Hydrometeorologische Analyse des Hochwasserereignisses vom 10. Oktober 2011 - DORA 4RI
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Hydrometeorologische Analyse des Hochwasserereignisses vom 10. Oktober 2011 Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz
Hydrometeorologische Analyse des Hochwasserereignisses vom 10. Oktober 2011 Redaktion Alexandre Badoux, Markus Hofer und Tobias Jonas Herausgeber Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz geo7, geowissenschaftliches Büro Bundesamt für Umwelt BAFU
Herausgeber Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL; WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF; Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz; geo7, geowissenschaftliches Büro; Bundesamt für Umwelt BAFU Projektfinanzierung Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Gefahrenprävention Projektleitung Dr. Olivier Overney, Bundesamt für Umwelt BAFU Dr. Alexandre Badoux, WSL Redaktion Dr. Alexandre Badoux, WSL Dr. Markus Hofer, WSL Dr. Tobias Jonas, WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Autoren Bundesamt für Umwelt BAFU: Coralie Amiguet, Therese Bürgi Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL: Dr. Alexandre Badoux, Stephan Hemri, Dr. Markus Hofer, Dr. Manfred Stähli, Dr. Massimiliano Zappa WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF: Dr. Charles Fierz, Dr. Tobias Jonas, Dr. Jan Magnusson, Nander Wever geo7, geowissenschaftliches Büro: Peter Mani Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz: Dr. Sophie Fukutome, Heinz Maurer, Lysiane Mayoraz, Dr. Simon Scherrer, Thomas Schlegel Oeschger Center for Climate Change Research, Universität Bern: Dr. Ole Rössler Zitiervorschlag Badoux, A.; Hofer, M.; Jonas, T. (Red.) 2013: Hydrometeorologische Analyse des Hochwasser- ereignisses vom 10. Oktober 2011. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL; Davos, WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF; Zürich, Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz; Bern, geo7, geowissenschaft- liches Büro; Bern, Bundesamt für Umwelt BAFU. 92 S. Weitere Informationen Alexandre Badoux Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf www.wsl.ch/fe/gebirgshydrologie/wildbaeche/projekte/unwetter2011 © Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf, 2013 Titelfoto In Wiler (Lötschen) VS trat der Milibach am 10. Oktober über die Ufer (Jules Seiler, Geoplan AG).
3 Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 Zusammenfassung 7 Résumé 9 1 Einleitung 11 1.1 Das Ereignis im Überblick 11 1.2 Schäden 11 1.3 Planung der Studie 12 1.4 Vertiefte Untersuchungen in zwei Fokusgebieten 13 1.5 Module 14 1.6 Ziele 14 2 Meteorologie / Klimatologie 17 2.1 Synoptische Analyse 17 2.2 Niederschlag 20 2.3 Analyse der Modellvorhersage 25 2.4 Vorhersagen / Warnungen aus meteorologischer Sicht 31 2.5 Historische Analogfälle 32 3 Schneehydrologie 37 3.1 Fragestellungen 37 3.2 Methodisches Vorgehen 37 3.3 Die Ausgangslage am 9. Oktober 39 3.4 Die Witterungsverhältnisse aus Sicht der Schneehydrologie 40 3.5 Wirkung der Schneedecke auf die Abflussbildung 42 3.6 Die Schneeschmelze 44 3.7 Beitrag der Schneeschmelze zur Abflussbildung 47 3.8 Zusammenfassung 50 3.9 Analyse und Vorhersagbarkeit derartiger Ereignisse 52 4 Hydrologie 55 4.1 Fragestellungen 55 4.2 Methoden und Daten 55 4.3 Resultate 58 4.4 Diskussion 68 4.5 Fazit 71
4 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 5 Operationelle Abflussmodelle 73 5.1 Vorhersage und Warntätigkeit 73 5.2 Güte der operationellen Vorhersage allgemein und für die Kander 75 5.3 Analyse der Vorhersageresultate 76 5.4 Schlussfolgerungen 81 6 Synthese 83 6.1 Ereignisverlauf 83 6.2 Bewertung der Vorhersagen und der Warntätigkeit 86 6.3 Optimierungsmöglichkeiten für die Zukunft 87 7 Literaturverzeichnis 91
5 Vorwort Das Hochwasser vom 10. Oktober 2011 kam völlig überraschend und hinterliess massi- ve Spuren im Lötschental und im Berner Oberland. Der Gesamtschaden fiel deutlich geringer aus als bei den Ereignissen im August 2007, August 2005 oder Mai 1999. Trotz- dem hat das Unwetterereignis viele Fragen aufgeworfen. Die Kombination von ausgie- bigen Niederschlägen und rasch ablaufender Schmelze der Schneedecke ist zumindest im Herbst sehr selten. Erstaunlich dabei ist die Tatsache, dass an sich nicht ausserge- wöhnliche Niederschlagsmengen und Schneeschmelzraten in gewissen Gebirgsflüssen eine derart starke Abflussreaktion mit sehr hohen Abflussspitzen verursachten. Eben- falls bemerkenswert sind die regionalen Unterschiede im Ausmass des Hochwasserer- eignisses. Diesen Fragen gingen die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, die MeteoSchweiz, die Abteilung Hydrologie des Bundesamtes für Umwelt BAFU und das Büro geo7 in einer vom BAFU finanzierten überregionalen hydrometeorologischen Ereignisanalyse nach. Das Hochwasserereignis wurde aus meteorologischen und schneehydrologischen Gesichtspunkten genau durchleuchtet und die regionalen Unterschiede wurden in den abgelaufenen Prozessen aufgezeigt. Dabei hat sich herausgestellt, dass akuter For- schungsbedarf hinsichtlich solcher Regen-auf-Schnee-Hochwasser besteht. Die gute, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der MeteoSchweiz, dem BAFU und dem SLF stimmt uns jedoch zuversichtlich, dass wir das Zusammenwirken von Meteorolo- gie und (Schnee-) Hydrologie bei zukünftigen Extremsituationen schneller analysieren und verstehen können. Die vorliegende Analyse ist das Resultat eines gemeinsamen Efforts, und wir möch- ten an dieser Stelle allen Personen danken, die zum Gelingen des Schlussberichtes bei- getragen haben. Die enge Zusammenarbeit im Rahmen früherer Hochwasserereignisse hat zur zielorientierten und partnerschaftlichen Ausführung der Untersuchungen bei- gesteuert und wird auch die Umsetzung der erarbeiteten Erkenntnisse fördern. Christoph Hegg Josef Hess Stv. Direktor Vizedirektor Eidg. Forschungsanstalt WSL Bundesamt für Umwelt BAFU
