Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012

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Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Internationaler Vergleich
der Bemessungsverfahren im Küstenschutz

Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Internationaler Vergleich
der Bemessungsverfahren im Küstenschutz

Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Für Sie. Für Hamburg.
Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
VORWORT

                         Seit      Menschenge-      Trotz sorgfältiger Herleitung eines Bemessungs-
                         denken        bedrohen     ansatzes kann es eine vollständige Sicherheit
                         Nordseestürme        die   hinter unseren Schutzbauwerken niemals ge-
                         Küste und die Ästua-       ben. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird
                         re. Um den Lebens-         beim Küsten- und Hochwasserschutz als gene-
                         und Wirtschaftsraum        rationenübergreifender Daueraufgabe alle Mög-
                         zu schützen, mussten       lichkeiten ausschöpfen, um das Restrisiko für
                         aufwendige      Küsten-    Menschen und Sachwerte möglichst gering zu
                         und         Hochwasser-    halten.
                         schutzanlagen errich-
tet werden. Immer wieder waren beim Kampf
gegen den Blanken Hans Rückschläge zu ver-          Dr. Manfred Schuldt
zeichnen. Die Anstrengungen beim Ausbau der
Küsten- und Hochwasserschutzanlagen haben           Amtsleiter
sich aber gelohnt. Seit 1962 hat es in Deutsch-     Amt für Umweltschutz
land keine Sturmflutopfer mehr gegeben.             Behörde für Stadtentwicklung und Umweltschutz
                                                    Freie und Hansestadt Hamburg
Wichtige Grundlage des Küsten- und Hochwas-
serschutzes ist die Ermittlung des Bemessungs-
wasserstandes. Hamburg hat 2012 einen neu-
en Bemessungswasserstand festgelegt. Dem
ging eine gründliche Fachdiskussion voraus. In
diesem Zusammenhang hat der Landesbetrieb
Straßen, Brücken und Gewässer die vorliegen-
de Übersicht der Bemessung von Küsten- und
Hochwasserschutzanlagen      der      wichtigsten
Nordseeanrainerstaaten erarbeitet.

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Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
eINLeITuNG

                        Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Ge-         Allen Ländern ist gemein, dass sie mehr oder
                        wässer arbeitet bereits seit einigen Jahren        weniger umfassend Risikoaspekte in die Be-
                        an der Fortschreibung und Aktualisierung der       messung der Schutzbauwerke einbeziehen.
                        Grundlagen für den Schutz vor Sturmfluten, um      Dieses ist einerseits durch die im Jahr 2007 von
                        daraus neue Bemessungswasserstände für die         der Europäischen Gemeinschaft verabschiede-
                        Hamburger Hauptdeichlinie zu entwickeln. Hier-     ten „Richtlinie über die Bewertung und das Ma-
                        bei ist es unverzichtbar neben den Verfahren der   nagement von Hochwasserrisiken“ angestoßen
                        Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-         worden, erscheint darüber hinaus aber auch vor
                        Holstein auch internationale Erfahrungen und       dem Hintergrund der begrenzten finanziellen
                        Ansätze einzubeziehen.                             Ressourcen unverzichtbar. In Zukunft wird dies
                                                                           dazu führen, dass vermehrt risikoabhängige ört-
                        Alle Anrainerstaaten der Nordsee sind gezwun-      lich unterschiedliche Schutzniveaus festgesetzt
                        gen zum Schutz ihrer Niederungen und deren         werden und nicht mehr ein weitgehend einheitli-
                        Bewohner Küstenschutzstrategien zu entwi-          cher und höchstmöglicher Schutz an jeder Stelle
                        ckeln, deren wesentlichstes Element der Bau        angestrebt wird.
                        von Schutzbauwerken ist. Deiche und massive
                        Bauwerke sollen die Gefahren, die von Sturm-       Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick
                        fluten ausgehen, minimieren. Die hohen Kosten      über die unterschiedliche Vorgehensweise der
                        für den Bau, den Erhalt und laufende Anpas-        Nordseeanrainerländer beim Schutz vor Sturm-
                        sungsbedarfe der Schutzbauwerke sind durch         fluten. Die Verantwortlichen sind weiterhin auf-
                        die häufig existentielle Bedeutung gerechtfer-     gefordert, an einer Vereinheitlichung der Stan-
                        tigt, bedeuten aber eine erhebliche Belastung      dards zu arbeiten, um im Hinblick auf Sicherheit
                        für die Länder und die unmittelbar Betroffenen.    und Wirtschaftlichkeit einen grenzüberschreiten-
                                                                           den optimalen Schutz der Küstenniederungen zu
                        Der vorliegende Bericht befasst sich mit den       erreichen.
                        Unterschieden, die es in den betroffenen Län-
                        dern bei den Bemessungsansätzen und den an-
                        gestrebten Sicherheitsstandards sowie bei den      Thomas Buß
                        rechtlichen Grundlagen gibt. Es wird außerdem
                        eine Übersicht darüber gegeben, in welcher Grö-    Fachbereichsleitung
                        ßenordnung der Meeresspiegelanstieg bereits        Planung und Entwurf Hochwasserschutz
                        heute in die Bemessung einbezogen wird und         Geschäftsbereich Gewässer und Hochwasser-
                        ob zukünftig Veränderungen dieser Ansätze in-      schutz
                        folge der prognostizierten Beschleunigung von      Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer
                        Klimaveränderungen geplant sind.                   Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation
                                                                           Freie und Hansestadt Hamburg

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Für Sie. Für Hamburg.
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INHALT

VORWORT                                                       3

EINLEITUNG                                                    4

INHALT                                                        5

VERANLASSUNG                                                  9

1GEGENSTANDDERARBEIT                                       9
 1.1 Gegenstand                                                 9
 1.2 Grundlagen                                                10
 1.3 Begriffsdefinitionen                                      10
     1.3.1    Risiko                                           10
     1.3.2    Sicherheit                                       10

2ZUSAMMENFASSUNG                                             11
 2.1 Überblick                                                 11
 2.2 Heutiger Zustand                                          11
     2.2.1    Juristische Grundlagen                           11
     2.2.2    Verfahren                                        12
     2.2.2.1 Ermittlung der Bemessungswasserstände             12
     2.2.2.2 Umsetzung der Bemessungswasserstände              13
     2.2.2.3 Sicherheitsstandards                              14
     2.2.2.4 Meeresspiegelanstieg                              17
 2.3 Zukünftige Entwicklungen – Anpassung an den Klimawandel   17
     2.3.1    Juristische Grundlagen                           17
     2.3.2    Verfahren                                        18
     2.3.2.1 Sicherheitsstandards                              19
     2.3.2.2 Meeresspiegelanstieg                              22

3NIEDERLANDE                                                 23
 3.1 Geographischer und historischer Überblick                 23
     3.1.1     Deltaplan                                       23
     3.1.2     Sandvorspülungen                                23
 3.2 Juristische Grundlagen                                    24
     3.2.1     Küstenschutzgesetz                              24
     3.2.2     Reglementierte Raumordnung                      25
 3.3 Bemessung                                                 26
     3.3.1     Sicherheitsstandard                             26
     3.3.2     Bemessungswasserstände                          28
     3.3.3     Meeresspiegelanstieg                            28
 3.4 Zukünftige Entwicklung                                    28
     3.4.1     Neues Deltaprogramm                             29

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3.4.2    Sicherheitsstandard und Meeresspiegelanstieg   29
                                3.4.3    Vorhaben des Deltaprogramms                    30
                                3.4.3.1 Nordseeküste                                    30
                               3.4.3.2   Südwestliches Delta                           30
                                3.4.3.3   Flüsse                                        30
                                3.4.3.4   Ijsselmeer                                    31
                                3.4.3.5   Kosten                                        31
                            3.5 Fazit                                                   31

                        4BELGIEN                                                      32
                            4.1 Überblick                                               32
                            4.2 Juristische Grundlagen                                  32

                        5BELGIEN(SCHELDE)                                            32
                            5.1 Geographischer und historischer Überblick               32
                                5.1.1     Sigmaplan                                     32
                                5.1.2     Umsetzung des Sigmaplans                      33
                            5.2 Juristische Grundlagen: Aktualisierter Sigmaplan        33
                                5.2.1     Risikobasierter Ansatz                        33
                                5.2.2     Sicherheitsstandard                           34
                                5.2.3     Bemessung                                     34
                                5.2.4     Meeresspiegelanstieg                          35
                            5.3 Fazit                                                   35

