Wandel Jahresmagazin 2018 - Suchthilfe Region Basel

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Wandel Jahresmagazin 2018 - Suchthilfe Region Basel
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 2

                                                                         Das sind die Fotos zum Thema «Wandel» in dieser Ausgabe:
            20 Jahre Suchthilfe Region Basel

            Unser Jubiläums-Magazin befasst sich mit der
            Geschichte unserer Organisation, der Entwicklung
            der Suchtarbeit sowie dem generellen Wandel
            in der Gesellschaft. Die Themenfotos nehmen
            diese Aspekte auf und verweisen auf grosse Ver-
            änderungen in den letzten Jahren. Einen Einblick
            in die letzten 20 Jahre bietet Ihnen zudem die
                                                                         Modern: Hybrid-Operationssaal im          Verpackungsfrei: Laden gegen
            Zeitschiene am unteren Rand der Publikation mit
                                                                         Unispital Basel (S. 7)                    Abfallberge (S. 11)
            den Infokästchen. Seit 20 Jahren bietet die Sucht-
            hilfe Region Basel ihre professionelle Hilfe für
            Menschen mit Suchtproblemen und deren Umfeld
            an. Die Suchthilfe Region Basel freut sich, Ihnen
            das Jubiläums-Magazin präsentieren zu können,
            und bedankt sich für Ihre Unterstützung.

                                                                         Weniger schädlich? E-Zigaretten           Praktisch: Self-Check-out im
                                                                         statt Zigis (S. 17)                       Supermarkt (S. 28)

                                                                         Wiedergeboren: die Schallplatte           Ökologisch: Insekten statt Fleisch
                                                                         auf Vinyl (S. 32)                         im Burger (S. 38)

Wandel                       1998           1999           2000   2001              2002          2003      2004               2005          2006       2007
Suchthilfe Region Basel
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Inhalt
Editorial                                                                                                                                      4

Glückwunsch und Dank        Regierungsrat Dr. Lukas Engelberger                                                                                5

Hilfe und Abhängigkeit     Gastbeitrag von Dr. phil. Esteban Piñeiro                                                                           6

Suchthilfe im Wandel                                                                                                                         10

Geschichte der Fusion zur Suchthilfe Region Basel                  Gastbeitrag von Hannes Herrmann                                           16

Suchthilfe ist nicht sexy – Förderverein Suchthilfe Region Basel                                                                             20

Kein Grund zum Ausruhen                                                                                                                      22

Interview mit Betroffenen zum Jubiläum der Suchthilfe                                                                                        24

Jubiläum der «blauen Zauberpille»             Gastbeitrag von Lukas Jaggi                                                                    30

Stadt und Leben   Gastbeitrag von Lukas Ott                                                                                                  34

      2008      2009          2010            2011          2012            2013      2014           2015              2016           2017
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           Liebe Leserinnen und Leser
            Vor Ihnen liegt die dritte Ausgabe                         wir tätig sind. Denn seit 1998, dem Gründungs-       leitung bis hin zu den Teams in den Einrichtungen,
            des Jahresmagazins der Stiftung                            jahr der Suchthilfe, sind neue Konsumformen,         damit beschäftigt, die anstehenden und not-
            Suchthilfe Region Basel.                                   neue Substanzen und neue Abhängigkeiten in           wendigen Veränderungen für die kommenden
                                                                       den Vordergrund gerückt. Aber auch neue              Jahre zu planen und einzuleiten.
            Wie schon im Jahr 1999, haben wir als Leitmotiv            Behandlungsangebote sind entstanden, neue
            das Stichwort «Wandel» gewählt, denn Wandel,               Konzepte, Projekte und Einrichtungen.                Dieses Magazin eignet sich einmal mehr dazu,
            Umbauen, Umstrukturieren und ständiges Neu-                                                                     ein zweites Mal gelesen zu werden. Denn um
            gestalten sind mittlerweile zum roten Faden                Einen Eindruck davon vermitteln ganz besonders       Ihnen einen Einblick in die lebhafte Geschichte
            in unserer Organisation geworden.                          die Aussagen der K+A-BesucherInnen, welche           der Suchthilfe Region Basel zu ermöglichen,
                                                                       dieselben, von uns jedoch mehr auf fachlicher        haben wir in 20 zusätzlichen Textfeldern heraus-
            Dies trifft jedoch nicht nur für die Suchthilfe            und drogenpolitischer Ebene wahrgenomme-             ragende, erfreuliche und weniger erfreuliche,
            und ihre Angebote zu, sondern in ebenso                    nen Veränderungen aus ihrer persönlichen             bewegende und amüsante sowie die immer
            grossem Ausmass für das Arbeitsfeld, in dem                Optik beschreiben. Gerade die Sicht und der          wiederkehrenden monetären Ereignisse in Kurz-
                                                                       Einbezug der Betroffenen sind etwas ganz             form festgehalten.
                                                                       Wichtiges in unserer Arbeit. Und hier dürfte aus
               Aufbruch                                                meiner Sicht noch mehr Wandel stattfinden, als
                                                                       dies bis anhin geschehen ist, wobei wir als
                                                                                                                            Beachten Sie bitte auch den beigelegten se-
                                                                                                                            paraten Jahresbericht mit den Bilanz- und
               Der erste Jahresbericht der Suchthilfe Region
               Basel ist geprägt von Aufbruchsstimmung.                Anbieter von Dienstleistungen in diesem Sektor       Rechnungsdaten. Die Rückseite dieser Einlage
               Mit dem Zusammenschluss von zwei Träger-                natürlich auch gefordert sind, diesen Wandel         zeigt eine Collage aus Titelbildern von ver-
               schaften, deren sieben verschiedenartigen               immer wieder voranzutreiben.                         gangenen Jahresberichten. Auf diesem Wege
               Angeboten sowie unterschiedlichen Kulturen
               wurde tatsächlich etwas Neues gewagt, das                                                                    wird nochmals der vielfältige Wandel sichtbar,
               sich in den folgenden Jahren als Grundlage für          Besonders freut mich aber, dass wir es geschafft     dem unsere Organisation in zwei Jahrzehnten
               eine integrale Drogenarbeit erweisen sollte.
                                                                       haben, immer öfter den Wandel nicht bloss wahr-      unterworfen war und den wir zu einem nicht
               Man/frau sah sich nun als moderne Non-Profit-
               Organisation für die Zukunft gerüstet, obwohl           zunehmen und darauf zu reagieren, sondern            unerheblichen Teil auch selbst in die Wege
               im Herbst ein Gassenzimmer brannte, was wohl            aktiv zu gestalten. Gerade jetzt zum Zeitpunkt der   geleitet haben.
               nicht ganz den Vorstellungen eines Feuer-
               werkes für die neue Trägerschaft entsprach.
                                                                       Niederschrift dieser Zeilen sind wir schon wieder
                                                                       auf allen Ebenen, von Stiftungsrat und Geschäfts-    Walter Meury, Geschäftsführer

