier: Gnires Eduard, Maurerpolier der Bauboom im Besonderen beschleunigte bis Aktuar: Preyer Alfons, Steinhauerpolier zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 Beisitzer: Bergmann Hermann, Betonpolier die Entwicklung im Bausektor. Der Polier wurde immer mehr zum wichtigsten Mann auf der Vorerst fünf Baustelle, sein Aufgabenkreis weitete sich im- zusammengeschlossene Sektionen mer mehr aus und die Anforderungen als Or- Der neu gegründete Polierverband mit seinen ganisationstalent wurden immer grösser. Seine vorerst fünf Sektionen verstand sich durchaus theoretische Entwicklung hingegen blieb meist als eigenständige Organisation, vergleichbar aus jedoch hinter den gestellten Erfordernissen zu- einer Mischung aus Zunft, Gewerkschaft, Bil- rück. Diese Erkenntnisse wurden vom sich neu dungsverein und Geselligkeitsclub. Die Sektion gegründeten Polierverband und seinen Sektio- Zürich umriss zum Beispiel ihre Aufgaben wie nen schnell erkannt und man schrieb sich des- folgt: Organisieren von beruflichen und geselli- halb gleich zu Beginn der Gründung die Aus- gen Versammlungen, Beratungen und Bespre- und Weiterbildung auf die Fahne. Eine institu- chungen, Eingaben und Reklamationen im In- tionelle Aus- und Weiterbildung gab es noch teresse aller oder auch einzelner Mitglieder, nicht. So organisierten die Poliervereine Vor- ferner Stellenvermittlungen, Unterstützung ein- träge, Kurse, Besichtigungen und dergleichen. zelner Mitglieder in Notfällen und Beschaffung Dieses ermöglichte Kontakte, Gespräche, von Lehrmittelschriften und Büchern. Diskussionen über die vielfältigen Berufspro- Die meisten Poliere kamen aus Italien und bleme, was vor allem die Kameradschaft und hatten seit ihrer Kindheit auf Bauplätzen gear- die Verbundenheit untereinander förderte. So beitet. Die Väter zogen ihre Söhne nach, über- entwickelte sich mit der Zeit ein Vereins- und mittelten ihnen ihr Wissen. Polier wurde, wer Verbandsleben, das Einheit, Stärke und Ent- über das fachliche Wissen und Können ver- schlossenheit formte, womit schliesslich soziale fügte und vor allem über geeignete Führungs- und wirtschaftliche Anliegen gemeinsam be- eigenschaften verfügte. Die fachlichen Ausbil- handelt werden konnten. dungen steckten noch in den Kinderschuhen, es gab noch keine schulmässigen Ausbildun- Verbandsinterne soziale Einrichtungen gen, nur Können und Erfahrungen waren ge- Im Weiteren ging es auch darum, vom Bau- fragt. Der Baumeisterverband war jedoch am meisterverband als vollwertiger Partner aner- neu gegründeten Polierverband mit ihren Po- kannt zu werden. Nebst den fachlichen Mög- lieren und Vorabeitern sehr interessiert und un- lichkeiten zur Weiterbildung wollte man auch 1911 – 2011
Generalmobilmachung am 1. August 1914 22 einen Rechtschutz aufbauen, verbandsinterne Oktober. Diese Landesaustellung stand ganz soziale Einrichtungen gegen Krankheiten, Un- im Zeichen der Fortschrittsgläubigkeit. Techni- fall und Arbeitslosigkeit einführen. Dies war sierung und Industrialisierung wurden als Mittel natürlich nur in kleinen Schritten möglich. Der zur Förderung des Lebensstandards angesehen Kampf auf nationaler Ebene um das Kranken- und als solche auch hochgepriesen. Die Aus- und Unfall Versicherungsgesetz dauerte zum stellung war in der schweizerischen Bevölke- Beispiel dreissig Jahre, bis es 1912 nach meh- rung sehr beliebt, doch eine Beziehung zum reren Anläufen vom Volk knapp angenommen europäischen Geschehen konnte sie nicht her- wurde und es dann 1918 zur Gründung der stellen. SUVA kam. Die heute viel gepriesene Freizeit war damals Konsequenzen für die Schweiz sehr knapp. Man arbeitet an sechs Tagen 66 und den jungen Verband bis 72 Stunden und etliche Berufsleute sogar Die Schweiz wurde mitten in dieser Landes- auch mehr. Versammlungen, Kurse und Vor- ausstellung am 1. August 1914 mit der Gene- träge mussten daher immer am Sonntag ver- ralmobilmachung konfrontiert. Deutsche, öster- anstaltet werden. Die