                        6BELGIEN(FLANDRISCHEKÜSTE)                                  35
                            6.1 Geographischer und historischer Überblick               35
                            6.2 Juristische Grundlagen                                  35
                            6.3 Bemessung                                               36
                                6.3.1     Sicherheitsstandard                           36
                                6.3.2     Meeresspiegelanstieg                          36
                                6.3.3     Bemessungsverfahren                           36
                            6.4 Zukünftige Entwicklung                                  36
                                6.4.1     Juristische Grundlage                         37
                                6.4.2     Zukünftige Bemessung                          38
                                6.4.2.1 Sicherheitsstandard                             38
                                6.4.2.2 Meeresspiegelanstieg und Wellenüberlauf         38
                                6.4.3     Schadens- und Opferkalkulation                38
                                6.4.4     Risikoanalyse                                 40
                            6.5 Fazit                                                   41

                        7VEREINIGTESKÖNIGREICH                                       42

                        6

Für Sie. Für Hamburg.
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8VEREINIGTESKÖNIGREICH(KÜSTE)                            42
 8.1 Geographischer Überblick                                42
 8.2 Juristische Grundlagen                                  42
     8.2.1     Coast Protection Act                          42
     8.2.2     Making Space for Water                        43
     8.2.3     Shoreline Management Plans                    43
 8.3 Bemessung                                               44
     8.3.1     Sicherheitsstandard                           44
     8.3.2     Meeresspiegelanstieg                          45
     8.3.3     Meteorologische und hydrologische Parameter   46
 8.4 Zukünftige Entwicklung: Risikomanagement                46
     8.4.1     Sequenztest                                   47
     8.4.2     Ausnahmetest                                  50
 8.5 Fazit                                                   50

9VEREINIGTESKÖNIGREICH(LONDONUNDDIETHEMSE)            51
 9.1   Historischer und geographischer Überblick             51
 9.2   Juristische Grundlagen                                51
 9.3   Das Themsesperrwerk                                   51
 9.4   Sicherheitsstandard und Meeresspiegelanstieg          52
 9.5   Zukünftige Entwicklung: „Thames Estuary 2100“         53
 9.6   Fazit                                                 53

10DÄNEMARK                                                 54
 10.1 Geographischer Überblick                               54
 10.2 Juristische Grundlagen                                 54
      10.2.1 Küstenschutzgesetz                              54
      10.2.2 Durchführung von Küstenschutzmaßnahmen          55
 10.3 Bemessung                                              55
      10.3.1 Sicherheitsstandards                            55
      10.3.2 Bemessungswasserstände                          56
      10.3.3 Meeresspiegelanstieg                            57
 10.4 Beispiel Managementplan Westküste                      57
      10.4.1 Sicherheitsstandard                             58
      10.4.2 Meeresspiegelanstieg                            59
      10.4.3 Heutiger Stand an der Westküste                 59
 10.5 Fazit                                                  59

                                                              7
Internationaler Vergleich der Bemessungsverfahren im Küstenschutz - Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr. 11 / 2012
Anhang                                                           60
                        NL­1DASBEMESSUNGSVERFAHRENINDENNIEDERLANDEN               60
                            NL - 1.1       Sicherheitsstandard                            60
                            NL - 1.2       Bemessungswasserstände                         60
                            NL - 1.2.1     Überprüfung des Sicherheitsstandards           61
                            NL - 1.2.1.1   Basiswasserstände                              61
                            NL - 1.2.1.2   Wellenauflauf bzw. -überlauf                   63
                            NL - 1.2.1.3   Prüf- und Rechenwasserstand                    63
                            NL - 1.2.1.4   Wasserstandverlauf an der Küste                63
                            NL - 1.2.1.5   Unterläufe der Flüsse (Benedenrivieren)        64
                            NL - 1.2.1.6   Wasserstandverlauf Benedenrivieren             64
                            NL - 1.2.2     Deichhöhe                                      66

                        B­1BELGIEN:KOSTEN­NUTZEN­ANALYSEFÜRDENAKTUALISIERTEN
                        SIGMAPLAN(SCHELDE)                                              67
                            B - 1.1        Evaluation der Maßnahmen                       67
                            B - 1.2        Bestimmung der bestmöglichen Lösung            68
                            B - 1.3        Rahmenplanung mit Top-Down-Ansatz              68
                            B - 1.4        Optimierung mit Bottom-Up-Ansatz               69

                        B­2BELGIEN:BEMESSUNGSVERFAHREN(SCHELDE)                     71
                            B - 2.1        Bemessungsverfahren                            71
                            B - 2.1.1      Wind                                           71
                            B - 2.1.2      Windstau                                       73
                            B - 2.1.3      Synthetische Sturmfluten                       75
                            B - 2.1.4      Modellierung                                   76
                            B - 2.1.5      Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilung   77
                            B - 2.1.6      Sensitivitätsanalyse                           78
                            B - 2.2        Vergleich mit anderen Methoden                 79
                            B - 2.3        Anwendung                                      80
                            B - 2.4        Vor- und Nachteile                             81

                        B­3BELGIEN:BEMESSUNGSVERFAHRENFÜRFLANDERN                  82
                            B - 3.1        Bemessungsverfahren                            82
                            B - 3.1.1      Richtungsabhängige Analyse der Wasserstände    82
                            B - 3.1.2      Bestimmung des Windstaus                       83
                            B - 3.1.3      Extremwertanalysen                             83
                            B - 3.1.4      Wasserstand                                    84
                            B - 3.1.5      Übertragung auf die Küste                      85
                            B - 3.2        Anwendung der ermittelten Rahmenbedingungen    85

                        LITERATUR                                                        86

                        IMPRESSUM                                                        89

                        8

Für Sie. Für Hamburg.
VERANLASSUNG                                            in welchen juristischen Grundlagen – von
Küstenschutzbauwerke sind in Hamburg ein un-            speziellen Küstenschutzgesetzen bis zu ver-
verzichtbares Element der Daseinsvorsorge. Ob           bindlichen Plänen (Generalplänen etc.) – die
ihre Bemessung den Schutzanforderungen noch             Protektionsmaßnahmen       gegen    extreme
genügt oder Anpassungen aufgrund veränderter            Wasserstände geregelt bzw. vorgeschrieben
Risiken erforderlich werden, muss regelmäßig            sind. Darüber hinaus wird der Frage nachge-
überprüft werden. Da es hierfür keine genorm-           gangen, ob und wenn ja, in welchem Maße
ten Verfahren gibt, sind Berechnungsverfahren           die Staaten dazu verpflichtet sind, Küsten-
und Sicherheitsstandards anderer Nordseeanrai-          schutz zu betreiben um so ihre Bevölkerung
nerländer ausgewertet worden.                           vor den von der Nordsee ausgehenden Ge-
                                                        fahren zu schützen.

1GEGENSTANDDERARBEIT                              2. Sicherheitsstandards des Küstenschutzes:
1.1Gegenstand                                          Es werden die Sicherheitsstandards, mit
Der vorliegende Bericht stellt das Ergebnis einer       denen die Küsten und das dahinter liegende
umfangreichen Literaturrecherche dar. Es werden         Land geschützt werden (sollen) erläutert. Es
die Vorgehensweisen zur Bemessung der Küs-              sind einerseits weitestgehend ländlich struk-
tenschutzanlagen der Nordseeanrainerstaaten             turierte Gegenden und andererseits hoch
Niederlande, Belgien, Großbritannien und Däne-          entwickelte Metropolen vor Sturmfluten zu
mark erläutert. Dabei ist zu beachten, dass für         schützen. In einigen Ländern werden dazu
Belgien und Großbritannien jeweils zwei Strategi-       unterschiedlich hohe Sicherheitsstandards
en erläutert werden, da für die flandrische Küsten      angesetzt, die Eintrittswahrscheinlichkeiten
und die Schelde bzw. für die britische Küste und        von 1:2,5 bis 1:10.000 pro Jahr abdecken.
die Themse innerstaatlich verschiedene Küsten-          Neben der Erläuterung der Sicherheitsstan-
schutzkonzepte zur Anwendung kommen.                    dards selbst wird auch auf die verschiedenen
                                                        nationalen Methoden eingegangen, anhand
Zusammenfassend werden die Inhalte des Be-              derer die Sicherheitsstandards hergeleitet
richtes in Kartenform dargestellt. Je eine Karte        werden.
gibt den heutigen Zustand (s Abb. 1 auf S. 8) und
den in Planung befindlichen zukünftigen Zustand      3. Bemessungsverfahren: Die Bemessung na-
(s. Abb. 2 auf S. 13) der nationalen Küstenschutz-      tionaler    Küstenschutzmaßnahmen     erfolgt
strategien wieder. Besondere Schwerpunkte               aufgrund sehr unterschiedlicher Bemes-
des Berichtes liegen auf folgenden Bestandtei-          sungsverfahren. Deren Palette reicht von
len, die – teilweise im vertiefenden Anhang –           rein statistischen Extrapolationen bis hin zu
ausführlicher betrachtet und erläutert werden:          relativ    komplexen   Kombinationsverfahren
                                                        aus deterministischer Bestimmung einzelner
1. Juristische Grundlagen für den Küsten-               Bestandteile einer Sturmflut mit anschlie-
   schutz: Hier wird insbesonders untersucht,           ßender simulierter Propagation in Ästuaren.

