WECHSEL - Lebenschancen auf dem Land - Das Magazin des Liechtensteinischen Entwicklungsdienstes LED - Liechtensteinischer Entwicklungsdienst
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WECHSEL Das Magazin des Das Magazin des Liechtensteinischen www.led.li 1–2018 Liechtensteinischen Entwicklungsdienstes LED Entwicklungsdienstes LED Lebenschancen auf dem Land 1
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser Ohne Migration wären noch heute alle Menschen in Ostafrika, wo unser aller Ursprung liegt. Migration ist also Teil unserer Natur, hat sich durch natürliche Auslese und über Generationen hinweg als (Über)Lebensstrategie unserer Spezi- es bestätigt. Schon früher war vielleicht ein Vertreter der Gattung Homo am Ziel angekommen, als andere, Neuankömm- linge, eintrafen. Migration erzeugt so auch Aufeinandertreffen – wenn’s gut läuft, profitieren beide. Peter Ritter und Tamara Büchel, 1998. Vom Land in die Stadt – von der Stadt dann weiter, auf zu neuen Ufern. Entge- Grosskonzernen und industrialisier- und sie als Teile eines verflochtenen glo- gen unserer Wahrnehmung überschrei- ter Nahrungsmittelproduktion sind es balen Ganzen zu erkennen. ten dabei die wenigsten Ländergrenzen. beispielweise 500 Millionen Kleinbau- Welche Gründe haben die Migrierenden ernbetriebe, die mehr als 2 Milliarden Das Bild in diesem Editorial teile ich sehr aus ihren angestammten Gebieten ver- Menschen im ländlichen Raum ernäh- gerne mit unserer langjährigen und ge- trieben? Welche Vorteile erwarten sie an ren. Die Steigerung der Wertschätzung schätzten Weggefährtin Tamara Büchel, ihrer Destination? Nur wer diese Fragen und Anerkennung dieser existenziellen die die liechtensteinische Solidarität mit beantwortet, kann Migration lenken. Dienstleistung sind ebenfalls Ziel unse- ihrer Energie über Jahrzehnte gestützt res Engagements. hat und die wir auch im verdienten Der LED unterstützt mehrheitlich Pro- Ruhestand nahe bei uns halten wollen. jekte in ländlichen Regionen, denn Dieser «Blickwechsel» nimmt Sie auf den die Nachteile dieses Lebensraums sind kommenden Seiten mit auf eine Rei- vielfältig und die Benachteiligungen se. Wir versuchen, uns der Bedeutung bei der Weiterentwicklung vergrössern ländlicher Regionen als Lebens-, Versor- Peter Ritter den Migrationsdruck zunehmend. Trotz gungs- und Erholungsraum zu nähern Geschäftsleiter 3 Was tun, wenn die Stadt ruft? 6 Lebenschancen verbessern 8 Kreative Lösung gegen Ärztemangel 10 Frauen tragen die alleinige Verantwortung 12 Neue Wege gehen 14 Bäume spenden Leben 16 Erzwungene und freiwillige Migration 17 At- traktive Optionen statt Konflikte 18 Regierungschef Adrian Hasler auf Projekt- reise 19 Koordinationsworkshop in der Republik Moldau 20 Ein grosses Danke- schön, liebe Tamara, Missis LED 22 Keinen einzigen Tag bereut / Dienstjubiläum 23 Hohes politisches Gewicht für SDGs Foto Titelseite: © Eddy Risch, Schaan/FL 2
Was tun, wenn die Stadt ruft? Von Rebecca Vermot, Editor, Helvetas M amadou Diawara stand einst schon vor der Piroge, dem Boot, das ihn nach Europa bringen sollte. Doch es kam anders. Die Geschichte des heute 24-Jährigen ist eine typische Migra- tionsgeschichte mit atypischem Aus- gang. Typisch, weil da, wo er aufwächst, sei- ne Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Ty- pisch, weil er sich nach einem geschei- terten Schulabschluss einem Freund Foto: Andi Urban anschliesst, «pour faire l’exode», um sein Glück woanders zu suchen. Zuerst in Bamako, der Hauptstadt seines Landes, dann in Mauretanien – und schliesslich in Europa. Doch sein Onkel spürt ihn an diesem Strand in Mauretanien auf und holt ihn zurück nach Mali. Und hier be- Rede, Gründen, weshalb das Land, das vernachlässigt. So fehlen auf dem Land ginnt eine Lebensgeschichte, die Hoff- Dorf verlassen wird. Und es wird von etwa grundlegende Wasserversorgungs- nung macht. Pull-Faktoren gesprochen, Faktoren, die systeme – mit der Folge, dass Frauen die Menschen in die Städte ziehen. Je und Mädchen kilometerweit laufen Urbanisierung weltweit nach Kontext sind diese Faktoren unter- müssen, um Wasser aus häufig bedenk- Seit 2008 übertrifft die Zahl der Men- schiedlich stark. Helvetas als Organisa- lichen Quellen zu holen. Wenn Strassen schen, die in einer Stadt wohnen, die tion der Entwicklungszusammenarbeit oder Brücken fehlen, Transportwege we- Zahl der Landbevölkerung. Gemäss der kennt die Schwierigkeiten der Land- gen Überschwemmungen unbegehbar UNO sollen es in zehn Jahren noch mal bevölkerung in Ländern des globalen sind, sind Kinder vom Schulunterricht 10 Prozent mehr sein und 2050 dürf- Südens. Die Schwierigkeit, eine Familie ausgesperrt, können Bäuerinnen ihre ten zwei Drittel der Weltbevölkerung in zu ernähren: etwa wegen schwinden- Produkte nicht verkaufen und Kran- Städten leben. Gründe dafür sind einer- der Bodenfruchtbarkeit und Bodenver- ke gelangen nicht rechtzeitig zum Arzt. seits das natürliche Bevölkerungswachs- knappung aufgrund von Erbtraditionen, Doch auch fehlende Ausbildungs- und tum und andererseits Wanderbewegun- wegen fehlender Landrechte oder dem Beschäftigungsmöglichkeiten, schwache gen. Menschen wie Mamadou Diawara Druck von industrieller Landwirtschaft. lokalpolitische Strukturen, Konflikte, versuchen, in der Stadt ihre Hoffnung Die bereits fragile Ernährungssicherheit frauenverachtende Traditionen oder Be- auf ein besseres Leben wahr zu machen. wird vom Klimawandel noch verschärft völkerungsdruck können Männer, Frau- Ein besseres Leben, von dem sie viel- und ist eine der stärksten Push-Fakto- en und Kinder in Richtung Stadt pushen, leicht gehört haben. Ein besseres Leben, ren: Dürren oder Überschwemmun- stossen. das sie bei einem Besuch erlebt haben – gen nach starken Regenfällen zerstören oder ein besseres Leben, wie es auf dem Felder und Ernten, Böden und Quellen Verheissungen und Realität Handydisplay aufleuchtet. versalzen. Das erhöht die Not – und den Von dort kommen Verheissungen, die Druck auf die Menschen, sich anderswo Pull-Faktoren: die Möglichkeit, viel- Druck zur Abwanderung ihr Überleben zu sichern. leicht eine Stelle zu finden, die Hoffnung Es gibt viele Gründe für die Abwande- auf eine bessere Gesundheitsversor- rung in die Städte, die Landflucht. In In den oft zentralistisch regierten Län- gung, gute Schulen für die Kinder, mehr Fachkreisen ist von Push-Faktoren die dern wird die Peripherie, das Umland, Sicherheit, gesellschaftliche Toleranz, 3