Wege waren meistens reichische und italienische Bauarbeiter und weit und beschwerlich und mussten mit dem Poliere wurden von ihren Armeen eingezogen Fahrrad oder zu Fuss zurückgelegt werden. und die Schweizer mussten an die Grenzen. Die Verbandstätigkeit war fast gelähmt. Ei- 1914 – 1918: Die Jahre des 1. Weltkriegs nige Poliervereine waren nicht mehr funktions- Anfangs September 1912 besuchte Kaiser Wil- fähig. Es kam zu Austritten, Auflösungen und helm II mit grosser Anteilnahme und Begeiste- grossen Meinungsdifferenzen. Das Kriegsge- rung der Bevölkerung die Schweiz. Wie die schehen wirkte sich für den jungen Verband Ouvertüre zu einer tragischen Operette musste verheerend aus, er konnte nur mit grösster der Kaiserbesuch im Rückblick auf die Jahre Mühe zusammengehalten werden. Zentralprä- des Ersten Weltkrieges angesehen werden. Im sident Alfons Preyer appellierte an die Sektio- Jahre 1913 starb in Zürich der politische Anti- nen, ihren Mitgliederschwund mit Geduld und pode des Kaisers, der deutsche Sozialistenfüh- Aufklärung einzudämmen. Die gesamte Ver- rer August Bebel, der unter riesiger Anteil- bandstätigkeit und deren Artikulation und Ent- nahme von tausenden Arbeitern beerdigt scheidung beschränkte sich während den wurde. Und da in der Limmatstadt zirka 90 Kriegsjahren auf die jährlich stattfindenden De- Prozent der Maurer und Handlanger Italiener legiertenversammlungen. waren, reiste auch ein gewisser Mussolini für So gingen auch die Diskussionen und die eine politische Rede nach Zürich, wo ihm be- Beschlüsse über Statuten, über eine Kollektiv- geistert zugejubelt wurde. versicherung, über Arbeitsverträge und über Nach dieser deutsch-schweizerischen Komö- ein Streikkassenreglement nur schleppend oder die mit italienischer Gefolgschaft folgte die Tra- gar nicht voran. Der Weltkrieg schränkte den gödie 1914. Die Schweiz allerdings feierte vor- Weltmarkt in grossem Umfang ein. Die Schweiz erst noch ihre Landesausstellung vom Mai bis wurde beinahe unvorbereitet getroffen. So stieg
Kavallerie auf dem Paradeplatz Zürich während des Landesstreiks im November 1918 zum Beispiel der Preis für ausländischen Weizen Kurz vorher hatten sich auch die Arbeiter- 23 im ersten Kriegsjahr um 72 Prozent. Der Le- organisationen der Maurer, Handlanger, Gipser, benskostenindex stieg um 100%, am Ende des Maler, Lackierer, Steinhauer und Zimmerleute Krieges betrug er stattliche 229 Prozent. Die zu einem grossen gemeinsamen Verband zu- Mietzinse erreichten unheimliche Höhen. sammengeschlossen. Mit der stolzen Zahl von All diese finanziellen Veränderungen führten 15'000 Mitglieder gaben sie unter dem Namen dazu, dass Viele nicht mehr wussten, wie sie «Der Bauarbeiter» ihre Gewerkschaftszeitung ihre Familien durchbringen sollten. Es erstaunt heraus. deshalb nicht, dass es unter der schweizeri- schen Bevölkerung heftig rumorte. Am 7. No- Schwierigkeiten und Erholung vember 1918 rief das «Oltener» Aktionskomi- der Bauwirtschaft tee alle Werktätigen zu einem 24-stündigen Die schweizerische Wirtschaft wurde zuneh- Proteststreik auf und kurze Zeit später erging mend abhängiger von der Weltwirtschaft. An- vom gleichen Komitee der Aufruf zum Gene- fang der Zwanzigerjahre zerfielen die fremden ralstreik, der an 107 Orten in der Schweiz von Währungen. So musste man zum Beispiel in gegen 500'000 Arbeitern befolgt wurde. Eine Deutschland für einfache Einkäufe einen ganzen der neun gestellten Forderungen war auch das Koffer voll Banknoten mittragen. (1 Dollar = Verlangen für eine 48-Stundenwoche, die dann 4.2 Billionen Mark). Die Zahl der Arbeitslosen am 27. Juni 1919 von der Bundesversammlung in der Schweiz erreichte 1922 mit 146'000 ei- auch beschlossen wurde. nen Höchststand. Die Arbeiter und Angestellten kämpften gegen die offenen und versteckten Heftige Arbeitskämpfe Versuche, ihre minimalen sozialen Errungen- auch auf den Baustellen schaften wieder zu schmälern. Der Antrag des Obwohl auf vielen Baustellen