Hygienemaßnahmen: Entscheidungsfindung und Informationsvermittlung - mhp Verlag
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Bild: Blindtext Hygienemaßnahmen: Entscheidungsfindung und Informationsvermittlung 13. Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen, 27. - 29. März 2019 Gudrun Westermann, Alexandra Becker Vom 27. – 29. März fand im Congress Centrum am Donau- World Trade Center sämtliche Flugzeuge im Luftraum der Ufer das Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen statt. USA irgendwo gelandet werden konnten, obwohl es hierfür In der Eröffnungssitzung warf Prof. Dr. Wolfgang Gaiss- keinen vorgefertigten Prozess gab. maier aus Konstanz einen Blick auf eines der Hauptthemen Wie andererseits eine unzureichende Kommunikation zu des Kongresses – die Psychologie der Entscheidungsfindung. negativer Darstellung in den Medien führen kann, verdeut- Bekannt ist, dass Gefahren oft falsch eingeschätzt lichte Gutzeit anhand seiner eigenen Abteilung. Hier werden werden, z.B. wird Autofahren als sicherer empfunden als MRT-Scans auch an Hunden durchgeführt. Nachdem dies in eine Flugreise, und die Angst, bei einem Terroranschlag den Medien zum Risiko aufgebauscht worden war, entschloss umzukommen ist vergleichsweise hoch, das reale Risiko aber man sich, dem eine evidenzbasierte Herangehensweise tatsächlich verschwindend gering, v.a. im Vergleich mit z.B. entgegenzusetzen und untersuchte systematisch die Scanner der Gefahr, an einem Herzinfarkt zu sterben. an mehreren Krankenhäusern. Außerdem wurden Abklatsch- Ebenso wird der Nutzen medizinischer Maßnahmen oft proben von Hunden (Fell) und Menschen (Bart) sowie jeweils überschätzt, und anekdotischen Berichten wird u.a. durch Abstriche von der oralen Schleimhaut genommen. soziale Verstärkung mehr Bedeutung beigemessen als Fakten. Es fanden sich hochsignifikant mehr (humanpathogene) Gaissmaier machte dafür u.a. einen Mangel an Evidenz- Keime im Bart als im Fell, auch hatten die Menschen mehr kultur verantwortlich. Oft werden Kausalitäten ange- Keime im Mund als die Hunde im Maul, darunter allerdings nommen, die nicht existieren. Ein Grund dafür sei, dass weniger pathogene Keime. medizinische Information oft schwer verständlich darge- Die Untersuchung der Scanner selbst zeigte, dass die für boten werden und zudem der Umgang mit Statistiken nicht Mensch und Hund alternierend genutzten sogar geringere ausreichend gelehrt werde. Gaissmaier verdeutlichte dies KBE-Zahlen aufwiesen. Es ergibt sich also kein Nachteil, wenn anhand einiger Beispiele, z.B. zum Zusammenhang von das Gerät auch für Hunde benutzt wird und der etablierte Fleischverzehr und Krebsrisiko, und rief abschließend dazu Desinfektionsprozess ist offensichtlich ausreichend wirksam. auf, Daten besser aufzubereiten. Eine transparente Darstel- In einer ähnlichen Untersuchung zeigte Gutzeit, dass lung fördert das Verständnis und vereinfacht das Aufstellen Haltegriffe in öffentlichen Bussen sowie öffentliche Toiletten von Entscheidungsregeln. mit wesentlich weniger Mikroorganismen belastet waren als in der Klinik verwendete Ultraschallsonden. Dieser Miss- Im Anschluss beleuchtete Prof. Dr. Andreas Gutzeit aus stand ließ sich nach einer Schulung des Personals zur Desin- der Schweiz das Thema Entscheidungsfindung aus der Sicht fektion der Sonden allerdings beheben. des Radiologen. Er stellte die Bedeutung der Kommunika- Um solche Verbesserungen zu ermöglichen sei eine tion heraus, die z.B. am 11. September 2001 dazu geführt vertrauensvolle Kommunikation und Diskussion auf der hat, dass innerhalb von Minuten nach dem Anschlag auf das Sachebene nötig, erklärte Gutzeit. Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019 1
VERANSTALTUNGEN | Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen Hepatitis E – häufiger als gedacht Jahr hinweg regelmäßig beprobt, um einen jahreszeitlichen PD Dr. Jürgen Wenzel, Regensburg, sprach über „den Fall Verlauf abzubilden. Klinisch relevante Antibiotika-resistente Hepatitis E“. Diese fünfte Form der klassischen Virushepati- Bakterien umfassten ESBL, MRSA und VRE. Einige Stämme tiden A–E galt in Deutschland lange als ausschließlich impor- traten nur zeitlich und räumlich begrenzt auf, andere waren tierte Infektion. Erst in den letzten Jahren wurde deutlich, im gesamten Untersuchungszeitraum nahezu konstant dass der HEV Genotyp 3 auch in Europa und Nordamerika als vorhanden. Zoonose häufig vorkommt. Der Erreger ist in Schweinen und Eine neue KRINKO-Empfehlung zum Umgang mit Wildschweinen weit verbreitet. Menschen können sich durch Abwasser aus Kliniken wird u.a. auf der Basis dieser Erkennt- kontaminierte Nahrungsmittel infizieren. Die Infektion ist in nisse derzeit erarbeitet. Deutschland häufig (ca. 420.000 pro Jahr). Die Meldungen sind dementsprechend in den letzten Jahren exponentiell Johanna Groß aus Prien am Chiemsee erläuterte anhand angestiegen, die meisten Fälle davon ohne Reiseanamnese. zahlreicher Fotos, welche Maßnahmen im Alltag umsetzbar Wenzel wies darauf hin, dass Hepatitis E häufig bei organ- sind, um Patienten vor Erregern aus Sanitärbereichen zu transplantierten Patienten vorkommt. Er stellte einen Fallbe- schützen. richt vor, wo die Infektion zunächst mit einer Abstoßungsre- Im Rahmen einer Häufung nosokomialer P. aeruginosa aktion verwechselt worden war. Unter antiviraler Therapie 4 MRGN-Kolonisationen wurden Umgebungsuntersuchungen mit Ribavarin konnte die Infektion ausgeheilt werden. An u.a. in Nasszellen durchgeführt. In 50% der für Patienten diesem Fallbericht ließ sich zugleich die niedrige Infektio- mit P. aeruginosa-Nachweis genutzten Nasszellen wurde der sität demonstrieren, denn obwohl der Patient über zwei Erreger nachgewiesen. 87,5% der Nachweise gelangen in Jahre mit hoher Virusausscheidung unterwegs gewesen sein Nasszellen, die seit mehreren Wochen bis Monaten nicht bzw. muss, traten in der Familie und im schulischen Umfeld keine noch nie von Patienten mit P. aeruginosa 4 MRGN-Nachweis weiteren Fälle auf. genutzt worden waren. Die Hepatitis E ist offenbar viel häufiger als Hepatitis A, Hierzu erklärte Frau Groß, dass zwischen Abflüssen in Sani- wobei ein hoher Anteil der Infektionen klinisch inapperent tärbereichen zum Teil kommunizierende Röhren bestehen, verläuft – höchstens einer von 100 Patienten wird klinisch auch wenn dies nicht so sein sollte. Dadurch kann sich die auffällig, sagte Wenzel. Kontamination trotz der Installation von „Hygiene-Siphons“ Abschließend wies er darauf hin, dass zur Entscheidungs- bis ins Waschbecken erstrecken und ist eben auch unabhängig findung bezüglich einer Isolation im Krankenhaus und der davon, ob ein Patient mit dem entsprechenden Erreger die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen eine PCR-Bestätigung Nasszelle genutzt hat. Als besonders wichtig stellte Frau Groß notwendig ist, da