Grußwort des Präses - Universität Innsbruck
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Grußwort des Präses Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ne philosophischen Bäume in den Himmel. liebe Freundinnen und Freunde des Insti- Von den wissenschaftlichen Erfolgen wird tutum Philosophicum Oenipontanum und in diesem Bericht ausführlich die Rede sein. des Instituts für Christliche Philosophie an Hervorgehoben sei die erfolgreiche Habi- der Katholisch-Theologischen Fakultät der litation unserer Kollegin Claudia Pagani- Universität Innsbruck ni, für die sie auch mit dem Pater Johannes Schasching SJ-Preis ausgezeichnet wurde, In bewegten Zeiten leben wir. Was als Allge- der Abschluss der Dissertation durch Daniel meinplatz verstanden werden könnte, lässt Wehinger, für die er den Richard Schaeffler sich berechtigterweise als Leitmotiv eines Preis erhielt, schließlich auch die erfolgreiche Rückblicks auf das Jahr 2018 aus der Sicht Bewerbung von Katherine Dormandy auf unseres Instituts voranstellen. Grundlegen- eine Qualifizierungsvereinbarungsstelle im de Reformen der Studien, in denen wir en- Rahmen des Digital Humanities Programms gagiert sind, stehen an. Personelle Weichen unserer Universität an der Schnittstelle Phi- sind zu stellen, die v. a. durch den Abschluss losophie und Volkswirtschaft/Statistik. Be- der Stiftungsprofessur der Peter Kaiser- dankt sei in besonderer Weise auch Georg Stiftung von Prof. Christian Tapp mit Som- Gasser, der 2018 das viel beachtete Großpro- mersemester 2019 bedingt sind. In alledem jekt „Analytic Theology“ abschließen konnte. müssen wir damit leben, dass Philosophie Nicht unerwähnt bleiben darf, dass unsere an einer Katholisch-Theologischen Fakultät Mitarbeiterin am Doktoratskolleg „Philoso- keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Des- phy of Religion“ Federica Malfatti, zu einem halb ist unser Ort im Kontext der Gesamt Forschungsaufenthalt an der renommierten universität immer wieder neu zu bestimmen. Harvard-Universität eingeladen wurde. Dazu braucht es Dialog mit anderen, Vernet- zung, manchmal auch Überzeugungsarbeit Wenn man markante Entwicklungen aus in konstruktiver Auseinandersetzung. dem Leben des Instituts hervorheben wollte, Diesen Herausforderungen dürfen wir könnte man vielleicht drei besonders erwäh- mit Optimismus und einer gesunden Porti- nen. Das erste ist der Abschluss des ersten on Selbstvertrauen begegnen. Das liegt vor Durchlaufs unseres Bachelorstudiums Philo- allem daran, dass unser Institut getragen sophie an der Philosophisch-Theologischen wird von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Hochschule in Brixen. Über acht Semester die weit über das Geforderte hinaus ihren hinweg haben Lehrende aus unserem Ins- Beitrag für das gute Gelingen gemeinsamer titut mit Studierenden in Südtirol zusam- Aufgaben leisten. Dafür sei aufrichtiger Dank mengearbeitet. Der Lohn ist, dass ca. 20 gesagt! Hervorgehoben seien zunächst un- Jungphilosophinnen und -philosophen nun sere Mitarbeiterinnen im Sekretariat, Frau vor einem Studienabschluss der Philosophie Monika Datterl und Frau Ksenia Scharr, die stehen. Einige davon dürfen wir als Master- die Institutsverwaltung gekonnt und mit studierende in Innsbruck begrüßen, was uns viel Engagement auf Schiene halten. Ohne natürlich besonders freut. Schön ist auch, die Erdung guter Organisation wachsen kei- dass diese Erfolgsgeschichte eine Fortset- 1
zung findet. Es gibt ein zweites Programm, genutzt hat, und Frau Professorin Kathrin das in diesem Wintersemester 2018/19 sehr Koslicki von der Universität Alberta in Kana- vielversprechend gestartet ist. Für diese Ko- da, die ein Sabbatical für Forschungszwecke operation zeichnet Kollege Winfried Löffler, an unserem Institut verbringt. unser Studienbeauftragter und Vorsitzender der Curriculum-Kommission, die organisa- Von den konkreten Ereignissen des Lebens torische Hauptverantwortung. an unserem Institut ist sicherlich die gute Ein zweiter Punkt ist das Augenmerk, das Etablierung unseres Forschungszentrums unser Institut auf die Förderung des aka- „Philosophy of Religion“ und des darin in- demischen Nachwuchses gelegt hat. Junge tegrierten Doktoratskollegs hervorzuheben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei Beides ist in besonderer Weise unseren Pro- unseren wissenschaftlichen Projekten dabei, fessoren Christoph Jäger und Christian Tapp als Assistentinnen des Leiters des Innsbruck zu verdanken. Dies führt uns vor Augen, Center for Philosophy of Religion, des Ver- dass alle interdisziplinäre Ausrichtung wis- antwortlichen des angesiedelten Doktorats- senschaftlicher Arbeit umso erfolgreicher ist, kollegs sowie des Institutsleiters. In diesem wenn sie von gut etablierten Schwerpunkten Zusammenhang soll die Förderung junger in Forschung und Lehre getragen wird, in Wissenschaftlerinnen erwähnt sein, zu der unserem Fall ist das Religionsphilosophie, wir uns in besonderer Weise verpflichtet füh- darauf ausgerichtet die Kerndisziplinen Me- len. taphysik, Erkenntnistheorie, natürlich auch Ein drittes hervorzuhebendes Faktum ist praktische Philosophie. die besondere Attraktivität unseres Instituts Apropos Innsbruck Center for Philosophy als Gastinstitution für auswärtige Wissen- of Religion: Seine Gründung wurde mit der schaftlerinnen und Wissenschaftler. So durf- Aquinas-Lecture am 31. Jänner 2018 feier- ten wir auch heuer wieder zahlreiche Gast- lich begangen. Unter der wissenschaftlichen vorträge und Workshops durchführen, die Leitung von Prof. Tapp erlebten mehr als 100 unter eigenen Rubriken in diesem Bericht Gäste, unter ihnen unser Diözesanbischof aufgelistet sind. Aber auch das Interesse nach Hermann Glettler und Vizerektorin Ulri- längeren Aufenthalten an unserem Institut ke Tanzer, eine beeindruckende Diskussion ist deutlich im Steigen begriffen. Das liegt über das Thema „Was ist eine gute Religion?“ wohl nicht nur an der hohen Lebensqualität zwischen dem Proponenten Prof. Holm Te- der Tiroler Landeshauptstadt, sondern auch tens und seinem Herausforderer Prof. Ans- daran, dass sich unser Institut als internati- gar Beckermann. Ein wahres Highlight unter onal beachtete Forschungseinrichtung eta- den vielfältigen wissenschaftlichen Veran- bliert hat. Von unseren Gästen wird noch staltungen an unserem Institut. ausführlicher die Rede sein. In diesem Über- blick seien nur der Matteo-Ricci-Fellow Prof. Was bleibt ist der Dank an alle Leserinnen Dr. Nguyễn Quang Hưng von der Vietnam und Leser für die Verbundenheit mit unse- National University Hanoi/Vietnam erwähnt, rem Institut. Dazu wünsche ich viel Freude Prof. Dr. Marek Piewowarczyk von der Ka- bei der Lektüre des vorliegenden Berichts tholischen Universität Johannes Paul II in und uns allen ein erfolgreiches und gutes Lublin, der ein Stipendium des polnischen Jahr 2019. Wissenschaftsfonds für einen Gastaufenthalt Christian Kanzian, Präses 2
