I-SHARE REPORT I: FORMEN, STEUERUNG UND VERBREITUNG DER SHARING ECONOMY IN DEUTSCHLAND - Dezember 2020 - Herausgegeben von Indre Maurer und Achim ...

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I-SHARE REPORT I: FORMEN, STEUERUNG UND VERBREITUNG DER SHARING ECONOMY IN DEUTSCHLAND - Dezember 2020 - Herausgegeben von Indre Maurer und Achim ...
Dezember 2020

I-SHARE REPORT I:
FORMEN, STEUERUNG
UND VERBREITUNG DER
SHARING ECONOMY
IN DEUTSCHLAND
Herausgegeben von Indre Maurer und Achim Oberg
i-share Forschungsnetzwerk
I-SHARE REPORT I: FORMEN, STEUERUNG UND VERBREITUNG DER SHARING ECONOMY IN DEUTSCHLAND - Dezember 2020 - Herausgegeben von Indre Maurer und Achim ...
Impressum

Bitte den Report wie folgt zitieren: Maurer, Indre & Oberg, Achim (2020). Formen, Steuerung und Verbrei-
tung der Sharing Economy in Deutschland. i-share Report (Vol. I).

Bitte einzelne Kapitel wie im folgenden Beispiel zitieren: Mair, Johanna, & Reischauer, Georg (2020). Viel-
falt und Online-Gemeinschaften der Sharing Economy. In: Maurer, Indre & Oberg, Achim: Formen, Steue-
rung und Verbreitung der Sharing Economy in Deutschland. i-share Report (Vol. I), Seite 40-48.

Forschungsverbund

Kontakt

Dominika Wruk | L9, 1-2 | 68161 Mannheim
Telefon: +49 621 181 2887 | E-Mail: wruk@ifm.uni-mannheim.de

Das Projekt i-share wurde im Rahmen des Programms „Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA)“
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vom 1.5.2015 bis zum 31.12.2019 gefördert
(Förderkennzeichen FKZ01UT1408A-E).
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Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Überblick                                         4
Indre Maurer und Achim Oberg

Verbreitung der Sharing Economy in Deutschland                   8
Achim Oberg, Dominika Wruk, Stefan Berwing, Olaf Kellermeier
und Tino Schöllhorn

Die Sharing Economy als historisches Phänomen                    23
Indre Maurer, Philipp Mosmann, Jennifer Klutt und Mark Okraku

Steuerung und Kontrolle von Communities in der Sharing Economy   33
Indre Maurer, Philipp Mosmann, Jennifer Klutt und Mark Okraku

Vielfalt und Online-Gemeinschaften der Sharing Economy           40
Johanna Mair und Georg Reischauer

Die Rolle der Informationstechnologie in der Sharing Economy     49
Alexander Frey, Manuel Trenz, Adeline Frenzel und Daniel Veit

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Einleitung und Überblick
Indre Maurer und Achim Oberg
Im vergangenen Jahrzehnt sind in Deutschland viele Organisationen ge-
gründet worden, die der Sharing Economy zugeordnet werden können. Da-
bei ist unklar, was solche Sharing Organisationen und ihre neuen Ge-
schäftsmodelle ausmacht und welche Auswirkungen diese Organisationen
haben.

Charakteristika von Sharing Organisationen und ihre Verbreitung in
Deutschland zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Abschät-
zung von Auswirkungen der Sharing Economy auf Wirtschaft, Umwelt und
Gesellschaft. Im ersten i-share Report fassen wir deshalb Ergebnisse des i-
share Forschungsnetzwerks zusammen, die uns mehr über Besonderheiten
und Merkmale von Sharing Organisationen und ihre Verbreitung in
Deutschland verraten.

Was kennzeichnet Sharing-Economy-
Organisationen in Deutschland?

Bisher hat sich keine eindeutige Definition der Sharing Economy herausge-
bildet. Vielmehr wird die Sharing Economy als „schwammiges“ („fuzzy“)
(Plewnia & Guenther, 2018) oder als breites, übergreifendes Konzept
(„umbrella concept“) beschrieben (Acquier, Daudigeos, & Pinkse, 2017;
Schor, 2014), das verschiedene Geschäftsmodelle und Organisationsformen
umfasst.

Die Frage danach, welche Organisationen Teil der Sharing Economy sind
und welche nicht, hat eine intensive und hitzige Debatte in Forschung und
Medien in Gang gesetzt (Wruk, Oberg, & Friedrich-Schieback, 2019).
Während zum Beispiel Airbnb und Uber für einige als die Aushängeschil-
der für erfolgreiche Unternehmen in der Sharing Economy gelten, kritisie-
ren andere, dass diese Unternehmen überhaupt als Teil einer Sharing Eco-
nomy beschrieben werden, da sie das Teilen ökonomisiert hätten. So wird
hinterfragt, ob gewinnorientierte Unternehmen überhaupt dazu gehören
oder nur gemeinnützige Organisationen und Initiativen Teil einer „wahren“
Sharing Economy seien (Belk, 2014).

Andere Forscher schlagen vor, den Begriff der Sharing Economy auf die
Organisationen zu beschränken, die Transaktionen zwischen Privatperso-
nen auf Plattformen ermöglichen (Frenken & Schor, 2017). Da die Ideen
des Teilens und des gemeinschaftlichen Nutzens eine lange Tradition haben
(Schor, 2014), seien gerade die digitalen Plattform das Neue an der Sharing
Economy. Unternehmen wie Car2Go, bei denen das Unternehmen selbst

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die Fahrzeuge zur Verfügung stellt, oder Coworking Spaces, die das ge-
meinschaftliche Nutzen von Büroarbeitsplätzen organisieren, wären in die-
sem Verständnis nicht Teil der Sharing Economy.

Ein Ziel des i-share Projektes ist es, ein breites und tiefes Verständnis der
Vielfalt an Organisationen in der Sharing Economy zu erhalten. Vor dem
Hintergrund einer fehlenden geteilten Definition, haben wir uns bei i-share
für eine breite und inklusive Arbeitsdefinition der Sharing Economy ent-
schieden, die verschiedene bisherige Definitionen umfasst.

SHARING ECONOMY IN I-SHARE
Die Sharing Economy umfasst Organisationen, deren Modelle auf Praktiken des
Teilens, Tauschens, Vermietens oder gemeinsamen Nutzens von Produkten und
Räumen oder der Bereitstellung von Arbeitskraft und Dienstleistungen beruhen.
Dies erfolgt über Online-Plattformen oder physische Infrastrukturen (Offline Mo-
delle).

Diese Arbeitsdefinition greift eine breite Vielfalt von Modellen wie Über-
nachtungsplattformen, Carsharing-Anbietern, Vermiet- und Verleihplattfor-
men für Gebrauchsgüter, Plattformen zur Vermittlung von Dienstleistun-
gen, Coworking Spaces, Gemeinschaftsgärten und Foodsharing-Initiativen
auf. Dieses breite Verständnis stellt sicher, dass wir potenziell relevante
Aspekte des neuen Phänomens nicht frühzeitig aus dem Fokus nehmen.
Welche dieser Sharing Modelle wo in Deutschland zu finden sind, be-
schreiben wir in Kapitel 2. Dafür berichten wir über Ergebnisse aus der
Kartierung von Sharing Organisationen in Deutschland und stellen den dar-
aus entstandenen i-share Atlas vor. Danach greifen wir die Frage auf, wie
neu die Ideen und Modelle, auf denen Sharing Organisationen beruhen, tat-
sächlich sind. Die gemeinschaftliche Nutzung und der gemeinschaftliche
Besitz von Dingen sind keine komplett neuen Ideen und Praktiken, sondern
haben in der Vergangenheit Maschinenringe, Genossenschaften oder All-
menden hervorgebracht. Solche „alten“ Formen des Teilens und gemeinsa-
men Nutzens und ihre Gemeinsamkeiten mit neuen Modellen in der Sha-
ring Economy werden in Kapitel 3 vorgestellt.

Was sind Besonderheiten von Sharing
Organisationen?