das HEV IgM bis zu einem Jahr nach einer in diesem Zusammenhang das Grundwissen von Mitarbeitern Infektion positiv bleiben kann und insofern kein Indikator und ggf. auch Patienten heraus, dass Waschbecken, Toiletten für eine aktive Infektion ist. und Bodenabläufe/Wannen von Duschen als potentiell konta- minierte Bereiche gelten müssen. Einfach verständliche und Gefahr aus dem Abfluss im Alltag unproblematisch umsetzbare Basishygiene-Vorgaben Sanitärbereiche können ein Risiko für die Weiterverbreitung dienen dem Schutz der Patienten und auch der Mitarbeiter vor insbesondere gramnegativer Erreger (auch MRE) darstellen. der Akquise von MRE aus dem Sanitärbereich. In einer Sitzung zum Thema Nasszelle im Krankenhaus berichtete Alexander Voigt aus Bonn über das Vorkommen Umgebungsmikrobiom – wie hängt es mit HAI antibiotisch wirksamer Substanzen in Toiletten-, Waschbe- zusammen? cken- und Duschabflüssen verschiedener deutscher Kliniken. In der Sitzung Mikrobiom und Antimikrobielle Oberflächen Das direkte Abwasser aus vier Kliniken (Onkologie, Neuro- sprach Prof. Dr. Hortense Slevogt über die Besiedlung von logie, Dermatologie, Psychosomatik) und fünf Privathaus- Oberflächen in einem neuen Krankenhaus. Es entwickelt sich halten wurde mittels LC-MS/MS auf Antibiotikarückstände eine Mikrobiom, wobei Bakterien häufig in Biofilmen organi- hin untersucht. In 76% der untersuchten klinischen Sani- siert sind. Dieses Umgebungsmikrobiom geht trotz adäquater täreinheiten wurde mindestens ein Antibiotikum nachge- Hygienemaßnahmen auch auf die Patienten über, wie in wiesen, darunter nicht nur Rückstände der Antibiotika, die Untersuchungen auf Neugeborenen-Intensivstationen gezeigt Bestandteil der aktuellen Medikation des Patienten waren. werden konnte. Möglicherweise kommt es zur Speicherung von Antibiotika Frau Slevogt erklärte, dass man grundsätzlich von einer im Biofilm. Dazu passt der Befund, dass nach einer ausrei- unvollständigen Reinigung ausgehen müsse. In einer Reini- chenden Spülung der Sanitäreinheit die Rückstandskonzen- gungsstudie in Sporteinrichtungen habe sich außerdem trationen deutlich geringer sind, aber während einer Stag- gezeigt, dass sich durch die Verwendung bestimmter Desin- nation der wässrigen Phase wieder ansteigen. Problematisch fektionsmittel, v.a. Triclosan, ein spezifisches Mikrobiom sind solche Antibiotikarückstände im direkten Expositions- herausbilde, das auch zu AB-Resistenzen führen könne. bereich vulnerabler Patienten zu sehen. Neben den bekannt effektiven Maßnahmen wie Hände- desinfektion sind auch neue Lösungen, z.B. Umwelt-Probio- Heike Müller aus Bonn sprach über Antibiotika-resistente tika, in der Erprobung. Bakterien im Abwasser von Patienten-Nasszellen. Auf einer Station mit hohem Antibiotika-Einsatz wurden im Rahmen Christoph Kutschker aus Radebeul sprach über die Präven- des HyReKA-Projekts Siphons von Waschbecken und Duscha- tion von nosokomialen Infektionen durch antimikro- bläufen sowie Toiletten in 14 Patienten-Nasszellen unter- biell ausgerüstete Textilien. Untersucht wurde, ob durch sucht. Drei der Nasszellen wurden anschließend über ein den Einsatz antimikrobiell ausgerüsteter Bettwäsche und 2 Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019
Gardinen/Vorhänge die Keimfreisetzung von Bakterien in Hygienemanagement – Patienten einbinden und die Umgebung minimiert werden kann, und ob die bakteri- Daten transparent aufbereiten elle Kontamination von Vorhängen (Duschvorhängen) durch In einer Sitzung zu Hygienemanagement und Surveillance antimikrobielle Ausrüstung verringert wird. Täglich wurde berichtete Dr. Kathleen Dittmann über Aktivitäten zur die Koloniezahl der Wäsche und der in den antimikrobiellen verbesserten Umsetzung infektionspräventiver Maßnahmen, und nicht antimikrobiell ausgerüsteten Bereichen quantitativ die die Patienten mit einbinden. Das Programm „AHOI – und qualitativ durch Kontaktkulturen bestimmt. Am letzten Patient im Boot“ zielt auf eine Aktivierung von Patienten Nutzungstag erfolgte jeweils eine quantitative Koloniezahl- und Pflegenden zur Teilnahme an der Infektionsprävention bestimmung durch Flüssigextraktion. ab. Durch das Programm kennen Patienten und Besucher In einem Untersuchungszyklus über vier mal vier Tage bei die Hygienemaßnahmen und beobachten auch das Personal jeweils fünf Patienten (408 Abklatschproben bei 54 Wäsche- entsprechend; allerdings gibt es noch eine deutliche Hemm- stücken) zeigte sich keine Überlegenheit der antimikrobiell schwelle, das Personal auf Fehler hinzuweisen oder Fragen ausgestatteten Bettwäsche. In einem Untersuchungszyklus zu stellen. von acht Wochen in drei Patientenzimmern zeigten sich die Im Rahmen von AHOI wurden bundesweit Krankenhaus- antimikrobiell ausgestatteten Vorhänge nur in einem Fall leitungen zum Innovationsverhalten im Hygienemanagement überlegen. In einem zweiten, dann längeren Untersuchungs- befragt. Von den 206 teilnehmenden Krankenhausleitungen zyklus von 24 Wochen in wiederum drei Patientenzimmern wurde als Barriere für die Umsetzung von Hygienekonzepten zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Stan- vor allem der Zeitmangel gesehen. 77% der Befragten gaben dard- und antimikrobiell ausgestatteten Vorhängen. an, dass die Hygienesituation durch die Einbindung der Pati- Bei der Untersuchung der antimikrobiellen Duschvor- enten gestärkt werden könnte. hänge zeigte sich über eine Untersuchungszeit von 8 Wochen Der Nutzen des Programms für die Ergebnisqualität ein indifferentes Bild. Bei 2 von 5 Duschvorhängen war der medizinischer Behandlungen und Reduktion von Kosten ist antimikrobiell ausgestattete dem konventionellen überlegen. deutlich, und das Projekt steht dementsprechend im Fokus Weitere 3 von 5 waren gleichwertig. der Öffentlichkeit und wurde auch schon von der Christoph Obwohl sich zum Teil verringerte KBE-Zahlen nach- Lohfert Stiftung ausgezeichnet. weisen ließen, konnten die bisherigen Untersuchungen keine generelle Überlegenheit antimikrobiell ausgestatteter Texti- Johanna Groß aus Prien sprach über Kennzahlen und Quali- lien zeigen. tätsindikatoren. Hygienefachpersonal stellt eine Vielzahl von Daten zur Surveillance und anderen Tätigkeiten des Hygi- Harnwegsinfektionen (HWI) gehören mit einem Anteil enemanagements zusammen. Wie können diese Daten nun von ca. 23% zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. optimal in ein Hygiene-Reporting umgesetzt werden, das u.a. 70–80% davon sind mit einem Katheter assoziiert (CAUTI). für betriebswirtschaftliche Entscheidungen der Klinikleitung Prof. Dr. Gerhard Strugala aus Dresden stellte ein neuar- genutzt werden kann? tiges Kathetersystem zur Reduzierung von CAUTI bei Hoch- In einer deutschen Klinikgruppe mit derzeit 23 Stand- risikopatienten vor. Der neuartige Katheter zielt in erster orten wurde 2014 ein Reporting-System