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01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 1 inform Zeitschrift von Physio Austria, dem Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs Nr. 1 Februar 2018 physioaustria P.b.b. Verlagspostamt 8000 Graz 02Z031875 M 7,80 EUR inform exklusiv Nur in der Ausgabe für Mitglieder NeuroLogisch von Physio Austria enthalten: Ein Leben lang Motorisches lernen. 16 Seiten Berufspolitik, Tipps und Services für PhysiotherapeutInnen
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 2 GALAXY Die neue Liegengeneration für Experten! Hoher technischer Standard, absolut benutzerfreundlich THERAPIELIEGE und hervorragende Verarbeitung - zum besten Preis- Leistungsverhältnis exklusiv für Physio Austria Mitglieder. Exklusiv für Phy sio Austria Mitgliede r: Maximale Funktionalität ... -20% RABATT auf die 5-teilige $GJCPFNWPIUNKGIGOKVVGKNKIGT Galax .KGIGƃÀEJGWPFUVWHGPNQUGT Therapieliege* y GNGMVTKUEJGT*ÒJGPXGTUVGNNWPI ... für nahtlose Arbeitsabläufe Verstellbares Kopfteil von +40° DKUŨOKV)CUFTWEMHGFGT UQYKGCDUGPMDCTG#TONGJPGP CO-QRHVGKN Exklusivpreise für Physio Austria Mitglieder, gültig für Bestellungen bis 31.12.2017 #MVKQPIØNVKIHØT)CNCZ[VGKNKIG6JGTCRKGNKGIGKPFGT(CTDG)TCRJKVITCWDGK$GUVGNNWPIDKU#PIGIGDGPG2TGKUGUKPFKP'WTQWPFGZMN/Y5V5CV\WPF&TWEMHGJNGTXQTDGJCNVGP Ärztebedarf Scherer GmbH Filiale Wien Filiale Salzburg Showroom Hard Bruggerstraße 34 Auenbruggergasse 2/11 Moosstraße 60 Rheinstraße 8 A - 6973 Höchst A-1030 Wien A-5020 Salzburg A-6971 Hard T +43 (0) 5578 747 50 T +43 (0)1 40 20 614 T +43 (0) 664 217 55 64 T +43 (0) 5578 747 50 88 QHƂEG"UEJGTGTCV wien@scherer.at salzburg@scherer.at hard@scherer.at www.scherer.at
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 3 EDITORIAL Silvia Mériaux-Kratochvila, MEd Liebe LeserInnen, die Aufgaben und Funktionen des menschlichen Nerven- systems sind vielfältig. Diese Vielfalt bedeutet, dass auch die Folgen bei vorhandenen Störungen des Nervensystems facettenreich sind: Neurologische Erkrankungen haben viele Gesichter. Im Zentrum der ersten Ausgabe des Inform im Jahr 2018 steht die physiotherapeutische Arbeit im Fachbereich Neurologie. Der Titel der Ausgabe – NeuroLogisch – verrät bereits: Physiotherapie macht alles neu und logisch, denn moto- risches Lernen spielt in allen klinischen Bereichen eine wesentliche Rolle. PhysiotherapeutInnen haben in der Therapie eine neuroplastische Wirkung auf ihre PatientInnen und KlientInnen. Nervenzellen und ganze Hirnareale besitzen die Fähigkeit, sich bei Erkrankungen des Nervengewebes neu anzupassen. Diese sogenannte Plastizität – Anpassungsfähigkeit – ist die Grundlage aller Lernprozesse. Jede Information wird konstant ver- arbeitet und unsere Körperstrukturen lassen sich – soweit eine Adaptation möglich ist – wie selbstverständlich aktualisieren. Ja, der Mensch lernt auch in physiologischer Hinsicht ein Leben lang. Passend dazu beschäftigt sich die Autorin des Leit- artikels mit multisensorischen Therapiekonzepten: mit Spiegeltherapie, mentalem Training und Videotherapie. Darüber hinaus finden Sie in diesem Inform unter anderem einen Bericht über Hausbesuche und deren Notwendigkeit, einen Artikel über neurogene Blasen- und Darmstörungen, einen Beitrag zu Ataxie sowie einen spannenden Einblick in die Arbeit von PhysiotherapeutInnen, die Hippotherapie anbieten. Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Rückmeldungen an chefredaktion@physioaustria.at bezahlte Anzeige Silvia Mériaux-Kratochvila, MEd PRÄSIDENTIN PHYSIO AUSTRIA
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 4 Themenschwerpunkt NeuroLogisch inform 2018 THEMEN DER INFORM-AUSGABEN IM NÄCHSTEN JAHR Februar April Juni September Dezember Neurologie Innere Medizin Gynäkologie, Intensivmedizin Muskuloskelettale Urologie, Physiotherapie Proktologie Impressum MEDIENINHABER, HERAUSGEBER UND REDAKTION physioaustria Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs Linke Wienzeile 8/28, 1060 Wien Tel. (01) 587 99 51-0, Fax DW-30 www.physioaustria.at ZVR 511125857 GESCHÄFTSFÜHRUNG Mag. Stefan Moritz, MSc office@physioaustria.at REDAKTIONSSCHLUSS Inserate und bezahlte Anzeigen für das mit Monatsbeginn erscheinende inform müssen 06 16 bis spätestens 5. des Vormonats im Verbandsbüro eingelangt sein. Spiegeltherapie, mentales Verknöchert Ist dieser Tag ein Samstag, Sonn- oder Feiertag, so gilt der nächste Training und Videotherapie Physiotherapie bei neurogener darauf folgende Werktag. Multisensorische Therapiekonzepte heterotoper Ossifikation (NHO) CHEFREDAKTION in der Schlaganfall-Rehabilitation Valentina Kranabetter, BSc Julia Stering, BA BA MA chefredaktion@physioaustria.at Miriam Wagner, MSc Hannes Aftenberger, MSc GESTALTUNG Dechant Grafische Arbeiten FOTOS Helmut Wallner/© Physio Austria ausgenommen: wo gesondert angegeben FARBKORREKTUR/RETUSCHE Helmut Wallner 18 12 DRUCK Steiermärkische Landesdruckerei, Graz Mobil und flexibel Blase, Darm und Sexualität CREDITS Kontinenz und Beckenboden S1 fotolia © Victor Tongdee Mit Hausbesuchen zum Therapieziel S3 © FH Campus Wien, bei neurologischen Erkrankungen fotolia © Sagittaria Liane Hörtl S6 S8 fotolia © adimas fotolia © Michael Eichler FH-Prof. Anita Kidritsch, MSc S 10 fotolia © Artem S 11 fotolia © whitehoune 14 21 SERIE GESUNDHEITSPOLITIK S 12 © lzf, privat 38 Jahre Physiotherapie S 14 S 15 © privat © privat in der Neurologie Gesundheitspolitik NEU S 16 © onloph Simon Möstl, privat Es gibt viel zu tun S 18 fotolia © Laura Pashkevich Ein generationenübergreifendes Projekt S 20 © Martin Lifka Photography Mag. Nicole Muzar S 21 S 22 © stockphoto-graf privat, winkler_agnes_msc Ingeborg Mallner, MSc S 23 S 24 fotolia © Alexey Brin © Feichtinger-Zrost Maria Winkler, MSc 22 S 25 S 26 © Marcel Sattler, privat fotolia © Photographee.eu Ataxie S 28 pixabay Formen, Klassifikation, Therapie S 29 privat S 30 fotolia © sdecoret und Symptomatik S 31 © zunke S 33 fotolia © RFBSIP, privat Karin Lotter, MSc S 34 © Gulyas S 36 © Gulyas, Klinik Judendorf Straßengel Agnes Winkler, MSc S 37 © Gulyas S 38 fotolia © visivasnc S 39 privat S 41 © Hamm S 42 fotolia © Alex, © Michlmayr S e1 fotolia © oldline2 S e2 © Physio Austria wallnerfotografie.at S e3 fotolia © LBJeff S e4 fotolia © vege S e5 © Physio Austria wallnerfotografie.at S e6 fotolia © fizkes S e9 Kidritsch © privat S e10 © privat S e11 © privat, © Ninja Warrior Austria S e13 © privat S e15 © privat S e16 © Physio Austria wallnerfotografie.at BEZUGSPREISE Einzelheft: 7,80 Euro; Abo (5 Ausgaben/Jahr): 33 Euro (Inland), 55 Euro (Ausland). STORNO schriftlich 2 Monate vor Ablauf des Abos. OFFENLEGUNG GEMÄSS MEDIENGESETZ einzusehen unter www.physioaustria.at/impressum 4 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 5 Ausgabe 01/2018 inform Inhalt Feb 2018 Themenschwerpunkt Neurologie 24 34 Nur für Mitglieder von Physio Austria: Physiotherapie auf dem Pferd Casa Samaritano INFORM EXKLUSIV in der Neurorehabilitation Hippotherapie = therapeutisches Rehabilitationszentrum