Was tun, wenn die Stadt ruft? staatliche Dienstleistungen, Stabilität dustrie konzentriert sich oft auf wenige retanien, jobbte dort zunächst als Klei- und Rechtssicherheit. Freunde oder Ver- Standorte. Zudem ist die Konkurrenz der-, dann als Autowäscher. Die beiden wandte beeinflussen den Entscheid, ab- gross und Arbeitgeber können aufgrund hatten inzwischen entschieden, Geld zu zuwandern – sei es in die nächste Sied- des grossen Angebots an Arbeitskräften verdienen, um nach Europa zu gelangen. lung, Stadt oder auch in ein anderes Land. die Löhne drücken. Die steigende Nach- Hinzu kommt – vor allem bei jungen frage nach Nahrungsmitteln oder Wohn- Verflechtung als Chance Menschen – das Prestige. Das Leben auf raum lässt die Preise steigen. Die Infra- Helvetas wird künftig vermehrt in klei- dem Land entspricht nicht den eigenen struktur ist überfordert, Verkehrswege nen und mittleren Städten arbeiten, denn Erwartungen oder den Bildern auf den sind überlastet, sanitäre Einrichtungen diese sind punkto Finanzen und staatli- Handydisplays. Wer in der Stadt lebt, gilt fehlen, auch die Wasserversorgung stösst cher Unterstützung marginalisiert; die als weltgewandt, «hat es geschafft». Die an ihre Grenzen. Es entstehen informelle Armut wächst, die wachstumsbedingten Anziehungskraft des vermeintlich mo- Siedlungen, die Zahl der Armen und die Umweltprobleme bedürfen konstruk- dernen Lebens ist weltweit riesig – auch Ungleichheit wachsen. Oftmals ist die tiver Lösungen. Die laufenden Dezen- wenn die Realität meist anders aussieht Landflucht in die nächste Stadt deshalb tralisierungsprozesse eröffnen Möglich- und junge Männer und Frauen sich mit ein Zwischenschritt zur Migration ins keiten etwa für den Aufbau öffentlicher Gelegenheitsjobs im informellen Sektor Ausland – wie bei Mamadou. Dienstleistungen wie die Wasserversor- über Wasser halten müssen. gung oder das Abfallmanagement. Hel- Zwei Monate lang schuftete Mamadou vetas will die Beziehungen zwischen Die Stadtentwicklung vermag meist Diawara als Handlanger auf dem Bau in Stadt und Land entwicklungsförderlich nicht mit dem Wachstum Schritt zu hal- Bamako. Doch die Ferne rief und er reis- gestalten, denn die zunehmende Ver- ten. Jobs fehlen weiterhin, denn die In- te mit seinem Freund weiter nach Mau- flechtung gibt auch wichtige Entwick- lungsimpulse: Das Geld, das ein Famili- Djénébou Traoré aus Bla, Mali, hat nach einer Schulung zur Herstellung von Sirup mit anderen enmitglied allenfalls nach Hause schickt, Frauen eine Kooperative aufgebaut und verkauft hier die Produkte an einen lokalen Händler. kann in Bildung und Kleinunternehmen investiert werden. Diese Rücküberwei- sungen fördern oft die Selbstständig- keit von Frauen in ländlichen Gebieten. Oder Bauernfamilien vom Land können ihre Produkte auf den neuen städtischen Märkten verkaufen. Landwirtschaftli- ches Know-how wiederum kann in der Stadt von Nutzen sein, wenn etwa die Möglichkeit eröffnet wird, einen kleinen Verarbeitungsbetrieb aufzubauen. Potenziale nutzen Foto: HELVETAS / Fatoumata Diabaté Hier setzt Helvetas mit seinen Landwirt- schafts- und Ausbildungsprogrammen an. Dabei geht es darum, den Menschen in ländlichen Gebieten Alternativen in ihrem eigenen Lebensraum aufzuzei- gen. Ein gutes Beispiel ist das mit dem LED in Mosambik umgesetzte Projekt (siehe Kasten). In vielen Ländern des globalen Südens wird beispielsweise nur ein Bruchteil des urbaren Landes 4
Was tun, wenn die Stadt ruft? Der LED finanziert neben dem Pro- jekt in Mali ein ähnliches Projekt in Burkina Faso sowie neu ein Land- wirtschaftsprojekt im Norden Mo- sambiks. 80 Prozent der Bevölkerung Mosam- biks betreiben Landwirtschaft, die meisten bauen für den Eigenbedarf an. Doch in Mosambik wird gerade mal 14 Prozent des urbaren Landes landwirtschaftlich genutzt. Mit Cash- ew-Bäumen und Erdnüssen sollen Foto: HELVETAS / Franca Palmy 5’000 Kleinbauernfamilien mehr Ein- kommen erwirtschaften, das ist das Ziel des Projektes. Die Erdnüsse sind für den Fruchtwechsel wichtig, denn sie liefern dem Boden Nährstoffe. Erd- nüsse sind aber lokal und national auch ein wichtiges Nahrungsmittel; ein Markt dafür ist vorhanden. Cas- Mamadou kann sich als «emboucheur» eine Zukunft im ländlichen Mali aufbauen. hew-Bäume sind dürreresistent und halten Wasser im Boden zurück. So landwirtschaftlich genutzt. Doch damit tiger Faktor hierbei ist die Ausbildung schaffen sie ein feuchteres Mikrokli- die Menschen davon profitieren kön- junger Menschen im landwirtschaftli- ma und reduzieren die Bodenerosion. nen, brauchen sie mehr landwirtschaft- chen Sektor – sei es im Gartenbau, der Zudem ist die internationale Nachfra- liches Know-how. Helvetas unterstützt Hühner- oder Rinderzucht und der Un- ge nach Cashew-Nüssen immens. Mit sie, die Bodenfruchtbarkeit zu verbes- ternehmensgründung und -führung. einer verbesserten Produktivität und sern, den Anbau zu diversifizieren, die Qualität soll der Absatz von Erdnüssen Ernte sicher zu lagern, ihre Produkte zu Wie sein Onkel ihn an diesem Strand in und Cashews angekurbelt werden. verarbeiten und diese auch auf lokalen, Mauretanien gefunden hat, ist Mamadou regionalen, nationalen oder gar interna- Diawara noch heute ein Rätsel. Aber der Indem die Menschen in diesem Teil tionalen Märkten zu verkaufen. Dafür Zufall wollte es, dass Mamadou nach Mosambiks ihre Perspektiven ver- müssen auch immer die lokalen Behör- seiner Rückkehr vom Helvetas-Ausbil- bessern, ihre Widerstandsfähigkeit den miteinbezogen werden, denn sie dungsprogramm in Bla, im südlichen gegen den Klimawandel stärken und müssen für die Infrastrukturentscheide Mali, erfuhr. Er absolvierte eine Kurz- Einkommen generieren, wachsen die und die Bauvorhaben die Verantwor- ausbildung zum «emboucheur», zum Chancen, dass sie nicht in die nächste tung übernehmen oder auch das Grund- «Viehmäster». Nach 45 Tagen praktischer Stadt abwandern. buch transparent verwalten, um die Schulung, einem Praktikum und mit der Landrechte zu garantieren. Unterstützung eines engagierten Ausbil- ders wurde Mamadou Diawara zum Rin- Diese Massnahmen verbessern die Er- derzüchter. Heute verkauft er seine Rin- nährungssicherheit, die Gesundheit und der im Nachbarland Senegal oder in der Der LED unterstützt das Projekt in das Einkommen der ländlichen Bevöl- Elfenbeinküste und verdient genug, um Mosambik mit einem Beitrag von kerung. Sie schaffen Perspektiven und bald eine Familie zu gründen. Gedanken CHF 339’000 (2018). mindern die Push-Faktoren. Ein wich- an Europa verschwendet er keine mehr. 5