In der Sharing Economy werden unterschiedlichste ökonomische Transakti-
onen abgewickelt: Sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Transaktionen
gehören dazu (z.B. Airbnb versus Couchsurfing); bei einigen Transaktionen
findet ein Eigentumswechsel statt (z.B. Foodsharing), bei anderen nicht
(z.B. Bikesharing); einige motivieren die Nutzer durch wirtschaftliche (z.B.
Carsharing), andere durch soziale Anreize (z.B. Community Gärten); viele
werden durch Internetplattformen unterstützt, manche Transaktionen finden
sogar nur online statt (z.B. Teilen von Musik), andere bauen eine physische

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Infrastruktur auf (z.B. Coworking-Spaces), um das Teilen, Tauschen oder
gemeinsam Nutzen zu organisieren. Wir wollen verstehen und systematisch
erfassen, mit welchen sozialen, formalen und technischen Mechanismen
Sharing-Economy-Organisationen koordiniert und gesteuert werden (For-
schungsverbund i-share 2019). Dafür haben wir Koordinations- und Steue-
rungsmechanismen von Sharing Organisationen untersucht und erfasst, mit
welchen Mitteln sie ihre Community aus Anbietern und Nutzern motivieren
und koordinieren. Diese Ergebnisse werden in Kapitel 4 dargestellt.

COMMUNITY IN I-SHARE
Zur Community einer Sharing Organisation zählen alle Personen, die das Funktio-
nieren der Sharing Organisation ermöglichen: die BetreiberInnen der Organisation,
die MitarbeiterInnen oder ehrenamtlichen HelferInnen, die NutzerInnen und Anbie-
terInnen, die über die Sharing Plattform Produkte oder Dienstleistungen nachfragen
und bereitstellen.

Mit ihren Geschäftsmodellen verändert die Sharing Economy wie wir kon-
sumieren, produzieren und arbeiten. So sind es häufig Selbständige oder
Privatpersonen, die die eigentlichen Leistungen und Produkte anbieten,
während Sharing Organisationen als Vermittler fungieren, ohne dass sie
selbst die notwendigen Ressourcen und Produkte vorhalten. Damit verwi-
schen in einigen Modellen vormals etablierte Grenzen zwischen Konsu-
menten und Produzenten, zwischen Arbeit und Freizeit oder zwischen pri-
vatem und öffentlichem Eigentum. Ein besonderer Fokus in Kapitel 5 liegt
auf Online-Communities, deren Management Sharing Organisationen vor
ganz eigene Herausforderungen stellt. Welchen Beitrag Informationstech-
nologie bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von Sharing Organi-
sationen leistet, wird abschließend in Kapitel 6.

WEITERFÜHRENDE LESEEMPFEHLUNGEN
Wruk, D., Oberg, A., & Maurer, I. (2019). Perspectives on the Sharing Economy.
Newcastle: Cambridge Scholars Publishing.

Maurer, I., Mair, J., & Oberg, A. (Eds.). (2020). Theorizing the Sharing Economy:
Variety and Trajectories of New Forms of Organizing. Research in the Sociology of
Organizations, Vol. 66, Emerald Publishing Limited.

                               i-share Report I - 6
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Literatur

Acquier, A., Daudigeos, T. & Pinkse, J. (2017). Promises and paradoxes of
  the sharing economy: An organizing framework. Technological
  Forecasting and Social Change, 125, 1–10.

Belk, R. (2014). Sharing versus pseudo-sharing in Web 2.0.
   Anthropologist, 18(1), 7–23.

Frenken, K. & Schor, J. (2017). Putting the sharing economy into
   perspective. Environmental Innovation and Societal Transitions, 23, 3–
   10.

Forschungsverbund i-share (2019). Wie Deutschland von der Vielfalt der
   Sharing Economy profitieren kann. Policy Brief des i-share Projektes.
   Berlin.

Plewnia, F. & Guenther, E. (2018). Mapping the sharing economy for
   sustainability research. Management Decision, 56(3), 570–583.

Schor, J. (2014). Debating the sharing economy. Journal of Self-
   Governance & Management Economics, 4(3), 7.

Wruk, D., Oberg, A. & Friedrich-Schieback, M. (2019). Quantifying the
  sharing economy: An approach for measuring the ecological, social, and
  economic effects. GAIA-Ecological Perspectives for Science and
  Society, 28(1), 184–189.

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Verbreitung der Sharing Economy
in Deutschland
Achim Oberg, Dominika Wruk, Stefan Berwing,
Olaf Kellermeier und Tino Schöllhorn
Forschungsteams ifm Universität Mannheim und Plattform GmbH

Die Sharing Economy wird häufig als urbanes Phänomen beschrieben (Co-
hen, 2016; Davidson & Infranca, 2015; Sundararajan, 2014). In größeren
Städten sei die kritische Masse an potenziellen NutzerInnen ausreichend
groß und die geographische Distanz zwischen ihnen hinreichend klein, so
dass Modelle zum gemeinsamen Nutzen, Tauschen oder Vermieten hier be-
sonders effizient und effektiv umsetzbar seien. Gleichzeitig haben alte For-
men des gemeinschaftlichen Nutzens und Besitzens in ländlichen Gebieten
eine lange Tradition: Allmenden, Genossenschaften oder Maschinenringe
wurden von der ländlichen Bevölkerung ins Leben gerufen mit dem Ziel,
den Aufwand auf alle Beteiligten zu verteilen und so Anschaffungen und
andere Aktivitäten überhaupt erst möglich und wirtschaftlich tragbar zu
machen. Es stellt sich die Frage, welche Sharing Organisationen es wo in
Deutschland gibt. Genauer gefragt: In welchen Bereichen sind Sharing Or-
ganisationen in Deutschland tätig? Ist die Sharing Economy ein rein urba-
nes Phänomen?

Diesen Fragen nachzugehen ist ein Ziel des i-share Projektes. Dafür wurden
bestehende Sharing Organisationen, die in Deutschland aktiv sind, identifi-
ziert und kartiert. Eine solche Kartierung hat einen wissenschaftlichen und
gesellschaftlichen Nutzen. Die Kartierung von Sharing Organisationen ist
eine wichtige Voraussetzung für die qualitative und quantitative empirische
Forschung im Rahmen des i-share Projektes, denn bisher existierte keine
Datenbank, in der Sharing Organisationen systematisch erfasst und katego-
risiert sind. Sharing Organisationen können wiederum von einer höheren
Sichtbarkeit profitieren und mehr über vergleichbare und über ganz andere
Sharing Modelle erfahren. (Potenzielle) NutzerInnen von Sharing Organi-
sationen bekommen eine Übersicht der Angebote in ihrer Nähe.

ZENTRALE ERGEBNISSE
 •   Über 2.500 Sharing Organisationen wurden bisher im i-share Atlas erfasst

 •   Sharing Organisationen können 17 Aktivitätsbereichen zugeordnet werden

 •   Seit 2008 Gründungsboom in der Sharing Economy zu beobachten

 •   Verdichtung auf große Städte und Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte
     zu sehen, aber Sharing Organisationen auch in ländlichen Gebieten vorhan-
     den

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Vorgehen

Um einen Überblick über die Sharing Economy zu gewinnen, wurde auf
der Projektseite der i-share Atlas angelegt (www.i-share-economy.org/at-
las), der Sharing Organisationen in Deutschland zusammenträgt. Darin
werden Sharing Organisationen mit Kurzprofilen erfasst, verlinkt und the-
matisch gruppiert. Sharing Organisationen wurden auf drei Wegen identifi-
ziert:

 •   Sharing Organisationen wurden mittels Internetrecherchen gefunden.
     Hierfür konnten etablierte Branchenverzeichnisse und Blogs nach Hin-
     weisen auf Sharing Organisationen durchsucht werden. Auch eine
     Stichwortsuche (z.B. Sharing Economy, Coworking, Carsharing) in
     bestehenden Online-Suchportalen wurde durchgeführt.