Symposium und für Kinder in Nicaragua Reiten? Nein! Nadine Gulyas, BSc Generalversammlung Elke Molnar-Mignon Informieren, vernetzen, mitbestimmen. Thesy Feichtinger-Zrost, MSc 26 38 FOKUS QUALITÄT e2 Einladung zum Symposium Gewissenhaft und achtsam Assessments in der 4. und 5. Mai 2018 in Kärnten Physiotherapie in der neurologischen Befundung Mag. Stefan Moritz, MSc Neuro-Palliative Care Neurologische Symptome e4 Qualität ist gefragt Eva Müllauer bei Multipler Sklerose und Umfrage zur Qualitätssicherung mögliche Assessments. gut angenommen 28 Ein Fallbeispiel. Mag. Nicole Muzar Forschung auf dem Karin Lotter, MSc e6 Wer sind wir – und wenn ja, wie viele? Gebiet der Neurologie Mag. Agnes Görny Wissenschaftliche Arbeiten 40 PHYSIO STUDIEN zu Multipler Sklerose Studiert und kommentiert e8 PHYSIOWORLD Barbara Seebacher, MSc Europäische Physiotherapie- e8 Up to date – Praxisnahe Stefanie Wriessnik, Bakk. BSc Leitlinie zum idiopathischen neurologische Rehabilitationsforschung Parkinson-Syndrom. Andrea Greisberger, MSc 30 Silvia Nowotny, MSc Gudrun Diermayr, MA PhD Vegetative Dysregulation e10 Wissenswert wissenschaftlich Funktionsweise und Einfluss des 42 FOKUS QUALITÄT 8. Interdisziplinäres Herbstsymposium autonomen Nervensystems Stoßwellentherapie in Oberösterreich Ingrid Großbötzl Philipp Zunke, BA MSc in der Physiotherapie? Ja, wenn die erforderlichen e11 PHYSIOFACES 32 Kompetenzen erworben wurden e12 Meine Pinnwand Atemmuskeltraining Dr. Christoph Michlmayr Der neue Mitglieds- und Seminarbereich (K)ein Thema in der Neurologie? von Physio Austria Mag. Doris Weinberger, BSc Sabine Lampel-Homola, MSc e13 Kaltenborn-Evjenth-OMT-Conference Training für Instruktoren auf hohem Niveau Heimo Just, MSc e14 SERIE ARBEITSRECHT Fortbildung, Ausbildung oder Weiterbildung? Rechte und Pflichten Valid Hanuna e15 SERIE STEUERTIPPS Umsatzsteuer und Mietverträge von physiotherapeutischen Praxen Mag. Gerhard Morawetz physioaustria inform Februar 2018 5
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 6 Themenschwerpunkt NeuroLogisch U N D -VOR- E O B A C HTUNG TEIGE- U N G S B N E R S »BEWEG H R E N ZU EI R IMÄR N G F Ü I M P STELLU B A RKEIT E R E R R E G D S T E LLEN RUNG D N K O R T EX UN U GANG I S C H E V E N Z MOTOR L T ERNATI I T E INE N A S T E M DAR.« M Y DA T O R I S CHEN S O ZUM M 6 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 7 ZEITGEMÄSS Miriam Wagner, MSc Spiegeltherapie, mentales Training und Videotherapie Multisensorische Therapiekonzepte in der Schlaganfall-Rehabilitation physioaustria inform Februar 2018 7
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 8 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Im Fachgebiet der Neurologie steht die Behand- Der Schlaganfall zählt weltweit zu den Erkrankungen, die lung von Schädigungen des zentralen und des am häufigsten zu einer längerfristigen Behinderung bei peripheren Nervensystems im Vordergrund. Erwachsenen führen. Etwa 80 Prozent der PatientInnen So vielfältig die Aufgaben und Funktionen des erleben nach einem Schlaganfall eine Verminderung der Nervensystems sind, so vielfältig sind auch die Bewegungskontrolle, die das Gesicht, den Arm und das Folgen bei vorhandenen Störungen. Das Hauptziel Bein einer Körperseite betreffen kann. Zur Förderung des der Neurorehabilitation ist es, die PatientInnen Wiedererlernens verlorener Fähigkeiten wird auch der dabei zu unterstützen, eine größtmögliche Selbst- Einsatz multisensorischer Therapiekonzepte im Rahmen ständigkeit in Aktivitäten des täglichen Lebens der Physiotherapie diskutiert. Zu diesen zählen unter wiederzuerlangen. Auf der Basis neurowissen- anderem die Spiegeltherapie, das mentale Training und schaftlicher Erkenntnisse wurden in den letzten die Videotherapie. Jahren neue Behandlungsansätze für die Neuro- rehabilitation entwickelt, darunter auch die Spiegeltherapie Gruppe der sogenannten multisensorischen Die Spiegeltherapie wurde erstmals im Jahr 1995 von der Therapiekonzepte. Forschungsgruppe um Ramachandran zur Behandlung von Phantomschmerzen eingesetzt. Dabei nutzte sie eine Spiegelung der gesunden Körperseite, um die amputierte Extremität wieder als vorhanden erscheinen zu lassen. Die Phantomglieder konnten über die gesunden zum Teil beeinflusst werden. Altschuler und seine KollegInnen übertrugen das Konzept schließlich auf die Behandlung von PatientInnen nach einem Schlaganfall: Während der Spiegeltherapie sitzen PatientInnen vor einem Spiegel, der in ihrer Körpermitte aufgestellt wird. Dieser reflektiert die Bewegungen der nicht betroffenen Körperseite und kreiert so die Illusion einer normalen Bewegung der gelähmten Extremität. In verschiedenen Varianten des Trainings wird die betroffene Extremität hinter dem 8 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 9 ZEITGEMÄSS Miriam Wagner, MSc Spiegel entweder passiv durch TherapeutInnen bewegt Mentales Training oder die PatientInnen selbst versuchen, der Bewegung Das mentale Training, häufig auch Mental Practice oder der nicht betroffenen Extremität so weit wie möglich Motor Imagery Training genannt, wurde ursprünglich vor aktiv zu folgen. allem von SportlerInnen oder MusikerInnen benutzt, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. In einigen Pilotver- Ein großer Vorteil der Spiegeltherapie liegt in ihrer relativ suchen und Fallstudien wurde das Konzept zwischen den leichten Durchführbarkeit: Sie kann sowohl im therapeuti- Jahren 2004 und 2007 schließlich auch bei PatientInnen schen Setting als auch als Heimübungsprogramm vor- nach einem Schlaganfall angewendet. genommen werden. Zudem kann das Konzept auch bei Pa- tientInnen mit schweren motorischen Einschränkungen Die Basis des mentalen Trainings bildet die kognitive eingesetzt werden. Leistung, sich eine Aufgabe (zum Beispiel das Aufheben Thieme et al. fassten 2012 in ihrem systematischen Review eines Gegenstandes) oder eine Bewegung (zum Beispiel 14 Studien zusammen, die den Effekt der Spiegeltherapie das Heben des Armes) vorzustellen, ohne diese tatsäch- auf insgesamt 567 PatientInnen nach einem Schlaganfall lich auszuführen. Unterschieden wird zwischen der untersuchen. Sie zeigten, dass der Einsatz der Spiegelthe- sogenannten kinästhetischen und der visuellen Bewe- rapie zu signifikanten Verbesserungen der motorischen gungsvorstellung. Bei ersterer stellt sich der/die Patien- Funktion der oberen und unteren Extremitäten führte. Zu- tIn vor, wie sich die Bewegung anfühlt. Bei letzterer wird sätzlich konnten auch die Aktivitäten des täglichen Lebens die Bewegung vor dem inneren Auge abgerufen, so wie und der Neglekt (eine Störung der Aufmerksamkeit, die sie von außen bei sich selbst oder einer dritten Person durch eine Schädigung im Gehirn hervorgerufen wird) mit- aussieht. Während des mentalen Trainings wird die Bewe- hilfe der Spiegeltherapie verbessert werden. Bei PatientIn- gung oder die Aktivität, die verbessert werden soll, nen mit komplexem, regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) systematisch wiederholt. führte der Einsatz der Spiegeltherapie ebenfalls zu einer signifikanten Reduktion der Schmerzsymptomatik. Diese positiven Ergebnisse sprechen dafür, dass die Spiegel- therapie (zumindest) als ergänzendes Therapiekonzept in der Rehabilitation von PatientInnen nach einem Schlag- anfall eingesetzt werden kann. physioaustria inform Februar 2018 9