Wandel                         1998
                              1998           1999               2000            2001           2002            2003          2004            2005           2006           2007
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Glückwunsch und Dank
Vom Schwerstabhängigen ohne festen                     Die Suchthilfe Region Basel hat sich in diesen      Das Gesundheitswesen im Allgemeinen wie auch
Wohnsitz bis hin zum gut integrierten                  zwanzig Jahren gut etabliert, ist aber gleich-      der Suchtbereich stehen vor grossen zukünf-
Konsumierenden von «Freizeitdrogen» –                  zeitig innovativ und flexibel geblieben und ent-    tigen Herausforderungen. Zum einen zeigt die
wo so viele verschiedene Bedürfnisse                   wickelt ihr Angebot permanent und bedarfs-          demographische Entwicklung, dass Personen
unter einen Hut zu bringen sind, braucht               gerecht weiter. So wurde die Klinik ESTA mit        mit einer Suchterkrankung heute immer älter
es ein ausgeklügeltes und individuelles                der Möglichkeit einer stationären Suchttherapie     werden, wodurch auch chronische Erkrankungen
Beratungs- und Hilfsangebot.                           aufgebaut. Und aus der Fusion der beiden            und Multimorbidität zu einem wichtigen Thema
                                                       Einrichtungen Drogenberatungsstelle Drop In         werden. Zum anderen suchen Personen mit
Das Suchthilfesystem des Kantons Basel-Stadt           und Nachsorgestelle Step Out entstand das           Verhaltenssüchten wie beispielsweise Spiel- und
wird nebst staatlichen Angeboten insbesondere          Beratungszentrum der Suchthilfe Region Basel.       Kaufsucht vermehrt Unterstützung.
durch wichtige private Institutionen zur Verfügung
gestellt. Eine der bedeutendsten privaten Anbie-       Wie eingangs erwähnt, umfasst der heutige Kun-      Ich gratuliere der Stiftung im Namen des Regie-
terinnen ist die Stiftung Suchthilfe Region Basel.     denstamm das gesamte Spektrum vom schwer-           rungsrates des Kantons Basel-Stadt zum Jubi-
Als zuverlässige und starke Partnerin mit einem        stabhängigen Konsumierenden bis zum sozial          läum und bedanke mich herzlich für die wichtige
kantonalen Leistungsauftrag steht sie dem Kanton       unauffälligen Konsumierenden von «Freizeit-         Arbeit, welche der Stiftungsrat und alle Mitar-
bei der Erfüllung einer wichtigen Aufgabe zur Seite:   drogen». Für diese unterschiedlichen Ziel-          beitenden der Suchthilfe Region Basel leisten.
der Basler Bevölkerung ein bedarfsorientiertes         gruppen bietet die Suchthilfe Region Basel ein
Suchthilfeangebot zur Verfügung zu stellen und         differenziertes Angebot: Sei es ein stationärer
dadurch die Vier-Säulen-Politik mit umzusetzen.        Aufenthalt, Überlebenshilfe durch die Kontakt-
                                                       und Anlaufstellen oder eine Beratung bei einem
Seit nunmehr zwanzig Jahren bietet die Stiftung        Präventionseinsatz in der Partyszene.
Suchthilfe Region Basel ein breites Spektrum
                                                                                                                                      Regierungsrat
an Einrichtungen und Angeboten für Personen            Neben Personen mit Suchtproblemen konnten
                                                                                                                                      Dr. Lukas Engelberger
mit einem Suchtproblem. Sie entstand als neue          auch bereits viele Angehörige, Arbeitgeber,
gemeinsame Trägerschaft der damaligen                  Fachpersonen und Schulen von den Schulungen                                    Vorsteher Gesundheits-
Arbeitsgemeinschaft für aktuelle Jugendfragen          und Präventionsworkshops der Suchthilfe                                        departement
und des Vereins für Drogenhilfe.                       Region Basel profitieren.                                                      Basel-Stadt

         2008            2009            2010           2011           2012          2013           2014           2015              2016             2017
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           Hilfe und Abhängigkeit
            Über Entwicklungen und Verwicklungen                       in den 1950er-Jahren neue Methodenansätze wie        damals viele Vertreterinnen und Vertreter der
            der Sozialen Arbeit im Feld der Suchtarbeit.               das US-amerikanische Social Casework in die          Disziplin auf den fundamentalen Wandel hin, den
                                                                       Schweiz importiert wurden, gerieten die dama-        die Soziale Arbeit in den letzten Jahrzehnten er-
            Seit es die Soziale Arbeit gibt, befindet sie sich         ligen armenpolizeilichen Methoden vermehrt in        fahren hatte. Die voranschreitende Professiona-
            in einem Spannungsfeld von Hilfe und Kontrolle,            die Kritik. Ins Zentrum des sozialarbeiterischen     lisierung des sozialarbeiterischen und sozialpä-
            von Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Indi-          Selbstverständnisses rückten das Selbstbestim-       dagogischen Handelns wie auch ihre disziplinären
            viduum, Gesellschaft und Staat. Ein kurzer Blick           mungsrecht der Klientinnen und Klienten, die         Errungenschaften genossen in der Öffentlich-
            in die Geschichte genügt, um zu sehen, dass Hel-           helfende Beziehung und das dialogische Gespräch.     keit breite Anerkennung. Lüders und Winkler
            fen im Dienste der Armen und Schwachen zwar                Im Zuge von 1968 und mit der Ratifizierung der       argumentierten, dass Sozialarbeit und Sozialpä-
            als zentrales Motiv des Faches galt – dieses aber          Europäischen Menschenrechtskonvention 1974           dagogik eine institutionelle Konsolidierung er-
            darin keineswegs aufging. So bedienten sich die            setzte sich der Trend zu einer eigentlichen Demo-    fahren hätten. Es habe ein enormer quantitativer
            frühere Armenpflege und Fürsorge unverhohlen               kratisierung der Sozialen Arbeit weiter fort. Den-   Ausbau stattgefunden, entsprechend seien auch
            disziplinierender und strafender Praktiken. Als            noch blieben die politischen Verstrickungen          die Beschäftigungszahlen angestiegen. Profes-
                                                                       und widersprüchlichen Aufgabenstellungen der         sionelle Hilfe würde nicht mehr einfach als
                                                                       Sozialen Arbeit bestehen. Problematisiert wurden     Krisenintervention in Notlagen verstanden. Und

               Wandel                                                  sie etwa mit der theoretischen Figur des Doppel-
                                                                       ten Mandates (Böhnisch/Lösch 1973). Die Soziale
                                                                                                                            sie würde nicht mehr nur für randständige
                                                                                                                            oder gefährdete Bevölkerungsgruppen geleistet.
               Der Schritt zur im Jahresbericht erwähnten,
                                                                       Arbeit von ihrer historisch angestammten             Inzwischen sei die Soziale Arbeit zu einem Regel-
               modernen Non-Profit-Organisation wurde
               bezüglich Finanzen wohl etwas zu ernst                  Kontrollfunktion zu emanzipieren, blieb weiter-      angebot für potentiell alle geworden, zu einer
               genommen, was sich anhand der negativen                 hin ein wichtiges Postulat des Faches.               Normalbedingung moderner Gesellschaften.
               Bilanz von rund 450 000.– deutlich zeigte.
               Der angestrebte Wandel war dadurch aber                                                                      Gleichzeitig prägte der Soziologe Ulrich Beck
               nicht aufzuhalten, und so folgte nach Gründung          Ende der Kontrollfunktion                            (1986) den Begriff der Risikogesellschaft, der
               einer Mitarbeitervertretung schon bald die              Anfang der 1990er-Jahren schien sich dann die        sich in dieser Zeit zur trendbestimmenden Ge-
               gemeinsame Erarbeitung eines Leitbildes, und
               im Rahmen des ersten Betriebsausfluges                  Situation fundamental zu verändern. 1992 trugen      sellschaftsdiagnose entwickelte. Die Aufwei-
               fand eine Wanderung statt, bei der erstmals             Christian Lüders und Michael Winkler ihre            chung oder gar Auflösung traditioneller Muster
               die Gelegenheit bestand, auch die «anderen»
                                                                       prominente These von der Normalisierung der          wurde debattiert, Prozesse der Individualisie-
               Einrichtungen näher kennenzulernen.
                                                                       Sozialen Arbeit vor. Selbstbewusst wiesen            rung und Pluralisierung von Lebenslagen ana-

