Soziale Sicherheit 6/2014 - Jugend und Medien
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Sozialpolitik Evaluation Familienergänzungsleistungen Kanton Solothurn Familie, Generationen und Gesellschaft Selbstbestimmt oder manipuliert? Kinder und Jugendliche als kompetente Konsumenten Vorsorge Wirtschaftsentwicklung, Finanzmärkte und Anlagerenditen bis 2035 Arbeitsmarktwirkungen der Reform Altersvorsorge 2020 Analyse der Verwaltungskosten der Lebensversicherer im Bereich der 2. Säule Soziale Sicherheit CHSS6/2014
inhalt Inhalt CHSS 6/2014 November / Dezember Inhaltsverzeichnis Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 Editorial309 Wie die Arbeitgeber die IV und die berufliche Eingliederung wahrnehmen (Chiara Mombelli, Bundesamt für Sozial Chronik Oktober / November 2014 310 versicherungen; Werner Reimann, Institut DemoSCOPE) 332 Evaluation Ingeus – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG (Tobias Sozialpolitik Hagen, Franz Egle, Mannheimer Forschungsgesellschaft für Sozialversicherungen: Neuerungen per 1. Januar 2015 und Arbeit und Bildung) 335 laufende Reformen (Mélanie Sauvain, Bundesamt für Sozial Evaluation ConCerto – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG versicherungen)315 (Judith Trageser, Andrea Schultheiss, Thomas von Stokar, Infras)340 Ergänzungsleistungen für Familien: Erfahrungen aus dem Kanton Solothurn (Edgar Baumgartner, Joel Gautschi, Fach hochschule Nordwestschweiz; Franziska Ehrler, Schweizerische Vorsorge Konferenz für Sozialhilfe) 318 Wirtschaftsentwicklung, Finanzmärkte und Anlagerenditen bis 2035 (Thomas Kübler, Kübler Economics; Martin Eichler BAK Basel) 346 Familie, Generationen und Gesellschaft Vernichtet die Reform Altersvorsorge 2020 Arbeitsplätze? Selbstbestimmt oder manipuliert? Kinder und Jugendliche (André Müller, Tobias Schoch, Ecoplan) 352 als kompetente Konsumenten (Claudia Profos Frick, Eidgenössische Kommission für Kinder und Jugendfragen) 324 Analyse der Verwaltungskosten der Lebensversicherer im Bereich der 2. Säule (Alexander Kohler, Jörg Schwanemann, Kriterienliste zur Bewertung des Angebots im Jugendmedien Deloitte Consulting AG) 356 schutz (Anna Vettori, Infras; Ralph Thomas, ralphTHOMAS- santé-social-formation)327 Parlament Invalidenversicherung Parlamentarische Vorstösse 362 Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung Gesetzgebung (Vorlagen des Bundesrats) 366 (Cornelia Jorns-Ruchti, Bundesamt für Sozialversicherungen) 331 Daten und Fakten Agenda (Tagungen, Seminare, Lehrgänge) 367 Sozialversicherungsstatistik368 Wichtige Masszahlen der Beruflichen Vorsorge 370 Literatur372 s unter . a d m in.ch w.bsv n Jahresinhaltsverzeichnis 2014 374 en Sie u Besuch ww
editorial Editorial Neues von der Grossbaustelle: 2015 verspricht ein spannendes Jahr zu werden 2001 erhöht worden. Seither sind die Mietzinse um 21 Prozent angestiegen, und viele EL-Bezüger sind nicht mehr in der Lage, ihre Mietaufwendungen mit den geltenden Maximalansätzen abzudecken. Das Parlament hat daher den Bundesrat beauftragt, ihm eine Vorlage zur Anpassung der Mietzinsmaxima vorzulegen. Angesichts der Dring- lichkeit der Frage der Mietzinsmaxima wird diese Anpas- sung der umfassenden Reform der EL vorgezogen. Der Bundesrat hat im vergangenen Juni die Richtlinienentschei- de für die Reform verabschiedet. Auf dieser Grundlage Jürg Brechbühl wird derzeit eine Reformvorlage vorbereitet, die nächstes Direktor des Bundesamts für Jahr der Vernehmlassung unterzogen werden soll. Das Sozialversicherungen Leistungsniveau der EL soll erhalten bleiben. Das System wird aber auf Schwelleneffekte und Fehlanreize hin unter- sucht, welche mit der Reform behoben werden sollen. Am 19. November 2014 hat der Bundesrat seine Botschaft Die weitaus grösste Herausforderung bei den EL ist die zur Reform Altersvorsorge 2020 verabschiedet. Damit ist Entwicklung der Heim- und Pflegekosten. Das Kosten- eine wichtige Etappe zur Sicherung der Renten von AHV wachstum ist in diesem Bereich wesentlich stärker als bei und Beruflicher Vorsorge auf der Grundlage einer stabilen den Kosten für die EL zur Deckung des Lebensunterhalts. Finanzierung abgeschlossen worden. In der Botschaft hat Das BSV arbeitet zur Lösung dieser Problematik eng mit der Bundesrat an seiner bisherigen Strategie festgehalten: dem Bundesamt für Gesundheit zusammen. Diese Vorbe- Er geht die Herausforderungen der AHV und der Beruf- reitungsarbeiten sind komplex und müssen mit grosser lichen Vorsorge mit einem umfassenden und kohärenten Umsicht geführt werden. Reformpaket an. Damit trägt der Bundesrat der Tatsache Nach dem Scheitern der IV-Revision 6b im Nationalrat Rechnung, dass alle systemrelevanten sektoriellen Reform- bereitet das BSV eine neue Reform der Invalidenversiche- versuche der letzten 15 Jahre Schiffbruch erlitten haben. rung vor. Mit gezielten qualitativen Verbesserungen soll Gleichzeitig legt er eine Gesamtsicht vor, die bei allen ver- die Eingliederung von Menschen mit einer Behinderung gangenen Reformen gefordert wurde. verbessert werden. Der Fokus liegt dabei bei den unter Die Vorlage hat in der Vernehmlassung ein grosses Echo 25-Jährigen sowie bei Personen mit einer psychischen Be- gefunden. Die Notwendigkeit der Reform war ebenso un- hinderung. Die unter 25-Jährigen sind die einzige Gruppe, bestritten wie ihre Zielsetzung. In der Frage der Methode bei welcher die Rentenquote nicht rückläufig ist. Im Rah- und bezüglich der einzelnen Massnahmen fielen die Stel- men dieser Reform werden auch verschiedene parlamen- lungnahmen indes sehr unterschiedlich aus. Jetzt geht die tarische Vorstösse erfüllt werden, welche die Entschuldung Reform in die parlamentarischen Beratungen und es sind der IV und verbesserte Meldeverfahren zwischen den ver- lösungsorientierte Diskussionen gefragt. Die Herausfor- schiedenen Akteuren fordern. derungen sind erheblich und es wird notwendig sein, dass Das BSV wird im nächsten Jahr somit stark gefordert alle Abstriche an ihren Maximalpositionen vornehmen. sein und zeitgleich auf mehreren Baustellen arbeiten. Zu- Das BSV wird die parlamentarischen Arbeiten intensiv sätzlich zu den Reformbestrebungen in den Sozialversi- begleiten und alles Notwendige vorkehren, damit allfällige cherungen wird sich das Amt auch intensiv mit familien- weitere Entscheidgrundlagen zeitnah vorliegen. politischen Fragestellungen befassen. Immer steht jedoch Die zweite grosse Baustelle wird in Kürze mit der Reform das gleiche Ziel im Vordergrund: Mit einer verantwortungs- der Ergänzungsleistungen eröffnet. Ein erstes Paket befasst vollen Weiterentwicklung der sozialen Sicherheit wollen sich mit der Anpassung der Mietzinsmaxima. Die Höchst- wir die gerade unter den heutigen Bedingungen so wichti- beträge der anrechenbaren Mietzinse sind letztmals im Jahr ge soziale Kohäsion sichern. Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 309
