Soziale Sicherheit 6/2014 - Jugend und Medien

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Sozialpolitik
Evaluation Familienergänzungsleistungen Kanton Solothurn

Familie, Generationen und Gesellschaft
Selbstbestimmt oder manipuliert? Kinder und Jugendliche als kompetente Konsumenten

Vorsorge
Wirtschaftsentwicklung, Finanzmärkte und Anlagerenditen bis 2035
Arbeitsmarktwirkungen der Reform Altersvorsorge 2020
Analyse der Verwaltungskosten der Lebensversicherer im Bereich der 2. Säule

                         Soziale Sicherheit
                                                        CHSS6/2014
inhalt                      Inhalt   CHSS                               6/2014 November / Dezember

   Inhaltsverzeichnis Soziale Sicherheit CHSS 6/2014

   Editorial309                                                       Wie die Arbeitgeber die IV und die berufliche Eingliederung
                                                                       wahrnehmen (Chiara Mombelli, Bundesamt für Sozial­
   Chronik Oktober / November 2014                             310
                                                                       versicherungen; Werner Reimann, Institut DemoSCOPE)        332
                                                                       Evaluation Ingeus – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG ­(Tobias
   Sozialpolitik                                                       Hagen, Franz Egle, Mannheimer Forschungsgesellschaft für
   Sozialversicherungen: Neuerungen per 1. Januar 2015 und             Arbeit und Bildung)                                             335
   ­laufende Reformen (Mélanie Sauvain, Bundesamt für Sozial­          Evaluation ConCerto – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG
    versicherungen)315                                                ­(Judith Trageser, Andrea Schultheiss, Thomas von Stokar, Infras)340
   Ergänzungsleistungen für Familien: Erfahrungen aus dem
   ­Kanton Solothurn (Edgar Baumgartner, Joel Gautschi, Fach­
    hochschule Nordwestschweiz; Franziska Ehrler, Schweizerische
                                                                       Vorsorge
    Konferenz für Sozialhilfe)                                 318    Wirtschaftsentwicklung, Finanzmärkte und Anlagerenditen
                                                                       bis 2035 (Thomas Kübler, Kübler Economics; Martin Eichler
                                                                       BAK Basel)                                                     346
   Familie, Generationen und Gesellschaft
                                                                       Vernichtet die Reform Altersvorsorge 2020 Arbeitsplätze?
   Selbstbestimmt oder manipuliert? Kinder und Jugendliche             ­(André Müller, Tobias Schoch, Ecoplan)                        352
   als kompetente Konsumenten (Claudia Profos Frick,
   ­Eidgenössische Kommission für Kinder und Jugendfragen)     324    Analyse der Verwaltungskosten der Lebensversicherer im
                                                                       ­Bereich der 2. Säule (Alexander Kohler, Jörg Schwanemann,
   Kriterienliste zur Bewertung des Angebots im Jugendmedien­           ­Deloitte Consulting AG)                                 356
   schutz (Anna Vettori, Infras; Ralph Thomas, ralphTHOMAS-
   santé-social-formation)327
                                                                       Parlament
   Invalidenversicherung                                               Parlamentarische Vorstösse                                     362

   Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung              Gesetzgebung (Vorlagen des Bundesrats)                         366
   ­(Cornelia Jorns-Ruchti, Bundesamt für Sozialversicherungen) 331
                                                                       Daten und Fakten
                                                                       Agenda (Tagungen, Seminare, Lehrgänge)                         367
                                                                       Sozialversicherungsstatistik368
                                                                       Wichtige Masszahlen der Beruflichen Vorsorge                   370
                                                                       Literatur372
                  s unter        . a d m in.ch
                            w.bsv
               n                                                       Jahresinhaltsverzeichnis 2014                                  374
       en Sie u
Besuch             ww
editorial                                   Editorial

Neues von der Grossbaustelle: 2015 verspricht
ein spannendes Jahr zu werden

                                                                        2001 erhöht worden. Seither sind die Mietzinse um 21
                                                                        Prozent angestiegen, und viele EL-Bezüger sind nicht mehr
                                                                        in der Lage, ihre Mietaufwendungen mit den geltenden
                                                                        Maximalansätzen abzudecken. Das Parlament hat daher
                                                                        den Bundesrat beauftragt, ihm eine Vorlage zur Anpassung
                                                                        der Mietzinsmaxima vorzulegen. Angesichts der Dring-
                                                                        lichkeit der Frage der Mietzinsmaxima wird diese Anpas-
                                                                        sung der umfassenden Reform der EL vorgezogen. Der
                                                                        Bundesrat hat im vergangenen Juni die Richtlinienentschei-
                                                                        de für die Reform verabschiedet. Auf dieser Grundlage
                              Jürg Brechbühl                            wird derzeit eine Reformvorlage vorbereitet, die nächstes
                              Direktor des Bundesamts für               Jahr der Vernehmlassung unterzogen werden soll. Das
                              Sozialversicherungen                      Leistungsniveau der EL soll erhalten bleiben. Das System
                                                                        wird aber auf Schwelleneffekte und Fehlanreize hin unter-
                                                                        sucht, welche mit der Reform behoben werden sollen.
   Am 19. November 2014 hat der Bundesrat seine Botschaft                  Die weitaus grösste Herausforderung bei den EL ist die
   zur Reform Altersvorsorge 2020 verabschiedet. Damit ist              Entwicklung der Heim- und Pflegekosten. Das Kosten-
   eine wichtige Etappe zur Sicherung der Renten von AHV                wachstum ist in diesem Bereich wesentlich stärker als bei
   und Beruflicher Vorsorge auf der Grundlage einer stabilen            den Kosten für die EL zur Deckung des Lebensunterhalts.
   Finanzierung abgeschlossen worden. In der Botschaft hat              Das BSV arbeitet zur Lösung dieser Problematik eng mit
   der Bundesrat an seiner bisherigen Strategie festgehalten:           dem Bundesamt für Gesundheit zusammen. Diese Vorbe-
   Er geht die Herausforderungen der AHV und der Beruf-                 reitungsarbeiten sind komplex und müssen mit grosser
   lichen Vorsorge mit einem umfassenden und kohärenten                 Umsicht geführt werden.
   Reformpaket an. Damit trägt der Bundesrat der Tatsache                  Nach dem Scheitern der IV-Revision 6b im Nationalrat
   Rechnung, dass alle systemrelevanten sektoriellen Reform-            bereitet das BSV eine neue Reform der Invalidenversiche-
   versuche der letzten 15 Jahre Schiffbruch erlitten haben.            rung vor. Mit gezielten qualitativen Verbesserungen soll
   Gleichzeitig legt er eine Gesamtsicht vor, die bei allen ver-        die Eingliederung von Menschen mit einer Behinderung
   gangenen Reformen gefordert wurde.                                   verbessert werden. Der Fokus liegt dabei bei den unter
      Die Vorlage hat in der Vernehmlassung ein grosses Echo            25-Jährigen sowie bei Personen mit einer psychischen Be-
   gefunden. Die Notwendigkeit der Reform war ebenso un-                hinderung. Die unter 25-Jährigen sind die einzige Gruppe,
   bestritten wie ihre Zielsetzung. In der Frage der Methode            bei welcher die Rentenquote nicht rückläufig ist. Im Rah-
   und bezüglich der einzelnen Massnahmen fielen die Stel-              men dieser Reform werden auch verschiedene parlamen-
   lungnahmen indes sehr unterschiedlich aus. Jetzt geht die            tarische Vorstösse erfüllt werden, welche die Entschuldung
   Reform in die parlamentarischen Beratungen und es sind               der IV und verbesserte Meldeverfahren zwischen den ver-
   lösungsorientierte Diskussionen gefragt. Die Herausfor-              schiedenen Akteuren fordern.
   derungen sind erheblich und es wird notwendig sein, dass                Das BSV wird im nächsten Jahr somit stark gefordert
   alle Abstriche an ihren Maximalpositionen vornehmen.                 sein und zeitgleich auf mehreren Baustellen arbeiten. Zu-
   Das BSV wird die parlamentarischen Arbeiten intensiv                 sätzlich zu den Reformbestrebungen in den Sozialversi-
   begleiten und alles Notwendige vorkehren, damit allfällige           cherungen wird sich das Amt auch intensiv mit familien-
   weitere Entscheidgrundlagen zeitnah vorliegen.                       politischen Fragestellungen befassen. Immer steht jedoch
      Die zweite grosse Baustelle wird in Kürze mit der Reform          das gleiche Ziel im Vordergrund: Mit einer verantwortungs-
   der Ergänzungsleistungen eröffnet. Ein erstes Paket befasst          vollen Weiterentwicklung der sozialen Sicherheit wollen
   sich mit der Anpassung der Mietzinsmaxima. Die Höchst-               wir die gerade unter den heutigen Bedingungen so wichti-
   beträge der anrechenbaren Mietzinse sind letztmals im Jahr           ge soziale Kohäsion sichern.