Wandel                        1998
                                              1999
                                             1999               2000            2001           2002            2003          2004           2005           2006           2007
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Wandel
Bild Nr. 1   2008   2009   2010   2011   2012   2013   2014   2015              2016           2017
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            lysiert. Sie hätten das Leben der Menschen und         Drogenabhängigen wurden von Ort zu Ort                Gleichzeitig nahm man sie unter (wissenschaft-
            damit auch den ursprünglichen Charakter der            getrieben, bis sie sich auf dem Gelände des           liche) Beobachtung und liess sie risikoärmere
            Sozialen Arbeit verändert. In der Risikogesell-        ehemaligen Lettenbahnhofs wieder nieder-              Konsumformen einüben. Das im Juni 1991 er-
            schaft liesse sich die Soziale Arbeit nicht mehr       liessen – um erneut eine offene Fixerszene zu         öffnete Basler Gassenzimmer, bald schon völlig
            einfach auf eine reaktive Anpassungs- oder             bilden, die dann 1995 aufgelöst wurde. In-            überlastet, musste 1992 durch zwei weitere er-
            repressive Kontrollfunktion reduzieren – so die        zwischen hatte sich ein ganzes Arsenal an nieder-     gänzt werden. Die Hilfen zum Überleben bildeten
            neue fachliche Einschätzung. Denn inzwischen           schwelligen Auffangangeboten der Überlebens-         die Grundlage, um ein gesellschaftlich akzep-
            könne gar nicht mehr eindeutig bestimmt                hilfe gebildet, die sich um die Vertriebenen          tables Leben mit der Drogenabhängigkeit zu er-
            werden, was überhaupt als Normalität gelten            kümmerten – Nothilfen im wahrsten Sinne des           möglichen. Sie optimierten das Überleben trotz
            könne. Was früher als Normalfamilie oder               Wortes: Gassenküchen, flächendeckende                 Sucht und normierten das sozialarbeiterisch
            Normalarbeitsverhältnis galt, hätte sich dyna-         Methadonversorgung, Obdachlosentreffpunkte,           und psychiatrisch gestützte Leben mit der Droge.
            misiert, starre Normen hätten sich flexibilisiert.     betreutes Wohnen. Weil sich der Drogenkonsum
                                                                   nicht unterbinden liess, versuchte man, ihn           Diversifizierung der Kontrolle
            Normalisierungsarbeit der                              medizinisch, sozialarbeiterisch und pädagogisch       Weder einseitige Repression noch Toleranz galten
            Überlebenshilfe                                        zu flankieren. Man liess die Süchtigen nicht mehr     damals als Königsweg, um das Drogenproblem
            Was die gesellschaftliche Wahrnehmung der              hilflos auf der Gasse dahinvegetieren, sondern        in den Griff zu bekommen. Sondern ein breites,
            Drogenproblematik angeht, lässt sich in den            unterstützte sie mit vielfältigen Angeboten.          aufeinander abgestimmtes Angebot, das Hilfe
            1990er-Jahren tatsächlich eine normative Ver-                                                                und Disziplinierung, Unterstützung und Formen
            schiebung feststellen – wenn auch Nothilfe und                                                               der normierenden Kontrolle eng ineinander ver-
            Normalisierungsarbeit im sozialarbeiterischen            Differenzierung                                     zahnte. Das drogensüchtige Leben wurde zwar
            Umgang damit keineswegs verschwanden. Die                                                                    nicht zum gesellschaftlichen Normalfall erklärt –
                                                                     Nun ist die Rede von schwierigen Zeiten, aber
            Schweizer Suchthilfe bietet dafür ein nachhal-           auch davon, dass sich die SRB bewährt hat.          als (unterstützungsbedürftiger) Lebensstil aber
            tiges Exempel. 1992, im selben Jahr, in dem die          Probleme bereiteten die veränderte Finanzierungs-
                                                                                                                         toleriert. Nun sollte das Leben nicht mehr um
            Normalisierungsthese an Bedeutung gewann,                praxis des BSV sowie die rückläufige Nachfrage      jeden Preis sucht- oder drogenfrei gestaltet wer-
            wurde die offene Drogenszene am Zürcher Platz-           bei den Therapieplatzierungen. Und so mangelt       den; die Sucht musste aber in einem bestimmten,
                                                                     es der neuen Präsidentin zumindest nicht an
            spitz polizeilich geräumt. Die Situation hatte in        Herausforderungen. Die Jahresrechnung endet         normativ abgesteckten Rahmen gelebt werden.
            politischer, sozialer und medizinischer Hinsicht         mit einem Verlust, und das negative Eigenkapital    Am Beispiel der Suchthilfe lässt sich erkennen,
            ein untragbares Mass erreicht. Der Drogenhan-            wächst auf 720 000 Franken an. Dass sich die        dass Normabweichungen sich ein Stück weit nor-
                                                                     Suchthilfe trotzdem bewährt hat, zeigte sich dann
            del nahm drastisch zu und wurde von professio-           Ende des Jahres am erfolgreichen Vertragsab-        malisieren lassen, dass das Verhältnis von Norm
            nellen Banden dominiert; in den umliegenden              schluss mit dem Kanton Basel-Stadt für die          und Abweichung gradueller Art sein kann: Es
                                                                     Gassenzimmer.
            Quartieren formierte sich ziviler Widerstand; die                                                            gibt gewissermassen normale(re) Abnormalitäten

Wandel                       1998           1999
                                                            2000
                                                            2000            2001             2002            2003         2004           2005           2006           2007
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und abnorme Normabweichungen. In diese viel-          tät entwickelt. Das gegenwärtig prägende Pro-          Herrschaft des Wiederholungszwangs. Aus­-
fältigen, gesellschaftspolitisch und fachlich aus-    fessionsideal betont das Wohl der Klientinnen          balancieren muss die Soziale Arbeit dann nicht
gehandelten Normen- und Ordnungskomplexe              und Klienten, die Sicherung und Steigerung ihrer       nur die Kontroll- und Normierungsansprüche
ist die Soziale Arbeit eng eingestrickt. Sie setzt    Autonomie als vorrangiges Ziel. Es rückt die In-       der Gesellschaft auf der einen und die Klienten-
Normalitätskonzepte durch, kontrolliert und           teressen der Klientinnen und Klienten ins Zent-        bedürfnisse auf der anderen Seite. Austarieren
reguliert vielfältige Formen abweichenden Verhal-     rum, um primär einmal ihre Lebenslage zu               muss sie nun auch die süchtigen und gesunden
tens – im Zeichen der Hilfe häufig auch maskiert,     verbessern. Mit diesem Anspruch an Professio-          Anteile ihrer Klientinnen und Klienten, womit
unauffällig und sanft. Vom Ende der sozialarbei-      nalität bringt sich die Soziale Arbeit aber selbst     sich das Zusammenspiel von Hilfe und Kontrolle
terischen Kontrollfunktion kann also nicht die        bewusst in eine anforderungsreiche Lage. Denn          um die Kontrollanteile der Sucht weiter ver-
Rede sein. Vielmehr scheint sich mit der beschrie-    sie muss die an sie herangetragenen Kontroll-          kompliziert. Die professionell zu bewältigende
benen Elastizität der (suchtbezogenen) Normen         ansprüche so ausbalancieren, dass sie dennoch          Aufgabe kreist dann um die Frage, wie es der
die Kontrolle diversifiziert zu haben. Internatio-    eine möglichst selbstbestimmte Lebensgestal-           Sozialen Arbeit gelingt, die Selbstbestimmung
nale Studien zeigen, dass Hilfe häufig mit subtilen   tung ihrer Klientinnen und Klienten zu fördern         jener süchtigen Klientinnen und Klienten zu
Formen der Verhaltensführung und Anpassung            vermag. Das gelingt ihr aber nur, wenn sie über        fördern, deren elementare Erfahrung im Freiheits-
einhergeht. Die Soziale Arbeit fördert das indi-      entsprechende Spielräume, über Aushandlungs-           verlust liegt. Im Zeitalter flexibilisierter Normen
viduelle Wohlergehen von Personen und Gruppen         möglichkeiten und professionelles Ermessen             und diversifizierter Kontrolle wird uns die
eigentlich immer unter Beachtung gesellschaft-        verfügen. Denn erst so ist sie in der Lage, gesell-    professionelle Antwort darauf nicht leichtfallen.
licher Werte und Normansprüche. Umso mehr,            schaftliche Normanforderungen zu interpretieren
als sie finanziell abhängig vom sozialstaatlichen     und sie auf den einzelnen Fall bezogen zu über-
Arrangement und auch in rechtlicher Hinsicht          setzen. Die sozialarbeiterische Kunst besteht
                                                                                                                Esteban Piñeiro, Dr. phil., ist Sozio-
daran gebunden ist. Am deutlichsten tritt dies        darin, diese Interpretationsarbeiten dialogisch,
                                                                                                                loge und Dozent an der Hochschule für
in behördlichen Kontexten zutage, wenn sie            gemeinsam mit ihren Klientinnen und Klienten
                                                                                                                Soziale Arbeit der Fachhochschule
als gesetzliche Sozialarbeit agiert: Im Rahmen        vorzunehmen. Will die Soziale Arbeit diesen
                                                                                                                Nordwestschweiz (FHNW). Dort forscht
öffentlicher Sozialhilfe, im Erwachsenen-,            professionellen Anspruch nicht bloss als abstrak-
                                                                                                                er am Institut Sozialplanung, Organi-
Kindes- und Jugendschutz, in der Bewährungs-          tes Ideal kultivieren, dann muss sie diesen
                                                                                                                sationaler Wandel und Stadtentwicklung
hilfe für Strafentlassene etc.                        Herausforderungen insbesondere in der Praxis
                                                                                                                zu den Themen öffentliche Verwaltung
                                                      offensiv begegnen. Das gilt ganz besonders
                                                                                                                und kulturelle Diversität, Migration
Professioneller Standpunkt                            auch für den Suchthilfebereich, droht hier doch
                                                                                                                und Integrationspolitik sowie Soziale
Für diese vielfältigen, widersprüchlichen Ver-        die Freiheit des Menschen unter der Sucht
                                                                                                                Arbeit und Polizei.
wicklungen hat die Soziale Arbeit in den letzten      laufend zu kollabieren. Vorherrschend werden
Jahrzehnten eine besondere fachliche Sensibili-       dann die Norm der Abhängigkeit und die