Berichte aus dem Institut GastforscherInnen am Institut Wir freuen uns, dass wir immer wieder from German-Spea- Gastgeber für internationale Wissenschaft- king Countries in lerinnen und Wissenschaftler sein dürfen, Vietnam“ und „Zwi- die für Forschungsaufenthalte zu uns kom- schen Schamanis- men. Zwei Kollegen und eine Kollegin, die mus und Christen- 2018 bei uns waren, möchten wir hier kurz tum. Religion und vorstellen. Kultur der H’mong in Vietnam“. Als 2. Matteo-Ricci-Fellow arbeitete von 10. Besonders impo- Juni bis 10. Juli 2018 Herr Prof. Dr. Nguyễn niert hat auch die Quang Hưng von der Vietnam National Uni- engagierte Reise- versity Hanoi/Vietnam mit uns am Institut. tätigkeit von Prof. Prof. Hưng hat Philosophie und Religions- Hưng an den Wochenenden seines Aufent- wissenschaft in Rostov/Don, Passau und halts, etwa zur Universität Passau und zum Berlin studiert, in Berlin promoviert und Missionswissenschaftlichen Institut Aachen: ist derzeit Vizedekan der Philosophischen So manche Nacht hat er in Fernreisebussen Fakultät und stellvertretender Direktor des verbracht, um am nächsten Tag dennoch „Center of Contemporary Religious Studies“ wieder freundlich und energiereich im Büro an der VNU, innerhalb dessen langjähri- bzw. Kaffeezimmer zu erscheinen. ger Tagungsreihe zur westlichen Religion auch Prof. Löffler mehrmals aufgetreten ist. Mit Unterstützung des polnischen Wissen- Prof. Hưngs Forschungsgebiete sind Religi- schaftsfonds verbrachte Herr Prof. Dr. Marek onswissenschaft und -philosophie sowie die Piwowarczyk den Beginn des Wintersemes- Geschichte des Katholizismus in Vietnam. ters 2018/2019 als Gastforscher an unserem Seine deutschsprachige Werke sind u. a Der Institut. Der Rahmen ist eine langjährige Ko- Katholizismus in Vietnam 1954–1975 (2004) operation mit polnischen Kollegen zur ak- und „Religionskritik innerhalb der katho- tuellen Metaphysik. Seine akademische Bil- lischen Kirche in Vietnam“, in: M. Hutter dung erwarb Prof. Piwowarczyk zunächst in (Hg.), Religionskritik und religiöser Pluralis- wirtschaftswissenschaftlichen Studien. Über mus im gegenwärtigen Südostasien (2008). Im Grundlagenfragen kam er dann allerdings Rahmen seines Aufenthalts – der besonders zur Philosophie. Zur Zeit ist er außerordent- der Forschungstätigkeit gewidmet war – hielt licher Professor an der Katholischen Univer- Prof. Hưng drei öffentliche Vorträge: „Viet- sität Johannes Paul II. in Lublin. Besonderes nam State Policy Regarding Religious Affairs Augenmerk legt Prof. Piwowarczyk auf das Since 1990: Issues and Perspectives“, „Jesuits aristotelisch-scholastische Erbe, das er aller- 3
dings in Verbindung berühmte Massachusetts Institute of Tech- bringt mit neuen nology, wo sie 1995 promovierte. Es folgten Ansätzen in der pol- Gastaufenthalte an verschiedenen Universi- nischen Philosophie, täten in den USA, z. B. in Louisiana, Califor- namentlich mit dem nia, Florida, Massachusetts, Utah, Colorado Werk Roman Ingar- und Indiana, bevor sie 2014 nach Kanada dens. Das begriff- übersiedelte, um als Professorin für Erkennt- lich-argumentative nistheorie und Metaphysik an der Universität Werkzeug der ana- in Alberta zu wirken. Dem entspricht auch lytischen Philoso- das Hauptinteresse von Frau Prof. Koslicki, phie ist ihm dabei das in der Metaphysik v. a. durch Aristoteles wesentliche Hilfe. geprägt ist. So verteidigt sie in ihren Publika- Seine Bücher Gott und Werden. Das Prob- tionen den Hylemorphismus, indem sie ihn lem der Welt-Gott Beziehung in der Philo- mit modernen Ansätzen in der Metaphysik sophie Whiteheads (2008) und Subjekt und in Verbindung bringt. Ihre Monographien Eigenschaften (2015) weisen darauf hin, dass The Structure of Objects (Oxford University er seine philosophische Arbeit im Kontext Press, 2008) und Form, Matter, Substance religionsphilosophischer Themen ansiedelt. (Oxford University Press, 2018) gehören Sein gegenwärtiges Forschungsinteresse ist weltweit zum Standard der metaphysischen die aktuelle Ontologie. Dabei beschäftigt er Diskussion. sich mit Themen in Zusammenhang mit der Frage nach Substanzen, ihrer inneren Struk- tur und ihrer Funktion als Subjekt von Ei- genschaften. Dies war auch Leitmotiv eines Vortrags, den er im Rahmen des Forschungs- seminars unseres Instituts gehalten hat. Bemerkenswert ist, dass Herr Prof. Piwo- warczyk für seine Reise nach Innsbruck das erste Mal in seinem Leben ein Flugzeug ver- wendet hat. Das nehmen wir als besondere Auszeichnung. Frau Professorin Kathrin Koslicki verbringt zwei Sabbatsemester, die ihr ihre Heimat- Auch von Prof. Koslicki eine kleine Rand- universität Alberta (Kanada) gewährt hat, notiz zum Abschluss: Sie tritt international als Gastforscherin an unserem Institut. So nicht nur als Philosophin in Erscheinung, konnten wir von einem Gastvortrag zum sondern auch als begeisterte und erfolgrei- Hylemorphismus und ihrer Teilnahme an che Alpinistin, wie man hört, und auch als einem Workshop zum Thema „Substances“ Motorradfahrerin. So genießt sie die Tiroler profitieren. Frau Prof. Koslicki ist gebürtige Berge wohl ebenso wie, so hoffen wir, die Münchnerin, ging dann nach einem Studi- Diskussionen in unseren Hörsälen. enaufenthalt in Tübingen in die USA, wo sie ihre philosophische Ausbildung erhielt. Über Christian Kanzian & Winfried Löffler die State University of New York kam sie ans 4
Pater Johannes Schasching SJ-Preis für Claudia Paganini In einem feierlichen Festakt wurde Claudia lich als vereinzelte Internet-Quellen vorhan- Paganini am 19. November mit dem Pater denen Dokumenten. Johannes Schasching SJ-Preis ausgezeich- Mit ihrer Forschungsarbeit kommt Paga- net. Verliehen wurde ihr der Preis für ihre nini dem Grundanliegen des Pater Johannes Habilitationsschrift „Entwurf einer rekon- Schasching SJ-Preises nach, nämlich den Di- struktiven Medienethik“, in der Paganini alog zwischen den normativen Theorien der normative Grundlagen für eine zeitgenös- Ethik und der Praxis des alltäglichen wirt- sische Medienethik erarbeitet. schaftlichen Handelns zu fördern. Claudia Paganini schloss ihr Studium an Als Ausgangspunkt zieht sie die konkrete unserem Institut 2005 mit der Promotion sub Praxis heran, d. h. die moralischen Über- auspiciis ab. Nach der Geburt ihrer drei Kin- zeugungen und Wertvorstellungen der ein- der und journalistischen Tätigkeiten kehrte zelnen Akteure. Im Anschluss an die Re- sie 2010 als Mitarbeiterin zu uns zurück, um konstruktion der für verbindlich gehaltenen sich zu habilitieren. Diese Habilitation wur- Werte erarbeitet sie einen Minimal-Konsens, de von der Universität Innbruck mit dem der in der konkreten Entscheidungssituati- begehrten Erika-Cremer-Stipendium unter- on dazu beitragen soll, durch Abwägen und stützt. Seit 2015 ist Paganini Universitätsas- Argumentieren zu einer gut begründbaren, sistentin an unserem Institut und auch inter- inhaltlich konkreten Antwort zu gelangen. national als Universitätslehrende gefragt. Dies geschieht auf der Basis einer detaillier- Das Institut freut sich sehr, dass Claudia ten Analyse einschlägiger Selbstverpflich- Paganini mit diesem renommierten Preis tungskodizes. Im Anhang zusammengestellt, ausgezeichnet wurde. ermöglicht diese Sammlung auch anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Monika Datterl einen einfachen Zugang zu den bisher ledig- 5