heftige Arbeits- Bundesrates, die Wochenarbeitszeit wieder auf kämpfe geführt wurden und die Vorarbeiter 54 Stunden zu erhöhen, wurde vom Volk mit und Poliere zwischen den Fronten standen, einem Referendum im Jahre 1924 wuchtig ver- sammelte sich der Polierverband nach dem 1. worfen. Langsam erholte sich die Weltwirtschaft Weltkrieg von neuem, festigte sich und er- und somit sah es auch für die Bauwirtschaft in reichte 1921 mit dem Baumeisterverband einen der Schweiz wieder besser aus. Mit der Elektri- Arbeitsvertrag. Der Verband befasste sich mit fizierung der SBB und den gigantischen Stau- der Gründung einer Polierfachschule. Am 21. mauern in den Bergregionen war wieder genug Oktober 1921 erschien die erste Fachzeitungs- Arbeit vorhanden. Hochspannungsleitungen Nummer mit dem Namen «Schweizerischer Po- führten den Strom in die wachsenden Produk- lierverband». Es war dies das «Offizielle und tionsanlagen im Mittelland. Die Automobilwirt- obligatorische Organ der Poliere im Bauge- schaft und der Strassenbau trugen zunehmend werbe der Schweiz» – mit einem Teil in italie- zu einer neuen Prosperität bei. nischer Sprache. Mit diesem Organ wollte man Im Polierverband wurden im Jahr 1924 im all diejenigen Poliere erreichen, die noch nicht Wissen vor einer neuen Krise rechtzeitig die im Verband waren. Sterbe- und Altersunterstützungskasse ausge- 1911 – 2011
1918: Aufruf zum Generalstreik sprochen innovativ als soziale Einrichtung für emotional und heftig. Vor allem fand ein reger 25 die Poliere eingeführt. Briefwechsel zwischen den verschiedenen Sek- tionen und dem Zentralvorstand statt. Alle Der Börsenkrach New York diese Schreiben fanden in den gut erhaltenen und Unruhen in der Schweiz Protokollbüchern viel Erwähnung und beim Mit dem Börsenkrach in New York am 24. Ok- Durchlesen dieser Akten konnte hie und da tober 1924 beginnt die Weltwirtschaftskrise in ein Schmunzeln nicht vermieden werden. So Industrie und Landwirtschaft. In den Lagerhäu- wurde zum Beispiel ein Unterstützungsgesuch sern liegen riesige Mengen unverkäuflicher Ware, eines Mitgliedes mit dem Argument des Zen- die zum Teil vernichtet werden mussten. Der In- tralvorstandes abgelehnt, dass der Betroffene dex der industriellen Güter sinkt rapide. Die De- ledig sei, kerngesund und jederzeit überall eine pression führt, von den USA ausgehend, zu einer Arbeit fände. internationalen Kreditkrise. Die Bankkatastrophe, bei der auch die Schweiz sehr betroffen war und Die «Schweizerische Polierzeitung» die Währungskrisen mehrten sich in beängsti- der Dreissiger Jahre gender Weise. Überall wurde der Staat zu Hilfe In der «Schweizerischen Polierzeitung» wurden gerufen, um die Währungskrise, den Kaufkraft- die Mitglieder aufgerufen, die antifaschistische schwund und die massiven Einbussen im Aus- neue Zeitung «Die Nation» zu abonnieren. Die senhandel abzufedern. Die Abwertung des Zeitung verstand sich als Waffe der geistigen Schweizer Frankens um 30 Prozent verhinderte Landesverteidigung. schliesslich den völligen Kollaps. Am 15. Januar 1933 ist in der «Schweizeri- Die Unruhen in der Schweiz vermehrten sich. schen Polierzeitung» folgendes zu lesen: «Das In der «Genfer Blutnacht» im Jahre 1932 ging Jahr 1932, besonders deren zweite Hälfte, hat das Militär gegen antifaschistische Demonstra- mit seiner stetig zunehmenden wirtschaftlichen tionen vor. Fazit: 13 Tote und 70 Verwundete. Not auch das Baugewerbe in den Strudel mit In Amerika kam 1933 der liberale Demokrat hinab gezogen. Wer noch vor anderthalb Jah- Roosevelt an die Regierungsmacht und in ren, als wir unsere Mitglieder immer wieder Deutschland übernahm der Faschist Adolf Hitler aufforderten, der Arbeitslosenversicherung bei- das Ruder. In Zürich kam es fast wöchentlich zutreten, dies immer als unnötig betrachtete, zu Saalschlachten zwischen Kommunisten und muss nun erkennen und teilweise persönlich Faschisten. fühlen, dass er den Ernst der Lage nicht erfasst hat und in seinem