chronik Chronik Oktober / November 2014 angepasst werden, da der Konsumen- AHV Arbeit tenpreisindex im September 2014 mit 99,1 tiefer lag als im September 2011 Altersvorsorge 2020: Bundesrat Ältere Arbeitnehmende: mit 99,7. Grundsätzlich müssen die verabschiedet Botschaft Situationsbericht der OECD Hinterlassenen- und Invalidenrenten Der Bundesrat hat die Botschaft Die Schweiz weist im Vergleich zu der obligatorischen zweiten Säule zur Reform der Altersvorsorge ans anderen OECD-Staaten eine der (BVG) bis zum Erreichen des ordent- Parlament überwiesen. Die Reform höchsten Erwerbsquoten bei den über lichen Rentenalters periodisch an die sichert mit einem umfassenden und 55-Jährigen auf. Gleichwohl kommt Erhöhung des Indexes der Konsu- ausgewogenen Ansatz das Leistungs- die OECD in ihrem aktuellen Bericht mentenpreise angepasst werden. Der niveau der Altersvorsorge. Sie sorgt zur Situation der älteren Arbeitneh- Teuerungsausgleich für diese Hinter- dafür, dass AHV und Berufliche Vor- menden zum Schluss, dass eine Ge- lassenen- und Invalidenrenten der sorge ausreichend finanziert sind und samtstrategie erforderlich ist, um das Beruflichen Vorsorge wird zum ersten einen flexibleren Übergang in den Altersmanagement in den Betrieben Mal nach dreijähriger Laufzeit ge- Ruhestand erlauben (www.bsv.admin. zu verbessern. Die Behörden sollen währt. Die darauffolgenden Anpas- ch ➞ Themen ➞ AHV ➞ Altersvor- die Sozialpartner ermutigen, älteren sungen sind mit dem Teuerungsaus- sorge 2020 ➞ Dokumentation). Arbeitnehmenden bessere Angebote gleich bei der AHV gekoppelt und und Anreize zur Weiterarbeit bis ins finden in der Regel alle zwei Jahre Minimalrente und Sackgeldjobs Pensionsalter und darüber hinaus zu statt, unter der Voraussetzung, dass Der Bundesrat hat per 1. Januar bieten (www.oecdbookshop.org/). die Teuerung eine solche verlangt. 2015 die AHV- und IV-Renten sowie den Betrag für den Lebensbedarf bei Schweizerische Mindestzinssatz den Ergänzungsleistungen der aktu- Arbeitskräfteerhebung SAKE Auf Empfehlung der Eidg. Kommis- ellen Preis- und Lohnentwicklung 3. Quartal 2014 sion für Berufliche Vorsorge belässt (Mischindex) angepasst. Gleichzeitig Gemäss den Erhebungen des Bun- der Bundesrat den Mindestzinssatz in werden die Grenzbeträge der beruf- desamtes für Statistik (BFS) ist die der obligatorischen Beruflichen Vor- lichen Vorsorge, u.a. der Koordinati- Zahl der Erwerbstätigen in der sorge bei 1,75 Prozent. Entscheidend onsabzug, darauf abgestimmt. Ange- Schweiz zwischen dem 3. Quartal 2013 für die Höhe des Mindestzinssatzes passt werden auch die steuerbefreiten und dem 3. Quartal 2014 um 1,7 Pro- sind gemäss Gesetz die Rendite der Sparbeträge in der Säule 3a. Im Rah- zent gestiegen. Bei der Erwerbslosen- Bundesobligationen sowie die Ent- men der Verordnungsanpassungen quote gemäss Definition des Interna- wicklung von Aktien, Anleihen und befreit der Bundesrat zudem gering- tionalen Arbeitsamtes (ILO) war in Liegenschaften. Während die Rendite fügige Löhne von jungen Leuten in der Schweiz im gleichen Zeitraum der Bundesobligationen auf tiefen Privathaushalten von der Beitrags- eine leichte Zunahme von 4,7 auf 4,8 Werten verharrt, haben sich die Anlei- pflicht (www.bsv.admin.ch ➞ Themen Prozent zu verzeichnen. In der EU hen und Liegenschaften gut entwickelt. ➞ AHV bzw. ➞ Berufliche Vorsorge ging die Erwerbslosenquote von 10,5 Trotz der gegenwärtigen Schwankun- und 3. Säule). auf 9,8 Prozent zurück (www.bfs.ad- gen an den Aktienmärkten ist eine min.ch ➞ Themen ➞ 03 – Arbeit und Senkung des geltenden Satzes von 1,75 Volksinitiative «AHVplus: Erwerb ➞ Erhebungen, Quellen ➞ Prozent nicht angebracht. Die tiefen für eine starke AHV» laufende Erhebungen ➞ Schweizeri- Zinssätze sprechen aber auch gegen Der Bundesrat spricht sich gegen sche Arbeitskräfteerhebung, SAKE). eine Anhebung (www.bsv.admin.ch ➞ die eidgenössische Volksinitiative Themen ➞ Berufliche Vorsorge und «AHVplus: für eine starke AHV» aus. 3. Säule ➞ Aktuell ➞ Wichtige Ände- Er hat die entsprechende Botschaft rungen ab 1. Januar 2015). ans Parlament verabschiedet. Der Berufliche Vorsorge Bundesrat sieht finanziell keinen Öffentlich-rechtliche Pensions- Spielraum für eine Erhöhung der Hinterlassenen- und Invaliden kassen: Starker Anstieg der Ein- AHV-Leistungen und hält an seinem renten BVG: keine Anpassung maleinlagen mit dem Reformprojekt Altersvorsor- Die Hinterlassenen- und Invaliden- Öffentlich-rechtliche Vorsorgeein- ge 2020 eingeschlagenen Weg fest renten der obligatorischen Berufli- richtungen mussten sich 2013 zwi- (www.admin.ch ➞ Dokumentation ➞ chen Vorsorge müssen auf den 1. Ja- schen Teil- oder Vollkapitalisierung Bundesrecht ➞ BBl 2014). nuar 2015 nicht der Preisentwicklung entscheiden. Einige Arbeitgeber zahl- 310 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Chronik Oktober / November 2014 ten die dazu benötigte Ausfinanzie- Gesundheitsstatistik 2014 geschaffen. Die vorgeschlagene Re- rung auf einmal ein. So haben sich die Die Referenzpublikation «Gesund- gelung zählt als langfristige Reform- Einmaleinlagen der Arbeitgeber heitsstatistik 2014» zum Thema Ge- massnahme zu den gesundheitspoli- sämtlicher Vorsorgeeinrichtungen auf sundheit liegt vollständig aktualisiert tischen Prioritäten des Bundesrates, 6,3 Milliarden Franken (+261 %) fast vor. Sie liefert einen Überblick über Gesundheit2020 (www.bag.admin.ch verdreifacht. Dies geht aus den vom die verfügbaren statistischen Daten ➞ Themen ➞ Gesundheitspolitik ➞ Bundesamt für Statistik (BFS) publi- zum Gesundheitszustand der Bevöl- Krebsregistrierungsgesetz). zierten, provisorischen Ergebnissen kerung, zu den häufigsten Todesursa- der Statistik der Beruflichen Vorsorge chen, den Änderungen des Gesund- Pflegefinanzierung 2013 hervor (www.bfs.admin.ch ➞ heitsverhaltens sowie zur Entwick- Die SGK-N unterstützte ohne Ge- Themen ➞ 13 – Soziale Sicherheit ➞ lung des Gesundheitswesens und genstimme die parlamentarische Ini- Berufliche Vorsorge). dessen Finanzierung (www.bfs.admin. tiative Egerszegi-Obrist – Nachbesse ch ➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit). rung der Pflegefinanzierung (14.417), der die Schwesterkommission am 3. Grenzüberschreitende Juli 2014 bereits einstimmig Folge gab. Demografie Zusammenarbeit im Diese kann nun einen Erlassentwurf Gesundheitsbereich ausarbeiten. Die neue Pflegefinanzie- Fortgesetztes Im Gesundheitswesen soll eine rung ist seit 1. Juli 2010 in Kraft. Ihre Bevölkerungswachstum grenzüberschreitende Zusammenar- Umsetzung ist teilweise unbefriedi- Gemäss definitiven Zahlen des beit mit grenznahen Regionen grund- gend und hat regelmässig zu Diskus- Bundesamts für Statistik (BFS) belief sätzlich möglich sein. Der Bundesrat sionen in beiden Kommissionen ge- sich die ständige Wohnbevölkerung schickte eine entsprechende Rege- führt. Die Initiative will nun künftig der Schweiz 2013 auf 8 139 600 Ein- lung in die Vernehmlassung. Weiter sicherstellen, dass a) die Restfinanzie- wohnerinnen und Einwohner, was im sollen alle Versicherten der obligato- rung von Pflegeleistungen für ausser- Vergleich zu 2012 einem Anstieg von rischen Krankenpflegeversicherung kantonale Patientinnen und Patienten 