für das Hygiene- Linie auf die Prävention einer Biofimbildung im inneren management entwickelt und eingeführt. Frau Groß erklärte, und äußeren Milieu des Katheterschaftes ab sowie auf die dass für alle Hygienemaßnahmen die relevanten Kennzahlen Vermeidung von Restharn in der Harnblase. Der vollständige bzw. Indikatoren für alle Haupt- und Teilprozesse definiert Abfluss von Urin aus der Blase minimiert das Risiko einer wurden. Restharnbildung und verringert die Migration von endogen/ Das systematische Reporting hilft, die Arbeit des Hygie- exogenen Keimen. nefachpersonals zu strukturieren und z.B. die Einarbeitung Die Prävention eines Biofilms erfolgt durch eine konti- neuer Mitarbeiter im Hygienemanagement zu unterstützen. nuierliche Befeuchtung der Mucosaepithels der Urethra mit/ Zudem sind Problemfelder in der eigenen Klinik leichter ohne ausgewählte Kombinationen von Antiseptika aus dem zu identifizieren, und Mängel können evtl. früher erkannt Reservoir-Ballon über eines der drei Lumen des Katheters. werden. Eine Umsetzung der Daten in Excel-Tabellen mit einer Katharina Konrat aus Berlin stellte einen Bead assay vor Ampel-Kennzeichnung ist eine gute Argumentationshilfe, so zum Nachweis der erhöhten Toleranz von Biofilmbakte- Groß. rien. Aufgrund ihrer ausgeprägten Widerstandsfähigkeit sind bakterielle Biofilme immer wieder Quelle von Ausbrü- Die Kittel-Diskussion chen. Zudem sind die Anforderungen an eine erfolgreiche Nachhaltigkeit von Hygienemaßnahmen war das Thema Desinfektion im Falle einer Biofilmbildung deutlich höher; eine Sitzung, in der Dr. Susanne Huggett über die Erfah- beispielsweise sind Biofilme um den Faktor 50 toleranter rungen mit der Einführung kurzärmeliger Arztkittel berich- gegenüber Glutaraldehyd als planktonische Bakterien. tete. In mehreren europäischen Ländern wie Holland und Biofilm-Kultivierungssysteme sind teuer und aufwändig. England und auch in den meisten Kliniken in den USA ist der Das von Frau Konrat vorgestellte Bead Assay System mit Glas- kurzärmelige Kasack für Ärzte aus hygienischen Gründen perlen ist dagegen eine leicht durchführbare, kostengünstige als Standard akzeptiert. Die Ankündigung der Abschaffung Prüfmethode. Die Glasperlen werden innerhalb von 24 h des langärmeligen Arztkittels in den Asklepios Kliniken im vollständig bewachsen. Nach Desinfektion und Neutralisa- Februar 2016 hat intern und extern umfangreiche Diskus- tion erfolgt die Ablösung der Biofilme durch Ultraschall und sionen ausgelöst. Interessanterweise ging es dabei auch in anschließende Untersuchung der Keimreduktion. den Medien häufiger um „Modethemen“, also den Schnitt der Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019 3
VERANSTALTUNGEN | Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen Kittel oder auch ökonomische Aspekte, während die Patien- onsmaßnahmen. Das Stammpersonal beherrschte die Tätig- tensicherheit in der Auseinandersetzung wenig Erwähnung keit, bei Aushilfen traten Fehler auf. Deshalb erfolgte eine fand. Lange Ärmel können aber bei Patientenkontakt ein Begleitung der Reinigung durch die HFK, außerdem gab es erhöhtes Risiko darstellen. Darüber hinaus wird die hygie- intensive Schulungen und Kontrollen. Weitere Maßnahmen nische Händedesinfektion durch langärmelige Kittel einge- wie z.B. der patientenbezogene Einsatz von Medizinpro- schränkt. dukten und die Information von Patienten und Angehörigen Die Bedeutung des Arztkittels als Statussymbol bzw. halfen schließlich, den Ausbruch nach 49 Tagen zu beenden. „Erkennungsmerkmal“ für Ärzte spielt anscheinend nach wie In seinem Fazit sagt Herr Janssen, dass die Übertragung vor eine Rolle. Frau Huggett hob die Vorbildfunktion der von VRE schneller geschieht als angenommen. Handtücher Chefärzte hervor, die es erleichtern können, sich davon zu und Waschlappen der Patienten stellen ein Kontaminationsri- lösen. siko dar. Mehrbettzimmer und hausinterne Verlegungen sind Mittlerweile hat sich auch die DGKH aufgrund der Infek- kritisch zu sehen. Da die Übertragung auch über Oberflächen tionsprävention für kurzärmlige Kasacks ausgesprochen, erfolgt, sind Schulungen besonders des Hauswirtschaftsper- auch wenn die Evidenz, wie in vielen Fällen in der Kranken- sonals entscheidend wichtig. haus-Hygiene, noch fehlt. Bei all dem müsse allerdings berücksichtigt werden, dass die Maßnahmen eine nicht unerhebliche Mehrbelastung der Outbreaks – woher und wohin? Mitarbeiter bedeuten. Am zweiten Kongresstag ging es in einer Sitzung zu Outbreaks zunächst um die Bedeutung von Patientenströmen. PD Dr. C. difficile ist nahezu ubiquitär nachweisbar und übersteht als Nico Mutters aus Freiburg erklärte dazu, dass sich so Sporenbildner die alkoholische Händedesinfektion. Es kann genannte Hochrisikoklone am effektivsten dort verbreiten, sowohl als asymptomatischer Kolonisationskeim als auch als wo sich ein Selektionsvorteil bietet (z.B. Antibiotikagabe) Krankheitserreger nachgewiesen werden. und gute Übertragungsmöglichkeiten bestehen (z.B. räum- Prof. Dr. Lutz von Müller aus Coesfeld sprach über die liche Nähe). Das Gesundheitssystem zeichnet sich durch eine Bedeutung der Typisierung für das Verständnis der Epide- zunehmende Vernetzung aus. Patienten werden von einem miologie von Clostridium-difficile-Infektionen. Hauptrisiko- Träger zum anderen überwiesen oder verlegt, und multire- faktor für den Übergang einer C. difficile-Kolonisation in eine sistente Erreger (MRE) folgen diesen Patientenströmen. Die C. difficile-Infektion ist eine antibiotische Therapie, die die Position einer Einrichtung im Netzwerk korreliert daher mit Normalflora zerstört und so zu einer Dysbiose führt. den Inzidenzen von MRE. Auch Genotyp und Phänotyp von Isolaten entscheiden Mutters zeigte Beispiele für die regionale Zirkulation über die Epidemiologie und die klinische Manifestation. Von von MRE-Erregern; geographische und politische Besonder- Müller gab einen kurzen Überblick über die Typisierungsme- heiten, wie z.B. eine Sprach- oder Datumsgrenze, können thoden, die differenzierte Untersuchungen zur Epidemiologie dabei als Grenzen wirken. erlauben und multiresistente oder hochvirulente Stämme Aufgrund dieser Zusammenhänge sind rein einrich- identifizieren helfen sowie u.U. eine transnationale Ausbrei- tungsfokussierte Interventionen nicht mehr in der Lage, die tung zeigen können; im Gegensatz dazu zeigt ein einfacher MRE-Ausbreitung zu stoppen. Netzwerkbasierte Interventi- Nachweis nur den Anstieg der Inzidenz. Hier kann das neue onen sind in Zukunft notwendig, und dafür ist es sinnvoll, die Nationale Referenzzentrum (NRZ) für C. difficile (Homburg Netzwerkgrenzen zu kennen. Mutters erwähnte als Beispiel – Münster – Coesfeld) dazu beitragen, die Dynamik der C. die Untersuchungen von John Snow, der einen regionalen difficile-Epidemiologie zu erfassen und diese mit besonders Cholera-Ausbruch in Soho auf eine einzige Wasserpumpe schweren Verlaufsformen zu korrelieren. zurückführen konnte. Vor dem Hintergrund der Netzwerk-Ef- Für schwere Fälle besteht Meldepflicht; die Anzahl der fekte können geographische Analysen auch heute sinnvoll Meldungen variiert stark nach Bundesland. sein, und es lohnt sich, in der Surveillance das Gesamtnetz- Obwohl Altenheime als Reservoir gelten, ist die Durch- werk zu betrachten, um Ausbrüche zu erkennen. seuchung dort nicht höher als in Allgemeinbevölkerung. 