ISS AKTUELL Zur strategischen Lage 1/2017

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ISS AKTUELL Zur strategischen Lage 1/2017
Institut für Strategie und Sicherheitspolitik
der Landesverteidigungsakademie Wien            1/2017

ISS AKTUELL

  Herwig Jedlaucnik (Hrsg.)

Zur strategischen Lage

 Jahresbeginn 2017

 Globale Akteure und internationale Organisationen
ISS AKTUELL Zur strategischen Lage 1/2017
Impressum:

Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber:
Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport
Rossauer Lände 1
1090 Wien

Redaktion:
Landesverteidigungsakademie
Institut für Strategie und Sicherheitspolitik
Stiftgasse 2a
1070 Wien

Copyright:
© Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport
Alle Rechte vorbehalten

Periodikum der Landesverteidigungsakademie

ISBN: 978-3-903121-15-7

Jänner 2017

Druck
HDruckZ-ASt Stift xxxx/17
Stiftgasse 2a
1070 Wien
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ISS AKTUELL 1-2017

Vorwort

Der Überblick zur aktuellen strategischen Lage mit Stand Anfang 2016, den wir Ihnen hiermit vorlegen, erscheint in
weltpolitisch interessanten Zeiten. US-Präsident Donald Trump hat sein Amt als 45. Präsident der Vereinigten Staaten
von Amerika angetreten und bereits für erhebliche Turbulenzen und Irritationen gesorgt. Diese letzten Entwicklungen
haben wir zwar noch nicht in diese Ausgabe unserer strategischen Lage einfließen lassen können, wagen es aber
dennoch eine erste Einschätzung der längerfristigen Konsequenzen für die globale und europäische Politik
vorzunehmen, ohne in die aktuelle Hysterie mancher medialen Berichterstattung zu verfallen. Insbesondere
präsentieren wir Ihnen aber auf den kommenden Seiten kurze Rückblicke auf die Ereignisse des vergangenen
Halbjahres. Dabei sollen laufende Entwicklungen in größere Zusammenhänge gestellt, aber auch eine Einschätzung
möglicher künftiger Abläufe erleichtert werden. Es geht uns nicht um eine enzyklopädische Darstellung aller
Geschehnisse des vergangenen halben Jahres, sondern um eine kurze, aber prägnante Analyse und Bewertung
ausgewählter Aspekte unter Berücksichtigung regionaler Zusammenhänge. Der letzte derartige Überblick erschien im
Juli 2016; die einzelnen Beiträge des vorliegenden Berichts wurden Anfang Jänner 2017 fertig gestellt.
Die Leitung und Redaktion dieser Zusammenschau lag wieder in den bewährten Händen von Oberstleutnant des
höheren militärfachlichen Dienstes Mag. Herwig Jedlaucnik. Ihm und allen Kollegen, die an der Erstellung dieses
Überblicks beteiligt waren, gebührt unser Dank. Neben den Angehörigen des ISS (Dr. Rastislav Báchora, der derzeit
dem Büro für Sicherheitspolitik dienstzugeteilt ist, Dr. Gerald Brettner-Messler, Dr. Gunther Hauser, Oberst des
höheren militärfachlichen Dienstes Dr. Otto Naderer, und Dr. Felix Schneider) möchte ich Dr. Walter Posch und Dr.
Gerald Hainzl (vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement) sowie Dr. Johannes Maerk nennen und
danke allen für ihre Mitwirkung. Ganz besonderen Dank schulden wir Dr. Felix Schneider, der neben seiner
wissenschaftlichen Mitwirkung, alle Beiträge - unter wie gewohnt übermäßigem Zeitdruck - lektoriert hat. Für die
Administration und Verteilung sorgte wie immer Major Wolfgang Gosch.
Wie auch bisher üblich, erscheinen die einzelnen Beiträge unter der Verantwortung der jeweiligen Autoren als
Wissenschaftler und repräsentieren daher ausschließlich deren persönliche Einschätzung, nicht aber irgendeine offiziöse
Meinung des Ressorts oder der LVAk.

Die Mitarbeiter des ISS wünschen eine spannende Lektüre und gleich auch einen erholsamen Sommer.

Hofrat Univ.-Doz. Dr. Erwin A. Schmidl
Leiter des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort.................................................................................................................................................................................................... 1
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................................................................................... 2

Polarisierung als dominanter Faktor strategischer Entwicklungen ......................................................................4
    Die Veränderung der globalen Ordnung....................................................................................................................................... 4
    Integrationismus versus Nationalismus – die Polarisierung der europäischen Gesellschaften ............................................ 4
    Die äußeren Herausforderungen Europas .................................................................................................................................... 7

Die westliche Welt … ........................................................................................................................................... 10
Weltmacht USA .................................................................................................................................................... 10
    Barack Obama (2008-2016) – (k)ein Resümee ........................................................................................................................... 10
    Intermezzo: Anmerkung (nicht nur) in eigener Sache .............................................................................................................. 12
    Donald Trump – das „Ende der Nachkriegswelt“? .................................................................................................................. 13

Europa und die EU .............................................................................................................................................. 16
    Die Rede zur Union und der Zustand der EU ........................................................................................................................... 16
    Die neue „Sicherheitsunion“ ......................................................................................................................................................... 16
    „EU-Armee“ bleibt Illusion .......................................................................................................................................................... 17
    Die Flüchtlings- und Migrationskrise........................................................................................................................................... 19
    Brexit: Der Termin für die Austrittsgespräche ........................................................................................................................... 20
    Türkei: Einfrieren der Beitrittsgespräche .................................................................................................................................... 20

Die NATO und die transatlantischen Beziehungen ........................................................................................... 22
    Die wesentlichen Ergebnisse des NATO-Gipfeltreffens in Warschau, 8. – 9. Juli 2016 .................................................... 22
    Umsetzung der Gipfelbeschlüsse „Reassurance“ ...................................................................................................................... 22
    Erstes US-Armored Brigade Combat Team in Europa ............................................................................................................ 23
    Maritime Operationen .................................................................................................................................................................... 23
    Anti-IS Koalition ............................................................................................................................................................................. 23
    Rüstungsvorhaben........................................................................................................................................................................... 23
    Partner............................................................................................................................................................................................... 24
    Ausblick: Unsicherheiten durch den Alliierten Türkei, wachsenden Nationalismus beiderseits des Atlantiks und die
    kommende US-Administration ..................................................................................................................................................... 25

… und ihre Partner und Herausforderer.............................................................................................................. 28
Russland und der zentralasiatische Raum........................................................................................................... 28
    Russische Innenpolitik ................................................................................................................................................................... 28

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    Russische Außen- und Sicherheitspolitik .................................................................................................................................... 28
    EU-Sanktionen und wirtschaftliche Entwicklung...................................................................................................................... 30
    Ausblick ............................................................................................................................................................................................ 31

Der indo-pazifische Raum ................................................................................................................................... 32
    Indien – Pakistan: neue Eskalation des Konflikts ..................................................................................................................... 32
    Nordkorea: Kommt 2017 der nukleare Durchbruch?............................................................................................................... 32
    Präsident Trump: US-Bündnispolitik am Prüfstand ................................................................................................................. 33
    Südchinesisches Meer: Der Konflikt wird schärfer ................................................................................................................... 34
    Wie wird Trumps China-Politik aussehen? ................................................................................................................................. 35
    Myanmar: Verfolgung der Rohingya wird zu regionalem Problem ........................................................................................ 36