 •   Ein Web-Crawler wurde herangezogen, um weitere Organisationen
     zu identifizieren. Der Internet-Crawler erfasst alle Verlinkungen zwi-
     schen Webseiten. Kennt man also ein erstes Set an Sharing Organisati-
     onen, relevanten Medien und Blogs, können über die Verlinkungs-
     strukturen weitere Organisationen gefunden werden, die potenziell
     Teil der Sharing Economy sind.

 •   Drittens wurde ein Selbstregistrierungstool entwickelt, so dass Orga-
     nisationen sich auch selbst eintragen können. Grundsätzliche Eigen-
     schaften (z.B. Adresse, Rechtsform, Ansprechperson) werden während
     der Selbstregistrierung von den Sharing Organisationen selbst ange-
     legt. Darüber hinaus können sie Angaben dazu machen, in welchem
     Bereich sie aktiv sind (z.B. Mobilität und Transport) und wo ihre Leis-
     tungen verfügbar sind bzw. welche Reichweite sie haben (z.B. Stadt-
     teil, Stadt, bundesweit). Eine individuelle Beschreibung der Organisa-
     tionen sowie ein Logo vervollständigen das Profil der Organisationen.

Der i-share Atlas

Mit diesem Vorgehen konnten bisher über 2.500 Sharing-Organisationen
in den i-share Atlas aufgenommen werden. Jede von uns gefundene Sha-
ring-Organisation wurde mit einer individuellen E-Mail dazu eingeladen,
ihr Profil im i-share Atlas zu vervollständigen und eine Kurzbeschreibung
und ein Logo zu ergänzen. Sharing Organisationen, deren Vertreter sich
selbst oder auf diese Einladung hin registriert haben, sind öffentlich auf der
Karte und als Liste sichtbar (https://www.i-share-economy.org/atlas/fertig-
gestellte-profile). Zu den erfassten Informationen gehören, neben der für
die Kartierung notwendigen Adresse, ein Ansprechpartner mit Kontaktda-
ten, die Rechtsform und das Gründungsjahr der Organisationen sowie eine
Kategorisierung in Aktivitätsbereiche.

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Aktivitätsbereiche von Sharing Organisationen in Deutschland

Unsere Recherchen haben ergeben, dass Sharing Organisationen in
Deutschland in 17 verschiedenen Bereichen aktiv sind. Dazu gehören ne-
ben häufig in den Medien diskutierten Online Modellen wie Übernach-
tungsplattformen oder Ridesharing-Diensten auch Offline Modelle, zu de-
nen Gemeinschaftsgärten oder Repair Cafés zählen.

Die etwa 2.500 Sharing Organisationen verteilen sich dabei nicht gleichmä-
ßig auf die Aktivitätsbereiche (siehe Abbildung 2-1). Stattdessen gibt es
eine große Anzahl von Organisationen mit Offline Modellen wie Commu-
nity Gärten, Reparaturwerkstätten, Coworking Spaces, gemeinschaftliche
Wohnprojekte oder Tauschringe. Dagegen sind deutlich weniger Sharing
Organisationen zu finden, die ein Online Modell betreiben. Ein Grund für
die ungleiche Verteilung ist die geographische Reichweite der Sharing Or-
ganisationen.

ABSCHÄTZUNG DER GESAMTGRÖßE DER SHARING ECONOMY
Wir gehen nicht davon aus, dass wir alle in Deutschland aktiven Sharing Organisa-
tionen gefunden und kartiert haben. Zur Abschätzung der Gesamtheit an Sharing
Organisationen in Deutschland haben wir eine noch detailliertere Recherche von
Sharing Organisationen in Mannheim und Umgebung durchgeführt. Das Ergebnis
der vertieften Recherche war, dass wir eine Sharing Organisation je 20.000 Ein-
wohner gefunden haben. Auf Basis der Gesamtbevölkerung lässt sich damit verein-
facht abschätzen, dass es mindestens 4.000 Sharing Organisationen in Deutsch-
land gibt. Unserer Schätzung nach ist es damit bisher gelungen, etwa 60 Prozent
der Sharing Organisationen in Deutschland zu erfassen.

Organisationen mit Offline Modellen benötigen eine physische Infrastruk-
tur in Form von Räumen, Flächen und Geräten, die gemeinschaftlich ge-
nutzt werden, um Leistungen und Produkte auszutauschen. Sie sind deshalb
zumeist in einzelnen Gemeinden oder Stadtteilen aktiv. Hingegen haben
Sharing Organisationen mit Online Modellen wie etwa Vermittlungsplatt-
formen für Dienstleistungen, Tausch- und Second-Hand-Plattformen oder
Angebote im Mobilitätsbereich ein größeres Einzugsgebiet und sind in
mehreren Städten, einer größeren Region oder gar deutschlandweit oder
darüber hinaus verfügbar. In der Folge sind weniger dieser Sharing Organi-
sationen vorhanden, da sie über Stadtgrenzen hinweg miteinander im Wett-
bewerb um dieselben KundInnen stehen können.

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VERTEILUNG VON SHARING ORGANISATIONEN AUF
                  AKTIVITÄTSBEREICHE

                Abbildung 2-1: Verteilung von Sharing Organisationen.

Trotz der vielfältigen Anwendungsbereiche (siehe Tabelle 2-1) gibt es Ge-
meinsamkeiten bei den Geschäftsmodellen von Sharing Organisationen
(Wruk et al., 2019). Unter Sharing Organisationen in den verschiedenen
Aktivitätsbereichen konnten zwei grundsätzliche Kategorien von Ge-
schäftsmodellen identifiziert werden: Grassroots-Initiativen und plattform-
basierte Organisationen.

Grassroots umfassen typischerweise gemeinnützig motivierte Initiativen,
die mithilfe eines lokalen Teams eine physische Infrastruktur zum Teilen,
Tauschen oder gemeinsam Nutzen aufbauen und betreiben. Damit verfol-
gen Grassroots-Initiativen typischerweise insbesondere soziale Ziele wie
die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in einer Nachbarschaft. Platt-
form-basierte Organisationen stellen Online-Plattformen bereit, über die
Transaktionen angestoßen, abgewickelt und abgesichert werden. Sie adres-
sieren im Kern häufig ökonomische Ziele, wie die Schaffung von Kosten-
vorteilen für NutzerInnen.

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TABELLE 2-1: AKTIVITÄTSBEREICHE VON
              SHARING ORGANISATIONEN IN DEUTSCHLAND

Aktivitäts-                                     Kurzbeschreibung
bereiche                                  (weitere Details im Glossar)

                  Ein Community Garden ist ein als Garten genutztes Stück Land, das von einer
                  Gruppe von Personen gemeinsam bewirtschaftet wird. In der Regel befinden sich
Community Gar-    die Grundstücke in städtischen Gebieten und sind öffentlich zugänglich. Ziele
dens              sind die Produktion gesunder, unbehandelter Lebensmittel, Wissensaustausch
                  sowie häufig auch die Nutzung des Gartens als sozialen Treffpunkt der Commu-
                  nity.

                  Coworking beschreibt eine relativ neue Arbeitsform, bei der sich insbesondere
                  Start-Ups, Freiberufler und Kreative einen gemeinsamen Arbeitsplatz in meist
Coworking
                  größeren, offenen Räumen teilen (Coworking Space). Sie profitieren dabei vom
Spaces
                  gegenseitigen Austausch sowie von dem vom Betreiber zur Verfügung gestellten
                  Equipment.

                  Crowdfunding–Plattformen ermöglichen die Finanzierung von Projekten, Produk-
                  ten, Startups u.v.m. durch eine Vielzahl von Menschen. Dabei leistet jedes Mit-
Crowdfunding      glied der Masse (Crowd) nur einen kleinen finanziellen Anteil. Je nach Form fließt
und
                  das Geld als Spende oder wird durch eine Gegenleistung vergolten. Beim
Crowdlending
                  Crowdlending geben die Unterstützer einen Kredit zu vorab festgelegten Kondi-
                  tionen.

                  Foodsharing oder Shared Food meint allgemein das Teilen von Lebensmitteln.
                  Meist wird mit dem Begriff jedoch die spezifische Praktik des kostenlosen Vertei-
Foodsharing und
                  lens von vor dem Wegwerfen geretteten Lebensmitteln an öffentlichen Verteilsta-
Mealsharing
                  tionen bezeichnet. Im Falle von zubereiteten Gerichten spricht man auch von
                  Mealsharing.