90% der Träger sind asymptomatisch, aber auch von diesen Olaf Janssen, Hygienefachkraft aus Vechta, berichtete können Ausbrüche ausgehen, erklärte von Müller. über einen VRE-Ausbruch und daraus resultierende Konse- Ein besonderes Risiko für eine Übertragung besteht für quenzen für die Hygieneroutine. Bei einer onkologischen Patienten in einem Patientenzimmer, das vorher mit einem Patientin wurde ein VRE als Zufallsbefund nach 18 Tagen C.-difficile-Infizierten belegt war. Dies zeigt die Bedeutung Aufenthalt nachgewiesen. Daraufhin wurden von den sechs der Reinigung – eine Schulung der Reinigungskräfte verbes- Mitpatienten tiefe Analabstriche entnommen, von denen drei sert die Situation nicht nur im Hinblick auf C. difficile. Es VRE-positiv waren. Ein Screening aller Patienten der betrof- ist sinnvoll, dabei einen Indikatorkeim zu wählen, anhand fenen Station identifizierte weitere sieben positive Nichtkon- dessen sich der Reinigungserfolg gut dokumentieren lässt. taktpatienten. Herr Janssen beschrieb die Akutmaßnahmen – Kohorten- Wasserqualität in besonderen Situationen isolation und Verlegungsverbot – und die möglichen Über- Trinkwasser unter besonderen Umständen war Thema einer tragungswege. Umgebungsuntersuchungen führten zum Sitzung, in der zunächst Dr. Canio Germano aus Potsdam VRE-Nachweis in der Nasszelle der Patientenzimmer wie auf die Herausforderungen der Trinkwasserversorgung bei auch im Zimmer, z.B. auf den relativ breiten Fensterbänken, Bundeswehreinsätzen einging. Von Trinkwasser darf keine die auch zum Sitzen oder als Ablage genutzt werden. Es folgte gesundheitliche Gefährdung ausgehen. Im Einsatz lässt sich eine Überprüfung der laufenden Reinigungs- und Desinfekti- die deutsche Trinkwasserverordnung mit ihren sehr strengen 4 Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019
Vorgaben nicht immer sicher umsetzen. Es gibt aber prakti- und Infrastruktur vor Ort erschwert sein kann. Beispiels- kable Normen, die eine vergleichbare Trinkwassersicherheit weise können in einem Land wie Mali anders als im europä- garantieren, z.B. aktuelle NATO-Standards. ischen Ausland nicht einfach lokal vorhandene Strukturen, Germano zeigte die Situation in verschiedenen geogra- z.B. des Rettungsdienstes, mitbenutzt werden. fischen Regionen, z.B. in Mali, wo das Wasser sehr stark Neben der zeitlichen Problematik kann je nach Ort auch gechlort vom lokalen Versorger kommt. In einem Feldlager eine unmittelbare Bedrohungslage hinzukommen. muss Wasser u.U. für über 1000 Soldaten für verschiedene Weisel zeigte verschiedene OP-Raumkonzepte, die von Einsatzzwecke zur Verfügung stehen. Gängige Verfahren der Nutzung vorhandener Gebäude über Zelte bis hin zu Con- wie z.B. die Umkehrosmose kommen bei der Aufbereitung tainern reichen. Letztere sind dann schon weitgehend dicht zum Einsatz. Durch moderne Aufbereitungsanlagen können und verfügen über Klimaanlagen und Belüftung mit entspre- unterschiedliche Qualitäten wie Trinkwasser in Flaschen chendem Flow. Die Infrastruktur kann so vor Ort vor allem oder Wasser zur Körperpflege bereitgestellt werden. bei länger dauernden Einsätzen Schritt für Schritt verbessert und schließlich auf einen hohen Standard gebracht werden. Dr. Wolfgang Kohnen aus Mainz befasste sich mit der Wasserqualität in Dentaleinheiten. Dr. Canio Germano vom Gesundheitsamt der Bundeswehr Die Trinkwasserverordnung gilt für das eingespeiste in Potsdam sprach über militärischen Gesundheitsschutz Wasser – was aber am Ende des integrierten Schlauchsystems (Force Health Protection). Unter diesem Begriff werden beim Patienten ankommt, ist eine andere Frage, sagte Kohnen Maßnahmen zusammengefasst, die der Gesunderhaltung einleitend. Die Empfehlung der KRINKO mit ihren Vorgaben, von Bundeswehrsoldaten im Einsatz dienen. die Richtwerte für Keimzahlen, Legionellen etc. enthalten Vor einem Auslandseinsatz erfolgt eine Erkundung vor füllt grundsätzlich die Lücke. Auch die AWMF hat eine Leit- Ort, die sich als Einsatzbetreuung aus präventivmedizini- linie zur Wasserqualität in Dentaleinheiten herausgegeben. scher Sicht fortsetzt. Es geht dabei um die Umsetzung des Wie sieht es aber nun in der Realität aus? Kohnen stellte Infektionsschutzgesetzes einschließlich Trinkwassersicher- verschiedene Fälle aus der Zahnklinik vor, so eine Einheit heit, aber auch um Aspekte des Arbeitsschutzes oder der in einem Notfallzimmer, die nur am Wochenende benutzt Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung. Mit Hilfe wurde. Hier waren die Koloniezahlen überschritten und eines Prüffragenkatalogs werden die Möglichkeiten lokaler Legionellen waren am Eckventil nachweisbar. In diesem Fall Provider und die Infrastruktur ausgelotet, die soweit möglich wurde der Biofilm chemisch entfernt, und die Anlage wurde mit genutzt werden soll. im Anschluss autark mit Hilfe von Flaschenwasser betrieben, Anhand zahlreicher Bilder aus Einsatzgebieten wie Mali was das Problem effektiv löste. schilderte Germano die spezifischen Belastungen vor Ort, Ebenfalls untersucht wurden ältere Einheiten aus dem z.B. extreme klimatische Bedingungen. In diesem Zusam- Studentenbereich. Diese waren mit Legionellen belastet, menhang muss die Akzeptanz für Abweichungen vom wobei auch eine desinfizierende Spülung ohne Erfolg blieb. Gewohnten gestärkt werden, da deutsches Recht in allen In diesem Fall lag die Ursache wohl in älteren Biofilmen, die seinen Einzelheiten nicht immer lückenlos umgesetzt werden besonders schwer zu entfernen sind. Kohnen wies darauf hin, kann. Aus diesem Grund kommen auch andere, z.B. prakti- dass durch solche Einheiten auch eine retrograde Kontamina- kable NATO-Standards zur Anwendung. tion des Trinkwassersystems möglich ist. Aber auch bei neuen Einheiten verläuft nicht alles pro- Unter dem Titel „Global Worming“ sprach Prof. Dr. Michael blemlos: diese wollte man wegen bestehender Kontamination Faulde über Parasiten im Krankenhaus. des Trinkwassersystems ebenfalls autark betreiben. Aller- Er verdeutlichte, dass dies keineswegs ein seltenes dings waren drei Einheiten doch ans System angeschlossen Phänomen ist. Global nehmen Häufigkeit und Spektrum worden und in der Folge auch gleich mit Pseudomonaden von Parasitosen zu. Beispielsweise wurden laut einer Studie kontaminiert. Durch Einbau eines Filters in den Eingang der in Italien 15% der Patienten