                                                                                                   9
Daneben existieren verschiedene Mixverfah-      gegeben wird. Aufgrund der unterschiedlichen
                             ren.                                            nationalen Verfahren in der Bemessung der Küs-
                                                                             tenschutzmaßnahmen ist der „Sicherheitsstan-
                        4. Veränderungen der hydrologischen und me-          dard“ einer der Hauptvergleichsfaktoren und
                             teorologischen Gegebenheiten: Diese ste-        nimmt somit eine besondere Bedeutung ein.
                             hen – bedingt durch den Klimawandel – zu-
                             nehmend im Fokus der Öffentlichkeit. In allen   1.3.1Risiko
                             hier beschriebenen Nationen wird derzeit die    Risiko wird allgemein als Produkt aus Schadens-
                             Anpassung der Verfahren zur Bemessung           umfang und Eintrittswahrscheinlichkeit eines Er-
                             der Küstenschutzanlagen an den Klimawan-        eignisses definiert. Dabei wird mit der Eintritts-
                             del diskutiert, welcher als Herausforderung     wahrscheinlichkeit die Chance bezeichnet, dass
                             der Zukunft bezeichnet werden kann.             ein Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeit-
                                                                             intervalls eintritt. So bedeutet z. B. 0,001/Jahr,
                        Die Schilderung der nationalen Strategien er-        dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1.000
                        folgt überwiegend aufgeteilt nach den bisheri-       damit zu rechnen ist, dass ein Schadensereignis
                        gen Verfahren und den derzeitig in Entwicklung       eintritt. Die Größe des Schadens hängt von den
                        stehenden Konzepten. An der Tatsache, dass in        Werten im Überflutungsgebiet ab und wird in
                        fast allen behandelten Staaten momentan neue         Geldwerten beschrieben. Die Relation von Ein-
                        Küstenschutzstrategien erarbeitet werden, las-       trittswahrscheinlichkeit des Wasserstandes und
                        sen sich die intensiven Bemühungen um die            der Versagenswahrscheinlichkeit des Küsten-
                        Gewährleistung eines Küstenschutzes auch in          schutzbauwerkes zu den Werten der Güter im
                        Zukunft erkennen.                                    Überflutungsgebiet, bildet das Risiko ab.

                        1.2Grundlagen                                       1.3.2Sicherheit
                        Als Grundlage für den vorliegenden Bericht wur-      Der Faktor Eintrittswahrscheinlichkeit des Risi-
                        den weitestgehend die originalen Planungsdo-         kos gibt, wie zuvor beschrieben, die Wahrschein-
                        kumente und Gutachten, auf deren Basis die           lichkeit an, mit der mit einem bestimmten Ereig-
                        verschiedenen nationalen Küstenschutzvorge-          nis zu rechnen ist. In vielen Ländern wird mit der
                        hen entwickelt wurden, herangezogen. Dadurch         Eintrittswahrscheinlichkeit mehr oder minder der
                        können die Vorgehensweisen, besonders was            Begriff „Sicherheitsstandard“ beschrieben. Ge-
                        die Bemessungsverfahren angeht, detailliert          nau genommen ist der Gebrauch des Begriffes
                        und aus direkter Quelle dargelegt werden.            „Sicherheit“ nicht korrekt, was im Folgenden
                                                                             kurz erläutert werden soll:
                        1.3Begriffsdefinitionen
                        Die im Folgenden erläuterten Begriffe „Risiko“       Wird der Begriff „Sicherheit“ rein deskriptiv
                        und „Sicherheit“ sind von zentraler Bedeutung        verwendet, bedeutet er, dass Risiken einer
                        für das Verständnis der Küstenschutzstrategien,      bestimmten Art nicht bestehen, was Schäden
                        weil mit ihnen der Verteidigungsstandard an-         praktisch ausschließt. Somit bezeichnet Sicher-

                        10

Für Sie. Für Hamburg.
heit einen Zustand, der frei von unvertretbaren           Für einen zusammenfassenden Überblick der
Risiken ist und als gefahrenfrei angesehen wer-           Inhalte des Textes wurden Karten erstellt, in de-
den kann. Sicherheit in diesem Sinne bedeutet             nen die zuvor genannten Inhalte graphisch und
hundertprozentig sicher, was den Begriff so nur           in Stichpunkten zusammengefasst dargestellt
selten anwendbar macht, da er Schäden von                 sind. Die erste Karte (Abb. 1) gibt den gegenwär-
den Naturgesetzen her ausschließt. Dafür aller-           tigen Bemessungsstandard wieder, die zweite
dings müssten alle Kausalzusammenhänge der                (Abb. 2) den zukünftigen. Dabei wird deutlich,
Umwelt bekannt sein, was nicht der Fall ist. Si-          dass sich die Küstenschutzstrategien der Länder
cherheit im Sinne 100%-iger Sicherheit gibt es            zum Teil maßgeblich voneinander unterscheiden.
demzufolge nicht (BANSE 1996).
                                                          2.2HeutigerZustand
Sicherheit wird daher in unserem Sprachgebrauch           2.2.1JuristischeGrundlagen
eher im Zusammenhang mit bestimmten normati-              Das organisatorische und planerische Rahmen-
ven Komponenten gebraucht, was bestimmte kul-             werk unterscheidet sich in den einzelnen Län-
turelle, konventionelle oder festgelegte Standards        dern deutlich voneinander. Dies liegt zunächst
der Risikoakzeptabilität impliziert. Sicherheit gilt in   an den unterschiedlichen administrativen Struk-
diesem Sinne als akzeptables und zumutbares Ri-           turen der einzelnen Länder. So gibt es in den
siko für die Gesellschaft. Folglich können auf wis-       Niederlanden und Großbritannien je ein spezi-
senschaftlicher Basis nur Aussagen über die Höhe          elles Küstenschutzgesetz. Im niederländischen
des Risikos gemacht werden.                               Küstenschutzgesetz werden explizite Sicher-
                                                          heitsstandards für das gesamte Land ausgewie-
                                                          sen (WET OP DE WATERKERING, BIJLAGE II),
2ZUSAMMENFASSUNG                                         während das britische Küstenschutzgesetz kei-
2.1Überblick                                             ne Schutzniveaus enthält. Zudem haben die bri-
Inhalt dieses Berichtes ist die Darstellung der           tischen Bürger (London ausgenommen) keinen
gegenwärtigen und zukünftigen Bemessungs-                 Anspruch auf vom Staat unterhaltene Küsten-
verfahren von Hochwasserschutzanlagen der                 schutzmaßnahmen (PPS 25). In Belgien gibt es
Nordseeanrainerstaaten        Niederlande,      Belgi-    bislang lediglich für den Bereich der Schelde eine
en, Großbritannien und Dänemark. Besondere                übergeordnete Planung, welche im Jahr 2005
Schwerpunkte des Berichtes liegen auf folgenden           überarbeitet wurde und konkrete Schutzniveaus
Bestandteilen, die in einem ausführlichen Text            vorsieht. Für die flandrische Küste hingegen gibt
und anhand von zwei Karten dargestellt werden:            es noch keine rechtsverbindliche Küstenschutz-
                                                          strategie (MERTENS ET AL. 2008). In Dänemark
•   Juristische Grundlagen für den Küstenschutz          wurde 1988 ein Küstenschutzgesetz erlassen,
•   Sicherheitsstandards des Küstenschutzes              welches allerdings eher das Küstenzonenmana-
•   Bemessungsverfahren                                  gement regelt, als den Sturmflutschutz. Ähnlich
•   Veränderungen der hydrologischen und mete-           wie in Großbritannien haben die Menschen hier
     orologischen Gegebenheiten                           kein Anrecht auf vom Staat unterhaltene Küsten-

                                                                                                         11
schutzmaßnahmen. Für den zentralen Teil der dä-        2. Ein statistisches Verfahren: Über eine Extra-
                        nischen Küste gibt es mit dem Managementplan              polationsfunktion wird auf Basis von gemes-
                        „VESTKYSTEN ´08“ ein zusätzliches Planungs-               senen Zeitreihen von Höchstwasserständen
                        dokument, welches allerdings ebenso wenig                 ein Bemessungswasserstand ermittelt.
                        konkrete oder einheitliche Sicherheitsstandards
                        beinhaltet. Die für die jeweiligen Staaten rele-       3. Ein probabilistisches bzw. risikobasiertes Ver-
                        vanten Planungs- und Gesetzestexte sind in Tab.           fahren: Die Risikoabschätzung erfolgt anhand
                        1 zusammenfassend dargestellt.                            einer       Gesamtversagenswahrscheinlichkeit.