100 600 Personen (+1,3 %) entspricht. ihren Arzt und auch andere zugelas- geregelt ist, b) die Freizügigkeit unter Die Zahl der Einwanderungen und sene Leistungserbringer in der ganzen anerkannten Leistungserbringern ge- jene der Auswanderungen haben zu- Schweiz ohne finanzielle Nachteile währleistet ist und c), dass die Pflege- genommen. Einbürgerungen sind der frei wählen können. Bisher wurden kosten besser und transparent von Hauptwachstumsfaktor der Bevölke- die Kosten höchstens nach dem Tarif den Betreuungskosten abgegrenzt rung schweizerischer Staatsangehö- vergütet, der am Wohn- oder Arbeits- werden. rigkeit (www.bfs.admin.ch ➞ Themen ort eines Versicherten oder in dessen ➞ 01 – Bevölkerung). Umgebung gilt (www.admin.ch ➞ Pflege zu Hause und in Alters- und Bundesrecht ➞ Vernehmlassungen ➞ Pflegeheimen Laufende Vernehmlassungen und Gemäss den Erhebungen der Spitex- Anhörungen ➞ Änderung des Bun- Statistik und der Statistik der sozial- Gesundheit desgesetzes über die Krankenversi- medizinischen Institutionen bauten die cherung – Anpassung von Bestim- Alters- und Pflegeheime sowie die Gesundheitsberufegesetz mungen mit internationalem Bezug Dienste der Hilfe und Pflege zu Hause Die Qualität in den an Fachhoch- [Frist 15.2.1015]). (Spitex) ihr Angebot im Jahr 2013 wei- schulen vermittelten Gesundheitsbe- ter aus. Während die Alters- und Pfle- rufen soll gefördert werden. Dies will Krebsregister geheime weniger stark zulegten als im der Bundesrat unter anderem mit Der Bundesrat hat den Entwurf des Vorjahr, nimmt der Personalbestand einem neuen Gesundheitsberufege- Bundesgesetzes über die Registrie- bei der Spitex seit 2010 kontinuierlich setz sicherstellen. Ein entsprechender rung von Krebserkrankungen und die zu. Insbesondere die profitorientierten Gesetzesentwurf ist in der Vernehm- entsprechende Botschaft ans Parla- Unternehmen verzeichneten einen lassung positiv aufgenommen wor- ment überwiesen. Mit dem Gesetzes- markanten Anstieg (www.bfs.admin. den. Der Bundesrat hat deshalb das entwurf werden die Datengrundlagen ch ➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit). Eidgenössische Departement des für die Erarbeitung von Präventions- Innern sowie das Eidgenössische De- und Früherkennungsmassnahmen, für Psychische Gesundheit partement für Wirtschaft, Bildung die Evaluation der Versorgungs-, Di- Bund und Kantone haben im Rah- und Forschung beauftragt, bis im agnose- und Behandlungsqualität men des Dialogs Nationale Gesund- Herbst 2015 eine Gesetzesbotschaft sowie für die Unterstützung der kan- heitspolitik den Entwurf des Berichts auszuarbeiten. tonalen Versorgungsplanung und der «Dialog-Projekt Psychische Gesund- Forschung zu Krebserkrankungen heit» zur Kenntnis genommen und Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 311
Chronik Oktober / November 2014 zur Anhörung freigegeben. Gegen- stellung von Frau und Mann verab- so» auftreten und das Thema beruf standsbereich des vorliegenden Be- schiedet. Seither sind wichtige Fort- liche Integration weiter vorantreiben richtentwurfs sind die Aufrechterhal- schritte erzielt worden, etwa ein hö- (www.compasso.ch). tung und Förderung der psychischen heres Bildungsniveau der Frauen, der Gesundheit sowie die Prävention und Erwerbsersatz bei Mutterschaft oder Früherkennung psychischer Erkran- der straffreie Schwangerschaftsab- kungen (www.bag.admin.ch ➞ The- bruch. Dies zeigt ein Bericht im Auf- Konjunktur men ➞ Gesundheitspolitik ➞ Psychi- trag des Eidg. Departements des In- sche Gesundheit ➞ Dialog-Projekt neren und des Eidg. Departments für Konjunkturprognose der Psychische Gesundheit ➞ Bericht auswärtige Angelegenheiten. Gleich- Expertengruppe des Bundes entwurf, PDF, 20.11.14). zeitig macht er klar, wo noch Hand- In der Folge einer noch immer we- lungsbedarf besteht. Frauen erhalten nig gefestigten Weltwirtschaft, insbe- Seltene Krankheiten nach wie vor tiefere Löhne als Män- sondere der wieder ins Stocken gera- Wer unter einer seltenen Krankheit ner, einzig aufgrund ihres Geschlechts. tenen Erholung im Euroraum, hat leidet, soll medizinisch gut betreut Die Vereinbarkeit von Beruf und auch der schweizerische Konjunktur- werden und einfacher Hilfe erhalten. Familie weist noch Lücken auf. Der motor seit dem Frühjahr 2014 an Der Bundesrat hat dazu das Konzept Anteil Frauen in der Politik stagniert Fahrt verloren. Die Expertengruppe Seltene Krankheiten verabschiedet. seit 2007. In wirtschaftlichen Füh- geht davon aus, dass die jüngsten Es schlägt 19 Massnahmen vor, dar- rungs- und Entscheidungspositionen Schwächesignale der Schweizer Wirt- unter die Schaffung von Referenz sind Frauen untervertreten und häus- schaft nur eine konjunkturelle Ver- zentren, die eine rasche und sichere liche Gewalt ist immer noch weit ver- schnaufpause darstellen und sich die Diagnose sowie eine effiziente Be- breitet, auch in der Schweiz. Mädchen Wirtschaftsdynamik allmählich wie- handlung sicherstellen. Das EDI wird und Knaben werden bei der Wahl der der verstärken dürfte. Da aber sowohl bis im Frühling 2015 den Zeitplan Ausbildung, des Berufs und der Le- die inländischen als auch die aussen- für die Umsetzung des Konzepts vor- bensweise weiterhin stark von Stereo- wirtschaftlichen Impulse etwas legen (www.bag.admin.ch ➞ Themen typen beeinflusst, dies auf Kosten schwächer als bisher eingeschätzt ➞ Krankheiten und Medizin ➞ Sel- ihrer wirklichen Wünsche und Fähig- werden, fällt die Wachstumsprognose tene Krankheiten ➞ Nationales Kon- keiten. gegenüber der letzten Prognose (von zept Seltene Krankheiten, PDF, Juni 2014) leicht tiefer aus. Die Ex- 15.10.2014). Gleichstellungstag 2014: Das pertengruppe rechnet neu für das politische Engagement von laufende Jahr 2014 mit einem BIP- Stationäre Spitalpflege Menschen mit Behinderung Wachstum von 1,8 Prozent (bisher Laut den Statistiken zur stationären Am Gleichstellungstag 2014 verab- 2,0 %) und für 2015 mit einer Be- Gesundheitsversorgung wurden 2013 schiedeten rund 90 Menschen mit und schleunigung auf 2,4 Prozent (bisher so viele Personen wie noch nie in den ohne Behinderung eine Resolution, 2,6 %). Angesichts der langsameren Schweizer Spitälern behandelt, näm- welche unter anderem Bund, Kanto- Konjunkturbelebung dürfte sich der lich 1 014 077. Dies entspricht knapp ne und Gemeinden auffordert, sich Rückgang der Arbeitslosigkeit verzö- 12 Prozent der Bevölkerung. Das er- aktiv einzusetzen für die gleichbe- gern und erst im Verlauf von 2015 gibt rund 12,6 Millionen Behand- rechtigte politische Partizipation und einsetzen. Auch wenn die Prognose lungstage, 100 000 mehr als im Vor- damit auch für die Inklusion von Men- für die Schweizer Wirtschaft weiter- jahr. Den grössten Anteil hatten die schen mit Behinderung (www.agile. hin relativ positiv ausfällt, ist nicht zu Spitalabteilungen der Chirurgie und ch ➞ Gleichstellungstag 2014). übersehen, dass sich die Risiken in der inneren Medizin zu verzeichnen, jüngster Zeit spürbar erhöht haben. gefolgt von den psychiatrischen Be- Mit Blick auf die gedämpfte Entwick- handlungsfällen (www.bfs.admin.ch lung der Konjunkturindikatoren am ➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit). Invalidenversicherung aktuellen Rand im Euroraum, auch in Deutschland, hat sich die Ausgangs- Berufliche Eingliederung lage seit der letzten Prognose (Juni) Drei zentrale Akteure im Bereich leicht eingetrübt (www.seco.admin.ch Gleichstellung der Beruflichen Eingliederung ➞ Themen ➞ Wirtschaftslage ➞ Kon- schliessen sich zusammen. Der Verein junkturprognosen). Aktionsplan Schweiz zur ConCerto-pro, der Think Tank FER Gleichstellung von Frau und Mann und der Trägerverein des Informati- Vor 15 Jahren hat der Bundesrat onsportals Compasso werden neu den Aktionsplan Schweiz zur Gleich- vereint unter dem Namen «Compas- 312 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Chronik Oktober / November 2014 Volkswirtschaftliche ative Rossini KVG – Änderung der ihre Auswirkungen in den Kantonen Gesamtrechnung: Revision und Prämienkategorien für Kinder, Ju- 2013» vor. Der Bericht zeigt, wie die neue Zeitreihen 1995–2013 gendliche und junge Erwachsene Bundesbeiträge zur Integrationsför- Die Jahresergebnisse der vom Bun- (13.477) Folge zu geben. Hauptziel ist derung im Jahr 2013 eingesetzt wur- desamt für Statistik (BFS) veröffent- es, den Risikoausgleich unter den den. Seit dem 1. Januar 2014 sind die lichten Volkswirtschaftlichen Ge- Krankenkassen anzupassen, damit die Kantone für die Umsetzung ihrer samtrechnung (VGR) wurden revi- Kassen den jungen Erwachsenen (19 Integrationsmassnahmen zuständig. diert. Damit stehen neue Zeitreihen bis 25 Jahre) einen grösseren Rabatt Gemeinsam mit dem Bund haben sie für die Periode 1995 bis 2013 zur auf den Prämien gewähren können. dazu kantonale Integrationsprogram- Verfügung. Die Revision, die in Zu- Die SGK des Nationalrates kann jetzt me (KIP) erarbeitet. Diese reichen sammenarbeit mit dem für Quartals- einen entsprechenden Erlassentwurf von der individuellen Beratung von schätzungen zuständigen Ressort erarbeiten. Migrantinnen und Migranten über beim SECO durchgeführt wurde, hat berufsbezogene Sprachkurse bis hin zum Hauptziel, das neue Regelwerk Tarife zum interkulturellen Dolmetschen in der Volkswirtschaftlichen Gesamt- Als letzte Massnahme des Master- Spitälern. 2013 leistete das BFM Bun- rechnung gemäss Europäischem Sys- plans Hausarztmedizin und medizini- desbeiträge zur Integrationsförderung tem Volkswirtschaftlicher Gesamt- sche Grundversorgung werden ab 1. von insgesamt 13,4 Millionen Franken. rechnungen (ESVG 2010) zu imple- Januar 2015 insgesamt 33 schnelle Die Unterstützungsmassnahmen sind mentieren. Die koordiniert mit den Analysen in Praxislaboratorien höher nicht nur auf Förderung ausgerichtet: europäischen Ländern durchgeführte abgegolten. Die höheren Tarife gelten Sie fordern von den Zugewanderten Revision wird in der Beobachtungs- nur, wenn die Analysen in ärztlichen auch eigene Anstrengungen, die zum periode zu einer Steigerung des Brut- Praxislaboratorien durchgeführt wer- Beispiel in Integrationsvereinbarun- toinlandprodukts (BIP) zwischen 5 den und die Ergebnisse noch während gen verbindlich festgehalten werden und 6 Prozent führen. Das BIP zu der Konsultation vorliegen und un- (www.bfm.admin.ch ➞ Einreise & laufenden Preisen beträgt damit für mittelbare diagnostische und thera- Aufenthalt ➞ Integration ➞ Integra- das Jahr 2013 neu 635 Milliarden peutische Entscheidungen begrün- tionsförderung). Franken (www.bfs.admin.ch ➞ The- den. Auf diese Weise können unnöti- men ➞ 04 – Volkswirtschaft). ge zusätzliche Konsultationen in der Praxis vermieden werden. Die neue Regelung dürfte Ärztinnen und Ärz- Öffentliche Finanzen te mit einem Praxislaboratorium um Krankenversicherung insgesamt rund 35 Millionen Franken Entwicklung der öffentlichen pro Jahr besserstellen; damit wird ein Haushalte 2012–2015 Risikoausgleich I Teil des Umsatzrückgangs kompen- Wegen Eintrübung durch die ge- Künftig werden für den Risikoaus- siert, der bei den Praxislaboratorien dämpfte Wirtschaftslage und die Re- gleich in der Grundversicherung auch durch die Revision der Analysenliste kapitalisierung verschiedener Pensi- hohe Medikamentenkosten (von im Jahr 2009 entstanden ist. Die neue onskassen weist die Finanzstatistik mehr als 5 000 Franken ) erfasst. Der Liste ist eine Übergangslösung. Das für die öffentlichen Finanzen 2012 ein Bundesrat setzt die Änderung der EDI wird in den nächsten Jahren die leichtes Defizit aus. Kantone und Ge- Verordnung über den Risikoausgleich gesamte Analysenliste überprüfen meinden liegen im defizitären Be- auf den 1. Januar 2015 in Kraft. Damit und überarbeiten (www.bag.admin. reich, während Bund und Sozialver- wird neu auch der ambulante Bereich ch ➞ Themen ➞ Krankenversiche- sicherungen mit Überschüssen in den Risikoausgleich einbezogen rung ➞ Tarife und Preise ➞ Analy- schliessen. Die Lage dürfte sich 2013 und der Anreiz zur Risikoselektion senliste). verbessern. Für 2014 ist aufgrund von weiter vermindert (www.bag.admin. Pensionskassensanierungen diverser ch ➞ Krankenversicherung ➞ Versi- Kantone mit einer Verschlechterung cherer und Aufsicht ➞ Risikoaus- zu rechnen. Die Schuldenquote steigt gleich). Migration 2012 insbesondere in den Kantonen vorübergehend an. Ab 2014 dürfte sie Risikoausgleich II Integrationsförderung: ihren rückläufigen Trend wieder fort- Ohne Gegenstimme, bei einer Ent- Jahresbericht 2013 setzen (www.efv.admin.ch ➞ Themen haltung, hiess die SGK des Ständerates Das Bundesamt für Migration ➞ Finanzstatistik). den Beschluss der SGK des National- (BFM) legte den Jahresbericht «Inte- rates gut, der parlamentarischen Initi- grationsförderung des Bundes und Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 313
Chronik Oktober / November 2014 rum es so wichtig ist, dass Kinder und von verstorbenen MV-Versicherten, Sozialpolitik Jugendliche zu kompetenten Konsu- die am 31. Dezember 2014 das AHV- menten werden und wie sie dabei Rentenalter noch nicht erreicht ha- Einkommen und unterstützt werden können (www. ben, werden um 1 Prozent erhöht. Lebensbedingungen (SILC- ekkj.admin.ch ➞ Aktuell ➞ EKKJ- Dies, falls die Rente im Jahr 2012 oder Erhebung) Bericht: Selbstbestimmt oder mani- früher festgesetzt wurde. Renten mit Gemäss der Erhebung des Bundes- puliert, PDF, 21.11.2014 bzw. ➞ The- Spruchjahr 2013 werden um 0,8 Pro- amtes für Statistik (BFS) über die men ➞ Konsum).1 zent erhöht. Die übrigen Renten, da- Einkommen und die Lebensbedin- runter auch jene der Versicherten im gungen (SILC) gehörte die Schweiz Sozialhilfe AHV-Alter, werden aufgrund des zu 2013 europaweit zu den Ländern mit Der Bundesrat hat eine Verordnung schwachen Anstiegs des Landesinde- dem höchsten Lebensstandard. Die zur Verschiebung des Fachbereichs xes der Konsumentenpreise im frag- Ungleichheit der Einkommensvertei- Sozialhilfe für Auslandschweizerin- lichen Zeitraum nicht angepasst. Die- lung war in der Schweiz etwas gerin- nen und Auslandschweizer vom Eid- se Renten werden bei der nächsten ger als im europäischen Durchschnitt. genössischen