                                                                                               Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   309
chronik                        Chronik     Oktober / November 2014

                                                                                 angepasst werden, da der Konsumen-
AHV                                     Arbeit                                   tenpreisindex im September 2014 mit
                                                                                 99,1 tiefer lag als im September 2011
Altersvorsorge 2020: Bundesrat          Ältere Arbeitnehmende:                   mit 99,7. Grundsätzlich müssen die
verabschiedet Botschaft                 Situationsbericht der OECD               Hinterlassenen- und Invalidenrenten
   Der Bundesrat hat die Botschaft        Die Schweiz weist im Vergleich zu      der obligatorischen zweiten Säule
zur Reform der Altersvorsorge ans       anderen OECD-Staaten eine der            (BVG) bis zum Erreichen des ordent-
Parlament überwiesen. Die Reform        höchsten Erwerbsquoten bei den über      lichen Rentenalters periodisch an die
sichert mit einem umfassenden und       55-Jährigen auf. Gleichwohl kommt        Erhöhung des Indexes der Konsu-
ausgewogenen Ansatz das Leistungs-      die OECD in ihrem aktuellen Bericht      mentenpreise angepasst werden. Der
niveau der Altersvorsorge. Sie sorgt    zur Situation der älteren Arbeitneh-     Teuerungsausgleich für diese Hinter-
dafür, dass AHV und Berufliche Vor-     menden zum Schluss, dass eine Ge-        lassenen- und Invalidenrenten der
sorge ausreichend finanziert sind und   samtstrategie erforderlich ist, um das   Beruflichen Vorsorge wird zum ersten
einen flexibleren Übergang in den       Altersmanagement in den Betrieben        Mal nach dreijähriger Laufzeit ge-
Ruhestand erlauben (www.bsv.admin.      zu verbessern. Die Behörden sollen       währt. Die darauffolgenden Anpas-
ch ➞ Themen ➞ AHV ➞ Altersvor-          die Sozialpartner ermutigen, älteren     sungen sind mit dem Teuerungsaus-
sorge 2020 ➞ Dokumentation).            Arbeitnehmenden bessere Angebote         gleich bei der AHV gekoppelt und
                                        und Anreize zur Weiterarbeit bis ins     finden in der Regel alle zwei Jahre
Minimalrente und Sackgeldjobs           Pensionsalter und darüber hinaus zu      statt, unter der Voraussetzung, dass
   Der Bundesrat hat per 1. Januar      bieten (www.oecdbookshop.org/).          die Teuerung eine solche verlangt.
2015 die AHV- und IV-Renten sowie
den Betrag für den Lebensbedarf bei     Schweizerische                           Mindestzinssatz
den Ergänzungsleistungen der aktu-      Arbeitskräfteerhebung SAKE                  Auf Empfehlung der Eidg. Kommis-
ellen Preis- und Lohnentwicklung        3. Quartal 2014                          sion für Berufliche Vorsorge belässt
(Mischindex) angepasst. Gleichzeitig       Gemäss den Erhebungen des Bun-        der Bundesrat den Mindestzinssatz in
werden die Grenzbeträge der beruf-      desamtes für Statistik (BFS) ist die     der obligatorischen Beruflichen Vor-
lichen Vorsorge, u.a. der Koordinati-   Zahl der Erwerbstätigen in der           sorge bei 1,75 Prozent. Entscheidend
onsabzug, darauf abgestimmt. Ange-      Schweiz zwischen dem 3. Quartal 2013     für die Höhe des Mindestzinssatzes
passt werden auch die steuerbefreiten   und dem 3. Quartal 2014 um 1,7 Pro-      sind gemäss Gesetz die Rendite der
Sparbeträge in der Säule 3a. Im Rah-    zent gestiegen. Bei der Erwerbslosen-    Bundesobligationen sowie die Ent-
men der Verordnungsanpassungen          quote gemäss Definition des Interna-     wicklung von Aktien, Anleihen und
befreit der Bundesrat zudem gering-     tionalen Arbeitsamtes (ILO) war in       Liegenschaften. Während die Rendite
fügige Löhne von jungen Leuten in       der Schweiz im gleichen Zeitraum         der Bundesobligationen auf tiefen
Privathaushalten von der Beitrags-      eine leichte Zunahme von 4,7 auf 4,8     Werten verharrt, haben sich die Anlei-
pflicht (www.bsv.admin.ch ➞ Themen      Prozent zu verzeichnen. In der EU        hen und Liegenschaften gut entwickelt.
➞ AHV bzw. ➞ Berufliche Vorsorge        ging die Erwerbslosenquote von 10,5      Trotz der gegenwärtigen Schwankun-
und 3. Säule).                          auf 9,8 Prozent zurück (www.bfs.ad-      gen an den Aktienmärkten ist eine
                                        min.ch ➞ Themen ➞ 03 – Arbeit und        Senkung des geltenden Satzes von 1,75
Volksinitiative «AHVplus:               Erwerb ➞ Erhebungen, Quellen ➞           Prozent nicht angebracht. Die tiefen
für eine starke AHV»                    laufende Erhebungen ➞ Schweizeri-        Zinssätze sprechen aber auch gegen
  Der Bundesrat spricht sich gegen      sche Arbeitskräfteerhebung, SAKE).       eine Anhebung (www.bsv.admin.ch ➞
die eidgenössische Volksinitiative                                               Themen ➞ Berufliche Vorsorge und
«AHVplus: für eine starke AHV» aus.                                              3. Säule ➞ Aktuell ➞ Wichtige Ände-
Er hat die entsprechende Botschaft                                               rungen ab 1. Januar 2015).
ans Parlament verabschiedet. Der        Berufliche Vorsorge
Bundesrat sieht finanziell keinen                                                Öffentlich-rechtliche Pensions-
Spielraum für eine Erhöhung der         Hinterlassenen- und Invaliden­           kassen: Starker Anstieg der Ein-
AHV-Leistungen und hält an seinem       renten BVG: keine Anpassung              maleinlagen
mit dem Reformprojekt Altersvorsor-       Die Hinterlassenen- und Invaliden-        Öffentlich-rechtliche Vorsorgeein-
ge 2020 eingeschlagenen Weg fest        renten der obligatorischen Berufli-      richtungen mussten sich 2013 zwi-
(www.admin.ch ➞ Dokumentation ➞         chen Vorsorge müssen auf den 1. Ja-      schen Teil- oder Vollkapitalisierung
Bundesrecht ➞ BBl 2014).                nuar 2015 nicht der Preisentwicklung     entscheiden. Einige Arbeitgeber zahl-