                         Staat/Region                 Dokument                                                             Jahr
                         Niederlande                  Küstenschutzgesetz (Wet op de Waterkering)                          1996
                                                      Deltaplan                                                           1955
                         Belgien (Schelde)            Sigmaplan                                                           1977
                                                      Aktualisierter Sigmaplan                                            2005
                         Belgien (Flandern)           - keine -
                         Großbritannien (Küste)       Küstenschutzgesetz (Coast Protection Act)                           1949
                                                      Shoreline Management Plans (lokal)                               Ab 1993
                                                      Making Space for Water                                              2003
                         Großbritannien (London)      Thames Barrier and Flood Prevention Act                             1972
                         Dänemark                     Küstenschutzgesetz                                                  1988
                                                      Vestkysten ´08                                                      2008
                        Tab. 1: Grundlagen für den Küstenschutz in den untersuchten Staaten

                        2.2.2Verfahren                                           Die     probabilistische   Gefährdungsanalyse
                        2.2.2.1ErmittlungderBemessungswasser­                 beinhaltet alle relevanten Belastungen und
                                 stände                                           Versagensmechanismen der Bauwerke unter
                        Für die Berechnung der Höhe der Küstenschutz-             Berücksichtigung ihrer Unsicherheiten, so-
                        anlagen sind grundsätzlich drei Verfahren vonei-          wie die im Versagensfall betroffenen Werte.
                        nander zu unterscheiden:
                                                                               Die Berechnung der Bemessungswasserstände
                        1. Ein deterministisches Verfahren: Sturmflut-         erfolgt in den einzelnen Ländern sehr verschie-
                             höhen werden anhand bisher eingetretener          den voneinander, da meist Mischformen der ge-
                             oder in Modellverfahren simulierter Sturmflu-     nannten Bemessungsverfahren zur Anwendung
                             ten berechnet. Dies geschieht unter Berück-       kommen. Deterministische Verfahren werden
                             sichtigung der ortsspezifischen Bedingungen       herangezogen, um die auf den natürlichen Rah-
                             sowie eines Sicherheits- und Klimazuschla-        menbedingungen basierenden physikalischen
                             ges. Der so ermittelte Wert wird anschlie-        Vorgänge während einer Sturmflut möglichst
                             ßend einer Wahrscheinlichkeit zugeordnet.         genau erfassen zu können. Die Berücksichti-

                        12

Für Sie. Für Hamburg.
gung sowohl von eingetretenen als auch anhand         2.2.2.2 UmsetzungderBemessungswasser­
numerischer     Computermodelle        simulierten            stände
Sturmfluten soll exakte Werte für jeden Ort an        Bei der Umsetzung von Bemessungswasser-
der Küste liefern. Mithilfe statistischer Verfahren   ständen sind zwei Verfahren zu unterscheiden:
kann die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Werte
berechnet werden, welche gerne zum Vergleich          1. Absoluter Sicherheitsstandard: Definition ei-
der Sicherheitsstandards verwendet wird.                 nes einheitlichen Sicherheitsstandards, der
                                                         auf das gesamte zu schützende Gebiet – un-
Bei der Ermittlung von Bemessungswerten über             abhängig von den durch Sturmfluten gefähr-
statistische Verfahren, wird eine Eintrittswahr-         deten Werten – übertragen wird.
scheinlichkeit vorgegeben. Hierfür wird aus den
Wasserstandsreihen mithilfe unterschiedlicher         2. Risikobasierte Sicherheitsstandards: Es wer-
Verteilungsfunktionen je nach gewünschtem                den lokal differenzierte Sicherheitsstandards
oder erforderlichem Sicherheitsstandard ein Wert         umgesetzt, die anhand einer Risikoanalyse
definiert. Bei dieser Vorgehensweise ist jedoch          ermittelt werden und neben dem Wasser-
gerade bei geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten        stand auch die erwarteten Schäden berück-
nicht bekannt, ob die für den jeweiligen Ort kor-        sichtigen.
rekten natürlichen Rahmenbedingungen berück-
sichtigt werden. Daher ist es bei statistischen       Bei der Umsetzung der Bemessungswasser-
Verfahren erforderlich, die natürlichen Rahmenbe-     stände kommen, ebenso wie bei deren Er-
dingungen anhand deterministischer Analysen zu        mittlung, Mischverfahren zur Anwendung. Die
überprüfen. Eine solche Vorgehensweise wird im        Niederlande waren das erste Land, in dem im
Text als gemischtes Verfahren bezeichnet.             Rahmen des Deltaplanes von 1955 ein risiko-
                                                      basierter Ansatz zur Anwendung kam. Hier
Ausführliche Beispiele für gemischte Verfahren        wurden die Sicherheitsstandards mit einem
werden mit Belgien und den Niederlanden im            einfachen Verfahren den bedrohten Werten
Text bzw. im Anhang dargelegt.                        entsprechend definiert, die allerdings im Laufe
                                                      der Jahre nicht der Entwicklung von Bevölke-
                                                      rung und Wirtschaft angepasst wurden. Zu-
                                                      dem werden in den Niederlanden einheitliche
                                                      Sicherheitsstandards auf komplette Deichringe,
                                                      also abgeschlossene, von Hochwasserschutz-
                                                      maßnahmen umschlossene Gebiete bezogen.
                                                      Die Ermittlung der Bemessungswasserstände
                                                      erfolgt in den Niederlanden nach einem kombi-
                                                      nierten Verfahren, welches neben statistischen
                                                      Bestandteilen auch deterministische Elemente
                                                      wie hydrodynamische Modellierungen enthält.

                                                                                                   13
In Großbritannien folgt man ebenfalls einem ri-    2.2.2.3Sicherheitsstandards
                        sikobasierten Ansatz, wenn auch mit erheblich      Eine Form, den Sicherheitsstandard auszudrü-
                        geringeren Sicherheitsstandards. Neuerdings        cken, bietet die Eintrittswahrscheinlichkeit. Das
                        wird auch in Belgien für die Schelde ein risiko-   Konzept der Eintrittswahrscheinlichkeiten macht
                        basierter Ansatz angewendet. In Belgien und        die verschiedenen Küstenschutzsysteme gut
                        Großbritannien werden – anders als in den Nie-     vergleichbar. Wie oben beschrieben sind die
                        derlanden – relativ kleinräumige Gebiete einer     Bemessungsverfahren der einzelnen Staaten
                        Risikoanalyse unterzogen. Die für die Küsten-      höchst verschiedenen voneinander, so dass ein
                        schutzmaßnahmen maßgebenden Wasserstän-            Vergleich der sich daraus berechnenden Soll-
                        de werden in Großbritannien überwiegend sta-       höhen unmöglich erscheint (JORISSEN ET AL.
                        tistisch bestimmt. In Belgien hingegen werden      2000). Infolgedessen bedarf es bei der Angabe
                        diese mit einem kombinierten deterministisch-      einer Eintrittswahrscheinlichkeit immer einer De-
                        statistischen Verfahren ermittelt. Dieses ähnelt   finition, welche Verfahren und welche Ungenau-
                        dem niederländischen Vorgehen, stützt sich         igkeiten diesem zugrunde liegen.
                        jedoch noch stärker auf die Modellierung von
                        Sturmfluten, so dass der deterministische Anteil   Einen zusammenfassenden Überblick über die
                        im Verfahren einen noch größeren Stellenwert       Sicherheitsstandards bieten Abb. 1 und Tab. 2.
                        hat.                                               Es wird deutlich, dass die verschiedenen Sicher-
                                                                           heitsstandards der einzelnen Staaten eine große
                        Die Bestimmung der Sicherheitsstandards in         Bandbreite haben. Sie reichen von 1:50 in dünn
                        Dänemark ist als eingeschränkt risikobasiert zu    besiedelten Teilen Dänemarks bis zu 1:10.000 in
                        bezeichnen, da hier finanzielle Anreize zur Ein-   den dicht besiedelten Gebieten der Niederlan-
                        haltung bestimmter Sicherheitsstandards moti-      de. Auch für die anderen Nordseeanrainerländer
                        vieren. Eine Risikoanalyse als Bewertungsinst-     zeigt sich, dass dicht besiedelte Räume hohe
                        rument kommt allerdings nicht zur Anwendung,       Sicherheitsstandards aufweisen. So beträgt der
                        die Wasserstände werden rein statistisch ermit-    Sicherheitsstandard für London 1:1.000, der für
                        telt.                                              Antwerpen 1:4.000. An weiten Teilen der briti-
                                                                           schen und dänischen Küste, an denen keine oder
                                                                           nur geringe Werte gefährdet sind, wird hingegen
                                                                           kein Küstenschutz betrieben und somit der na-
                                                                           türlichen Entwicklung freien Lauf gelassen.