Lebenschancen verbessern Von Jasmin Thomas, Programmkoordinatorin Senegal, Horizont3000 Der Senegal steht landwirtschaftlich und sozioökonomisch vor grossen He- rausforderungen. Von den knapp 14 Millionen Einwohnern und Einwoh- nerinnen lebt nur noch rund die Hälfte Foto: Horizont3000 / Jasmin Thomas in ländlichen Regionen. Das bedeutet, dass in den letzten fünfzig Jahren fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung vom Land in die Städte gezogen ist. Die Landflucht hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist wahrscheinlich, dass das Ackerland nicht mehr genügend abwirft, um davon leben zu können. Im soge- nannten Erdnussbecken wachsen auf etwa der Hälfte der landwirtschaftlich Durch gemeinsame Produktion und Vermarktung von Bananen werden Einkommens- und bewirtschafteten Flächen nur Erdnüsse. Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Über ein Jahrhundert Monokultur hat verheerende Schäden an den Böden an- zum Beispiel konkrete Erfahrungen zu zigen Produzenten und Produzentinnen gerichtet: Grosse Teile der Flächen sind klimaresilientem Saatgut oder nachhal- im Senegal, die ihre Bananen in Kartons inzwischen unfruchtbar. Hinzu kommt, tigen Düngemethoden ausgetauscht. Zu- verkaufen. Dadurch haben sie das Poten- dass die Auswirkungen des Klimawan- dem haben Landwirte dadurch Zugang zial, ihr Produkt professioneller auf dem dels immer stärker werden. Einerseits zu Wetter- und Klimainformationen und nationalen Markt anzubieten. regnet es so stark, dass die Böden wei- werden zu angepassten Landbaumetho- ter ausgeschwemmt werden. Anderseits den beraten. Eine vereinte Stimme gibt es zu wenig Niederschlag und dem- Ismael Ndao, Leiter des Horizont3000- zufolge Dürreperioden. Der Anbau von Unternehmertum fördern Büros in Dakar, erzählt von weiteren Hirse, Mais und Reis ist deshalb beson- Das Senegal-Programm von Hori- Organisationen und zivilgesellschaft- ders schwierig, da er in den meisten Fäl- zont3000 stärkt zudem das Unterneh- lichen Vereinen, die zur Stärkung des len vom Niederschlag abhängig ist. mertum der Bauern und Bäuerinnen, ländlichen Raums beitragen: «Die meis- damit sie ihre Waren zu besseren Kondi- ten Menschen in den Gemeinden sind Anpassung an Klimawandel tionen verkaufen können. Ein spannen- in verschiedensten Dorfgruppen orga- Um die Menschen bei der Anpassung an des Beispiel dazu ist die Zusammenarbeit nisiert, aber viele Gruppen funktionie- diese immer extremeren Wetterereig- mit der Partnerorganisation APROVAG. ren nicht gut oder sind untereinander nisse zu unterstützen, hat Horizont3000 Sie ist ein Zusammenschluss von über schlecht vernetzt.» Dieser Umstand hat gemeinsam mit den Partnerorganisatio- 700 Bauern und Bäuerinnen, die letztes Horizont3000 gemeinsam mit der Part- nen vor Ort die Einrichtung einer Com- Jahr gemeinsam über 2‘600 Tonnen Ba- nerorganisation SYMBIOSE dazu ver- munity of Practice zum Klimawandel nanen produziert haben. Neben zahlrei- anlasst, die Basisorganisationen besser initiiert. Diese Plattform ist ein wichtiges chen Schulungen zu biologischem An- zu begleiten. SYMBIOSE fördert die Er- Instrument zur demokratischen Verbrei- bau und Best Practice wurden auch drei richtung von sogenannten «keppar» und tung des gewonnenen Wissens. In Aus- Verpackungsstationen aufgebaut, in de- «penc». Diese zwei Begriffe bezeichnen tauschtreffen zwischen Produzierenden nen Bananen in Kartons verpackt und in in der lokalen Sprache Wolof die Orte sowie Vertretern und Vertreterinnen aus verschiedenen Städten des Landes ver- der Zusammenkunft unter einem Pala- Wissenschaft und Politik wird der Know- kauft werden konnten. Die Bauern und ver-Baum. Sie wurden ausgewählt, um how-Transfer ermöglicht. Dabei werden Bäuerinnen von APROVAG sind die ein- Organisationen für Koordination und 6
Lebenschancen verbessern Austausch auf Dorf- und Gemeindeebe- ne zu benennen. Die «keppar» vernetzen Vertreter und Vertreterinnen von Dorf- gruppen, die es schon gibt – wie Jugend- vereine, religiöse Gemeinschaften oder Frauenorganisationen – und ermutigen Foto: Horizont3000 / Jasmin Thomas sie zum Austausch, um gemeinsam Ent- scheidungen zur sozioökonomischen Entwicklung der Dörfer zu treffen. Die «penc» stehen in der Hierarchie höher und organisieren die «keppar» zu einem ländlichen Gremium. Das erzeugt eine vereinte Stimme der Landbevölkerung, wenn es zum Beispiel um sensible The- men wie Landrechte geht, bei denen es sich allenfalls gegen die Willkür der Be- hörden oder gegen Privatinteressen zu Bewässerter Gemüseanbau ermöglicht vielen Frauen und ihren Familien eine gesunde Ernäh- wehren gilt. rung und zusätzliches Einkommen durch den Verkauf der Produkte. «Kissi» war einmal 2016, seit die Partnerorganisation CARI- warum sie Aida lange nicht gesehen ha- All diese Bemühungen gründen auf TAS Kaolack einen Gemüsegarten initi- ben. Aufgrund des Projektes hat sie nun dem Wissen, dass viele Menschen den iert hat, ist Aida Teil der Frauengruppe, ihr eigenes Einkommen. ländlichen Lebensraum nicht verlassen die ihn bewirtschaftet. Die Frauen wur- wollen, wenn sie ihren Lebensunterhalt den im Gemüseanbau und im gemeinsa- dort gut bestreiten können. Ein schönes men Organisieren der Arbeiten und des Beispiel zeigt die Geschichte von Aida Verkaufs geschult. So konnte Aida mit Touré, die im Dorf Keur Moudou Sala in dem «kissi» aufhören und muss auch der Region Fatick lebt: nicht mehr regelmässig ihre Eltern um Aida ist verheiratet und hat vier Kinder. Unterstützung bitten. Heute konsumiert Foto: Caritas Kaolack Oft reichten die Einkünfte ihres Mannes ihre Familie frisches, biologisches Ge- nicht aus, um Lebensmittel für die Fami- müse. Ausserdem verdient sie durch den lie zu kaufen, noch weniger, um zusätzli- Gemüseverkauf zusätzlich etwa 125.000 che Kosten für Kleidung, Schulgeld und Franc CFA (etwa 230 CHF) in den Mo- Zeremonien zu decken. Sie musste daher naten der Trockenzeit und nicht nur Alternativen finden, um die Familie zu 10.000. Sie ist stolz auf das, was sie nun unterstützen – etwa durch «kissi», dem zum Lebensbedarf der Familie beitragen Aida Touré muss keine Erntereste mehr Sammeln von Erdnussresten auf dem kann. Ihre Eltern wundern sich schon, aufsammeln. abgeernteten Feld. Unter der sengenden Sonne suchte sie in mühsamer Kleinar- beit die Felder der Umgebung ab. Der Projektname Ländliche Entwicklung zur Verbesserung der Ernährungs- Ertrag war jedoch gering. Oft verdiente sicherung und des Einkommens der Landbevölkerung in sie in diesen 3 bis 4 Monaten nur 10.000 Senegal Francs CFA (etwa 18 CHF). In sehr har- Organisation Horizont3000, Österreichische Organisation für Entwicklungs- ten Zeiten sah sie sich gezwungen, zu zusammenarbeit ihren Eltern nach Gambia zu fahren, um LED-Beitrag CHF 569‘390 (2018) Geld von ihnen zu bekommen. Aber seit Zusammenarbeit mit dem LED in Senegal seit 1999 7