Verleihung des Richard-Schaeffler-Preises für philosophisch-theologische Grenzfragen an Dr. Daniel Wehinger Am 15. 11. 2018 wurde Dr. Daniel Wehinger bewusstseinskonzept aus, das Selbstbewusst- im Rahmen eines Festaktes an der Hoch- sein als einen wesentlichen Bestandteil von schule für Philosophie SJ in München der Subjektivität ansieht. Alles Erleben enthält Richard-Schaeffler-Preis für philosophisch- demnach ein minimales Bewusstsein meiner theologische Grenzfragen verliehen. Wehin- selbst. Insofern meine Erfahrungen subjek- ger erhielt den Preis für seine Dissertation, tiv sind, gehen sie mit einem präreflexiven die 2016 unter dem Titel „Das präreflexive Bewusstsein meiner selbst einher. Dieses Selbst. Subjektivität als minimales Selbst- Selbstbewusstsein steht im Zentrum der Be- bewusstsein“ beim Verlag mentis erschien. wusstseinsproblematik. Das Phänomen des Erlebens lässt sich nicht ohne das Phänomen Wehinger verteidigt in seiner Arbeit die des Selbstbewusstseins erklären. Unhintergehbarkeit von Selbstbewusstsein Prof. Dr. Godehard Brüntrup zeigte in und wendet sich gegen naturalistische Re- seiner Laudatio auf den Preisträger die Be- duktionsversuche des Selbst. Er betont, dass deutung auf, die der Frage nach dem Selbst Selbstbewusstsein nicht auf höherstufige ko- für die moderne Theologie zukommt und gnitive Fähigkeiten beschränkt werden darf betonte, dass Wehingers Arbeit das Potential und spricht sich für ein umfassendes Selbst- hat, als Brücke zwischen subjektphilosophi- schen Ansätzen in der Theologie und analy- tischen Theorien des Bewusstseins zu dienen. Der Richard-Schaeffler-Preis ist mit 2.000 Euro dotiert und wird seit 1995 vergeben. Er ehrt Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für besonders qualifizierte Abschlussarbeiten, die „einerseits Sach- und Methodenfragen der Philosophie über ihren schon erreichten Diskussionsstand hinaus weiterführen und damit innovativ auf die philosophische Fachdiskussion einwirken, andererseits durch ihre Ergebnisse geeignet sind, der Theologie Impulse zu vermitteln“. Das Institut freut sich über die Auszeichnung und gratuliert dem Preisträger sehr herzlich. Josef Quitterer 6
Aquinas Lecture 2018: Was ist eine gute Religion? Akademische Disputa- tion mit Ansgar Beckermann und Holm Tetens zur Eröffnung des Forschungszentrums ICPR Die Aquinas Lecture 2018 stand im Zeichen logie generell drängenden Zukunftsaufgaben der Eröffnung des Forschungszentrums zu stellen und wichtige Impulse für Universi- Innsbruck Center for Philosophy of Religi- tät, Kirche und Gesellschaft zu liefern. on [=ICPR]. Der Hörsaal I war mit über 100 Dekan Quitterer wies auf die Funktion Gästen mehr als gut gefüllt. Institutsleiter der nunmehr drei Forschungszentren der Kanzian und Dekan Quitterer begrüßten Katholisch-Theologischen Fakultät für die die Anwesenden, darunter in Vertretung Bewältigung des um sich greifenden Phä- von Rektor Märk die VR’in für Forschung nomens des religiösen Analphabetismus Tanzer und der neue Innsbrucker Bischof hin. Immer mehr Menschen lebten in zwei Glettler. unterschiedlichen Welten: in der Welt von Wissenschaft und vernünftiger öffentlicher In ihrem Grußwort nahm die Vizerekto- Verständigung einerseits und in der Welt rin Bezug auf die Empfehlungen des Wis- des privaten Gefühlslebens andererseits. Ein senschaftsrats zur Weiterentwicklung von Symptom dieser Trennung der Welten sei Theologien und religionsbezogenen Wis- etwa die Entfernung religiöser Symbole aus senschaften an deutschen Hochschulen aus dem öffentlichen Raum. Durch solche Sä- dem Jahre 2010. Sie hätten mit großer Sach- kularisierungstendenzen werde das Religi- kenntnis und Sensibilität die Stellung der öse nicht beseitigt, sondern werde nur „ins Theologie zwischen Universitäten, Kirchen private Gefühlsleben und in verschworene und Gesellschaft ausgelotet. Die Vizerekto- Zirkel“ abgedrängt. Wenn das Religiöse sich rin hob drei Punkte besonders hervor: Ers- aber nur noch in der privaten Welt ausdrü- tens sei der zentrale Ort der Theologien die cke, könnten sich Irrationalismen aller Art, Hochschule. Zweitens müsse die Theologie von Frömmlerei bis zum Fundamentalismus, angesichts des Bedeutungsrückgangs der leicht verbreiten. Die wissenschaftliche Be- Kirchen nach „Resonanzräumen“ für theolo- schäftigung mit Religion sei ein Beitrag dazu, gische Forschung außerhalb der Kirchen su- Religion öffentlich zu halten und den pro- chen. Und drittens sollten die theologischen blematischen Dualismus zweier Welten zu Fakultäten ihre Forschung interdisziplinär überwinden. Nur Religionen, die sich auch ausrichten und sich so mit anderen Fächern in Bezug auf ihre Glaubensinhalte dem wis- vernetzen. Das Institut für Christliche Philo- senschaftlichen Diskurs aussetzten, könnten sophie, dessen internationale Reputation die Fundamentalismen wirksam verhindern. Vizerektorin unterstrich, beschreite mit der Bischof Glettler würdigte die Bedeutung Gründung des ICPR genau diesen Weg. Es der Philosophie für jede ernsthafte Theolo- könne Innsbruck, so zitierte sie abschließend gie. Er zitierte aus der zwei Tage zuvor, am 29. Rektor Märk, „als ein europäisches Gravita- Jänner 2018, veröffentlichten Apostolischen tionszentrum für Religionsphilosophie“ eta- Konstitution „Veritatis Gaudium“ von Papst blieren. So wünsche sie dem Zentrum den Franziskus: Es sei unabdingbar, Forschungs- besten Erfolg dabei, sich den für die Theo- zentren zu gründen, die die Vernetzung theo- 7