                        14

Für Sie. Für Hamburg.
Staat/Region         Bestimmungdererforder­           Sicherheits­     Bemessungsverfahren
                      lichenSicherheitsstandards standard
 Niederlande          Risikobasiert                      1:2.000 bis      Kombiniertes statistisch-
                                                         1: 10.000        deterministisches Verfahren:
                                                                          „Prüfwasserstand“ (statis-
                                                                          tisch) + sonstige Einflüsse
                                                                          (determinist.)
                                                                          Gesondertes Verfahren für
                                                                          die fünfjährliche Überprüfung
 Belgien (Schelde)    Risikobasiert                      1:1.000 bis      Kombiniertes determinis-
                                                         1: 4.000         tisch-statistisches Verfahren
                                                                          auf der Basis modellierter
                                                                          Sturmfluten
 Belgien (Flandern) Absolut                              1:1.000          Kombiniert deterministisch-
                                                                          statistisch
 Großbritannien       Risikobasiert                      1:2,5 bis        uneinheitlich
 (Küste)                                                 1:300
 Großbritannien       Absolut                            1:1.000          statistisch
 (London)                                                (im Jahr 2030)
 Dänemark             Eingeschränkt risikobasiert        1:50 bis         statistisch
                                                         1:1.000
Tab. 2: Übersicht über die gegenwärtig geforderten Sicherheitsstandards der ausgewerteten Staaten

                                                                                                          15
16

                                                                              Für Sie. Für Hamburg.
Abb. 1: Zusammenfassende Darstellung der heutigen Sicherheitsstandards
2.2.2.4Meeresspiegelanstieg                           net sind. Zudem unterscheiden sich die Vorher-
Die Höhe des einkalkulierten Meeresspiegelan-          sagezeiträume zum Teil deutlich voneinander.
stieges wird durchweg unterschiedlich veran-           Speziell für die Themse werden nur Prognosen
schlagt. Tab. 3 und Abb. 1 geben eine Übersicht        bis 2030 angestellt, da die Lebensdauer des
über die angenommenen Werte. Die Zuschläge             Themsesperrwerkes auf dieses Jahr terminiert
für die Bemessung reichen von 42 cm bis zum            ist. Ähnlich stellt es sich im Fall der Niederlan-
Jahr 2100 in Dänemark bis zu 120,5 cm in 2115          de dar, da dort die Prognose für den nächsten,
in Großbritannien. Dies liegt zum einen an lokal       fünfjährlichen Überprüfungszeitraum aufgestellt
unterschiedlichen Landhebungs- und Landsen-            wird.

 Staat/Region                     KalkulierterMeeresspiegelanstieg              Vorhersagezeitraum
 Niederlande                      6 bis 14 cm                                                1985–2011
 Belgien (Schelde)                22,5 cm                                                   2008–2050
                                  60 cm                                                      2008–2100
 Belgien (Flandern)               30 cm                                                     2008–2050
                                  60 cm                                                      2008–2100
 Großbritannien (Küste)           8,75 bis 14 cm                                             1990–2025
 (je nach Region)                 29,7 bis 39,5 cm                                           1990–2055
                                  59,7 bis 75,5 cm                                           1990–2085
                                  98,7 bis 120,5 cm                                          1990–2115
 Großbritannien (London)          0,08 cm / Jahr                                                  Bis 2030
 Dänemark                         10 bis 20 cm                                               2007–2050
                                  18 bis 59 cm                                               2007–2100
 Dänemark (Plan Vestkysten)       42 cm                                                      2008–2100
Tab. 3: Übersicht über den kalkulierten Meeresspiegelanstieg in den gegenwärtigen Planungen der
ausgewerteten Staaten

kungsprozessen, die in den relativen Meeres-           2.3ZukünftigeEntwicklungen–
spiegel vor Ort mit einfließen und zum ande-               AnpassungandenKlimawandel
ren schlichtweg an der Forschungsgrundlage,            Im Zuge der Anpassung an den Klimawandel
welche zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der          überarbeiten derzeit drei der vier betrachteten
jeweiligen Planung verfügbar war. So beruhen           Länder ihre Küstenschutzstrategien. Besonders
die Werte für Belgien, Dänemark und Groß-              in den Niederlanden werden sehr langfristige
britannien auf den vom IPCC veröffentlichten           Überlegungen mit einem zeitlichen Horizont bis
Werten. Die von Großbritannien veranschlagten          ins Jahr 2200 angestellt.
Werte stechen in ihrer Höhe hervor, allerdings
ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um re-       2.3.1JuristischeGrundlagen
lative Werte handelt, da die Landhebungs- und          Eine Reihe neuer Planungen und Gesetze sind
Landsenkungsprozesse hier bereits eingerech-           derzeit in der Aufstellung befindlich oder wurden

                                                                                                        17
erst in jüngster Vergangenheit verabschiedet.           und Antwerpen jeweils um bedeutende Agglo-
                        Tab. 4 gibt einen Überblick über die für die Zu-        merationsräume, welche besonderen Schutzes
                        kunft relevanten Planungs- und Gesetzestexte.           bedürfen.

                        Diese neuen Dokumente haben sehr unter-                 Es ist anzumerken, dass der „Aktualisierte Sig-
                        schiedliche räumliche Bezüge. So befindet sich          maplan“ in Belgien und der Plan „Vestkysten“ in
                        für die britische Küste derzeit eine neue Pla-          Dänemark erst in 2005 respektive 2008 aufge-
                        nung in der Umsetzung: Mit dem „Planning Po-            stellt worden sind, so dass hier momentan kein
                        licy Statement 25“ wurde im Rahmen des bri-             akuter Handlungsbedarf besteht.

                         Staat/Region                 Dokument                                                                 Jahr
                         Niederlande                  Küstenschutzgesetz (Wet op de Waterkering)                              1996
                                                      Deltagesetz (Deltawet)                                                 (2011)
                         Belgien (Schelde)            Aktualisierter Sigmaplan                                                2005
                         Belgien (Flandern)           Integrated Master Plan For Flanders Future Coastal Safety                2011
                         Großbritannien (Küste)       Küstenschutzgesetz (Coast Protection Act)                               1949
                                                      Planing Policy Statement 25                                             2008
                                                      Shoreline Management Plans (2. Generation)                               2010
                         Großbritannien (London) Thames Estuary 2100                                                           2012
                         Dänemark                     Küstenschutzgesetz                                                      1988
                                                      Vestkysten ´08                                                          2008
                        Tab. 4: Künftige juristische Grundlagen für den Küstenschutz in den untersuchten Staaten (Jahreszahlen in
                        Klammern weisen auf voraussichtliche Fertigstellungstermine hin)

                        tischen Programms „Making Space for Water“              2.3.2Verfahren
                        eine überarbeitete Strategie vorgegeben, wel-           Bei den Verfahren zur Berechnung des Bemes-
                        che sich aktuell in der Aufstellung der „Shoreline      sungswasserstandes geht die Tendenz weiter-
                        Management Plans“ der 2. Generation nieder-             hin zu einer Mischung aus statistischen und
                        schlägt. Ähnlich verhält es sich mit dem neuen          deterministischen Verfahren. Die deterministi-
                        „Deltagesetz“ in den Niederlanden, das eben-            schen Verfahrensbestandteile dienen vor allem
                        falls für die gesamte niederländische Küste Gel-        der Überprüfung der physikalischen Plausibilität.
                        tung haben wird.                                        Bei der Entscheidungsfindung, welche Sicher-
                                                                                heit für welchen Ort umgesetzt werden muss,
                        Ebenso wie das britische Vorhaben „Thames               wird zunehmend risikobasierend vorgegangen,
                        Estuary 2100“, welches sich auf die Themse und          was bedeutet, dass die vorhandenen Werte und
                        den Londoner Raum bezieht, hat auch der „Ak-            Menschenleben bei der Auswahl des erforderli-
                        tualisierte Sigmaplan“ in Belgien eher lokalen          chen Schutzniveaus berücksichtigt werden.
                        Charakter. Allerdings handelt es sich bei London