Kreative Lösung gegen Ärztemangel Von Benjamin Gross, Kommunikationsbeauftragter, Solidarmed L iechtenstein engagiert sich für die Ausbildung von Hilfsärzten in Sambia. Gemeinsam mit Solidarmed und den sambischen Gesundheitsbehörden ge- lang es so, den akuten Ärztemangel in ländlichen Regionen Sambias in weni- gen Jahren zu dämpfen. Vor dem Gebäude mit dem Klassen- zimmer stehen rund zwanzig junge Er- wachsene. Sie lüften ihre Köpfe, plau- dern angeregt, einige lachen. Es ist Pause am Chainama College in Lusaka, der Foto: Andi Urban Hauptstadt Sambias. Die Studierenden haben gerade zwei Theorielektionen über Geburtskomplikationen hinter sich: Steisslagen, Blutungen, Dammris- se. Die Demonstrationen an einer Puppe im Klassenzimmer werden im nächsten Die ländliche Bevölkerung leidet unter dem akuten Mangel an medizinischer Versorgung am Monat in einem Praktikum am Spital stärksten. vertieft. Schon in vier Monaten werden sie das Neugelernte als frisch diplomier- Patientinnen nun sehr viel umfassender te Medical Licentiates (ML) anwenden betreuen», sagt Moira. können. Denn sie sind gesucht: Dort, wo in Sambia Ärzte fehlen, übernehmen Die COGs sind das Rückgrat des sambi- MLs ihre Rolle als medizinische Erstver- schen Gesundheitssystems. Sie betreuen sorger. die 953 Gesundheitsposten, 1‘839 Ge- sundheitszentren und 99 Distriktspitäler Klinisch auf sich selbst gestellt des Landes. Gerade in kleineren Einrich- Die 30-jährige Moira Nsefu freut sich tungen sind sie oft auf sich allein gestellt. auf diese Aufgabe. Ihre Familie lebt in Ein COG kann die meisten Erkrankun- Luampa, zehn Fahrstunden von Lusaka gen diagnostizieren, verfügt aber nur entfernt. Vor der Weiterbildung zur ML über begrenzte medizinische Fertigkei- arbeitete sie bereits sechs Jahre lang im ten. Ihr Ausbildungsstand reicht nicht, örtlichen Gesundheitszentrum als Cli- um die medizinischen Herausforderun- Foto: Solidarmed nical Officer General (COG), vergleich- gen im ländlichen Afrika zu bewältigen. bar mit einer medizinischen Assistentin Die Medical Licentiates schliessen diese bei uns. Nach vier Jahren Studium in Lücke. der Hauptstadt wird sie nach Luampa zurückkehren können und damit auch Kreative Lösung für Afrika wieder näher bei ihrer Familie arbei- MLs sind dafür qualifiziert, einfache Im Luampa-Missionsspital gibt es weder Ärzte ten. Künftig kann sie zum Beispiel ei- Operationen und Eingriffe selbststän- noch MLs. Auch darum will Moira Nsefu nach nen dringend benötigten Notfallkaiser- dig durchzuführen. Der Kaiserschnitt ihrem Studium wieder dorthin zurück, um schnitt selbst durchführen. «Mit meiner ist eine von dreissig lebensrettenden die medizinische Situation insbesondere für ML-Ausbildung kann ich Patienten und Operationen, die ein ML in Geburtshil- Mütter und ihre Babys zu verbessern. 8
Kreative Lösung gegen Ärztemangel fe, Gynäkologie, Bauchchirurgie und Die Ausbildung der Medical Licen- Traumatologie in einem Distriktspital tiates durchführen kann. Zudem behandeln MLs Patienten und Patientinnen gegen Medical Licentiates (ML) arbeiten und Krankheiten wie Tuberkulose, HIV, Ma- wirken in abgelegenen und unter- laria, Bluthochdruck oder Diabetes. versorgten Gesundheitszentren und Distriktspitälern. Viele der ehemali- Die Ausbildung von Medical Licentiates gen medizinischen Assistenten und ist eine kreative Reaktion der sambischen Assistentinnen kehren nach der Aus- Regierung – sowie anderer afrikanischer bildung in ihre Heimatregion zurück Foto: Solidarmed Staaten – auf den enormen Ärztemangel und arbeiten je zur Hälfte in einem im Land. Solidarmed hat in den letzten Gesundheitszentrum oder einem Dis- fünf Jahren diese Bemühungen in enger triktspital, wo auch chirurgische Ein- Zusammenarbeit mit den Gesundheits- griffe gemacht werden können. behörden unterstützt und umgesetzt. Momentan sind von den 277 ausgebil- Die ML-Ausbildung legt den Schwer- Medical Licentiates (hier bei der praktischen deten MLs rund 130 an einer ländlichen punkt auf praktische Aspekte und re- Ausbildung) arbeiten nach ihrem Abschluss Klinik tätig. Mindestens 50 Kaiserschnit- duziert das theoretische Wissen – im dort, wo Ärzte fehlen. te führt ein ML in einem solchen Spital Vergleich zu einem universitär ausge- pro Jahr durch nebst anderen kleineren bildeten Arzt – auf das Nötigste. Eingriffen. Weitere 114 MLs arbeiten in ländlichen Gesundheitszentren, wo eine Die MLs erfüllen als mittleres, medizi- sorgfältige Diagnose und eine rechtzeiti- nisches Kader eine essenzielle Funk- ge Verlegung Leben retten kann. Hoch- tion im Gesundheitssystem Sambias. gerechnet für ganz Sambia stehen die MLs jährlich 6‘500 Frauen und ihren Ba- den Grossstädte wie Lusaka abwandern, bys bei ernsten Geburtskomplikationen fehlt es an Gesundheitspersonal auf dem bei. Viele von ihnen würden ohne diese Land. Die MLs schliessen die so entstan- medizinische Unterstützung sterben. denen Lücken und garantieren auch in Foto: Solidarmed abgelegenen Gebieten eine medizini- Liechtenstein ist ein Partner in der sche Grundversorgung. Ausbildung Wie Moira sind es meist erfahrene COGs, Der Liechtensteinische Entwicklungs- die sich zu einem ML weiterbilden. Im dienst LED unterstützt die Ausbildung in ländlichen Gesundheitszentrum sind sie Partnerschaft mit Solidarmed seit 2008. oft die medizinisch am besten ausgebil- Dadurch konnte die Zahl der Ausbil- John Kasonde arbeitete während zwei Jahren deten Fachleute. Weil viele der universi- dungsplätze verdoppelt und die Qualität in Senaga in einem Gesundheitszentrum, in tär ausgebildeten Ärzte in die wachsen- der Ausbildung stark verbessert werden. dem qualifiziertes Personal für komplexe Geburtshilfe fehlt. John kehrt nach seinem Studium in Lusaka wieder nach Senaga zu- Projektname Unterstützung der Medical-Licentiate-Ausbildung des rück. Momentan wohnt er im Studentenwohn- Chainama College in Sambia heim, das der LED zusammen mit Solidarmed Organisation Solidarmed, Schweizerische Organisation für Gesundheit in Afrika baute. Besonders gefällt ihm das Studium mit LED-Beitrag CHF 900‘000 (2018) dem Tablet. Es unterstützt ihn beim Lernen Zusammenarbeit mit dem LED in Sambia seit 2008 und bietet jederzeit Zugriff auf medizinisches Wissen. 9