positiv auf Parasiten (meist Einheit, der alle 6 Monate ausgetauscht wird, ließ sich das Würmer) getestet. Problem beheben. Bei den bereits kontaminierten Einheiten Fliegen, Schaben und andere Insekten haben hygieni- mussten allerdings zusätzlich zur Biofilm-Entfernung die sche Bedeutung, da sie Umweltkeime aufnehmen und, ggf. Schlauchsysteme ausgetauscht werden. Die Filter-Lösung nach gastrointestinaler Passage, vermehren und verbreiten wird nun bei allen neuen Einheiten angewandt. können. Daneben können sie als direkte Krankheitserreger Abschließend betonte Kohnen die Wichtigkeit der auftreten und zu einer Endo- oder Ektomyiasis führen. morgendlichen Spülung der wasserführenden Systeme – die Auch Neozoen wie die In Deutschland eingeschleppten üblichen 2 min an allen Entnahmestellen ohne aufgesetzte Waschbären tragen zur Verbreitung spezifischer Parasiten Übertragungsinstrumente sind allerdings laut einer neueren (Waschbärspulwurm) bei. Studie (Barbeau et al.) nicht ausreichend; notwendig wären Wissenschaftliche Literatur und Berichte zur Parasi- eigentlich 8–10 min. tenproblematik in Krankenhäusern sind selten oder fehlen ganz. Vermutlich wird häufig nicht darüber berichtet, da Gesundheitsschutz im Einsatz – Erfahrungen der solche Ausbrüche sich negativ auf das Image der Einrichtung Bundeswehr auswirken. In einer Sitzung zu Hygieneherausforderungen der Bundes- Ein Befall mit Hygieneschädlingen kann auch bei der wehr im Einsatz sprach Dr. Ingo Weisel aus Ulm über das Verbreitung von MRE eine Rolle spielen, wie Faulde am operative Umfeld für den Gesundheitsschutz. Dies muss jedes Beispiel Clogmia albipunctata erklärte. Diese Larven befallen Mal aufgebaut werden, was lokal durch fehlende Ressourcen z.B. Siphons mit verringertem Abfluss und grasen dort Bakte- Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019 5
VERANSTALTUNGEN | Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen rienrasen ab. Bislang wurden aus diesen Larven 45 Bakteri- könnte dabei helfen, Fehler bei der Desinfektion von nadel- enspezies isoliert, darunter 3 und 4 MRGN. Diese aufgenom- freien Konnektoren zu kompensieren. menen Bakterien können über das Wassersystem auch trans- portiert werden. Antiseptika und Postoperative Wundinfektionen (Surgical Side Infections, SSI) war das Thema des Vortrags von Dr. Guido Weisel, Ulm, blieb beim Thema und stellte den Fall Isabella Dresselhaus, Göttingen. eines Madenbefalls in einer OP-Wunde nach Entfernung eines Verschiedene Studien belegen, dass es eine Evidenz für Plattenepithel-Karzinoms vor. Er schilderte die Vorgehens- einen positiven Effekt der präoperativen Dekolonisation für weise, die Maden durch künstlich mit Hilfe von Vaselineab- bestimmte Operationen gibt, wie z.B. für elektive orthopädi- deckung erzeugtem Sauerstoffmangel herauszutreiben und sche OPs mit Implantaten. zur Analyse zu verschicken. Im vorliegenden Fall handelte es Dresselhaus ging auch auf den Einsatz von Nahtmaterial sich um Larven von Lucilia, die selbst auch in der Wundbe- ein, das mit Triclosan beschichtet ist, einem nicht unpro- handlung eingesetzt werden. blematischen Wirkstoff (Resistenzentwicklung, allergie- auslösend, mikrobiomverändernd und umweltschädlich). Die KRINKO empfiehlt dessen Einsatz nur bei sehr hohen Wie würden Sie entscheiden? Ausgangs SSI-Raten, bei Operationen der Kontaminations- In einer interaktiven Sitzung bearbeiteten Prof. Dr. Cons- klassen III-IV sowie bei multimorbiden Patienten. Studien tanze Wendt aus Mannheim und Dr. Peter Rudolph aus hierzu zeigten allerdings keine klare Evidenz für die Präven- Schwerin das Thema Begehungen. Unter der Fragestellung tion von SSI und weitere große Studien für einzelne Eingriffe „Wie würden Sie entscheiden?“ hatten die Teilnehmer die seien nötig, so Dresselhaus. Es könne auch sinnvoll sein, Möglichkeit, ihre Meinung zu den vorgestellten Fotos von über die alternative Beschichtung mit den weniger proble- Befunden bei Begehungen eines OP-Bereichs und einer matischen Wirkstoffen Chlorhexidin oder Octenidin nach- AEMP per TED kundzutun. zudenken. Hier zeigte sich deutlich das Dilemma – oft waren alle vier Eine Umfrage ins Auditorium ergab, dass es nur in möglichen Bewertungen, von „ohne Abweichung“ bis über wenigen Kliniken zum Einsatz antiseptisch beschichteten „geringfügiger“ und „mittelschwerer“ bis hin zum „kritischen Nahtmaterials kommt. Sollte man über den Einsatz nach- Mangel“ in etwa gleicher Häufigkeit vertreten. denken, sei zu bedenken, dass polyfile Fäden in den Studien Frau Wendt wies darauf hin, dass die Entscheidung auf eine bessere Wirkung zeigten als monofile Fäden, so Dres- der Frage basieren solle, ob bei normaler Basishygiene aus der selhaus. jeweils gezeigten Situation ein Problem entstehe oder nicht. Natürlich ist auch die Umgebung entscheidend – auf einer Prof. Dr. Iris Chaberny, Leipzig, referierte zum Thema hämato-onkologischen Station ist ein verschmutzter, stark „Ganzkörperwaschung bei MRE“. Die antiseptische Ganz- verkalkter Wasserhahn schlimmer als in einem normalem körperwaschung stellt möglicherweise, durch die Reduktion Patientenzimmer. von Erreger-Reservoiren auf der Haut, eine Möglichkeit zur Auch Befunde ohne Abweichung könne man (positiv) im Prävention von Kolonisation und Infektion mit multiresis- Protokoll erwähnen, erklärte Frau Wendt. tenten Erregern dar. Bei den Bildern aus der AEMP fiel die Entscheidung eben- In den USA, wo teilweise routinemäßige Ganzkörperwa- falls nicht immer leicht. Herr Rudolph machte deutlich, dass schungen mit Chlorhexidin stattfinden, zeigte sich jedoch spezifische Kenntnisse des Aufbereitungsprozesses erforder- bereits eine Entwicklung von Resistenzmechanismen sowie lich sind, um z.B. zu beurteilen, ob eine Verpackung während Nebenwirkungen (Kontaktdermatitis, anaphylaktische Reak- und nach der Sterilisation ausreichend Schutz vor Kontami- tionen); Chlorhexidin wirkt v.a. im grampositiven Bereich. nation bietet. In Deutschland kommt meist Octenidin zur Ganzkörper- waschung zum Einsatz, der Wirkstoff zeigt keine Nebenwir- Antiseptika – wo und wann indiziert kungen, weist gute antiseptische Wirkung im grampositiven Dr. Christine Geffers, Berlin, sprach über den Einsatz von und gramnegativen Bereich auf und ist fungizid. Antiseptika bei Anlage und Pflege von Gefäßkathetern. Die Frau Prof. Chaberny stellte einige Studien zur Wirksam- Auswahl der richtigen Wirksubstanzen bzw. Anwendung keit der Ganzkörperwaschung vor, deren Ergebnisse jedoch seien dabei nicht trivial. Geffers stellte verschiedene natio- noch nicht genügen, um konkrete nationale Empfehlungen nale und internationale Empfehlungen (HICAP 2011, SHEA/ bezüglich Art und Umfang von Routine-Waschungen auf IDSA 2014, EPIC 2014 und KRINKO 2017) vor, die bei der deutschen Intensivstationen auszusprechen. Die aktuell nati- Entscheidungsfindung helfen