Optimismus getäuscht Monatliche Sitzungen des Zentralvorstands wurde. Die immer weiter zurückgehende Bau- des Schweizerischen Polier-Verbandes tätigkeit hat auch in unserem Mitgliederbe- Trotz dieser Wirren fanden die Sitzungen des stand stark eingegriffen. Ein Fünftel bis zu ei- Zentralvorstandes des Schweizerischen Polier- nem Viertel sind heute ohne Stelle oder Verbandes monatlich im Restaurant Urania- gänzlich arbeitslos». brücke in Zürich statt. Diese Sitzungen verliefen Mehrere Jahre lang bleiben in der Verbands- anhand der Protokollauszüge vielfach sehr zeitung die Krise, der Lohnabbau, die Arbeits- 1911 – 2011
Generalmobilmachung 1939 (Bild: www.rost-und-gruenspan.ch) zeit, die Konsumsteuern und die Arbeitslosig- USA, er stieg von 1.5 Milliarden Reichsmark 27 keit ein vorherrschendes Thema. Das Sprach- im Jahre 1933 auf 16.6 Milliarden Reichsmark rohr der Poliere setzt sich auch immer kritisch im Jahre 1938. Der Rüstungsvorsprung mit den neuen Baumaterialien auseinander. Die Deutschlands vor den übrigen Westmächtigen rapide Bauweise und die nicht immer geprüften betrug etwa 2 Jahre. Umfangreiche kriegswirt- neuen Bauwerkstoffe verursachen eine Reihe schaftliche Vorräte an Rohstoffen reichten für von Gebäudeeinstürzen, für welche immer die den von Hitler inszenierten geplanten Blitzkrieg. Poliere zur Verantwortung gezogen wurden. 1938 machten die Deutschen kurzen Prozess Die Verbandszeitung rief deshalb ihre Mitglie- mit der spanischen Republik, sie besetzten der auf, sich gegen falsche Anweisungen und Prag, überfielen Polen, während die italieni- Beschuldigungen zur Wehr zu setzen und ihren schen Faschisten Albanien in Besitz nahmen. Fall den Sektionen zu melden. Am 1. September 1939 wurde in vielen west- europäischen Ländern die Generalmobilma- 1936: 25 Jahre Polierverband chung ausgerufen. Die Vorstösse der Hitler- Die elf Sektionen, die 1936 in Zürich zur 25- Truppen in alle Himmelsrichtungen wurden jährigen Jubiläumsdelegierten-Versammlung wirklich zu Blitzkriegen. Im Frühjahr 1940 rollte zusammentrafen und einen Bestand von 500 die Wehrmacht gegen Westen und Norden, Mitgliedern repräsentierten, sahen sich durch besetzte Dänemark, Norwegen, die Nieder- die weitere technische Entwicklung auf den lande, Belgien und Luxemburg. Im Sommer Bauplätzen genötigt, den Begriff des Baukaders brach die Wehrmacht in Frankreich ein und und die Aufnahmebedingungen in den Polier- zugleich wurde über Grossbritanien ein Luft- verband auszuweiten. Die Anforderungen an krieg geführt. die Poliere wurden immer grösser. Dieser tech- nologischer Entfaltung mussten die Statuten Schweizer Generalmobilmachung 1939 neu angepasst werden. Der Zentralvorstand er- In der Schweiz wurde ebenfalls am 1. Septem- hielt den Auftrag, mit dem Baumeisterverband ber 1939 die Generalmobilmachung ausgeru- über das neue Berufsbild zu verhandeln und fen. Der 2. Weltkrieg traf die Schweiz weitaus über die Durchführung von Polierprüfungen härter als der Erste. Doch die nationale Einheit zu diskutieren. Die neuen Statuten ermöglich- war vor allem durch die Standhaftigkeit der ten es zudem, die im Baufach tätigen Aufseher, Arbeiter und Angestellten gefestigt. So hatte Platzmeister, Vorarbeiter und Bauführer aufzu- auch die «Eingabe der Zweihundert», jenen nehmen. In diese Zeit fällt auch die definitive reaktionären Offizieren und Gefolgsleuten, die Aufgabe des Begriffs «Parlier» und die allge- eine Anpassung der Schweiz an das Hitler Re- meine Anwendung der Berufsbezeichnung gime forderten, bei der Bevölkerung absolut «Polier». keine Chance. Die kriegswirtschaftliche Vor- sorge war so gut, dass sie mit einem Schlag in Europa in Flammen Aktion treten konnte. Mit dem «Plan Wahlen» In den Jahren 1935 bis 1938 hatte Deutschland wurde die Landwirtschaft auf vermehrten einen viermal höheren Rüstungsetat als die Ackerbau umgestellt und sicherte so die interne 1911 – 2011
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