7 Zusammenfassung Das Unwetterereignis vom 10. Oktober 2011 verursachte im Wallis, im Berner Ober- land und in der Zentralschweiz Schäden in Gesamthöhe von gut 85 Mio. CHF. Das dem Hochwasser zugrundeliegende klimatologische Ereignis kann in drei Phasen eingeteilt werden: eine Kaltfront am 6./7. Oktober, eine Stauphase mit starkem Schneefall und schliesslich eine Warmfront am 9./10. Oktober mit ausgiebigen Niederschlägen und ei- nem schnellen Anstieg der Nullgradgrenze. Durch die Kombination der Niederschläge und der rasch ablaufenden Schmelze der Schneedecke wurden in mehreren Wildbä- chen und Gebirgsflüssen hohe Abflüsse generiert. Stark betroffen waren dabei vor al- lem das Lötschental und das Kandertal. Nach dem Ereignis gab das Bundesamt für Umwelt BAFU der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL gemeinsam mit der Me- teoSchweiz und dem Büro geo7 eine überregionale hydrometeorologische Ereignis- analyse in Auftrag. Ziel der Untersuchung ist das bessere Verständnis der während des Ereignisses abgelaufenen meteorologischen, schneehydrologischen und hydrologi- schen Prozesse und die Beurteilung der erfolgten hydrologischen Vorhersagen. Die überregionale Ereignisanalyse wurde konzentriert auf zwei Fokusgebiete bearbeitet: (1) das Hauptschadensgebiet im Berner Oberland und Lötschental sowie (2) das Ein- zugsgebiet der Linth und das Schächental. Die Analysen ergaben, dass Niederschlagssummen und Schneeschmelzraten wäh- rend des Ereignisses separat betrachtet zwar hoch, aber keineswegs aussergewöhnlich waren. In Kombination führten sie jedoch zu teilweise kritischen Abflusssituationen. Die unterschiedliche Abflussreaktion mit sehr hohen und seltenen Spitzen im Westen und geringeren, moderaten Abflussjährlichkeiten in der Zentralschweiz und im Osten ist weitgehend durch regionale Unterschiede verschiedener Faktoren und Prozesse während des Unwetters zu erklären. a) Vor Einsetzen des Regens führten die Schneefälle während der Stauphase zu deut- lich grösseren Schneemengen in den nordöstlichen Gebieten der Schweizer Alpen als im Westen. Die während der Wärmephase gefallenen Niederschlagsmengen wa- ren in allen Gebieten der Schweiz ungefähr ähnlich hoch. Jedoch fiel der Regenan- teil am Niederschlag im westlichen Fokusgebiet deutlich höher aus als im Bereich des östlichen Fokusgebietes. b) Die Kombination von Wind, hoher Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit während der Warmfront sorgte für beträchtliche turbulente Wärmeflüsse, die den Hauptanteil der Energie für eine intensive Schneeschmelze lieferten. Die geringere Mächtigkeit der Schneedecke und die anfängliche Durchfeuchtung, führten im Lötschen- und Kandertal zur geringeren Aufnahmekapazität von Regen und Schmelzwasser sowie zur schnelleren Abflussbereitschaft als im östlichen Fokusgebiet. Generell kann der Beitrag der schmelzenden Schneedecke durchaus als bedeutend taxiert werden. Be- zogen auf das Abflussvolumen spielte er im Vergleich zu den Niederschlägen aller- dings eine untergeordnete Rolle. c) Die simulierte Dynamik der Bodenfeuchte zwischen dem 6. und 13. Oktober zeigt für alle Einzugsgebiete ein ähnliches Bild (nicht vollständige Sättigung der Böden) und somit am 9. Oktober theoretisch eine ähnliche Grundbereitschaft zur Abfluss- bildung. Da die Reaktionszeiten der Abflüsse auf den Niederschlag relativ kurz wa- ren, müssen rasche Abflussprozesse eine wesentliche Rolle gespielt haben, was durch die Abflusssimulationen bestätigt wird. Die Bedingungen und Faktoren, die zu schnell anspringenden Abflussprozessen führten, sind aber grösstenteils unbekannt, und es bleibt eine offene Frage, weshalb die Abflussbereitschaft derart hoch war. Leider stehen zur Verifikation der Bodenfeuchtesimulationen keine regional aussa- gekräftigen Messungen zur Verfügung.
8 Aus meteorologischer Sicht wurden der Ereignisablauf und die Niederschlagssumme des Gesamtereignisses vom 6. bis am 10. Oktober in den Prognosen gut erfasst. Der starke Niederschlag während der entscheidenden Warmphase wurde jedoch weitge- hend unterschätzt. In der Schneefrühwarnung für das Gesamtereignis wurde die Wahr- scheinlichkeit für ergiebige Neuschneesummen im westlichen Fokusgebiet und speziell im Lötschental leicht unterschätzt. Aufgrund der Simulationen der Wettermodelle vor dem Ereignis wurde am 6. Oktober die Wetterwarnstufe 3 (erhebliche Gefahr) für die Gesamtperiode bis zum 10. Oktober ausgegeben. Die auf den meteorologischen Modellen basierten Berechnungen mit dem hydrolo- gischen Modell HBV unterschätzten die Spitzenabflüsse deutlich. Daher fielen die Ab- flussvorhersagen des BAFU denn auch wenig alarmierend aus. Die unzureichenden Abflussvorhersagen wurden jedoch nicht ausschliesslich aufgrund der Niederschlags- unterschätzung verursacht, sondern führen auch die unzulängliche Repräsentation der Niederschläge durch Interpolation und die zu wenig komplexe Prozessabbildung im hydrologischen Modell vor Augen. Dieses Problem ist bekannt, und das BAFU ist zur- zeit im Begriff, neben dem HBV hochaufgelöste hydrologische Modelle in ihren opera- tionellen Betrieb aufzunehmen. In welchem Ausmass die hydrologischen Vorhersagen durch den Einsatz solch detaillierterer Ansätze bei Ausnahmefällen wie dem Hochwas- ser vom 10. Oktober 2011 profitieren, lässt sich allerdings noch nicht beurteilen. Bereits umgesetzt sind heute organisatorische Massnahmen zur Verbesserung der Früherken- nung derartiger Regen-auf-Schnee-Ereignisse. So unterstützt der operationelle schnee- hydrologische Dienst des SLF die Hochwasservorhersage des BAFU neu ganzjährig mit Daten und Prognosen zur Schneeschmelze. Es wird vorerst mit Sicherheit schwierig bleiben, kombinierte Regen-auf-Schnee- Ereignisse mit hoher Genauigkeit zu prognostizieren und rechtzeitig davor zu warnen. Die Gründe dafür liegen hauptsächlich in den eingeschränkten Vergleichsmöglichkei- ten mit derart seltenen Ereignissen, den Limitierungen bei der Genauigkeit von Model- linputdaten und der noch zu wenig detaillierten Prozessabbildung in den Abflussmo- dellen. Deshalb liefern prozessübergreifende Untersuchungen wie die vorliegende Ereignisanalyse wertvolle Impulse für eine verbesserte Beurteilung zukünftiger Regen- auf-Schnee-Ereignisse.