Syrien und die Folgen .......................................................................................................................................... 38
    Instabil und fremdgeworden: die Türkei ..................................................................................................................................... 38
    Vorsichtig und selbstbewußt: die Islamische Republik Iran .................................................................................................... 40

Subsahara-Afrika .................................................................................................................................................. 44
    Gambia als Prüfstein für das Krisenmanagement der ECOWAS........................................................................................... 44
    Mali –Verstärktes deutsches Engagement im internationalen Krisenmanagement ............................................................. 44
    Nigeria – Erfolge in der Terrorbekämpfung aber gravierende wirtschaftliche Probleme................................................... 44
    Südsudan – Präsident Kiir festigt seine Macht ........................................................................................................................... 44
    Äthiopien – Ethnonationalismus als Gefahr für die Stabilität ................................................................................................. 45
    Zimbabwe – Vorbereitung auf Post-Mugabe-Zeit .................................................................................................................... 45

Lateinamerika ...................................................................................................................................................... 46
    Chinas aufstrebende Rolle als Rüstungsausrüster in der Region ............................................................................................. 46
    Marineübung IBSAMAR ............................................................................................................................................................... 46
    Lateinamerikanische Friedenssicherung im Rahmen der UNO .............................................................................................. 47
    Inter-American Defense Board (IADB)...................................................................................................................................... 47
    Kolumbiens Annäherung an die NATO ..................................................................................................................................... 47

Schwierige Entwicklung der globalen Ökonomie in unsicheren Zeiten ............................................................. 48
    Der globale Freihandel ................................................................................................................................................................... 49
    Industriestaaten ............................................................................................................................................................................... 50
    Wachstumsmärkte, regionale Mächte und Schwellenländer .................................................................................................... 52

Bildnachweis ......................................................................................................................................................................................... 54
Autoren .................................................................................................................................................................................................. 56

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Polarisierung    als   dominanter              Faktor          ein ständiger Herd zusätzlicher Gewalt. Dennoch ist es
strategischer Entwicklungen                                    mehr als fraglich, dass dies zu weniger Gewalt in
                                                               nationalen und internationalen Krisen führen wird. Es
Die Veränderung der globalen Ordnung                           ist aber zu erwarten, dass die damit verbundenen
Die internationalen Beziehungen befinden sich in einem         Anforderungen und Anstrengungen mehr regionaler als
Umstrukturierungsprozess. Da vor allem die nicht-              globaler Natur sein werden. Auch werden sowohl in der
westlichen Mächte weiterhin und verstärkt die                  Diplomatie      als    auch      im     internationalen
Hegemonie der USA und ihrer Verbündeten ablehnen,              Krisenmanagement „Coalitions of the willing“ von
bestätigt sich der generelle Trend zu einem                    größerer Bedeutung sein.
konfrontativen und multipolaren globalen Umfeld.
Diese Auseinandersetzungen finden einerseits zwischen          Für Österreich stellt dies eine massive Herausforderung
den traditionellen Mächten der Post-Weltkriegsära statt,       dar, zumal es seine Sicherheitspolitik in den letzten
andererseits     zwischen     diesen    und      neuen         Jahrzehnten primär von effektiven internationalen
Herausforderern. Konfrontationen erfolgen dabei in             Organisationen wie UNO, OSZE oder EU abhängig
unterschiedlichen Konfigurationen und Gruppierungen.           gemacht hat, und – obwohl selbst nicht Mitglied – von
Die konkurrierenden Mächte versuchen, vorhandene               der NATO. Nationale Anstrengungen und bilaterale
Einflusssphären zu beherrschen bzw. solche zu                  Kooperationen werden somit jedoch möglicherweise
schaffen.                                                      auch für Österreich in den kommenden Jahren an
Die USA sind dabei zwar weiterhin die einzige globale          Bedeutung gewinnen.
Supermacht – der Konsens, dass eine US-Hegemonie
                                                               Kultur und Religion als zentrale Konfliktursachen
sowohl für die Welt als auch für die USA selbst positiv
ist, wurde und wird jedoch nicht nur von zahlreichen           Ideologien und Weltanschauungen werden nach dem
anderen Staaten, sondern auch von den USA selbst               vorläufigen Ende des US-Interventionismus in den
zunehmend in Frage gestellt. Die globale Multipolarität        Hintergrund treten. Wir erleben stattdessen die
wird sich somit auch dadurch verstärken, dass die USA          Rückkehr eines strategischen Wettbewerbes zwischen
zumindest teilweise auf die gewohnte Gestaltung der            starken Staaten mit widerstreitenden Interessen.
internationalen Ordnung verzichten. Sie werden                 Nationale Interessen, aber auch die religiöse
vermutlich mehr als bisher Verantwortung auf ihre              Orientierung sind und werden dabei von zentraler
Verbündeten und Partner übertragen. Inwieweit sich die         Bedeutung sein. Die religiöse Frage ist dabei
Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten auf die                  insbesondere bezüglich des Islam äußerst konfrontativ.
globale Lage auswirken wird, kann sicher noch nicht            Einerseits       findet        eine      innerislamische
abschließend beurteilt werden, auch wenn manche                Auseinandersetzung vornehmlich zwischen Sunniten
Kommentatoren        bereits  den     Untergang     der        und Schiiten statt sowie zwischen islamistischen und
internationalen Ordnung zu erkennen glauben.                   säkularistischen bzw. moderaten Kräften. Andererseits
                                                               stellt sich der militante Islamismus auch gegen externe
Auch die Funktionalität und Rolle internationaler              Kräfte und wird mittelfristig diesbezüglich wohl auch
Organisationen wird aus unterschiedlichen Gründen              eine Gegenbewegung auslösen. Generell prägen die
sowohl von nicht-westlichen als auch von westlichen            Kultur und die Identität von Kulturkreisen
Staaten in Frage gestellt. Das System der Global               Auseinandersetzungen und desintegrative Prozesse. Die
Governance als die kooperative, multilaterale Gestaltung       dominierenden Ursachen für bewaffnete Konflikte
der Globalisierung wird tiefgreifend lahmgelegt. Neben         werden jedenfalls in absehbarer Zukunft vor allem
anderen verlieren UNO, Weltbank, IWF und WTO                   kultureller Natur sein.
massiv an Bedeutung. Regionale oder multilaterale
                                                               Kampf um Einfluss und Macht
Vereinbarungen werden zusehends durch wechselnde
                                                               Unsicherheiten bedingt durch den mit sich selbst
Allianzen und Vereinbarungen auf Basis nationaler
                                                               beschäftigten und nach innen konzentrierten Westen
Interessen ersetzt werden. Regelungen auf Basis von
                                                               und Unklarheiten über die Ziele und Möglichkeiten von
Macht und Interessen werden an Relevanz gewinnen –
                                                               Konfliktprävention und Menschenrechten führen vor
auf Kosten der von westlichen Ordnungsvorstellungen
                                                               allem zu einer Ausdehnung des Einflusses alternativer
geprägten Regime des internationalen Völkerrechts.
                                                               regionaler Mächte, insbesondere Chinas und Russlands.
Einerseits steht damit die bisher gewohnte
                                                               Dabei wird es jedoch auch Herausforderungen
Einschränkung und Eindämmung (bewaffneter)
                                                               bezüglich der Interessen und des Einflusses des
Konflikte zur Disposition, andererseits wird jedoch
                                                               Westens geben – und dabei insbesondere der USA.
auch die Befeuerung solcher Konflikte durch
                                                               Konflikte zwischen diesen Mächten werden allerdings
Einmischung von außen reduziert. Insbesondere die
                                                               unter der Schwelle eines offenen und heißen Krieges
äußere Einmischung vor allem aus fremden
                                                               bleiben. Dennoch besteht eine erhöhte Gefahr von
Kulturkreisen war in den vergangenen Jahren oftmals