                  Gemeinschaftliches Wohnen oder Cohousing bezeichnet eine von ihren Bewoh-
                  nern gemeinsam geplante und bewirtschaftete Gemeinschaft aus privaten Woh-
Gemeinschaft-     nungen und/oder Häusern. Typisch für diese Art des Wohnens sind die allen zu-
liches Wohnen
                  gängliche Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie die gegenseitige Un-
                  terstützung im Alltag.

                  MakerSpaces sind eine Form von Gemeinschaftswerkstätten. In den zur Verfü-
                  gung gestellten Räumlichkeiten liegt der Fokus jedoch weniger auf dem Reparie-
                  ren als vielmehr auf der Herstellung neuer Produkte mit Hilfe von modernem
MakerSpaces       High-Tech-Equipment. Die gemeinschaftliche Nutzung ermöglicht es z.B. kleinen
                  Unternehmen und Einzelpersonen, Prototypen und Kleinserien kostengünstig
                  herzustellen. Viele dieser Werkstätten sind im FabLabs Netzwerk zusammenge-
                  schlossen.

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Aktivitäts-                                    Kurzbeschreibung
bereiche                                 (weitere Details im Glossar)

                 Hierunter fallen vielfältige Initiativen und Organisationen zur gemeinschaftlichen
                 Nutzung von Fahrzeugen. Die Koordination der Nutzung findet zumeist über eine
                 Online-Plattform statt. Die Initiativen sehen sich als Alternativen oder als nach-
Mobilität und
                 haltige Ergänzung zu privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln. Die aktuell am
Transport
                 weitesten verbreiteten Formen sind Bikesharing, Carsharing, Carpooling und
                 Ridesharing. Die Begriffe werden hierbei nicht immer einheitlich, teilweise auch
                 synonym benutzt.

                 Eine Übernachtungsplattform ist eine Internetplattform, auf der die NutzerInnen
                 ihr Haus, ihre Wohnung oder eine dortige Schlafmöglichkeit anderen Personen
Übernachtungs-
                 für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stellen können. Für die Übernach-
plattformen
                 tungsmöglichkeit wird mit Geld oder durch das wechselseitige Bereitstellen der
                 eigenen Wohnung bezahlt.

                 Reparaturwerkstätten sind permanente oder temporäre Angebote, die es Laien
                 erlauben, unter fachkundiger Anleitung und mit bereitgestelltem Werkzeug de-
Reparatur-       fekte Gebrauchsgegenstände (z.B. Fahrräder) zu reparieren. Diese müssen so-
werkstätten      mit nicht entsorgt und teuer ersetzt werden. Repair Cafés sind hierbei in be-
                 stimmten zeitlichen Abständen organisierte Treffen unter dem gleichen Motto des
                 do-it-yourself-Reparierens.

                 Swappingplattformen sind Online-Plattformen, über die Güter, die vormals be-
                 reits im Besitz von Personen oder Organisationen waren, geswappt (getauscht)
Swappingplatt-
                 werden. Entsprechende Plattformen bieten darüber hinaus häufig auch die Mö-
formen
                 glichkeit die Güter zu verschenken, seltener auch zu verkaufen. Häufig geswappt
                 werden z.B. Bücher und Kleider.

                 Solidarische Landwirtschaft (kurz Solawi) bezeichnet die Kooperation privater
                 Verbraucher mit einem landwirtschaftlichen Betrieb oder einer Gärtnerei auf loka-
Solidarische     ler Ebene. Die Verbraucher verpflichten sich zur Zahlung eines jährlich festge-
Landwirtschaft   setzten Betrages bzw. geben dem Landwirt eine Abnahmegarantie. Dies ver-
                 schafft ihm/ihr Planungssicherheit und den Verbrauchern Transparenz beim Kauf
                 ihrer Nahrungsmittel.

                 Stationäre Einrichtung zum Tausch oder Erwerb von Gütern, die vormals bereits
Stationäre       im Besitz von Personen oder Organisationen waren. Der Lebenszyklus der Güter
Tauschbörse      soll durch Weitergabe an andere verlängert und somit die Müllproduktion redu-
                 ziert werden.

                                i-share Report I - 13
Aktivitäts-                                     Kurzbeschreibung
bereiche                                   (weitere Details im Glossar)

                   Eine Verleih- oder Vermietplattform ist eine Internetplattform, auf der NutzerIn-
Vermietplattfor-   nen ihr Eigentum an andere verleihen können. Gegenstände werden kostenlos
men und Ver-       oder gegen eine Gebühr angeboten. Die Plattformen verstehen sich als nachhal-
leihplattformen    tigere Alternative zum Neukaufen und wollen nutzbare Dinge einer Gesellschaft
                   für alle verfügbar machen.

                   Plattformbetreiber der Vermittlungsplattformen für Dienstleistungen fragen übli-
                   cherweise selbst weder Dienstleistungen nach, noch bieten sie diese dort an –
Vermittlungs-      ihre Aufgabe ist die Vermittlung. Die Plattformen ermöglichen ein schnelles An-
plattformen für    bieten und Vergeben von Aufgaben. Die Dienstleister, meist Eigenständige oder
Dienst-            Privatpersonen, erhalten mit geringem Aufwand Aufträge, die sie wiederum frei
leistungen         annehmen oder ablehnen können. Der relativ flexiblen Zeiteinteilung und der
                   Wahl des Arbeitsortes stehen die Gefahr des Lohndumpings und prekärer Arbeit
                   als häufige Kritikpunkte gegenüber.

                   Im Bereich der Versorgung mit grundlegenden Ressourcen wie dem Zugang zu
                   Internet oder Strom schließen sich private NutzerInnen zu einer Gemeinschaft
Versorgungs-
                   (oft Genossenschaft) zusammen. Diese „produziert“ die Ressourcen eigenstän-
sektor
                   dig und somit unabhängig. Ziele im Bereich der Stromversorgung sind oft Unab-
                   hängigkeit und ein Beitrag zur Energiewende.

                   An lokale Communities gebundene Konzepte des unentgeltlichen Austauschs
                   von Dienstleistungen, Erfahrungen, Wissen und Gegenständen. Bei Zeitbanken
Zeitbanken und     erhält man für geleistete Hilfe eine Gutschrift auf dem Zeitkonto, was den „Kauf“
lokale             von Hilfe aus der Community zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. In Tausch-
Tauschringe        ringen werden auch Gegenstände getauscht. Nachbarschaftsplattformen verei-
                   nen oft beide Konzepte.

                                  i-share Report I - 14
Gründungen in der Sharing Economy

Schaut man sich die Gründungen von Sharing Organisationen über die Zeit
an, so sieht man einen Gründungsboom seit 2008. Abbildung 2-2 zeigt,
dass davor Ideen und Modelle ausprobiert wurden und erste Gründungen zu
beobachten waren. So gab es bereits in den frühen 1990er Jahren Grün-
dungen von Car-Sharing-Organisationen; in den späten 1990er Jahren sind
viele Zeitbanken und lokale Tauschringe entstanden; gemeinschaftliche
Wohnprojekte sind verstärkt in den frühen 2000ern gegründet worden. Dies
geschah weitgehend ohne mediales oder gesellschaftliches Interesse für die
Sharing Economy als Phänomenbereich. Mit der Finanz- und Wirtschafts-
krise 2008 ist die Sharing Economy zunehmend in den Fokus der Aufmerk-
samkeit gerückt und hat einen Gründungsboom in Gang gesetzt.

      GRÜNDUNGEN JE AKTIVITÄTSBEREICH (1990-2015)

             Abbildung 2-2: Gründungen je Aktivitätsbereich (1990-2015).