9 Résumé Les intempéries du 10 octobre 2011 ont provoqué des dommages atteignant 85 millions de francs en Valais, dans l’Oberland bernois ainsi qu’en Suisse centrale. L’événement climatologique à l’origine de la crue peut être décomposé en trois phases : un front froid le 6/7 octobre, une phase de situation de barrage avec de fortes chutes de neige et fina- lement un front chaud le 9/10 octobre avec des précipitations abondantes et une éléva- tion rapide de la limite du zéro degré. La combinaison de précipitations et de fonte ra- pide du manteau neigeux a généré des débits élevés dans de nombreux torrents et fleuves alpins. Plus qu’ailleurs, le Lötschental et le Kandertal ont été fortement touchés. Suite à cet événement, l’Office fédéral de l’environnement OFEV a donné à l’Institut fédéral de recherche WSL le mandat d’établir une analyse hydrométéorologique supra- régionale en collaboration avec MétéoSuisse et le bureau geo7. La recherche avait pour objectif d’offrir une meilleure compréhension des processus météorologiques, hydroni- vologique et hydrologiques qui ont pris place lors de l’événement ainsi que d’évaluer les prévisions hydrologiques. L’analyse hydrométéorologique suprarégionale s’est concentrée sur deux régions cibles : (1) la région la plus touchée par les dommages dans le Lötschental et l’Oberland bernois ainsi que (2) les bassins versants de la Linth et du Schächen. Les analyses ont montré que, considérés séparément, les précipitations totales et les taux de fonte des neiges durant l’événement étaient certes élevés mais en aucun cas exceptionnels. Leur combinaison a toutefois provoqué des situations où les débits étaient critiques. La réponse hydrologique différenciée avec des débits de pointe élevés et rares à l’ouest et des débits de fréquence modérée en Suisse centrale et orientale, s’explique par des différences régionales entre les divers facteurs et processus durant l’événement : a) les chutes de neige durant la période de barrage avant l’arrivée de la pluie ont été nettement plus abondantes au nord-est des Alpes qu’à l’ouest. Les précipitations de pluie élevées durant la période chaude ont été approximativement identiques dans toute la Suisse. Cependant, la part de pluie dans les précipitations a été bien plus élevée dans la région cible ouest que dans celle de l’est. b) la combinaison de vent, de température élevée et d’humidité de l’air durant le front chaud a assuré un flux considérable de chaleur turbulente, qui a livré la majeure partie de l’énergie nécessaire pour une fonte de neige intensive. Dans le Lötschental et le Kandertal, la faible épaisseur du manteau neigeux et son humidification initiale ont conduit à une faible capacité d’absorption de pluie et d’eau de fonte et à une réponse hydrologique plus rapide que dans la région cible orientale. De manière générale, la contribution de la fonte du manteau neigeux peut être qualifié de tout à fait significative. Cependant, lorsque cette comparaison porte sur les volumes d’écou- lement, cette contribution est secondaire par rapport à celle des pluies. c) La simulation de la dynamique de l’humidité des sols entre le 6 et le 13 octobre don- ne une image similaire (de saturation incomplète) dans tous les bassins versants et ainsi théoriquement une disposition similaire pour la formation de l’écoulement le 9 octobre. Comme les temps de réaction des débits aux précipitations ont été relative- ment courts, il faut supposer que les processus d’écoulement rapide ont dû jouer un rôle marquant, ce qui se confirme par la modélisation des débits. Les conditions et les facteurs qui ont conduit à ces processus hydrologiques rapides sont en grande partie inconnus et la question demeure ouverte de savoir pourquoi la disposition à générer des débits était si élevée. Malheureusement aucune mesure pertinente n’est disponible régionalement pour vérifier les simulations de l’humidité du sol.
10 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 Au plan météorologique, le déroulement de l’événement et les quantités de précipita- tions sur sa durée totale du 6 au 10 octobre ont été bien saisis par les prévisions. Les fortes précipitations durant la phase chaude déterminante ont cependant été largement sous-estimées. L’avis de chute de neige pour l’événement a sous-estimé légèrement la probabilité de somme élevée de neige nouvelle dans la région cible occidentale, spécia- lement dans le Lötschental. Les simulations du modèle météorologique avant l’événe- ment ont conduit le 6 octobre à l’émission d’un avis d’intempérie de degré 3 (danger marqué) pour toute la période jusqu’au 10 octobre. Le modèle hydrologique HBV, basé sur les modèles météorologiques, a largement sous- estimé la pointe de crue. Les prévisions du débit de l’OFEV n’étaient donc pas alarmantes. Les prévisions trop faibles du débit n’étaient pas uniquement dues à la sous-estimation des quantités de précipitations, mais aussi à la représentation insuffi- sante des précipitations lors de l’interpolation des données des stations météorolo- giques et à la reproduction des processus pas assez complexe dans le modèle hydrolo- gique. Ce problème est connu et l’OFEV est en train d’intégrer au système opérationnel, en plus du modèle HBV, d’autres modèles hydrologiques à plus haute résolution. Tou- tefois, il est encore difficile de juger, dans quelles proportions les prévisions hydrolo- giques seront améliorées par la mise en fonction des modèles détaillés lors de cas de crues exceptionnelles comme celle du 10 octobre 2011. Des mesures organisationnelles ont déjà été entreprises afin d’améliorer le diagnostic précoce de ce genre d’événement pluie sur neige. Par exemple, le service opérationnel d’hydrologie nivale du SLF se- conde l’OFEV maintenant toute l’année avec des données et des prévisions concernant la fonte de la neige. Il restera certainement difficile dans un avenir proche de prévoir avec précision un événement de pluie sur neige et d’en avertir à temps. Les raisons en sont principale- ment le manque de référence avec des événements comparables aussi rares, les limita- tions dans la précision des données pour les modèles et la description encore trop peu détaillée des processus de formation des débits dans les modèles hydrologiques. Dès lors de telles analyses sur l’interaction des processus peuvent donner des impulsions pour une meilleure évaluation des événements futurs de pluie sur neige.