logischer Forschung mit anderen Fächern Dies führe zu der drängenden Frage, wie in voranbrächten. Mit einem Lächeln fügte der Zukunft noch ein moralischer Konsens der Bischof hinzu, dass es bestimmt auch für den Gesellschaft erreicht werden könne, wenn Papst überraschend sei, wie prompt man in die Menschen nicht mehr mehrheitlich Innsbruck auf diesen Wunsch reagiert habe, christlichen Vorstellungen anhängen. Mit indem schon zwei Tage nach der Veröf- Habermas argumentierte Tapp, dass Religio- fentlichung der Konstitution das neue For- nen als vorpolitische, moralische Grundlage schungszentrum gegründet werde. von Gesellschaften in den gesellschaftlichen Der Gründungssprecher des ICPR, Prof. Konsens integriert und dazu mit den Grund- Tapp, ging in seiner Eröffnungsansprache werten der abendländisch-freiheitlichen auf die Frage ein, warum man überhaupt Rechtsstaaten vermittelt werden müssen. Im Religionsphilosophie betreiben soll. Aus Kontrast zu Ideologien, die sich dem ver- der Innenperspektive wies er darauf hin, nünftigen Diskurs und dem Appell an die dass Religionen Antworten auf Grundfra- Humanität verschließen, trügen Theologien gen des Menschen geben: Was bin ich? Was als rationale Selbstverständigungsprozesse darf ich hoffen? Was soll ich tun? Dadurch von Religionen zur Bildung mündiger Bür- geben Religionen etwas zu denken. Aus ger bei. der Außenperspektive stelle sich die Fra- Holm Tetens eröffnete die Debatte mit der ge, was unsere Gesellschaft von Religionen These, dass eine Religion gut sei, wenn sie habe und davon, dass Philosophinnen und den Menschen lebenspraktisch auf eine ver- Philosophen die mit ihnen einhergehenden nünftige Weise die Hoffnung und Zuversicht Denkherausforderungen annehmen. Aus- vermittle, dass die großen Sinnfragen am gehend von dem bekannten Böckenförde- Ende eine „anthropologisch positive“ Ant- Zitat: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat wort haben, und sie zu einem Handeln un- lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht ter Antizipation dieser Antworten motiviere. garantieren kann. Das ist das große Wagnis, In den folgenden Ausführungen ging Tetens das er, um der Freiheit willen, eingegangen genauer darauf ein, was man unter Sinnfra- ist“, entwarf Tapp die Perspektive, dass die gen, Vernünftigkeit und religiöser Lebens- moralischen Vorstellungen der Bürgerinnen form zu verstehen habe. Bei den Sinnfragen und Bürger die Voraussetzungen für den de- fokussierte sich Tetens auf die von der heu- mokratischen Willensbildungsprozess seien. tigen Wissenschaft evozierten Fragen, etwa Von links nach rechts: Tanzer, Beckerman, Tapp, Quitterer, Gletter und Tetens. 8
nach sinn- und erlebnisfähigen Subjekten in habe sich stets gezeigt, dass wir keine na- einem sinnfreien physikalischen Universum, türlichen, immanenten Erklärungen dieser nach dem sog. „unbedigten Anspruch“ des Phänomene finden konnten. Die Annahme Gewissens und den ungerechten Opfern der eines welttranszendenten Wesens widerspre- Geschichte. Eine existentiell vertretene Ant- che zwar keiner naturwissenschaftlichen Er- wort auf diese und andere Sinnfragen mache kenntnis, sie werde jedoch auch durch keine für den Sinn des eigenen Lebens einen „Un- gestützt. Weiter wies Beckermann darauf hin, terschied ums Ganze“. Die Vernünftigkeit be- dass die analytische Philosophie die strikte deute die Bereitschaft, über die lebenstragen- Ablehnung von Fragen der Religion und der de Hoffnung Rechenschaft abzulegen, über Metaphysik längst hinter sich gelassen habe. ihre Inhalte, ihre Konsequenzen und die Damit ging er auf Tetens’ These ein, dass Gründe, die für oder gegen sie sprechen. Te- die Trostlosigkeit einer von Verbrechen ge- tens bündelte diese Überzeugung in der For- prägten Welt nur durch die Annahme eines derung, den „Hauptsatz rationaler Theologie“ richtenden und tröstenden Gottes überwun- argumentativ zu begründen, dass nämlich den werden könne. Nach einer kurzen Verge- die Sinnfragen genau dann anthropolo- wisserung bei anderen bedeutenden Autoren gisch positive Antworten haben, wenn Gott der Gegenwart, wie Peter Rohs und Franz der allmächtige, allwissende und allgütige von Kutschera, machte Beckermann sich Schöpfer und Erlöser der Welt ist. Die religiö- Thesen Schellenbergs über das Verhältnis ei- se Lebensform sei, drittens, das Entscheiden- ner liebenden Mutter zu ihrem Kind zu eigen: de. Religion sei mehr als eine metaphysische sie würde die ernsthaften Bitten ihres Kindes Weltanschauung. Sie müsse dazu anleiten, hören, ihm unnötige Traumata ersparen, für die positiven Antworten gemeinschaftlich zu sein Wohlergehen Sorge tragen usw. So kam „wagen“. Beckermann schließlich zu seiner Version Abschließend illustrierte Tetens seine des Problems des Übels: Was helfe die An- Position mit einer abgewandelten Form nahme eines jenseitigen Trösters, wenn er der Pascal’schen Wette: „Pascals Test“. Die offenbar in dieser Welt nicht erkennbar so Testfrage ist, wie dramatisch es für die Le- wirkt? Schließlich entwickelte Beckermann bensform einer Religion ist, wenn sich ihr die Grundlinien eines dualistischen Weltbil- metaphysischer Unterbau – die Antworten des mit einem guten und einem bösen Prin- auf die Sinnfragen – als falsch herausstellen zip, ähnlich demjenigen der Gnosis und des sollte. Der religiöse Mensch hätte dann zwar Manichäismus, und schloss mit der provo- in einer Illusion gelebt, doch habe er weder kanten Frage, ob es nicht angesichts dessen, intellektuell unverantwortlich gehandelt, was wir über unsere Welt mit ihrem Dop- noch sei sein Leben sinnlos gewesen, denn pelgesicht aus Schönem und Schrecklichem die positiven Antworten waren intellektuell wissen, am Ende reines Wunschdenken sei, ausgewiesen und ihre Antizipation habe ein wenn wir das christliche Bild eines liebenden sinnvolles Leben vermittelt, dem dieser Sinn Vaters der dualistischen Doppelgesichtigkeit nicht nachträglich wieder abgesprochen wer- vorziehen. den könne. Die beiden Disputanten gingen anschlie- Ansgar Beckermann sieht die „Güte“ einer ßend kritisch auf die Position ihres Gegners Religion v. a. in ihrer Passung zu unserem ein. Wer wissen möchte, wie, der kann sich sonstigen Wissen über die Welt. Dieses Wis- die Debatte als Videodokumentation an- sen (bzw. vermeintliches Wissen) sei lange schauen: https://www.youtube.com/playlist? durch die Zurückführung natürlicher Phä- list=PL5eolwFmTdvjwn4VXgnqVMPhJIEB nomene auf das Wirken welttranszendenter URRED (20. 11. 2018). Wesen, sog. „Numina“, erklärt worden. Dafür bestehe heute kein Anlass mehr. Vielmehr Christian Tapp 9