310 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Chronik      Oktober / November 2014

ten die dazu benötigte Ausfinanzie-      Gesundheitsstatistik 2014                 geschaffen. Die vorgeschlagene Re-
rung auf einmal ein. So haben sich die     Die Referenzpublikation «Gesund-        gelung zählt als langfristige Reform-
Einmaleinlagen der Arbeitgeber           heitsstatistik 2014» zum Thema Ge-        massnahme zu den gesundheitspoli-
sämtlicher Vorsorgeeinrichtungen auf     sundheit liegt vollständig aktualisiert   tischen Prioritäten des Bundesrates,
6,3 Milliarden Franken (+261 %) fast     vor. Sie liefert einen Überblick über     Gesundheit2020 (www.bag.admin.ch
verdreifacht. Dies geht aus den vom      die verfügbaren statistischen Daten       ➞ Themen ➞ Gesundheitspolitik ➞
Bundesamt für Statistik (BFS) publi-     zum Gesundheitszustand der Bevöl-         Krebsregistrierungsgesetz).
zierten, provisorischen Ergebnissen      kerung, zu den häufigsten Todesursa-
der Statistik der Beruflichen Vorsorge   chen, den Änderungen des Gesund-          Pflegefinanzierung
2013 hervor (www.bfs.admin.ch ➞          heitsverhaltens sowie zur Entwick-           Die SGK-N unterstützte ohne Ge-
Themen ➞ 13 – Soziale Sicherheit ➞       lung des Gesundheitswesens und            genstimme die parlamentarische Ini-
Berufliche Vorsorge).                    dessen Finanzierung (www.bfs.admin.       tiative Egerszegi-Obrist – Nachbesse­
                                         ch ➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit).           rung der Pflegefinanzierung (14.417),
                                                                                   der die Schwesterkommission am 3.
                                         Grenzüberschreitende                      Juli 2014 bereits einstimmig Folge gab.
Demografie                               Zusammenarbeit im                         Diese kann nun einen Erlassentwurf
                                         Gesundheitsbereich                        ausarbeiten. Die neue Pflegefinanzie-
Fortgesetztes                               Im Gesundheitswesen soll eine          rung ist seit 1. Juli 2010 in Kraft. Ihre
Bevölkerungswachstum                     grenzüberschreitende Zusammenar-          Umsetzung ist teilweise unbefriedi-
   Gemäss definitiven Zahlen des         beit mit grenznahen Regionen grund-       gend und hat regelmässig zu Diskus-
Bundesamts für Statistik (BFS) belief    sätzlich möglich sein. Der Bundesrat      sionen in beiden Kommissionen ge-
sich die ständige Wohnbevölkerung        schickte eine entsprechende Rege-         führt. Die Initiative will nun künftig
der Schweiz 2013 auf 8 139 600 Ein-      lung in die Vernehmlassung. Weiter        sicherstellen, dass a) die Restfinanzie-
wohnerinnen und Einwohner, was im        sollen alle Versicherten der obligato-    rung von Pflegeleistungen für ausser-
Vergleich zu 2012 einem Anstieg von      rischen Krankenpflegeversicherung         kantonale Patientinnen und Patienten
100 600 Personen (+1,3 %) entspricht.    ihren Arzt und auch andere zugelas-       geregelt ist, b) die Freizügigkeit unter
Die Zahl der Einwanderungen und          sene Leistungserbringer in der ganzen     anerkannten Leistungserbringern ge-
jene der Auswanderungen haben zu-        Schweiz ohne finanzielle Nachteile        währleistet ist und c), dass die Pflege-
genommen. Einbürgerungen sind der        frei wählen können. Bisher wurden         kosten besser und transparent von
Hauptwachstumsfaktor der Bevölke-        die Kosten höchstens nach dem Tarif       den Betreuungskosten abgegrenzt
rung schweizerischer Staatsangehö-       vergütet, der am Wohn- oder Arbeits-      werden.
rigkeit (www.bfs.admin.ch ➞ Themen       ort eines Versicherten oder in dessen
➞ 01 – Bevölkerung).                     Umgebung gilt (www.admin.ch ➞             Pflege zu Hause und in Alters- und
                                         Bundesrecht ➞ Vernehmlassungen ➞          Pflegeheimen
                                         Laufende Vernehmlassungen und               Gemäss den Erhebungen der Spitex-
                                         Anhörungen ➞ Änderung des Bun-            Statistik und der Statistik der sozial-
Gesundheit                               desgesetzes über die Krankenversi-        medizinischen Institutionen bauten die
                                         cherung – Anpassung von Bestim-           Alters- und Pflegeheime sowie die
Gesundheitsberufegesetz                  mungen mit internationalem Bezug          Dienste der Hilfe und Pflege zu Hause
  Die Qualität in den an Fachhoch-       [Frist 15.2.1015]).                       (Spitex) ihr Angebot im Jahr 2013 wei-
schulen vermittelten Gesundheitsbe-                                                ter aus. Während die Alters- und Pfle-
rufen soll gefördert werden. Dies will   Krebsregister                             geheime weniger stark zulegten als im
der Bundesrat unter anderem mit            Der Bundesrat hat den Entwurf des       Vorjahr, nimmt der Personalbestand
einem neuen Gesundheitsberufege-         Bundesgesetzes über die Registrie-        bei der Spitex seit 2010 kontinuierlich
setz sicherstellen. Ein entsprechender   rung von Krebserkrankungen und die        zu. Insbesondere die profitorientierten
Gesetzesentwurf ist in der Vernehm-      entsprechende Botschaft ans Parla-        Unternehmen verzeichneten einen
lassung positiv aufgenommen wor-         ment überwiesen. Mit dem Gesetzes-        markanten Anstieg (www.bfs.admin.
den. Der Bundesrat hat deshalb das       entwurf werden die Datengrundlagen        ch ➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit).
Eidgenössische Departement des           für die Erarbeitung von Präventions-
Innern sowie das Eidgenössische De-      und Früherkennungsmassnahmen, für         Psychische Gesundheit
partement für Wirtschaft, Bildung        die Evaluation der Versorgungs-, Di-        Bund und Kantone haben im Rah-
und Forschung beauftragt, bis im         agnose- und Behandlungsqualität           men des Dialogs Nationale Gesund-
Herbst 2015 eine Gesetzesbotschaft       sowie für die Unterstützung der kan-      heitspolitik den Entwurf des Berichts
auszuarbeiten.                           tonalen Versorgungsplanung und der        «Dialog-Projekt Psychische Gesund-
                                         Forschung zu Krebserkrankungen            heit» zur Kenntnis genommen und

