IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen

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IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA JOURNAL                                            02/2022

→ Auswirkungen des Klimawandels
   auf die Arbeitswelt
    Interview

    → Psychische Beanspruchung
       durch die SARS-CoV-2-Pandemie

    → Toxische Wirkungen von Partikeln
       Einfluss verschiedener P
                              ­ artikeleigenschaften
IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
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IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Editorial

    Editorial

Liebe Leserinnen
und Leser
Die Auswirkungen steigender Temperaturen infolge des             In diesem Kontext sprechen wir im Interview mit Prof.
Klimawandels werden uns immer häufiger drastisch vor             Thomas Alexander von der BAuA und Prof. Manigé
Augen geführt. Sie betreffen mittlerweile alle Lebensbe-         Fartasch aus dem IPA über die Folgen des Klimawandels
reiche. Der Klimawandel stellt daher auch an die Sicher-         unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen
heit und Gesundheit bei der Arbeit besondere Herausfor-          der solaren UV-Strahlung auf den Anstieg der Haut-
derungen. Die Folgen für die Arbeitswelt zeigen sich unter       krebsrate. „Dass es keine gesunde Bräune gibt“ und
anderem im aktuellen Bericht der International Labour            „Sonnenschutz cool werden muss“ sind Kernaussagen
Organization (ILO) zu den Auswirkungen von Hitzestress.          zur Sensibilisierung von Beschäftigten für das Thema
Alleine durch den Hitzestress wird ein weltweiter Ausfall        Sonnenschutz (→ Seite 42).
der Gesamt­arbeitszeit von mehr als 2 Prozent pro Jahr
prognostiziert. Den entsprechenden finanziellen Verlust          Im IPA erforschen wir in diesem Zusammenhang mittels
schätzt die ILO auf 2.400 Milliarden US-Dollar bis zum           Human-Biomonitoring die Verstoffwechslung der in
Jahr 2030.                                                       Sonnencremes enthaltenen UV-Filter beim Menschen.
                                                                 Ab → Seite 36 erfahren Sie den aktuellen Stand der For-
Der Klimawandel betrifft letztlich auch alle Versicherten        schung der hierzu von uns neu entwickelten Biomarker.
der gesetzlichen Unfallversicherung. Für Prävention
und Arbeitsmedizin stehen die gesundheitlichen Aus-              Der Klimawandel als eine der globalen Herausforderun-
wirkungen durch Hitzestress, UV-Strahlung, Allergene,            gen macht es notwendig, dass Wissenschaft und Praxis
neu auftretende Infektionserreger, erhöhte Pestizid- und         sich noch stärker miteinander vernetzen, um gemein-
Chemikalienbelastung, Brandbekämpfung sowie zuneh-               sam Lösungsstrategien zu entwickeln. Hier engagiert
mender psychischer Belastungen im Fokus.                         sich das IPA bei der Förderung des wissenschaftlichen
                                                                 Austauschs, wie zum Beispiel mit der Veranstaltungs-
Die steigende UV-Belastung und der Hitzestress be-               reihe „Allergie im Fokus“ zum Thema Umwelt, Klima-
treffen vorwiegend sogenannte Outdoor-Worker – also              wandel, Exposition und deren Einfluss auf allergische
insbesondere Beschäftigte im Bau-Bereich, in der                 Erkrankungen (→ Seite 40).
Land- und Forstwirtschaft oder in Gartenbaubetrieben.
Verlängerte Vegetationsperioden mit verstärktem und              Der Klimawandel ist nicht ein Problem der Zukunft, son-
frühzeitig einsetzendem Pollenflug in Folge steigender           dern die Folgen beeinflussen bereits jetzt unser Leben
Temperaturen können die Gesundheit vieler Menschen               erkennbar. Dies motiviert uns, auch hier mit unserer
belasten und Auslöser für Rhinitis, Asthma sowie akute           breit aufgestellten Forschungsexpertise die Unfallver-
Atemwegserkrankungen sein.                                       sicherungsträger zu beraten und zu unterstützten, damit
                                                                 die Menschen auch unter veränderten Bedingungen
Damit unter den Bedingungen des Klimawandels Arbei-              sicher und gesund arbeiten können.
ten jetzt und in Zukunft sicher und gesund möglich ist,
müssen vielfach maßgeschneiderte Lösungen gefunden               Ihr
werden. Dafür sind oft neue wissenschaftliche Erkennt-           Thomas Brüning
nisse notwendig, die nur durch Forschung generiert
werden können.

                                                             3
IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
Impressum

Herausgegeben von:
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Glinkastr.40
10117 Berlin
Telefon: 030 13001-0

Verantwortlich: Prof. Dr. Thomas Brüning, Institutsdirektor

Redaktion:
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV
Institut der Ruhr-Universität Bochum
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Telefon: 030 13001-4000
Telefax: 030 13001-4003
E-Mail: ipa@dguv.de
Internet: www.dguv.de/ipa

Dr. Thorsten Wiethege,
Dr. Monika Zaghow (Redaktionsleitung)

Titelbild: Sculpies/stock.adobe.com
Bildnachweis: S. 3: André Stephan/Morsey & Stephan;
S. 6: Bernd Naurath, IPA; S. 7: Benjamin B. Stöß/stock.
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Satz & Gestaltung: Atelier Hauer + Dörfler GmbH, Berlin

Druck: MedienSchiff BRuno, www.msbruno.de

ISSN: 1612-9857
ISSN (Online): 2751-3246

Bei den Beiträgen im IPA Journal handelt es sich im
­Wesentlichen um eine Berichterstattung über die Arbeit
 des Instituts und nicht um Originalarbeiten im Sinne einer
 wissenschaftlichen Publikation.
IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Inhalt

                                        Inhalt

                                        Editorial. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

                                        Meldungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Allergieentwicklung beim Umgang         Arbeitsmedizinischer Fall
mit Labortieren                                 Prostatakrebs in Folge beruflicher ­Tätigkeit im Feuerwehrdienst?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
→ Seite 24
                                        Aus der Forschung
                                                Quantitative Bestimmung von ­Antikörpern gegen
                                                das Coronavirus (SARS-CoV-2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
                                                Psychische Beanspruchung durch die SARS-CoV-2-Pandemie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
                                                Längsschnittstudie zur Allergie­entwicklung beim Umgang mit
                                                Labortieren im Rahmen der Ausbildung zur ­biologischen Laborfachkraft.. . . . . . . 24
                                                Toxische Wirkung von arbeits­medizinisch relevanten Partikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
                                                Sonnenschutz: Human-Biomonitoring für UV-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

                                        Für Sie gelesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 31

                                        Interview
                                                Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf Sicherheit
UV-Filter in Sonnenschutzmitteln.               und Gesundheit bei der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
­Neuentwickelte Biomarker für die
 Expositionsabschätzung                 Aus der Praxis
 → Seite 36                                     Mit individuellen Präventionspaketen zum Erfolg .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

                                        Kongresse
                                                Allergie und Klimawandel im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
                                                Pneumologie – Entwicklung und Fortschritt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

                                        Neue Publikationen aus dem IPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

                                        Termine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Untersuchung zur Expositionsreduktion
an Schweißarbeitsplätzen
→ Seite 47

                                                                                   5
IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Meldungen

    Meldungen

                                                                 Das IPA hat bereits in den Vorläuferprojekten „European
                                                                 Human Biomonitoring Initiative“ (HBM4EU) und „Con-
                                                                 sortium to Perform Human biomonitoring on a European
                                                                 Scale“ (COPHES) seine Expertise eingebracht. Hierbei
                                                                 baute es die zentrale Qualitätssicherung in diesen Projek-
                                                                 ten mit auf, entwickelte passendes Kontrollmaterial und
                                                                 organisierte Ringversuche unter Beteiligung von insge-
                                                                 samt 80 weltweit teilnehmenden Laboren aus 28 Ländern.