11 1 Einleitung 1.1 Das Ereignis im Überblick Das Unwetterereignis vom Oktober 2011 im Kander- und Lötschental sowie in Teilen der Zentral- und Ostschweiz ist von der Klimatologie her als ein aussergewöhnliches Ereignis einzustufen. Es lässt sich in drei charakteristische Hauptphasen einteilen, wel- che vom Donnerstag 6. Oktober bis zum Montag 10. Oktober aufeinanderfolgten: (1) eine Kaltfront am 6. / 7. Oktober, (2) eine längere Stauphase mit starkem Schneefall bis auf rund 1000 m ü. M. und abschliessend (3) eine Warmfront am 9./ 10. Oktober, die ei- nen schnellen Anstieg der Nullgradgrenze und ausgiebige, weitgehend flüssige Nieder- schläge mit sich brachte. Zu den lang andauernden Niederschlägen der Warmfront kam das schnelle Abschmel- zen der Schneedecke, wodurch in mehreren Gebirgsflüssen beträchtliche Abflüsse generiert wurden. Dabei wurden im Verlaufe des 10. Oktobers verschiedene Regionen im Kanton Wallis sowie im angrenzenden Berner Oberland teilweise schwer in Mit- leidenschaft gezogen. In der Zentralschweiz (v. a. Nid- und Obwalden) und in der Ost- schweiz (Glarnerland) hingegen fielen die Schäden eher kleiner und lokal beschränkt aus (Andres et al. 2012). Gesamthaft betrugen die Schadenskosten gut 85 Mio. CHF. 1.2 Schäden Im Wallis wurde das Lötschental, wo zahlreiche Gebäude- und Flurschäden zu ver- zeichnen waren, besonders hart getroffen. Nach dem Ereignis mussten Verkehrswege, Strom- und Trinkwasserversorgungen vor dem Wintereinbruch wieder instand gestellt werden. Entlang der Lonza wurden ganze Uferbereiche untergraben und teilweise weggespült sowie mindestens zehn Brücken zerstört. In Blatten richtete der Bach Gisen- tella, welcher mitten durch das Dorf verläuft, die grössten Schäden an. Unter anderem wurden ein Spielplatz und ein Parkplatz verwüstet und die Kanalisation mit Schlamm und Geröll gefüllt. Die Strasse Blatten-Fafleralp war an drei Stellen zerstört und die Verbindung Blatten-Wiler vom Tennbach mit Unmengen an Geschiebe zugeschüttet. In Wiler suchte sich der Milibach auf der Breite von mehreren hundert Metern ein neues Bachbett und überschüttete die Kantonsstrasse ebenfalls mit Geröll. Der Sport- platz, eine Freizeitanlage, ein Getränkedepot sowie Teile der Wasserversorgung wurden in Mitleidenschaft gezogen. Auch der Grafenbach trat über die Ufer und überschwemm- te z. B. die Kantonsstrasse nach Kippel. In Kippel wurde die Strassengalerie vom Golm- bach zugeschüttet, blieb aber stabil. Die Strasse zur Abwasserreinigungsanlage (ARA) wurde auf 100 m weggerissen. Zudem erlitt eine Viehstallung einen Totalschaden und der Sport- sowie der Campingplatz wurden beschädigt. In den drei Ortschaften Kippel, Wiler und Blatten evakuierten die Sicherheitskräfte vorsorglich ein gutes Dutzend Häuser. Im Stausee Ferden wurden rund 200 000 m3 Geschiebe und Sedimente abgela- gert. Grundablass und Triebwasserfassung wurden überschüttet und Material in die Triebwasserleitung eingetragen. Die Schäden an der Staumauer erwiesen sich zudem als beträchtlich. Glücklicherweise kamen während des Unwetters im Lötschental keine Personen zu Schaden. Weiter flussabwärts trat die Lonza in Gampel-Steg über die Ufer und verursachte grossen Schaden an der Zentrale des Kraftwerks Lötschen. Weitere schwere Schäden traten in der Region Sierre-Salgesch entlang der Raspille auf. Zudem wurde in der Region Leuk das Elektrizitätswerk durch die Dala in Mitleidenschaft gezogen. Die Geoplan AG (2012) gibt eine detaillierte Zusammenfassung zu den im Lötschental
12 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 abgelaufenen Schadensprozessen. Zur Dala, Raspille und Sinièse wurden ebenfalls Er- eignisanalysen erarbeitet (arge Ereignisanalyse Dala 2012; BINA Engineering SA 2012; Rudaz+Partner AG 2012). Im Kanton Bern war vor allem das Kandertal betroffen. Strassen, Schienen, Brücken und Gebäude wurden beschädigt und zerstört sowie Landwirtschaftsland verschüttet. Am Nachmittag des 10. Oktobers verliess die Kander aufgrund einer Verklausung im Bereich unter dem Bühl (Gemeinde Kandergrund) ihr Bett und floss über die Schloss- weid und durch den Lawinenschutztunnel Mitholz. Autos und Baumstämme wurden durch den Tunnel geschwemmt und die Wassermassen rissen den gesamten Strassenbe- lag mit. In der Gemeinde wurden auch viele Wanderwege zugeschüttet oder zerstört. Ebenfalls stark verwüstet wurde die BLS-Strecke unterhalb des Bahnhofs Blausee- Mitholz. Die Blauseekurve musste auf einem Streckenstück von einem guten Kilome- ter Länge komplett saniert werden. In der Gemeinde Kandersteg war das Gasterntal besonders betroffen, wo die Behörden alle Bewohner evakuierten. Mehr als 250 000 m3 Geschiebematerial wurden umgelagert, was die Zerstörung von ca. zwei Drittel der dortigen Infrastruktur zur Folge hatte. Rund zwölf Gebäude sowie Strassen wurden beschädigt und die meisten Brücken im Tal zerstört. Talabwärts waren in Frutigen un- gefähr 100 Liegenschaften vom Hochwasser betroffen, ganz besonders der Ortsteil Kanderbrück. Bei der Kanderbrücke erlitt eine Hauptleitung der Wasserversorgung einen Unterbruch und auch die ARA hatte Schäden zu verzeichnen. Auch anderenorts im Berner Oberland wurden Bahnstrecken, Strassen und Uferböschungen beschädigt. Im Sandweidli vor Lauterbrunnen uferte die Weisse Lütschine aus, setzte die Strasse unter Wasser und verursachte Unterspülungen am Bahntrassee. Vor Zweilütschinen (Gemeinde Gündlischwand) erodierte die Weisse Lütschine mehrere 1000 m3 Land, wobei in der Folge der Schienenstrang der BOB über eine Länge von 50 m in der Luft hing. Erdrutsche im Bereich Grindelwald führten zu Beschädigungen an Leitungen und zu einem kurzzeitigen Stromausfall. Schliesslich unterspülte im Haslital die Aare das Trassee der Zentralbahn zwischen Meiringen und Brienzwiler und überschwemmte dieses auf mehreren hundert Metern. Die Dokumentation der Schäden im Kandertal und in den Lütschinentälern ist in den entsprechenden Lokalen Lösungsorientierten Ereignisanalysen (LLE) enthalten (LLE Kander 2013 und LLE Lütschine 2013; beide in Bearbeitung). In der Zentralschweiz wurde das Bahntrassee zwischen Dallenwil und Grafenort (NW) an mehreren Stellen überflutet. In Engelberg (OW) trat die Engelberger Aa über die Ufer und überschwemmte Liegenschaften und Kulturland. Weitere Schäden traten im Kanton Glarus auf, wo z. B. Murgänge die Wildbachsperren der Guppenruns in Schwanden teils beschädigten oder zerstörten. Im Toggenburg traten die Thur und zahl- reiche Wildbäche im Raum Wildhaus − Alt St. Johann (SG) über die Ufer. Eine gesamt- schweizerische Übersicht der Schäden während des Hochwasserereignisses vom 10. Oktober ist in Andres et al. (2012) gegeben. 1.3 Planung der Studie Die betroffenen Kantone, hauptsächlich das Wallis und der Kanton Bern, beauftragten nach dem Unwetterereignis umgehend private Büros mit der Dokumentation der Scha- densprozesse vor Ort sowie mit der Analyse der Niederschläge und hydrologischen Prozesse in den Gerinnen. Aus diesen Arbeiten geht hervor, dass vor allem die genaue Rolle der Schneedecke während des Ereignisses, die Kombination von Niederschlag und Schmelzwasser bei der Abflussbildung sowie die Ausgangsbedingungen der Bo- denfeuchte Fragen aufwerfen. Unklar war auch, weshalb die statistischen Wiederkehr- perioden der Niederschläge und der Abflüsse in den betroffenen Gebieten, vor allem im Berner Oberland (z. B. im Kandertal und in den Lütschinentälern), bedeutende