                                                                                       Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   311
Chronik      Oktober / November 2014

zur Anhörung freigegeben. Gegen-          stellung von Frau und Mann verab-         so» auftreten und das Thema beruf­
standsbereich des vorliegenden Be-        schiedet. Seither sind wichtige Fort-     liche Integration weiter vorantreiben
richtentwurfs sind die Aufrechterhal-     schritte erzielt worden, etwa ein hö-     (www.compasso.ch).
tung und Förderung der psychischen        heres Bildungsniveau der Frauen, der
Gesundheit sowie die Prävention und       Erwerbsersatz bei Mutterschaft oder
Früherkennung psychischer Erkran-         der straffreie Schwangerschaftsab-
kungen (www.bag.admin.ch ➞ The-           bruch. Dies zeigt ein Bericht im Auf-     Konjunktur
men ➞ Gesundheitspolitik ➞ Psychi-        trag des Eidg. Departements des In-
sche Gesundheit ➞ Dialog-Projekt          neren und des Eidg. Departments für       Konjunkturprognose der
Psychische Gesundheit ➞ Bericht­          auswärtige Angelegenheiten. Gleich-       Expertengruppe des Bundes
entwurf, PDF, 20.11.14).                  zeitig macht er klar, wo noch Hand-          In der Folge einer noch immer we-
                                          lungsbedarf besteht. Frauen erhalten      nig gefestigten Weltwirtschaft, insbe-
Seltene Krankheiten                       nach wie vor tiefere Löhne als Män-       sondere der wieder ins Stocken gera-
   Wer unter einer seltenen Krankheit     ner, einzig aufgrund ihres Geschlechts.   tenen Erholung im Euroraum, hat
leidet, soll medizinisch gut betreut      Die Vereinbarkeit von Beruf und           auch der schweizerische Konjunktur-
werden und einfacher Hilfe erhalten.      Familie weist noch Lücken auf. Der        motor seit dem Frühjahr 2014 an
Der Bundesrat hat dazu das Konzept        Anteil Frauen in der Politik stagniert    Fahrt verloren. Die Expertengruppe
Seltene Krankheiten verabschiedet.        seit 2007. In wirtschaftlichen Füh-       geht davon aus, dass die jüngsten
Es schlägt 19 Massnahmen vor, dar-        rungs- und Entscheidungspositionen        Schwächesignale der Schweizer Wirt-
unter die Schaffung von Referenz­         sind Frauen untervertreten und häus-      schaft nur eine konjunkturelle Ver-
zentren, die eine rasche und sichere      liche Gewalt ist immer noch weit ver-     schnaufpause darstellen und sich die
­Diagnose sowie eine effiziente Be-       breitet, auch in der Schweiz. Mädchen     Wirtschaftsdynamik allmählich wie-
 handlung sicherstellen. Das EDI wird     und Knaben werden bei der Wahl der        der verstärken dürfte. Da aber sowohl
 bis im Frühling 2015 den Zeitplan        Ausbildung, des Berufs und der Le-        die inländischen als auch die aussen-
 für die Umsetzung des Konzepts vor-      bensweise weiterhin stark von Stereo-     wirtschaftlichen Impulse etwas
 legen (www.bag.admin.ch ➞ Themen         typen beeinflusst, dies auf Kosten        schwächer als bisher eingeschätzt
 ➞ Krankheiten und Medizin ➞ Sel-         ihrer wirklichen Wünsche und Fähig-       werden, fällt die Wachstumsprognose
 tene Krankheiten ➞ Nationales Kon-       keiten.                                   gegenüber der letzten Prognose (von
 zept Seltene Krankheiten, PDF,                                                     Juni 2014) leicht tiefer aus. Die Ex-
 15.10.2014).                             Gleichstellungstag 2014: Das              pertengruppe rechnet neu für das
                                          politische Engagement von                 laufende Jahr 2014 mit einem BIP-
Stationäre Spitalpflege                   Menschen mit Behinderung                  Wachstum von 1,8 Prozent (bisher
   Laut den Statistiken zur stationären     Am Gleichstellungstag 2014 verab-       2,0 %) und für 2015 mit einer Be-
Gesundheitsversorgung wurden 2013         schiedeten rund 90 Menschen mit und       schleunigung auf 2,4 Prozent (bisher
so viele Personen wie noch nie in den     ohne Behinderung eine Resolution,         2,6 %). Angesichts der langsameren
Schweizer Spitälern behandelt, näm-       welche unter anderem Bund, Kanto-         Konjunkturbelebung dürfte sich der
lich 1 014 077. Dies entspricht knapp     ne und Gemeinden auffordert, sich         Rückgang der Arbeitslosigkeit verzö-
12 Prozent der Bevölkerung. Das er-       aktiv einzusetzen für die gleichbe-       gern und erst im Verlauf von 2015
gibt rund 12,6 Millionen Behand-          rechtigte politische Partizipation und    einsetzen. Auch wenn die Prognose
lungstage, 100 000 mehr als im Vor-       damit auch für die Inklusion von Men-     für die Schweizer Wirtschaft weiter-
jahr. Den grössten Anteil hatten die      schen mit Behinderung (www.agile.         hin relativ positiv ausfällt, ist nicht zu
Spitalabteilungen der Chirurgie und       ch ➞ Gleichstellungstag 2014).            übersehen, dass sich die Risiken in
der inneren Medizin zu verzeichnen,                                                 jüngster Zeit spürbar erhöht haben.
gefolgt von den psychiatrischen Be-                                                 Mit Blick auf die gedämpfte Entwick-
handlungsfällen (www.bfs.admin.ch                                                   lung der Konjunkturindikatoren am
➞ Themen ➞ 14 – Gesundheit).              Invalidenversicherung                     aktuellen Rand im Euroraum, auch
                                                                                    in Deutschland, hat sich die Ausgangs-
                                          Berufliche Eingliederung                  lage seit der letzten Prognose (Juni)
                                            Drei zentrale Akteure im Bereich        leicht eingetrübt (www.seco.admin.ch
Gleichstellung                            der Beruflichen Eingliederung             ➞ Themen ➞ Wirtschaftslage ➞ Kon-
                                          schliessen sich zusammen. Der Verein      junkturprognosen).
Aktionsplan Schweiz zur                   ConCerto-pro, der Think Tank FER
Gleichstellung von Frau und Mann          und der Trägerverein des Informati-
  Vor 15 Jahren hat der Bundesrat         onsportals Compasso werden neu
den Aktionsplan Schweiz zur Gleich-       vereint unter dem Namen «Compas-