                        18

Für Sie. Für Hamburg.
Die Bemessung der Wasserstände in Belgien            2.3.2.1 Sicherheitsstandards
soll auch zukünftig nach den bisher angewand-        Die Definition von Sicherheitsstandards als Ver-
ten,   kombiniert   deterministisch-statistischen    gleichsinstrument wird auch in den zukünftigen
Verfahren erfolgen. Für die Umsetzung der Si-        Küstenschutzkonzepten erhalten bleiben, eine
cherheitsstandards an der flandrischen Küste         tatsächliche Vergleichbarkeit ist aber aufgrund
befinden sich sowohl risikobasierte als auch ab-     der uneinheitlichen Bemessungsverfahren auch
solute Sicherheitsstandards in der Diskussion,       in der kommenden Zeit nicht gegeben.
während für den Bereich der Schelde der absolu-
te Standard aufgegeben wurde und stattdessen         Bei der Definition der zukünftigen Sicherheits-
ein risikobasiertes Konzept eingeführt wurde.        standards stechen die Niederlande mit einer
                                                     Eintrittswahrscheinlichkeit von bis zu 1:100.000
Die bestehende, auf einer veralteten Kosten-         für die Provinzen Nord- und Südholland hervor.
Nutzen-Analyse basierende Strategie in den           Aber auch für die belgische Küste wurden die
Niederlanden soll an die heutigen Bevölkerungs-      Sicherheitsstandards erhöht.
und Wirtschaftszahlen angepasst werden. Die
Struktur der Deichringe wird allerdings erhalten     In Großbritannien werden die Schutzniveaus zu-
bleiben, so dass weiterhin relativ große Areale      künftig ebenfalls angehoben und betragen nun
einen einheitlichen Sicherheitsstandard bekom-       maximal 1:1.000. Zu beachten ist jedoch, dass
men werden. Daher ist dieses Konzept auch in         die britischen Sicherheitsstandards nur einen
Zukunft nicht als ein rein risikobasiertes zu be-    empfehlenden Charakter haben und nicht ver-
zeichnen, sondern weiterhin als eine Mischung        bindlich sind. Hiervon ausgenommen ist lediglich
aus absolutem und risikobasiertem Verfahren zu       London, dessen bestehender und verbindlicher
verstehen.                                           Sicherheitsstandard von 1:1.000 weiterhin gel-
                                                     ten soll. Dies geschieht mit einer Anpassungs-
In Großbritannien soll ebenfalls verstärkt risiko-   strategie, um das Schutzniveau auch im Hinblick
basiert gearbeitet werden, wohingegen London         auf den steigenden Meeresspiegel gewährleis-
im internationalen Vergleich eine Ausnahme dar-      ten zu können.
stellt, da hier auch zukünftig ein ausschließlich
auf Basis einer statistischen Eintrittswahrschein-   Dagegen wurde das Schutzniveau für die Schel-
lichkeit ermittelter absoluter Sicherheitsstandard   de von (allerdings nie umgesetzten) 1:10.000 auf
eingehalten werden soll. In Dänemark sollen die      maximal 1:4.000 in Antwerpen reduziert. Damit
Küstenschutzanlagen zukünftig ebenfalls auf der      ist London der einzige Agglomerationsraum in
Grundlage statistischer Eintrittswahrscheinlich-     den untersuchten Ländern, für den der Sicher-
keiten bemessen werden.                              heitsstandard nicht angehoben wird, sondern
                                                     auf seinem bisherigen Niveau verbleibt.

                                                                                                  19
Staat/Region          Bestimmungdererforder­          Sicherheits­      Bemessungsverfahren
                                               lichenSicherheitsstandards standard
                         Niederlande           Gemischt absolut und risiko-      Bis zu            Kombiniertes statistisch-
                                               basiert                           1:100.000         deterministisches Verfahren:
                                                                                                   „Prüfwasserstand“ (statis-
                                                                                                   tisch) + sonstige Einflüsse
                                                                                                   (determinist.)
                                                                                                   Gesondertes Verfahren für
                                                                                                   die fünfjährliche Überprüfung
                         Belgien (Schelde)     Risikobasiert                     1:1.000 bis       Kombiniertes determinis-
                                                                                 1: 4.000          tisch-statistisches Verfahren
                                                                                                   auf der Basis modellierter
                                                                                                   Sturmfluten
                         Belgien (Flandern) Risikobasiert oder absolut           1:1.000,          Kombiniert deterministisch-
                                                                                 1: 4.000 oder     statistisch
                                                                                 risikobasiert
                                                                                 mit lokal dif-
                                                                                 ferenzierten
                                                                                 Schutzniveaus
                         Großbritannien        Risikobasiert                     1:20 bis          Uneinheitlich
                         (Küste)                                                 1:1.000
                         Großbritannien        Absolut                           1:1.000           Statistisch
                         (London)
                         Dänemark              Eingeschränkt risikobasiert       1:50 bis          Statistisch
                                                                                 1:1.000
                        Tab. 5: Übersicht über die zukünftig geforderten Sicherheitsstandards der ausgewerteten Staaten

                        20

Für Sie. Für Hamburg.
Abb. 2: Zusammenfassende Darstellung der zukünftigen Sicherheitsstandards
Staat/Region                           KalkulierterMeeresspiegelanstieg                   Bezugsjahre
                         Niederlande                            65 bis 130 cm                                                2100
                                                                200 bis 400 cm                                               2200
                         Belgien (Schelde)                      22,5 cm                                                 2008–2050
                                                                60 cm                                                   2008–2100
                         Belgien (Flandern)                     22,5 cm                                                 2008–2050
                                                                60 cm                                                   2008–2100
                         Großbritannien (Küste)                 8,75 bis 14 cm                                          1990–2025
                         (je nach Region)                       29,7 bis 39,5 cm                                        2025–2055
                                                                59,7 bis 75,5 cm                                        2055–2085
                                                                98,7 bis 120,5 cm                                       2085–2115
                         Dänemark                               10 bis 20 cm                                            2007–2050
                                                                18 bis 59 cm                                            2007–2100
                         Dänemark (Plan Vestkysten)             42 cm                                                   2008–2100
                        Tab. 6: Übersicht über den kalkulierten Meeresspiegelanstieg in den zukünftigen Planungen der
                        ausgewerteten Staaten

                        2.3.2.2Meeresspiegelanstieg                           auch mit den unterschiedlichen Bemessungs-
                        Der in den belgischen Küstenschutzstrategien           horizonten zu erklären sind, die von 2025 bis
                        einkalkulierte Meeresspiegelanstieg wird eben-         2200 schwanken.
                        so wie derjenige für die britische Strategie aus
                        den Werten des IPCC abgeleitet und entspricht
                        somit unverändert den bereits bei den vorheri-
                        gen Strategien angewandten Werten. Der Un-
                        terschied zwischen belgischen und britischen
                        Werten liegt hauptsächlich darin, dass bei den
                        britischen bereits lokale Landhebungs- und
                        Landsenkungsprozesse enthalten sind. In den
                        Niederlanden hingegen wird insbesondere im
                        Rahmen der langfristig formulierten Planung
                        des neuen Deltagesetzes eine Kalkulation für
                        das Jahr 2200 aufgestellt, die Werte zwischen
                        200 und 400 cm vorsieht. Zusammenfassend
                        sind die verschiedenen nationalen Kalkulationen
                        in Tab. 6 dargestellt. Dabei ist darauf zu achten,
                        dass die zum Teil erheblichen Unterschiede in
                        der Höhe neben den verschiedenen Standards

                        22

Für Sie. Für Hamburg.
3NIEDERLANDE                                                   gegründete das niederländische Verkehrsmi-
3.1GeographischerundhistorischerÜber­                      nisterium die „Deltakommission“, welche am
    blick                                                       8. Oktober 1955 mit dem Delta-Plan ein umfang-
Die niederländische Küste hat eine Länge von                    reiches Küstenschutzprogramm vorstellte. Dies
523 km. Der südliche Teil wird vom Rhein-Maas-                  beschränkte sich allerdings überwiegend auf die
Schelde-Delta dominiert, der mittlere ist eine                  südlichen niederländischen Provinzen und ba-
Ausgleichsküste mit ausgeprägten Dünenfel-                      sierte im Wesentlichen auf folgenden drei Punk-
dern und -gürteln, an den sich im Norden bis zur                ten (MVW 2001):
deutschen Grenze ein System von Barriereinseln                  •   Verstärkung und Erhöhung der Deiche an
mit Rückseitenwatten anschließt. Etwa 60 % der                       Nordsee, Flüssen und Seen auf „Deltahöhe“.
niederländischen Landesfläche liegen unterhalb                  •   Abdämmung der Ästuare in den südlichen
des Meeresspiegels, so dass der Küstenschutz                         Niederlanden. Teilweise Bau von Sperrwer-
in den Niederlanden seit jeher von größter Be-                       ken, um dem Schiffsverkehr Rechnung zu tra-
deutung ist. In diesen tief liegenden Gebieten le-                   gen. Verkürzung der Deichlinie um ca. 700 km.
ben ca. 9 Mio. Menschen, die hier 60 % des nie-                 •   Stabilisierung von Dünen durch Sandunterfüt-
derländischen Wirtschaftsvolumens erbringen.                         terungen an Schwachstellen.