Dies hat verschiedene Gründe: Für einige wurde die Suche nach neuen Ein-
kommensquellen zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Modelle, die es er-
laubten, die eigene Wohnung, das eigene Auto oder andere Besitztümer zu
vermieten oder die eigene Arbeitskraft zu vermitteln, stießen hier auf Inte-
resse und Akzeptanz. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verlieh Forderun-
gen nach alternativen Wirtschaftsmodellen Nachdruck, was auch der Ent-
wicklung der Sharing Economy Aufwind gab. Auch soziokulturelle Ent-
wicklungen haben das Wachstum der Sharing Economy befördert. Etwa ein
Wandel der Einstellung zum Thema Eigentum insbesondere unter der jün-
geren Bevölkerung – wie in dem Motto „Access over Ownership“ („Zu-
gang statt Eigentum“) passend festgehalten ist – oder eine stärkere Heraus-
bildung eines Nachhaltigkeitsbewusstseins. Durch neue App- und Web-
technologien konnten Such- und Transaktionskosten reduziert werden und

                               i-share Report I - 15
die Verbreitung sozialer Medien hat die Vorstellung, Fremden die eigene
Wohnung oder das eigene Auto anzuvertrauen, für einen zunehmenden Teil
der Bevölkerung zur Normalität werden lassen, so dass diese zu den tech-
nologischen Treibern der Sharing Economy gehören.

 GEOGRAPHISCHE VERTEILUNG VON SHARING-ECONOMY-
      ORGANISATIONEN IN DEUTSCHLAND (2017)

Abbildung 2-3: Geographische Verteilung von Sharing-Economy-Organisationen 2017. Dunk-
lere Bereiche zeigen eine höhere Dichte an Sharing-Economy-Organisationen. Kartenquelle:
                     Google, Map data © (2017), GeoBasts-De/BKG ©

                                 i-share Report I - 16
Unsere Daten aus dem i-share Atlas bestätigen die Bedeutung der Sharing
Economy für Großstädte wie Berlin, Hamburg oder München und für dicht
besiedelte Gebiete wie die Rhein-Neckar, Rhein-Main und Rhein-Ruhr Re-
gionen, wie auch aus Abbildung 2-3 ersichtlich wird.

Über die Zeit gibt es eine Verbreitung und Verdichtung von Sharing Orga-
nisationen im Bundesgebiet. Während es im Jahr 2000 relativ wenige Sha-
ring Organisationen gab und auf der Deutschlandkarte kein eindeutiges
Muster zu erkennen ist, werden über die Zeit bis 2017 mehrere Regionen
erkennbar, in denen es eine starke Verdichtung von Sharing Organisationen
gibt, wie an den dunkleren Farben in Abbildung 2-4 erkennbar ist.

  GEOGRAPHISCHE VERTEILUNG VON SHARING-ECONOMY-
      ORGANISATIONEN ÜBER DIE ZEIT (2000-2017)

Abbildung 2-4: Geographische Verteilung von Sharing-Economy-Organisationen über die Zeit
(2000-2017). Dunklere Bereiche zeigen eine höhere Dichte an Sharing-Economy-Organisatio-
           nen. Kartenquelle: Google, Map data © (2017), GeoBasts-De/BKG ©

Wenn wir unseren Fokus auf einzelne Aktivitätsbereiche setzen, beobach-
ten wir unterschiedliche Diffusionsmuster. Zum Beispiel zeigt Abbildung
2-5 die aktuell etwa 300 erfassten digitalen Plattformen zum Austausch von
Gütern oder Dienstleistungen, deren Angebote häufig deutschlandweit ver-
fügbar sind. Es zeigt sich, dass diese Organisationen ihren Hauptsitz insbe-
sondere in Startup-Zentren haben: Viele sind im Zentrum von Berlin, wei-
tere sind in Hamburg oder München zu finden. Zentrale Leistungen dieser
Organisationen sind die Bereitstellung der technischen Infrastruktur für den
Austausch zwischen Individuen und der Aufbau einer Online-Community.
Obwohl diese Leistungen prinzipiell ortsunabhängig erbracht werden kön-
nen, sind Organisationen bevorzugt an Standorten zu finden, die als Star-
tup-Zentren bekannt sind, da sie Zugang zu Gründungs-Know-How und zu
Finanzierungsquellen für die technische Infrastruktur benötigen.

                                 i-share Report I - 17
GEOGRAPHISCHE VERTEILUNG VON ONLINE-PLATTFORMEN
             IN DEUTSCHLAND (2017)

 Abbildung 2-5: Geographische Verteilung von Online-Plattformen in Deutschland (2017).
Dunklere Bereiche zeigen eine höhere Dichte an Sharing-Economy-Organisationen. Karten-
                quelle: Google, Map data © (2017), GeoBasts-De/BKG ©

Das Bild verändert sich deutlich, wenn wir in Abbildung 2-6 Angebote im
Bereich Mobilität betrachten. Hier stechen Ballungsgebiete deutlich weni-
ger stark hervor, denn insbesondere Carsharing-Angebote sind auch in klei-
neren Städten und im ländlichen Raum zu finden.

                                i-share Report I - 18
GEOGRAPHISCHE VERTEILUNG VON SHARING-ANGEBOTEN
           IM BEREICH MOBILITÄT (2017)

 Abbildung 2-6: Geographische Verteilung von Sharing-Angeboten im Bereich Mobilität in
Deutschland (2017). Dunklere Bereiche zeigen eine höhere Dichte an Sharing-Economy-Or-
      ganisationen. Kartenquelle: Google, Map data © (2017), GeoBasts-De/BKG ©

Wenn wir die Verbreitung unterschiedlicher Modelle in Abbildung 2-7 ne-
beneinanderstellen, werden deutliche Unterschiede in den beobachteten
Mustern sichtbar: Die über 270 erfassten Coworking Spaces in Deutschland
sind in Abbildung 2-7b) zu sehen. Diese sind insbesondere in größeren
Städten mit einer überdurchschnittlich hohen Selbstständigenquote
und/oder einem hohen Anteil von Personen, die im IT- und Dienstleis-
tungssektor tätig sind (Datenquelle: Statistische Ämter des Bundes und der

                                i-share Report I - 19
Länder, 2014) zu finden. Dazu zählen neben Berlin, Hamburg und Mün-
chen auch Frankfurt und Düsseldorf. Es kann angenommen werden, dass in
diesen Städten die Nachfrage nach gemeinschaftlichem Arbeitsraum hoch
ist, so dass dort viele Coworking Spaces entstehen. Dagegen sehen wir bei
Sharing Organisationen, die im Bereich der solidarischen Landwirtschaft
(Abbildung 2-7c) tätig sind und bei Maker Spaces (Abbildung 2-7g) eine
deutlich gleichmäßigere Verteilung. Diese sind nicht nur im Ballungsraum
größerer Städte und Stadtzentren zu finden, sondern auch im ländlichen
Raum. Auffällig ist in den meisten Abbildungen und auch in der Darstel-
lung der gesamten Sharing Economy weiter oben, dass es „blinde Flecken“
auf den Karten gibt.

 GEOGRAPHISCHE VERTEILUNG VERSCHIEDENER SHARING-
         ECONOMY-ORGANISATIONEN (2017)

  Abbildung 2-7: Geographische Verteilung von Sharing-Economy-Organisationen in unter-
schiedlichen Aktivitätsbereichen (2017). Dunklere Bereiche zeigen eine höhere Dichte an Sha-
     ring-Economy-Organisationen. Alle Darstellungen beziehen sich auf das Jahr 2017.
               Kartenquelle: Google, Map data © (2017), GeoBasts-De/BKG ©

Zudem fällt auf, dass sich außerhalb des Großraums Berlins und der west-
deutschen Bundesländer weniger Sharing Organisationen finden. Nur Pro-
jekte der solidarischen Landwirtschaft und Maker Spaces sind gleichmäßi-
ger verteilt. Ein Grund für die ungleiche Verteilung kann die vergleichbar
geringe Bevölkerungsdichte in den betreffenden Regionen sein. Weitere In-
formationen – etwa sozio-kulturelle, politische oder wirtschaftliche Fakto-
ren – könnten zukünftig herangezogen werden, um die beobachteten geo-
graphischen Verbreitungen der verschiedenen Formen zu erklären.