Justiz- und Polizeide- Anpassung überprüft (www.bag. Ein kleiner Prozentsatz der in der partement (EJPD) ins Eidgenössische admin.ch ➞ Themen ➞ Unfall- und Schweiz lebenden Bevölkerung war Departement für auswärtige Angele- Militärversicherung). von materieller Entbehrung betroffen genheiten (EDA) verabschiedet. Die (CH 4,0 %; EU 19,5 %). Dies schliesst Integration wird per 1. Januar 2015 Versicherter Verdienst: neue wirtschaftliche Schwierigkeiten für vollzogen. Sie erfolgt im Einklang mit Obergrenze einen Teil der Bevölkerung nicht aus, dem neuen Bundesgesetz über Der Bundesrat erhöht den Höchst- da 19,6 Prozent der in der Schweiz Schweizer Personen und Institutionen betrag des versicherten Verdienstes lebenden Personen nicht in der Lage im Ausland, das 2015 in Kraft treten in der obligatorischen Unfallversiche- waren, innerhalb eines Monats eine wird. Das Auslandschweizergesetz rung per 1. Januar 2016 von 126 000 unerwartete Ausgabe zu tätigen. Aus- sieht namentlich vor, dass das EDA auf 148 200 Franken. Damit ist ge- serdem verfügte fast eine von zehn die zentrale Anlaufstelle für Anliegen währleistet, dass die überwiegende Personen (8,7 %) nicht über die Mit- der Schweizer Personen und Institu- Mehrheit aller versicherten Arbeit- tel, eine Woche Ferien weg von zu tionen im Ausland ist (Guichet nehmer zum vollen Verdienst versi- Hause zu finanzieren (www.bfs.admin. unique). chert ist. Die neue Obergrenze ist ch ➞ Themen ➞ 20 – Wirtschaftliche nicht nur für die Unfallversicherung, und soziale Situation der Bevölke- sondern auch für die Arbeitslosenver- rung). sicherung und die Invalidenversiche- Unfallversicherung rung massgebend (www.bag.admin. Jugendliche als kompetente ch ➞ Themen ➞ Unfall- und Militär- Konsumenten Militärversicherung versicherung). Mit ihrem neusten Bericht setzt sich Der Bundesrat hat beschlossen, die die Eidg. Kommission für Kinder- und Renten der Militärversicherung (MV) Jugendfragen dafür ein, dass Kinder auf den 1. Januar 2015 an die Lohn- und Jugendliche frühzeitig einen und Preisentwicklung anzupassen. überlegten Umgang mit Geld und Damit kommt er der gesetzlichen Konsum lernen. Experten aus Mar- Verpflichtung nach, mit der AHV/IV- keting, Konsumentenschutz, Präven- Rentenanpassung Schritt zu halten. tionsarbeit und Wissenschaft kommen Die Renten der noch nicht im AHV- 1 Vgl. auch Claudia Profos Frick, «Selbstbestimmt oder manipuliert? Kinder und Jugendliche als im Bericht zu Wort und beleuchten Alter stehenden Versicherten der MV kompetente Konsumenten», in dieser Ausgabe aus verschiedenen Blickwinkeln, wa- sowie jene der Ehegatten und Waisen der Sozialen Sicherheit CHSS 314 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
sozialpolitik Sozialpolitik Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen Sozialversicherungen: Neuerungen per 1. Januar 2015 und laufende Reformen Dieser Artikel verschafft einen Überblick über die für 2015 vorge versicherung angepasst. Hauptziel ist sehenen Änderungen bei den Schweizer Sozialversicherungen. die Förderung der beruflichen Ein- gliederung der Versicherten in den Ausserdem informiert er über die wichtigsten laufenden Reformen. ersten Arbeitsmarkt – mit beson Informationsstand ist Ende Oktober 2014. derem Augenmerk auf psychisch er- krankte Menschen. Mit der neuen Verordnung wird die Beratung gestärkt. Neu gehören die Beratung, Begleitung und Schulung der Arbeitgeber explizit zu den Auf- gaben der IV-Stellen. Ausserdem sol- len Letztere Fachpersonen aus Schu- le und Ausbildung beraten und infor- mieren. Damit soll bei Jugendlichen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, eine spätere psychisch be- Mélanie Sauvain dingte Invalidität vermieden werden. Bundesamt für Sozialversicherungen Auch Personen, die einen Assistenz- beitrag beantragen, erhalten rascher und leichter Beratung, und zwar be- reits ab Antragstellung. Eine weitere Änderung betrifft überdies die Ver- besserung der Qualität von medizini- AHV/IV/EL des und 0,3 Millionen zulasten der schen Gutachten in allen Sozialversi- Kantone. cherungen. Die Regelung der Beiträge an Or- Anpassung der AHV/IV-Renten und Sackgeldjobs von der AHV- ganisationen der privaten Behinder- der EL Beitragspflicht befreit tenhilfe wird ebenfalls aktualisiert mit Die AHV- und die IV-Renten wer- Ab dem 1. Januar 2015 müssen Ju- dem Ziel, das System transparenter den per 1. Januar 2015 an die Preis- gendliche bis 25 Jahre keine AHV- auszugestalten, es besser auf das Sub- entwicklung angepasst. Die Min- Beiträge auf ihre Sackgeldjobs mehr ventionsgesetz auszurichten und die destrente steigt von 1 170 auf 1 175 entrichten, wenn ihr Einkommen 750 Durchführung zu erleichtern. Ausser- Franken pro Monat, die Maximalren- Franken pro Jahr nicht übersteigt. dem kann mit der neuen Regelung te von 2 340 auf 2 350 Franken. Bei Dasselbe gilt für ihre Arbeitgeber. gegenüber Versicherten, die unrecht- den Ergänzungsleistungen wird der Konkret bedeutet dies, dass Eltern, die mässig Leistungen der IV erlangt oder Betrag für die Deckung des allgemei- in kleinem Umfang einen Babysitter ihre Meldepflicht verletzt haben, kon- nen Lebensbedarfs von 19 210 auf beschäftigen, keine Arbeitgeberbei- sequenter vorgegangen werden. Die 19 290 Franken pro Jahr für Alleinste- träge mehr abrechnen und einzahlen IV kann künftig auch Leistungen hende erhöht. Auch die Hilflosenent- müssen und dass vom geringfügigen zurückfordern, die während der Dau- schädigungen werden angepasst. Lohn des Babysitters kein AHV-Ab- er der Abklärungen ausgerichtet wur- Die Erhöhung der AHV/IV-Renten zug gemacht werden muss. Mit dieser den. Schliesslich wird die Definition, führt zu Mehrkosten von rund 201 vom Parlament initiierten Befreiung was ein Heim ist, auf Stufe Verord- Millionen Franken: 176 Millionen für von der Beitragspflicht wird dem un- nung und nicht mehr auf Stufe Kreis- die AHV (wovon 34 Millionen zulas- verhältnismässigen administrativen schreiben verankert. Diese Anpas- ten des Bundes gehen) und 25 Milli- Aufwand ein Ende gesetzt. sung ist für die Rechtssicherheit von onen für die IV. Die Anpassung der Bedeutung: Etliche Leistungen der Ergänzungsleistungen der 1. Säule Änderungen der IV-Verordnung IV variieren je nachdem, ob die ver- verursacht zusätzliche Kosten von 0,4 Der Bundesrat hat mehrere Punk- sicherte Person in einem Heim oder Millionen Franken zulasten des Bun- te der Verordnung über die Invaliden- zu Hause lebt. Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 315