Internationales Buch-Symposium „True Enough?“ und Gastvortrag „Models in Understanding“ mit Prof. Catherine Z. Elgin (Harvard University) Am 21. März 2018 sprach Catherine Z. El- einmal aus einer epistemischen Rücksicht: gin am Institut für Christliche Philosophie In zahlreichen Fällen scheinen die Unge- darüber, wie wir anhand von Modellen nauigkeit und die Wahrheitsentfernung der die Wirklichkeit verstehen. Am 22. und 23. Repräsentationssysteme, die wir verwenden, März fand am Institut ein internationales unser Verständnis der Wirklichkeit nicht zu Buch-Symposium mit Elgin über ihre neue verhindern, sondern sogar zu steuern und zu Monographie, True Enough, statt. ermöglichen. Unsere Repräsentationssyste- me müssen nicht wahr sein, um effektiv zu Catherine Z. Elgins jüngst erschienenes sein und uns einen kognitiven Zugang zur Buch, True Enough (MIT Press, 2017), stellt Wirklichkeit zu ermöglichen; sie müssen eine Reihe von philosophisch herausfordern- lediglich „wahr genug“ (true enough) sein. den Thesen auf. Als Philosophen schätzen Wahrheit, so Elgin, ist entthront. wir Wahrheit besonders hoch. Zwar kann es Eine solche These ruft natürlich zahlrei- manchmal pragmatische Gründe dafür ge- che Fragen hervor. Wie weit entfernt von der ben, warum es zulässig ist, eine (als solche Wahrheit dürfen Modelle und Idealisierun- anerkannte) Falschheit zu akzeptieren. Aus gen sein, um epistemisch wertvoll zu sein epistemischer Rücksicht ist aber Wahrheit und um ein Verständnis der Wirklichkeit immer gegenüber Falschheit zu bevorzu- zu ermöglichen? Wenn Wahrheit wirklich gen, wenn man die Wahl hat. Diese Ansicht entthront ist, womit bzw. anhand welcher se- scheint prima facie plausibel zu sein, und mantischen Konzepte lässt sie sich ersetzen? über sie besteht in der philosophischen Ge- Inwiefern kann ein falsches Repräsentations- meinschaft ein relativ stabiler Konsens. system mit Tatsachen verbunden, oder auf Doch eine solche Auffassung, behauptet die Wirklichkeit gerichtet sein? Elgin, ist mit einem unüberwindbaren Pro- Genau dies waren die Themen eines Gast- blem konfrontiert: Sie sei nicht in der Lage, vortrags und eines internationalen Buch- dem kognitiven und epistemischen Wert Symposiums mit Catherine Z. Elgin (Harvard der Wissenschaft gerecht zu werden. In der University) im März 2018 an der Universität Wissenschaft spielen nämlich zahlreiche Innsbruck. Gastgeber war das Institut für „Falschheiten“ – wie z. B. Idealisierungen, Christliche Philosophie; die Organisatoren Modelle oder Gedankenexperimente – eine waren Federica Malfatti, Katherine Dorman- sehr wichtige oder sogar unverzichtbare dy und Christoph Jäger; die Veranstaltung Rolle. Eine strikt veritistische Erkenntnis- erfolgte im Rahmen des Doktoratskollegs theorie ist verpflichtet, solche Falschheiten „Religionsphilosophie“. Am Mittwochabend als bloße heuristische Mittel zu betrachten, sprach Elgin im Rahmen des wöchentlichen und zu behaupten, dass diese im Laufe des Forschungsseminars des Instituts vor einem wissenschaftlichen Fortschritts verschwin- breiten und bunten Publikum über die Art den werden. Diese Perspektive, so Elgin, ist und Weise, wie wir anhand von Modellen aber weder plausibel noch wünschenswert. ein Verständnis der Wirklichkeit gewinnen Die Ungenauigkeit von Modellen und Idea- und wie sich theoretische auf reale Syste- lisierungen ist laut Elgin kein Defizit – nicht me beziehen können. In den nachfolgen- 10
den zwei Tagen trafen sich Philosophinnen anderem insofern, als diese die Wirklich- und Philosophen aus sechs Ländern, um keit sukzessiv genauer abbilden und sich der die in True Enough enthaltenen Thesen ge- Wirklichkeit in gewisser Maße annähern? meinsam mit Elgin kritisch zu diskutieren. Und auch angenommen, gewisse falsche Re- Vorträge lieferten Christoph Baumberger präsentationssysteme spielen in der Wissen- (Zürich), Jochen Briesen (Berlin), Henk De schaft eine wichtige oder sogar unverzicht- Regt (Amsterdam), Finnur Dellsén (Háskóli bare Rolle – findet epistemischer Fortschritt Íslands), Roman Frigg (LSE), Emma Gordon nicht u. a. insofern statt, als wir wahre und (Edinburgh), Christoph Jäger (Innsbruck), gerechtfertigte Überzeugungen darüber bil- Insa Lawler (Bochum), und Federica Malfat- den, genau wo und inwiefern solche Reprä- ti (Innsbruck). sentationssysteme von der Wirklichkeit (bzw. Ist Wahrheit tatsächlich vom Thron ge- von einer wahren Beschreibung der Wirk- stoßen, wie Elgin behauptet? Zu den Ergeb- lichkeit) abweichen? Welche Rolle genau die nissen des Symposiums gehört die Einsicht, Wahrheit in unserem Verständnis der Welt dass wir auf einen Wahrheitsbezug vermut- spielt, bleibt eine offene Frage, die Erkennt- lich nicht verzichten können, wenn wir die nistheoretiker und Wissenschaftstheoretiker Perspektive eines wissenschaftlichen und weiter herausfordern wird. epistemischen Fortschritts aufrechterhalten wollen. Werden unsere Theorien und unse- Federica Malfatti re Überzeugungssysteme nicht besser, unter 11
Offizieller Abschluss des Projekts „Analytic Theology and the Nature of God“: Internationale Summer School und Konferenz in Innsbruck „Analytic Theology“ steht für das Bemühen, wurden bei beiden Veranstaltungen behan- theologische Fragestellungen mithilfe der delt, für welche sich mehr als 80 Studierende Methoden und Einsichten der analytischen der Philosophie und Theologie aus 27 ver- Religionsphilosophie zu bearbeiten und schiedenen Nationen beworben haben. In in Beziehung zu anderen philosophischen einem kompetitiven Auswahlverfahren wur- Traditionen zu setzen. Dieses Bemühen den 18 Bewerber und Bewerberinnen aus elf spiegelt inzwischen einen weltweit wach- verschiedenen Nationen, darunter Brasilien, senden Trend wieder, da es Projekte zur USA, Polen, Russland, Israel, Türkei und der analytischen Theologie nicht nur in christ- Tschechischen Republik ausgewählt. Für die lich geprägten Kreisen in Nordamerika, Summer School konnten als renommierte Europa oder Australien gibt, sondern neu- Lehrende Prof. Christoph Jäger (Innsbruck), erdings auch innerhalb der jüdischen und Prof. Yujin Nagasawa (Birmingham, UK) islamischen Tradition. und Prof. Thomas J. Oord (NNU, USA) ge- wonnen werden. Vormittags präsentierten Seit 2010 wurden unter der Gesamtkoordi- sie verschiedene Gotteskonzepte und damit nation von Georg Gasser zwei Großprojekte zusammenhängende aktuelle Entwicklun- von der John Templeton Foundation finan- gen aus Religionsphilosophie und Theologie, ziert, um „Analytic Theology“ in der euro- während nachmittags die Studierenden ihre päischen theologischen und religionsphilo- Forschungsarbeiten vorstellten. sophischen Forschungslandschaft nachhaltig Der bunte Mix der Studierenden führte zu verankern. Das zweite Großprojekt unter zu spannenden Diskussionen, vielen berei- dem Gesamttitel „Nature of God“ (Laufzeit chernden persönlichen Begegnungen und 2015–2018) fand mit einer von Georg Gasser dem Knüpfen wertvoller fachlicher Kon- und Simon Kittle organisierten internationa- takte. Gerade der letzte Punkt ist besonders len Summer School (24. 7. bis 4. 8. 2018) und hervorzuheben, da ein wesentliches Ziel daran anschließenden Konferenz zum The- der Summer School darin bestand, junge ma „Personale und A-Personale Gotteskon- NachwuchswissenschaftlerInnen mit ähnli- zepte“ (6. bis 8. 8. 2018) in Innsbruck einen chen Interessen miteinander in Kontakt zu gebührenden Abschluss. bringen, sodass sich mittelfristig ein stabiles Welche moralische Pflichten – wenn über- haupt – hat eine vollkommene Person? Kann nur ein leidender Gott den Menschen nahe sein? Ist Zeitlosigkeit an A-Personalität ge- knüpft? Ist ein a-personaler Gott überhaupt verehrungswürdig? Ist der Gott des Sufismus eher a-personal als personal? Lässt sich ein personaler Gott in ein pantheistisches Welt- bild integrieren? Diese und ähnliche Fragen 12