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 10 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Wirkungsweise Eine mögliche Erklärung für die Wirkungsweise multi- sensorischer Therapieansätze findet sich im Konzept Guerra et al. fassen die aktuelle Evidenz zum Einsatz des des Spiegelneuronensystems. Die erste Beschreibung der mentalen Trainings in der Schlaganfall-Rehabilitation zu- Spiegelneuronen wurde im Jahr 1996 von der Forschungs- sammen: Dabei wurden 32 Studien eingeschlossen, die gruppe um Rizzolatti und Gallese veröffentlicht. den Effekt eines mentalen Trainings sowohl auf die Aktivi- täten des täglichen Lebens als auch auf die Funktion der Sie entdeckten bei Untersuchungen im ventralen prä- oberen und unteren Extremitäten von insgesamt 955 Pa- motorischen Kortex von Affen eine Gruppe von Nerven- tientInnen nach einem Schlaganfall untersuchten. Bei der zellen, die nicht nur bei der tatsächlichen Ausführung Analyse aller eingeschlossenen Arbeiten zeigte sich ein einer Bewegung aktiv wurden, sondern auch dann, wenn signifikant positiver Effekt des mentalen Trainings auf die das Versuchstier eine vergleichbare Bewegung beobach- Gehfähigkeit, das Gleichgewicht und die Armfunktion. In tete. Aufgrund dieser Eigenschaft bezeichneten die einer zweiten Analyse, in der nur Studien mit hoher Stu- Autoren die Nervenzellen als Spiegelneuronen. dienqualität berücksichtigt wurden, ergaben sich beim In weiterführenden Experimenten wurde das Konzept Vergleich des Einsatzes des mentalen Trainings und der des Spiegelneuronensystems schließlich auch auf das Kontrollinterventionen jedoch keine signifikanten Unter- menschliche Gehirn übertragen. Mithilfe bildgebender schiede. Verfahren konnte gezeigt werden, dass sich auch beim Menschen die Gehirn-Areale für die Wahrnehmung und Insgesamt sprechen die Ergebnisse des Reviews von die Ausführung einer Bewegung überlappen. Darüber Guerra et al. dafür, dass der (ergänzende) Einsatz eines hinaus wurde in Studien mittels transkranieller Magnet- mentalen Trainings möglicherweise einen positiven Effekt stimulation nachgewiesen, dass die Beobachtung oder die auf die Rehabilitation nach einem Schlaganfall haben Vorstellung einer Bewegung zu einer deutlichen Steige- könnte. Um den tatsächlichen Wert des mentalen Trai- rung der Erregbarkeit im primär motorischen Kortex führt. nings für die neurologische Rehabilitation zu erheben, Ausgehend von diesen Erkenntnissen war es naheliegend, müssten allerdings weitere Studien durchgeführt und die das Spiegelneuronensystem als »alternativen Zugang zum Anwendung des Konzepts standardisiert werden (zum motorischen System« auch in der Rehabilitation von Beispiel die Wiederholungsanzahl, die Therapiedauer veränderten motorischen Funktionen zu nutzen. oder die Möglichkeiten zur Überprüfung der Bewegungs- vorstellung). 10 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 11 ZEITGEMÄSS Miriam Wagner, MSc Videotherapie Die Videotherapie (Action-Observation Training, AOT) wurde erstmals im Jahr 2007 eingesetzt. Dabei wurde untersucht, ob eine Kombination aus Beobachtung und Training von Alltagsaktivitäten zu einer Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten von PatientInnen mit chronischem Schlaganfall führt. Dazu beobachteten die PatientInnen anhand von Videos verschiedene Hand- oder Armbewegungen und übten diese im Anschluss mit der Unterstützung von TherapeutInnen (Ertelt et al., 2007). Aufbauend auf den vielversprechenden Ergebnissen die- Fachliches Netzwerk Neurologie ser ersten Untersuchung führten schließlich auch andere Forschungsgruppen Studien zum Einsatz des AOT bei Ziel unseres fachlichen Netzwerks Neurologie ist PatientInnen nach einem Schlaganfall durch. In einem es, eine Verbindung zwischen Wissenschaft und systematischen Review fasst Kim die Ergebnisse von Forschung im Bereich der Neurorehabilitation und fünf randomisierten, kontrollierten Studien zusammen, in dem praktischen Alltag der PhysiotherapeutInnen denen die Videotherapie zur Verbesserung der Funktion in Österreich und Europa zu schaffen. der oberen Extremitäten nach einem Schlaganfall einge- Die Förderung des aktiven Austausches zwischen setzt wurde. Mit Ausnahme einer Arbeit zeigte sich in TherapeutInnen aus den unterschiedlichen Ar- allen Studien durch den Einsatz der Bewegungsbeobach- beitsbereichen ist uns ein wichtiges Anliegen. tung eine signifikante Verbesserung der motorischen Durch die vielen ExpertInnen in unserem Netz- Fähigkeiten. werk können wir fachspezifische Anfragen beant- worten sowie ReferentInnen für spezifische Neben dem Einsatz zur Verbesserung der Armfunktion Themen vermitteln. Wir arbeiten an der Vernet- wurde das AOT auch in der Gangrehabilitation nach zung von Informationen und leiten Umfragen Schlaganfall verwendet. In meiner Masterthese fasste ich sowie Ergebnisse von aktuellen Forschungsarbei- selbst die aktuelle Evidenz zu dieser Thematik in Form ten an unsere Mitglieder weiter. eines systematischen Reviews zusammen. Insgesamt konnten sieben randomisierte, kontrollierte Studien ein- Bei Interesse an unserem Netzwerk geschlossen werden, die den Effekt der Videotherapie schreiben Sie bitte eine E-Mail an zur Rehabilitation der Gehfähigkeit von 193 PatientInnen nach einem Schlaganfall untersuchten. In allen Arbeiten agnes.winkler@physioaustria.at wurde ein positiver Effekt in Bezug auf die Gehfähigkeit nachgewiesen, der auch (signifikant) größer war als derjenige von Kontrollinterventionen. Die Ergebnisse dieser beiden Übersichtsarbeiten spre- Miriam Wagner, MSc chen dafür, dass die Videotherapie ein vielversprechen- Physiotherapeutin Pflegewohn- des (ergänzendes) Therapiekonzept für die Rehabilitation haus Donaustadt (Fachbereich Neurologie), freiberufliche nach einem Schlaganfall darstellen kann. Die optimale Physiotherapeutin, Abschluss Dauer und Intensität der Intervention, die genaue Durch- Masterstudium Neurorehabili- tationsforschung führung der Bewegungsbeobachtung oder die Langzeit- wirkung der Behandlung müssen jedoch erst untersucht LITERATUR werden. Altschuler, E.L.. et al. (1999). Johansson, B. B. (2011). Current Rehabilitation of hemiparesis trends in stroke rehabilitation. Relevanz für die Praxis after stroke with a mirror. A review with focus on brain Insgesamt scheint die Gruppe der multisensorischen Lancet 353: 2035-2036. plasticity. Acta Neurol Scand. Konzepte eine vielversprechende Ergänzung zum gängi- 123: 147-159. Dettmers, C.; Nedelko, V.; gen Therapieangebot der Neurorehabilitation zu sein. Schoenfeld, M. A. (2012). Neue Kim, K. (2015). Action observa- Vor allem die