         2008            2009           2010           2011            2012           2013            2014            2015              2016           2017
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           Suchthilfe im Wandel
            Eine Geschichte über Säulen und Würfel,                Säulen, Würfel oder lieber eine Kugel?               mal mir der Würfel allzu statisch und daher
            Bratwürste und Konkurrenz sowie das                    Fachleute sprechen gerne davon, dass das dro-        wenig geeignet scheint, um über den Wandel in
            Herabsteigen von Bergen und Hügeln.                    genpolitische Vier-Säulen-Modell erfolgreich zu      der Suchthilfe zu schreiben. Und eigentlich
                                                                   einem Würfelmodell und schliesslich zum drei-        müssten ja nun, bildlich gesprochen, endlich die
            Ein bekanntes und in abgewandelter Form gerne          dimensionalen Würfel weiterentwickelt wurde.         Ecken und Kanten des Würfels abgeschliffen
            benutztes Zitat des aus vorchristlicher Zeit stam-     Und dies könnte tatsächlich ein Ansatz sein,         werden, damit wieder mehr Bewegung in die
            menden Philosophen Heraklit lautet: Die einzige        um den Wandel zu dokumentieren. Solches ist          Sache kommt. Denn trotz Bewegung ist es beim
            Konstante im Universum ist die Veränderung.            mir aber zu abstrakt und zu theoretisch, zu-         Würfel so, dass in der Summe zweier gegen-
                                                                                                                        überliegender Seiten immer dasselbe heraus-
            Veränderung beziehungsweise Wandel war                                                                      kommt. Auch sind die Bewegungen eines Würfels
            nach erfolgtem Aufbruch im Jahr 1998 auch
            das Motto des zweiten Jahresberichtes der
                                                                     Die Formel fürs                                    in aller Regel beschränkt und führen jeweils
                                                                                                                        rasch zu einem deutlichen Stillstand. Da würde
            noch jungen Institution Suchthilfe Region                neue Jahr!                                         ich mir doch eher eine Kugel wünschen,
            Basel. Gemeint war damit der Wandel durch                                                                   denn da ist deutlich mehr Bewegung drin, und
                                                                     Die Nachsorgestelle Step Out kommt zur Sucht-
            das Zusammengehen der beiden Träger-                     hilfe und das Angebot erfüllt nun den Anspruch     der Stillstand ist doch eher die Ausnahme.
            schaften mit ihren teils markant unterschied-            einer integralen Drogenarbeit. Zudem wird
            lichen Angeboten und Einrichtungen. Der                  jubiliert: 30 Jahre Drop In, 20 Jahre CIKADE,      Bratwürste?!
                                                                     10 Jahre Stadtlärm und 10 Jahre Gassenzim-
            Wandel in der Suchtarbeit, welcher bereits in            mer. Kein Grund zum Feiern ist das negative        Wenden wir uns nun aber dem Wandel in der
            den vorhergehenden Jahren stattgefunden                  Eigenkapital von mittlerweile 947 000 Franken,     Suchthilfe Region Basel zu, denn hier kam schon
                                                                     und ob die neue Geschäftsführung das zu
            hatte, war aber ebenso Thema und sollte es                                                                  kurz nach der Gründung einiges ins Rollen.
                                                                     ändern vermag, steht noch in den Sternen.
            auch bleiben. Deshalb beinhaltet dieser
                                                                     Die Einrichtungen Waldruh und Obere Au wurden
            Artikel, trotz aktuellem Jubiläum, nicht nur             zusammengelegt, und so konnte der Effizienz        1998 war die CIKADE noch ein ausschliessliches
            eine Auflistung von 20 Jahren erfolgreicher              wenigstens hier zum Durchbruch verholfen werden.   Entzugsangebot, beheimatet in Reigoldswil BL.
            Drogenarbeit in der Suchthilfe Region Basel,                                                                Kalte Entzüge gehörten noch längst nicht der
            sondern umfasst auch den Wandel in der                   Aufbruch + Wandel                                  Vergangenheit an, obwohl bereits ärztliche Be-
            Behandlung von Drogenkonsumenten sowie                    Differenzierung = Effizienz                       gleitung vor Ort und die Unterstützung mit
            bei den Substanzen und Konsumformen.                                                                        Methadon zum Repertoire zählten. Das Essen

Wandel                       1998           1999            2000
                                                                             2001
                                                                            2001            2002             2003        2004           2005           2006          2007
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Wandel
Bild Nr. 2   2008   2009   2010   2011   2012   2013   2014   2015           2016           2017
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            war strikt vegetarisch, es gab maximal zehn           Runter von Bergen und Hügeln,                        Aber der fortwährende Wandel brachte eben auch
            Zigaretten pro Tag, und die PatientInnen              Konkurrenzvorwürfe und                               erleichterte Zugänge zu Substitutionsbehand-
            konnten ihr Anschlussprogramm mittels einer           unfreiwilliger Wandel                                lungen. Neue ambulante und teilstationäre Be-
            Vielzahl von bunten Prospekten meist ziemlich         Eine grosse Herausforderung für die CIKADE           handlungsangebote entstanden, und der Rückzug
            eigenständig auswählen. Vieles davon habe             und die noch junge Suchthilfe Region Basel,          der Invalidenversicherung aus der Finanzierung
            ich schon damals nicht verstanden, und ich er-        zu der auch Therapieeinrichtungen zählten,           erhöhte nochmals den Konkurrenzdruck
            innere mich noch gut an ein Wochenende, an            war von Beginn an der Vorwurf, den Patient-          unter den bestehenden Therapieangeboten.
            dem von zehn Patienten deren sechs abbrechen          Innen prioritär die eigenen therapeutischen
            wollten, weil sie sich nicht mehr in der Lage         Angebote schmackhaft zu machen und so für            Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass
            sahen, ihr Verlangen nach Fleisch weiter zu           stabile Belegungszahlen zu sorgen. Auch das          ausgerechnet die Suchthilfe Region Basel in den
            unterdrücken. Der spontane Entscheid, einen           mit zur Suchthilfe zählende Drop In, welches         Jahren 2002 und 2004 ihre beiden Therapie-
            Grillabend mit Bratwürsten zu realisieren, hat        die Abhängigen bei der Wahl einer Therapie-          einrichtungen Obere Au und Waldruh geschlos-
            dann tatsächlich dazu beigetragen, die drohenden      einrichtung beriet und zuhanden der                  sen und damit für einige Jahre das Feld der
            Abbrüche zu verhindern. Und gerade an solch           kantonalen Kostenträger entsprechende                Therapie geräumt hat. Wir haben es nämlich
            kleinen Beispielen zeigt sich, wie dringlich auch     Empfehlungen abgab, wurde laufend mit                nie beabsichtigt und auch nicht geschafft, die
            im institutionellen Alltag Veränderungen und          diesem Vorwurf konfrontiert.                         eigenen Institutionen bevorzugt zu bedienen.
            das kritische Hinterfragen der Konzepte schon
            damals waren und es auch heute noch sind.                                                                  Wir hätten wohl früher eine kritische Diskussion
            Vegetarisches Essen sollte zwar angeblich im                                                               über unsere damaligen Therapieangebote führen
            Zusammenhang mit Heroinkonsum ein ganz                  Balance                                            sollen und haben zu wenig daran gedacht, hier
            wichtiger Teil der Behandlung sein, aber schon                                                             die vorhandenen Chancen zu nutzen. Denn mit
                                                                    Jetzt wird die Balance wiederhergestellt, was
            1998 konsumierten die meisten PatientInnen              zumindest bei der Bilanz in Gestalt einer ersten   einer bewussten gegenseitigen Abstimmung
            nebst Heroin auch Kokain sowie diverse,                 Teilsanierung auch ziemlich gut gelang.            der Angebote, so wie wir dies im Sinne der
            eigentlich rezeptpflichtige Medikamente und             Auf dem Drogenmarkt geriet einiges aus dem         integrierten Versorgung heute umsetzen, wäre
            natürlich Alkohol.                                      Gleichgewicht, was sich zum Beispiel daran         wohl einiges mehr möglich gewesen.
                                                                    zeigte, dass Cannabis bei den Beratungen ins
                                                                    Zentrum rückte und die Zahl der Heroin-
                                                                    und Kokainraucher diejenige der intravenös         Andererseits ist es auch gut so, denn wir sind
                                                                    Konsumierenden längst übertraf. Die Situation      damals nicht nur sprichwörtlich, sondern auch
                                                                    der stationären Therapie geriet weiter aus
                                                                    dem Gleichgewicht, und dies nicht nur bei der      real von den teils ideologisch behafteten Bergen
                                                                    Suchthilfe, wie sich in der Zukunft noch           und Hügeln heruntergekommen. Und es hat uns
                                                                    deutlich zeigen sollte.
                                                                                                                       dazu bewegt, in der Folge eine Strukturanpassung