Einleitung 13 Diskrepanzen aufweisen. Während die Jährlichkeit des auslösenden Niederschlages am 9. /10. Oktober im Bereich von einigen Jahren liegt, bewegt sich jene der beobachteten Abflüsse im Bereich von 50 bis 300 Jahren. Es besteht folglich der Bedarf an einer mehrstufigen und überregionalen Untersuchung zur Beantwortung dieser offenen Fragen. Dementsprechend entschloss der durch das Bundesamt für Umwelt BAFU vertretene Bund, eine hydrometeorologische Ereignisanalyse in Auftrag zu geben, wel- che neben der Bearbeitung der Hauptthemen Meteorologie, Schneehydrologie und Einzugsgebietshydrologie auch die Aspekte der Vorhersage und Warnung beleuchten soll. Die nachträgliche Bewertung der erfolgten meteorologischen und hydrologischen Vorhersagen wurde als besonders wichtig taxiert, nicht zuletzt weil die verantwortli- chen Stellen auf den Ebenen Bund und Kantone vom lokal und regional teils heftigen Ausmass des Ereignisses weitgehend überrascht wurden. Durch den überregionalen Charakter der vom BAFU in Auftrag gegebenen Studie wird gewährleistet, dass sämt- liche im Oktober 2011 betroffenen Kantone und Regionen von den erarbeiteten Resul- taten und Schlüssen profitieren können. Die Analyse der wasserbaulichen Aspekte des Hochwasserereignisses ist nicht integraler Bestandteil der vorliegenden Untersuchung und bleibt im Verantwortungsbereich der Kantone. 1.4 Vertiefte Untersuchungen in zwei Fokusgebieten Um die erarbeiteten Erkenntnisse und Resultate miteinander vergleichbar zu machen, wurde in der Startsitzung des Projektes entschieden, die Untersuchungen weitgehend auf zwei verschiedene Fokusgebiete zu konzentrieren. Die Wahl des ersten Fokusgebie- tes fiel einfach aus, da sie durch den Projektauftrag zur Ereignisanalyse vorgegeben ist: das Fokusgebiet 1 umfasst die schwer in Mitleidenschaft gezogenen Talschaften der Kander und der Lonza, welche das Hauptschadensgebiet des Unwetterereignisses dar- stellen. Mit der Bestimmung eines geeigneten zweiten Fokusgebietes sollte ein prozess- spezifisch möglichst aufschlussreicher Vergleich mit dem Fokusgebiet 1 gewährleistet werden. Dabei war erstens wichtig, dass die beiden Fokusgebiete eine ähnliche Gebiets- struktur aber unterschiedliche Schadensausmasse infolge des Ereignisses aufweisen. Gesucht waren demnach zwei über eine hohe und vorzugsweise teilvergletscherte Gip- felregion verbundene Talschaften ähnlicher Grösse und topografischer Ausprägung auf der Alpennordseite, die nur moderat von Schadensprozessen betroffen worden waren. Zudem sollten sich die meteorologischen Verhältnisse in den beiden Gebieten mög- lichst kontrastieren, wobei eine gute Datenverfügbarkeit vorausgesetzt wurde. Die vom WSL / SLF erarbeiteten Vorschläge wurden von allen Projektbeteiligten evaluiert und diskutiert. Schliesslich fiel die Wahl des Fokusgebiets 2 auf das Glarnerland (Einzugs- gebiet der Linth) und das Schächental (Abb. 1). Im Vergleich liegen beide Fokusgebiete in einem Bereich mit ähnlich ausgiebigen Niederschlägen über die Gesamtdauer des Ereignisses (6. bis 10.10.). Allerdings liegt der Schneeanteil am Gesamtniederschlag im östlich gelegenen Fokusgebiet 2 deutlich höher als im Fokusgebiet 1, was auf laterale Temperaturunterschiede (vor allem vom 9. auf den 10. Oktober) mit tieferen Temperaturen im Osten zurückzuführen ist. Dement- sprechend herrschten nach dem Ereignis, am Morgen des 11. Oktobers, unterschiedliche mittlere Schneehöhenverteilungen in den beiden Fokusgebieten. Im Osten (Fokusge- biet 2) war die verbleibende Schneedecke deutlich höher als im Westen (Fokusgebiet 1, vgl. WSL / SLF 2013). Was das Schadensausmass angeht, war das Fokusgebiet 1 mit Kos- ten von knapp 45 Mio. CHF eindeutig stärker betroffen als das Fokusgebiet 2. Die Unwetterschäden betrugen dort zwar gut 10 Mio. CHF, sie waren aber fast ausschliess- lich auf die schweren Beschädigungen in der Guppenruns (Schwanden, GL) zurückzu- führen. Im Schächental fielen durch das Ereignis kaum Kosten an.
14 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 Abb. 1.1: Lokalisierung der Fokusgebiete in der Schweizer Karte. Rot markiert sind das Fokusgebiet 1 mit den Einzugsgebieten der Kander (1a) und der Lonza (1b) sowie das Fokusgebiet 2 mit den Einzugs- gebieten der Linth (2a) und des Schächens (2b). Hinterlegt ist die Karte des 120-Stundenniederschlags vom 6. 10. 2011 um 06:00 Uhr bis zum 11.10.2011 um 06:00 Uhr. 1.5 Module Zur Bearbeitung der Ereignisanalyse wurden die Arbeiten und Untersuchungen in vier Module eingeteilt: (1) Meteorologie/Klimatologie; (2) Schneehydrologie; (3) Hydrolo- gie; und (4) Operationelle Abflussmodelle. Entsprechend ist auch der vorliegende Ab- schlussbericht strukturiert. Die wichtigsten Resultate jedes einzelnen Moduls werden je in einem der folgenden vier Kapitel abgehandelt. Der letzte Abschnitt umfasst die Synthese der vier Module und die Schlussfolgerungen. 1.6 Ziele Die vorliegende überregionale Ereignisanalyse umfasst zwei Hauptziele: (1) das Ver- ständnis der während des Ereignisses abgelaufenen schneehydrologischen und hydro- logischen Prozesse und (2) die Beurteilung der meteorologischen und hydrologischen Vorhersagen aus nachträglicher Sicht. Der zweite Punkt umfasst auch die Bewertung der Optimierungsmöglichkeiten in Bezug auf Vorhersage und Warnung und die Beant- wortung der Frage, ob überhaupt vor Ereignissen wie dem im Oktober 2011 gewarnt werden kann. Zur Erreichung der beiden Hauptziele wurden die unten aufgelisteten Arbeitsschritte behandelt: i) Die Zusammenstellung der zur Analyse notwendigen Daten (meteorologische Daten der MeteoSchweiz und anderer Stationsbetreiber, schneehydrologische Daten des WSL-Institutes für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Abflussdaten des BAFU, kantonaler und privater Stationsbetreiber). ii) Die Durchführung der statistischen Frequenzanalyse der registrierten Nieder- schläge und Abflussspitzen.
Einleitung 15 iii) Die Beurteilung der Ausgangsbedingungen vor dem Ereignis. iv) Die Beschreibung der zeitlichen und räumlichen Verteilung der Niederschläge (in Form von Schnee und von Regen) die zum Unwetterereignis führten. v) Die Beschreibung des Aufbaus der Schneedecke vom 7. bis 9. Oktober (Angaben zum Schneewasseräquivalent und zur Höhe der Schneedecke) und der nachfol- genden Schneeschmelze am 9. und 10. Oktober. vii) Die Beurteilung der Abflüsse während des Unwetterereignisses. viii) Das Erarbeiten der Faktoren, die zum beobachteten räumlich differenzierten Er- eignisablauf und Schadensbild geführt haben.
17 2 Meteorologie / Klimatologie 2.1 Synoptische Analyse Das Ereignis vom 6. bis 10. Oktober 2011 kann in drei Hauptphasen eingeteilt werden: Die Kaltfront am 6., anschliessend eine längere Stauphase bis am 9. und die abschlies- sende Warmfront am 10. Oktober. 2.1.1 Wetterlagenanalyse Vor dem Hochwasserereignis herrschte zwischen dem 20. September und dem 6. Okto- ber eine praktisch ununterbrochene Hochdrucklage. Dabei schien häufig die Sonne und die Temperaturen stiegen nochmals auf spätsommerliche Werte an. Am Donners- tag 6. Oktober zog sich das bisher bestimmende Hochdruckgebiet «Sepideh» auf den Atlantik zurück. Gleichzeitig dehnte sich eine in den letzten Tagen mit Unterstützung des ehemaligen Wirbelsturms «Ophelia» gebildete umfangreiche Tiefdruckzone «Im- manuel» rasch gegen Mitteleuropa aus. Der Kern des Tiefs zog bis am Freitagmittag (7.10.) unter Verstärkung nach Nordskandinavien. Die zum Tief gehörende aktive Kalt- a) b) c) d) Abb. 2.1: Bodenwetterkarten vom 6.10.2011 (a), 7.10.2011 (b), 9.10.2011 (c), alle Karten jeweils 12:00 UTC (Quelle MeteoSchweiz). d) Herkunft der Luftmassen am 10.10.2011 06:00 UTC auf dem Jungfrau- joch (Quelle wetter3.de auf der Basis des Amerikanischen Vorhersagemodells GFS).