Spiegeltherapie kann als (zusätzliche) Therapieverfahren für die Reha- tion for upper limb function after stroke: evidence-based review of Therapie zur Verbesserung sowohl der Motorik der bilitation des Schlaganfalls ba- sierend auf dem Konzept der randomized controlled trials. J oberen und unteren Extremitäten als auch der Schmerz- Phys Ther Sci. 27: 3315-3317. Spiegelneurone. J Neurol Neuro- symptomatik bestimmter PatientInnengruppen beitragen. chir Psychiatr 13: 5-10. Thieme, H.; Mehrholz, J.; Pohl, Die leichte Anwendung des des Behandlungsansatzes – M.; Behrens, J.; Dohle C. (2012). Ertelt, D. et al. (2007). Action auch bei schwer betroffenen PatientInnen – ist dabei observation has a positive im- Mirror therapy for improving einer der größten Vorteile. In Bezug auf das mentale pact on rehabilitation of motor motor function after stroke. Training und die Videotherapie ist die aktuelle Evidenz- deficits after stroke. Neuroimage Cochrane Database of Syste- 36: T164-T173. matic Reviews, Issue 3. lage noch zu gering, um eine Empfehlung für die prakti- sche Anwendung abzuleiten. Beide Konzepte haben aber Guerra, Z. F.; Lucchetti, A. L. G.; Rizzolatti, G.; Fadiga, L.; Gallese, Lucchetti, G. (2017). Motor V.; Fogassi, L. (1996). Premotor laut den Ergebnissen einzelner Studien beziehungsweise cortex and the recognition of Übersichtsarbeiten als ergänzende Therapie vermutlich Imagery Training After Stroke. A Systematic Review and Meta- motor actions. Brain Res Cogn einen positiven Effekt auf die Rehabilitation der moto- analysis of Randomized Control- Brain Res 3: 131-141. Bezahlte Anzeige rischen Fähigkeiten nach einem Schlaganfall. ◼ led Trials. J Neurol Phys Ther. 41: 205-214. physioaustria inform Februar 2018 11
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 12 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Mobil und flexibel Mit Hausbesuchen zum Therapieziel Der Weg zur Verordnung PatientInnen, die nicht selbständig genug sind, um in die Praxis von Physiothera- peutInnen zu kommen, benötigen auf ihrer ärztlichen Verordnung den Vermerk »Haus- besuch«. Wenn die Physiotherapie und der erforderliche Hausbesuch chefärztlich be- willigt werden, so wird der Hausbesuch auch von der Krankenkasse rückerstattet. Nach der Feststellung und ärztlichen Behandlung einer neurologischen Erkrankung sind die Zusammenarbeit mit dem Arzt oder der Ärztin, die Befunde und Informationen über Zusatzerkrankungen und der Faktor Zeit wesentlich für den Erfolg der physiothera- peutischen Behandlung. 12 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 13 HAUSBESUCHE Liane Hörtl Neurologische Erkrankungen schränken PatientInnen häufig in ihrer Mobilität ein. Die Therapie zu Hause durch mobile PhysiotherapeutInnenen unterstützt sie bei der Wiedereingliederung in den Alltag im vertrauten Umfeld, fördert die Selbständigkeit und stärkt sie im sozialen und familiären Netzwerk. Wenn ich an der bereits geöffneten Gartentüre Häufigkeit bei Familie L. ankomme, weiß ich, dass Herr L., Herr L. geht in meinem Beisein selbständig mit 72 Jahre alt, Kleinhirnblutung vor drei Jahren, schon seinem Rollmobil durch die Wohnräume seines vor auf der Eckbank in der Küche sitzend auf mich 45 Jahren größtenteils selbst gebauten Bungalows. wartet. »Heute hat er einen guten Tag«, sagt seine Die breiten Schritte und die Oberkörperrücklage Frau zu mir. »Das Aufstehen gelang ihm mit nur wechseln zu schmälerer Spurbreite, kürzeren Schritt- wenig Hilfe und mit dem Rollmobil gehen konnte längen mit leichter Vorlage. Der hohe Tonus im Rumpf er eigenständig.« ist so weit reduziert, dass der Antrieb und die Gehge- schwindigkeit erhöht sind. Aufstehen und Hinsetzen Selbstständigkeit im Alltag auf der Sitzbank gelingen mühelos. Die Sprache Seit nunmehr drei Monaten ist Herr L. nicht mehr von Herrn L. wird im Laufe unserer heutigen Einheit gestürzt. Ich freue mich mit ihm und erkläre kurz deutlicher, er spricht immer lauter und plaudert meinen Plan für die heutige Therapieeinheit. Sobald munter drauflos. Ich sehe Herrn L. zurzeit jede ich mit meiner anfänglichen Erklärung fertig bin, Woche. Je nach neurologischem Krankheitsbild, gehen wir gemeinsam ins Wohnzimmer zur Couch, Fähigkeit zur Eigenverantwortung und Unterstützung um einige Bewegungsübergänge zu trainieren. durch Angehörige oder Betreuungspersonal kann die So vielfältig die neurologischen Erkrankungen, so Häufigkeit meiner Besuche bei PatientInnen ab- unterschiedlich sind die Ziele in der Behandlung. weichen. Im Allgemeinen sind ein bis drei Therapie- Grundsätzlich wollen viele der neurologischen einheiten pro Woche ein Richtwert. Trotz der Viel- PatientInnen wieder gehen können: Der Gedanke fältigkeit der neurologischen Krankheitsbilder und daran, wieder alles erreichen zu können oder auf ihrer Symptomatik wissen erfahrene Physiothera- möglichst wenig Hilfe angewiesen zu sein, spornt peutInnen, wie oft und wie lange welche Art der viele zu enormen Leistungen an. Die betreuenden Behandlung zielführend ist. Personen neigen dazu, Betroffenen sehr viele Auf- gaben abzunehmen. Hier liegt es an mir als Physio- PhysiotherapeutInnen sind ExpertInnen: Auch in der therapeutin, die Grenze der Unterstützung nach Neurologie sind ständiges Befunden, Weiterbildung oben oder nach unten zu schrauben und Hilfs- und die Informationseinholung über den neuesten personen notwendige Übungen und Hilfsgriffe an Stand der Wissenschaft selbstverständlich. Die ICF den PatientInnen zu schulen. Durch gezieltes (International Classification of Functioning, Disability Üben und oftmaliges Wiederholen werden die and Health) wird von der WHO zur weltweiten Ressourcen im Gehirn effizient ausgenützt. Kommunikation unter PhysiotherapeutInnen ge- Herr L. und ich stehen an der Küchenarbeitsplatte, fordert. Ein kurzer Therapieverlaufsbericht an um Teile der Gangschulung zu üben. Das Hemmen KontrollärztInnen oder behandelnde FachärztInnen und Anbahnen von Bewegungen muss ständig fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und adaptiert werden und nur korrektes Ausführen führt macht auch die Notwendigkeit des Hausbesuchs zum Erfolg. Nervenzellen bzw. ganze Hirnareale deutlicher. Nicht immer geht es um Verbesserung haben die Fähigkeit, sich bei Verletzungen des bei PatientInnen. Oft sind Anpassung und Erleichte- Nervengewebes neu anzupassen. Diese soge- rung entscheidend. nannte Plastizität (Anpassungsfähigkeit) ist die Grundlage aller Lernprozesse. Daher ist es notwen- Am Ende der Einheit mit Herrn L. besprechen wir im dig, Betroffenen bei Feststellung einer neurologi- Beisein seiner Gattin eine kleine Hausübung, welche schen Erkrankung – zum Beispiel Parkinson oder wir jetzt nochmals zusammen üben. Der nächste Multiple Sklerose – oder nach einem Schlaganfall, Termin wird vereinbart, die Patientendokumentation einer Hirnblutung oder einem Schädelhirntrauma geschrieben und ich setze mich wieder in mein Auto, Physiotherapie mit Hausbesuch zu ermöglichen. um zum nächsten Patienten zu fahren. ◼ Auch Verletzungen an der Wirbelsäule, eine Hirn- hautentzündung oder Muskelerkrankungen können Liane Hörtl Mobile Physiotherapeutin in Tulln Hausbesuche notwendig machen. Sind PatientIn- an der Donau, neurophysiologische nen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Behandlung Erwachsener, aktiv im noch zu geschwächt oder gehunfähig, ist Physio- fachlichen Netzwerk Neurologie, Weiterbildungen in: manuelle therapie mit Hausbesuch unbedingt zu verordnen. Therapie, nichtoperative Weichteil- orthopädie, viszerale Therapie physioaustria inform Februar 2018 13