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wechselseitigen Fehlern in der Kalkulation des                    schaffen. Der EU ist es aber offensichtlich in den
jeweiligen Gegners und damit die Gefahr direkter, auch            vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, aus diesem
bewaffneter       Konfrontationen.          Sowohl      die       Konstrukt politischer Vernunft eine emotionale
völkerrechtliche Illegitimität bewaffneter Konflikte, als         Identität zu schaffen. Daher vertrauen die europäischen
auch der Versuch, direkte bewaffnete Konfrontationen              Bürger trotz aller Politikverdrossenheit ihren nationalen
zwischen mächtigen Staaten zu vermeiden, führt                    Parlamenten weiterhin mehr als den Brüsseler
gegebenenfalls zu hybriden Konflikten, in denen sowohl            Institutionen. Überdies ist eine deutliche Distanz
klassische als auch asymmetrische Bedrohungen                     zwischen großen Teilen der Gesellschaft und den
nebeneinander bestehen und sich gegenseitig verstärken.           politischen Eliten bzw. dem sogenannten Establishment
Dabei sind oft auch die (staatlichen) Akteure diffus und          zu erkennen.
sie sind schwierig zu identifizieren.                             Innereuropäisch stellten sich zahlreiche Repräsentanten
Die Natur bewaffneter Konflikte ist gleichzeitig einem            der EU in den vergangenen Monaten aggressiv gegen
stetigen Wandel unterworfen. In zahlreichen Konflikten            alternative politische Positionierungen, wie etwa der
ist der Unterschied zwischen Kriegszonen und Zonen                Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker oder der
des Friedens, bzw. zwischen legitimen und illegitimen             Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk. Die
Kombattanten sowie Zivilisten fließend und diffus. In             Diskussion der Frage, was der unabdingbare Kern der
rüstungstechnischer       und       taktischer     Hinsicht       europäischen Integration sei und ob die EU in ihrer
verursachen       Kombinationen          einfacher     und        aktuellen Form eventuell eine überambitionierte Idee
hochentwickelter Technologie sowie konventioneller                europäischer Einheit darstelle, wird von der
und unkonventioneller Taktik immer neue und schwer                europäischen Elite dabei verweigert. Dadurch besteht
berechenbare Dynamiken am Gefechtsfeld. Dies stellt               aber die Gefahr, dass die EU die eigenen Kräfte und
die oft trägen Strukturen moderner Armeen vor große               Fähigkeiten überdehnt. Es droht dieses einzigartige
Herausforderungen.                                                Friedensprojekt europäischer Geschichte an zu hoch
                                                                  gesteckten Zielen zu scheitern und an einer zumindest
Integrationismus versus Nationalismus – die                       so empfundenen Arroganz der europäischen Eliten. Es
Polarisierung der europäischen Gesellschaften                     werden als ausschließliche Alternativen die immer
Parallel zu den globalen Entwicklungen erleben die                tiefere Integration Europas bis zur Realisierung eines
westlichen Gesellschaften eine innere politische                  Einheitsstaates einerseits und als nationale Option die
Auseinandersetzung,         deren      zentraler,    auch         Unabhängigkeit       des     Einzelstaates    andererseits
(sicherheits)politisch strategischer Aspekt die Frage der         entgegengestellt. Ob dies die erfolgreiche Strategie zur
Ausrichtung nach globalistisch-integrationistischen oder          Aufrechterhaltung der europäischen Einheit darstellt
patriotisch-nationalistischen Zielen ist. Die globalen            oder eine Basis für die Demontage eben dieser Einheit,
Abhängigkeiten und Vernetzungen führen durch das                  ist jedoch umstritten. Sicher ist jedoch, dass es dabei zu
eingeschränkte       wirtschaftliche    Wachstum        zu        einer Polarisierung nicht nur der Gesellschaft
zunehmenden Spannungen innerhalb und zwischen                     gekommen ist, sondern auch der politischen Akteure.
Gesellschaften. Der Liberalismus in seiner derzeitigen
Form wird dabei sowohl von linken als auch rechten
politischen Gruppierungen in Frage gestellt. Innerhalb
der EU nehmen die weit rechts oder links positionierten
Parteien     tendenziell     zumeist     europaskeptische
Positionen ein, während die Parteien der politischen
Mitte der europäischen Integration meist positiv
gegenüber stehen. Populismus und Radikalismus
werden       dabei     grundsätzlich     rechtsgerichteten
patriotisch/nationalistischen Parteien unterstellt, sind
jedoch zumeist keine sachliche Kategorisierung, sondern
„Kampfbegriffe“ gegen politische Gegner. Die
patriotisch/nationalistischen Parteien befinden sich
jedenfalls seit Jahren im Aufwind; dies wider die
integrationistischen und globalisierenden Tendenzen,
die in den letzten Jahrzehnten bestimmend waren.
Die EU hat in den vergangenen Jahren versucht, die
Nation als mentalitätsprägendes und identitätsstiftendes          Migration als Ursache von Polarisierung
Element zu entsorgen. Projekte wie das Europa der
Regionen sollten dabei den Nationalstaat delegitimieren           Ungleichheit bei Einkommen und Wohlstand, das
und die Vorbereitungen für ein föderales Europa                   Schwinden der Mittelschicht sowie gesellschaftliche