Frauen tragen die alleinige Verantwortung Von Miguel Dávalos, Mitarbeiter Projektplanung, IPTK Die Zusammenarbeit zwischen dem LED und dem IPTK (Technische Be- rufsschule Instituto Politécnico Tomás Katari) geht bereits auf die 1990er-Jah- re zurück. Beim ersten gemeinsamen Projekt handelte es sich um ein Alpha- betisierungsprogramm, das mittels Bildung die gesellschaftliche Integrati- on und die Berufschancen von Frauen in der historischen Hauptstadt Sucre verbesserte. Ab 2009 finanzierte der LED ein Aus- Foto: IPTK bildungsprojekt für Migrantinnen. Die externen Evaluationsergebnisse bestä- tigten den Erfolg des Projektes. Frauen wurden zu Kleinunternehmerinnen Das Leben der Menschen in Colquechaca, Bolivien, ist von Armut geprägt. ausgebildet, betreiben nachhaltige Ge- schäftsideen und erhöhen ihr Einkom- Mangelnde Ausbildung Migration belastet vor allem Frauen men. Viele junge Erwachsene konnten aus Viele Männer ziehen saisonal aus den finanziellen Gründen keinen Schulab- Dörfern in die Stadt. Dort bleibt ihnen Seit mehreren Jahren fokussiert sich das schluss machen. Dadurch sind sie ge- wegen ihres tiefen Bildungsniveaus nur LED-Programm auf rurale Gebiete. Auch zwungen, in ihren Dorfgemeinschaften die schlecht bezahlte, ausbeuterische Ar- aus diesem Grund interveniert das IPTK zu bleiben und sich mit den schweren beit auf dem Bau. Das Einkommen die- ab 2018 in der Provinz Chayanta im Nor- Lebensbedingungen zu arrangieren. Ein ser Männer ist für die Familie die einzige den des Departements Potosí, eine der junger Mann berichtet: «Meine Frau und monetäre Einnahmequelle. Die Migrati- ärmsten ländlichen Regionen Boliviens. ich konnten die Schule nicht fertig ma- on der Männer hat direkte Konsequen- chen. Deshalb sind wir hier im Dorf ge- zen für die Frauen. Auf ihnen lastet die Das Leben der Menschen im Bezirk Col- blieben, aber der Boden gibt nur wenig gesamte Arbeit und sie tragen die alleini- quechaca ist von Armut geprägt. Die In- her.» ge Verantwortung für Familie, Tiere und dikatoren sprechen eine deutliche Spra- Äcker. che: Laut nationaler Statistik leben 97 Die schlechte Schulbildung der Men- Prozent der Menschen in extremer Ar- schen hat ebenfalls zur Folge, dass sie Diese Lebensumstände betreffen Tau- mut; 27 Prozent sind Analphabeten und ihr Einkommen kaum diversifizieren sende von Campesino-Familien im 44 Prozent chronisch unterernährt. können. Ein gutes Beispiel ist Don René: Land. Vor allem für die Frauen führt die «Wir sind Kleinbauern, und unser Ein- Migration zu einer Verschlechterung Von Geschlechtergleichheit kann in Col- kommen ist sehr unregelmässig. Die der Lebensbedingungen: «Hier im Dorf quechaca keine Rede sein. Die Rollen Ernte ist heute nicht mehr garantiert, gibt es viel Migration, fast die Hälfte der sind klar definiert: «Ich als Ehefrau bin das kommt vom Klimawandel. Oft gibt Männer ist in Argentinien. Sie arbeiten Hausfrau, kümmere mich um die Fami- es Hagelschlag, Überschwemmungen als Erntearbeiter auf Plantagen oder auf lie, die Tiere, die Felder und meine Kin- oder Dürren, sodass wir unsere Ernte Baustellen.» der», sagt eine Bewohnerin der Dorfge- verlieren. Unsere Produktion reicht ge- meinschaft Queojo. rade mal für den Eigenverbrauch, zum Bessere Lebensbedingungen Verkauf bleibt nichts übrig. Das macht Das soll sich nun ändern. Mit entspre- uns grosse Sorgen.» chender staatlicher Politik und interna- 10
Frauen tragen die alleinige Verantwortung tionaler Hilfe soll nun der Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Bildung gefördert werden. Erste Resultate sind sichtbar, die Schulklassen sind grösser als noch vor wenigen Jahren. Viele Kin- der nehmen dafür tägliche Fussmärsche von bis zu vier Stunden in Kauf. Die Dorfgemeinschaften engagieren sich und setzen sich aktiv für bessere Lebens- bedingungen für ihre Kinder ein. Angesichts dieser Realität unterstützt der LED das Projekt «Seguridad Alimentaria en Comunidades Rurales del Municipio Foto: LED de Colquechaca» (Ernährungssicherheit in ländlichen Gemeinden des Bezirks Colquechaca). Ziel ist es, die Armut zu lindern, die Marginalisierung der Land- Frauen tragen oft die alleinige Verantwortung für Familie, Tiere und Äcker. bevölkerung zu reduzieren und so auch die Ernährungssicherheit zu erhöhen – von Wasserspeichern, den Einbau von · Stärkung von Leadership und produk- dies alles unter einer Genderperspektive Trinkwasserfiltern, den Bau von um- tiven Kapazitäten durch technische und mit dem Anspruch der ökologischen weltfreundlicheren Kochherden sowie und rechtliche Unterstützung sowie Nachhaltigkeit. Erreicht werden sollen Informationsmessen. Beratung der Produzenten- und Frau- diese Ziele mit folgenden Strategien: enorganisationen: Im produktiven Be- · Aufbau von Wissen über Ernährung: reich geht es dabei vor allem um Textil- · Nachhaltige und diversifizierte Steige- Ausgangspunkt ist eine Diagnose über produktion, traditionelle Webarbeiten, rung der land- und viehwirtschaftli- die wirtschaftliche Situation der Fami- Stickereien etc. chen Produktion durch entsprechende lien. Danach sollen Frauen und Män- Schulungen und Weiterbildungen in ner lernen, wie man sich gesund und Mindestens 350 Familien wird das Pro- Themenbereichen wie Agroökologie, vielfältig ernährt (Workshops, Ausstel- jekt direkt erreichen und weitere 2‘400 traditionelle und alternative Anbau- lungen etc). und erkennen, wie wich- Personen werden indirekt von den ver- methoden und Produkte, Anbaurota- tig dafür eine diversifizierte landwirt- schiedenen Aktivitäten profitieren. tion, Viehzucht, Herdenmanagement schaftliche Produktion ist. etc. Auch gemeinsame Aktivitäten und Erfahrungsaustausch verschiedener land- und viehwirtschaftlicher Initiati- Projektname: Ernährungssicherheit in ländlichen Gemeinden des Bezirks ven sind vorgesehen. Colquechaca, Bolivien Organisation: Das IPTK engagiert sich seit Beginn vor allem im Kampf gegen die · Implementierung von ressourcener- Armut, gegen die Kinder- und Müttersterblichkeit, die Ausbeutung haltenden Technologien und verbes- der Minenarbeiter und die Korruption bei den lokalen Behörden sertes Ressourcenmanagement: Das und Autoritäten. Neben der Arbeit in ruralen Gebieten richtet sich impliziert die Wiederbelebung ausge- die Unterstützung des Instituts ebenfalls an die migrierte Bevölke- zehrter Böden und ein angemessenes rung in Sucre. Sie erhalten berufliche Aus- und Weiterbildung und Bodenmanagement, technische Un- können so ihr Einkommen aufbessern. terstützung, ein gutes Management LED-Beitrag CHF 293‘021 (2018) der Pflanzendecke, die Einrichtung Zusammenarbeit mit dem LED seit 1993 11