Netz von Forschern und Forscherinnen mit menheit. Sogenannte alternative Gotteskon- einem Interesse an analytischer Theologie zepte versuchen hingegen – meist aus philo- etablieren kann. Dass die Zusammenarbeit sophischen Gründen und aufgrund gewisser zwischen verschiedenen Mitgliedern dieses Schwächen der soeben genannten Alternati- Netzwerk bereits funktioniert, zeigt etwa die ven – Gottesbegriffe zu entwickeln, die mit Tatsache, dass bei der an die Summer School einem naturalistischen Weltbild kompatibel anschließenden dreitätigen Konferenz einige sind bzw. explizit auf nicht-christliche reli- Konferenzteilnehmer und ein Konferenz- giöse Traditionen und pantheistische Welt- sprecher an ehemals organisierten Summer deutungen zurückgreifen. Inwiefern diese Schools in Innsbruck 2014 und München Entwicklung mit zunehmend pluralistischen 2016 als Studierende teilgenommen haben. Gesellschaften zusammenhängt, in welchen Bei der Konferenz selbst präsentierten 17 traditionell kirchlich vermittelte Gottes- bekannte Forscherinnen und Forscher aus vorstellungen nur eine Option unter vielen den USA, England, Deutschland, Polen, Spa- darstellen, sei dahingestellt. Dass aber alter- nien, Israel, Südkorea und Österreich ihre native Gottesbegriffe einen Aufwärtstrend Überlegungen zu theoretischen und prakti- verzeichnen, deuten auch verschiedene reli- schen Dimensionen personaler und a-perso- gionssoziologische Studien an, denen gemäß naler Gotteskonzepte. Die aus den Vorträgen viele Zeitgenossen a-personalen Gottesbil- resultierenden Beiträge sollen bei einem in- dern einen größeren Plausibilitätsgrad und ternationalen Verlag 2019 publiziert werden. eine höhere Vernünftigkeit zusprechen als Dass sich die Summer School und Kon- einem personalen Gottesverständnis. Den ferenz dem Thema „a-personale“ Gottes- Fragen, inwieweit das Gottesbild der christ- konzepte widmete, hängt insbesondere da- lichen Tradition auf diese Herausforderung mit zusammen, dass es zunehmend in das angemessen reagieren kann und wo die Leis- Zentrum religionsphilosophischer Debatten tungsgrenzen alternativer Gotteskonzepte rückt. In der gegenwärtigen Debatte lässt zu ziehen sind, werden sich Mitglieder des sich – skizzenhaft dargestellt – von drei un- Netzwerkes, das sich aus den „Analytic- terschiedlichen Traditionssträngen im Hin- Theology“-Projekten ergeben hat, also in blick auf Gotteskonzeptionen sprechen: Der Zukunft vermehrt widmen müssen. So etwa sogenannte klassische Theismus verteidigt bei einem Forschungsprojekt zum Verhält- einen stark metaphysisch verankerten Got- nis von Gottesbild und Übel in der Welt an tesbegriff, bei dem die Einfachheit und onto- der Universität Navarra (Spanien), das vor logische Unabhängigkeit (Aseität) Gottes im kurzem von der spanischen Agentur für For- Mittelpunkt stehen. Der sogenannte perso- schungsförderung positiv begutachtet wurde nale Theismus betont die soteriologisch rele- oder einer Vorlesungsreihe zur analytischen vante Beziehung Gottes zum Menschen und Theologie an der Universität Torun (Polen) versieht Gott daher im Wesentlichen mit 2019. personalen Attributen wie Gottes Freiheit, Allwissenheit oder moralischer Vollkom- Georg Gasser 13
Outreachprogramm für die Studierenden von morgen Im Rahmen des von der John Templeton Mainz (2018) eingeladen, wo sie mit Fachex- Foundation finanzierten und breit ange- perten ihre Essays diskutieren durften und legten Forschungsprojekts „Analytic Theo- die Fragestellung vertiefen konnten. Die Re- logy: Nature of God“ (Laufzeit: 2015–2018) sonanz der eingeladenen Schülerinnen und wurde erstmals auch ein Outreachpro- Schüler fiel durchwegs positiv aus und, wie gramm angeboten, das sich speziell an man an einzelnen Rückmeldungen entneh- Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 men konnte, erscheint Christliche Philoso- bis 19 Jahren richtet. Das Ziel bestand phie danach ungleich attraktiver, als auf den darin, in elementarisierter Form zentrale ersten Blick angenommen. Themen- und Fragestellungen des Projekts, wie etwa die Frage nach dem Verhältnis von „Schöpfung und Evolution“ oder von Essaywettbewerb 2017: Schöpfung und „Wahrheit und Religion“ für die Studieren- Evolution – Das Problem des Zufalls den von morgen aufzubereiten. 1. Preis: Veronika Krapfenbacher (BG/BRG Dazu wurde versucht, in Form zweier Es- Wieselburg, Niederösterreich / A), 1.000 saywettbewerbe und Summer Schools einen Euro Gesprächsfaden zu stiften. Insgesamt folg- 2. Preis: Simon Pilshofer (Bischöflisches ten den Einladungen zu diesen Essaywett- Gymnasium Petrinum Linz, Oberösterreich bewerben 275 Schülerinnen und Schüler / A) und Stefan Fürböck (Bischöfliches Gym- aus Deutschland, Österreich und Südtirol. naisum Graz, Steiermark /A), 600 Euro 216 Essays, die in Einzel- und Partnerar- 3. Preis: David Lamprecht (Vinzentinum beit entstanden, wurde eingereicht und in Brixen, Trentino / I), 200 Euro einem mehrstufigen Auswahlverfahren von 3. Preis: Lisa Maria Fischer (BG/BRG Stocke- einer externen Jury, an deren Spitze u. a. rau, Niederösterreich / A), 200 Euro Forschungspersönlichkeiten, wie Reinhart Kögerler (Präsident der Christian Doppler Gesellschaft), Ulrich Körtner (Wissenschaft- Essaywettbewerb 2018 : Religion und ler des Jahres) oder Andreas Lob-Hüdepohl Wahrheit – Das Problem des Religiösen (Mitglied des Deutschen Ethikrats) standen, Pluralismus evaluiert. Neben Geldpreisen (s. u.) wur- den die besten Beitragsteller jeweils zu ei- 1. Preis: Linda Kolb (Johannes Butzbach ner Summer School nach Brixen (2017) bzw. Gymnasium Neukirchen, Bayern / D), 1.000 Euro 2. Preis: Florian Frühhaber (Gymnasium Christian-Ernestinum Bayreuth, Bayern / D), 500 Euro 2. Preis: Jonas Winter (Kollegium Aloisia- num Waldneukirchen, Oberösterreich / A), 500 Euro Klaus Viertbauer 14