                                                                 Für die Aktivitäten des IPA wurden im Rahmen von PARC
                                                                 bereits rund 1,3 Millionen Euro Fördermittel bewilligt.
                                                                 Für die geplanten Analysen auf Schadstoffbelastungen
                                                                 der europaweit gesammelten Proben sind weitere Mittel
                                                                 vorgesehen.
IPA an neuem Projekt der EU zur
Risikobewertung von Chemikalien
beteiligt
Neue Wege bei der Bewertung von chemischen Stoffen
geht die „PARC“-Initiative der Europäischen Union (EU).
„PARC“ steht für „European Partnership for the Assess-
ment of Risks from Chemicals“. Die wesentlichen Ziele von
PARC sind bei der Risikobewertung von Chemikalien die
europäische Zusammenarbeit zu fördern, die Forschung             Forschungsbericht Berufskrankheiten
zu intensivieren, das Wissen um die gesundheitlichen Risi-
ken von Chemikalien zu erweitern und die entsprechenden          Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Berufs-
methodischen Fertigkeiten zu schulen, um so die Gesund-          krankheitenrechts stellen die DGUV und die Unfallversi-
heit der Menschen und die Umwelt besser zu schützen.             cherungsträger in einem jährlichen Bericht ihre Forschung
Das Programm hat ein Fördervolumen von insgesamt 400             im Bereich Berufskrankheiten dar. Durch den Bericht soll
Millionen Euro für die nächsten sieben Jahre. Da die Auf-        der Stellenwert der Forschung über Berufskrankheiten
gaben sehr umfangreich und die Ziele ehrgeizig sind, wur-        betont sowie die Transparenz der Forschung und der For-
de das Projekt in verschiedene Arbeitspakete unterteilt.         schungsförderung durch die gesetzliche Unfallversiche-
                                                                 rung erhöht werden. Für die Jahre 2020 und 2021 wurden
Das IPA arbeitet in den Arbeitspaketen „Labornetz-               jetzt die ersten Berichte veröffentlicht. Darin werden für
werke“, „Ausbau von Biomonitoring-Kapazitäten“ und               das Jahr 2020 126 Projekte und für das Jahr 2021 insgesamt
„­Laboranalyse und Qualitätssicherung“ mit. Aufgrund             141 Projekte vorgestellt. Enthalten sind dabei auch zahlrei-
seiner toxikologischen Kompetenzen beteiligt sich das            che Projekte aus dem IPA, die sich mit Forschungsthemen
IPA auch an der Ableitung von human-biomonitoring                zu verschiedenen Berufskrankheiten und auch deren Prä-
basierten Richtwerten, den sogenannten HBM-guidance              vention beschäftigen. Die ausführlichen Berichte können
values (HBM-GV) und an der Entwicklung von Konzepten             im Internet unter → https://publikationen.dguv.de/versi-
zur Erfassung und Beurteilung von Mischexpositionen.             cherungleistungen/berufskrankheiten/abgerufen werden.

                                                             6
IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Meldungen

Aktualisierter Berufskrankheiten-
Report 1/2022 „BaP-Jahre“ erschienen
Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubil-
dungen der Harnwege sowie Lungenkrebs- und Kehlkopf-
krebs, verursacht durch die arbeitsbedingte Einwirkung
Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK),
können als Berufskrankheiten (BK-Nr. 1321, 4110, 4113 und
4114) anerkannt werden. In den Ermittlungsverfahren zu
diesen sogenannten Dosis-Berufskrankheiten müssen im
Rahmen der Arbeitsanamnese teils lang zurückliegende
Expositionen ermittelt werden und in Form einer kumu-
lativen, auf die PAK-Leitkomponente Benzo[a]pyren (BaP)
bezogene Dosis in Form sogenannten BaP-Jahre angege-
ben werden. Ein BaP-Jahr entspricht dabei der inhalati-
ven Einwirkung von 1 µg BaP pro m3 über ein Jahr. In der
nunmehr vorliegenden 3. Auflage des BK-Reports werden
quantitative Informationen zur Ermittlung der Benzo[a]-
                                                                Berufliche Exposition als
pyren-Dosis an nicht mehr vorhandenen Arbeitsplätzen            Feuerwehreinsatzkraft als
gegeben. Die aufgeführten Expositionsdaten stammen
überwiegend aus der Expositionsdatenbank MEGA des
                                                                krebserzeugend eingestuft
Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen          Die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der
Unfallversicherung (IFA). Die in diesem BK-Report zusam-        Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einer Neube-
mengestellten Hinweise sollen das Feststellungsverfahren        wertung die berufliche Exposition als Feuerwehreinsatz-
beschleunigen und eine einheitliche Beurteilungspraxis          kraft als krebserzeugend eingestuft (Kategorie 1) (Demers
sicherstellen. An der Überarbeitung waren zahlreiche            et al. 2022). Grundlage dafür ist die aus Sicht der IARC
Expertinnen und Experten verschiedener Unfallversiche-          ausreichende hohe Evidenz für den Zusammenhang zwi-
rungsträger, des IFA und auch des IPA beteiligt.                schen der Exposition, denen die Feuerwehreinsatzkräfte
→ https://publikationen.dguv.de/versicherungleistungen/         ausgesetzt sind und dem Vorliegen von Mesotheliomen
berufskrankheiten/4519/bk-report-1/2022-ermittlung-der-         und Blasenkarzinomen. Begrenzte Evidenz liegt für Ko-
benzo-a-pyren-dosis-bap-jahre                                   lon-, Prostata- und Hoden-Karzinome sowie für Mela-
                                                                nome und Non-Hodgkin-Lymphome vor. Im Jahr 2007
                                                                hatte die IARC die Arbeit der Feuerwehreinsatzkraft noch
                                                                als möglicherweise krebserzeugend (Kategorie 2B) ein-
                                                                gestuft. Die Neubewertung trägt damit der verbesserten
                                                                Studienlage der letzten 15 Jahre Rechnung.

                                                                Demers PA, DeMarini DM, Fent KW, et al. Carcinogenicity of occupational
                                                                exposure as a firefighter, Lancet Oncol, 2022; Online ahead of print DOI:
                                                                10.1016/S1470-2045(22)00390-4

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IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

 Prostatakrebs in Folge beruflicher
­Tätigkeit im Feuerwehrdienst?
Herausforderungen am Beispiel einer gutachterlichen Einzelfall-Bewertung

      Christian Eisenhawer, Dirk ­Pallapies,
      Thomas Behrens, Dirk Taeger,
      ­Heiko ­U. Käfferlein, Thomas Brüning

Über die Ursachen der Entstehung des Prostatakrebs ist wenig bekannt. Neben genetischen
Faktoren gilt das Alter als eindeutiger Risikofaktor. Mögliche Zusammenhänge zwischen
­beruflichen Einwirkungen und dem Prostatakrebs sind im Einzelfall unter Berücksichtigung der
 aktuellen wissenschaftlichen Literatur und der verfügbaren belastbaren epidemiologischen
 Daten ­gutachterlich zu beurteilen.