Zwei Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit                   Mit der Fertigstellung des Maeslantsperrwerks
prägen das heutige Küstenschutzsystem. Als                      im Nieuwe Waterweg bei Rotterdam als letztem
Folge der Sturmflut vom 13./14. Januar 1916                     Teilelement wurde der Deltaplan im Jahr 1997
wurde der Bau des Abschlussdammes in Angriff                    vollendet.
genommen, der 1932 fertig gestellt wurde und
seither das heutige Ijsselmeer von der Nordsee                  3.1.2Sandvorspülungen
abtrennt. Noch weit schlimmer waren die Nie-                    Ein bedeutender Teil der niederländischen Küste
derlande von der schweren Sturmflut vom 31.                     ist nicht durch Deiche, sondern durch natürliche
Januar auf den 1. Februar 1953 betroffen. Dabei                 Dünengürtel geschützt1, die allerdings der Ero-
erreichte der Pegelstand in Hoek van Holland ei-                sion unterliegen, so dass die Küstenlinie über
nen Wert von 3,85 m ü. NN. Es kam zu zahlrei-                   Jahrhunderte landwärts verlagert wurde. Im
chen Deichbrüchen, bei denen 400.000 ha Land                    Jahre 1990 beschloss die niederländische Regie-
überschwemmt wurden. Insgesamt starben                          rung keinen weiteren Landverlust an der Nord-
1836 Menschen und die Schäden beliefen sich                     see mehr zuzulassen. Sie formulierte im „Ersten
auf etwa 2 Mrd. Gulden (RIVM 2004).                             Küstenpolitischen Dokument“ (1E KUSTNOTA
                                                                1990) drei Hauptziele im Rahmen einer „dyna-
3.1.1Deltaplan                                                 mischen Erhaltung“, um weitere Erosion zu ver-
Aufgrund der verheerenden Auswirkungen der                      hindern:
Sturmflut von 1953 wurde ein umfangreiches                      •   Keine weitere landwärtige Verlagerung der
Küstenschutzprogramm in Angriff genommen.                            Küstenlinie
Bereits drei Wochen nach der Katastrophe                        •   Erhaltung der wertvollen Dünengebiete

1 Im Wesentlichen der Bereich zwischen Hoek van Holland und Den Helder
                                                                                                               23
•   Erhaltung des natürlichen, dynamischen Cha-                 stimmungen über Betrieb, Unterhalt und Bau
                             rakters der Küstenlinie                                     von Küstenschutzmaßnahmen formuliert und
                                                                                         Verantwortlichkeiten         verschiedener         involvier-
                        Erreicht werden konnten diese Ziele durch Sand-                  ter Parteien definiert. Wichtigster Punkt ist die
                        vorspülungen und Stimulation der natürlichen                     Festlegung eines einzuhaltenden Sicherheits-
                        Dünenbildung. Letztere wird dadurch erreicht,                    standards für jeden einzelnen der insgesamt 57
                        dass, anstelle von dicht bewachsenen Dünen,                      Deichringe2 in den Niederlanden (Art. 3). Gemäß
                        die eher Sanddeichen gleichen, natürliche Dü-                    Artikel 4 des Küstenschutzgesetzes ist alle fünf
                        nenbildungsprozesse zugelassen werden, so                        Jahre zu überprüfen, ob die Küstenschutzmaß-
                        dass die vorhandenen Dünen wachsen. Durch                        nahmen noch den geforderten Sicherheitsstan-
                        die intensiven Sandvorspülungen ist ausrei-                      dards entsprechen. Diese regelmäßige Kontrolle
                        chend Sand für die Dünenbildung vorhanden.                       wird aufgrund des steigenden Meeresspiegels
                                                                                         und der zunehmenden Sturmintensität für not-
                        Als Referenz wurde eine „Basisküstenlinie“ de-                   wendig erachtet. Alle Einzelbauwerke der im
                        finiert, welche der gemittelten Küstenlinie vom                  Küstenschutzgesetz aufgeführten Deichringe
                        1.1.1990 entspricht. Im Jahre 1995 wurden die                    werden als primäre Küstenschutzmaßnahmen
                        Ziele und Vorgehensweisen in einer überarbei-                    definiert, alle sonstigen als sekundäre.
                        teten Version des Dokuments bestätigt. Die
                        Erosion konnte mit verhältnismäßig geringem                      Die niederländische Regierung ist für die Formu-
                        Aufwand (30 Mio. € pro Jahr) gestoppt werden,                    lierung und Umsetzung der Küstenschutzpolitik
                        nicht aber der weitere Sandverlust im tieferen                   zuständig und betreibt selbst einige herausra-
                        Küstenvorfeld. Hierfür wurden ab 2001 weitere                    gende Küstenschutzbauwerke, wie z.B. die gro-
                        15 Mio. € bewilligt. Zudem sollte mehr für die                   ßen Sturmflutsperrwerke. Zudem obliegt ihr die
                        natürliche Entwicklung der Dünen getan wer-                      Finanzierung von Bau und Unterhalt der Küsten-
                        den. Eine weitere Evaluation der Strategie, die                  schutzmaßnahmen. Die Regierungen der zwölf
                        das bisherige Vorgehen grundsätzlich abermals                    Provinzen beaufsichtigen alle Küstenschutzmaß-
                        bestätigte, fand 2000 statt. Die Sandvorspülun-                  nahmen in ihrem Gebiet, stellen regionale Was-
                        gen wurden für geeignet befunden, sind aller-                    sermanagementpläne auf und überwachen zu-
                        dings noch effektiver und billiger, wenn der Sand                dem die Aktivitäten der lokalen Wasserbehörden
                        nicht auf den Strand, sondern unter Wasser auf-                  und Gemeinden, einschließlich der Koordination
                        gebracht wird (3E KUSTNOTA 2000).                                in Notfallsituationen bei großen Überschwem-
                                                                                         mungen. Der Großteil der insgesamt ca. 3.585
                        3.2JuristischeGrundlagen                                       km langen See- und Binnendeiche wird von 27
                        3.2.1Küstenschutzgesetz                                         Wasserbehörden betrieben (3E KUSTNOTA
                        Die niederländische Regierung erließ 1996 ein                    2000).
                        spezielles Hochwasserschutzgesetz (WET OP
                        DE WATERKERING). Mit diesem werden Be-

                        2 Ein Deichring ist ein geschlossener Ring aus Küstenschutzmaßnahmen wie Deiche, Dünen oder Sperrwerke, der ein darin liegendes
                          Gebiet vor Überschwemmungen schützt.