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Polarisierung    sind     neben    Migrations-       und        Sowjetunion in der ungewohnten Rolle des Opfers einer
Einwanderungsfragen die größten Risiken für Europa.             solchen Kampagne. Denn bislang waren die politischen
Die Bürger erwarteten von ihren Regierungen Sicherheit          Akteure mächtigerer westlicher Staaten gewohnt, in
und Wohlstand. Beides scheint zu schrumpfen.                    umgekehrter Weise andere Staaten und Regime zu
Dadurch erwecktes Misstrauen und die Polarisierung              beeinflussen. Nunmehr scheint insbesondere Russland
der Gesellschaft werden ein erfolgreiches Regieren in           Mittel gefunden zu haben, solche Maßnahmen gegen
den nächsten Jahren erschweren. Die Tatsache, dass ein          seine Gegner zu richten. Für 2017 wird befürchtet, dass
Grundkonsens in den europäischen Gesellschaften                 diese Vorgangsweise auch bei den wichtigen nationalen
verloren gegangen ist, wird jedoch mittelfristig zu einer       Wahlen in Frankreich und Deutschland zum Einsatz
Reduktion der inneren Stabilität und damit zu                   kommen wird.
begrenzter äußerer Handlungsfähigkeit führen.                   Der Cyberspace ist aber nicht nur der Ausgangsraum für
                                                                (Des)Informationskriege, sondern auch für viel
Medien, fake news und postfaktische Politik                     weiträumigere Ansätze hybrider Kriegsführung. Er
Auch die Bedeutung der Medien als Vierte Macht wurde            bietet nicht nur neue Möglichkeiten für Spionage,
in den letzten Jahren durch schwindendes Vertrauen in           sondern auch für Sabotage. Cyberangriffe sind dabei
ihre Integrität massiv beschädigt. Neue und soziale             potenziell deshalb so gefährlich, weil sie kritische
Medien erlauben es überdies dem Einzelnen aber auch             Infrastruktur schädigen oder gar zerstören können, wie
politischen Akteuren, unabhängig von klassischen                etwa die Energieversorgung und die Kommunikation.
Medien Informationen zu erhalten und zu                         So sieht sich beispielsweise die Ukraine seit Beginn der
kommunizieren. Dabei wird vor allem den alternativ zu           Ukrainekrise massiver Cyberangriffe ausgesetzt. Ende
den klassischen Medien Kommunizierenden gerne                   2015 wurden dabei auch Teile der Stromversorgung
vorgeworfen, postfaktische Politik zu betreiben, also           lahmgelegt. Cyberkrieg ist dabei zumeist auch ein
ihre politische Tätigkeit losgelöst von Fakten zu               hybrider Krieg, da es zu einem verdeckten Einsatz
betreiben. Den klassischen Medien wiederum wird                 staatlicher Kräfte, staatlich beauftragter Hackergruppen
vielfach vorgeworfen, Informationen nach eigenem                und Cyberfirmen kommt. Insbesondere die Tatsache,
Gutdünken und nach zumeist nicht offen deklarierter             dass es in einzelnen Staaten hochspezialisierte
politischer Positionierung zu filtern oder zu                   Hackergruppen gibt, die im Auftrag oder zumindest mit
interpretieren. Klassische Medien, die gewohnt waren,           Billigung der jeweiligen Staaten agieren, macht diese
ihren Konsumenten ein moralisch überlegenes Narrativ            Form der internationalen Auseinandersetzung so
aufzuzwingen, haben ihre exklusive Deutungshoheit               gefährlich und intransparent. Da es auch an
verloren. Gesellschaftspolitisch problematisch ist dabei        entsprechenden völkerrechtlichen Regelungen mangelt,
nicht nur der potenzielle Verlust der von der breiten           ist dies vorerst faktisch auch eine Auseinandersetzung
Gesellschaft akzeptierten Machtkontrolle durch die              im international rechtsfreien Raum.
Medien als Vierte Macht demokratischer Gesellschaften,          Cyber-Attacken gefährden somit in unterschiedlicher
sondern auch die damit einhergehende Polarisierung der          Art und Weise die Stabilität von Staaten. Da einzelne
Gesellschaft. Überdies stellt diese Situation den               Länder aber klargemacht haben, bei Bedrohung vitaler
optimalen Nährboden für strategische Desinformation             staatlicher     Funktionen       gegebenenfalls     auch
durch gegnerische Staaten dar. Auch dadurch sind die            konventionelle militärische Mittel gegen Cyber-Gegner
innere Stabilität und potenziell auch die äußere                einsetzen zu wollen, stellt dies für die Zukunft einen
Handlungsfähigkeit Europas bedroht.                             potenziell gefährlichen Ausgangspunkt für bewaffnete
                                                                Konflikte dar. Auch die NATO hat zuletzt festgehalten,
Cyberkampf und strategische Informationskriege                  Cyberangriffe einer bestimmten Größenordnung
Dabei tritt auch der Cyberraum zunehmend in den                 könnten einen Bündnisfall nach Artikel 5 auslösen.
Vordergrund. Sowohl Russland als auch China werden              Besonders problematisch ist dabei jedoch die
von westlichen Staaten zahlreiche Cyberattacken der             spezifische Natur von Cyber-Akteuren, die nicht nur
vergangenen     Monate    zugeschrieben.    Während             versuchen, ihre Gegner über die wahre Quelle eines
chinesische     Gruppierungen      dabei     zumeist            Angriffs zu täuschen, sondern auch bewusst versuchen,
wirtschaftliche Ziele zu verfolgen schienen, zeigten            diesen falsche Gegner vorzugaukeln. Dies birgt die
russische Gruppen auch massive politische Aktivitäten.          Gefahr in sich, dass ein Cyber-Angriff einem falschen
Wenn auch von Russland bestritten, gehen zahlreiche             Akteur zugeordnet wird. Überlegungen über
Beobachter von einer massiven Involvierung letzterer            notwendige Maßnahmen gegen Cyber-Angriffe müssen
im US-amerikanischen Wahlkampf aus. Cyberattacken               jedenfalls eine besonders hohe Relevanz in der
waren dabei mehrfach die Grundlage für strategische             politischen Bedrohungsanalyse der kommenden Jahre
Informationskampagnen zur Unterstützung spezifischer            erhalten. Die NATO hat dazu bei ihrem letzten
Akteure oder Zielsetzungen. Der Westen sieht sich               Außenministertreffen im Dezember 2016 beschlossen,
dabei erstmals seit dem Zusammenbruch der                       diesem Thema erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

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ISS AKTUELL Zur strategischen Lage 1/2017
ISS AKTUELL 1-2017