Rechtliche Grundlagen und Fragestellung                       erheblich höherem Grad ausgesetzt sind als die übrige
                                                              Bevölkerung (§ 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII). Grundsätz-
Im Sozialgesetzbuch VII wird gefordert, dass Erkrankun-       liche Voraussetzung für jede Berufskrankheit ist die auf
gen im Sinne einer Berufskrankheit nach gesicherten           medizinisch-wissenschaftlicher Grundlage gewonnene
medizinischen Erkenntnissen durch besondere Einwir-           Erkenntnis über die Eignung eines bestimmten Gefahr-
kungen verursacht sein müssen, denen bestimmte Per-           stoffs oder einer Einwirkung, eine bestimmte Erkrankung
sonengruppen aufgrund ihrer versicherten Tätigkeit in         zu verursachen (generelle Geeignetheit).

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IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

       Kurz gefasst                                             In dem im IPA begutachteten Fall war zu beurteilen, ob
                                                                neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die be-
                                                                gründen, dass der bei einem Versicherten diagnostizierte
   Die Ätiologie des Prostatakrebs ist – mit Ausnahme           Prostatakrebs durch die spezifischen beruflichen Exposi-
   von Alter und genetischen Faktoren – weitgehend              tionen und Einwirkungen im Rahmen einer mehr als drei
   ­ungeklärt.                                                  Jahrzehnte langen Tätigkeit im Feuerwehrdienst ursäch-
                                                                lich oder zumindest teilursächlich verursacht wurde.
   Beschäftigte im Feuerwehrdienst können im Rahmen
   von Brandeinsätzen gegenüber verschiedenen poten-
   tiell kanzerogenen Gefahrstoffen exponiert sein.
                                                                Berufliche Sachlage
   Es liegen derzeit keine ausreichenden wissenschaft-
   lichen Erkenntnisse vor, die einen ursächlichen Zusam-       In dem vorliegenden Fall war eine bis zur Diagnose der
   menhang der Tätigkeit im Feuerwehrdienst und der Er-         Tumorerkrankung mehr als drei Jahrzehnte lange Tä-
   krankung an einem Prostatakrebs begründen können.            tigkeit bei der freiwilligen Feuerwehr mit zahlreichen
                                                                Brandeinsätzen und eine hiermit verbundene Tätigkeit
                                                                in Nachtarbeit zu berücksichtigen.

Im Einzelfall ist nach einer gründlichen retrospektiven
Ermittlung der Einwirkungen zu prüfen, ob diese im Rah-         Medizinische Sachlage
men der versicherten Tätigkeit die vorliegende Krankheit
verursacht haben. Man spricht hier von der sogenannten          Über die Ätiologie des Prostatakrebs ist wenig bekannt
haftungsbegründenden Kausalität. Dieser Ursachenzu-             (Blanc-Lapierre et al. 2018). Neben genetischen Faktoren
sammenhang muss hinreichend wahrscheinlich sein.                gilt das Alter als eindeutiger Risikofaktor. In vielen Fällen
Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursäch-             bleibt die Ätiologie aber unklar.
lichen Zusammenhangs zu bejahen, „muss sich unter
Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von            Bei dem Versicherten wurde im Jahr 2011 im Alter von 50
Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsicht-       Jahren ein Adenokarzinom der Prostata im Tumorstadium
lich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und deutlich         T2N0 im Rahmen eines „Prostata-spezifischen Antigen“
mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang              (PSA)-Screenings diagnostiziert. Therapeutisch erfolg-
spricht“ (BSG 2001, 2006). Außerdem haben die Un-               te sowohl eine komplette Entfernung der ­Prostata wie
fallversicherungsträger nach § 9 Absatz 2 SGB VII eine          auch der Beckenlymphknoten. Aufgrund des vergleichs-
Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet         weise jungen Erkrankungsalters wurde eine Tumor­
ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen            genomsequenzierung mit Keimbahndiagnostik veran-
nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versiche-         lasst. Hinweise auf eine genetische Prädisposition für die
rungsfall anzuerkennen, sofern zum Zeitpunkt der Ent-           Tumorerkrankung ergaben sich nicht. Der Versicherte war
scheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen            Nieraucher.
Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung
nach § 9 Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.
                                                                Zu beurteilende berufliche und individuelle
In der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung sind            ­Risikofaktoren
Erkrankungen aufgenommen, für die hinreichende wis-
senschaftliche Erkenntnisse für einen Zusammenhang              In dem vorliegenden Fall werden ein frühes Erkrankungs-
der Erkrankung und einer ursächlichen beruflichen Ein-          alter und fehlende Hinweise für eine genetische Prädis-
wirkung vorliegen. Prostatakrebs gehört bislang nicht zu        position als Indiz für eine exogene Genese diskutiert. In
den Erkrankungen, die in dieser Anlage als organspezi-          diesem Kontext sind die beruflichen Gefahrstoffexpositio-
fische Berufskrankheit verzeichnet sind. Im Zusammen-           nen durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
hang mit einer beruflichen Tätigkeit im Feuerwehrdienst         (PAK), Cadmium, Dioxin und Benzol während einer mehr
wurden bislang Erkrankungen an Prostatakrebs auch               als drei Jahrzehnte langen Tätigkeit im Feuerwehrdienst
nicht „wie eine Berufskrankheit“ nach § 9 Absatz 2 SGB          sowie die mit der Tätigkeit verbundene Schichtarbeit (als
VII anerkannt.                                                  Kofaktor) als ursächlich für den vorliegenden Prostata-
                                                                krebs gutachterlich zu bewerten.

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IPA JOURNAL 02/2022 Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt - Interview - DGUV Publikationen
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

Ein frühes Erkrankungsalter kann bei vielen Krebs­
erkrankungen grundsätzlich auf besondere Erkrankungs-
umstände hinweisen, wobei berufliche neben außerbe-
ruflichen Risiken als einer von vielen Faktoren diskutiert
werden. Ein frühes Erkrankungsalter allein erlaubt daher
nicht zwangsläufig den Rückschluss auf eine berufliche
Genese einer Erkrankung. Bezogen auf Prostatakrebs ist
nach der wissenschaftlichen Literatur ein Erkrankungs-
alter von 50 Jahren zwar niedrig, aber nicht außerge-
wöhnlich (Krebs in Deutschland 2021). Einzelne pathoge-
netische Varianten im genetischen Material als Hinweis
für eine mögliche familiäre Prädisposition konnten nach
der aktuellen Literatur nur in wenigen Fällen identifiziert
werden. In den weitaus meisten Fällen waren genetische
Risikofaktoren dagegen nicht zu eruieren.