312 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Chronik     Oktober / November 2014

Volkswirtschaftliche                      ative Rossini KVG – Änderung der         ihre Auswirkungen in den Kantonen
Gesamtrechnung: Revision und              Prämienkategorien für Kinder, Ju-        2013» vor. Der Bericht zeigt, wie die
neue Zeitreihen 1995–2013                 gendliche und junge Erwachsene           Bundesbeiträge zur Integrationsför-
   Die Jahresergebnisse der vom Bun-      (13.477) Folge zu geben. Hauptziel ist   derung im Jahr 2013 eingesetzt wur-
desamt für Statistik (BFS) veröffent-     es, den Risikoausgleich unter den        den. Seit dem 1. Januar 2014 sind die
lichten Volkswirtschaftlichen Ge-         Krankenkassen anzupassen, damit die      Kantone für die Umsetzung ihrer
samtrechnung (VGR) wurden revi-           Kassen den jungen Erwachsenen (19        Integrationsmassnahmen zuständig.
diert. Damit stehen neue Zeitreihen       bis 25 Jahre) einen grösseren Rabatt     Gemeinsam mit dem Bund haben sie
für die Periode 1995 bis 2013 zur         auf den Prämien gewähren können.         dazu kantonale Integrationsprogram-
Verfügung. Die Revision, die in Zu-       Die SGK des Nationalrates kann jetzt     me (KIP) erarbeitet. Diese reichen
sammenarbeit mit dem für Quartals-        einen entsprechenden Erlassentwurf       von der individuellen Beratung von
schätzungen zuständigen Ressort           erarbeiten.                              Migrantinnen und Migranten über
beim SECO durchgeführt wurde, hat                                                  berufsbezogene Sprachkurse bis hin
zum Hauptziel, das neue Regelwerk         Tarife                                   zum interkulturellen Dolmetschen in
der Volkswirtschaftlichen Gesamt-            Als letzte Massnahme des Master-      Spitälern. 2013 leistete das BFM Bun-
rechnung gemäss Europäischem Sys-         plans Hausarztmedizin und medizini-      desbeiträge zur Integrationsförderung
tem Volkswirtschaftlicher Gesamt-         sche Grundversorgung werden ab 1.        von insgesamt 13,4 Millionen Franken.
rechnungen (ESVG 2010) zu imple-          Januar 2015 insgesamt 33 schnelle        Die Unterstützungsmassnahmen sind
mentieren. Die koordiniert mit den        Analysen in Praxislaboratorien höher     nicht nur auf Förderung ausgerichtet:
europäischen Ländern durchgeführte        abgegolten. Die höheren Tarife gelten    Sie fordern von den Zugewanderten
Revision wird in der Beobachtungs-        nur, wenn die Analysen in ärztlichen     auch eigene Anstrengungen, die zum
periode zu einer Steigerung des Brut-     Praxislaboratorien durchgeführt wer-     Beispiel in Integrationsvereinbarun-
toinlandprodukts (BIP) zwischen 5         den und die Ergebnisse noch während      gen verbindlich festgehalten werden
und 6 Prozent führen. Das BIP zu          der Konsultation vorliegen und un-       (www.bfm.admin.ch ➞ Einreise &
laufenden Preisen beträgt damit für       mittelbare diagnostische und thera-      Aufenthalt ➞ Integration ➞ Integra-
das Jahr 2013 neu 635 Milliarden          peutische Entscheidungen begrün-         tionsförderung).
Franken (www.bfs.admin.ch ➞ The-          den. Auf diese Weise können unnöti-
men ➞ 04 – Volkswirtschaft).              ge zusätzliche Konsultationen in der
                                          Praxis vermieden werden. Die neue
                                          Regelung dürfte Ärztinnen und Ärz-       Öffentliche Finanzen
                                          te mit einem Praxislaboratorium um
Krankenversicherung                       insgesamt rund 35 Millionen Franken      Entwicklung der öffentlichen
                                          pro Jahr besserstellen; damit wird ein   Haushalte 2012–2015
Risikoausgleich I                         Teil des Umsatzrückgangs kompen-            Wegen Eintrübung durch die ge-
  Künftig werden für den Risikoaus-       siert, der bei den Praxislaboratorien    dämpfte Wirtschaftslage und die Re-
gleich in der Grundversicherung auch      durch die Revision der Analysenliste     kapitalisierung verschiedener Pensi-
hohe Medikamentenkosten (von              im Jahr 2009 entstanden ist. Die neue    onskassen weist die Finanzstatistik
mehr als 5 000 Franken ) erfasst. Der     Liste ist eine Übergangslösung. Das      für die öffentlichen Finanzen 2012 ein
Bundesrat setzt die Änderung der          EDI wird in den nächsten Jahren die      leichtes Defizit aus. Kantone und Ge-
Verordnung über den Risikoausgleich       gesamte Analysenliste überprüfen         meinden liegen im defizitären Be-
auf den 1. Januar 2015 in Kraft. Damit    und überarbeiten (www.bag.admin.         reich, während Bund und Sozialver-
wird neu auch der ambulante Bereich       ch ➞ Themen ➞ Krankenversiche-           sicherungen mit Überschüssen
in den Risikoausgleich einbezogen         rung ➞ Tarife und Preise ➞ Analy-        schliessen. Die Lage dürfte sich 2013
und der Anreiz zur Risikoselektion        senliste).                               verbessern. Für 2014 ist aufgrund von
weiter vermindert (www.bag.admin.                                                  Pensionskassensanierungen diverser
ch ➞ Krankenversicherung ➞ Versi-                                                  Kantone mit einer Verschlechterung
cherer und Aufsicht ➞ Risikoaus-                                                   zu rechnen. Die Schuldenquote steigt
gleich).                                  Migration                                2012 insbesondere in den Kantonen
                                                                                   vorübergehend an. Ab 2014 dürfte sie
Risikoausgleich II                        Integrationsförderung:                   ihren rückläufigen Trend wieder fort-
  Ohne Gegenstimme, bei einer Ent-        Jahresbericht 2013                       setzen (www.efv.admin.ch ➞ Themen
haltung, hiess die SGK des Ständerates      Das Bundesamt für Migration            ➞ Finanzstatistik).
den Beschluss der SGK des National-       (BFM) legte den Jahresbericht «Inte-
rates gut, der parlamentarischen Initi-   grationsförderung des Bundes und