Sozialpolitik Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen Berufliche Vorsorge und die Aufsichtsabgaben an die ef- über 5 000 Franken ebenfalls in den fektiven Kosten anzupassen. Die bis- Risikoausgleich aufgenommen. Dabei herigen Ansätze bilden die obere werden alle Medikamente einbezo- Mindestzinssatz Begrenzung. gen, die von der obligatorischen Kran- 2015 beläuft sich der Mindestzins- Die Kosten der Oberaufsichtskom- kenpflegeversicherung vergütet wer- satz der obligatorischen Beruflichen mission werden vollständig durch die den und nicht Bestandteile einer Vorsorge auf 1,75 Prozent. Der Bun- Abgaben und Gebühren gedeckt, die Pauschale sind. desrat hat beschlossen, den Zinssatz, die kantonalen Aufsichtsbehörden Mit dieser neuen Regelung werden der 2014 von 1,5 Prozent auf 1,75 Pro- jedes Jahr bei den Vorsorgeeinrich- auch Versicherte mit einem erhöhten zent angehoben wurde, beizubehalten. tungen in ihrer Region erheben. Da Krankheitsrisiko erkannt, die ambu- Er folgt damit den Empfehlungen der diese nun gesenkt werden, dürften lant behandelt werden, und der An- Eidgenössischen BVG-Kommission. künftig keine Überschüsse mehr ent- reiz zur Risikoselektion wird weiter Die gegenwärtigen Schwankungen an stehen. verringert. den Aktienmärkten und die tiefen Die Revision tritt 2017 in Kraft, die Zinssätze sprechen gegen eine erneu- Krankenversicherer müssen die rele- te Anhebung des Mindestzinssatzes. Krankenversicherung vanten Daten allerdings bereits ab Der Mindestzinssatz gilt lediglich dem Jahr 2015 sammeln. für die Guthaben aus dem BVG-Ob- ligatorium. Für die restlichen Berei- Prämien steigen durchschnittlich che können die Vorsorgeeinrichtun- um 4 Prozent Familie gen selbst entscheiden, wie sie die Die Standardprämie der obligato- Verzinsung festlegen wollen. Bevor rischen Krankenpflegeversicherung er im Jahr 2012 auf 1,5 Prozent sank, wird 2015 durchschnittlich um 4 Pro- Familienergänzende lag der Zinssatz während dreier Jahre zent steigen, was einer Erhöhung von Kinderbetreuung unverändert bei 2 Prozent. 2002 hatte 15.70 Franken pro Person und Monat Das Impulsprogramm des Bundes die Vergütung der Altersguthaben entspricht. Je nach Kanton beträgt die zur Schaffung von familienergänzen- noch mindestens 4 Prozent betragen. Zunahme zwischen 2,7 und 6,8 Pro- den Betreuungsplätzen für Kinder zent. wird bis 2019 weitergeführt. Da das Anpassung der Grenzbeträge Der durchschnittliche Anstieg um Programm zeitlich begrenzt ist, wäre In der obligatorischen Beruflichen 4 Prozent gilt für die Standardprämie, es nach einer ersten Verlängerung um Vorsorge wird der Koordinationsab- d.h. für die Grundversicherung für acht Jahre am 31. Januar 2015 ausge- zug per Januar 2015 von 24 570 auf eine erwachsene Person mit einer laufen. Der Kredit für die nächsten 24 675 Franken erhöht und die Ein- Franchise von 300 Franken, inklusive vier Jahre beträgt maximal 120 Milli- trittsschwelle steigt von 21 060 auf Unfalldeckung. In den vergangenen onen Franken. Seit Inkrafttreten des 21 150 Franken. Der maximal erlaub- zehn Jahren ist diese Prämie jedes Bundesgesetzes über Finanzhilfen für te Steuerabzug im Rahmen der ge- Jahr im Durchschnitt um 3,6 Prozent familienergänzende Kinderbetreuung bundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) gestiegen, seit der Einführung des im Jahr 2003 wurden mehr als 43 000 beträgt neu 6 768 Franken (heute Krankenversicherungsgesetztes im neue Betreuungsplätze geschaffen. 6 739) für Personen, die bereits eine Jahr 1996 um 4,7 Prozent. Ziel des Programms ist es, den ge- 2. Säule haben, respektive 33 840 samten Bedarf in der Schweiz abzu- Franken (heute 33 696) für Personen Verbesserung des Risikoausgleichs decken, damit die Eltern Beruf/Aus- ohne 2. Säule. Künftig werden für den Risikoaus- bildung und Familie besser vereinba- gleich in der Grundversicherung auch ren können. Abgaben für die besonders hohe Medikamentenkos- Oberaufsichtskommission ten berücksichtigt. Damit wird der Es ist nicht vorgesehen, dass die seit ambulante Bereich ebenfalls einbe- Wichtigste Projekte 2015 2012 mit der Aufsicht über die Pensi- zogen und der Anreiz zur Risikose- onskassen betraute Oberaufsichts- lektion weiter verringert. kommission Berufliche Vorsorge Heute werden für den Risikoaus- Altersvorsorge 2020 Überschüsse erzielt. Die ersten bei- gleich die Kriterien Alter und Ge- Das umfassende Reformprojekt den Jahresrechnungen schloss sie je- schlecht sowie ein Aufenthalt von Altersvorsorge 2020 kommt 2015 in doch mit deutlichem Gewinn ab. Des- mindestens drei aufeinanderfolgen- die parlamentarische Phase. Nach halb hat der Bundesrat beschlossen, den Nächten in einem Spital oder dem Vernehmlassungsverfahren die Verordnung über die Aufsicht in Pflegeheim im Vorjahr berücksichtigt. nahm der Bundesrat einige Änderun- der Beruflichen Vorsorge zu ändern Neu werden Arzneimittelkosten von gen an der Botschaft vor, die dem 316 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Sozialpolitik Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen Parlament Ende 2014 vorgelegt wur- Vernehmlassung im Frühling 2014, die ordentliche Rentenalter erreicht. In de. Notwendigkeit und Zielsetzung Änderungen dürften dem Parlament einigen Fällen ist die finanzielle Situ- der Reform werden nicht infrage Ende 2014 vorgelegt werden. ation von verunfallten Personen bes- gestellt. Im Zuge der ersten Vorlage hat der ser als jene von nicht verunfallten Die Botschaft des Bundesrats ist Bundesrat im Sommer 2014 die all- Personen. Überdies will der Bundes- auf der Internetseite des Bundesam- gemeine Ausrichtung eines umfassen- rat eine Ereignislimite für Katastro- tes für Sozialversicherungen verfüg- deren Reformvorhabens zu den Er- phen einführen. Für Schäden, die über bar: www.bsv.admin.ch ➞ Altersvor- gänzungsleistungen festgelegt, um diese Limite hinausgehen, sollen die sorge 2020 ➞ Dokumentation. dem starken Kostenanstieg Rechnung Versicherer einen Ausgleichsfonds zu tragen. Er stützte sich dabei auf schaffen. Die Sozialpartner und Ver- Reform der Ergänzungsleistungen einen im November 2013 veröffent- sicherer als Träger der Unfallversiche- (EL) lichten Bericht, in dem die Entwick- rung wurden bei der Vorbereitung der Es ist eine umfassende Reform der lung der EL-Ausgaben eingehend Revision einbezogen, die in der Ver- EL vorgesehen. analysiert wurde und der aufzeigt, wie nehmlassung breite Unterstützung In einem ersten Schritt hat der Bun- wichtig eine Reform in diesem Be- fand. Die Vorlage geht nun ans Par- desrat eine Änderung des Bundesge- reich ist. In der Vorlage geht es darum, lament. Dieses hatte 2011 eine erste setzes über die EL in die Vernehmlas- das Leistungsniveau zu erhalten, um Version als zu ehrgeizig erachtet und sung geschickt. Darin schlägt er vor, einen Übergang zur Sozialhilfe zu an den Bundesrat zurückgewiesen. die maximalen Beträge für Mietzinse vermeiden. Schwelleneffekte und un- zu erhöhen, die bei der Berechnung erwünschte Anreize zum Verbleib im Konzept Seltene Krankheiten des Anspruchs auf EL berücksichtigt EL-System sollen reduziert werden. Der Bundesrat hat im Herbst 2014 werden. Die Höchstgrenze war 2001 Ausserdem soll die Verwendung von das Konzept Seltene Krankheiten zuletzt angepasst worden. Seither sind Eigenmitteln für die Altersvorsorge verabschiedet, das 19 Massnahmen die Mieten in der Schweiz durch- verbessert werden, um das Risiko ei- zur Verbesserung der gesundheitli- schnittlich um 18 Prozent angestiegen. ner EL-Abhängigkeit im Alter zu chen Situation von Menschen mit Entsprechend deckt der Höchstbetrag minimieren. Daher