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 14 Themenschwerpunkt NeuroLogisch 38 Jahre Physiotherapie in der Neurologie Ein generationenübergreifendes Projekt Ingeborg Maller war jahrzehntelang an der Abteilung für Neurologie im LKH Graz Süd-West tätig und trat zu Beginn des Jahres 2018 ihre Pension an. Welche Beobachtungen konnte sie im Rahmen ihrer langjährigen Arbeit machen? Welche Entwicklungen konnte sie mitverfolgen? Ihrer um 30 Jahre jüngeren Kollegin Maria Winkler steht sie im Interview Rede und Antwort. Was war für deine Begeisterung für die Neurologie ausschlaggebend? Dazu möchte ich ein wenig zurückgreifen. Meine Ausbildung zur Physiotherapeutin, damals hieß das noch Assistentin für Physi- kalische Medizin, absolvierte ich in Wien im Wilhelminenspital. Während des Praktikums musste ich bemerken, dass bei der physiotherapeutischen Behandlung von neurologischen Patien- ten mit zweierlei Maß gemessen wird. Sowohl für Patienten mit Querschnittlähmung als auch für Patienten mit Schädel-Hirn- Trauma gab es bereits spezialisierte Zentren, zum Beispiel in Tobelbad und Meidling. Auch die physiotherapeutische Behand- lung zerebralparetischer Kinder war bereits etabliert. Schlag- anfallpatienten hatten noch immer das Nachsehen, lagen oftmals auf Internen Stationen und wurden ohne gezielte Phy- siotherapie als Pflegefälle entlassen. Sehr wohl gab es damals bereits erste Ansätze, auch diesen Patienten eine adäquate Therapie zukommen zu lassen. Ich lernte Physiotherapeutinnen kennen, die mit viel Engagement gerade dieser Patientengruppe zu mehr Bewegung und damit zu mehr Selbständigkeit ver- halfen. Genau so eine wollte ich werden. Konzepte wie Bobath, PNF, Brunkow und Vojta versprachen eine spannende thera- peutische Zukunft auf dem Gebiet der Neurologie. Wie kamst du dann nach Graz an die Abteilung für Neurologie? In der Steiermark gab es 1978 erste Ansätze, die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten zu regeln. Oberarzt Dr. Werner Wege war beauftragt worden, eine Abteilung für zerebrovaskuläre Erkrankungen zu errichten, bekannt geworden unter »Schlagan- fallstation«. Er hatte sich dazu auch im Ausland – in der Schweiz und in Deutschland – umgeschaut, wo ihn Physiotherapeutin- nen, die erwachsene Hemiplegiker nach dem Bobathkonzept behandelten, von dieser Behandlungsmethode überzeugten. Er wusste auch bereits, dass nur die Arbeit in einem interdiszip- linären Team, bestehend aus Ärzten, Physiotherapeuten, Pflege- ÜBRIGENS: kräften, Ergotherapeuten, Logopäden und Sozialarbeitern, SEMINAR zielführend sein kann. Und er suchte Physiotherapeutinnen. Bobath Grundkurs So begann ich an dieser Abteilung. Ich habe diese Entscheidung in drei Modulen keinen einzigen Tag bereut. 5. bis 10. März 2018 und 28. Mai bis 2. Juni 2018 und 17. bis 22. September 2018 Burgenland Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt Marianne Brune 14 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 15 ERFAHRUNGSWERTE Ingeborg Mallner, MSc; Maria Winkler, MSc Wie sahen die Anfänge dieser Abteilung aus? Der Beginn meiner beruflichen Reise war spannend, es lag viel Aufbauarbeit vor uns. Wir hatten bereits einen kleinen Raum im Keller mit zwei nicht höhen- verstellbaren Therapieliegen und einen Chef, der uns sehr unterstützte. Das therapeutische Handwerk- zeug zur Behandlung lernten wir von Florence Kraus- Irsigler, die damals bereits Bobath-Grundkurse gab, und aus den Büchern der Schweizerin Pat Davies, die die Probleme der Hemiplegiker genau analysiert und die Behandlungsmöglichkeiten in Bild und Schrift veröffentlicht hatte. Entsprechend der Interdisziplinarität galt zunächst ein Teil unserer Aufmerksamkeit auch der Schulung des Pflegepersonals in Handling und Lagerung. Über den Österreichischen Krankenpflegeverband ver- Broschüre anstalteten wir dreitägige Kurse, die österreichweit ausgeschrieben wurden. Darüber hinaus waren 2014 entstand in der Abteilung Physiotherapie des LKH wir Austragungsort für viele von Physio Austria Graz Süd-West eine Neuauflage der Broschüre für das organisierte Bobath-Grund- und Aufbaukurse. Handling und die Lagerung nach einem Schlaganfall. Die Wartelisten waren damals sehr lange. Die Broschüre soll Betroffenen und Angehörigen als Hilfestellung dienen. Bei Interesse kann sie über die Wie entwickelte sich die Physiotherapie Physiotherapie des LKH Graz Süd-West, Standort Süd, in der Neurologie weiter? bezogen werden (Tel. 0316/21912452). Unser Wunsch, unser theoretisches Wissen und un- sere therapeutischen Fertigkeiten auf dem neuesten Stand zu halten, war sehr groß und so nahmen wir an zahlreichen Fortbildungen zu unterschiedlichsten Was wünscht du dir für die Zukunft der Physio- neurologischen Krankheitsbildern im In- und Ausland therapie in der Neurologie? teil. Bewegungs- und Wahrnehmungskonzepte wie Ich wünsche mir, dass unseren Händen, die sensoren- Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach, gleich spüren, unterstützen und dem Patienten Sicherheit Affolter, Feldenkrais oder Maitland, um nur einige zu geben, wieder mehr Bedeutung zukommt. Therapiegeräte nennen, prägten unsere weitere Arbeitsweise – wobei können immer nur ein Zusatz sein. Ich wünsche mir, sich auch bereits eine Spezialisierung der Kolleginnen dass uns weiterhin viele Konzepte zur Verfügung stehen, zu gewissen neurologischen Erkrankungen heraus- damit wir auf unterschiedliche Behandlungsoptionen kristallisierte. Die Etablierung des Phasenmodells der zurückgreifen können. Auch wünsche ich mir, dass der neurologischen Rehabilitation in den 90er-Jahren Bobath-Grundkurs in Österreich wieder vermehrt von gab dann der Rehabilitation von Schlaganfallpatien- Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten ange- ten einen neuerlichen Aufschwung. Mit der Eröffnung nommen wird. Wir sollten selbstbewusst dazu stehen, einer großen Frührehabilitationsabteilung der Phase C dass wir die Experten für Bewegung sind. Eine starke in Graz und der Aufstockung der Phase-B-Betten Berufsvertretung, die von vielen Physiotherapeutinnen sowie einer Stroke Unit wurden auch wir Physio- und Physiotherapeuten getragen wird, kann uns dabei therapeutinnen zahlenmäßig aufgestockt. Wir konn- helfen. ◼ ten in große, gut ausgestattete Therapieräume auf ebener Erde übersiedeln. Um die Jahrtausendwende war die Übernahme der ICF-Klassifikation in unser Denken und Arbeiten ein großes Thema. Heute ist das bereits eine Selbstverständlichkeit. Ingeborg Mallner, MSc Jahrgang 1957, bis Ende 2017 Du hast auch noch mit 50 Jahren die Schulbank leitende Physiotherapeutin an der Abteilung für Neurologie im LKH gedrückt, was war Anlass dazu? Graz SW, seit 2018 pensioniert Mit der Anhebung der Physiotherapieausbildung auf Bachelor-Niveau wurde der Ruf nach mehr Wissen- schaftlichkeit in der Physiotherapie immer lauter. Das Maria Winkler, MSc vermehrte Angebot geräteunterstützter Maßnahmen Jahrgang 1987, Physiotherapeutin wie Gehtrainer und Armtrainingsgeräte machte eine an der Abteilung für Neurologie im LKH Graz Süd-West neuerliche Verortung der Physiotherapie im Rahmen der Neurologie notwendig. Der Universitätslehrgang für Neurorehabilitation ermöglichte mir Einblicke in die Welt der Studien, befähigte mich aber auch zum kritischen Hinterfragen und zur kritischen Beurteilung derselben. physioaustria inform Februar 2018 15