Neue Wege gehen Interview mit Annette Gappisch Hitz und Thomas Hitz, Ecuador. Von Ute Mayer, LED auch von einer «nicht nur heilen Welt». Land brauchen mehr Geld. Mit ihrer ei- A nnette Gappisch arbeitete für den Ich fragte mich: Kann ein persönlicher genen Produktion (praktisch als Selbst- LED Anfang der 90er-Jahre im Kinder- Einsatz mit Benachteiligten etwas ver- versorger) hat sich ihr Einkommen nicht heim «Hogar Suizo» in Quito. Ihr Ehe- ändern? In Ecuador begannen wir mit wesentlich verbessert. Um diesen «ver- mann Thomas Hitz ist Spezialist für enormer Motivation, Quellen zu fassen besserten Lebensstandard» bestreiten Trinkwasser- und Bewässerungssys- und Wasserleitungen zu verlegen, um zu können, migrieren die Leute (vor al- teme im Andenhochland. Zusammen sauberes Trinkwasser in die Nähe der lem Männer) in die Städte als Taglöhner. haben sie einen Biobetrieb in Ecuador Häuser zu bringen: Der Wille wird dabei Vielfach zieht nach einigen Jahren die aufgebaut, den sie bis heute betreiben. zum positiven Erlebnis, der Erfolg sicht- ganze Familie nach. bar, die Veränderung spürbar. Mit Kopf, Annette und Thomas, ihr seid vor rund Hand und Herz ist jeder beteiligt und Die meisten Fachleute der Entwick- dreissig Jahren nach Ecuador ausge- trägt zum erfolgreichen Gelingen des ge- lungszusammenarbeit kommen nach reist, um in der Entwicklungszusam- meinsamen Werkes bei. ihren Arbeitseinsätzen wieder zurück. menarbeit tätig zu sein. Was waren Warum habt ihr euch entschieden, in eure Beweggründe und Vorstellungen Wie hat sich der Entwicklungskon- Ecuador zu bleiben und dort euer Le- damals? text seit damals in Ecuador verändert? ben aufzubauen? Sind die Probleme der Menschen noch Annette: Es waren wohl mehrere Be- dieselben wie vor dreissig Jahren? Annette und Thomas: Um in einer weggründe: ein wenig Abenteuerlust, fremden Kultur erfolgreich und berei- fremde Kulturen kennenlernen, noch- Thomas und Annette: Das Leben auf chernd arbeiten zu können, muss man mals im Ausland arbeiten, bevor ich «im dem Land hat sich verändert. Es gibt sie verstehen – und das ist mit einem Ländle ganz sesshaft werde …». Ich hatte heute bessere Infrastrukturen (Strassen, 3-Jahres-Vertrag nicht möglich. Unse- damals meine Ausbildung zur Heilpä- Strom, Gesundheitswesen, Telefon, Was- re Entwicklungsarbeit verstehen wir als dagogin abgeschlossen, die Stelle in Zü- ser, Schulen) und damit verbunden bes- gegenseitigen Prozess, der auf grossem rich beendet und war interessiert, einen sere Lebensbedingungen! Das hat aber Vertrauen beruht. Das sprengt Grenzen weiteren Auslandsaufenthalt einzule- auch seinen Preis – die Leute auf dem und bringt immer neue Ideen und Mög- gen. Vor meiner Ausbildung in Zürich hatte ich in Israel in einem Kinderheim Planung der Wasserprojekte in der Provinz Chimborazo, Ecuador. gearbeitet, jedoch ohne geregelte Anstel- lungsverhältnisse und ohne ausreichen- des Visum. Die Stelle im Kinderheim in Ecuador war vom LED ausgeschrieben. Ein wenig kannte ich die Situation, Ma- rina Kieber hatte einige Jahre zuvor dort gearbeitet. So bewarb ich mich und wurde angenommen. Die Arbeit mit den Kindern aus äusserst schwierigen Ver- hältnissen packte mich sofort und prägte mich nachhaltig! Thomas: Nach einer schönen Kindheit in einer Grossfamilie auf dem Land, nach engagierter Jugendarbeit im Dorf und mit Erfolg abgeschlossener Berufs- Foto: ZVG lehre wurde bei mir der Drang stark, etwas mehr von der Welt zu erleben, 12
Neue Wege gehen lichkeiten. Projektarbeit und Privatleben fliessen ineinander über, denn auch da versuchen wir, neue Wege zu gehen und Alternatives auszuprobieren: Lehmhaus, Selbstversorgung, Sonnenenergie, Spiel- und Lernraum für unsere Kinder usw. Kürzlich hat der LED euren Projekt- antrag zur Verbesserung der Wasser- situation in mehreren Andendörfern genehmigt. Was sind die grössten He- rausforderungen für die Bevölkerung? Foto: ZVG Welche Lösungsansätze sind die geeig- netsten? Thomas: Bei den meisten Projektvor- Annette Gappisch und Thomas Hitz mit ihren Söhnen auf dem Familienbetrieb. schlägen im LED-Antrag handelt es sich um Bewässerungsprojekte, denn ein es uns wichtig, gesunde und natürliche Annette und Thomas: Ohne gerechtere Überleben in den hoch gelegenen An- Produkte zu konsumieren. Wasser hat- Preispolitik wird es sehr schwierig sein, dendörfern ist ohne ganzjährige Pro- ten wir anfangs gar keines auf unserer dass die indigene Bevölkerung in den duktion fast nicht mehr möglich (Kli- Finca, wir mussten einen Brunnen gra- Anden Ecuadors überleben kann. So maveränderungen). Zudem kann durch ben. Die eigenen Erfahrungen haben wird zum Beispiel ein 25-kg-Sack Rüeb- Kalender über denBewässerung die ganzjährige Kartoffelanbau der Tier- uns überzeugt, dass eine schonendere li (Karotten) auf dem wöchentlichen (in Spanisch bestand (Kühe,und Quechua) Schafe, Lamas) aufrecht Anbauweise in Ecuador möglich ist und Markt für um die 3 USD gehandelt. Da- gehalten und vergrössert werden (Fut- gutes Biogemüse produziert werden für bekommen sie genau 1 kg Waschmit- teranbau). Die grösste Herausforderung kann. Mittlerweile profitiert eine grosse tel oder können 15 Minuten auf ihrem bei allen Projekten ist immer, dass die Kundschaft jede Woche davon. Mobiltelefon telefonieren. Ein Umden- Bevölkerung voll in diese Arbeit einge- ken kann erst stattfinden, wenn sich die bunden ist. Denn erst so können sie sich Das Thema dieser «Blickwechsel»-Aus- kommende Generation bewusst wird, damit identifizieren, stehen hinter den gabe heisst «Lebenschancen auf dem welche Einschränkungen das Stadtleben Projekten und sind auch bereit, gewal- Land». Wie ist eure Einschätzung dazu: wirklich mit sich bringt (hohe Krimina- tige Arbeitsleistung dafür zu überneh- Ist es möglich, ländliche Lebensräume lität, beschränkte Lebensräume, schlech- men. in den Anden so zu «entwickeln», dass te Luft, unterdrückende Arbeitsbedin- die Landbevölkerung ein gutes Aus- gungen usw.). Wenn es möglich ist, diese Für euren Lebensunterhalt leitet ihr kommen und die kommende Genera- Wertvorstellungen umzupolen, kann auch einen Biobauernhof in Ecuador. tion nachhaltige Zukunftsperspekti- ein Leben auf dem Land für sie attraktiv Warum habt ihr euch für die biologi- ven erhält? werden. sche Anbauweise entschieden? War Wasser ein mitentscheidender Faktor Herzlichen Dank für eure Antworten! dafür? Annette und Thomas: Mit biologischer Projektname Trinkwasser und Bewässerung in den Gemeinden der Provinz Anbauweise haben wir für unseren ei- Chimborazo, Ecuador genen Hausgebrauch begonnen. Da Ge- Organisation Fünf Direktiven des Wasser-Fonds Chimborazo, technische müse und Früchte in Ecuador sehr will- Begleitung: Thomas Hitz kürlich und stark gespritzt werden, war LED-Beitrag CHF 100‘432 (2018) 13