18 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 frontstörung zog rasch von Nordwest nach Südost über Europa hinweg. Sie überquerte die Alpen zwischen dem späten Donnerstagabend (6.10.) und Freitagmorgen (7.10.), am Freitagmittag lag sie bereits über der nördlichen Adria und dem westlichen Mittel- meer. In der Folge stellte sich eine für die Jahreszeit ungewöhnlich starke und gegen die Alpen gerichtete Nordwest- bis Nordstaulage mit Schneefall bis in mittlere Lagen ein. Darin eingelagert gelangte zunächst schubweise maritime Polarluft zur Alpennordseite und staute sich dort an den Bergen. Am Montag 10. Oktober sorgte dann eine aktive Warmfront einerseits für ergiebige Niederschläge, anderseits aber auch für eine rasche und markante Erwärmung. Begleitet waren diese Störungsstaffeln von starken bis stür- mischen Nordwestwinden über den Bergkämmen. Dabei wurden in exponierten Lagen Böenspitzen von 90 bis 120 km/h gemessen. Verfolgt man die Herkunft der Luftmassen einige Tage zurück, so wird klar, wieso sie ausgesprochen warm waren. Das Quellgebiet der Luft lag südlich der Azoren bei etwa 30 ° westlicher Länge und 30 ° nördlicher Brei- te im Einflussbereich eines subtropischen Tiefdruckwirbels. Die Luft wurde anschlies- send in einem weiten Bogen – um ein ziemlich beständiges Hochdruckgebiet mit Zen- trum westlich von Portugal – über den Nordatlantik und Grossbritannien zum Alpenraum geführt. Die Zugbahnen der Luftpakete, welche am Montagmorgen (10.10.) um 06 UTC (coordinated universal time) auf dem Jungfraujoch ankamen illustrieren diesen Vorgang (Abb. 2.1). 2.1.2 Wetterablauf Nach einer längeren hochdruckbestimmten Schönwetterlage mit ausgesprochen hohen Temperaturen, die Höchsttemperaturen erreichten im Flachland 21 bis 26 Grad und auf 2000 m ü. M. rund 17 Grad, befindet sich die Nullgradgrenze am 5. und 6. Oktober 2011 bis am frühen Nachmittag noch in grossen Höhen zwischen 3500 und rund 4000 m ü. M. (Abb. 2.2). Ab 16 Uhr fällt sie bis am 7. Oktober um 1 Uhr in der Nacht beim Durchzug einer aktiven Kaltfront und einsetzendem Niederschlag zuerst in beiden Fokusgebieten Abb. 2.2: Wetterablauf vom 6.10. bis 10.10.2011. Für die Darstellung des groben Niederschlagverlaufs wurden die Messwerte von Adelboden aus dem Fokusgebiet 1 verwendet. Der Verlauf im Niederschlags- gebiet 2 ist sehr ähnlich. Die Nullgradgrenzen, wie auch deren Unsicherheit (farbige Flächen) wurden mit Hilfe von Messstationen aus den Regionen (MeteoSchweiz, WSL/SLF) und einer linearen Regression geschätzt (vgl. Abschnitt 2.3.1).
Meteorologie / Klimatologie 19 Abb. 2.3: Schneesituation am 9.10.2011 in Braunwald mit beginnender Schneeschmelze nach dem Mittag (Quelle: Daniel Gerstgrasser). auf rund 2800 m ü. M., bevor sie dann ab 1 Uhr begleitet von Niederschlag sprunghaft auf rund 1500 m ü. M. sinkt und dort vom 7. Oktober ab etwa 10 Uhr mit leichten Schwankungen zwischen 1300 und 1700 m ü. M. bis am Vormittag des 9. Oktobers 2011 verharrt. Im Lötschental sinkt die Nullgradgrenze etwas langsamer bleibt dann aber auf ähnlicher Höhe konstant wie in den anderen zwei Regionen. Die Schneefallgrenze sank entsprechend je nach Region auf 800 bis 1300 m ü. M. Die Periode vom 7. bis 9. Oktober war bestimmt durch eine Nordwest- bis Nordstaulage, welche für die Jahreszeit zu be- trächtlichen Schneemengen führte. So meldete der Beobachter in Elm auf 965 m ü. M. am Sonntagmorgen (9.10.) 19 cm Neuschnee. In Arosa fielen innert 24 Stunden 48 cm Neuschnee, ein Wert, der im Oktober seit Messbeginn nur zweimal übertroffen wurde. In höheren Lagen nahm die Gesamtschneehöhe bis am Sonntagmorgen verbreitet auf 50 bis 100 cm zu. Nach einer Phase der Wetterberuhigung am Sonntag (9.10.) mit begin- nender Schneeschmelze bis 1500 m ü. M. (Abb. 2.3), setzten im Laufe des Sonntag- abends erneut intensive Niederschläge ein, welche insbesondere in den höheren Lagen des Alpennordhangs und in den Alpen bis am Montagmittag (10.10.) anhielten. Beglei- tet waren die Niederschläge von einer markanten Erwärmung. Die Nullgradgrenze stieg innerhalb von 24 Stunden von 1600 auf 3300 bis 3500 m ü. M. Der Anstieg verlief in den drei Gebieten unterschiedlich. Am 9. Oktober stieg die Nullgradgrenze zunächst im Lötschental am schnellsten an. Sie befand sich um 10 Uhr auf 2000 und um 20 Uhr auf 2500 m ü. M. Im Kandertal wurden 2000 m ü. M. erst gegen 12 Uhr und 2500 m ü. M. erst um etwa 22 Uhr erreicht. Am spätesten und langsamsten war der Anstieg im Glar- nerland und im Schächental, wo 2000 m ü. M. erst um etwa 22 Uhr und 2500 m ü. M. am 10. Oktober um 2 Uhr in der Nacht erreicht wurden. Im zweiten Teil des Anstiegs in der Nacht vom 9. zum 10. Oktober stieg die Nullgradgrenze im Kandertal besonders schnell an und erreichte 3000 m ü. M. um etwa 1:30 Uhr nachts. Im Lötschental wurden 3000 m ü. M. erst gegen 4 Uhr nachts, im Glarnerland und Schächental sogar erst zwischen 8 und 9 Uhr morgens erreicht. Bis um 13 Uhr stieg die Nullgradgrenze dann in beiden Fokusgebieten auf das Maximum mit Höhen zwischen 3300 und 3500 m ü. M. Danach verblieb sie im weiteren Tagesverlauf und am 11. Oktober zwischen 2800 und 3500 m ü. M. Die Daten der Messstationen von MeteoSchweiz und dem WSL/SLF bestätigen einerseits den markanten Temperaturanstieg in den Modellen und anderseits die zeit- lich verzögerte Erwärmung in den östlichen Landesteilen bzw. im Fokusgebiet 2. Be- gleitet war der Temperaturanstieg von starken Höhenwinden, welche während der Warmfront, je nach Höhenlage und Exposition, mittlere Geschwindigkeiten von 20 bis 60 km/h aufwiesen.