Wandel                      1998            1999           2000            2001
                                                                                             2002
                                                                                            2002            2003        2004           2005           2006           2007
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sowie eine erste, auf mehrere Jahre angelegte,    Mehr Fleisch, und der Wandel                        entwickelt hat, was zum Beispiel an den
strategische Planung vorzunehmen. Und im          kommt ins Rollen                                    Aktivitäten in Bereichen wie Glücksspielsucht,
Alltag haben wir durch regelmässige gegen-        Und so kam der Wandel in der Suchthilfe             Prävention und Nightlife erkennbar ist.
seitige Teambesuche und die aktive Förderung      Region Basel nun also richtig ins Rollen, wäh-
von Hospitationsmöglichkeiten für unsere Mit-     rend das erwähnte Würfelmodell seine                Doch nun zurück zum stationären Teil, denn
arbeiterInnen die interne Vernetzung stärker      dreidimensionale Zukunft noch vor sich hatte.       hier hatte der Wandel sein grösstes Ausmass
ins Zentrum gerückt, wie es ja auch eines der                                                         noch lange nicht erreicht.
erklärten Ziele der Fusion war.                   Beim Stadtlärm wurden die vormals in zwei
                                                  Häusern untergebrachten Aussenwohn-                 Die CIKADE zog um nach Böckten, in das Haus
Das tönt aus heutiger Sicht einfach, erforderte   gruppen in einer Liegenschaft zu einem neuen        der vormaligen Waldruh, es gab immer mal
aber einiges an Überzeugungsarbeit. Einzelne      Reintegrationsangebot zusammengefasst,              wieder Fleisch auf dem Teller, und so allmählich
erachteten es anfänglich als schwierig bis        und es folgte eine zeitgemässe Überarbeitung        machte sich die Erkenntnis breit, dass es für
kaum machbar, derartige Hospitationen zu          der Konzepte, so dass endlich auch sub-             eine wirkungsvolle therapeutische Behandlung
ermöglichen, da zum Beispiel eine Störung der     stituierte sowie auf Medikamente eingestellte       eine fachlich fundierte Indikation braucht und
therapeutischen Prozesse befürchtet wurde.        Personen aufgenommen wurden.                        die Wahl somit nicht allein den Betroffenen
Bezüglich der Kontakt- und Anlaufstellen galt                                                         überlassen werden kann. Auch unser Beratungs-
es hingegen des Öfteren, Überzeugungsarbeit       Das Domizil der Nachsorgestelle Step Out, welche    zentrum wurde zu einer der drei Indikations-
zu leisten, damit auch MitarbeiterInnen aus       im Jahr 2001 zur Suchthilfe kam, wurde schon        stellen des Kantons Basel-Stadt, womit sicher-
abstinenzorientierten Angeboten den Schritt       bald in dasselbe Gebäude wie das Drop In ver-       gestellt war, dass der Vorwurf der einseitigen
wagten, für ein paar Stunden in diese durch       legt. Gleichzeitig wurde damit begonnen, hier       Zuweisung zu Gunsten eigener Angebote
Niederschwelligkeit und Akzeptanz, auch gegen-    die bestehenden Angebotsüberschneidungen zu         weiterhin bestehen würde. Immerhin hatte die
über dem Drogenkonsum, geprägte Einrichtung       hinterfragen und eine intensivere Zusammen-         Suchthilfe Region Basel im teilstationären
mit ihrer besonderen Atmosphäre einzutauchen.     arbeit aufzubauen. Mit dem Umzug in gemein-         Bereich ja noch das Angebot der Familienplat-
                                                  same Räumlichkeiten erfolgten schliesslich          zierung Spektrum und das Reintegrationspro-
Mittlerweile gibt es mehrmals jährlich einen      die endgültige Zusammenlegung sowie die             gramm Stadtlärm im Repertoire.
Einführungstag für neue MitarbeiterInnen, der     Gründung des heutigen Beratungszentrums.
schon bei Antritt der Stelle das Kennenlernen                                                         Endgültig vom Berg herunter, zurück zur
aller Einrichtungen der Suchthilfe Region Basel   An dieser Stelle muss übrigens unbedingt            Therapie und vom Verein zur Stiftung
ermöglicht und an dem immer wieder auch           erwähnt werden, dass gerade das Beratungs-          Nach einer kurzen Phase der Beruhigung
Stiftungsräte und altgediente MitarbeiterInnen    zentrum einem ständigen Wandel unterliegt           war es dann ab 2006 die CIKADE, welche unter
teilnehmen.                                       und folglich eine grosse Innovationskraft           zunehmenden Belegungsdruck geriet und uns

        2008           2009          2010          2011           2012          2013           2014           2015           2016           2017
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            dazu zwang, erneut über tiefgreifende Verände-          Raus aus dem Sumpf                                Motivationsangebot für die Abhängigen ent-
            rungen nachzudenken. Die Vorstellung, wonach            Trotz dieses Wandels war aber auch die Folge-     wickelt und umgesetzt. Dabei wurden nicht nur
            der Drogenentzug zum Schutze der Patient-               zeit im Entzug geprägt von anhaltend niedriger    Patienten für den Entzug akquiriert und dabei
            Innen notwendigerweise an einem abgelegenen             Belegung. Eine der Ursachen war die strikte       unterstützt, die administrativen Hürden zu
            Standort ausserhalb des Siedlungsgebietes               Anwendung des Verfahrens zur ausserkantona-       bewältigen. Es entstand vielmehr auch ein bis
            erfolgen sollte, erwies sich auch hier zuneh­-          len Erteilung der Kostengutsprache durch den      heute fortgeführtes Förderungs- und Unter-
            mend als hinderlich und nicht mehr zeitgemäss.          Kanton Basel-Stadt, was für viele der Abhän-      stützungsangebot, welches heute nebst nieder-
                                                                    gigen eine kaum mehr zu überwindende admi-        schwelliger Beratung und Begleitung auch
            Im Frühjahr 2007 bot sich dann unerwartet               nistrative Hürde darstellte und wodurch er-       eine Vielzahl an Aktivitäten für und mit den
            die Chance, die Stiftung Smaragd mitsamt ihren          neut dringender Handlungsbedarf entstand.         BesucherInnen beinhaltet. Konsumfreie Veran-
            Liegenschaften zu übernehmen. Und so er-                                                                  staltungen wie zum Beispiel Grillanlässe
            folgten im Herbst 2007 der Umzug nach Reinach           In dieser Situation wurde das Projekt «Raus aus   (natürlich mit Bratwürsten), gemeinsames
            und schon kurz darauf die Erweiterung                   dem Sumpf» ins Leben gerufen. Mitarbeiter­        Kochen, Fussball oder auch die K+A-Musikband
            um ein neues stationäres Therapieangebot.               Innen der Kontakt- und Anlaufstellen und der      Stoffwechsel sind nur einige von vielen.
                                                                    Klinik ESTA haben damals im Rahmen der K+A-       Und gerade die konstant verbesserte interne
            Die CIKADE wandelte sich zur Klinik ESTA                Öffnungszeiten ein zusätzliches Beratungs- und    Vernetzung in der Suchthilfe waren mit
            (Entzug, Stabilisierung, Therapie und Arbeit),
            und aus dem bisherigen Verein wurde die
            heutige Stiftung Suchthilfe Region Basel.
                                                                      Muh!                                              Umzug
                                                                      Mit vierbeiniger Unterstützung wurde auf dem      Ende März wurde die Reissleine gezogen und
                                                                      Theaterplatz die Familienplatzierung Spektrum     mit der Waldruh das letzte stationäre Therapie-
                                                                      einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im      angebot geschlossen. Die CIKADE konnte
                                                                      Gegensatz zu einigen Tierschützern nahm's         dadurch nach Böckten und somit in grössere
                                                                      die Kuh gelassen, zumal sie ein mit Stroh         Räumlichkeiten verlegt werden. Die beiden
                                                                      ausgelegtes Gehege, frisches Wasser sowie         AWGs des Stadtlärm mit ihren unterschiedlichen
                                                                      Streicheleinheiten zur Verfügung hatte.           Standorten wurden ebenfalls aufgegeben
                                                                      Mit der neuen Hauszeitschrift «Transparent»       und «lärmen» seither gemeinsam als neues
                                                                      wurde die Kommunikation gestärkt, und mit         Reintegrationsangebot an der Vogesen-
                                                                      der Übernahme des Gassenzimmers Heuwaage          strasse 66. Das Kokain hat definitiv die bis-
                                                                      wuchs wieder zusammen, was zusammen-              herige Leaderposition des Heroins über-
                                                                      gehört. Sogar der Konsumraum für Heroin-          nommen, und die Suchthilfe schafft knapp
                                                                      raucher konnte nun realisiert werden.             den ausgeglichenen Jahresabschluss.