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 16 Themenschwerpunkt NeuroLogisch ERKENNTNISSE Valentina Kranabetter, BSc; Hannes Aftenberger, MSc Verknöchert Physiotherapie bei neurogener heterotoper Ossifikation (NHO) Eine häufige Komplikation bei PatientInnen mit einem Schädelhirntrauma, einer Querschnittlähmung oder nach einem Schlaganfall stellt die NHO dar. ABB. 1 Bewegungseinschränkung, Schmerz und reduzierte LITERATUR AP Röntgenaufnahme einer Lebensqualität führen bei neurologischen PatientInnen Sullivan, M. P.; Torres, S. J. et al. heterotopen Ossifikation mit Gelenksankylose und Kompres- mit NHO häufig zu einem Verlust der Selbstständigkeit. Am häufigsten entwickelt sich die NHO im Weichteilge- (2013). Heterotopic ossification after central nervous system S sion des Nervus ischiadicus. trauma: A current review. Bone Quelle: »Heterotopic ossification webe um Gelenke der betroffenen Extremität, zumeist im & joint research, 2(3), 51–57. following traumatic brain injury Bereich der Muskulatur und der Gelenkskapsel (Abb. 1). Almangour, W.; Schnitzler, A. and spinal cord injury,« von C.A. et al. (2016). Recurrence of hete- Cipriano, S.G. Pill und M.A. Sowohl die Prävention als auch die Behandlung der Ver- rotopic ossification after removal Keenan, 2009, S.691. knöcherungen erfordern ein umfassendes, multiprofes- in patients with traumatic brain sionelles Management. Die Physiotherapie nimmt dabei injury: A systematic review. Annals of physical and rehabilita- in allen Phasen des Verlaufs eine wichtige Position ein. tion medicine, 59(4), 263–269. Es gibt erste Hinweise darauf, dass vorsichtiges aktives Gil, J. A.; Waryasz, G. R. et al. und passives Bewegen im Range of Motion (ROM) der (2015). Heterotopic Ossification Extremitätengelenke der Entstehung einer NHO entge- in Neurorehabilitation. Rhode genwirkt. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Prävention Island medical journal (2013), ist die regelmäßige Kontrolle der prädisponierten Ge- 98(12), 32–34. lenke (Hüfte, Ellbogen, Knie und Schulter) auf Symptome Casavant, A. M.; Hastings, H. (2006). Heterotopic ossification wie Schmerz, weitere Entzündungszeichen und funktio- about the elbow: a therapist's nelle Einschränkungen. Durch ein frühes Erkennen kön- guide to evaluation and manage- nen rechtzeitig Maßnahmen eingeleitet werden, die ment. Journal of hand therapy: einem ausgeprägten Erscheinungsbild entgegenwirken. official journal of the American Society of Hand Therapists, 19(2), 255–266. Das Hauptziel in der Frühphase der NHO ist das Verhin- dern bzw. das Hinauszögern von Gelenksversteifungen (Ankylosen). Für die Physiotherapie gibt es zu diesem Zweck die Empfehlung, täglich eine Mobilisation der PatientInnen durchzuführen. Diese kann eine aktive oder passive ROM-Übung bzw. ein leichtes endgradiges Dehnen und resistive Übungen beinhalten. Zudem sind in Valentina Kranabetter, BSc den ersten zwei Wochen nach Auftreten der Symptome Absolventin des Studiengangs regelmäßige Umfangmessungen und ein adäquates Physiotherapie an der FH Joanneum Schmerzmanagement wichtige therapeutische Inhalte. Auch das Erlernen von selbstständigen Positionswech- seln kann das Fortschreiten der NHO verzögern. Für das Ellenbogengelenk gibt es Hinweise, dass speziell im Zeit- Hannes Aftenberger, MSc raum zwischen zweiter und sechster Woche nach Auf- Lehrender an der FH-Joanneum Graz, freiberuflicher Physiothera- treten der ersten Symptome eine Schienenversorgung peut, Mitglied des fachlichen zielführend sein kann. Netzwerks Neurologie Die angeführten Maßnahmen zur physiotherapeutischen Vor- und Nachsorge bei neurogener heterotoper Ossifika- tion beruhen auf einer geringen Evidenz. Somit besteht ein großer Forschungsbedarf, um die Frage zu klären, welche physiotherapeutischen Interventionen zielführend sind und zu welchem Zeitpunkt diese angewandt werden sollen. ◼ 16 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:35 Seite 17 Das Stoßwellengerät für PhysiotherapeutInnen! STORZ MEDICAL MASTERPULS® PHYSIO »R-SW ultra« 5 IN ONE z Umfassende Therapielösungen 5 IN ONE: Tendinopathien, Triggerpunkte, Faszien- und Spine-Behandlungen, Vibrationsmassage z Alle Bedienelemente sind im Handstück integriert zMobiler Geräteeinsatz - in Tragetasche - Gesamtgewicht nur 8,5 kg z Wir bieten für Sie: umfassende Beratung, Therapiekonzepte, Sonderpreis und Finanzierung bezahlte Anzeige Mehr Informationen? Bitte Anrufen! RWZ Medical Systems GmbH Ihre Ansprechpartner: STORZ MEDICAL ALLIANCE René Heinrich: 0664 222 92 86 ÖSTERREICH Werner Huber: 0664 304 14 42 Neutorgasse 51 info@rwz-medical.com 8010 Graz www.shockwaveaustria.at
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:36 Seite 18 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Blase, Darm und Sexualität Kontinenz und Beckenboden bei neurologischen Erkrankungen Betroffene dürfen sich nicht scheuen, über ihr Harn-, Stuhl und Sexualverhalten und Einschränkungen zu sprechen, die sie durch neurogen bedingte Dysfunktionen erleben. Symptome Bei Störungen des peripheren Nervensystems kommt es in erster Linie zum Funktionsverlust, im zentralen Nervensystem zusätzlich zu Dysregulation. – Symptome Belastungsinkontinenz und reduzierte Erektion bzw. Lubrikation + Symptome Reflex-, Dranginkontinenz bzw. Retention und Überlaufinkontinenz 18 physioaustria inform Februar 2018