                                                                                      Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   313
Chronik       Oktober / November 2014

                                          rum es so wichtig ist, dass Kinder und   von verstorbenen MV-Versicherten,
Sozialpolitik                             Jugendliche zu kompetenten Konsu-        die am 31. Dezember 2014 das AHV-
                                          menten werden und wie sie dabei          Rentenalter noch nicht erreicht ha-
Einkommen und                             unterstützt werden können (www.          ben, werden um 1 Prozent erhöht.
Lebensbedingungen (SILC-                  ekkj.admin.ch ➞ Aktuell ➞ EKKJ-          Dies, falls die Rente im Jahr 2012 oder
Erhebung)                                 Bericht: Selbstbestimmt oder mani-       früher festgesetzt wurde. Renten mit
  Gemäss der Erhebung des Bundes-         puliert, PDF, 21.11.2014 bzw. ➞ The-     Spruchjahr 2013 werden um 0,8 Pro-
amtes für Statistik (BFS) über die        men ➞ Konsum).1                          zent erhöht. Die übrigen Renten, da-
Einkommen und die Lebensbedin-                                                     runter auch jene der Versicherten im
gungen (SILC) gehörte die Schweiz         Sozialhilfe                              AHV-Alter, werden aufgrund des zu
2013 europaweit zu den Ländern mit           Der Bundesrat hat eine Verordnung     schwachen Anstiegs des Landesinde-
dem höchsten Lebensstandard. Die          zur Verschiebung des Fachbereichs        xes der Konsumentenpreise im frag-
Ungleichheit der Einkommensvertei-        Sozialhilfe für Auslandschweizerin-      lichen Zeitraum nicht angepasst. Die-
lung war in der Schweiz etwas gerin-      nen und Auslandschweizer vom Eid-        se Renten werden bei der nächsten
ger als im europäischen Durchschnitt.     genössischen Justiz- und Polizeide-      Anpassung überprüft (www.bag.­
Ein kleiner Prozentsatz der in der        partement (EJPD) ins Eidgenössische      admin.ch ➞ Themen ➞ Unfall- und
Schweiz lebenden Bevölkerung war          Departement für auswärtige Angele-       Militärversicherung).
von materieller Entbehrung betroffen      genheiten (EDA) verabschiedet. Die
(CH 4,0 %; EU 19,5 %). Dies schliesst     Integration wird per 1. Januar 2015      Versicherter Verdienst: neue
wirtschaftliche Schwierigkeiten für       vollzogen. Sie erfolgt im Einklang mit   Obergrenze
einen Teil der Bevölkerung nicht aus,     dem neuen Bundesgesetz über                 Der Bundesrat erhöht den Höchst-
da 19,6 Prozent der in der Schweiz        Schweizer Personen und Institutionen     betrag des versicherten Verdienstes
lebenden Personen nicht in der Lage       im Ausland, das 2015 in Kraft treten     in der obligatorischen Unfallversiche-
waren, innerhalb eines Monats eine        wird. Das Auslandschweizergesetz         rung per 1. Januar 2016 von 126 000
unerwartete Ausgabe zu tätigen. Aus-      sieht namentlich vor, dass das EDA       auf 148 200 Franken. Damit ist ge-
serdem verfügte fast eine von zehn        die zentrale Anlaufstelle für Anliegen   währleistet, dass die überwiegende
Personen (8,7 %) nicht über die Mit-      der Schweizer Personen und Institu-      Mehrheit aller versicherten Arbeit-
tel, eine Woche Ferien weg von zu         tionen im Ausland ist (Guichet           nehmer zum vollen Verdienst versi-
Hause zu finanzieren (www.bfs.­admin.     unique).                                 chert ist. Die neue Obergrenze ist
ch ➞ Themen ➞ 20 – Wirtschaftliche                                                 nicht nur für die Unfallversicherung,
und soziale Situation der Bevölke-                                                 sondern auch für die Arbeitslosenver-
rung).                                                                             sicherung und die Invalidenversiche-
                                          Unfallversicherung                       rung massgebend (www.bag.admin.
Jugendliche als kompetente                                                         ch ➞ Themen ➞ Unfall- und Militär-
Konsumenten                               Militärversicherung                      versicherung).
   Mit ihrem neusten Bericht setzt sich     Der Bundesrat hat beschlossen, die
die Eidg. Kommission für Kinder- und      Renten der Militärversicherung (MV)
Jugendfragen dafür ein, dass Kinder       auf den 1. Januar 2015 an die Lohn-
und Jugendliche frühzeitig einen          und Preisentwicklung anzupassen.
überlegten Umgang mit Geld und            Damit kommt er der gesetzlichen
Konsum lernen. Experten aus Mar-          Verpflichtung nach, mit der AHV/IV-
keting, Konsumentenschutz, Präven-        Rentenanpassung Schritt zu halten.
tionsarbeit und Wissenschaft kommen       Die Renten der noch nicht im AHV-        1 Vgl. auch Claudia Profos Frick, «Selbstbestimmt
                                                                                     oder manipuliert? Kinder und Jugendliche als
im Bericht zu Wort und beleuchten         Alter stehenden Versicherten der MV        kompetente Konsumenten», in dieser Ausgabe
aus verschiedenen Blickwinkeln, wa-       sowie jene der Ehegatten und Waisen        der Sozialen Sicherheit CHSS