Bäume spenden Leben Von Andri Bisaz, Vorstandsmitglied, Newtree M it angepassten, auf Traditionen basierten Methoden zur natürlichen Regeneration und nachhaltigen Land- wirtschaft kann die Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung in Burki- na Faso markant verbessert werden. Der Schweizer Verein Newtree weist einen Weg. Mit grossem Stolz zeigt Ramata Sawado- go in Digatao-Mossi, einem Dorf nörd- lich der Hauptstadt Ouagadougou, dem Besucher ihre selbst erstellten verbesser- Foto: Newtree ten Kochstellen. Die aus Lehm und Stroh aufgebauten Kochstellen bewirken, dass die Hitze nicht mehr wie früher auf alle Seiten entweicht. So sehr freut sich Ra- mata über ihre Arbeit, dass sie die Koch- Ramata Sawadogo aus Burkina Faso hat ihre holzsparenden Kochstellen kunstvoll verziert. stellen kunstvoll verziert hat. Im Vergleich zu traditionellen, mit drei Die Organisation Newtree begnügt sich Stadt oder anderer mühseliger Arbeiten Steinen offen gebauten Kochstellen ist jedoch nicht allein mit der Verbreitung wie der handwerklichen Goldförderung mit der neuen Methode eine Holzein- von Know-how zu Kochstellen. Zusam- von grosser Bedeutung ist. sparung von bis zu 60 Prozent oder 1,8 men mit der lokalen Partnerorganisation Tonnen Holz pro Jahr und Haushalt Tiipaalga («new tree» in der lokalen Spra- Das Ökosystem erholt sich möglich. In einem Land, in dem über 90 che Mooré) und deren 53 einheimischen Seit Projektbeginn 2003 fördert Newtree Prozent der Haushalte auf offenen Holz- Mitarbeitende unterstützt Newtree Ak- den Parzellenschutz, der zur natürlichen feuern kochen, ist das ein wesentlicher tivitäten in weiteren Bereichen, die zu- Wiederbewaldung von Ödland-Flächen Beitrag zum Erhalt der Bäume. Für die sammen ein umfassendes, nachhaltiges, führt. Dabei zäunen die Familien oder Frauen, die für die Holzbeschaffung zu- agroforstwirtschaftliches System bilden. Frauengruppen jeweils 3 Hektar Land ständig sind und oft weit von ihrem Dorf Über 80 Prozent der aktiven Bevölke- mit einem Metallzaun ein. Im eingefrie- entfernt Holz sammeln müssen, bedeu- rung in Burkina Faso lebt von den eige- deten Gebiet wird ein Randstreifen zur tet das eine grosse Arbeitserleichterung. nen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, biologischen Landwirtschaft abgegrenzt, Im Weiteren schützt die geschlossene die durch die Degradation der Böden im Kern der Parzelle kann der Wald sich Feuerstelle auch vor Verbrennungen und zunehmende Wüstenbildung, wie regenerieren. Geschützt vor Viehfrass sowie Atembeschwerden durch Rauch auch den Klimawandel, bedroht sind. und menschlichen Eingriffen erholt sich und reduziert erst noch die CO2-Emissi- Newtree setzt direkt bei der Regenerati- das Ökosystem und schon nach kurzer onen. In den letzten zehn Jahren wurden on der Ökosysteme und der nachhalti- Zeit ist der Unterschied zu den nicht ein- bereits fast 150‘000 dieser verbesserten gen Steigerung der Bodenfruchtbarkeit gezäunten Feldern frappant. Inzwischen Kochstellen durch die Frauen erstellt. Die an. So kann ein wesentlicher Beitrag zur konnten 327 Parzellen geschützt wer- Nachfrage nach den Kochstellen ist sehr Verbesserung der Lebensbedingungen den, rund 980 Hektare, mit circa 650‘000 gross, insbesondere weil die Frauen kon- der ländlichen Bevölkerung geleistet Bäumen und 160 verschiedenen Arten, kret spüren, wie sie ihre Lebensumstände werden. Nicht zuletzt wird die Attrakti- darunter auch selten gewordene Sorten. durch einfache, selbst realisierte Mass- vität der Landwirtschaft gesteigert, was Die Bauernfamilien werden in Metho- nahmen wesentlich verbessern können. angesichts alternativer Tätigkeiten in der den der nachhaltigen Landwirtschaft 14
Bäume spenden Leben ausgebildet und können innerhalb und tigkeit des Regens bleibt länger erhalten, kerung in den Projektgebieten direkt ausserhalb der Parzellen Nahrungsmittel auch dank der beigemischten Biokohle. erreicht. Angesichts der Gesamtbevöl- für den Eigengebrauch oder zusätzliches Weitere Methoden sind die Halbmonde kerung in Burkina Faso von über 18 Mil- Einkommen gewinnen. Die Methoden oder Steinkordeln, die die Erosion durch lionen ist das zwar nicht mehr als ein sind an die lokalen Bedingungen und Wasser aufhalten. Tropfen im Meer: Die Armutsbekämp- die Nachfrage angepasst, die Verbes- fung bleibt weiterhin eine Herkules- serung des Wasserhaushalts und der Schliesslich unterstützt Newtree die Er- aufgabe. Auch bezüglich Migration darf Erosionsschutz stossen dabei auf be- schliessung von alternativen, nicht holz- man sich keinen Illusionen hingeben: sonderes Interesse. Der Klimawandel basierten Einkommensquellen. Die Bau- Die Erfolge der Projektarbeit werden die hat die Niederschlagsmengen im Sahel ernfamilien werden in der Herstellung, Abwanderung in die wachsende Haupt- generell etwas erhöht, doch gleichzeitig Verarbeitung und Kommerzialisierung stadt oder sogar in andere Länder nur auch die Niederschlagsmuster verän- von Honig, Strohballen, Setzlingen, Ge- marginal bremsen können. dert. Starkregen mit grossem Abfluss ha- müse oder anderen Landwirtschaftspro- ben zugenommen und gerade die nicht dukten und der Tierzucht ausgebildet. Durch einfache, wirkungsvolle Metho- bewaldeten, harten Böden können das den trägt Newtree aber dazu bei, wesent- Wasser nicht aufnehmen, die Nährstof- All diese verschiedenen Ansätze, die liche Schritte zu einer weniger prekären fe werden weggeschwemmt. Die Tro- Newtree gemeinsam mit den Bauern- Existenz in den ländlichen Regionen zu ckenperioden während der Regenzeit familien plant und ausführt, zeigen machen. Die Dankbarkeit der betroffe- haben zugenommen und das Risiko ist sichtbare und nachhaltig wirksame Re- nen Bevölkerung und ihr Enthusiasmus gestiegen, eine Aussaat zu verlieren. Bei sultate. Die Partnerfamilien sind über- bei der Realisierung der Aktivitäten zei- der sogenannten «Zai-Methode» werden zeugt davon und viele weitere Bauern- gen, dass die erreichten Resultate von zum Beispiel Vertiefungen in die harte familien fragen an, um auch zur grossen den Bauernfamilien als eine erstrebens- Oberfläche gegraben und mit Kompost Newtree-Familie zu gehören. werte Verbesserung ihrer Lebenssituati- gefüllt. Die Samen von Hirse oder Mais, on empfunden werden. Hauptnahrungsmittel in Burkina Faso, Mittlerweile hat Newtree über 150‘000 haben somit Nährstoffe und die Feuch- Menschen oder 5 Prozent der Bevöl- Die Schnittstelle zu den eingezäunten Gebieten, in denen sich Bäume Reiche Maisernte dank fruchtbarem Boden. und Vegetation im Sahel regenerieren können, ist deutlich sichtbar. Fotos: Newtree Projektname Nachhaltige Nahrungssicherheit für Bauernfamilien in Burkina Faso Organisationen Newtree, Schweizer Verein, und Association Tiipaalga in Burkina Faso LED-Beitrag CHF 100‘000 (2018) Zusammenarbeit mit dem LED seit 2018 15