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:36 Seite 19 KONTROLLE FH-Prof. Anita Kidritsch, MSc Erkrankungen peripherer, sakraler, spinaler und/oder zerebraler Nervenstrukturen führen zu Funktions- verlusten von Beckenorganen und -muskeln. Die aktive Ansprache aller PatientInnen senkt Tabus. Unsicherheit sinkt rasch, wenn ehrliches Interesse zu Wissensaustausch auf Augenhöhe führt. Interpro- fessionelle Therapien und Betreuung behandeln und kompensieren betroffene Funktionen und -strukturen. Unterstützt wird dies durch Geräte und Hilfsmittel, um Aktivitäten wie das Aufsuchen einer Toilette, Harn-, Stuhlentleerung und sexuelle Aktivität zu ermöglichen. Betroffene Systeme können sein: Autonome Dysfunktion Sympathikus und Parasympathikus können situations- Kognition: äußert sich in Emotion, inadäquat reagieren: Bei Dranginkontinenz liegt eine ° Speicherstörung vor. Anstelle von sympathischem Sphink- Verhalten und Willkürkontrolle Vegetativum: führt zu Drangsymptomen, ter-Verschluss während Aktivität kontrahieren und entleeren ° sich Blase bzw. Darm. Dies kann in Zusammenhang mit Retention und erektiler Dysfunktion Afferenzen, Wahrnehmung und Inter- Hyperreflexie, Organreizung durch Infekte, externe Trigger, ° psychische Anspannung bzw. Ängsten stehen. pretation von Sensibilität und Schmerz ° Efferenzen und neuromuskuläre Ansteue- rung beeinflussen Maximalkraft und Kraft- ausdauer, Schnelligkeit und Reaktion Im interprofessionellen Team finden PhysiotherapeutInnen sowie Entspannung und Muskeltonus Unterstützung hinsichtlich Diagnostik, medikamentöser Muskuloskelettale Strukturen: äußern sich und Hilfsmittel-Versorgung, (Intim-)Pflege, Beratung ° bezüglich Ess- und Trinkverhalten sowie durch Paar- in Gewebetonus und Drucksystemen bzw. Psychotherapie. Physiotherapeutische Assessments stützen sich ergänzend zu medizinischer Diagnostik auf: Bei Retention (Restharn bzw. Obstipation) liegt eine Entlee- rungsstörung vor. Anstelle von parasympathischer Entspan- ° Fragebögen zu Lebensqualität, Blasen-, nung bleiben auf der Toilette Sphinkter verschlossen und Darm-, Sexualfunktion und Organlage Organe entspannt. Bei zunehmender Füllung läuft Harn über ° Protokolle zu Ein- und Ausfuhr, Menge und oder entweichen Winde bzw. Stuhl. Dies kann in Zusammen- Konsistenz von Harn bzw. Stuhl hang mit einer Organ-Sphinkter-Dyssynergie (atonisches ° Externe oder interne Palpation bzw. Biofeedback oder überdehntes Organ, spastischer Sphinkter bzw. erhöh- zu Gewebe- und Muskeltonus, Trophik, Sensibili- tät, und Beckenbodenfunktionen nach dem ter Gewebe- oder Muskeltonus, durch Pressverhalten PERFect-Schema zusätzlich verstärkt) oder reduzierter Sensibilität bzw. Wahr- nehmung stehen. ° gegebenenfalls weitere apparative Messungen zur Quantifizierung des Schweregrads Physiotherapie bei Inkontinenz durch Minus-Symptome ° Inspektion in Statik und Dynamik sowie Der Musculus levator ani und seine funktionellen Partner Untersuchung funktioneller Zusammenhänge mittels Beweglichkeits- und Dehnfähigkeits- sichern Organlage und Kontinenz, unterstützt durch sowie Muskelfunktionsprüfung posturale Kontrolle und Bauch-Flankenatmung. Vorausset- zung sind kognitive und sensible Kontrolle, daher beginnt ° Beobachtungen und Angaben bzgl. Alltags- Beckenbodentraining mit Anatomie- und Wahrnehmungs- aktivitäten, Hilfsmittel und -personen schulung und der Kontrolle, ob selektive Ansteuerung Pro in Anamnese und Untersuchung identifiziertem vorliegt. Schrittweise werden eine Steigerung von Kraftgrad Symptom erfolgt schrittweise ein direktes Element und Kraftausdauer angestrebt, nerval bedingt stetig aus Beratung und Therapie, begonnen mit dem am kontrolliert und mit niedrigeren Intensitäten als von Bø 2008 stärksten betroffenen System (z. B. vegetative Organ- empfohlen. Schrittweises Üben von Statik, Dynamik und steuerung 70 %, Muskel- und Gewebetonus des Transfer in die ADL-Zielaktivität sowie schnelle, reaktive und Sphinkter 30 %). Dadurch sollen komplexe Zusam- antizipatorische Kontrolle bei Sprache, Lachen und Labilität menhänge entwirrt und Reaktionen auf angewandte werden angestrebt. Maßnahmen und Strategien nacheinander evaluiert und durch PatientInnen bewusst erfahren werden. physioaustria inform Februar 2018 19
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:36 Seite 20 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Einladung zum Physiotherapie bei Organdysfunktion Symposium (Drang und Retention) durch Plus-Symptome Auch hier sind Sensibilitäts- und Wahrnehmungs- schulung wichtige Grundlagen der Therapie. Liegen Im Rahmen der Generalversammlung Harnwegsinfekte, Restharn oder Obstipation vor, von Physio Austria wird am 4. und müssen die medizinische, pflegerische und diätetische 5. Mai das Symposium zum Thema Versorgung sichergestellt werden. Flüssigkeitszufuhr »Vom Weh zum Wohl - Schmerz ist unabdingbar. als Thema in der Physiotherapie« Anspannung/Speichern und Entspannung/Entleeren stattfinden. können zentral über Mentaltraining und Visualisierung sowie Reduzierung von triggernden Reizen bzw. Stresso- ren, vegetativ über Aufschubstrategien, Bindegewebs- Namhafte ReferentInnen aus dem In- und Ausland werden und Reflexzonentherapie sowie durch Anpassung von vortragen: Hannu Luomajoki, Rudolf Likar, Bernd Anderseck. Umgebung, Toilettenverhalten und Alltagsroutine VertreterInnen der fachlichen Netzwerke von Physio Austria reguliert werden. werden im Rahmen des Symposiums Workshops halten. Strukturell wirken Weichteil- und Dehn-, Atem- und Stimmtechniken, Beckenbodentherapie mit dem Fokus Wir freuen uns, wenn Sie an der Veranstaltung teilnehmen auf Entspannung, mobilisierende Bewegung sowie und sich mit Ihren KollegInnen vernetzen möchten. Organmassage. Am zweiten Tag des Symposiums werden die besten Masterthesen von PhysiotherapeutInnen prämiert! Physiotherapie bei Sexualfunktionsstörungen Eine Einreichung für den Physio Research Award war Adressiert wird die strukturelle, sensible und vegetative bis zum 4. Februar möglich. Regulation, zur Förderung von Erektion bzw. Lubrikation insbesondere parasympathisch-entspannend und durch- Am 4. Mai 2018 wird Physio Austria in Pörtschach am blutungsfördernd. Nach Bedarf kommen Weichteltech- Wörthersee die Generalversammlung abhalten: niken und/oder Becken(boden)übungen zum Einsatz.◼ Ein neues Präsidium und einE neueR PräsidentIn von Physio Austria werden gewählt. FH-Prof. Anita Kidritsch, MSc Physiotherapeutin im MS-Tageszentrum, FH-Dozentin Studiengang Physiotherapie an der FH St. Pölten, Funktionärin bei Physio Austria und stellvertretende Leiterin des fachlichen Netzwerks Neurologie Neuerscheinungen LITERATUR in der Bibliothek Bø, K. (2008). Evidence-based von Physio Austria physical therapy for the pelvic floor: bridging science and clinical practice. 2. Auflage. Edinburgh; New York: Churchill Livingstone. Haensch, C.A.; Jost, W. (2009). Das autonome Nervensystem. Grundlagen, Organsysteme und Krankheitsbilder. Stuttgart: Kohlhammer. Hanzal, E.; Bartosch, B.; Stelz- hammer, C; Udier, E. (2015). Palpation für das Beckenboden- training. Berlin: Walter de Gruyter GmbH. Herrington, L. & Lohkamp, M. & Small, K. (2018) Neurodynamik. Diagnostik und Behandlung peripherer Nerven München: Elsevier Urban & Fischer 20 physioaustria inform Juni 2017