Das vorliegende Erkrankungsalter und die fehlende fami-
liäre Disposition stellten somit in dem vorliegenden Fall            Die bisherige Beurteilung der IARC für Prostatakrebs hat
kein entscheidungsrelevantes Argument für eine vermu-                in einer Metaanalyse ein um 30 % erhöhtes Risiko für
tete berufliche Verursachung dar.                                    Feuerwehreinsatzkräfte gegenüber Nicht-Einsatzkräften
                                                                     beschrieben (IARC, 2010). In den 16 Studien, die dieser
                                                                     Metaanalyse zugrunde liegen, werden konkurrierende be-
Epidemiologische und toxikologische Bewertung                        rufliche und außerberufliche Risikofaktoren jenseits des
beruflicher Risiken für Feuerwehreinsatzkräfte                       Feuerwehrdienstes allerdings nur unvollständig oder gar
                                                                     nicht berücksichtigt. Eine neuere Metaanalyse beschrieb
Die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der                 ein leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko von 15 % (Jalilian
Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte im Jahr 2007                et al. 2019). In dieser Metaanalyse wurden jedoch nicht
die berufliche Exposition als Feuerwehreinsatzkraft als              alle zum Zeitpunkt der Erstellung verfügbaren Studien
möglicherweise krebserzeugend für den Menschen (Kate-                eingeschlossen. Die bis dato aktuellste Metaanalyse, die
gorie 2B) ein (Straif et al. 2007, IARC 2010). Die Einstufung        2021 vom IPA durchgeführt wurde, bewertet die Ergeb-
wurde aktuell durch die IARC neu bewertet und insbe-                 nisse von insgesamt 46 epidemiologischen Studien zu
sondere hinsichtlich ausgewählter Krebserkrankungen                  Krebsrisiken bei Feuerwehreinsatzkräften und fand kein
präzisiert (Demers et al. 2022). So stuft die IARC die be-           erhöhtes generelles Krebsrisiko für Feuerwehreinsatz-
rufliche Exposition als Feuerwehreinsatzkraft nun als                kräfte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Casjens et
krebserregend in die Kategorie 1 ein. Die IARC kommt                 al. 2021). Jedoch zeigten sich bei einzelnen Krebsentitäten
dabei in ihrer aktuellen Neubewertung der Krebsrisiken               Risikoerhöhungen um 30 bis 50 %, wie zum Beispiel für
im Feuerwehrdienst unter Einbeziehung von 52 Kohorten-               das maligne Melanom der Haut, Schilddrüsenkrebs und
und Fall-Kontroll-Studien sowie zwölf Fallberichten und              das maligne Mesotheliom. Das Neuerkrankungsrisiko aus
sieben Metaanalysen zu dem Schluss, dass eine ausrei-                Kohortenstudien bei Feuerwehreinsatzkräften für Pros-
chende epidemiologische Evidenz („sufficient evidence“)              tatakrebs war im Vergleich dazu um lediglich 10 % und
für Mesotheliome und Blasenkrebs vorliegt. Für Kolon-,               nicht statistisch signifikant erhöht. Für Fall-Kontroll-Stu-
Prostata- und Hodenkrebs sowie für Melanome und Non-                 dien ergab sich ein höheres Risiko von 36 %. Dabei ist zu
Hodgkin-Lymphome liegt jedoch weiterhin nur eine be-                 berücksichtigen, dass Kohortenstudien im Vergleich zu
grenzte Evidenz („limited evidence“) vor. In Bezug auf               Fall-Kontroll-Studien besser geeignet sind, Risiken abzu-
Prostatakrebs wurden u.a. mögliche Verzerrungen der Er-              schätzen, da sie weniger anfällig für Störfaktoren sind.
gebnisse durch medizinische Screening-Untersuchungen                 Ein besonderes Problem bei Fall-Kontroll-Studien ist der
sowie außerberufliche/persönliche Lebensstileinflüsse                Selektionsbias, also die inadäquate Auswahl und Zusam-
diskutiert. Insgesamt lässt sich daher auch aus der aktu-            mensetzung der Kontrollgruppe. Insofern sind die ermit-
alisierten Bewertung der IARC kein anerkannter kausaler              telten niedrigeren Risiken für Prostatakrebs in den ein-
Zusammenhang zwischen Prostatakrebs und einer Tätig-                 geschlossenen Kohortenstudien als valider anzusehen.
keit im Feuerwehrdienst ableiten.

                                                                10
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

Bewertung von Schadstoffexpositionen                                  Widerspruch zu anderen vorausgegangen Studien, in
im ­Feuerwehrdienst                                                   denen keine Zusammenhänge zwischen einer Benzolex-
                                                                      position und Prostatakrebs beobachtet werden konnten.
Beschäftigte im Feuerwehrdienst können im Rahmen                      Zudem wurde die biologische Plausibilität der isolierten
von Brandeinsätzen gegenüber verschiedenen potentiell                 Risikoerhöhung ausschließlich für diesen Differenzie-
kanzerogenen Gefahrstoffen, im Wesentlichen gegenüber                 rungsgrad von den Autoren selbst kritisch hinterfragt
polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK),                (­Krishnadasan et al. 2007, Gun et al. 2006, Lundberg und
Cadmium, Dioxin und Benzol, exponiert sein. Dieses                    Milatou-Smith 1998, Wilcosky et al. 1984).
wurde vom IPA im Rahmen der Begutachtung auf Basis
der aktuellen Literatur systematisch evaluiert.                       Insgesamt liegen somit keine ausreichenden wissen-
                                                                      schaftlichen Erkenntnisse vor, die die Annahme eines si-
Für berufliche Expositionen gegenüber PAK zeigt die Lite-             gnifikant erhöhten Risikos, durch eine Exposition gegen-
ratur für hochexponierte Personengruppen wie zum Bei-                 über den oben genannten Gefahrstoffen an Prostatakrebs
spiel Kokereibeschäftigte zum Teil deutlich erhöhte Risi-             zu erkranken, hinreichend begründen können.
ken, an Lungen- und Harnblasentumoren zu erkranken.
Für Prostatakrebs ergaben sich mit Ausnahme einzelner
Studien (Costantino et al. 1995) jedoch keine konsistenten            Tätigkeits-spezifischer Aspekt der Schicht- und
Hinweise für ein gehäuftes Auftreten (Krech et al. 2016,              Nachtarbeit
Boers et al. 2005, Golka et al. 2004, Krstev et al. 1998, Tol-
bert 1997). Zudem ist das Ausmaß einer PAK-­Exposition                Mögliche Zusammenhänge zwischen Schicht- beziehungs-
bei Feuerwehreinsatzkräften deutlich niedriger einzu-                 weise Nachtschichtarbeit und Prostatakrebs wurden in
schätzen als bei den vorgenannten hochexponierten Per-                verschiedenen Studien untersucht. Eine Metaanalyse aus
sonengruppen.                                                         2018 zeigte für einige Studien Risikoerhöhungen für eine
                                                                      „Tätigkeit jemals in Nachtschicht“, die jedoch aufgrund
Für Cadmium-Exponierte liegt eine Übersichtsarbeit                    der breiten Konfidenzintervalle mit einer hohen Unsicher-
vor, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Cad-                      heit verbunden sind (National Toxicology Program 2018).
miumexpositionen und dem möglichen Auftreten von                      Größere und damit deutlich belastbarere Studien mit da-
Prostatakrebs beschäftigt (Sahmoun et al. 2005). Von elf              raus resultierenden präziseren Ergebnissen zeigen jedoch
Kohortenstudien wiesen lediglich drei einen positiven                 nur geringfügig oder nicht erhöhte Risiken. Bei langjähri-
Zusammenhang auf. Insgesamt ergab sich ein leichtes                   ger Schichtarbeit wurden in einzelnen Studien ebenfalls
und statistisch nicht gesichertes erhöhtes Risiko um 26 %             höhere Risikoschätzer beobachtet, allerdings zeigte auch
(SMR 1,26; 95 % Konfidenzintervall 0,83–1,84). Auch hier              hier die Mehrzahl der Studien keinen eindeutigen sta-
folgern die Autoren auf Basis der vorhandenen wissen-                 tistisch signifikanten Zusammenhang mit der Dauer der
schaftlichen Erkenntnisse, dass die epidemiologischen                 Nachtschichttätigkeit. Auf Basis dieser Metaanalyse kann
Studien keinen überzeugenden Zusammenhang zwischen                    kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Prostatakrebs
einer Cadmiumexposition und Prostatakrebs aufzeigen.                  und einer Tätigkeit in Nachtschicht konstatiert werden.