Wandel                       1998           1999             2000            2001           2002
                                                                                                           22000303    2004
                                                                                                                       2004            2005            2006               2007
Suchthilfe Region Basel
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 15

Sicherheit Grundlage für dieses aus meiner     Der permanente Austausch und die Möglichkeit,       administrativen Bereich, welcher längst nicht
Sicht herausragende Projekt, von dem ich       regelmässig mehr über die Arbeitsweise und          mehr nur als erfreulich oder fortschrittlich
überzeugt bin, dass es bis heute nachwirkt.    den Umgang der jeweils anderen, mit oft den-        bezeichnet werden kann. Aber das würde den
                                               selben KlientInnen zu erfahren, hat deshalb         Rahmen hier sprengen, weshalb ich vorläufig
Ein weiterer nachhaltiger – und ebenfalls      nicht nur unsere persönlichen Ansichten und         auf weitere Ausführungen zu diesem eher
bereits bei der Fusion 1998 angestrebter –     Haltungen verändert, sondern zunehmend auch         unerfreulichen Wandel verzichte. Vielmehr
Effekt besteht darin, dass seither konstant    massgeblichen Einfluss auf die Weiterentwick-       freue ich mich an dieser Stelle über den erfolg-
MitarbeiterInnen aus diversen unserer          lung all unserer Angebote gehabt.                   reichen Wandel, den wir in den vergangenen
Einrichtungen in jeweils anderen Angebo-                                                           20 Jahren erleben, aber auch gestalten durften.
ten mitarbeiten und auch bei Engpässen         Damit ist zugleich der wohl bedeutendste Wan-
einspringen. Auch interne Stellenwechsel       del innerhalb unserer Organisation benannt,         Walter Meury, Geschäftsführer
finden öfters statt und ermöglichen,           der übrigens dafür sorgt, dass eben nicht bloss
vorhandenes und erworbenes Know-how            hin und wieder neu gewürfelt wird, sondern
im Interesse der Gesamtorganisation            die Kugel permanent am Rollen ist.
zu erhalten. Zum anderen gibt es uns die
Möglichkeit, unseren MitarbeiterInnen          Und nicht zuletzt haben wir damit wichtige
Arbeitsplätze mit vielfältigen Erfahrungs-     Grundlagen für die Umsetzung der integrierten
und Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten.      Behandlung geschaffen, welche aktuell und
                                               in naher Zukunft eine der bedeutendsten Verän-
Natürlich ist damit auch eine grosse Heraus-   derungen darstellen dürfte. Denn integrierte
forderung für die MitarbeiterInnen ver-        Versorgung ist mehr als interdisziplinäre Zu-
bunden, welche sich je nach Einsatzort         sammenarbeit, weil sie uns nämlich in noch
einem anderen Konzept verpflichten müssen,     höherem Masse dazu verpflichtet, über beste-
was nicht immer ganz einfach ist. Aber es      hende Institutionsgrenzen hinweg die best-
entstehen neue Einsichten, es findet eine      möglichen Behandlungsformen zu schaffen
vertiefte Auseinandersetzung mit konzeptio­    und laufend weiterzuentwickeln.
nellen Fragen statt, und es entsteht ein
Wissenstransfer, der dazu beiträgt, Ange-      Um näher darauf einzugehen, reicht leider der
bote und ihre konzeptionelle Ausrichtung       Platz nicht aus; und die vorliegende Erzählung
immer wieder zu hinterfragen, zu erneuern      ist natürlich längst nicht vollständig, denn
oder zu bestärken.                             es fehlt auch die Erwähnung des Wandels im

        2008           2009          2010       2011           2012          2013           2014           2015           2016           2017
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 16

            Geschichte der Fusion zur SRB
            Es ist schon länger her, dass ich in der Basler      der Basler Drogenpolitik und Suchthilfe wider.      Verschiedenartigkeit der Trägerschaften und
            Drogenpolitik und Suchthilfe aktiv war, und          Die einen waren für Repression, die anderen         ihrer institutionellen Angebote nicht so sehr als
            entsprechend verschwommen erinnere ich               dagegen, die einen für methadongestützte Sub-       sich ausschliessende Gegensätze, sondern
            mich nur an die exakten Daten und Fakten,            stitutionsbehandlungen, die anderen dagegen.        vielmehr als erwünschte Komplementarität.
            welche im Jahr 1998 zu dieser denkwürdigen           Auf der einen Seite standen die hochschwelli-       Aus Sicht des Kantons Basel-Stadt war ja eine
            Fusion der Arbeitsgemeinschaft für aktuelle          gen, abstinenzorientierten Suchthilfeangebote,      möglichst breite Palette an möglichst unter-
            Jugendfragen (AAJ) mit dem Verein für Drogen-        auf der anderen Seite die niederschwelligen         schiedlichen Instrumenten zur Verwirklichung
            hilfe (VDH) führten. Ich möchte daher auch           mit dem primären Ziel der Schadensminderung.        der kantonalen Drogenpolitik und Optimierung
            nicht die Geschichte der Fusion selbst nachvoll-     Für Erstere war einzig der kalte Entzug ein         der Suchthilfe wünschenswert.
            ziehen, sondern an dieser Stelle lieber von          richtiger Entzug und erfolgversprechend, und
            der drogenpolitischen Situation und der Stimmung     die anschliessende stationäre Therapie wurde
            erzählen, welche jene Jahre prägten und die          möglichst weg vom Schuss in ländlicher Idylle
            Fusion ermöglichten, vielleicht sogar forcierten     durchgeführt. Für Letztere stand das unmittel-
            oder gar unausweichlich machten. Dieser              bare, gesundheitlich möglichst unbeschadete           Schwarze Zahlen /
            Rückblick erfolgt aus einem ganz persönlichen
            Blickwinkel, gefärbt durch eigene Aktivitäten
                                                                 Überleben der Suchtkranken auf der Gasse im
                                                                 Vordergrund und nicht der Ausstieg aus der Sucht.
                                                                                                                       Strukturreform
            und Erlebnisse, Erinnerungen und Begegnungen,                                                              Nach Konzeptanpassungen und Standortwech-
                                                                                                                       seln rückte nun auch der finanzielle Erfolg
            Freuden und Leiden in der Basler Suchthilfe          Die beiden Positionen niederschwellig/scha-           endlich in greifbare Nähe, und so endet das Jahr
            der 90er-Jahre.                                      densmindernd und hochschwellig/abstinenz-             mit dem ersten selbst erarbeiteten positiven
                                                                 orientiert standen sich ideologisch wenig             Rechnungsabschluss. Doch bald folgten neue
                                                                                                                       Unwetter, denn Basel-Stadt begann damit, die
            Zu Beginn dieser 90er-Jahre war die Welt in          kompromissbereit gegenüber. Und geprägt von           Vorgaben der ausserkantonalen Hospitation
            vielen Gesellschafts- und Politikbereichen           ihrer eigenen Geschichte, verkörperten in             künftig strikte anzuwenden.
            noch immer recht polarisiert, und zwischen           diesem Sinne auch der VDH und die AAJ diese           Der enorme administrative Zusatzaufwand
            Schwarz und Weiss existierten kaum Grautöne.         beiden Pole. Anstatt das verbindende Ziel             bewirkte, dass der Zustrom von Personen aus
                                                                                                                       Basel-Stadt nahezu versiegte. Intern wurde
            Die Gegensätze waren oft plakativ und von            zu sehen, wurde von beiden Seiten lieber die
                                                                                                                       die bisherige Koordinationskonferenz durch eine
            überlieferten Klischees geprägt. Selbstver-          Gegensätzlichkeit der Instrumente zur Ziel-           neue Abteilungsstruktur ersetzt.
            ständlich spiegelte sich diese Polarisierung in      erreichung betont. Mir erschien damals die