Erzwungene und freiwillige Migration Interview mit Ismael Ndao, Programmleiter Horizont3000 Senegal. Von Jasmin Thomas, Horizont3000 Wien Ismael, welche Chancen und Potenzi- wandel verkürzt sich diese aber auf 3 bis Kann Landflucht durch Projektaktivi- ale siehst du im ländlichen Raum? 4 Monate und je kürzer die Regenzeit, täten gestoppt werden? Welche Erfah- Im ländlichen Raum gibt es viele Poten- desto weniger Arbeit gibt es auf dem rungen hat Horizont3000 in Senegal ziale, wie etwa die natürlichen Ressour- Land. Die Jungen bleiben also etwa 4 bis gemacht? cen Boden und Wasser. Man müsste sie 5 Monate pro Jahr im Dorf, um bei der Die meisten Projektpartner, mit denen nur mehr wertschätzen und besser nut- Aussaat und Ernte zu helfen. Dann sind Horizont3000 arbeitet, untersuchen zu- zen. Eine wichtige Chance auf dem Land sie aber gezwungen, die restlichen 6 bis 7 erst die Ursachen der Landflucht, um bilden ausserdem die jungen Menschen: Monate woanders Arbeit zu suchen. Die dann gezielt Aktivitäten mit der Bevöl- Etwa 60 Prozent der Bevölkerung sind jungen Männer und Frauen gehen oft in kerung zu erarbeiten. Eine wichtige Ak- unter 30 Jahre alt. Aber auch dieses Po- die Städte, um als Händler und Händler- tivität ist etwa die Stärkung von Orga- tenzial wird praktisch nicht genutzt. innen oder als Dienstmädchen zu ar- nisationen. Diese Organisationen sind beiten. Viele kommen nicht mehr aufs auch dafür verantwortlich, Informa- Wie schätzt du die momentane Situa- Land zurück. Zahlreiche junge Männer tionen zu verbreiten – etwa wie es den tion zur Landflucht ein? gehen auch in den Norden Senegals, um jungen Menschen in den Städten geht, Die Landflucht war noch nie so verbrei- bei der Reisproduktion rund um den welche Unsicherheiten es dort gibt und tet wie heute. Dafür gibt es verschiede- Senegalfluss zu arbeiten. Familienväter wie schwierig es ist, sich im informellen ne Gründe. Der wichtigste ist, dass die und -mütter sind oft gezwungen, in den Arbeitsmarkt zum Beispiel als Strassen- Landwirtschaft in den meisten Regionen Monaten der Lebensmittelknappheit in händler und -händlerinnen über Wasser zu wenige Einkommensmöglichkeiten Städten Geld zu verdienen oder zu ihren zu halten. für junge Menschen bietet. Dafür ist sie Eltern zurückzukehren, damit sie ihnen nicht produktiv genug. Sie hängt stark unter die Arme greifen können. Information allein kann aber die Ab- von der Regenzeit ab. Durch den Klima- wanderung nicht stoppen? Ausserdem werden natürlich ökonomi- Ismael Ndao ist Leiter des Senegal-Programms von Horizont3000. sche Aktivitäten durch die Projekte ge- fördert. Die Regenlandwirtschaft wird gestärkt, Alternativen werden angeboten – wie etwa der Gemüseanbau, der auch in der Trockenzeit durchgeführt werden kann. Das dient einerseits zur besseren Ernährung der Familien, kann aber auch ökonomische Ziele durch Vermarktung verfolgen. Aber auch Fisch- und Bienen- zucht wird gefördert. Bei den Aktivitäten wird immer darauf geachtet, dass die Methoden und Ansätze ökologisch an- gepasst sind und der Umwelt nicht scha- den. Der Zugang zu Mikrokrediten durch Foto: Horizont3000/Jasmin Thomas fachliche Begleitung der Begünstigten ist ebenfalls eine wichtige Aktivität der Projekte. Also ja, wir können mit gezielten Projek- ten dazu beitragen, dass die Migration vom Land in die Städte keine erzwunge- ne Notwendigkeit mehr ist, sondern eine freiwillige Möglichkeit. 16
Attraktive Optionen statt Konflikte Interview mit Janet Maro, Direktorin von SAT Sustainable Agriculture Tanzania. Von Peter Ritter, LED Janet, welches sind die grössten Herausforderungen für Bauern und Bäuerinnen in Ostafrika? Die Bauernfamilien kämpfen mit vielen Herausforderungen. Zum einen ist ihr Wissen über Landwirtschaft und nach- haltige Anbaumethoden gering. Zudem ist die Nacherntebehandlung ein Prob- lem, da zu wenige Kenntnisse zu Lage- rung und Verarbeitung vorhanden sind. Der mangelnde Zugang zum Markt und das schlechte Strassennetz verhindern, dass die Bauern anständige Preise für ihre Produkte erhalten. Und die hohen Anforderungen für Kredite können viele Bauern und Bäuerinnen ebenfalls nicht erfüllen. SAT fördert agrarökologische Metho- Foto: SAT den zur Unterstützung der Bauern- familien in Tansania. Warum ist das eine attraktive Alternative für die Betriebe? Janet Maro (3. v. l.) schult Massai-Frauen im nachhaltigen Anbau von Gemüse. Eine Bauernfamilie bewirtschaftet durch- schnittlich nur 1,5 Hektar Land. Manche ergab, dass sich das durchschnittliche vom LED unterstützte Projekt «Farmers Standorte sind zudem ungünstig, sie lie- Einkommen dadurch um 38 Prozent er- & Pastoralists Collaboration (FPC)» hat gen entweder sehr hoch oder in tiefen, höhte. Der Umsatz kann durch die Ein- zum Ziel, für beide Bevölkerungsgrup- trockenen Gebieten. Deshalb können ag- sparung von Dünger oder Spritzmitteln pen nachhaltige Lösungen zu finden, rarökologische Praktiken geeignet sein, zudem verbessert werden. 61 Prozent indem eine lokale Kreislaufwirtschaft um etwa an den steilen Hängen der Ulu- der Bauern bestätigten die Reduktion geschaffen wird. Durch agrarökologi- guru-Berge mit nachhaltig bebauten der Kosten. sche Erzeugnisse beider Gruppen, zum Terrassen Bodenerosion zu reduzieren. Beispiel Viehfutter im Austausch gegen In den Trockengebieten von Vianzi sind SAT arbeitet auch mit Gemeinden, in Tiermist als Dünger, können Verbesse- mit Konturen eingefasste Beete, gefüllt denen Nutzungskonflikte zwischen rungen für beide Seiten erreicht und mit organischem Material, ideal zur Bo- ansässigen Bauernbetrieben und Konflikte stark reduziert werden. denwasserkonservierung. Es ist zwar nomadisierenden Viehzüchtern be- viel Arbeit, um Terrassen anzulegen und stehen. Wie könnt ihr diese Konflikte Was sind die Aussichten für die genug Kompost zu produzieren, aber die lösen? Familien, damit sie dem Abwande- Resultate sind vielversprechend und at- In den letzten Jahrzehnten gab es viele, rungsdruck in die Städte widerstehen traktiv für die Familien, da sich Böden, zum Teil gewalttätige Konflikte zwischen können? Umwelt und die Lebensumstände ver- diesen zwei Gruppierungen. Die Konflik- Mit Agrarökologie, erhöhter Produktion, bessern. te eskalieren mit dem zunehmenden Be- Einkommen und Diversifikation wird völkerungswachstum und dem Druck, Landwirtschaft zu einem attraktiven Durch angewandte Agrarökologie kön- Land zur Ernährungssicherung zu be- Sektor, der eine einträgliche Arbeit er- nen die Bauern ihr Einkommen erhö- bauen. Dadurch verlieren die Pastoralis- möglicht und Migration reduziert. hen. Eine kürzlich durchgeführte Studie ten Weideland für ihre Viehherden. Das 17
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