Dioxin konnte in jüngeren Metaanalysen ebenfalls nicht                Das aktuellste systematische Review mit Metaanalyse
als Risikofaktor für Prostatakrebs identifiziert werden, es           berücksichtigte Publikationen bis zum 1. November 2019
fand sich aber ein erhöhtes Krebsrisiko insbesondere für              (Riviera-Izquierdo et al. 2020). Diese umfangreiche Pub-
Non-Hodgkin-Lymphome bei hochexponierten Personen-                    likation, die 18 Studien einschloss, kam ebenfalls zu dem
gruppen (Xu et al. 2016, Chang et al. 2014).                          Ergebnis, dass der Zusammenhang von Prostatakrebs
                                                                      mit rotierenden Schichten bzw. Nachtschichten nicht be-
Inkonsistente und damit auf Basis wissenschaftlicher                  gründet werden kann. Auch die IARC hat in ihrer Mono-
Erkenntnisse wenig gesicherte Zusammenhänge wur-                      graphie zu Nachtschichtarbeit (2020) lediglich Hinweise
den auch für Expositionen gegenüber Benzol gefun-                     und keine eindeutige Evidenz für einen Zusammenhang
den. Lediglich in einer Studie konnte ein positiver Zu-               zwischen Tätigkeiten in Nachtschicht und einem erhöh-
sammenhang zwischen einer Benzolexposition und                        ten Prostatakrebsrisiko erkennen können. Die bisher
nur einem bestimmten Differenzierungsgrad, dem so-                    publizierten Studien sind damit nicht geeignet, einen
genannten Low-Grade Prostatakrebs festgestellt werden                 eindeutigen Zusammenhang zwischen Schicht- und
(Blanc-­Lapierre et al. 2018). Diese Ergebnisse stehen im             Nachtarbeit und Prostatakrebs zu belegen.

                                                                 11
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

                                                                         vergleichbare Personen aus der Allgemeinbevölkerung.
                                                                         Ein vergleichbarer Effekt wird auch bei anderen Berufen
                                                                         mit regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen, wie Mi-
                          Harnblase                                      litärangehörige und Polizisten, beobachtet. Die Autoren
                                                                         schlussfolgern deshalb, dass diese Faktoren wahrschein-
                                                                         lich zu erhöhten Inzidenzen im Vergleich zur Allgemein-
                                                                         bevölkerung führen.

                                                                         Schlussfolgerungen
                                           Krebs-
                                         geschwulst                      Zusammenfassend kann aus epidemiologischer Sicht
                                                                         insgesamt festgestellt werden, dass es aktuell keine
                                                                         hinreichende wissenschaftliche Evidenz für berufliche
                                                                         Ursachen von Prostatakrebs gibt. Abgesehen von Alter
Samenblase                                                               und genetischen Faktoren bleibt die Ätiologie von Pros-
                                                                         tatakrebs somit weiterhin ungeklärt. Berücksichtigt man
         Harnleiter                         Prostata                     die nationale und internationale Literatur, liegen für den
                                                                         vorgestellten Fall keine ausreichenden wissenschaftli-
                                                                         chen Erkenntnisse vor, die einen Zusammenhang der Tä-
Abb. 1 Männlicher Urogenitaltrakt mit linksseitigem Prostatakrebs
                                                                         tigkeit im Feuerwehrdienst und der Erkrankung an dem
                                                                         diagnostizierten Prostatakrebs begründen können. Die
Einfluss von Screeninguntersuchungen                                     Anerkennung als Berufskrankheit oder „wie eine Berufs-
                                                                         krankheit“ im Sinne § 9 Absatz 2 SGB VII konnte somit
Es ist zu berücksichtigen, dass die beschriebene Erhö-                   nicht empfohlen werden.
hung der Inzidenz für Prostatakrebs auch auf ein verbes-
sertes Screeningverhalten bei Feuerwehreinsatzkräften
zurückgeführt werden kann. Die in den einzelnen Stu-
                                                                            Die Autoren:
dien berichteten Risikoerhöhungen beziehen sich vor-
                                                                            Prof. Dr. Thomas Behrens
wiegend auf Fall-Kontroll-Studien, sind insgesamt leicht
                                                                            Prof. Dr. Thomas Brüning
erhöht (zumeist Risikoerhöhung bis zu 20–30 %) und
                                                                            Dr. Christian Eisenhawer
werden in ähnlicher Ausprägung auch in anderen Bevöl-
                                                                            Dr. Heiko U. ­Käfferlein
kerungsgruppen, die tendenziell eher zum PSA-Screening
                                                                            Dr. Dirk ­Pallapies
neigen, gesehen. Eine mögliche Verzerrung insbesonde-
                                                                            Dr. Dirk Taeger
re durch PSA-Screening, aber auch andere nicht erfasste
                                                                            IPA
Faktoren wird daher von den meisten Autoren diskutiert.
Ein Einfluss des PSA-Screenings auf die Prostatakrebs-
inzidenz ist durchaus plausibel, da die Inzidenz nach
Einführung eines PSA-Screenings steigt. In den ausge-
werteten Studien wurden nur Erhöhungen der Inzidenz,
nicht aber der Mortalität, beobachtet. Ein Einfluss des
PSA-Screenings wurde in einer aktuellen norwegischen
register-basierten Studie bestätigt (Jakobsen et al. 2022).
Feuerwehreinsatzkräfte waren bei der Diagnose von
Prostatakrebs jünger und hatten geringere PSA-Werte als

                                                                    12
IPA-Journal 02 | 2022 · Arbeitsmedizinischer Fall

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                                                                          13
IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

Quantitative Bestimmung von
­Antikörpern gegen das Coronavirus
 (SARS-CoV-2)
IPA entwickelt immunologische Testsysteme

      Ingrid Sander, Thomas Brüning,
      Monika Raulf

Im IPA wurden immunologische Testsysteme entwickelt, die eine quantitative Bestimmung der
Antikörper gegen das Coronavirus ermöglichen. Die Testergebnisse sind durch Berücksichtigung
internationaler Standards mit Werten aus anderen Laboren vergleichbar. Die Tests erlauben
eine Differenzierung zwischen einer Infektion und einer Impfreaktion. Die Testsysteme werden
bereits in zwei Studien in Zusammenarbeit mit Unfallversicherungsträgern eingesetzt.

Beruflicher Kontakt mit Infizierten führt insbesondere         Sowohl nach Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus als auch
im Gesundheits- und Pflegebereich zu einem deutlich er-        nach erfolgreichen Impfungen werden Antikörper gebil-
höhten Risiko an COVID-19 zu erkranken. Bis Ende Juni          det, welche die Vermehrung des Virus im Körper erschwe-
2022 gab es bereits über 350.000 Verdachtsanzeigen auf         ren. Die in Deutschland eingesetzten Impfstoffe enthalten
eine Berufserkrankung im Zusammenhang mit COVID-19             die genetische Information oder eine Untereinheit des als
und über 58.000 gemeldete Arbeitsunfälle (DGUV).               „Spike-Protein“ bezeichneten Oberflächenproteins des Vi-
Forschungsarbeiten zur Prävention dieser Erkrankung            rus. Dieses Protein ermöglicht den Eintritt in menschliche
haben daher eine hohe Priorität für die Unfallversiche-        Zellen, so dass eine gegen das Spike-Protein gerichtete Im-
rungsträger.                                                   munantwort die Ausbreitung des Virus besonders effektiv

                                                          14
IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

       Kurz gefasst

   Im IPA wurden Antikörpertests für eine quantitative Bestimmung der
   ­SARS-CoV-2-Antikörperkonzentrationen entwickelt.

   Die Bestimmung von Antikörpern gegen zwei unterschiedliche Proteine
   des SARS-CoV-2-Virus kann zwischen Impfung und Infektion unterscheiden.