soll auch kein seltenen Krankheiten (Orphan Di- die Miete in den meisten Fällen nicht Guthaben der obligatorischen Vor- seases) vorschlägt. Die Schaffung von mehr. Für die Bezügerinnen und Be- sorge in Form von Kapital mehr be- Referenzzentren zur raschen und si- züger von EL bedeutet dies, dass sie zogen werden dürfen. Der Bundesrat cheren Diagnose sowie zur effizienten die Miete vom für den allgemeinen schickt die Vorlage in der ersten Jah- Behandlung ist vorgesehen. Das Eid- Lebensbedarf bestimmten Betrag be- reshälfte 2015 in die Vernehmlassung. genössische Departement des Innern zahlen müssen. In derselben Vorlage wird bis im Frühling 2015 den Zeit- schlägt der Bundesrat vor, die Miet- Unfallversicherung plan zur Umsetzung dieses Konzepts zinsbelastung zwischen Grosszentren, Der Bundesrat möchte das Unfall- und eine Einschätzung der Kosten für Stadt und Land zu unterscheiden und versicherungsgesetz in einigen Punk- die Massnahmenkompetenz des Bun- dem erhöhten Raumbedarf von Fami- ten revidieren. Unter anderem will er des vorlegen. lien Rechnung zu tragen. verhindern, dass jemand trotz Ar- Diese Anpassungen führen zu beitsvertrag nicht versichert ist. Mit Mehrkosten von 76 Millionen Fran- der Revision sollen zudem Überent- ken pro Jahr, wobei 47 Millionen vom schädigungen verhindert werden, die Mélanie Sauvain, Projektverantwortliche, Bund getragen werden und 29 Milli- eintreten können, wenn eine verun- Öffentlichkeitsarbeit, BSV onen zulasten der Kantone gehen. fallte Person mit Invalidenrente das E-Mail: melanie.sauvain@bsv.admin.ch Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 317
sozialpolitik Sozialpolitik Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn Ergänzungsleistungen für Familien: Erfahrungen aus dem Kanton Solothurn Nach zehnjähriger Diskussion hat der Bund 2011 das Thema Ergänzungs- leistungen für Familien bis auf Weiteres den Kantonen überlassen. In Anbetracht der Blockade auf Bundesebene hat der Kanton Solothurn bereits vorgängig eine kantonale Lösung gesucht und 2010 Ergänzungs- leistungen für Familien eingeführt. Evaluationsergebnisse zeigen, dass die neue Leistung im Kanton Solothurn ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Familienarmut darstellt und die Sozialhilfe entlastet. Edgar Baumgartner Joel Gautschi Franziska Ehrler Fachhochschule Nordwestschweiz Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe Familien sind in der Schweiz einem vorläufig vom Tisch. Erfolgreich ein- einen vertieften Einblick in die Wir- höheren Armutsrisiko ausgesetzt als geführt wurden die FamEL neben kungsweise der FamEL und dürften Haushalte ohne Kinder. Seit der Kan- dem Kanton Tessin schliesslich in den deshalb auch für andere Kantone und ton Tessin 1997 Ergänzungsleistungen Kantonen Solothurn (2010), Waadt Akteure interessant sein. Im Folgenden für Familien (FamEL) eingeführt hat, (2011) und Genf (2012).1 wird die Wirkung der FamEL sowohl werden diese auch in anderen Kanto- Der Kanton Solothurn führte die auf die individuelle Situation der Be- nen und auf Bundesebene als Lö- FamEL mit der Zustimmung des Vol- zügerinnen und Bezüger als auch auf sungsansatz zur Bekämpfung von kes befristet auf fünf Jahre ein. Um den andere Zweige der sozialen Sicherheit, Familienarmut diskutiert. Als sich Entscheid über die allfällige Weiter- insbesondere die Sozialhilfe, aufge- abzeichnete, dass eine Bundeslösung führung der Leistung auf der Basis zeigt. Und obwohl die Situation im chancenlos war, lancierten verschie- fundierter Ergebnisse fällen zu können, Kanton Solothurn nur bedingt auf an- dene Kantone eigene Projekte. Mit war von Anfang an eine Evaluation dere Kantone übertragen werden kann, unterschiedlichem Erfolg: Im Kanton vorgesehen. Die Fachhochschule Nord- können die Resultate dennoch wichti- Bern wurde die Leistung unlängst westschweiz hat während vier Jahren ge Hinweise zur allgemeinen Tauglich- vom Parlament verworfen, im Kanton gemeinsam mit der Schweizerischen Schwyz hat das Volk eine entspre- Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) die chende Initiative wuchtig abgelehnt. neue Leistung auf ihre Wirkung evalu- 1 Zum Stand in den einzelnen Kantonen, siehe: In einigen Kantonen sind noch poli- iert und konnte dem Kanton umfas- www.skos.ch ➞ Grundlagen und Positionen ➞ Themendossiers ➞ FamEL: Stand politischer tische Vorstösse und Projekte hängig, sende Resultate vorlegen.2 Die Ergeb- Prozess in den Kantonen (PDF; 31.10.2014) in anderen Kantonen ist das Thema nisse aus dem Kanton Solothurn geben 2 Lit. Baumgartner et al. 2014 318 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Sozialpolitik Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn keit des Instruments für die Bekämp- ken selber generieren. Alleinerziehen- auf Basis der Evaluationsergebnisse fung von Familienarmut geben. de mit einem Kind unter drei Jahren über deren Weiterführung, Modifika- müssen im Minimum 7 500 Franken, tion oder Beendigung zu entscheiden. Alleinerziehende mit älteren Kindern Kernaufgabe der Evaluation war es Das Solothurner Modell zur im Minimum 15 000 Franken pro Jahr demzufolge, herauszufinden, ob die Entlastung von Working-Poor- verdienen. Der Bezug von EL zur zentralen Zielsetzungen der FamEL, Familien AHV/IV schliesst einen Anspruch auf die Verringerung der Familienarmut FamEL aus. und die Entlastung der Sozialhilfe Der Kanton Solothurn hat sich zum Die eigentliche Leistungsberech- erreicht werden. Des Weiteren unter- Ziel gesetzt, mit den FamEL Working- nung orientiert sich stark an der Be- suchte sie auch den Vollzug und mög- Poor-Familien finanziell besserzustel- rechnungsweise der Ergänzungsleis- liche Schwierigkeiten des Modells. Im len und damit auch eine Entlastung tungen zur AHV/IV, weicht aber in Mittelpunkt standen hier Profil und der Sozialhilfe zu erreichen. Entspre- einigen zentralen Punkten davon ab, Anzahl der Bezügerinnen und Bezü- chend ist die Leistung so ausgestaltet, um der spezifischen Situation von ger, die Leistungshöhe sowie die An- dass Erwerbsanreize erhalten bleiben Working-Poor-Familien Rechnung zu reizstruktur des Modells. Die Evalu- und nur Familien Anspruch haben, die tragen. So werden zur Erhaltung des ation stützte sich auf verschiedene ein Erwerbseinkommen generieren. Erwerbsanreizes einerseits Einkom- Datenquellen ab. Neben Prozessda- Weitere zentrale Prinzipien, die dem mensfreibeträge gewährt. Anderer- ten aus dem Vollzug nutzte sie Anga- Solothurner Modell zugrunde gelegt seits wird jenen Familien, deren Ein- ben aus Sozialhilfedossiers und eine wurden, waren die Gleichbehandlung kommen nur knapp über dem Min- Befragung der Bezügerinnen und verschiedener Familienformen und die desteinkommen liegt, ein hypothe Bezüger von FamEL. Diese waren Berücksichtigung der Bedürfnisse in tisches Einkommen angerechnet, das wiederholt, jeweils bei Beginn des unterschiedlichen Familienphasen. höher ist als das effektiv erzielte. Anspruchs auf FamEL und sechs Mo- Zudem galten die einfache Anwend- Ausserdem werden die Kosten für die nate