können. Demnach ist bei der onal an 44 Intensivstationen durchgeführte, doppelblinde, Desinfektion vor Anlage ein alkoholbasierter Remanenzwirk- randomisierte und Placebo-kontrollierte EFFECT-Studie soll stoff zu favorisieren (bei intakter Haut). Bei der Desinfektion nun zuverlässige Ergebnisse über den Effekt des täglichen der Einstichstelle beim Verbandwechsel könnte evtl. auf den Waschens mit Octenidin-Waschhandschuhen liefern. Alkoholanteil verzichtet werden, zumal zu bedenken ist, dass letzterer den Kunststoff des Katheters angreifen könnte. „Antiseptikatoleranz und -resistenz“ – ein Thema zum Frau Dr. Geffers ging weiterhin auf nadelfreie Konnek- Reiben, so Prof. Dr. Günter Kampf, Referent des nächsten toren ein, bei deren Einsatz die zwingend erforderliche effek- Vortrags. Am Beispiel Chlorhexidin zeigte er beispielhaft, tive Desinfektion in der Praxis nur in ca. 10% der Fälle statt- wie anpassungsfähig manche Bakterienspezies gegenüber findet – diese Zugänge sind aber zu 100% kontaminiert. dem Wirkstoff selbst sind oder wie sie gegenüber anderen Die Verwendung von antiseptikabefüllten Verschlusskappen bioziden Wirkstoffen unempfindlich werden. Selbst Anti- 6 Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019
biotikaresistenzen können durch niedrige Konzentrationen Kinder seien der Dreh- und Angelpunkt von Infektionskrank- einzelner biozider Wirkstoffe hervorgerufen werden. heiten wie Influenza, da sie aufgrund ihres suszeptiblen ange- Chlorhexidin kommt in antimikrobiellen Waschlotionen borenen Immunsystems („innate immunity“) vielfältig für eine und Mundspüllösungen sowie zur Händedesinfektion und Influenza prädisponiert sind. Die Influenza-typischen respira- Hautantiseptik zum Einsatz. Untersuchung von 78 verschie- torischen Infektionen fallen aufgrund der altersspezifischen denen Bakterienspezies ergab bei 20 Spezies einen stabilen Anatomie der Atemwege besonders markant aus. Das spezifi- MHK-Anstieg. Daneben waren Kreuztoleranzen gegenüber sche „unhygienische“ Verhalten von Kleinkindern fördert die anderen Bioziden (Triclosan und Benzalkoniumchlorid) und Verbreitung in Gemeinschaftseinrichtungen mit hoher Expo- vereinzelt sogar Kreuzresistenzen gegenüber Antibiotika zu sitions- und Kontaktrate, wobei insbesondere Kleinkinder die beobachten. Viren über einen längeren Zeitraum ausscheiden. Die Inzidenz Gemäß des Antiseptic Stewardships sollten Wirkstoffe der Influenza im Kleinkindalter erreicht bis 300 Erkrankungen mit möglichst niedrigem Selektionsdruck bevorzugt werden, je 100.000 Einwohner und übertrifft somit jene, die im Senio- vorausgesetzt diese weisen eine vergleichbare Wirksamkeit, renalter zu beobachten ist. Anwenderakzeptanz und Gewebeverträglichkeit auf. Schließlich ging Dr. Knuf auf die Influenza-Impfemp- In einigen Desinfektionsmitteln sind ausgewählte Wirk- fehlung der STIKO ein, die derzeit bei Kindern nur chro- stoffe verzichtbar, wenn kein Nutzen nachgewiesen ist, der nisch kranke ab sechs Monaten betrifft. Aufgrund der Wirkstoff aber nachweislich Toleranzen bzw. Resistenzen hohen Morbidität, der hohen Hospitalisierungsraten und auslösen kann. der bedeutsamen Rolle als „Infektionsquelle“ für Risikoper- sonen sei eine Influenza-Impfung aber nicht nur für Risi- Influenza kokinder durchaus sinnvoll und wird in anderen europäi- Katja Ritter vom Gesundheitsamt Segeberg über einen Influ- schen Ländern, wie Österreich, Finnland, Frankreich und enza-Ausbruch in einer psychosomatischen Klinik im Kreis Großbritannien bereits als Standardimpfung empfohlen. Dr. Segeberg. Dort kam es im Februar 2018 zu vermehrten Influ- Knuf schlägt als Impfstrategie eine Impfung von Kindern im enza-Meldungen, insgesamt erkrankten 107 der 440 Mitar- Alter von 6 Monaten bis 14 Jahren mit quadrivalenten Impf- beiter und 124 Patienten. stoffen (zugelassen für Kinder ab 6 Lebensmonaten) vor. Im Zuge eines gemeinsamen Krisenmanagements Wirksamkeitsstudien ergaben, dass die klinische Effektivität wurden zusammen mit dem Gesundheitsamt Maßnahmen zur Verhinderung einer Influenza bei Säuglingen und Klein- beschlossen, die anschließend von der Klinik umgesetzt kindern durch quadrivalente Influenza-Impfstoffe bei etwa wurden, wie die Schulung des Personals durch die Hygi- 60% liegt. eneabteilung, Patienten-Aufnahmestopp, Aufstellung mobiler Desinfektionsmittelständer und die Intensivierung Der „Impfschutz bei medizinischem Personal“ war das der Kommunikation intern und extern mit dem Gesundheit- Thema des Vortrags von Dr. Anne Marcic, Kiel. Sie wies auf samt. die unterschiedlichen Impfempfehlungen für medizinisches Zur Sicherstellung der Patientenversorgung übernahmen Personal hin: Im Gegensatz zur STIKO darf laut Arbeitsmedi- Therapeuten und Verwaltungsangestellte zeitweilig Reini- zinischen Regeln (AMR 6.5), aufgestellt durch den AfAMed gungsarbeiten und Ärzte die Essensverteilung. (Ausschuss für Arbeitsmedizin), der Drittschutz nicht zur Die zum Ausgangspunkt des Ausbruchs 2017 sehr nied- Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden. Laut AMR rige Influenza-Impfquote des Personals von unter 10% 6.5 darf der Beschäftigte ein Impfangebot auch ablehnen und konnte durch unterschiedliche Maßnahmen, wie verpflicht- müsste einer Mitteilung des Arztes an den Arbeitgeber mit ende Fortbildungstermine zu Influenza und Unterstützung Hinweis auf einen angezeigten Tätigkeitswechsel aufgrund der betriebsärztlichen Influenza-Impfung durch das Gesund- mangelnden Impfschutzes zuerst zustimmen. Hier greift aber heitsamt, in der darauffolgenden Saison auf ca. 46% gestei- §23a des Infektionsschutzgesetzes IfSG ein: danach darf der gert werden. Arbeitgeber jederzeit personenbezogene Daten eines Beschäf- tigten über dessen Impfstatus und Serostatus erheben und Im nächsten Vortrag sprach Dr. Markus Knuf, Wiesbaden, dazu nutzen, eine Entscheidung für oder gegen eine Beschäf- über Influenza im Kindes- und Jugendalter. tigung oder über die Art und Weise der Beschäftigung bzw. Anhand der Anzahl der wöchentlichen SARI (stationär den Einsatzort zu treffen. Nach §31 IfSG kann bei Infektions- versorgte respiratorische Infektionen)-Fälle verschiedener geschehen nötigenfalls vom Gesundheitsamt ein Tätigkeits- Altersgruppen im Zeitraum Oktober 2016 – April 2019 in verbot ausgesprochen werden. Deutschland verdeutlichte er, dass die Hosptalisierungsrate Dr. Marcic betonte die Bedeutung des Betriebsarztes bei Säuglingen und Kleinkindern bis 59 Monate im Vergleich als „zentraler Partner“ bei der Umsetzung von Impfungen zu Kindern und Jugendlichen doppelt so hoch ist. für medizinisches Personal. Eine zielgruppenspezifische Er stellte Fallbeispiele von Patienten vor, die in der Influ- Ansprache sei wichtig, um die häufigsten Argumente gegen enza-Saison 2017/2018 in der HSK-Kinderklinik in Wies- eine Influenza-Impfung zu entkräftigen: Pflegerisches baden im Rahmen einer Influenza A bzw. H1N1 Infektion Personal glaubt nicht an das richtige Risiko/Nutzen-Ver- stationär behandelt werden mussten. Dabei zeigte er eine hältnis, hat Angst vor Nebenwirkungen und einer möglichen Reihe von Komplikationen auf, die im Verlauf einer Influenza Erkrankung durch die Impfung. bei Kindern auftreten können, u.a. Fieberkrämpfe, Pneumo- Bei Ärzten werden v.a. organisatorische Gründe dafür nien aber auch Meningitis und Enzephalitis. Er betonte, dass angegeben, dass die Influenza-Impfung nicht in Anspruch ca. 50% der an Influenza schwer erkrankten Kinder- und genommen wird. Hier könnte eine Erhöhung der Impfange- Jugendliche keine Risikofaktoren aufweisen. bote am Arbeitsplatz hilfreich sein. Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019 7