Wandel                      1998           1999           2000            2001           2002           2003          2004
                                                                                                                                       2005
                                                                                                                                      2005            2006                2007
Suchthilfe Region Basel
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Wandel
Bild Nr. 3   2008   2009   2010   2011   2012   2013   2014   2015           2016           2017
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            Mitte der 90er-Jahre begannen insbesondere         die Effektivität. Die wenigsten Trägerschaften   Feierabend ihre Institutionen führten, vermoch-
            zwei Entwicklungen, mächtig Druck auf die          verfügten damals über die notwendige mini-       ten je länger, je weniger den immer komplexeren
            bestehende Suchthilfe der Region aufzubauen.       male Unternehmensgrösse, um sich eine pro-       Anforderungen von Drogenpolitik und Sucht-
            Die rasche Verbreitung und die Anerkennung         fessionelle Geschäftsführung für ihre Insti-     hilfe gerecht zu werden – obwohl sie teilweise
            der methadongestützten Substitutionsbehand-        tutionen leisten zu können. Viele hatten daher   Millionenumsätze managten. Es liegt mir fern,
            lungen weichten die bestehenden Polaritäten        Defizite in den Bereichen Administration,        an dieser Stelle jemandem einen Vorwurf zu
            im Suchthilfebereich zunehmend auf – und auf       Personalwesen und Finanzen. Der grosse Teil      machen, denn diese Strukturen waren über
            einmal waren die lange vermissten Grautöne         der Vorstände war überdies so sehr mit dem       lange Zeit organisch gewachsen. Die Protago-
            da. Der medikamentös abgefederte weiche            unmittelbaren operativen Geschäft seiner         nisten der damaligen Zeit waren alle hoch
            Entzug wurde plötzlich als gangbarer Weg ange-     Institutionen beschäftigt, dass kaum Zeit und    engagiert und wollten eigentlich nur das Beste
            nommen und schloss eine anschliessende             Energie übrigblieb, sich mit den langfristigen   für ihre Institutionen. Aber «die Suchthilfe»
            abstinenzorientierte Therapie nicht mehr aus.      strategischen Fragen auseinanderzusetzen.
            Und dieser stationären Therapie auf dem            Mehr und mehr Institutionen bekamen so
            Lande stand plötzlich eine ambulante, metha-       Mühe, in diesem immer kompetitiveren Markt
            dongestützte Therapie mitten in der Stadt          zu bestehen und dem zunehmenden finan-
                                                                                                                  Die Nase voll? Raus
            als echte Alternative zur Seite. Das Entweder-     ziellen Druck standhalten zu können.               aus dem Sumpf!
            oder wurde langsam, aber sicher durch ein
                                                                                                                  Nach den frohen Botschaften des Vorjahres
            Sowohl-als-auch verdrängt.                         Aber auch der Kanton Basel-Stadt spürte zu
                                                                                                                  erstaunt es nicht, dass 2008 mit einem Verlust
                                                               der Zeit den verschärften finanziellen Druck.      von 67 000 Franken wieder eine echtes Non-
            Ferner zwang auch der stetig zunehmende            Die mangelnde Koordination und Kooperation         Profit-Jahr wurde. Mit finanzieller Hilfe einer
                                                                                                                  Stiftung und dank intensiver Zusammenarbeit
            finanzielle Druck der Kostenträger die Sucht-      innerhalb der Basler Suchthilfe mit den            von K+A und CIKADE konnte im Rahmen des
            hilfe, ihre strukturellen Probleme anzugehen.      Doppelspurigkeiten des Angebots auf der einen      Projekts «Raus aus dem Sumpf» aber erfolg-
            Die ungenügende Koordination und Vernetzung        und den unübersehbaren Lücken auf der an-          reich gegengesteuert werden. Und auch wenn
                                                                                                                  es der Titel vermuten lässt, hatten wir die Nase
            der Trägerschaften und Institutionen unter-        deren Seite konnten weder fachlich noch poli-      längst nicht voll, denn hier handelte es sich
            einander behinderten die Effizienz des Ange-       tisch länger gerechtfertigt werden. Die ehren-     vielmehr um eine erfolgreiche Werbekampagne
            bots, und fehlende gemeinsame Qualitäts-,          amtlichen Vorstände, welche in viel zu vielen      für die neue Kokainsprechstunde des Drop In.

            Kosten- und Leistungsstandards hemmten             und oft endlosen Vorstandssitzungen nach

Wandel                      1998           1999         2000            2001          2002           2003        2004            2005
                                                                                                                                                  2006
                                                                                                                                                  2006               2007
Suchthilfe Region Basel
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 19

wehrte sich aus heutiger Sicht wohl viel zu         Wer anfänglich zu welchem Zeitpunkt die zün-
lange gegen eine Strukturreform, deren              dende Idee hatte oder wer den ersten Schritt
                                                                                                           Hannes Herrmann, Jahrgang 1962.
Notwendigkeit immer offensichtlicher wurde.         auf wen zu machte, weiss ich heute nicht mehr.
                                                                                                           Der ehemalige Projektleiter und Ge-
                                                    AAJ als auch VDH hatten jedoch als Erste den
                                                                                                           schäftsführer der Substitutionspraxis
Glücklicherweise stellten sich die Trägerschaften   Handlungsbedarf erkannt und beschlossen, die
                                                                                                           BADAL war zur Zeit der Entstehung
und Institutionen der Suchthilfe der Region         unausweichliche Strukturreform proaktiv
                                                                                                           der Suchthilfe Region Basel Leiter der
Basel schliesslich der Herausforderung, und im      anzugehen. Auf diese Weise wurde es den beiden
                                                                                                           Abteilung Jugend, Familie und Prä-
Oktober 1995 wurde zusammen mit dem                 Trägerschaften möglich, die unausweichlichen
                                                                                                           vention im Justizdepartement Basel-
Kanton im Gundeli-Casino eine grosse Tagung         Veränderungen so weit wie möglich selbst zu
                                                                                                           Stadt. Als kantonaler Beauftragter
mit dem Titel «Drogen-Hilfe: wie viel, wovon,       gestalten. Dank der Umsichtigkeit der dama-
                                                                                                           für Drogenfragen war er damals zu-
für wen?» durchgeführt. Die in dieser Tagung        ligen Vorstände, dank der Umtriebigkeit und
                                                                                                           ständig für die drogenpolitische
düster gezeichneten Zukunftsszenarien machten       dem Überzeugungsvermögen einzelner ihrer
                                                                                                           Koordination sowie die Subventionie-
dann den meisten die Dringlichkeit der Situa-       Exponenten und nicht zuletzt mit der Unter-
                                                                                                           rung der Basler Suchthilfe.
tion und die Unabwendbarkeit von strukturellen      stützung des Kantons konnte 1998 die Sucht-
Veränderungen mehr als deutlich. Daher ist          hilfe Region Basel entstehen. Dabei mussten
für mich im Rückblick diese Tagung eines der        viele über ihren eigenen Schatten springen, und
Schlüsselereignisse, auf das zuerst vage Ab-        der ganze Prozess ging sicher alles andere
klärungen folgten, dann konkrete Verhand-           als schmerzlos und auch nicht ohne Opfer von-
lungen und schliesslich die Fusion der Vereine      statten. Die Geschichte zeigt jedoch – und
AAJ und VDH.                                        ganz im Speziellen das nun 20-jährige Bestehen
                                                    der Suchthilfe Region Basel, dass die Fusion
                                                    der beiden Trägerschaften und ihrer Institutionen
                                                    der damals wohl einzig richtige Schritt in die
                                                    richtige Richtung war. Ich bin heute stolz, dass
                                                    ich damals dabei war und einen bescheidenen
                                                    Beitrag zu dieser Erfolgsgeschichte leisten durfte.

        2008            2009           2010          2011            2012           2013            2014       2015           2016              2017
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 20