                                  i-share Report I - 20
Ausblick

Zwei Ziele verfolgen wir mit unserer weiteren Forschung zur Verbreitung
von Sharing Organisationen in Deutschland: Zum einen möchten wir mög-
liche Erklärungen für die unterschiedlichen Diffusionsmuster untersuchen.
Eine Erwartung wäre, dass der historische, ökonomische und soziokultu-
relle Kontext dazu beitragen, die Verteilung von Sharing Organisationen
besser zu verstehen: Das historische Erbe einer Region könnte die vorherr-
schenden Organisationsformen und damit auch die Verbreitung von Sha-
ring Organisationen beeinflussen (Stinchcombe, 1965); auch der ökonomi-
sche Kontext – etwa die Frage, welche Industrien bereits in einer Region
existieren – könnte Einfluss darauf haben, ob und welche Sharing Organi-
sationen in einer Region zu finden sind (Porter, 2011). Schließlich sollten
ein Verständnis der vorherrschenden institutionellen Bedingungen und
Strukturen und der allgemeine soziokulturelle Kontext dazu beitragen, zu
verstehen (DiMaggio & Powell, 1983), warum bestimmte Sharing Organi-
sationen in einzelnen Regionen zu finden sind und andere nicht.

WEITERFÜHRENDE LESEEMPFEHLUNGEN
Wruk, D., Oberg, A., Klutt, J., & Maurer, I. (2019). The Presentation of Self as Good
and Right: How Value Propositions and Business Model Features are Linked in the
Sharing Economy. Journal of Business Ethics, 159(4), 997–1021.

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                                i-share Report I - 21
Literatur

Cohen, B. (2016). Making sense of the many business models in the
  sharing economy. Fast Company. Abgerufen von
  https://www.fastcompany.com/3058203/making-sense-of-the-many-
  business-models-in-the-sharing-economy

Davidson, N. M., & Infranca, J. J. (2015). The sharing economy as an
  urban phenomenon. Yale L. & Pol’y Rev., 34, 215.

DiMaggio, P., & Powell, W. (1983). The iron cage revisited: Institutional
  isomorphism and collective rationality in organizational fields.
  American Sociological Review, 48(2), 147–160.

Porter, M. E. (2011). Competitive advantage of nations: Creating and
   sustaining superior performance. New York: Simon and Schuster.

Stinchcombe, A. L. (1965). Social structure and organizations. In J.G.
   March (Hrsg.), Handbook of Organizations: 142–193. Chicago: Rand
   McNally.

Sundararajan, A. (2014). Peer-to-peer businesses and the sharing
  (collaborative) economy: Overview, economic effects and regulatory
  issues. Written Testimony for the Hearing Titled The Power of
  Connection: Peer to Peer Businesses.

Wruk, D., Oberg, A., Klutt, J., & Maurer, I. (2019). The Presentation of
  Self as Good and Right: How Value Propositions and Business Model
  Features are Linked in the Sharing Economy. Journal of Business
  Ethics, 159(4), 997–1021.

                            i-share Report I - 22
Die Sharing Economy als
historisches Phänomen
Indre Maurer, Philipp Mosmann, Jennifer Klutt
und Mark Okraku
Forschungsteam Universität Göttingen

Die Sharing Economy gilt in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleicher-
maßen als ein modernes Phänomen, das alternative Formen und Modelle
des Wirtschaftens vorantreibt. Obwohl Treiber wie zum Beispiel die mo-
derne Netzwerk- und Informationstechnologie oder ein gesellschaftlicher
Wertewandel hinsichtlich nachhaltiger Formen des Wirtschaftens und Kon-
sumierens für den rasanten Bedeutungszuwachs verantwortlich gemacht
werden, ist die Idee des Tauschens, Teilens und Verleihens nicht neu. Ge-
schäftsmodelle von Organisationen wie Kleiderkreisel, dem Gemein-
schaftsgarten Himmelbeet oder Airbnb, basieren in vielerlei Hinsicht auf
tradierten Formen und Modellen in der Geschichte.

Besonders in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum verkörpert das
Tauschen, Teilen und Verleihen seit jeher ein Grundmodell des Wirtschaf-
tens (Ostrom, 1990; Warde, 2013). So lässt sich beispielsweise gemein-
schaftliche Land- und Bodennutzung vom Ende des frühen Mittelalters bis
in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, bevor zunehmende Ge-
meinheitsteilungen und Verkoppelungen die bestehende Agrarverfassung
aufhoben. Aber auch andere Formen sind charakteristisch für dieses Grund-
modell, wobei Arbeitskraft, Maschinen, Nutztiere oder auch spezielle Ein-
richtung-en geteilt und gemeinschaftlich genutzt wurden. Dies verdeutlicht,
dass nicht nur moderne, sondern auch historische Formen vielfältige Aus-
prägungen aufweisen (Mahlerwein, 2016). So ergeben sich folgende Fra-
gen: Welche historischen Formen gemeinschaftlicher Ressourcennutzung
gibt es und wie lassen sich diese systematisieren, sodass sie mit modernen
Formen vergleichbar sind?

Das “Historical Honeycomb of the Sharing
Economy”

Um die Sharing Economy als neues Wirtschaftsphänomen ganzheitlich zu
verstehen und ihre Ausprägungen und Organisationen abbilden zu können,
ist das Collaborative Economy Honeycomb von Jeremiah Owyang (2016)
entscheidend (Davidson & Infranca, 2016). Es handelt sich um einen der
ersten Ansätze, der die Organisationen in der Sharing Economy identifiziert
und auf Basis ihrer Anwendungsbereiche systematisiert (Schor, 2014;
Acquier, Daudigeos, & Pinkse, 2017). Die Struktur der Wabe wie in Ab-
bildung 3-1 ersichtlich, erweist sich als geeignet, um diese kontinuierlich
mit neuen Anwendungsbereichen und auch Organisationen zu erweitern.

                            i-share Report I - 23
DAS COLLABORATIVE ECONOMY HONEYCOMB VON
               JEREMIAH OWYANG (2016)

Abbildung 3-1: Das Collaborative Honeycomb von Jeremiah Owyang. Quelle: Entwickelt von
            Jeremiah Owyang, März 2016 (jeremiah@CrowdCompanies.com).

                                i-share Report I - 24
Unter Weiterverwendung des Honeycombs als Muster ist die Identifikation
und Systematisierung historischer Formen und Modelle gemeinschaftlicher
Ressourcennutzung ebenso möglich. Hierzu werden gleichsam Waben als
Rahmen für die Anwendungsbereiche genutzt. Diese umfassen landwirt-
schaftliche Boden- und Viehnutzung sowie forstwirtschaftliche Nutzung
von Holz und Waldflächen, was mit der zeithistorischen Verortung im Pri-
märsektor zu begründen ist.1 Mit der Notwendigkeit der sukzessiven Pro-
duktivitätssteigerung und Intensivierung der Landwirtschaft in Zusammen-
hang mit dem technischem Fortschritt, schließen historische Formen auch
Beratungsdienstleistungen, land- oder forstwirtschaftliche Maschinen oder
Arbeitskraft ein (Mahlerwein, 2016).

    VERORTUNG UND EINGRENZUNG VON 15 HISTORISCHEN
       BEISPIELEN IN SIEBEN ANWENDUNGSBEREICHE

          Abbildung 3-2: Verortung und Eingrenzung von 15 historischen Beispielen
                               in sieben Anwendungsbereiche.

1
 Diese Verortung reicht von der frühesten Form im 18. Jhdt. bis zur Moderne in den 1960er Jahren.
Der geografische Kontext bezieht sich auf Mitteleuropa.

                                      i-share Report I - 25
Unterschiedliche, teilweise genossenschaftliche Vereinigungen und Zusam-
menschlüsse von Individuen, landwirtschaftlichen Höfen oder (Dorf-)Ge-
meinschaften sind weitere typische Formen der gemeinschaftlichen Organi-
sation in der Geschichte. Um inhaltlich und strukturell konsistent mit dem
Honeycomb nach Owyang (2016) fortzuführen, orientieren wir uns im Fol-
genden an der Definition und auch Eingrenzung der Fallbeispiele. So ent-
steht ein Verständnis, das auf dem Phänomen der Sharing Economy basiert
und das gleichermaßen die Verortung und Eingrenzung von 15 historischen
Beispielen in sieben Anwendungsbereiche im Folgenden, wie in Abbildung
3-2 verdeutlicht, unterstützt.