   Die ELISA sind validiert und ihre Ergebnisse aufgrund des Bezugs zu
   WHO-Standards international vergleichbar.

verringert. Andere Virusproteine, wie zum Beispiel das           wurden für die Testentwicklung gut charakterisierte
Nucleocapsid-Protein, können im Falle einer Infektion            kommerzielle Komponenten zum Nachweis dieser Anti-
nach Probenahme im Nasen-Rachen-Raum mit Antigen-                körperklasse eingesetzt. Als SARS-CoV-2 spezifische Kom-
Schnelltests nachgewiesen werden. Entsprechend werden            ponenten dienten sowohl eine Untereinheit (S1) des Spike
Antikörper auch gegen dieses Protein nach einer Virus­           Proteins, als auch das Nucleocapsid Protein, beide mit der
infektion, nicht aber nach der Impfung, gebildet.                Sequenz des ursprünglichen SARS-CoV-2-Virus. Mit der
                                                                 Entwicklung von ELISA-Systemen gegen zwei verschie-
                                                                 dene Virusproteine kann so zwischen der Immunantwort
Frühe Entwicklung von Testverfahren am IPA                       nach einer Infektion oder einer Impfung unterschieden
                                                                 werden. Während nach einer Infektion prinzipiell gegen
Bereits zu Beginn der Pandemie, im Frühjahr 2020 be-             beide Proteine Antikörper gebildet werden, sind es nach
gann das IPA mit der Entwicklung immunologischer Test-           einer Impfung nur Antikörper gegen das Spike Protein.
verfahren zur Quantifizierung menschlicher Antikörper
gegen das SARS-CoV-2 Virus, die als „ELISA“ (Enzyme
Linked Immunosorbent Assay) in praktisch jedem im-               Quantifizierung und analytische Genauigkeit
munologischen Labor durchgeführt werden können. Im
­ELISA werden bestimmte Moleküle über Antikörper und             Als Referenz für die Umrechnung von den im Photometer
 eine Enzym-gekoppelte Farbreaktion nachgewiesen.                gemessenen optischen Dichten der Farbreaktion in IgG-
                                                                 Werte wird neben den Proben eine Serummischung mit
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine kommerziellen              bekannter IgG-Konzentration in einer Verdünnungsreihe
quantitativen Nachweisverfahren für Humanantikörper              auf jeder ELISA Platte eingesetzt (Abb. 1).
gegen SARS-CoV-2 Antigene. Ziel war es, anhand der An-
tikörperkonzentrationen im Blut Hinweise für die Dauer
der Immunität und den Schutz vor erneuter Erkrankung
nach Genesung zu erhalten. Nach der Zulassung ver-
schiedener Impfstoffe konnten die Tests zum Nachweis
einer Impfreaktion und zur Bestimmung der Antikörper-
konzentrationen im zeitlichen Verlauf nach wiederholten
Impfungen angewendet werden.

Test unterscheidet zwischen Impfung und Infektion

Bei SARS-CoV-2-Infektionen werden innerhalb der ersten
Wochen nach der Infektion fast gleichzeitig verschiedene
Klassen von Immunglobulinen, den Antikörpern, pro-
duziert. Da Immunglobuline der Klasse G, abgekürzt als           Abb. 1 ELISA Testplatte mit Serumproben in je drei Verdünnungen und
IgG, für die andauernde Immunität am wichtigsten sind,                   Referenz zur Umrechnung in IgG-Konzentrationen.

                                                            15
IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

Entscheidend für die Quantifizierung ist ein paralleler                                     Info
Verlauf der Referenzkurve und der Probenverdünnun-
gen. Die ausgezeichnete Parallelität zeigte sich an der
relativen Standardabweichung der Ergebnisse auf einer                             Die Sensitivität und die Spezifität sind Indikatoren
Platte von im Mittel nur 7,1 % beim Spike S1-ELISA und                            für die Zuverlässigkeit von medizinischen Diagnose-
7,2 % beim Nucleocapsid-ELISA. Die Ergebnisse konnten                             verfahren.
an verschiedenen Messtagen reproduziert werden und
                                                                                  Dabei gibt die Sensitivität eines Tests an, wie viele er-
wichen mit mittleren Standardabweichungen von nur
                                                                                  krankte Personen von diesem Test richtig als erkrankt
11,9 % beim Spike S1 und 6,6 % beim Nucleocapsid ELISA
                                                                                  erkannt werden.
voneinander ab.
                                                                                  Die Spezifität beschreibt, wie viele gesunde Personen
                                                                                  von einem Testsystem als gesund erkannt werden.
Laborergebnisse international vergleichbar

Um Laborergebnisse international vergleichen zu kön-
nen, müssen Antikörpermessungen standardisiert wer-                            Validierung der ELISA
den. Hierfür gibt es von der World Health Organisation
(WHO) zugelassene Serummischungen mit definierter                              Zur Validierung der ELISAs und Festlegung der Be-
Antikörperbindung. Der WHO 67/086 Standard dient                               urteilungsgrenze („Cutoff“) wurden sowohl Proben von
zur Quantifizierung von Antikörpern verschiedener Sub-                         Erkrankten (Positive) als auch Proben von Gesunden
klassen und standardisiert anhand von „Internationalen                         (Negative) benötigt. Die 135 negativen Kontrollproben
Units (IU)“, während der WHO 20/136 Standard an SARS-                          stammten aus der Biobank des IPA aus Projekten, bei
CoV-2 bindende Antikörper anhand von „Binding Activity                         denen die Proben sicher vor Ausbruch der Pandemie ge-
Units (BAU)“ standardisiert. Letzterer ist seit Anfang 2021                    wonnen wurden. Die 144 positiven Proben stammten von
verfügbar und enthält per Definition eine Konzentration                        Personen mit positivem PCR-Test auf SARS-CoV-2, die im
von 1000 BAU/mL. Auch die WHO-Standards wurden im                              Zeitraum von 14 bis 100 Tagen nach dem positiven Er-
IPA parallel zu der IgG Referenz in den ELISAs eingesetzt                      gebnis Blut gespendet und anonymisiert zur Verfügung
(Abb. 2). Die in der Abbildung eingezeichneten Faktoren                        gestellt hatten. Zuvor wurde ein Datenschutzkonzept er-
ermöglichen die Umrechnung der IgG-Konzentrationen                             stellt und das Votum der Ethik-Kommission der Medizi-
in die verschiedenen Einheiten.                                                nischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum eingeholt
                                                                               (Registriernummer 20-7007).

                    WHO 67/86 [IU/mL]

            3       IgG Referenz [µgA /mL]
                    WHO 20/136 [BAU/mL]
                    an Nucleocapsid
                    WHO 20/136 [BAU/mL]
                    an Spike S1
OD 414 nm

            2                                                          Faktor
                                                                        6,65

                                                Faktor 90
                                                                      Faktor
                                                                       25
            1

                                                                                                            Abb. 2
                                                                                                            Paralleler Verlauf der IgG Referenz­
            0                                                                                               kurve zu den WHO Standards mit
            10 -5       10 -4           10 -3   10 -2         10 -1             10 0         10 1
                                                                                                            Umrechnungsfaktoren zwischen den
                                                        IgG
                                                                                                            Einheiten.