                        24

Für Sie. Für Hamburg.
3.2.2ReglementierteRaumordnung                      Um die Konkurrenz zwischen Sicherheit und
An der niederländischen Küste finden Leben            räumlicher Entwicklung etwas zu entschär-
und Erholung teilweise an Orten statt, die durch      fen, wird die Nutzung innovativer Konzepte
ihre Exposition hohen Risiken ausgesetzt sind,        angestrebt. Ziel ist die Kombination von Küs-
da der geforderte Sicherheitsstandard nur hinter      tenschutzbauwerken mit anderen technischen
Deichen und Dünen gewährleistet werden kann.          Maßnahmen, um sie gemeinsam nutzen zu
Eine weitere Expansion dieser exponierten Ur-         können. Folgende Möglichkeiten, um derartige
laubsanlagen wird das Risiko zusehends erhö-          kombinierte Nutzungen umzusetzen, werden als
hen. Um diese Risiken an der Küste kontrollie-        sinnvoll erachtet (BELEIDSLIJN KUST 2007):
ren zu können, ist die weitere Entwicklung von        •   Zeitlich begrenzte Bauwerke
Ferienorten auf innerhalb spezieller raumordne-       •   Aufnahme von Doppel- bzw. Haupt- und Ne-
rischer Grenzen gelegene Bereiche beschränkt.              bennutzung in den Nutzungsplan
Für bereits bestehende, dicht an der Küste lie-       •   Kosten-Nutzen-Analyse von Investitionen, er-
gende Bauwerke wird ein höheres Risiko akzep-              warteter Nutzen und Schaden bei Abriss
tiert, so dass keine bestehenden Gebäude ent-         •   Innovatives und risikobewusstes Bauen
fernt werden müssen.
                                                      Innovative Bauweisen können die Schäden bei
                                                      unerwarteten Überflutungen deutlich reduzie-
                                                      ren und somit die Belange von Sicherheit und
                                                      räumlicher Entwicklung besser vereinigen. Ein
                                                      weiteres raumordnerisches Instrument ist die
                                                      Designierung von Flächen, die bei zukünftigen
                                                      Deicherhöhungen erforderlich sein werden.
                                                      Diese, zumeist hinter den bestehenden Küsten-
                                                      schutzmaßnahmen gelegenen Flächen sollen
Abb. 3: Yes-if und No-unless Ansatz in der Raumord-   eine Breite von ca. 75 m haben und zwischen-
nung für Küstenstädte (3E KUSTNOTA 2000)
                                                      zeitlich nicht für kostenintensive Bebauung frei-
Die Anwendung der raumordnerischen Grenzen            gegeben werden. Mittels dieser Reservierengen
sind in Abb. 3 schematisch dargestellt. Innerhalb     soll dem Meeresspiegelanstieg bis 2200 Rech-
der Grenzen darf unter dem Vorbehalt gebaut           nung getragen werden können (BELEIDSLIJN
oder umgebaut werden, dass Freizeitaktivitäten        KUST 2007).
und der Tourismus verbessert werden (Yes-if An-
satz). Außerhalb der Grenzen ist keine weitere
städtische Entwicklung zulässig, es sei denn, ein
Bauprojekt kann nirgends anders platziert wer-
den oder großes öffentliches Interesse ist mit
dem Bau verbunden (no-unless Ansatz) (NOTA
RUIMTE 2006; BELEIDSLIJN KUST 2007).

                                                                                                    25
3.3Bemessung                                         Überschreitungs­        Farbe     Regionen
                        3.3.1Sicherheitsstandard                             Wahrscheinlichkeit in
                        Im niederländischen Küstenschutzgesetz ist für        1:1.250                            Flüsse
                        jeden Deichring ein einzuhaltender Sicherheits-       1:2.000                            Übergang
                        standard festgelegt. Der Sicherheitsstandard                                             zwischen
                        wird als durchschnittliche jährliche Überschrei-                                         Küste,
                        tungswahrscheinlichkeit der höchsten Hochwas-                                            Flüssen und
                        serstände, welchen die erste Deichlinie stand-                                           Watteninseln
                        halten können muss, definiert. Die Deichringe         1:4.000                            Delta, Nord-
                        mit ihrem jeweiligen Sicherheitsstandard sind                                            Niederlande,
                        in Abb. 4 wiedergegeben (Section 3; Annex II,                                            Ijsselmeer-
                        WET OP DE WATERKERING)                                                                   gebiet und
                                                                                                                 Texel
                        Die Sicherheitsstandards an der Küste liegen          1:10.000                           Holländische
                        zwischen 1:2.000 und 1:10.000. Deren Festle-                                             Küste
                        gung für die einzelnen Deichringe hängt von der      Tab. 7: Überschreitungswahrscheinlichkeiten in den
                        Art der möglichen Überflutung, der Anzahl be-        Niederlanden (WET OP DE WATERKERING, BIJLAGE II)
                        troffener Menschen und Werte sowie einiger na-
                        turschutztechnischer und historischer Interessen     Für die niederländischen Flüsse wurde in den 1970er
                        ab. Sie basiert auf einer in den 1960er Jahren er-   Jahren ein Sicherheitsstandard von 1:1.250 aus dem
                        stellten ökonomischen Betrachtung, bei der grob      Deltaplan abgeleitet. Dieser deutlich niedrigere Wert
                        die Kosten einer weiteren Deicherhöhung gegen        erscheint ausreichend, weil einerseits Süßwasser
                        die Reduktion der potentiellen Schadenssumme         im Falle einer Überschwemmung erheblich weniger
                        einer Überflutung abgewogen wurden.                  Schäden anrichtet als Seewasser und andererseits,
                                                                             weil Binnenhochwasserereignisse besser vorher-
                                                                             sagbar sind. Die Übergangsbereiche zwischen Flüs-
                                                                             sen und Meer werden mit einem höheren Sicher-
                                                                             heitsstandard von 1:2.000 geschützt.

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Für Sie. Für Hamburg.
Abb. 4: Deichringgebiete mit zugehörigen Sicherheitsstandards (TAW 2000)

                                                                           27
3.3.2Bemessungswasserstände                         3.4ZukünftigeEntwicklung
                        Grundlage für die niederländischen Bemes-            Um einer langfristigen Planung des Küsten-
                        sungswasserstände         sind   „Basiswasserstän-   schutzes Rechnung zu tragen, hat die nieder-
                        de“, deren Ermittlung auf einem kombinierten         ländische Regierung die Deltakommission mit
                        statistisch-deterministischen     Ansatz   beruht.   dieser Aufgabe betraut, deren Kernfrage lautet:
                        Der statistische Teil des Verfahrens basiert auf     „Wie können wir dafür sorgen, dass unser Land
                        der Erstellung einer Extremwertverteilung. Die       noch vielen kommenden Generationen ein Ort
                        Datengrundlage bilden in der Vergangenheit be-       zum Wohnen und Arbeiten, zum Investieren und
                        obachtete Pegelstände an neun verschiedenen          Erholen bleibt und vor Überflutungen sicher ist?“
                        Pegeln mit möglichst weit zurückreichenden
                        Messreihen, welche extrapoliert werden. Um           Den Empfehlungen der Kommission (DELTA-
                        die Basiswasserstände auch für jeden zwischen        COMMISSIE 2008) zufolge soll die gesamte
                        den neun Pegeln liegenden Ort ermitteln zu kön-      heutige Landfläche der Niederlande erhalten blei-
                        nen, werden deterministische Verfahren in Form       ben und ist somit vor zukünftigen Sturmfluten zu
                        von hydrodynamischen Computermodellen her-           schützen. Sicherheit und Nachhaltigkeit sind da-
                        angezogen. Dies erfolgt anhand der Simulation        her die beiden Pfeiler, auf denen die Strategie in
                        verschiedener historischer Stürme in manipulier-     den kommenden Jahrhunderten basieren muss.
                        ter Form. Die Manipulationen liegen einerseits       Die Bestimmung des Risikos in den Deichringen
                        in der Verstärkung der Windfelder, andererseits      muss anhand dreier Elemente angepasst wer-
                        in der Verschiebung der Gezeiten zum Windfeld.       den, die besonders auf die Verringerung mögli-
                        Auf diese Weise soll den verschiedensten Kom-        cher Opfer im Katastrophenfall abzielen:
                        binationen der natürlichen Einflüsse Rechnung        •   Die Wahrscheinlichkeit für Menschen, bei
                        getragen werden.                                          einer Überflutung zu überleben muss über-
                                                                                  all gleich hoch sein, da ein Menschenleben
                        Eine genaue Erläuterung der Ermittlung der hy-            überall gleich viel wert ist. Die Kommission
                        draulischen Rahmenbedingungen ist im Anhang               schlägt hierfür eine Wahrscheinlichkeit von
                        NL - 1 zu finden.                                         1:1.000.000 vor, da dieser Wert Risiken in an-
                                                                                  deren Bereichen wie etwa der Industrie oder
                        3.3.3Meeresspiegelanstieg                                bei Gefahrguttransporten entspricht.
                        Zur Ermittlung des Meeresspiegelanstieges            •   Die Reduzierung der Wahrscheinlichkeit be-
                        wird der Anstieg des Mittleren Tidehochwas-               sonders vieler Opfer bei einer Überflutung.
                        sers herangezogen, welcher aus gemessenen                 Dieses „Gruppenrisiko“ erscheint der Kom-
                        Pegelständen bestimmt wird. Bezogen auf das               mission nicht akzeptabel, ein konkreter An-
                        Referenzjahr 1985 liegt der Anstieg bis 2011 zwi-         satz zu dessen Reduzierung bleibt aber aus.
                        schen 0,06 und 0,14 m (HR 2006).                     •   Möglicher Schaden darf sich nicht nur auf öko-
                                                                                  nomische Schäden beschränken. Auch Schä-
                         KalkulierterMeeresspiegelanstieg1985­2011:
                                                                                  den an Landschaft, Kultur- und Naturgütern
                                            0,06bis0,14m
                                                                                  usw. sollten berücksichtigt werden.

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Für Sie. Für Hamburg.
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