Die äußeren Herausforderungen Europas                                       Migration
Faktisch wird Europas äußere Sicherheit durch die                           Die Migrationskrise der vergangenen Jahre hat die EU
NATO garantiert, welche sich dabei bisher nicht nur im                      in ihren Grundfesten erschüttert. Die europäischen
Hinblick auf Ressourcen auf die USA abgestützt hat,                         Akteure waren dabei auch in den vergangenen Monaten
sondern auch von der US-amerikanischen Führungsrolle                        vollkommen uneinig – sowohl hinsichtlich ihrer Ziele
abhängig war. Bisher musste keine militärisch relevante                     als auch hinsichtlich einer gemeinsamen Vorgangsweise
Sicherheitsfrage innerhalb Europas bzw. der EU                              zur Krisenbewältigung. Die EU war dabei nicht nur bei
entschieden werden. Die EU begnügte sich bisher mit                         der Bewältigung einer fundamentalen Herausforderung
Aufgaben, die mit dem Einsatz von „Soft Military                            gescheitert, sondern auch bei der Einhaltung des
Instruments“ 1 das Auslangen finden konnten. Die USA                        gemeinsamen EU-Rechtsbestandes. Die nationalen
werden jedoch nicht nur in ihrer Forderung nach                             Staaten mussten und müssen daher im Wesentlichen
Erfüllung von Verteidigungsausgaben in der Höhe von                         selbst bzw. in bi- und multilateralem Rahmen die Krise
zwei Prozent des BIP unnachgiebiger werden, sondern                         lösen. Damit zeigte sich deutlich, dass die
die europäischen Partner auch zunehmend zu mehr                             Nationalstaaten in zentralen (Sicherheits)Fragen
Verantwortung in den Konflikträumen an der                                  handlungsfähig bleiben müssen.
europäischen Peripherie drängen.                                            Die Migrationskrise ist dabei für Europa noch nicht
                                                                            ausgestanden bzw. wird vor allem auf Grund der
Die Verwerfungen an der europäischen Peripherie                             demografischen Entwicklung in Afrika nicht nur 2017
werden nicht nur deshalb die Sicherheitsvorsorge der                        eine Dauerproblematik bleiben, sondern noch viel
Europäischen Union und der europäischen Staaten auch                        langfristiger. Wenn es Ziel europäischer Politik ist –
in absehbarer Zukunft bestimmen, sondern vor allem                          worüber offensichtlich innerhalb Europas keine
wegen der direkten und indirekten Konsequenzen.                             Einigkeit besteht –, die Migrationskrise bzw. die aktuelle
Neben dem Konflikt mit Russland um die Ukraine sind                         Völkerwanderung zu beenden, müssen Pull-Faktoren
es vor allem die instabilen Staaten im Süden und im                         massiv reduziert werden, insbesondere die für Asylanten
Südosten der EU, die mit ihren schwachen staatlichen                        vorgesehenen Sozialleistungen. Dass Europa in der Lage
Institutionen und Strukturen eine permanente                                sein wird, die Push-Faktoren wie mangelnde
Herausforderung für europäisches Krisenmanagement                           ökonomische Entwicklung sowie ethnische und
darstellen werden.                                                          religiöse Konflikte sowohl im Nahen Osten als auch in
Die Kriege bzw. bewaffneten Konflikte unter anderem                         Afrika zu beseitigen, muss gleichzeitig eher als
in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und im Jemen                           Wunschvorstellung beurteilt werden. Dennoch wird
destabilisieren nicht nur den islamischen Raum, sondern                     Europa aber zumindest bei Soft-Power-Aktivitäten wie
treiben auch weiterhin Millionen in die Flucht. Überdies                    bei humanitärer Hilfe in Flüchtlingslagern und
besteht weiter die Gefahr, dass sich ein militanter                         Programmen zur Unterstützung instabiler Regierungen
Islamismus im gesamten Nahen Osten zu etablieren                            mehr leisten müssen – und auch können.
vermag. Da sich die USA sukzessive aus diesem Raum                          Im direkten Bezug zur Migrationslage steht auch die
zurückziehen – jedoch nicht ohne ihre (auch                                 European Union Naval Force Mediterranean SOPHIA
extremistischen) sunnitischen Verbündeten weiterhin                         (EUNAVOR MED SOPHIA). Diese multinationale
vor allem logistisch und rüstungstechnisch zu                               maritime EU-Mission sollte im südlichen zentralen
unterstützen – und Europa weder die Stärke noch den                         Mittelmeer        zwischen        europäischer        und
Willen hat, diese Krisen zu bewältigen, werden diese                        tunesisch/libyscher Küste den Menschenschmuggel im
Konflikte auch weiterhin und in den kommenden                               Generellen und Schlepper und deren Infrastruktur im
Jahren die europäische Sicherheit dominieren. Neben                         Speziellen bekämpfen. Symptomatisch für die
den unmittelbaren Auswirkungen in diesen Ländern                            Sicherheits- und Migrationspolitik der EU ist die
sind diese Krisen auch ein wesentlicher Grund für die                       Operation SOPHIA bisher jedoch ein völliger
Migrationsbewegungen, die Europa belasten.                                  Fehlschlag. Das Aufgreifen der Flüchtlingsboote an der
                                                                            Seegrenze zu den internationalen Gewässern des
1                                                                           Mittelmeeres hat nur dazu geführt, dass die Schlepper
  Soft Military Instruments sind militärische Mittel, die bei der
Lösung von Sicherheitsproblemen ohne die zielgerichtete                     billigere und seeuntüchtige Einweg-Schlauchboote
Anwendung oder Androhung von Gewalt zur Durchsetzung von                    verwenden, welche die ohnehin lebensgefährlichen
Zielen oder Aufgaben auskommen, bzw. zu einer zielgerichteten               Überfahrten noch gefährlicher gemacht haben.
Anwendung oder Androhung von Gewalt zur Durchsetzung von                    Trinkwasser und Treibstoff werden nur noch zum
Zielen oder Aufgaben nicht befähigt sind. Auf politisch-strategischer
Ebene sind Soft Military Instruments: diplomatieunterstützende
                                                                            Erreichen internationaler Gewässer benötigt, da ab
Einsätze, Traditional und Multidimensional Peace Keeping sowie              deren Erreichen die Weiterfahrt nach Europa durch die
Robust Peace Keeping, sofern bei letzterem Gewalt nur zur                   Schiffe der EUNAVFOR sichergestellt wird. Operation
Selbstverteidigung, Nothilfe und der Verteidigung schutzloser               SOPHIA funktioniert faktisch ausschließlich als
Dritter eingesetzt wird.

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ISS AKTUELL Zur strategischen Lage 1/2017
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Seenotrettungsmission. In Kombination mit einer                  um eine Integration dieser Räume in die feindlich
europäischen Migrationspolitik, die jedem Migranten,             gesinnte westliche Machthemisphäre zu verhindern.
der ein europäisches Schiff erreicht, die faktisch               Damit ist Russland in der Lage, zumindest einen Teil
ungehinderte Einreise nach Europa ermöglicht, hat                des im Zuge der Auflösung der Sowjetunion verlorenen
SOPHIA sich als „Ergänzungstransportdienst“ des                  Raumes weiter zu beherrschen.
Menschenschmuggels im zentralen Mittelmeer etabliert
und damit zum Magneten für Migranten entwickelt.                 Der        im     Sommer        2016      durchgeführte
Real wird den Schleppern damit das Geschäft erleichtert          „Pseudostaatsstreich“ in der Türkei hat Präsident Recep
und verbilligt.                                                  Erdogan die Gelegenheit gegeben, bürgerliche
                                                                 Freiheitsrechte weiter einzuschränken und seine Macht
                                                                 weiter zu konsolidieren. Dies ist auch die beste
                                                                 Voraussetzung, um die seit Jahren schleichend
                                                                 vorgenommene Islamisierung der Türkei offen und
                                                                 offensiv zu finalisieren. Dies wird im Übrigen von der
                                                                 türkischen Bevölkerung mehrheitlich unterstützt und
                                                                 mitgetragen.
                                                                 Die EU hat dabei weder den Willen noch die Fähigkeit,
                                                                 diese Entwicklung zu verhindern. Die strategische
                                                                 Handlungsunfähigkeit der EU in der Türkeifrage hat
                                                                 dabei ihren Ausgangspunkt in einer seit vielen Jahren
                                                                 fehlorientierten Türkeipolitik. Ziel der EU war es, in
                                                                 Verkennung kultureller und religiöser Gegebenheiten,
                                                                 ein Land mit einem nicht kompatiblen Kultursystem
Die Verteidigungsministerinnen Deutschlands und Italiens         integrieren zu wollen. Dabei wurden alle Anzeichen,
beim Besuch des Hauptquartiers von EUNAVFOR MED                  dass sich die säkularen Vorstellungen und Werte
SOPHIA in Rom                                                    Europas nicht mit den Vorstellungen und Werten der
                                                                 türkischen Bevölkerung decken, ignoriert. Auf dieser
Sofern das Türkei-Abkommen aufrechterhalten wird, ist            Grundlage wurde der Türkei eine Beitrittsoption
daher in den kommenden Monaten vor allem mit                     präsentiert, welche nunmehr eine sinnvolle und
Migrationsbewegungen über Italien zu rechnen. Als                zukunftsorientierte strategische Beziehung hemmt,
wirtschaftlich leistungsfähiger und sozial freizügiger           wenn nicht sogar blockiert. In Kombination mit der
europäischer Staat wird Österreich zunehmend ein noch            inneren Schwäche der EU und der daraus bedingten
attraktiveres Zielland. Mittelfristig ist dabei auch nicht       Unfähigkeit, die Migrationskrise notfalls auch selbst zu
damit zu rechnen, dass Zuwanderung in Europa durch               lösen, hat dies zu der paradoxen Situation geführt, dass
eine wie immer geartete Einwanderungspolitik bestimmt            die autoritär und antidemokratisch geführte und
wird, sondern weiterhin von Fluchtmigration und                  sukzessive zu einem islamischen Staat umgewandelte
Familiennachzug.                                                 Türkei formell weiterhin Beitrittskandidat der EU ist.
                                                                 Da die EU selbst handlungsschwach und in der
Europas Positionierung zu seinen großen Nachbarn                 Migrationspolitik      uneinig     ist,    bleibt    die
Eine an Stabilität orientierte Politik der EU hat das            Aufrechterhaltung der Migrationsvereinbarung mit der
Verhältnis zu seinen großen Nachbarn an der                      Türkei als Voraussetzung für die Entspannung bzw.
europäischen Peripherie, zu Russland und zur Türkei,             Stabilisierung in der Migrationsfrage. Eine potenzielle
ausgeglichen und stabil zu gestalten.                            Aufkündigung dieser Migrationsvereinbarung lähmt
Von Russland droht zwar keine unmittelbare Gefahr,               daher faktisch eine zukunftsorientierte und europäische
jedoch wird Moskau aus einer Position der Stärke seine           Türkei-Politik, die den realen Gegebenheiten angepasst
weitere globale und europäische Rolle zu definieren              ist.
versuchen. Wenn die EU nicht in der Lage ist, Russland
eine eigene auch militärisch hinterlegte Stärke
entgegenzusetzen, ist ein gedeihliches Miteinander wohl
schwer zu erreichen. Der Ukrainekonflikt und andere
eingefrorene Konflikte im kaukasischen Raum können
dabei bestenfalls als eingedämmt bezeichnet werden.
Eine Konfliktlösung ist nicht in Sicht und teilweise auch
gar nicht gewünscht. Russland nutzt dabei die
Instabilität für die Absicherung seines strategischen
Umfeldes. Russland tut dies mit strategischem Kalkül,