                                                                          16
IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           10000
                                        1000         (a)                                                                                                                                                                                                       1000         (b)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      sIgG anti-Nucleocapsid [BAU/mL]
                                                                                                                                                                                                                  sIgG anti-Nucleocapsid [mgA /L]
                                                                                                                                    10000
      sIgG anti-Spike S1 [mgA /L]

                                                                                                                                            sIgG anti-Spike S1 [BAU/mL]
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           1000
                                          100                                                                                                                                                                                                                   100
                                                                                                                                    1000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                          13                                               100
                                           10                                                                                                                                                                                                                        10
                                                                                      4                                             100

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           10
                                               1                                                                                                                                                                                                                     1
                                                                                                                                    10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           1
                                          0.1               135 < LOD                              14 < LOD                                                                                                                                                      0.1                58 < LOD                                 1 < LOD
                                                             Kontrollen                         PCR-Positive                                                                                                                                                                       Kontrollen                         PCR-Positive

Abb. 3a/b IgG-Ergebnisse bei PCR-Positiven und ­Kontrollen im Spike-S1 ELISA (a) und ­Nucleocapsid-ELISA (b).
           Gestrichelte rote Linie: Nachweisgrenze (LOD) Durchgezogene grüne Linie: Cutoff

  Keine der Kontrollen hatte IgG-Antikörper gegen das                                                                                                                                                              ELISA Ergebnisse vor und nach Impfungen
  ­Spike Protein über der Nachweisgrenze (LOD), während
   die PCR-Positiven im Median IgG-Werte von 4 mgA/L und                                                                                                                                                           Die neu entwickelten ELISA-Systeme wurden bei 48 gesun-
   umgerechnet 102 BAU/mL aufwiesen (Abb. 3a). Im Nuc-                                                                                                                                                             den Freiwilligen vor und nach Impfungen mit dem Impfstoff
   leocapsid-ELISA lagen 58 Kontrollen und eine PCR-Posi-                                                                                                                                                          von BioNTech-Pfizer eingesetzt (Impfgruppe, Abb. 4). Zu-
   tive Person unter der Nachweisgrenze. Der Median-Wert                                                                                                                                                           sätzlich wurden auch zehn Personen, die zuvor einen posi-
   bei den PCR-Positiven lag bei 13 mgA/L und umgerechnet                                                                                                                                                          tiven PCR-Test hatten, nach ihrer Impfung getestet.
   84 BAU/mL (Abbildung 3b). Anhand der Kontrollen wird
   die Spezifität beurteilt, anhand der PCR-Positiven die                                                                                                                                                          Nach der Erstimpfung hatten 92 % der gesunden Freiwil-
   Sensitivität. Der „Cutoff“ zur optimalen diagnostischen                                                                                                                                                         ligen (a)
                                                                                                                                                                                                                           IgG-Antikörper gegen das Spike-S1-Protein von
                                                                                                                                                                                                                                                                       1000
                                                                                                                                                                                                                                                                           im
                                                                                                                                                                                                                 anti-SARS-CoV2-Spike S1 IgG [BAU/mL]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        anti-SARS-CoV2-Spike S1 IgG [mgA /L]
                                                                                                                                                                                                                     10000
   Beurteilung findet sich beim Maximum der Summe aus                                                                                                                                                              Median 100 BAU/mL; nach der 2. Impfung wiesen 98 %
   Sensitivität und Spezifität.                                                                                                                                                                                    IgG-Antikörper2438von im Median 1457 BAU/mL
                                                                                                                                                                                                                                                            1457  auf (Abb.
                                                                                                                                                                                                                                                                       100

                                                                                                                                                                                                                      1000
                                                                                                                                                                                                                   4a). Noch höher lagen die IgG-Antikörper gegen das
  Insbesondere die Spezifität der ELISA beim optimalen                                                                                                                                                             Spike-­S1-Protein bei den zuvor PCR-Positiven nach 10Erst-
                                                                                                                                                                                                                       100 102                       100
  „Cutoff“ ist mit 100 % beim Spike S1 ELISA und 96,3 %                                                                                                                                                            impfung. Die Antikörper gegen das Nucleocapsid-Protein
  beim Nucleocapsid ELISA ausgezeichnet.                                                                                                                                                                           blieben dagegen wie erwartet von der Impfung unbe­  1

                                                                                                                                                                                                                        10
                                                                                                                                                                                                                   einflusst (Abb. 4b).       5
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  0,1
                                                                                                                                                                                                                                                                              n = 144         n = 10               n = 47           n = 48              n = 48
                                                                                                                                                                                                                                                                 1
                                                                                                                                                                                                                                                                           PCR-Positive    PCR-Positive        Impfgruppe        Impfgruppe         Impfgruppe
                                                                                                                                                                                                                                                                           ohne Impfung        nach                 vor              nach               nach
                                                                                                                                                                                                                                                                                            1. Impfung          1. Impfung        1.Impfung          2. Impfung

                                               (a)                                                                                          1000                                                                                                             10000   (b)
                                                                                                                                                                                                                  anti-SARS-CoV2-Nucleocapsid IgG [BAU/mL]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           anti-SARS-CoV2-Nucleocapsid IgG [mgA /L]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  1000
anti-SARS-CoV2-Spike S1 IgG [BAU/mL]

                                                                                                                                                                     anti-SARS-CoV2-Spike S1 IgG [mgA /L]

                                       10000

                                                                    2438                                                                    100                                                                                                               1000
                                                                                                                       1457                                                                                                                                                                                                                                       100
                                        1000

                                                                                                                                            10                                                                                                                 100    84                                                                                          10
                                         100 102                                                        100
                                                                                                                                                                                                                                                                                          29
                                                                                                                                            1                                                                                                                   10                                                                             10
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           6                                                      1
                                          10
                                                                                      5
                                                                                                                                            0,1                                                                                                                  1
                                                        n = 144           n = 10              n = 47             n = 48           n = 48                                                                                                                                     n = 144           n = 10            n = 47            n = 48             n = 48      0,1
                                           1
                                                     PCR-Positive      PCR-Positive       Impfgruppe          Impfgruppe      Impfgruppe                                                                                                                                   PCR-Positive    PCR-Positive        Impfgruppe        Impfgruppe         Impfgruppe
                                                     ohne Impfung          nach                vor                nach            nach                                                                                                                                     ohne Impfung        nach                 vor              nach               nach
                                                                        1. Impfung         1. Impfung          1.Impfung       2. Impfung                                                                                                                                                   1. Impfung          1. Impfung        1. Impfung         2. Impfung

                                       10000   (b)
 V2-Nucleocapsid IgG [BAU/mL]

                                                                                                                                                                           anti-SARS-CoV2-Nucleocapsid

                                                                                                                                            1000

Abb. 4a/b Antikörperkonzentrationen gegen das Spike S1 Protein (a) und das Nucleocapsid (b).
                                        1000
                                                                                                                                            100

                                        100     84                                                                                          10                                                              17
                                                                     29
IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