Land: Eine der ältesten Formen gemeinschaftlicher Ressourcennutzung ist
die Landnutzung in Form der Allmende. Darunter ist in Gemeinschaftsbe-
sitz liegendes Weideland abseits der parzellierten Flure landwirtschaftlicher
Nutzflächen und abseits des privaten Landes zu verstehen. Jeder berech-
tigte Haushalt, der Teil einer übergeordneten Dorfgemeinde oder einer bäu-
erlichen Körperschaft war, hatte „das Recht, gleich viel Vieh auf die Weide
zu treiben“ (Weber, 1924, S. 21). Ein weiteres Beispiel für gemeinschaft-
liche Landnutzung in der Geschichte ist die des Gartens. Zwei Formen der
Gartennutzung stechen hierbei besonders hervor: der Schrebergarten und
der Gemeindegarten. Der Gemeindegarten hält seit Mitte des 19. Jahrhun-
derts Einzug in den urbanen Raum und kann auch als proletarische Form
des Gartens bezeichnet werden, verbindet er doch ökonomische und soziale
Funktionen miteinander (Rüstow, 1963). Zumeist als Verein organisiert,
besteht der Schrebergarten hingegen aus einer Anlage von zusammenhän-
genden Grundstücken, die an Vereinsmitglieder verpachtet werden.

Machinery: Kleinere Geräte und große landwirtschaftliche Maschinen, die
bereits mit der im frühen 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung
für eine sukzessive Intensivierung der Ackerlandwirtschaft sorgten, wurden
ebenso gemeinschaftlich genutzt, geteilt oder getauscht. Ein historisches
Beispiel hierfür ist die Dreschgenossenschaft (Mahlerwein, 2016). Die
i.d.R. lokalen Genossenschaften hatten für die Ernte verschiedener Getrei-
dearten den Mitgliedern eine Dreschmaschine zur Verfügung gestellt, bzw.
die Organisation der gegenseitigen Bereitstellung zwischen den Mitgliedern
übernommen. Eine weitere und jüngere Form der gemeinschaftlichen Nutz-
ung von Erntemaschinen, die bis heute fortbesteht, ist die eines Maschinen-
rings2. Maschinenringe führen Angebot und Nachfrage landwirtschaftlicher
Produkte und Erzeugnisse zusammen und schaffen so Distributionswege,
Marktzugänge und Absatzmöglichkeiten.

2
  Synonym wird oft auch der Begriff der Maschinenbank verwendet, der seinen Ursprung im bayeri-
schen Raum findet. 1958 wurde der erste Maschinenring durch Erich Geisenberger gegründet (Braun &
Binder, 2002).

                                    i-share Report I - 26
Manpower: Der Maschinenring beschränkt sich bei der Unterstützung der
landwirtschaftlichen Betriebe jedoch nicht nur auf die Organisation und Be-
reitstellung von Maschinen. Das Modell umfasst auch eine wirtschaftliche
Betriebshilfe durch die Vermittlung zusätzlichen Personals für die Höfe.
Die Maschinenringe bieten den Betrieben eine professionelle Beratungs-
funktion an und organisieren bei Bedarf personelle Unterstützung und zu-
sätzliche Arbeitskraft.

Working Animals: Auch die Viehwirtschaft griff auf das Konzept gemein-
schaftlicher Ressourcennutzung zurück, was in der arbeits- und kostenin-
tensiven Anschaffung sowie Haltung von zum Beispiel Rindern, Schafen
oder Schweinen begründet liegt. Die gemeinschaftliche Nutzung bezieht
sich in diesem Beispiel auf das Teilen eines Nutztieres zur Belegung der
Rinder, Schafe oder Schweine.

Service: Eine weitere etablierte Säule des Wirtschaftens und Lebens im
ländlichen Raum, die wichtige Dienstleistungen für die landwirtschaft-
lichen Betriebe anbot, ist der Erzeugerring, der ähnlich zur Institution des
Maschinenrings in der jungen Bundesrepublik Anfang der 1960er Jahre ge-
gründet wurde. Der Erzeugerring, wie der Maschinenring genossenschaft-
lich organisiert, ist als eine zentrale Anlaufstelle zu verstehen, die sich auf
die Beratung und Fortbildung bezüglich der Schweinehaltung und der
Schweinezucht spezialisiert hat. Neben dem zentralen Angebot der Bera-
tung sowie diverser Beschaffungs- und Absatzmöglichkeiten, verstand sich
der Erzeugerring als Bindeglied, um einen horizontalen Verbund der land-
wirtschaftlichen Betriebe zu ermöglichen.

Facilities: Ein weiteres Beispiel für die gemeinschaftliche Nutzung von
Ressourcen sind Gemeinschaftseinrichtungen, die mit Beginn der 1950er
Jahre im Rahmen des Grünen Plans gegründet wurden.3 Es handelt sich um
Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Nutzung von Ressourcen, die der Er-
leichterung der Arbeit im hauswirtschaftlichen Bereich dienten und die ge-
meinschaftlich organisiert und betrieben wurden. Mitglieder der Dorfge-
meinschaft konnten solch eine Gemeinschaftsanlage mit anderen Mitglie-
dern unter dem Primat des wirtschaftlichen Überlebens und der wirtschaft-
lichen Effizienz nutzen. In Form von Bade- oder Schlachthäusern, erhielt

3
  Die Zielgruppe bestand in diesem Strukturverbesserungsprogramm erstmals nicht aus Männern, die
auf dem Feld die Arbeit verrichteten, sondern aus Frauen, die in Haus und Garten arbeiteten (Krieg,
1993). Die 1950er Jahre verändern den ländlichen Raum in der Bundesrepublik ungemein. Unter dem
Begriff der Strukturverbesserung subsumiert sich all das, was den als rückständig verstandenen ländli-
chen Raum an die moderne, urbanaffine Industriegesellschaft anpassen sollte. Die typischen Instru-
mente wie Flurbereinigung, Aussiedlung und Mechanisierung hatten in der Vergangenheit oft nur eine
Entlastung der männlichen Arbeitskraft für die Arbeit auf dem Feld zur Folge. Vor dem Hintergrund
eines sich wandelnden Geschlechterverständnisses treten nun Formen von Gemeinschaftsanlagen hinzu,
deren Betrieb zum Ziel hat, garten- und hauswirtschaftliche Abläufe zu optimieren und insbesondere die
Landfrau von ihrer Arbeit zu entlasten.

                                      i-share Report I - 27
die ländliche Bevölkerung Zugang zu Einrichtungen, die als gesellschaft-
licher Treffpunkt oder zur Arbeitserleichterung dienten.