Von Metaphern und Maschinen: Der Austro-Canadian Roboethics Workshop 2018 Der einmal pro Jahr in Kooperation mit tikerin und Soziologin Ina Wagner (Multi dem Zentrum für Kanadastudien veran- disziplinäres System Design, TU Wien) und staltete Austro-Canadian Ethics Workshop der Philosoph und Pflegewissenschaftler unter der Federführung von Claudia Pa- Patrick Schuchter (Universität Graz) gehen, ganini hat mittlerweile schon Tradition. wenn sie davor warnten, die anspruchsvollen Nachdem sich die ebenso interdisziplinä- Herausforderungen des Pflegesystems undif- ren wie internationalen Referenten in den ferenziert durch das Allheilmittel Roboter vergangenen Jahren mit Medienethik, Me- lösen zu wollen. dizinethik und Tierethik beschäftigt hatten, Der kanadische Ingenieur und Gastvor- veranstalteten Georg Gasser und Claudia tragende Mike von der Loos (UBC Vancou- Paganini heuer eine Fachtagung zum The- ver) dagegen präsentierte eine grundsätzlich ma Roboterethik, wobei der Schwerpunkt positive und weniger skeptische Sicht der der Zukunftsvision sozialer Roboter im Be- Mensch-Maschine-Interaktion, sprach aber reich der (Alten)Pflege gewidmet war. zugleich das Problem der Täuschung an, der man sich bis zu einem gewissen Grad hinge- Neu war dabei zum einen, dass man mit dem ben müsse, wenn man in einem Roboter ei- WuV (Arbeitskreis Wissenschaft und Verant- nen sozialen Gefährten finden wolle. Genau wortlichkeit) einen weiteren Partner gewon- diese Unidirektionalität auf der Ebene von nen hatte, zum anderen, dass der Abendvor- Gefühlen und Beziehung nahm der Philo- trag samt anschließender Podiumsdiskussion soph Georg Gasser zum Ausgangspunkt für – um ein breiteres Publikum anzusprechen – seine anthropologischen Betrachtungen ei- auf Deutsch gehalten wurde. Beide Neuerun- ner (un)möglichen Freundschaft zwischen gen haben sich bewährt. Denn die Claudiana Mensch und Maschine. Roboter als „social war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die companions“ könnten seiner Meinung nach Südtiroler Medienwissenschaftlerin Claudia in der Zukunft durchaus sinnvoll eingesetzt Gerstl mit einer spannenden Präsentation werden, würden zwischenmenschliche Be- über die vielfältigen Formen von Beziehun- ziehungen aber keinesfalls substituieren gen zwischen Robotern und Menschen in können. Alles in allem wurde bei diesem Science Fiction Filmen die Tagung eröffnete. dichten und spannenden Workshop das zu- Diese Aufmerksamkeit auf die menschli- nehmend gesellschaftlich relevante Themen- che Vorstellung und das menschliche Reden feld Roboterethik aus dem Blickwinkel der von Robotern, griff dann der Medienpäda- Robotik, Informatik, Medienwissenschaft, goge und Kommunikationswissenschaftler Philosophie und den Pflegewissenschaften Theo Hug auf, indem er sich den Metaphern abgesteckt. Fragen wie, wer in Zukunft auf zuwandte, mit denen wir uns auf Roboter welche Weise Pflege bewerkstelligen wird beziehen. Dabei stellte er die kritische Fra- und ob uns Robo-Pets und soziale Robotor ge, warum wir angesichts der vielen ebenso im Alltag begleiten sollen, sind Themen, die drängenden wie komplexen Probleme der die Gesellschaft von morgen mit Sicherheit Gegenwart ausgerechnet technische Lösun- bewegen werden. gen suchen. In eine ähnliche Richtung sollten am Abend auch die Teilnehmer an der Po- Claudia Paganini diumsdiskussion, die Physikerin, Informa- 15
Vom guten Leben und Sterben: Wachsendes Interesse an der Medizinethik Wann ist ein Therapieabbruch ethisch ge- die medizinische Seite über anamnetische rechtfertigt? Was bedeutet gute palliative und differenzialdiagnostische Aspekte, Pflege? Welchen Stellenwert hat das ethi- sowie konkrete Therapieschritte bis hin zu sche Prinzip der Autonomie? Sollen Impf- entsprechenden Absprachen mit der Pflege, gegner als autonome Subjekte in ihrer Frei- und, falls erforderlich, mit psychologischen heit akzeptiert werden oder gefährden sie und sozialen Diensten referiert, beleuchten durch ihr Verhalten ihre eigene Gesundheit, Dr. Gasser und Dr. Paganini die ethische sowie die anderer Personen? Worin besteht Problemstellung, sozial- und kommunikati- der ethische Unterschied zwischen „ster- onstheoretische Aspekte, die Dimension der ben lassen“ und „töten“? Was bedeutet ein Spiritualität am Lebensende, sowie mögliche Sterben in Würde? religiöse Einflussfaktoren bei der Entschei- dungsfindung. Ärztliches Personal und Pflegekräfte sehen Um die „graue Theorie“ plastisch werden sich in ihrer Arbeit häufig direkt oder indi- zu lassen, ist in die Lehrveranstaltung zudem rekt mit diesen und ähnlichen Fragen kon- eine Art „bedside-teaching“ integriert wor- frontiert. Während in zahlreichen Ländern den: Die Studierenden besuchen im Rahmen bio- und medizinethische Lehrveranstal- der Lehrveranstaltung auch Patienten und tungen im Studium bzw. in den jeweiligen Patientinnen auf Stationen wie der neonato- Facharzt- und Pflegeausbildungen vorge- logischen Intensivstation, der pädiatrischen schrieben sind, finden sich diese Lehrveran- Intensivstation oder der Kinderonkologie staltungen hierzulande höchstens als Wahl- bzw. treffen sich mit betroffenen Eltern, Psy- fächer wieder. chologen oder Therapeuten. Es folgt eine me- Dr. Claudia Paganini und Dr. Georg Gas- dizinethische Reflexion und der Austausch ser engagieren sich seit einigen Jahren als über die persönlichen Eindrücke. Die so kon- Team in medizinethischen Lehrveranstaltun- zipierten Lehrveranstaltungen werden sehr gen an der Medizinischen Universität Inns- gut aufgenommen. Das semestrale Angebot bruck (MUI). Der Ursprung dieses Engage- mit max. 15 Plätzen ist nach wenigen Tagen ments geht auf die Initiative des ehemaligen ausgebucht und das Feedback der Studie- Primars der Kinderheilkunde, Prof. Dr. Ger- renden ist durchwegs positiv. Der abwechs- hard Gaedicke zurück, der Medizinethikvor- lungsreiche Mix aus Stationsbesuchen und lesungen an der Klinik für Kinderheilkunde anschließenden Reflexionen, Präsentationen als interdisziplinäres Wahlfach fix verankerte und Kurzessays zu zentralen Konzepten der und dafür nach ethischer Expertise Ausschau Medizinethik, sowie Diskussionen mit The- hielt. Seine Idee war das Wahlfach als inter- rapeuten, Angehörigen und Patienten stellt disziplinäres Teamteaching zu konzipieren, eine willkommene inhaltliche Bereicherung bei dem jeweils ein Vertreter aus Medizin dar. Zudem gibt es genügend Raum für Dis- und Philosophie gemeinsam die Lehrveran- kussionen, die im lern- und praktikumsin- staltung leiten, um ein medizinisch relevantes tensiven Medizinstudium traditionell einen Fallbeispiel aus verschiedenen Perspektiven geringeren Stellenwert einnehmen. in all seiner Komplexität beleuchten und re- Dr. Gasser und Dr. Paganini denken mit flektieren zu können. Die Grundausrichtung Kollegen und Kolleginnen von der MUI be- dieses Konzepts hat sich bewährt; während reits über einen Ausbau des Angebots nach. 16