            Suchthilfe ist nicht sexy – Förder-
            verein Suchthilfe Region Basel
            Der neugegründete «Förderverein                     oder organisatorischen Weiterentwicklung           Stiftungsrat der Suchthilfe Region Basel),
            Suchthilfe Region Basel» als Ver-                   werden nicht abgegolten.                           Marc Flückiger (Vizepräsident, ehemaliger Ge-
            mittler zwischen Bedürftigen, Sucht-                                                                   schäftsführer der Suchthilfe Region Basel)
            arbeit und Fördernden.                              Solche Abhängigkeiten bergen grosse Risiken        sowie Andreas Waldmann (Kassier, Stiftungsrat
                                                                für die Stiftung Suchthilfe Region Basel und       der Suchthilfe Region Basel).
            Viele Menschen meinen: Stiftungen sind reich        ihre Finanzierung. Um die finanzielle Sicherheit
            und verfügen über grosse finanzielle Mittel.        im Dienst der Betroffenen, Angehörigen und
            Bei der Stiftung Suchthilfe Region Basel ist        Mitarbeitenden langfristig zu erhalten und
            das definitiv nicht der Fall; sie verfügt über      Raum für eine kraftvolle institutionelle             Des einen Freud,
            keine eigenen Finanzreserven, sondern ist eine
            rein «operative» Stiftung, die der Bevölke-
                                                                Entwicklung zu schaffen, müssen deshalb neue
                                                                Finanzierungsquellen erschlossen werden. In
                                                                                                                     des anderen Leid
            rung der Nordwestschweiz für die Hilfe bei          der Strategie der Stiftung Suchthilfe Region         Der neue, aber ebenfalls abgelegene Standort
                                                                                                                     der CIKADE erwies sich zunehmend als hinder-
            unterschiedlichen Suchtformen ein differenzier-     Basel für die Jahre 2016 bis 2020 vom November
                                                                                                                     lich für die Weiterführung eines zeitgemässen
            tes Angebot bedarfsgerecht und kostenbe-            2015 wurde deshalb die Prüfung und bei posi-         Entzugsangebotes. So war es ein Glücks-
            wusst zur Verfügung stellt. Dieses Angebot ist      tivem Ergebnis die Errichtung eines «Förder-         fall für die Suchthilfe Region Basel, dass die
                                                                                                                     Stiftung Smaragd ihre Tätigkeit einstellte.
            kontinuierlich kostendeckend zu erbringen.          vereins Suchthilfe Region Basel» vorgeschlagen.      Eine rasche und mutige Übernahme eröffnete
            Die Kostenträger der Nutzung der Angebote           Das ist nun zum Jahresbeginn 2018 erfolgt: Die       ungeahnte neue Möglichkeiten.
            gelten die erbrachten Leistungen auf der            Statuten wurden erarbeitet, die Gemeinnützig-
                                                                                                                     Die neuen Häuser und der attraktive Standort
            Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen          keit des Vereins von der Steuerverwaltung
                                                                                                                     haben uns zudem ermutigt ,wieder ein Therapie-
            ab. Diese Vereinbarungen zwingen zu höchster        bestätigt. Der Gründungsakt ist vollzogen, und       ­angebot zu installieren. Die CIKADE wurde
            wirtschaftlicher Effizienz und zu sehr enger        der Handelsregistereintrag ist erfolgt. Der           zur neuen Klinik ESTA, und dank der Über-
                                                                                                                     nahme zeigte nun auch die Bilanz erstmals
            Kalkulation der Budgets. Die Bildung von            dreiköpfige Gründungsvorstand besteht aus            schwarze Zahlen.
            Reserven und die Kosten einer konzeptionellen       Stefan Rommerskirchen (Präsident,

Wandel                      1998           1999          2000            2001          2002           2003          2004            2005            2006              2007 07
                                                                                                                                                                      2 0
Suchthilfe Region Basel
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 21

Seine Ziele verfolgt der Förderverein in Ab-      erfolgt telekommunikativ. Die allgemeine
stimmung mit der Geschäftsleitung der Stiftung    interne und öffentliche Information erfolgt über     Der Förderverein Suchthilfe Region
Suchthilfe Region Basel mit einer schlanken       eine vereinseigene (schlanke) Homepage.              Basel hat zum Ziel,
Organisation. Das bedeutet: Der Vorstand des
Fördervereins arbeitet ehrenamtlich. Der          Die Mitglieder des Vereins rekrutieren sich          • Aktivitäten und Einrichtungen,
Förderverein hat keine eigenen Infrastrukturen.   auf freiwilliger Basis aus dem aktuellen                welche auf eine gut funktionierende
Die mitgliederspezifische Kommunikation           Stiftungsrat und aus Mitarbeitenden der                 Suchthilfe in der Region Basel
                                                  Stiftung Suchthilfe Region Basel, aus Ehema-            ausgerichtet sind, zu fördern,
                                                  ligen sowie aus Persönlichkeiten, die sich
                                                                                                       • die Stiftung Suchthilfe Region Basel
                                                  für die Stiftung Suchthilfe Region Basel ideell
                                                                                                          finanziell zu unterstützen,
                                                  und finanziell engagieren wollen. Die Mit-
  Zehn Jahre                                      gliedschaft von Institutionen ist möglich und        • das Verständnis dafür zu fördern,
  Die ersten zehn Jahre sind um. Im Zentrum       erwünscht. Die Mitglieder des Fördervereins             dass eine gut funktionierende Sucht-
  der Feierlichkeiten stand eine Tagung mit       entrichten einen jährlichen Beitrag, gestaffelt         hilfe Region Basel für alle Bevölke-
  dem Titel «Fusionen von Non-Profit-Organisa-
  tionen: Erfolgsmodell oder Bedrohung».          nach Mitgliederkategorien. Die Details sind in          rungskreise der Region wertvoll ist.
                                                  den Statuten des Vereins geregelt.
  Der Jahresbericht erschien in Versform frei                                                          Bankverbindung:
  nach Wilhelm Busch, und Ende Dezember
  war sogar noch etwas Geld in der Kasse. Die     Dr. Stefan Rommerskirchen, Präsident                 Postfinance, Konto-Nr: 15-51929-8
  bereits laufende Zusammenarbeit von             Förderverein Suchthilfe Region Basel                 Förderverein Suchthilfe Region Basel,
  Drop In und Step Out wurde nochmals inten-                                                           IBAN: CH44 0900 0000 1505 1929 8
  siviert. Step Out zog um an die Mülhauser-
  strasse und der Bezug von gemeinsamen Büro-
  räumlichkeiten zusammen mit dem Drop In                                                              Website: www.foerderverein-srb.ch
  führte schliesslich zur Gründung des neuen
  Beratungszentrums.

        2008 08
        2 0            2009            2010        2011           2012           2013           2014       2015           2016           2017
Jahresmagazin 2018 | WANDEL | Seite 22

            Kein Grund zum Ausruhen
            Als vor nunmehr 20 Jahren in einem                      «heilsam», sondern oft auch aufreibend          «Die Zusammenfassung in einer ge-
            sehr sorgfältigen, nahezu zwei Jahre                    war. Und so wichtig solche Veränderungen        meinsamen Organisation ermöglicht
            dauernden Fusionsprozess aus den                        sind, so schmerzhaft können sie auch sein.      beziehungsweise erleichtert die
            seinerzeitigen Vereinen Arbeitsge-                      Erfolgreich, weil es gelungen ist, diese        Nutzung der bestehenden Potenziale
            meinschaft für aktuelle Jugendfragen                    Turbulenzen zu meistern und immer profes-       zur Entwicklung neuer Angebote.»
            und Verein Drogenhilfe die Suchthilfe                   sioneller zu werden, ohne die Klienten,
            Region Basel hervorging – zunächst                      aber auch ohne die Freude an der Arbeit         Erst die Nutzung der umfassenden Kenntnisse
            weiterhin als Verein konstituiert und                   aus den Augen zu verlieren.                     des ganzen Teams und die Vernetzung der
            ab dem Jahr 2008 nach Fusion mit der                                                                    verschiedenen Einrichtungen untereinander
            Stiftung Smaragd als Stiftung weiter-                   Wenn man sich an die im «Fusionsbericht»        in Verbindung mit einer professionellen,
            geführt –, waren die Erwartungen und                    vom Frühjahr 1997 festgehaltenen wesentlichen   flexiblen Führungsstruktur hat die permanente
            Hoffnungen gross.                                       Vorteile und Ziele der seinerzeitigen Fusion    «marktorientierte» Weiterentwicklung der
                                                                    und die damit verbundenen Erwartungen           Suchthilfe zu ihrem heutigen Angebot ermög-
            Dass aber aus der Suchthilfe Region Basel               zurückerinnert, dann kann man diese positive    licht. Ein erwünschter und sehr wichtiger
            eine Organisation heranwächst, die heute                Bilanz auch ganz konkret untermauern:           «Nebeneffekt» der Vernetzung der verschie-
            aus dem Vier-Säulen-Konzept der Suchthilfe                                                              denen Einrichtungen unter einem Dach be-
            in der Nordwestschweiz nicht mehr wegzu-                «Die in den neuen Verein überführten            steht darin, dass Mitarbeitende heute neue
            denken ist – «too big to fail», wie es ein Revisor      Einrichtungen ergänzen sich zu einem            interessante Aufgaben innerhalb der Stiftung
            einmal nüchtern feststellte –, stand seiner-            umfassenden Angebot der Prävention              finden können und daher für einen ange-
            zeit nicht auf der Liste der Erwartungen.               und Drogenhilfe.»                               strebten Stellenwechsel die Suchthilfe Region
                                                                                                                    Basel nicht mehr verlassen müssen.
            So blickt die Stiftung heute auf eine ebenso            Die Suchthilfe Region Basel deckt tatsächlich
            turbulente wie erfolgreiche Zeit zurück:                heute Prävention, Therapie und Schadens­        «Durch die Fusion wird die Grösse
            Turbulent, weil die erforderlichen permanenten          minderung so umfassend wie keine andere         erreicht, durch die eine professionelle
            Anpassungen an die ständigen Veränderungen              Institution in der Nordwestschweiz ab.          Gesamtleitung tragbar wird.»
            des «Sucht-Markts» stets dafür sorgten,
            dass Unruhe herrschte, die nicht immer nur

Wandel                       1998            1999            2000            2001          2002           2003       2004          2005          2006          2007
Suchthilfe Region Basel
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