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Die westliche Welt …                                                    man so will, war Barack Obama der erste pazifische
                                                                        Präsident der USA.
Weltmacht USA                                                           Was kann sich Barack Obama nun auf seine Fahnen
Der hier vorliegende Beitrag wurde im Rahmen des                        heften? Was bleibt von ihm wirklich? Was konnte er
vorgegebenen Redaktionsschlusses mit 31.12.2016                         durchsetzen, worin scheiterte er? Im Folgenden eine
inhaltlich abgeschlossen.                                               kleine Zusammenschau von 8 Jahren Administration
                                                                        Barack Obama.

Barack Obama (2008-2016) – (k)ein Resümee                               Eines der wichtigsten Projekte, das er bereits viele Jahre
                                                                        vor seiner eigentlichen Präsidentschaft mit großem
Barack Obama wird seine Spuren im (Treib)Sand der
                                                                        Enthusiasmus verfolgte, wird schließlich unter
US-amerikanischen Politik hinterlassen. So viel ist
                                                                        „Obamacare“ in die Geschichte eingehen: Die
sicher. Auch wenn nichts von seinem politischen
                                                                        Verabschiedung des „Patient Protection and Affordable
Vermächtnis übrig bleiben sollte – was, nebenbei gesagt,
                                                                        Care Acts (PPACA)“, d.h. die erstmalige reale
ziemlich unwahrscheinlich ist – so bleibt er doch auf
                                                                        Möglichkeit des Zugangs für Millionen US-Bürger zu
immer im Gedächtnis als erster farbiger Präsident der
                                                                        einer Krankenversicherung. Auch wenn der bisherige
Vereinigten Staaten von Amerika.
                                                                        Erfolg hinter den Erwartungen zurückbleibt, so
Blättert man gar nicht so weit zurück im (für unseren                   kommen schon heute mehr als 12 Millionen US-
europäischen Verhältnisse) noch recht schmalen Buch                     Amerikaner, die früher über keine Krankenversicherung
US-amerikanischer Geschichte, so fällt auf, dass die                    verfügten, in den Genuss von „Obamacare“. Zu wenig,
Welt der USA noch zu Zeiten eines John Fitzgerald                       um sich zu rechnen, meinen die Versicherungsexperten,
Kennedy eine völlig andere war. Als sich der Student                    die mit 21 Millionen Polizzen gerechnet hatten.
James Meredith damals als erster „Schwarzer“ im                         Tatsächlich ist heute „Obamacare“ von einer
Bundesstaat Mississippi an der Universität von Oxford                   Krankenversicherung mitteleuropäischen Zuschnitts
als ordentlicher Hörer einschreiben wollte, musste                      noch weit entfernt und deckt oft nur die notwendigste
Präsident John F. Kennedy Polizei und selbst Militär                    Versorgung ab. Die Verluste für die Versicherer steigen
aufbieten, um das zu ermöglichen. Die darauf folgenden                  jährlich. Und der republikanisch-dominierte Kongress
Ausschreitungen kosteten damals 2 Menschen das                          tat in der jüngsten Vergangenheit sein Übriges, um
Leben und verletzten weitere 70 Personen. Kennedys                      geplante        staatliche      Subventionen           für
Einschätzung der eigenen politischen Lage damals: „This                 Versicherungsgesellschaften zurückzuhalten.
thing could cost me the election, but I have no intention of turning
                                                                        Zum Zeitpunkt der Übernahme seiner Amtsgeschäfte
back now or ever!“.
                                                                        fand Barack Obama eine von wirtschaftlicher
Auch wenn die Vereinigten Staaten heute noch immer                      Stagnation, ja Rezession geprägte USA vor. Die
stark mit Minderheitenproblemen zu kämpfen haben                        Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise, die Mitte
(Stichwort: weiße Polizeigewalt), so ist doch die Stellung              2007 als Folge der geplatzten US-Immobilienblase
von Minoritäten in der US-amerikanischen Gesellschaft                   letztlich von den Vereinigten Staaten ausgegangen war
mit jener der 60er-Jahre nicht mehr zu vergleichen. Wir                 und in der Folge zahllose Wirtschaften der Welt mit sich
hatten bereits unter George Bush jun. mit Colin Powell                  reißen sollte, waren bereits eklatant. Ein Jahr nach
den früheren Generalstabschef der US-Streitkräfte im                    Barack Obamas Amtsantritt im Jänner 2008 schätzte der
Golfkrieg 1991 als Außenminister, Condoleezza Rice                      Internationale Währungsfond (IWF) die durch die Krise
erst als Nationale Sicherheitsberaterin und später als                  entstandenen Wertpapierverluste auf unvorstellbare 4
Außenministerin unter demselben Präsidenten. Weitere                    Billionen US-$. Das mit der Wirtschaftskrise
Prominente ließen sich nennen, blickt man allein z.B.                   verbundene rapide Anwachsen der Arbeitslosigkeit war
auf die heutige Zusammensetzung des Obersten                            eine der großen Aufgaben und Herausforderungen der
Gerichtshofes der USA.                                                  Administration Obama. Tatsächlich wurden in der
Und nun also auch ein Präsident mit „afro-american                      Folge der Krise unter seiner Präsidentschaft nicht nur
roots“. Noch dazu einer, der einen Teil seiner Jugend                   15 Millionen neue Jobs geschaffen und die
nicht einmal in den USA verbrachte. Barack Obama                        Arbeitslosenquote damit auf unter fünf Prozent halbiert,
wurde 1961 auf Hawaii geboren und war das Kind eines                    sondern auch die US-Wirtschaft wieder stabilisiert und
Mannes mit kenianischen Wurzeln und einer Frau aus                      zurück auf (moderaten) Wachstumskurs gebracht.
Wichita, Kansas. Als seine Mutter nach ihrer Scheidung                  Barack Obama ist es zu verdanken, dass das
1964 in zweiter Ehe 1967 einen indonesischen Manager                    Umweltbewusstsein in der Vereinigten Staaten heute
heiratete, zog Barack im Alter von sechs Jahren nach                    einem zwar langsamen, doch nachhaltigen Wandel zu
Jakarta. Erst 1971 kehrte er nach Hawaii zurück. Wenn                   unterliegen scheint. Vor allem in seiner zweiten
                                                                        Amtszeit machte sich der US-Präsident für seine