Die Etablierung einer Art „medizinethi- schen Simulationszentrums“ auf Basis des sogenannten „Multiple Mini Interview“- Konzepts, das vor einigen Jahren an der McMaster University (Kanada) entwickelt wurde, schwebt als mittelfristiges Ziel vor Augen und würde zugleich neue Maßstäbe der medizinethischen Ausbildung in Öster- reich setzen. In einem solchen Simulations- zentrum sollen angehende Mediziner und Medizinerinnen entscheidende Fähigkeiten ärztlichen Handelns an verschiedenen Sta- Gasser und Dr. Paganini sind diese medizi- tionen trainieren und testen können wie nethischen Lehrveranstaltungen neben zahl- z. B. Kommunikationsvermögen, Erfassen reichen bereichernden Begegnungen mit wesentlicher ethischer Aspekte eines Fallbei- Patienten, Angehörigen, Pflegekräften und spiels oder die Bereitschaft eigene Grenzen ärztlichem Personal auch eine schöne Gele- zu akzeptieren und Hilfe anzufordern. Wäh- genheit zu zeigen, dass Philosophie nicht nur rend Medizinethik lange Zeit ein Aschenput- spannende Gedankenakrobatik ist, sondern tel-Dasein in der Medizin geführt hat, zeigen zu einem guten Leben (und Sterben) einen diese Initiativen, dass inzwischen von medi- unabdingbaren Beitrag leisten kann. zinischer Seite nach ethisch-philosophischer Expertise Ausschau gehalten und diese auch Georg Gasser dankbar angenommen wird. Und für Dr. Wie lässt sich Gott erkennen? In der gegenwärtigen Religionsphiloso- nahe an der Realität des religiösen Glaubens: phie wird zunehmend die Idee eines fideis- Belege können alles, was uns über Gott – sei- tischen „Glaubenssprungs“ vertreten, d. h., ne Existenz, seinen Charakter und seinen dass man auch ohne zureichenden episte- Willen für unser Leben – zu informieren ver- mischen Grund an Gott glauben soll. Dem- mag, aufzeigen. Mit eingeschlossen sind in- gegenüber verteidige ich die evidentialis- tellektuelle Überlegungen aber auch eigene tische Ansicht, dass Gott am besten durch Erfahrungen, von mystischen Begegnungen Anknüpfungspunkte für die Wahrheit, an- bis hin zu schlichten Alltagserlebnisse von ders gesagt durch Belege, zu erkennen Gottes Führung in unserem Leben, sowie die ist – d. h., durch Informationen, die durch kollektive Weisheit religiöser Traditionen. unsere Erfahrungen und Überzeugungen Es gibt eine häufig übersehene Quelle geliefert werden. von Belegen über Gott, nämlich die Meinun- gen andersdenkender Menschen – seien sie Der Evidentialismus hat den schlechten Ruf, Angehörige anderer religiösen Traditionen religiöse Erkenntnis auf philosophische Be- oder die Marginalisierten aus der eigenen weise oder empirische Daten zu reduzieren. religiösen Gemeinschaft. Diese These mag Meine evidentialistische These bleibt jedoch überraschen, denn religiöse Gemeinschaften 17
neigen dazu, den offenen Diskurs und Dis- tieferes Verständnis, eine sicherere Gebor- sens als epistemisch gefährlich zu betrachten. genheit und eine authentischere Liebe. Vielmehr gehen sie von der Grundüberzeu- Dieses Argument führe ich in meinem gung aus, dass die Schätze des Glaubens viel Buchmanuskript Faith in Evidence aus. Je- effektiver aufbewahrt werden, wenn man doch sind viele der Ideen im Jahr 2018 in den Dissens vermeidet. folgenden begutachteten Fachzeitschriften Doch durch die Beeinträchtigung von schon erschienen: Dissens begehen wir das Risiko, Denkfehler 1. „������������������������������������ Disagreement from the Religious Mar- aus unserem zeitlich und räumlich begrenz- gins“, in Res Philosophica – zweitplatziert ten Blickwinkel heraus als ewige Wahrheiten im Wettbewerb New Frontiers in Philoso- zu verkennen. Außerdem besteht die Gefahr, phy of Religion; argumentiert dafür, dass dass wir ein falsches Gottesbild vermitteln, das Aufpassen auf marginalisierten Stim- gemäß dem sich Gott für unseren blinden men innerhalb einer religiösen Gemein- Gehorsam statt für unsere vom Verständnis schaft aus erkenntnistheoretischer Sicht angetriebene Liebe interessiert. Der Dis- wichtig ist. kurs und der Dissens hingegen fordern uns 2. „Resolving Religious Disagreements: Evi- heraus, unseren Glauben – und daher auch dence and Bias“, in Faith and Philosophy – Gottes Charakter – besser zu verstehen und über die Relevanz kognitiver Verzerrun- den Glaubensweg daher authentischer zu be- gen bei der Gewichtung von Belegen über gehen. die Religion. Ein Grund also, weshalb Belege – mitsamt 3. „Evidence-Seeking as an Expression of dem Dissens mit Andersdenkenden – für Faith“, in American Catholic Philosophical den Glauben wichtig sind, liegt daran, dass Quarterly – argumentiert dafür, dass die sie Anknüpfungspunkte zur religiösen Wahr- Suche nach Belegen für einen lebendigen heit sind. Daraus ergeben sich zwei weitere Glauben wichtig sein kann. Gründe, die jeweils zwei Komponenten eines 4. „Epistemic Authority: Preemption or Pro- solchen Glauben entstammen: dem Vertrau- per Basing?“ in Erkenntnis – plädiert für en in Gott und der Liebe zu ihm. Was das einen in Vernunft gegründeten Umgang Vertrauen betrifft, gilt, dass umso besser wir mit epistemischer Autorität. eine vertraute Person kennen (sprich: umso 5. „Does Epistemic Humility Threaten Re- besser unsere Belege über sie sind), desto ligious Beliefs?“ in Journal of Psychology zuversichtlicher können wir sein, dass sie and Theology – eine Diskussion der er- vertrauenswürdig ist – und desto geborge- kenntnistheoretischen Gefahren religiö- ner können wir in unserem Vertrauen in sie sen Fundamentalismus. sein. Hinsichtlich der Liebe gilt, wenn unsere Überzeugungen über eine geliebte Person auf Die katholisch-Theologische Fakultät Inns- guten Belegen (nicht zuletzt ausführlichen bruck hat sich als hervorragender Ort er- Erfahrungen mit ihr) beruhen, sind wir in wiesen, diese Ideen im interdisziplinären der Lage, sie selbst zu lieben, anstatt eines Gespräch mit Philosophen und Philosophin- Abbilds, das wir uns von ihr machen. nen, Theologen und Theologinnen und Bi- Zusammenfassend ist Gott am besten belwissenschaftler und Bibelwissenschaftle- durch Belege, inklusive des Diskurses mit rinnen zu entwickeln. Andersdenkenden, zu erkennen. Die beleg- basierte Gotteserkenntnis wiederum berei- Katherine Dormandy chert den Glauben, denn sie ermöglicht ein 18
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