VERANSTALTUNGEN | Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen Eine Arbeitsgruppe der KRINKO arbeitet derzeit an einer den Beirat Public Health Mikrobiologie (PHM) am RKI für Empfehlung zur Umsetzung von Impfungen für Personal in einen 3-Jahreszeitraum. Es gibt schriftliche und mündliche medizinischen Einrichtungen. Evaluierungen durch externe Gutachter und den PHM. Der Arbeitsumfang eines NRZ ist umfangreicher als der eines MRE- Schnelltests und Typisierungsverfahren KL und umfasst einen Aufgabenkatalog von 10 Tätigkeiten. Dr. Ulrich Eigner vom Labor Limbach, Heidelberg, lieferte Dazu gehören u.a. die Diagnostik und Feintypisierung von eine Übersicht über aktuelle Typisierungsverfahren, wie die Erregern, die Entwicklung bzw. Verbesserung diagnostischer Pulsfeld-Gelelektrophorese (PFGE), Die Multilocus-Sequen- Verfahren, das Führen einer Stammsammlung und Abgabe zierungs-Methode (MLST) und die spa-Typisierung, die er in von Referenzstämmen, die Unterstützung des ÖGD und Bezug auf Zuverlässigkeit, Diskriminierung und Reproduzier- des RKI bei ergänzenden Untersuchungen im Rahmen von barkeit verglich. Ausbruchsuntersuchungen, die Beschreibung der epidemio- Bei der Whole Genom Sequenzierung wird das gesamte logischen Situation für Deutschland und die Analyse und Erreger-Genom mittels Next Generation-Sequencing sequen- Bewertung der Resistenz- und Virulenzentwicklung. ziert. Im Zuge der Core-Genome (cg)MLST werden 1500 – Jährlich werden Proben von ca. 4000 Staphylokokken 2500 Gene verglichen; sie ermöglicht die Darstellung einer und 200 Enterokokken ans NRZ für Stapyhlokokken und Sequenz von ca. 5 Millionen Basen, ist standardisierbar Enterokokken am RKI in Wernigerode mit unterschiedlichen und liefert bei verschiedenen Laboren vergleichbare Ergeb- Fragestellungen gesandt. nisse. Anhand der Ergebnisse lässt sich beurteilen, ob es Die Analyse und Bewertung der Resistenz- und Viru- sich bei isolierten Stämmen um nah verwandte und somit lenzeigenschaften der Proben zeigt, dass Resistenzen gegen um Ausbruchsstämme handelt. Bei VRE gelten z.B. alle Reserveantibiotika bei Staphylokokken und Enterokokken Isolate mit 0 – 20 Allelen Unterschied als identisch oder häufiger werden, die Trends allerdings nicht homogen sind nah verwandt, solche mit 20 – 40 unterschiedlichen Allelen (stärkster Anstieg bei Linezolid-Resistenz in Enterokokken/ möglicherweise verwandt und Isolate mit mehr als 40 unter- VRE und koagulase-negativen Staphylokokken sowie schiedlichen Allelen nicht verwandt. Daptomycin-Resistenz bei S. aureus/MRSA). Zudem ist die One Health Problematik bei Gen-vermittelter Linezolid-Re- Mit der Frage „Was taugen Schnelltests in Krankenhaus und sistenz offensichtlich. Praxis?“ beschäftigten sich anschließend Dr. J. Benjamin Prof. Werner beendete seinen Vortrag mit einem Dank an Hagemann und Dr. Martina Furitsch, Ulm. alle Einsender an das NRZ. Die Erwartungen an sog. Schnelltests im praktischen Alltag sind hoch. Die Diagnostik von Infektionskrankheiten Die Session schloss mit dem Vortrag von Dr. Sabine Zange und multiresistenten Erregern soll beschleunigt werden, um vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, möglichst schnell spezifische therapeutische oder kranken- Konsiliarlabor für Brucella und Yersinia pestis. Sie referierte haushygienische Maßnahmen einleiten zu können. über das Verhalten bei Verdacht auf Seuchen, wie Pest, Zur Beurteilung der Güte verschiedener Methoden Anthrax oder Tularämie. Die hochpathogenen Bakterien (Schnelltest, PCR, Kultur) wurden u.a. die Sensitivität, Spezi- (Bacillus anthracis, Yersinia pestis, Francisella tularensis, Brucella fität, negativer und positiver prädiktiver Wert, Objektivität melitensis und Burkholderia pseudomallei) stellen, obgleich sie und Reliabilität herangezogen. in Deutschland selten vorkommen, die mikrobiologischen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein negativer Routinelaboratorien vor besondere Herausforderungen. Schnelltest eine Erkrankung nicht sicher ausschließt, ein Die Erreger aller genannten Infektionen sind in die Risi- positiver Schnelltest nicht die aktive Infektion beweist; bei kogruppe 3 eingeordnet. Eine gezielte Tätigkeit mit Erregern einer Diskrepanz zwischen erwartetem und tatsächlichem dieser Risikogruppe ist der Schutzstufe 3 zugeordnet, eine Ergebnis sind Wiederholungsuntersuchungen und evtl. ungezielte Tätigkeit, zu der die orientierende Primärdiag- Zusatzuntersuchungen erforderlich. nostik zählt, der Schutzstufe 2. Die zu Beginn gestellte Frage nach der Tauglichkeit von Bei Exposition von Mitarbeitern sollte umgehend der Schnelltests, beantworteten die Referenten mit „es kommt Betriebsarzt involviert werden. Es sollte für jeden betroffenen darauf an“: das Ergebnis eines Schelltests muss immer in Mitarbeiter in Abhängigkeit der Tätigkeit und ggf. vorlie- Zusammenschau aller Befunde und klinischer Aspekte gender Grunderkrankungen eine Risikoabschätzung durch- gesehen werden. Ein sinnvoll implementierter Schnelltest geführt werden und die betreffenden Personen möglichst kann, wenn seine Einschränkungen bekannt sind, zur früh- serologisch überwacht werden. Eine Postexpositionspro- zeitigen und sicheren Einleitung spezifischer Therapie- und phylaxe ist prinzipiell bei allen genannten Erregern möglich. Hygiene-Maßnahmen beitragen. Bei Fragen zu Interpreta- Eine Optimierung der Prozesse im Labor kann das Risiko tion und Auswahl der Testverfahren in speziellen Situationen für die Mitarbeiter minimieren. Dazu sollten bei Verdacht auf sollte das Labor zur Rate gezogen werden. hochpathogene Erreger die Arbeitsschritte zur Erreger-Iden- tifizierung minimiert werden (z.B. durch Direkt-MALD_TOF Im darauffolgenden Vortrag sprach Prof. Dr. Guido Werner MS) und alle Arbeitsschritte unter der Sicherheitswerkbank vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Staphylokokken Klasse 2 durchgeführt werden. und Enterokokken am Robert Koch-Institut (RKI) Wernige- rode über die Aufgaben eines nationalen Referenzzentrums Multiresistente Erreger (MRE) in Gewässer (NRZ). In der derzeitigen Berufungsperiode gibt es 20 NRZ Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel- mit unterschiedlichen Ausrichtungen und 38 Konsiliarlabo- sicherheit (LGL) hat stichprobenartig je zehn Badegewässer ratorien (KL) deutschlandweit. Die Berufung erfolgt durch in Süd- und Nordbayern (Badesaison 2017 bzw. 2018) auf 8 Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019