                                                                       10
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Umweltanliegen stark und veranlasste per Dekret                 Gegensätze – nicht zuletzt aufgrund des grotesken
zahlreiche diesbezügliche Maßnahmen am Kongress                 Wahlkampfes der vergangenen Monate – noch mehr.
vorbei, was die Kluft zu den Republikanern zusätzlich           Obama weiß das, doch ihn trifft dabei im Grunde die
vertiefte. Unter den Neuerungen sollen an dieser Stelle         geringste Schuld, auch wenn er selbst seine Leistung
vor allem die Regeln zur Reduktion des CO2-Ausstosses           heute äußerst kritisch beurteilt: „Das ist eines der wenigen
und die gelungene Popularisierung von Solarzellen als           Dinge meiner Präsidentschaft, die ich bereue: Dass der Groll und
alternative Energiequelle genannt sein. Krönender               das Misstrauen zwischen den Parteien schlimmer wurden, statt
Abschluss von Obamas Umweltoffensive war                        besser.“
schließlich    die    Unterzeichnung    des    Pariser
                                                                Es mag möglicherweise zu viel verlangt sein, in zwei
Klimaabkommens (21. UN-Klimakonferenz) aus 2015.
                                                                Amtsperioden eine wirtschaftlich derart angeschlagene
Inwieweit der designierte Nachfolger Obamas, Donald
                                                                Supermacht wieder auf die Beine stellen zu wollen (was
Trump, gewillt ist, den (moderat)-neuen Kurs der US-
                                                                ihm gelang).
Klimapolitik doch mitzutragen, ist aufgrund seiner
bisherigen kritischen Äußerungen zum Thema jedoch               Es mag möglicherweise zu viel verlangt sein, ein aus
äußerst fraglich.                                               dem Ruder gelaufenes militärisches Engagement im
                                                                Mittleren Osten bei gleichzeitigem Anbruch des
Außenpolitisch kann sich Barack Obama auf seine
                                                                „Arabischen Frühlings“ (2010) beenden zu wollen und
Fahnen schreiben, jener US-Präsident zu sein, der die
                                                                dabei die Interessen der eigenen engen Verbündeten in
Annäherung zu Kuba auf den Weg gebracht hat. Die
                                                                der Region (Israel, Saudi-Arabien, Ägypten, Türkei) im
jahrzehntelange Feindschaft der beiden ungleichen
                                                                Gleichgewicht zu halten.
Staaten, die durch eine sehr schwierige Historie
miteinander verbunden sind, konnte so beendet und               Es mag möglicherweise zu viel verlangt sein, den
diplomatische Beziehungen nach 54 Jahren wieder                 eigenen Bürgern erklären zu müssen, dass nach
aufgenommen werden. Obamas historische Reise nach               unzähligen Amokläufen mit Dutzenden Toten in den
Havanna im März 2016 war schließlich der erste Besuch           USA die Ultima Ratio nicht in der verstärkten
eines US-Präsidenten auf der Karibikinsel seit mehr als         Bewaffnung der Bürger, sondern in verstärkter
90 Jahren. Das ist gut für beide Seiten, so viel steht fest.    Kontrolle der Waffentragenden liegt – und man sich
Genommen hat er damit einem linken diktatorischen               dabei automatisch mit der mächtigen US-Waffenlobby
Karibik-Regime den alles rechtfertigenden Satan vor der         anlegt.
Haustür genommen, und auch vielen US-Amerikanern
                                                                Es ist definitiv zu viel verlangt, all das in nur acht Jahren
ein fast liebgewonnenes Feindbild, das viele irgendwie
                                                                zu bewältigen.
vermissen werden (nicht nur die Lobby der Exil-
Kubaner), da ganze Generationen von US-Politikern               So wird das Urteil über den 44. Präsidenten der
damit so herrlich Schwarzweißmalerei betreiben                  Vereinigten Staaten wohl ein differenziertes sein.
konnten.                                                        Obama war nicht der strahlende Erlöser, den sich nicht
                                                                nur seine Anhänger in den USA, sondern nicht zuletzt
Bei so viel karibischer Sonne ist aber auch Schatten zu
                                                                die meisten europäischen Verbündeten 2008 gewünscht
konstatieren. Gerade ein winziger Fleck im Osten der
                                                                und erhofft hatten. Die „Vorschusslorbeeren“, die ihm
karibischen Zuckerinsel ist durch die ständige Präsenz
                                                                schon kurz nach Amtsantritt in Form des
der USA in Form der Guantanamo Bay Naval Base für
                                                                Friedensnobelpreises überreicht worden waren, kamen
viele bis heute ein Schandfleck, unvereinbar mit den
                                                                definitiv verfrüht. Ihnen folgte das Nicht-Einlösen
verfassungsmäßig-garantierten Grundrechten der US-
                                                                seines Guantanamo-Versprechens, die Tötung Osama
amerikanischen Demokratie. Und auch wenn sich Ende
                                                                bin Ladens und Tausende Opfer der „Targeted
2016 nur noch 59 von ehemals 779 „ungesetzlichen
                                                                Killings“ (gezielten Tötungen) im Rahmen des durch
Kombattanten“ dort aufhielten, so ändert deren Zahl
                                                                Amtsvorgänger George W. Bush begonnenen
nichts daran, dass es sich hier um ein rechtswidriges
                                                                Drohnenkriegs. Selbst wenn letztere Aufzählung in den
Internierungslager handelt, in dem grundlegende
                                                                Katalog der „notwendigen Übel“ eines US-Präsidenten
Menschenrechte systematisch missachtet werden. Dass
                                                                fallen mögen – so fällt es doch schwer, mit „Tuesday
es nicht einmal ein entschlossener US-Präsident in acht
                                                                Terror Briefings“, also den alldienstäglichen
Jahren Amtszeit fertigbrachte, trotz wiederholter
                                                                Besprechungen im Weißen Haus, welche Personen
Ankündigung diese Basis zu schließen, ließ seine
                                                                durch Drohneneinsätze als nächste zu exekutieren seien,
Kritiker, die sich pikanter Weise vor allem aus dem
                                                                einen Friedensnobelpreis zu belasten.
Potential seiner eigenen enttäuschten Wählerschaft
rekrutieren, bis heute nicht verstummen.                        Barack Obama hat die USA in einem wirtschaftlich wie
                                                                außenpolitisch angeschlagenen Zustand übernommen
Innenpolitisch übergibt Obama seinem Nachfolger eine
                                                                und kann nun – zum Ende seiner Amtszeit – eine (noch
geteilte Nation. War schon die Kluft bei seinem
                                                                nicht vollständig) genesene Supermacht präsentieren,
Amtsantritt sehr tief, so verschärften sich die