Ausblick

Die neuentwickelten Antikörpertests werden derzeit in
zwei laufenden Studien eingesetzt. In einer Kohortenstu-      Danksagung
die „VAC-Studie“ werden die Antikörperkonzentrationen         Der Dank gilt unseren Bochumer Projektpartnern
im Verlauf vor und nach wiederholten Impfungen und            Dr. Philipp Göcke aus der Praxis für Labormedizin
ihre Schutzwirkung vor Infektion über einen Zeitraum          und Mikrobiologie und Prof. Herrmann aus der
von zwei Jahren verfolgt. In der „PostCovid und Immun-        Praxis für Endokrinologie und Laborforschung für
status-Studie“, die von der Berufsgenossenschaft für Ge-      die Probensammlung von PCR-positiv Getesteten.
sundheitsdienst und Wohlfahrtspflege initiiert wurde,
dienen die Antikörpertests neben weiteren Methoden zur
Bestimmung des Immunstatus nach einer SARS-CoV-2-­
Infektion bei Versicherten aus dem Gesundheitswesen.       Die hier zusammengefassten Ergebnisse wurden bereits
                                                           publiziert (Sander et al. 2022). Zwischenergebnisse der
Ein großer Vorteil der im IPA entwickelten ELISA-­Systeme VAC-Studie wurden bei der DGAUM Jahrestagung 2022
ist die Entwicklung aus kommerziell erhältlichen Kom- vorgestellt und werden derzeit für eine Originalpublika-
ponenten. Die Durchführung der Tests ist mit üblicher tion zusammengefasst.
Laborausstattung ohne zusätzliche Messgeräte und teu-
re Testmaterialien möglich. Außerdem können IgG-Anti­
körper gegen weitere Antigene, wie zum Beispiel die
                                                              Die Autoren:
Omikron-­Variante des Spike-Proteins, nach gleichem
                                                              Prof. Dr. Thomas Brüning
Schema und mit den gleichen Referenzen quantifiziert
                                                              Prof. Dr. Monika Raulf
und verglichen werden. Auch diese ELISA-Variante wurde
                                                              Dr. Ingrid Sander
mittlerweile erfolgreich im IPA etabliert und wird bereits
                                                              IPA
in der VAC-Studie eingesetzt. Vor dem Hintergrund einer
hohen Anzahl Infizierter auch nach Impfungen bleibt
es eine offene Forschungsfrage, welche Antiköperkon-
zentrationen einen Schutz vor schweren Verläufen von
­COVID-19 Erkrankungen vorhersagen können.

        Literatur

  DGUV. Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle im Zusammenhang           Sander I, Kespohl S, Zahradnik E, Göcke P, Hosbach I, Herrmann BL,
  mit COVID-19: https://www.dguv.de/medien/inhalt/mediencenter/        Brüning T, Raulf M. Quantitative measurement of IgG to SARS-CoV-2
  hintergrund/covid/dguv_zahlen_covid.pdf (abgerufen am                antigens using monoclonal antibody-based enzyme-linked immuno-
  19.07.2022)                                                          sorbent assays. Clin. Transl. Immunol. 2022; 11:e1369. Doi: 10.1002/
                                                                       cti2.1369

                                                                  18
IPA-Journal 02 | 2022 · Für Sie gelesen

Für Sie gelesen

Physisches und psychisches Wohl­
befinden bei Arbeiten im Homeoffice

Yijing X, Becerik-Gerber B, Lucas G, Roll SC.
Impacts of Working from Home During COVID-19
Pandemic on Physical and Mental Well-Being of
Office Workstation Users. J Occup Environ Med 2021;
63:181-190

                                                              einem Kleinkind der stärkste Einflussfaktor für die Mel-
In der Literatur werden zunehmend negative Aspekte            dung neuer Probleme. Darüber hinaus waren die fle-
von mobiler Arbeit beschrieben: Fehlende Kontakte zu          xible Planung der Arbeitszeiten „um andere Personen
Kollegen und Kolleginnen, eine verringerte körperliche        herum“, gestiegene Arbeitszeiten und ein ergonomisch
Aktivität, schlechtere Ernährung, lange Bildschirmar-         schlecht eingerichteter Arbeitsplatz mit einer höheren
beitszeiten, Zunahme der Anzahl und enge Taktung von          Wahrscheinlichkeit von körperlichen oder psychischen
Online-Besprechungen, ergonomisch unzureichende               Gesundheitsproblemen verbunden.
Arbeitsplätze und -mittel sowie Unterbrechungen durch
andere im Haushalt lebende Personen können insgesamt          Die Ergebnisse der Arbeit deuten auf ein insgesamt redu-
zu erhöhten psychischen Belastungen, Fatigue, Schmer-         ziertes körperliches und psychisches Wohlbefinden von
zen sowie Augenbeschwerden führen.                            Beschäftigten nach der pandemiebedingten Aufnahme
                                                              von mobiler Arbeit hin, welches durch Lebensstilfakto-
In der vorliegenden Arbeit wurden daher Zusammen-             ren, die Arbeitsumgebung und soziale Aspekte beein-
hänge zwischen verschiedenen sozialen und verhaltens-         flusst wird. Die Arbeit im Homeoffice stellt offensichtlich
bezogenen Faktoren mit dem physischen und psychi-             insbesondere für Frauen mit einer möglichen Doppel-
schen Wohlbefinden von 998 US-Büroangestellten, die           belastung im Haushalt eine große Herausforderung dar.
aufgrund der COVID-19-Pandemie Vollzeit im Homeoffice         Potentiell intensivere Arbeitszeiten ohne angemessene
arbeiten mussten, untersucht. Positive Assoziationen          Pausen und die erschwerte Organisation der Arbeit zu-
mit einem verbesserten Wohlbefinden beschrieben die           hause stehen dabei möglicherweise in direktem Zusam-
Autoren unter anderem durch ein höheres Maß an kör-           menhang mit den geäußerten Beschwerden.
perlicher Aktivität, eine verstärkte Kommunikation mit
Kollegen sowie durch die Anwesenheit eines Kindes im
Haushalt.
                                                                 Der Autor:
                                                                 Prof. Dr. Thomas Behrens
Ein weiteres Ergebnis der Studie war jedoch auch, dass
                                                                 IPA
ca. 65 % der Befragten über neu aufgetretene körperli-
che und 74 % über neue psychische Probleme seit Auf-
nahme der Tätigkeit im Homeoffice berichteten. Hier-
bei gaben vor allem Frauen und Teilnehmende aus den
unteren Einkommensgruppen häufiger Beschwerden an.
Im Gegensatz zum positiven Einfluss auf das Wohlbefin-
den insgesamt war das Zusammenleben mit mindestens

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IPA-Journal 02 | 2022 · Aus der Forschung

Psychische Beanspruchung durch
die SARS-CoV-2-Pandemie
Ergebnisse der IPA-Studie unter Beschäftigten aus verschiedenen
­Branchen und Berufsgruppen

      Swaantje Casjens, Dirk Taeger,
      Thomas Brüning, Thomas Behrens

Bestimmte Berufsgruppen sind in der Pandemie einem erhöhten arbeitsbedingten Infektions­
risiko ausgesetzt. Für diese Berufsgruppen wurden auch psychosoziale Belastungen als Folge
der Pandemie diskutiert. In der vorgestellten IPA-Studie wurde die psychische Beanspruchung
von Beschäftigten außerhalb des Gesundheitssektors zu Beginn und während der zweiten
­Corona-Welle in Deutschland untersucht.

Die SARS-CoV-2-Pandemie gefährdet die globale Gesund-         Infektionsrisiko ist branchenabhängig
heit und stellt Beschäftigte und Unternehmen vor große
Herausforderungen. Um die Übertragung von SARS-CoV-2          Schon früh in der Pandemie wurde deutlich, dass das Ri-
zu minimieren, wurden neben der Impfung insbesonde-           siko einer SARS-CoV-2-Infektion je nach Branche variiert.
re nicht-pharmazeutische Maßnahmen ergriffen, wie die         Zweifellos gehörten Beschäftigte im Gesundheitswesen zu
AHA+L-Regeln oder die Schließung von Bildungseinrich-         der am stärksten betroffenen Berufsgruppe (Gómez-Ochoa
tungen und von Geschäften mit Waren, die nicht für den        et al. 2021). Aber auch bei Beschäftigten im öffentlichen
täglichen Bedarf bestimmt sind. Je nach Berufsgruppe          Personennahverkehr (ÖPNV), im Lebensmitteleinzelhan-
und Branche wurden neue Beschäftigungsformen einge-           del sowie in Bildungseinrichtungen und im Bereich Sozial-
führt und mobile Arbeitsmodelle umgesetzt.                    arbeit wurden teilweise erhöhte Raten von COVID-19-Fällen

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