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:36 Seite 21 SERIE GESUNDHEITSPOLITIK Mag. Nicole Muzar Gesundheitspolitik … TWEET 1 … TWEET 1 … TWEET 1 … ER-WCPT im European Forum NEU for Primary Care (EFPC) vertreten Seit Herbst 2017 ist die europäische Region des Weltverbandes für Physiotherapie Es gibt viel zu tun (ER-WCPT) durch Jill Long, Physiothera- peutin aus Irland, im Advisory Board des EFPC vertreten und damit eingeladen, mit dem Board des EFPC an der Vision Mit 8. Jänner gingen die bisher im Bundesministerium für Gesundheit und Strategie zu arbeiten. und Frauen angesiedelten Bereiche in die Zuständigkeit des Bundes- Nähere Informationen: ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz www.euprimarycare.org (BMASGK) und in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes über. Beate Hartinger-Klein lenkt ab sofort die Geschicke des BMASGK. Einen zentralen Leitfaden für die Arbeiten des Gesundheitsressorts bietet das … TWEET 2 … TWEET 2 … TWEET 2 … Regierungsprogramm, das auch unmittelbare Auswirkung auf die Physiotherapie Registrierung ab 1. Juli 2018 haben wird. Prävention und Gesundheitsförderung, Kundenorientierung im Ge- 2018 wird die gesetzlich geregelte Registrie- sundheitswesen, Reform der Sozialversicherungen, Ausbau von Digitalisierung rung zur Umsetzung kommen. Ab 1. Juli und Telemedizin sowie Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem verbessern herrscht für alle Berufsangehörigen die sind die fünf Themengebiete, unter welchen im Regierungsprogramm die Vor- Verpflichtung, sich registrieren zu lassen, haben der Bundesregierung für den Gesundheitsbereich festgehalten wurden. was auch online möglich sein wird. Hier gilt es, sich gezielt auch als Gesundheitsberuf proaktiv einzubringen. Nähere Informationen finden Sie in den FAQs zur Registrierung, die auch Als Maßnahmen sollen laut Regierungsprogramm die betriebliche Gesundheits- zum Download zur Verfügung stehen: förderung weiter forciert werden sowie Gesundheitskompetenz und Eigenver- www.physioaustria.at antwortung auch im Zusammenhang mit Bewegung gestärkt werden. Im Sinne der KundInnenorientierung im Gesundheitswesen soll u. a. die Primärversorgung etabliert und ein Ausrollplan entwickelt werden; es wird zudem die Attraktivie- rung der Gesundheitsberufe genannt. Wie in den Medien bereits propagiert, ist eine Reform der Sozialversicherung Ziel des aktuellen Regierungsprogramms. Im Zusammenhang mit dieser Zielset- zung steht eine geplante Reduktion der aktuell 22 Sozialversicherungsträger auf fünf Träger inklusive einer Leistungsharmonisierung. Unter der Zielsetzung, die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen zu ver- bessern, wird festgehalten, dass die einzelnen DienstleisterInnen im Gesund- Mag. Nicole Muzar Ressort Berufspolitik heitswesen zur Weiterentwicklung unseres Versorgungssystems ideale Physio Austria Rahmenbedingungen erhalten müssen: Hehre Ziele, welche sich im vorliegen- den Programm nicht immer an allen Gesundheitsberufen gleichermaßen orientieren. Hier sieht Physio Austria seinen Auftrag, sich einzubringen, mit den EntscheidungsträgerInnen in den Diskurs zu gehen und im Sinne einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mitzugestalten. ◼ Quelle: Regierungsprogramm 2017-2022, www.bundeskanzleramt.gv.at physioaustria inform Februar 2018 21
01 inform JAN18.qxp_x 29.01.18 13:36 Seite 22 Themenschwerpunkt NeuroLogisch Ataxie Formen, Klassifikation, Therapie und Symptomatik Ataxie (griechisch ataxia, »Unordnung« oder »Unregelmäßigkeit«) ist ein Oberbegriff für Koordinationsstörungen von Bewegungsabläufen. Defizite sind sichtbar bei Geschwindigkeit, Amplitude, Zielgenauigkeit und Bewegungskraft. Ataxien haben eine Prävalenz von etwa 15:100.000. zentrale spinale (sensible) Ataxie ° Die meisten dieser Ataxien sind nach derzeitigem Stand Schädigung der afferenten Bahnen zu Thalamus, der Wissenschaft nicht ursächlich oder symptomatisch Cerebellum und Gyrus Postzentralis (S1) behandelbar. periphere sensible Ataxie ° Folgende Formen von Ataxien gilt es zu unterscheiden: Schädigung der peripheren afferenten Bahnen ° erbliche Ataxien (z. B. Friedreich-Ataxie, (z. B. Polyneuropathie, Diabetes Mellitus, spinozerebelläre Ataxien) Guillain Barré Syndrom oder Verletzungen ° nicht erbliche degenerative Ataxien von peripheren Nerven) (z. B. Multisystem-Atrophie, zerebellärer Typ) ° erworbene Ataxien Vestibuläre Ataxie entsteht infolge von Schädigungen (alkoholische Kleinhirndegeneration, Multiple des Vestibularapparats (akuter Labyrinthausfall). Sklerose, Insult, Schädelhirntrauma, Tumor) Das Cerebellum beansprucht nur 10 Prozent des ge- samten Gehirnvolumens, beinhaltet jedoch mehr als die Klassifikationen Hälfte aller Neurone des Gehirns. Strukturell besteht das Eine Klassifikation kann je nach Lokalisation der Läsion Cerebellum aus dem zerebellären Cortex und den tiefen erfolgen. Als zerebelläre Ataxie bezeichnet man die Kleinhirnkernen. Diese Teile erhalten afferente Bahnen Schädigung bzw. Zelldegeneration des Kleinhirns. von anderen Teilen des Gehirns und senden efferente Die Symptome unterscheiden sich, je nach betroffenem Bahnen zum zerebralen Kortex und anderen Regionen. Areal des Kleinhirns. Es gibt keine direkten efferenten Bahnen zum Rücken- ° Vestibulocerbellum (posturale Kontrolle, mark. Das Cerebellum spielt daher selbst keine Rolle in Rumpfmotorik, vestibuläre Einflüsse auf der Generierung von Bewegung, sondern in der Modifika- Haltung und Augenbewegungen) tion und Feinabstimmung des Bewegungsprogramms, ° Spinocerebellum (proximale Stabilität der sowie beim motorischen Lernen. Bei einer Läsion kommt Extremitäten, Muskeltonus, posturale Kontrolle es also nicht zu einem Ausfall der Motorik, sondern zu beim Gehen) motorischen Dysfunktionen, welche charakterisiert sind ° Pontocerebellum (Feinmotorik, Sprache, durch eine erhöhte Variabilität und eine reduzierte korrigierende Wirkung auf willkürliche und Zielgenauigkeit. unwillkürliche Bewegungen) Therapie Sensible Ataxie geht mit dem Ausfall der Tiefensensi- Für alle degenerativen Ataxien stellt eine regelmäßige bilität einher. Die Bewegungskoordination ist bei ziel- Physiotherapie die Basistherapie dar. Diese sollte als gerichteten Bewegungen ohne visuelle Kontrolle Selbsttraining angeleitet werden und aktive koordinati- beeinträchtigt. Die optische Kontrolle bietet in diesem onsfördernde Übungen beinhalten. In Studien konnte Fall die Möglichkeit eines funktionierenden Kompen- gezeigt werden, dass durch ein intensives vierwöchiges sationsmechanismus. Training bei PatientInnen mit degenerativen Kleinhirn- erkrankungen (zerebelläre und sensible Ataxien) eine Verbesserung der Symptome erzielt werden kann. Diese Effekte konnten auch noch nach einem Jahr beobachtet werden, wenn die PatientInnen selbstständig weiterübten. ◼ ÜBRIGENS: Karin Lotter, MSc Lehrende IMC FH Krems, frei- SEMINAR berufliche Physiotherapeutin, Ataxie Mitglied des fachlichen Netzwerks Neurologie, Studium Neuro- 7. Juli 2018 rehabilitationsforschung Wien, Physio Austria Kurszentrum Karin Lotter, MSc Agnes Winkler, MSc Agnes Winkler, MSc Leiterin des fachlichen Netzwerks Neurologie, freiberufliche Physio- therapeutin mit Schwerpunkt Neurologie, Gastlektorin für Neuro- rehabilitation IMC FH Krems 22 physioaustria inform Februar 2018
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