                                                               11
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deren Nimbus jedoch für viele gelitten hat. Tatsächlich             Reaktion auf das Überschreiten der „roten Linie“ oblag
gelang es Obama in seinen beiden Amtsperioden, Fehler               letztlich dem US-Präsidenten.
seines Vorgängers zu korrigieren – der Rückzug aus
                                                                    Obama selbst gab später an, sich in der Folge nicht, wie
Afghanistan und dem Irak sind hier prominent zu
                                                                    man es bislang von einem US-Präsidenten gewohnt
nennen. Nun sind Rückzüge selten populär – notwendig
                                                                    gewesen war, an das Washingtoner „Playbook“ gehalten
waren sie allemal, weil beide Kriegsschauplätze für die
                                                                    zu haben. Er habe sich für eine eigene Linie
USA zu einem Fass ohne Boden zu werden drohten.
                                                                    entschieden, nachdem ihm niemand habe sagen können,
Die unbarmherzige Historie des Arabischen Frühlings
                                                                    was eine Bombardierung Syriens letztlich bringen
und daraus resultierend die Libyen-Krise führte – nach
                                                                    würde, so Obama in seiner Rechtfertigung. Obama
Obamas eigener Einschätzung – zu seiner wohl
                                                                    wörtlich: "Bomben auf jemanden zu werfen, um zu beweisen,
schwersten außenpolitischen Niederlage: Auf die Frage
                                                                    dass du bereit bist, Bomben auf jemanden zu werfen, das ist so
des US-Senders Fox News (2016) nach dem
                                                                    ziemlich der schlechteste Grund zur Gewaltanwendung."
schlimmsten Fehler seiner Amtszeit antwortete der US-
Präsident: "Wahrscheinlich, dass ich nicht für den Tag nach der     Was angesichts der Bilder der letzten Monate aus
Intervention in Libyen geplant habe, die mir damals als richtige    Aleppo und anderswo bleibt, ist ein ungutes Gefühl,
Entscheidung erschien."                                             diesem Staatsterror doch besser Einhalt geboten und
                                                                    nicht Assad und seiner russischen Luftwaffe das Feld
Eine nachhaltige Intervention der USA nach der
                                                                    überlassen zu haben. Die Frage, die sich uns militärisch-
militärischen Eroberung von Tripolis durch die
                                                                    zahnlosen Europäern dabei stellt, ist eine altbekannte:
Aufständischen      (2011)     hätte  möglicherweise
                                                                    Wer? Niemand außer den Vereinigten Staaten hätte hier
Destabilisierung und Bürgerkrieg sowie ein Erstarken
                                                                    realistisch eine Option gehabt. Vielleicht ist es nicht
des IS in der Region verhindert.
                                                                    Libyen, sondern Syrien, das einmal als größtes Versagen
So groß das Versäumnis in Libyen eingeschätzt wird, so              der Administration Obama in die Geschichte eingehen
stolz ist Obama auf eine andere Nicht-Intervention.                 wird.
Syrien. Gerade die Ereignisse des letzten Jahres jedoch
                                                                    Was von Obama wirklich bleiben wird, hängt letztlich
ließen ernste Zweifel daran aufkommen, ob die
                                                                    auch von seinem Nachfolger Donald Trump ab. Viele
kriegsmüden USA, die sich über mehr als zwei Dekaden
                                                                    von Obamas Exekutivanordnungen scheinen nun in
in der Region stark engagierten, hier nicht doch
                                                                    Gefahr, vom 45. Präsidenten der USA wieder
militärisch hätten auf den Plan treten sollen.
                                                                    zurückgenommen zu werden, sobald letzterer am 20.
Wenn man als Supermacht rote Linien zieht, so muss                  Jänner 2017 vereidigt werden wird. Ob es sich nun um
klar sein, dass im Falle einer Überschreitung derselben             den Atomdeal mit dem Iran, die Fortschritte in der US-
durch den Gegner ultimativer Handlungsbedarf besteht.               Klimapolitik oder den Abschiebestopp für Millionen
Nichts ist schlimmer in der Weltpolitik, als Drohungen              illegaler Einwanderer handelt – Trump könnte all das
ohne Konsequenz. Man läuft sofort Gefahr, nicht mehr                noch am Tag seiner Inauguration mit einem Pinselstrich
ernst genommen zu werden, sei es von gegenwärtigen                  wieder rückgängig machen.
oder zukünftigen Kontrahenten.
Im August 2012 hatte Obama den syrischen
                                                                    Intermezzo: Anmerkung (nicht nur) in eigener
Machthaber noch gewarnt: "Ich habe bis jetzt kein
                                                                    Sache
militärisches Eingreifen angeordnet, aber für uns ist eine rote
                                                                    Unsere europäische „Welt von Gestern“ ist eine andere
Linie überschritten, wenn eine ganze Menge chemischer Waffen
                                                                    geworden. Eine andere US-amerikanische, wohlgemerkt.
bewegt oder eingesetzt wird".
                                                                    Und wenn es vielen Europäern auch nicht passt, die
In Syrien wurde die „rote Linie“ vom syrischen                      Welt in der wir leben, ist – besonders für unsere jüngere
Staatspräsidenten Baschar Hafiz al-Assad in der Folge               Generation - von den USA stark geprägt. Sie war es
mehrfach überschritten. Im Juni 2013 schließlich                    schon in den 50er und 60er-Jahren des vorigen
bestätigte das Weiße Haus, das es zu Giftgasangriffen               Jahrhunderts – als ein Ergebnis des Zweiten
durch das Regime Assad gekommen sei. Die Reaktion                   Weltkrieges, des darauf folgenden Kalten Krieges und
Washingtons: Lieferung leichter Waffen an die Rebellen.             natürlich des European Recovery Programms (ERP),
Weder Panzer- noch Flugabwehrraketen befanden sich                  besser bekannt unter „Marshall-Plan“. Und heute - nach
darunter. Zu groß war die Angst in beiden großen                    der Implosion des bipolaren Systems 1989/91 - ist sie es
politischen Lagern der USA, Demokraten wie gleichsam                erst recht.
Republikanern, hochsensible Waffensysteme könnten in
                                                                    Die digitale Globalisierung und die damit verbundene
die falschen Hände gelangen oder die Vereinigten
                                                                    Vorreiterrolle der USA in unserem Informationszeitalter
Staaten in ein neues militärisches Engagement quasi
                                                                    haben große Teile der freien Welt zu einer US-
„hineingezogen“ werden. Doch die unmittelbare

                                                                   12
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