Appliances: Gemeinschaftseinrichtungen boten der ländlichen Bevölke-
rung die Möglichkeit, mittels moderner Infrastruktur ihre Erzeugnisse zu
verarbeiten. Kühl- und Gefrierhäuser, ebenso wie Wasch- und Backhäuser
(ungleich der Bade- oder Schlachthäuser), sind in Anbetracht der modernen
Geräte, die in diesen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, eine
weitere historische Form der gemeinschaftlichen Ressourcennutzung. Gab
es bis dahin keinerlei Berührungspunkte mit Waschmaschinen oder elektri-
schen Backöfen, war es eine der zentralen Herausforderungen, die Men-
schen mit diesen Geräten vertraut zu machen, sie unterstützend in die kor-
rekte Handhabung einzuführen und deren Integration in den Alltag zu be-
gleiten. Darin verbirgt sich der Hauptunterschied zu den Facilities, in de-
nen keine solche Einführung und Organisation der Nutzung erfolgte. Es
können somit unterschiedliche historische Formen nachgezeichnet werden,
die in verschiedenen Zeiträumen und Epochen eine wesentliche Rolle im
Leben und Arbeiten spielten und sowohl die männliche als auch die weibli-
che Bevölkerung angesprochen haben.4

Zur Renaissance gemeinschaftlicher
Ressourcennutzung

Bei der näheren Betrachtung der beiden Honeycombs wird deutlich, dass,
auch wenn die beiden Modelle kontinuierlich weiterentwickelt und erwei-
tert werden können, immer nur zeitlich begrenzte Momentaufnahmen der
jeweiligen Organisationen widergespiegelt werden.5 Sowohl beim Collabo-
rative Economy Honeycomb als auch beim Historical Honeycomb of the
Sharing Economy handelt es sich um ein statisches Modell. Durch die Ver-
knüpfung moderner und historischer Formen, die jeweils mithilfe der bei-
den Honeycombs identifiziert wurden, gewinnt deren Betrachtung jedoch
ein dynamisches Moment, aus dem die Sharing Economy in ihrer gegen-
wärtigen Ausprägung historischen Formen gegenübergestellt werden kann.
So lassen sich schließlich die Mechanismen der Transformation und der
Imitation aufzeigen. Unter Transformation können all jene Organisationen
zusammengefasst werden, die Praktiken und Modelle historischer Formen
weiterentwickeln und in ihr Geschäftsmodell integrieren. Unter Imitation
hingegen ist eine Nachahmung historischer Praktiken und Modelle ohne
eine Anpassung oder Weiterentwicklung zu verstehen.

4
    Die Reihenfolge der Aufzählung erfolgt nicht in zeitlicher Abfolge ihrer Entstehung.

5
  Einzelne Organisationen, die bereits in der ersten Version des Honeycomb fester Bestandteil waren,
sind im Fall von Reorganisierungen oder Auflösungen aus dem Modell wieder entnommen worden
(Owyang, 2016).

                                         i-share Report I - 28
Transformation

Bei einer Transformation handelt es sich grundsätzlich um einen Mechanis-
mus,6 der eine Serie aufeinander abgestimmter Prozesse der Umgestaltung,
bzw. des Wandels zusammenfasst, in denen etablierte Prozesse, Strukturen,
Praktiken oder Formen verändert werden. Vor dem Hintergrund der Sha-
ring Economy manifestiert sich dieser Mechanismus dahingehend, dass ein-
zelne Charakteristika historischer Formen und Modelle gemeinschaftlicher
Ressourcennutzung weiterentwickelt und an moderne Anforderungen und
den jeweiligen Kontext angepasst werden. Parallel können aber in histori-
schen Formen, die nach wie vor existieren, tradierte Praktiken und Struktu-
ren fortbestehen, ohne sich gleichermaßen zu transformieren.

Professionalisierung: Unter Professionalisierung ist die Ökonomisierung
von Rollen und Funktionen durch die Entstehung neuer Berufsfelder, Tätig-
keiten und Funktionen in Organisationen der Sharing Economy zu verste-
hen. Es handelt sich um die Weiterentwicklung einzelner informeller Tätig-
keiten, wie sie in historischen Formen wie Gemeinschaftsanlagen oder All-
menden bestanden, hin zu einer bezahlten und strukturierten Arbeit. Funkti-
onen, Rollen und standardisierte Abläufe, wie sie in historischen Formen
vorherrschten, werden in der Sharing Economy systematisiert, adaptiert
und bestechen durch alternative Ziele. Hierzu zählt u.a. die Qualitäts-
sicherung von Transaktionen und Interaktionen sowie die Schaffung von
Transparenz, die Akquise von Fördergeldern, die Fokussierung auf Nach-
haltigkeit oder das Erreichen einer kritischen Masse. Historische Formen
zeichnen sich im Vergleich zu einigen Sharing-Economy-Organisationen
wie BlaBlaCar, Car2Go, Airbnb oder Kleiderkreisel primär durch distinkte
Ziele aus, die weniger von Profitorientierung, Wachstum oder Gewinn-
maximierung als vielmehr von Existenzsicherung im Sinne wirtschaftlichen
Überlebens geprägt sind. Entsprechend sind einzelne Praktiken und Rollen
in den Organisationen an jenen Zielen ausgerichtet, um deren Erreichen si-
cherzustellen. Auch in Organisationen, die primär gemeinwohlorientiert
sind, finden sich professionalisierte Praktiken und Rollen, die neben infor-
mellen und unstrukturierteren Tätigkeiten fester Bestandteil des Geschäfts-
modells sind. Hierzu zählen Gemeinschaftsgärten oder einzelne Repair Ca-
fés, die sowohl feste, professionalisierte Strukturen und formale Funktionen
als auch informelle und meist freiwillige Unterstützung aufweisen bzw.
einbinden.

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 Eine Transformation muss aber nicht zwangsläufig mechanisch sein. Sie kann beispielsweise auch
chemisch sein.

                                     i-share Report I - 29
Imitation

Bei einer Imitation handelt es sich um den Mechanismus des Nachahmens,
bzw. Kopierens von Prozessen, Praktiken oder Formen, was deren Konser-
vierung zur Folge hat.

Formalisierung: Unter Formalisierung ist die schriftliche Fixierung orga-
nisatorischer Regelungen (Strukturformalisierung), des Informationsflusses
(Aktenmäßigkeit) oder auch von einzelnen oder mehreren Organisations-
einheiten zu unterscheiden. In einer Vielzahl historischer Formen finden
sich Praktiken und Mechanismen der Steuerung und Koordination wieder,
die schriftlich fixiert und deren Einhaltung streng kontrolliert wurde. Mo-
derne Organisationen der Sharing Economy imitieren diese Mechanismen
zur Lösung von Konflikten oder zur Überwachung der Mitglieder ohne um-
fassende Adaptionen oder dergleichen vorzunehmen. So werden nach histo-
rischem Vorbild der Allmende in Gemeinschaftsgärten zum Beispiel Ge-
meinschaftsstunden eingeführt, die von den Mitgliedern zu leisten sind,
wodurch das Engagement gefördert und die Aktivitäten und das Verhalten
kontrolliert werden. Aber nicht nur Praktiken werden imitiert, sondern auch
das Solidaritätsprinzip, das in historischen Formen wie Maschinenringen
oder Genossenschaften als Fundament zu verstehen ist. Moderne Organisa-
tionen der Sharing Economy wie Pumpipumpe oder Peerby imitieren nun
dieses Prinzip durch die Etablierung von Nachbarschaftshilfe in lokal be-
grenzten Gemeinschaften, indem Alltagsgegenstände offline oder online
zum direkten Verleih zwischen Einzelpersonen ermöglicht werden. Diese
modernen Geschäftsmodelle basieren ebenfalls stark auf der Gemeinschaft
und dem eng-en Gefüge und etablieren diese im Kern einer jeden Inter- und
Transaktion.

PEERBY
Peerby ist eine Online-Plattform, die ihren Mitgliedern in einem bestimmten Umkreis
(Nachbarschaft) den Verleih ungenutzter oder unausgelasteter Gegenstände z.B.
für den Haushalt oder das Hobby ermöglicht.

Regionalisierung: Wie unter Formalisierung bereits angeklungen ist, er-
möglicht zudem die Regionalisierung die Imitation der Bedeutung und Ein-
bettung von Gemeinschaft. Die Bedeutung einer Gemeinschaft wie sie in
historischen Formen bestand, beispielsweise um wirtschaftliches Überleben
zu sichern oder sozialen Austausch zu ermöglichen, imitieren moderne Or-
ganisationen. In jenen Organisationen stellt die Gemeinschaft vielfach die
Ressourcen, die im Kern jeglicher Inter- und Transaktionen stehen, bereit.
Dabei werden in vielen Organisationen der Sharing Economy die Größe
des Einzugsgebiets und der Wirkungsraum einer Gemeinschaft regional
oder gar lokal begrenzt, um eine möglichst homogene Gruppe an Indivi-
duen zu adressieren. Organisationen wie Airbnb übertragen beispielsweise
lokale Gemeinschaften auf eine globale Community, was die Bedeutung

                               i-share Report I - 30
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