20 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 2.2 Niederschlag Die zeitliche und räumliche Verteilung der Niederschläge ist eine zentrale Grösse in der Beurteilung der Auswirkungen in den zwei Fokusgebieten. Die Betrachtung der Niederschlagsmengen und die Einordnung des Ereignisses erfolgt auf der Basis von Messstationen und flächigen Niederschlagsverteilungen. Das gesamte Ereignis sowie ausgewählte Phasen werden exemplarisch gezeigt. Für weiterführende Analysen wird auf den Fachbericht der MeteoSchweiz verwiesen (MeteoSchweiz 2013). Stationswerte: Bei allen Angaben zu Niederschlagsmengen an Messstationen han- delt es sich um die effektiv gemessenen Werte. Windeinflüsse, welche insbesondere bei Schneefall zu systematischen Unterschätzungen in den Niederschlagsmengen führen können (Undercatch), sind nicht berücksichtigt. Wie später im Kapitel Schneehydrolo- gie gezeigt wird (siehe auch WSL/SLF 2013), waren diese Windeinflüsse im vorliegen- den Ereignis massiv und führten zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Nieder- schlags von 40 bis 80 %. Gitterdaten: Die flächenhaften Darstellungen beruhen auf dem RhiresD-Datensatz der MeteoSchweiz. RhiresD stützt sich auf Messungen des täglichen Niederschlags an gut 400 Stationen im Messnetz der MeteoSchweiz. Die räumliche Analyse der Tages- niederschläge erfolgt in mehreren Schritten. (1) Räumliche Interpolation des durch- schnittlichen Monatsniederschlags (Referenzperiode 1971–1990). (2) Berechnung der relativen täglichen Abweichungen an den Stationen im Vergleich zum klimatologischen Mittel 1971 bis 1990. (3) Interpolation der relativen täglichen Anomalien. (4) Multipli- kation des resultierenden Anomaliefeldes mit dem klimatologischen Tagesnieder- schlaggitter. Bei der Interpretation von kleinskaligen Mustern in den täglichen Nieder- schlagsgittern ist deshalb zu beachten, dass diese Muster primär durch das klimatologische Referenzfeld bestimmt sind und möglicherweise nur beschränkt reprä- sentativ sind für ein Einzelereignis. Eine ausführliche Beschreibung der Methodik ist in Frei und schär (1998, Schritte 2 und 3), sowie in schwArb (2000, Schritt 1) zu finden. Für Angaben zur Genauigkeit der Methode wird auf Frei et al. (2008) verwiesen. 2.2.1 Niederschlagsmengen Im Wesentlichen kann das Ereignis bezüglich Niederschlag in drei Hauptphasen einge- teilt werden: Kaltfront, längere Stauphase und abschliessende Warmfront (Abb. 2.4). Betrachtet man die Niederschlagsmengen der einzelnen Phasen, so wird ersichtlich, dass die Unterschiede in den Gesamtniederschlagssummen zwischen den einzelnen Regionen hauptsächlich durch die Stauphase bedingt sind. In dieser Periode fiel am östlichen Alpennordhang des Fokusgebiets 2 deutlich mehr Niederschlag (Schnee) als in den westlichen Gebieten des Fokusgebiets 1. Die Unterschiede waren aber auch in- nerhalb der Fokusgebiete, insbesondere im Gebiet 2 beträchtlich. So belief sich zum Beispiel der 2-Tagesniederschlag vom 7. bis 8. Oktober in Elm auf ca. 60 mm während im gleichen Zeitraum in Braunwald gut 100 mm fielen. Der Niederschlagsschwerpunkt lag in der Stauphase im Gebiet «Muotathal–Schächental–westliches Glarnerland» (Abb. 2.5). Während der Warmfront hingegen waren die Niederschläge in allen Gebie- ten ähnlich ausgeprägt. Über das ganze Ereignis betrachtet hatten die Niederschlags- mengen ihren Schwerpunkt – wie bei solchen Wetterlagen üblich – vom Berner Ober- land über die Zentralschweizer bis zu den Ostschweizer Alpen (Abb. 2.6). Hier wurden innert fünf Tagen 100 bis 250 mm gemessen (Tab. 2.1), wobei gegen Osten hin die höhe- ren Werte registriert wurden. Insbesondere in Gebirgslagen wurden lokal auch noch höhere Werte gemessen. Bei der Betrachtung der einzelnen Phasen ist zu berücksichtigen, dass die Nieder- schlagsummen nicht exakt der Dauer der einzelnen Ereignisse entsprechen, sondern
Meteorologie / Klimatologie 21 Abb. 2.4: Grossräumige Niederschlagsverteilung während den drei Ereignisphasen (aus automatischen und manuellen Messungen). 70,0 60,0 50,0 Adelboden 40,0 Blatten, Lötschental mm 30,0 Unterschächen 20,0 Braunwald 10,0 0,0 Quelle: MeteoSchweiz 6.10 7.10 8.10 9.10 10.10 Abb. 2.5: Tägliche Niederschlagsmengen während des gesamten Ereignisses vom 6.10. 06:00 Uhr bis 11.10. 06:00 Uhr für die Stationen Adelboden, Blatten (Lötschen), Unterschächen und Braunwald. Abb. 2.6: Verteilung der Niederschläge des gesamten Ereignisses vom 6.10. 06:00 Uhr bis 11.10. 06:00 Uhr.
22 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 Tab. 2.1: Niederschlagssummen für das gesamte Ereignis und die abschliessende Warmfront in mm. Damit das ganze Ereignis abgedeckt ist, muss der 5-Tagesniederschlag bis am 11.10. verwendet werden. Für die Erfassung der Warmfront muss der 2-Tagesniederschlag gewählt werden, da das Ereignis über die Niederschlagsmessung von 06:00 Uhr UTC hinausgeht (vgl. Text). Station Höhe m ü. M. Gesamtereignis Warmfront (6.10. 06:00 Uhr bis 11.10. (9.10. 06:00 Uhr bis 11.10. 06:00 Uhr). 06:00 Uhr) Adelboden 1320 119 68 Kandersteg 1176 127 66 Blatten 1535 111 65 Leukerbad 1390 154 89 Bisistal 785 224 92 Unterschächen 1470 173 82 Elm 958 130 58 Braunwald 1330 223 68 auf die Ablesezeitpunkte der manuellen Niederschlagsstationen (06 UTC) angepasst wurden. Ohne die Berücksichtigung der manuellen Stationen wäre die räumliche Auf- lösung des Niederschlages ungenau. Zudem stehen für die historische Einordnung des Ereignisses vor 1978 nur manuelle Messungen zur Verfügung. Die Kaltfront umfasst somit den Zeitraum 6. (6 Uhr) bis 7. Oktober (6 Uhr), die Stauphase den Zeitraum 7. (6 Uhr) bis 9. Oktober (6 Uhr) und die Warmfront 9. (6 Uhr) bis 11. Oktober (6 Uhr). Statistisch betrachtet handelt es sich also bei der Stauphase und der Warmfront um 2-Tagesniederschläge, obwohl sie nur eine Dauer von gut 30 Stunden (Stauphase) bzw. sogar weniger als 24 Stunden (Warmfront) aufweisen. Die Niederschläge der Kaltfront und der anschliessenden Stauphase fielen bis in Höhenlagen von 1000 bis 1500 m ü. M. in Form von Schnee und wurden somit nicht unmittelbar abflusswirksam. Dieser Niederschlag wurde also zuerst zwischengespei- chert bevor er dann bei der abschliessenden Warmfront schmolz und zusätzlich zu den Warmfrontniederschlägen, welche bis in Höhen von ca. 3000 m ü. M. in Regen über- gingen, in die Bäche und Flüsse gelang. Der Schwerpunkt bei der Betrachtung der Nie- derschläge bzw. des Ereignisses liegt deshalb auf der Warmfront. 2.2.2 Vergleich zwischen Bodenmessungen und Niederschlagsradar Der Einbezug von Radarinformationen führt zu einer räumlichen Verfeinerung der Nie- derschlagsmuster. Lokale Gegebenheiten bzw. Unterschiede lassen sich dadurch besser erkennen. Im Jahr 2011 wurde das Radarnetz der MeteoSchweiz erneuert, was mit mehr- monatigen Ausfällen der drei Radargeräte verbunden war. Im Oktober 2011 war z. B. das La Dôle Radar nicht in Betrieb. Im Westen der Schweiz waren deshalb die Radarsignale sehr heterogen. Ein verlässlicher Einbezug der Radarinformationen für die zeitliche Dis- aggregation der gegitterten Tagesniederschlagssummen Rhiresd0 z. B. auf Stundenwerte war unter diesen Umständen zum Zeitpunkt der Analysen (2012) nicht möglich. 2.2.3 Einordnung Niederschlag mit Extremwertanalyse Mit Hilfe der Extremwertanalyse soll die Frage beantwortet werden, wie selten solche Niederschlagsereignisse sind und wie weit die teilweise 300-jährlichen Abflussspitzen einzelner Flüsse durch die Niederschlagsmengen erklärt werden können.