später, schriftlich befragt wor- barkeit der neuen Leistung sowie die familienergänzende Kinderbetreuung den.4 Beschränkung auf im Kanton Solo- von Kindern unter sechs Jahren bis zu thurn lebende Familien als Grundvor einem Maximalbetrag von 6 000 Fran- aussetzungen, um einen effizienten ken pro Jahr und Kind angerechnet, Entwicklung der Fallzahlen Mitteleinsatz zu erreichen. da die familienergänzende Kinderbe- und Höhe der FamEL-Beträge Entsprechend diesen Zielen und treuung einen wesentlichen Faktor zur Prinzipien wurden die Voraussetzun- Vereinbarkeit von Familie und Beruf Der Kanton Solothurn zählte im gen für den Bezug von FamEL defi- von Working-Poor-Familien darstellt. Jahr 2010 rund 41 400 Familienhaus- niert. Einen Antrag auf FamEL stellen Insgesamt sind die FamEL nach oben halte mit Kindern.5 Die Solothurner kann, wer in einer häuslichen Gemein- begrenzt. Eine Familie erhält pro Jahr Regierung ging ursprünglich von 1 200 schaft mit mindestens einem Kind maximal das Doppelte der jährlichen Haushalten aus, die FamEL beziehen unter sechs Jahren lebt und seit min- Minimalrente der AHV (2014: 28 080 würden.6 Diese Grösse war bis Ende destens zwei Jahren ununterbrochen Franken), auch wenn ihr effektiver 2013 nicht erreicht worden. Seit dem im Kanton Solothurn wohnt. Zweiel- Bedarf höher wäre. Bei mehr als zwei Einführungsjahr 2010 verzeichnete die ternfamilien müssen ein minimales Kindern erhöht sich der Maximalbe- Gruppe der Bezügerinnen und Bezü- Erwerbseinkommen von 30 000 Fran- trag um 5 000 Franken pro weiteres ger jedoch einen relativ konstanten Kind. Hat eine Familie Anspruch auf Zuwachs, von 169 Fällen im Januar 3 Die Berechnung der FamEL erfolgt damit ana FamEL, erhält sie derzeit auch den 2011 auf 632 im Dezember 2013 (siehe log zu den bundesrechtlich geregelten Ergän Pauschalbetrag für die obligatorische Grafik G1). Die Anzahl der monatlich zungsleistungen zur AHV und IV: Gemäss Art. 10 des Bundesgesetzes über die Ergänzungs Krankenversicherung, welche der neu eingereichten Gesuche pendelte leistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und kantonalen Durchschnittsprämie für sich nach etwas mehr als einem Jahr Invalidenversicherung (ELG) vom 6. Oktober 2006 (SR 831.30) wird ein jährlicher Pauschal die obligatorische Krankenpflegever- bei ca. 30 bis 50 ein. Davon musste die betrag für die obligatorische Krankenpflege sicherung (inkl. Unfalldeckung) ent- Ausgleichkasse des Kantons Solothurn versicherung als Ausgabe anerkannt. spricht.3 jedoch ca. 40 Prozent ablehnen, weil 4 Zu 244 Familien liegen gültige Befragungsda ten vor (Rücklaufquote: 56,9 %). die Haushalte die wirtschaftlichen 5 Vgl. Baumgartner, Edgar; Baur, Roland; Ditt oder weitere Anspruchsvoraussetzun- mann, Jörg; Sommerfeld, Peter, Sozialbericht Fokus der Evaluation gen nicht erfüllten. 2013 Kanton Solothurn, Solothurn 2013, S. 456 Je nach Haushaltsituation unter- 6 Regierungsrat Kanton Solothurn, Botschaft und Der zentrale Fokus der Evaluation schieden sich die ausbezahlten Fam Entwurf des Regierungsrates an den Kantons ergibt sich aus der Befristung der EL-Beträge stark. Mit Berücksich rat von Solothurn vom 17. März 2014, RRB Nr. 2014/551, 10 FamEL und der politischen Vorgabe, tigung des Pauschalbetrags für die Soziale Sicherheit CHSS 6/2014 319
Sozialpolitik Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn Entwicklung Anzahl Fälle von FamEL-Bezug G1 700 600 613 632 549 552 568 600 527 540 501 474 500 411 423 376 400 320 283 251 300 218 183 200 100 0 Aug 11 Sep 11 Okt 11 Nov 11 Dez 11 Feb 12 Mrz 12 Apr 12 Mai 12 Jun 12 Jul 12 Aug 12 Sep 12 Okt 12 Nov 12 Dez 12 Jan 13 Feb 13 Mrz 13 Apr 13 Mai 13 Jun 13 Jul 13 Aug 13 Sep 13 Okt 13 Nov 13 Dez 13 Jan 11 Feb 11 Mrz 11 Apr 11 Mai 11 Jun 11 Jul 11 Jan 12 Anzahl aktive Fälle Eigene Darstellung obligatorische Krankenpflegeversi- männlich. Der Anteil Schweizerinnen ist dieser Effekt je nach Familientyp cherung betrug im Stichmonat De- und Schweizer lag bei den Zwei unterschiedlich stark. Je mehr Kinder zember 2013 die durchschnittliche elternfamilien bei 31 Prozent. Die eine Familie hat, desto stärker ist ten- Höhe der Auszahlungen 1 449 Fran- meistvertretene Ländergruppe bei denziell die Verbesserung der finan- ken pro Monat und Haushalt (Medi- den Zweielternfamilien waren Bür- ziellen Situation im Vergleich zur an: 1 272 Franken). Dabei erhielt ein gerinnen und Bürger europäischer Sozialhilfe. eher grosser Anteil von 32 Prozent Länder (inkl. Türkei) ausserhalb der Die Ergebnisse der Bezügerbefra- der bezugsberechtigten Familien ne- EU27- und EFTA-Staaten.7 42 Pro- gung bestätigen die finanzielle Bes- ben dem Pauschalbetrag für die obli- zent der Gesuchstellenden aus Zwei- serstellung: 69 Prozent der Befragten gatorische Krankenversicherung kei- elternfamilien verfügten höchstens gaben sechs Monate nach Beginn des ne weiteren FamEL. über den Abschluss der obligatori- Bezugs von FamEL an, dass sich ihre schen Schule. Während sich bei den finanzielle Situation mit den FamEL Zweielternfamilien eher eine Wor- eher oder sehr stark verbessert hatte. Unterschiedliche Profile von king-Poor-Situation zeigte, in der ein Auch war es den befragten Familien Zwei- und Einelternfamilien tiefer Vollzeitlohn nicht für den Un- sechs Monate nach Bezugsbeginn terhalt der gesamten Familie aus- besser möglich, finanziell über die Mit 83 Prozent machten im Stich- reichte, liess sich bei vielen der Einel- Runden zu kommen und die monat- monat Dezember 2013 Zweielternfa- ternfamilien die Armutssituation lich notwendigen Ausgaben zu bezah- milien die grosse Mehrheit der unter- durch ein kleineres Arbeitspensum len.8 Allerdings blieb die finanzielle stützten Haushalte aus. Die Gruppen erklären, welches aufgrund der Kin- Situation der Haushalte nach wie vor der Ein- und Zweielternfamilien derbetreuung reduziert war. angespannt. Ein Indiz hierfür ist, dass unterschieden sich stark nach Ge- sechs Monate nach Bezugsbeginn schlecht der Gesuchstellenden, Län- noch 13 Prozent der Befragten anga- dergruppe und Bildungsabschluss: Verbesserung der finanziellen ben, dass jemand in ihrem Haushalt Die Gesuchstellenden von Eineltern- Lage und der Lebenssituation in den letzten sechs Monaten aus fi- familien waren fast immer weiblich, nanziellen Gründen auf eine ärztliche meist Schweizerinnen (79 %) und Eine Modellanalyse, die auch die verfügten anteilmässig über deutlich wichtigsten Lebenshaltungskosten 7 Dazu zählten Staatsangehörige der Türkei, des höhere Bildungsabschlüsse als Ge- berücksichtigt, belegt, dass sich die Kosovo, Serbiens, Mazedoniens, Bosnien- suchstellende von Zweielternfamili- finanzielle Situation für verschiedene Herzegowinas, Kroatiens und Albaniens (in absteigender Häufigkeit). en. Bei den Zweielternfamilien waren Familientypen durch die FamEL 8 Diese Aussage ist auch im statistischen Sinne die Gesuchstellenden fast immer grundsätzlich verbessert. Allerdings signifikant. 320 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
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