klinisch relevante MRE (MRGN, MRSA und VRE) untersucht. Gewässermonitoring zur Beobachtung der Resistenzenwick- Dr. Guiseppe Valenza, München, stellte das Ergebnis dieser lung sowie Anpassungen im Abwassermanagement seien Untersuchungen vor. Demnach waren in keiner der insgesamt allerdings sinnvoll. 117 Wasserproben VRE oder MRSA nachweisbar. In 10 Seen wurden dagegen MRGN nachgewiesen und zwar 2-MRGN E. „Welche Bedeutung haben MRE für das Trinkwasser?“ – mit coli, 3-MRGN E. coli, 2-MRGN Serratia spp., 4-MRGN Pseudo- dieser Frage beschäftigte sich Dr. Christina Förster vom monas aeruginosa und 4-MRGN Acinetobacter spp. Umweltbundesamt Berlin im letzten Vortrag dieser Session. Die Expression von Extended-Spectrum ß-Laktamasen Sie stellte die Ergebnisse von Untersuchungen von Trink- (ESBL) konnte mit einem phänotypischen Verfahren in allen wasser- und Abwasserproben auf ESBL-Bildner, VRE und E. coli und Serratia spp. bestätigt werden. Die Konzentration MRSA vor. Demnach können MRE im Oberflächenwasser der nachgewiesenen MRGN betrug im Median 5 koloniebil- nachgewiesen werden, jedoch kommt es im Rahmen der denden Einheiten pro 50 ml Wasserprobe. Aufbereitung zu einer signifikanten Reduktion von belas- Die mit der oral aufgenommenen Wassermenge von durch- tetem zu unbelastetem Oberflächenwasser. Im Trinkwasser schnittlich 10–50 ml pro Schwimmeinheit aufgenommenen konnten keine MRE nachgewiesen werden. 5 KBE können bei gesunden immunkompetenten Personen Generell entfernt die mehrstufige Trinkwasseraufberei- die Passage durch den Magen-Darmtrakt nicht überleben, tung Mikroorganismen einschließlich Antibiotika-resistenter so Valenza. Personen mit größeren offenen Wunden oder Bakterien sehr effektiv. Findet man im Zuge der routinemä- einer stärkeren Immunschwäche sollten vorher ihren behan- ßigen Überwachung auf fäkale Verunreinigungen dennoch delnden Arzt fragen und im Zweifel besser auf das Baden in ein einziges Bakterium in 100 ml Wasser, so bedeutet dies Badegewässern verzichten. eine Grenzwertüberschreitung, die zu Maßnahmen zum Eine regelmäßige Untersuchung der Badegewässer auf Schutz der Bevölkerung führt. MRE hält Dr. Valenza nicht für erforderlich: Die größte Infek- Nach derzeitigem Wissensstand bestehe im normalen tionsgefahr für die Badenden in Badegewässern geht von Alltag weder durch das Trinken noch bei der Körperreini- fäkalen Verunreinigungen an sich aus – unabhängig von gung mit Trinkwasser eine erhöhte Gesundheitsgefährdung Antibiotikaresistenzen – und diese werden durch die routi- durch Antibiotika-resistente Bakterien. Gegenstand verschie- nemäßige Untersuchung von Badegewässern ohnehin kon- dener Forschungsprojekte ist es, die Rolle des Weges über die trolliert. Umwelt bei der Entstehung und Verbreitung Antibiotika-re- Die Verbreitung multiresistenter Keime sollte unabhängig sistenter Krankheitserreger – im Vergleich zur Entstehung im davon, durch Einhaltung der Hygienestandards zur Vermei- Klinik- oder Tierhaltungsbereich und der Übertragung durch dung der Weiterverbreitung von resistenten Erregern, einen direkten Kontakt oder Lebensmittel – zu klären. sachgerechten Antibiotikaeinsatz und Reduktion des Antibio- tikaverbrauchs verhindert werden. ABS – Visionen und Realität Dr. Christian Lanckohr, Münster, ging in seinem Vortrag Dr. Christiane Schreiber, Bonn, stellte in ihrem Vortrag „ABS – aktuelle Perspektiven“ zunächst auf die alltäglichen zu MRE in klinischen Abwässern und deren Auswirkungen Qualitätsprobleme bei antiinfektiven Therapien ein, die für auf Gewässer Ergebnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt die zunehmende Resistenzentwicklung vieler Erreger rele- „HyReKA“ vor. Dabei beschränkte sie sich auf den klinisch-ur- vant sind. Es werde u.a. zu wenig mikrobiologische Diagnostik banen Bereich (sanitäre Einrichtungen in Patientenzimmern, durchgeführt, die Substanzauswahl sei oft zu breit, zu oft Abwasser-Kanalsystem, Kläranlage und Vorfluter) sowie würden ohne Grund MRE behandelt; die Dauer der Therapie auf das ländlich-kommunale System (kommunale Kläran- sei oft zu lang, pharmakologische Aspekte wie Dosierung und lagen und Gewässer-Stellen ohne bzw. mit Zuleitung von Gewebepenetration würden zu selten beachtet. Abwasser). Die Ergebnisse der beiden Fallbeispiele zeigen, Mit Antibiotic Stewardship (ABS) soll durch die Verbes- dass Antibiotika-resistente Bakterien kulturell nahezu serung der Verordnungsqualität von Antiinfektiva eine ubiquitär in Abwasser und Gewässern nachweisbar sind. Reduktion des Resistenzdrucks erreicht und gleichzeitig das Positive Befunde von ESBL-Bildnern waren demnach Outcome der behandelten Patienten verbessert werden. häufig, von VRE seltener und MRSA war kaum nachweisbar. Dr. Lanckohr sprach über die verschiedenen Komponenten MRE fanden sich im gesamten klinisch/urbanen Pfad bis von ABS-Programmen. Zu den „patienten- und verschreiber- zur Kläranlage. Dabei konnten im Klinikabwasser deutlich nahen Tätigkeiten“ gehört u.a. das „audit and feedback“, bei mehr MRE, v.a. mehr mit 4 MRGN-Einstufung, nachgewiesen dem die Kompetenzen der unterschiedlichen Fachdisziplinen werden als im ländlich-kommunalen System. Frachtbetrach- Mikrobiologie, Hygiene, Pharmazie und Infektiologie gebün- tungen bestätigen Kliniken als Schwerpunktemittenten für delt werden. Hier wird im Rahmen einer Visite versucht, die 4 MRGN. behandelnden Fachkliniker zu allen Fragen von Diagnostik Durch die Kläranlagen wird eine Reduktion Antibioti- und Therapie zu beraten. ka-resistenter Bakterien von nur 2–3 log-Stufen erreicht. Daneben gibt es auch „patientenferne ABS-Tätigkeiten“ Somit können Antibiotika-resistente Bakterien auch durch zur Verbesserung von infrastrukturellen Aspekten des die Kläranlage ins Gewässer gelangen. In Folge von Stark- Infektionsmanagements, wie das Erstellen von Hauslisten, regen gelangen MRE zudem durch Mischwasserentlastungen Therapieempfehlungen und Vefahrensanweisungen, sowie direkt mit ungeklärtem Abwasser aus den Kanalnetzen in Verbrauchssurveillance und Interpretation der Surveillance- Gewässer. Dennoch werde ein direktes Gesundheitsrisiko daten. durch MRE in Badegewässern und Trinkwasser derzeit auch Als Hürden bei der Umsetzung von ABS-Programmen für vulnerable Personen als gering eingestuft. Eine gezieltes nannte Dr. Lanckohr die Finanzierung von Stellen für ABS Hygiene & Medizin | Volume 44 | 2019 9
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