Meteorologie / Klimatologie 23 Wie in Abschnitt 2.2.1 ausgeführt, halten sich Niederschlagsereignisse in der Regel nicht an die vorgegebenen fixen Ablesetermine der manuellen Messstationen. Es soll daher zusätzlich untersucht werden, wie stark die Schätzung der Seltenheit eines Ereig- nisses von einer fixen Messperiode beeinflusst wird. Auf die mögliche Amplifizierung der Niederschläge durch Schmelze des zuvor gefallenen Schnees während der Warm- frontphase wird nur exemplarisch eingegangen. Die Methodik beruht auf der Annahme, dass die Maxima einer genügend grossen Zahl unabhängiger gleichverteilter Zufallszahlen der Generalised Extreme Value Ver- teilung (GEV) folgen (coles 2001). Ist dies der Fall, dann ist auch die Verteilung der Werte, die eine genügend hohe Schwelle überschreiten, bekannt. Letztere wird Gene- ralized Pareto Verteilung (GPD) genannt. Diese bildet die Grundlage für die Peaks- over-Threshold Methode (POT), welche in diesem Bericht verwendet wird. Für die Wahl des Schwellenwerts und die Bestimmung der Grösse der einzelnen Cluster wurde wo möglich die Methode von süveges und dAvison (2010) angewendet. Wo dies nicht möglich war wurde auf die graphische Methode von dAvison und smith (1990) zu- rückgegriffen. Gesamtereignis: Wie den Pareto-Diagrammen von Kandersteg und Braunwald (Abb. 2.7) entnommen werden kann, liegen die Wiederkehrperioden der 5-Tagesniederschlä- ge in beiden Fokusgebieten in der Grössenordnung von zwei bis zehn Jahren. Warmfront: Die intensiven Niederschläge während der Warmfront dauerten etwa zwölf Stunden, weshalb Wiederkehrperioden dieser Zeitgranularität grundsätzlich sehr interessant sind. In Adelboden wurde am 10. Oktober eine 12-Stunden Niederschlags- summe von 56,3 mm erreicht. Diese Summe entspricht einem 5 bis 10-jährigen Ereignis (Abb. 2.8, oben). In Glarus betrug der 12-Stunden Niederschlag 51,3 mm. Eine solche Niederschlagsmenge ist für Glarus nicht sehr aussergewöhnlich und kommt etwa jedes Jahr einmal vor (Abb. 2.8). Dasselbe gilt für die Stationen Montana und Altdorf. Für die unmittelbar in den Fokusgebieten liegenden Stationen sind keine 12-Stunden Analysen möglich, da automatische Sensoren für die notwendigen kontinuierlichen Messungen fehlen. Ein weiteres Problem ist die Kürze der Messreihen. Die automatischen Messun- gen in der Schweiz wurden ab 1978 eingeführt. Die Schätzung insbesondere von langen Wiederkehrperioden ist bei solch kurzen Datenreihen mit grossen Unsicherheiten be- haftet und entsprechend vorsichtig zu interpretieren. Aufgrund dieser beiden Punkte ist eine Auswertung der reinen Ereignisdauer (ca. 12–14 h je nach Station) in den Fokus- a) b) Abb. 2.7: Pareto-Diagramm des 5-Tagesniederschlags an den Stationen Kandersteg (a) und Braunwald (b) über die Periode 1961 bis 2011. Blau: beste Schätzung. Grün: Konfidenzintervalle. 5-Tagesniederschlag vom 6.10. 06:00 Uhr bis 11.10. 06:00 Uhr: Kandersteg: 127,0 mm, Braunwald: 222,6 mm (vgl. Tab. 2.1).
24 Hochwasser vom 10. Oktober 2011 a) b) c) d) Abb. 2.8: a) Pareto-Diagramm des 12-Stundenniederschlags an den Stationen Adelboden (1981–2011) und b) Glarus (1981–2011). Blau: beste Schätzung. Grün: Konfidenzintervalle. Höchster 12-Stundennie- derschlag am 10.10.2011: Adelboden: 56,3 mm, Glarus: 51,3 mm. c ) Pareto-Diagramm des 24-Stundennie- derschlags (rot) und des 1-Tagesniederschlags (blau) an den Stationen Adelboden (1984–2011) und d) Glarus (1981–2011) mit Konfidenzintervallen (gestrichelt). Höchster gleitender 24-Stundenniederschlag am 10.10.2011: Adelboden: 63,9 mm, Glarus: 51,3 mm. gebieten nur beschränkt zulässig. Für eine breiter abgestützte und längerfristige Ein- ordnung muss daher auf die historisch weiter zurückreichenden Granularitäten wie 1- bzw. 2-Tagesniederschlag ausgewichen werden. Da der Ablesetermin an den bestehenden Stationen am frühen Morgen erfolgt, ist das Ereignis auf zwei Tage aufgeteilt. Als Folge davon sind die Wiederkehrperioden der 1- aber auch die der 2-Tagessummen klein und betragen bei allen ausgewerteten Stationen weniger als zwei Jahre. Die Aufteilung von Niederschlagsereignissen mit fixen Grenzen hat zur Konsequenz, dass die Extremwertanalyse die Jährlichkeiten der Ereignisse unterschätzt. Folglich lie- gen z. B. die Wiederkehrwerte der fixen 1-Tagesniederschläge tiefer als wenn effektive (gleitende) 24-Stundenniederschläge verwendet werden. Diesem Sachverhalt wurde in der hydrologischen Literatur früh versucht Rechnung zu tragen. hershField (1961) erwähnt in seinem Atlas der Niederschlagsfrequenz einen Faktor von 1.13 für die Ver- einigten Staaten. Diese bekannten Unterschiede waren Anlass, entsprechende Analy- sen auch für die beiden Fokusgebiete vorzunehmen. Der Unterschied zwischen den
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