314 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
sozialpolitik                                       Sozialpolitik    Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen

Sozialversicherungen: Neuerungen per
1. Januar 2015 und laufende Reformen
Dieser Artikel verschafft einen Überblick über die für 2015 vorge­                          versicherung angepasst. Hauptziel ist
sehenen Änderungen bei den Schweizer Sozialversicherungen.                                  die Förderung der beruflichen Ein-
                                                                                            gliederung der Versicherten in den
­Ausserdem informiert er über die wichtigsten laufenden Reformen.
                                                                                            ersten Arbeitsmarkt – mit beson­
 Informationsstand ist Ende Oktober 2014.                                                   derem Augenmerk auf psychisch er-
                                                                                            krankte Menschen.
                                                                                               Mit der neuen Verordnung wird die
                                                                                            Beratung gestärkt. Neu gehören die
                                                                                            Beratung, Begleitung und Schulung
                                                                                            der Arbeitgeber explizit zu den Auf-
                                                                                            gaben der IV-Stellen. Ausserdem sol-
                                                                                            len Letztere Fachpersonen aus Schu-
                                                                                            le und Ausbildung beraten und infor-
                                                                                            mieren. Damit soll bei Jugendlichen,
                                                                                            die sich in einer schwierigen Situation
                                                                                            befinden, eine spätere psychisch be-
                                Mélanie Sauvain                                             dingte Invalidität vermieden werden.
                                Bundesamt für Sozialversicherungen                          Auch Personen, die einen Assistenz-
                                                                                            beitrag beantragen, erhalten rascher
                                                                                            und leichter Beratung, und zwar be-
                                                                                            reits ab Antragstellung. Eine weitere
                                                                                            Änderung betrifft überdies die Ver-
                                                                                            besserung der Qualität von medizini-
       AHV/IV/EL                                  des und 0,3 Millionen zulasten der        schen Gutachten in allen Sozialversi-
                                                  Kantone.                                  cherungen.
                                                                                               Die Regelung der Beiträge an Or-
       Anpassung der AHV/IV-Renten und            Sackgeldjobs von der AHV-                 ganisationen der privaten Behinder-
       der EL                                     Beitragspflicht befreit                   tenhilfe wird ebenfalls aktualisiert mit
         Die AHV- und die IV-Renten wer-            Ab dem 1. Januar 2015 müssen Ju-        dem Ziel, das System transparenter
       den per 1. Januar 2015 an die Preis-       gendliche bis 25 Jahre keine AHV-         auszugestalten, es besser auf das Sub-
       entwicklung angepasst. Die Min-            Beiträge auf ihre Sackgeldjobs mehr       ventionsgesetz auszurichten und die
       destrente steigt von 1 170 auf 1 175       entrichten, wenn ihr Einkommen 750        Durchführung zu erleichtern. Ausser-
       Franken pro Monat, die Maximalren-         Franken pro Jahr nicht übersteigt.        dem kann mit der neuen Regelung
       te von 2 340 auf 2 350 Franken. Bei        Dasselbe gilt für ihre Arbeitgeber.       gegenüber Versicherten, die unrecht-
       den Ergänzungsleistungen wird der          Konkret bedeutet dies, dass Eltern, die   mässig Leistungen der IV erlangt oder
       Betrag für die Deckung des allgemei-       in kleinem Umfang einen Babysitter        ihre Meldepflicht verletzt haben, kon-
       nen Lebensbedarfs von 19 210 auf           beschäftigen, keine Arbeitgeberbei-       sequenter vorgegangen werden. Die
       19 290 Franken pro Jahr für Alleinste-     träge mehr abrechnen und einzahlen        IV kann künftig auch Leistungen
       hende erhöht. Auch die Hilflosenent-       müssen und dass vom geringfügigen         zurückfordern, die während der Dau-
       schädigungen werden angepasst.             Lohn des Babysitters kein AHV-Ab-         er der Abklärungen ausgerichtet wur-
         Die Erhöhung der AHV/IV-Renten           zug gemacht werden muss. Mit dieser       den. Schliesslich wird die Definition,
       führt zu Mehrkosten von rund 201           vom Parlament initiierten Befreiung       was ein Heim ist, auf Stufe Verord-
       Millionen Franken: 176 Millionen für       von der Beitragspflicht wird dem un-      nung und nicht mehr auf Stufe Kreis-
       die AHV (wovon 34 Millionen zulas-         verhältnismässigen administrativen        schreiben verankert. Diese Anpas-
       ten des Bundes gehen) und 25 Milli-        Aufwand ein Ende gesetzt.                 sung ist für die Rechtssicherheit von
       onen für die IV. Die Anpassung der                                                   Bedeutung: Etliche Leistungen der
       Ergänzungsleistungen der 1. Säule          Änderungen der IV-Verordnung              IV variieren je nachdem, ob die ver-
       verursacht zusätzliche Kosten von 0,4         Der Bundesrat hat mehrere Punk-        sicherte Person in einem Heim oder
       Millionen Franken zulasten des Bun-        te der Verordnung über die Invaliden-     zu Hause lebt.

                                                                                               Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   315
Sozialpolitik     Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen

Berufliche Vorsorge                        und die Aufsichtsabgaben an die ef-      über 5 000 Franken ebenfalls in den
                                           fektiven Kosten anzupassen. Die bis-     Risikoausgleich aufgenommen. Dabei
                                           herigen Ansätze bilden die obere         werden alle Medikamente einbezo-
Mindestzinssatz                            Begrenzung.                              gen, die von der obligatorischen Kran-
   2015 beläuft sich der Mindestzins-        Die Kosten der Oberaufsichtskom-       kenpflegeversicherung vergütet wer-
satz der obligatorischen Beruflichen       mission werden vollständig durch die     den und nicht Bestandteile einer
Vorsorge auf 1,75 Prozent. Der Bun-        Abgaben und Gebühren gedeckt, die        Pauschale sind.
desrat hat beschlossen, den Zinssatz,      die kantonalen Aufsichtsbehörden           Mit dieser neuen Regelung werden
der 2014 von 1,5 Prozent auf 1,75 Pro-     jedes Jahr bei den Vorsorgeeinrich-      auch Versicherte mit einem erhöhten
zent angehoben wurde, beizubehalten.       tungen in ihrer Region erheben. Da       Krankheitsrisiko erkannt, die ambu-
Er folgt damit den Empfehlungen der        diese nun gesenkt werden, dürften        lant behandelt werden, und der An-
Eidgenössischen BVG-Kommission.            künftig keine Überschüsse mehr ent-      reiz zur Risikoselektion wird weiter
Die gegenwärtigen Schwankungen an          stehen.                                  verringert.
den Aktienmärkten und die tiefen                                                      Die Revision tritt 2017 in Kraft, die
Zinssätze sprechen gegen eine erneu-                                                Krankenversicherer müssen die rele-
te Anhebung des Mindestzinssatzes.         Krankenversicherung                      vanten Daten allerdings bereits ab
   Der Mindestzinssatz gilt lediglich                                               dem Jahr 2015 sammeln.
für die Guthaben aus dem BVG-Ob-
ligatorium. Für die restlichen Berei-      Prämien steigen durchschnittlich
che können die Vorsorgeeinrichtun-         um 4 Prozent                             Familie
gen selbst entscheiden, wie sie die           Die Standardprämie der obligato-
Verzinsung festlegen wollen. Bevor         rischen Krankenpflegeversicherung
er im Jahr 2012 auf 1,5 Prozent sank,      wird 2015 durchschnittlich um 4 Pro-     Familienergänzende
lag der Zinssatz während dreier Jahre      zent steigen, was einer Erhöhung von     Kinderbetreuung
unverändert bei 2 Prozent. 2002 hatte      15.70 Franken pro Person und Monat         Das Impulsprogramm des Bundes
die Vergütung der Altersguthaben           entspricht. Je nach Kanton beträgt die   zur Schaffung von familienergänzen-
noch mindestens 4 Prozent betragen.        Zunahme zwischen 2,7 und 6,8 Pro-        den Betreuungsplätzen für Kinder
                                           zent.                                    wird bis 2019 weitergeführt. Da das
Anpassung der Grenzbeträge                    Der durchschnittliche Anstieg um      Programm zeitlich begrenzt ist, wäre
   In der obligatorischen Beruflichen      4 Prozent gilt für die Standardprämie,   es nach einer ersten Verlängerung um
Vorsorge wird der Koordinationsab-         d.h. für die Grundversicherung für       acht Jahre am 31. Januar 2015 ausge-
zug per Januar 2015 von 24 570 auf         eine erwachsene Person mit einer         laufen. Der Kredit für die nächsten
24 675 Franken erhöht und die Ein-         Franchise von 300 Franken, inklusive     vier Jahre beträgt maximal 120 Milli-
trittsschwelle steigt von 21 060 auf       Unfalldeckung. In den vergangenen        onen Franken. Seit Inkrafttreten des
21 150 Franken. Der maximal erlaub-        zehn Jahren ist diese Prämie jedes       Bundesgesetzes über Finanzhilfen für
te Steuerabzug im Rahmen der ge-           Jahr im Durchschnitt um 3,6 Prozent      familienergänzende Kinderbetreuung
bundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)         gestiegen, seit der Einführung des       im Jahr 2003 wurden mehr als 43 000
beträgt neu 6 768 Franken (heute           Krankenversicherungsgesetztes im         neue Betreuungsplätze geschaffen.
6 739) für Personen, die bereits eine      Jahr 1996 um 4,7 Prozent.                  Ziel des Programms ist es, den ge-
2. Säule haben, respektive 33 840                                                   samten Bedarf in der Schweiz abzu-
Franken (heute 33 696) für Personen        Verbesserung des Risikoausgleichs        decken, damit die Eltern Beruf/Aus-
ohne 2. Säule.                               Künftig werden für den Risikoaus-      bildung und Familie besser vereinba-
                                           gleich in der Grundversicherung auch     ren können.
Abgaben für die                            besonders hohe Medikamentenkos-
Oberaufsichtskommission                    ten berücksichtigt. Damit wird der
  Es ist nicht vorgesehen, dass die seit   ambulante Bereich ebenfalls einbe-       Wichtigste Projekte 2015
2012 mit der Aufsicht über die Pensi-      zogen und der Anreiz zur Risikose-
onskassen betraute Oberaufsichts-          lektion weiter verringert.
kommission Berufliche Vorsorge               Heute werden für den Risikoaus-        Altersvorsorge 2020
Überschüsse erzielt. Die ersten bei-       gleich die Kriterien Alter und Ge-         Das umfassende Reformprojekt
den Jahresrechnungen schloss sie je-       schlecht sowie ein Aufenthalt von        Altersvorsorge 2020 kommt 2015 in
doch mit deutlichem Gewinn ab. Des-        mindestens drei aufeinanderfolgen-       die parlamentarische Phase. Nach
halb hat der Bundesrat beschlossen,        den Nächten in einem Spital oder         dem Vernehmlassungsverfahren
die Verordnung über die Aufsicht in        Pflegeheim im Vorjahr berücksichtigt.    nahm der Bundesrat einige Änderun-
der Beruflichen Vorsorge zu ändern         Neu werden Arzneimittelkosten von        gen an der Botschaft vor, die dem

316 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Sozialpolitik      Neuerungen und laufende Reformen in den Sozialversicherungen

Parlament Ende 2014 vorgelegt wur-        Vernehmlassung im Frühling 2014, die       ordentliche Rentenalter erreicht. In
de. Notwendigkeit und Zielsetzung         Änderungen dürften dem Parlament           einigen Fällen ist die finanzielle Situ-
der Reform werden nicht infrage           Ende 2014 vorgelegt werden.                ation von verunfallten Personen bes-
­gestellt.                                   Im Zuge der ersten Vorlage hat der      ser als jene von nicht verunfallten
   Die Botschaft des Bundesrats ist       Bundesrat im Sommer 2014 die all-          Personen. Überdies will der Bundes-
 auf der Internetseite des Bundesam-      gemeine Ausrichtung eines umfassen-        rat eine Ereignislimite für Katastro-
 tes für Sozialversicherungen verfüg-     deren Reformvorhabens zu den Er-           phen einführen. Für Schäden, die über
 bar: www.bsv.admin.ch ➞ Altersvor-       gänzungsleistungen festgelegt, um          diese Limite hinausgehen, sollen die
 sorge 2020 ➞ Dokumentation.              dem starken Kostenanstieg Rechnung         Versicherer einen Ausgleichsfonds
                                          zu tragen. Er stützte sich dabei auf       schaffen. Die Sozialpartner und Ver-
Reform der Ergänzungsleistungen           einen im November 2013 veröffent-          sicherer als Träger der Unfallversiche-
(EL)                                      lichten Bericht, in dem die Entwick-       rung wurden bei der Vorbereitung der
   Es ist eine umfassende Reform der      lung der EL-Ausgaben eingehend             Revision einbezogen, die in der Ver-
EL vorgesehen.                            analysiert wurde und der aufzeigt, wie     nehmlassung breite Unterstützung
   In einem ersten Schritt hat der Bun-   wichtig eine Reform in diesem Be-          fand. Die Vorlage geht nun ans Par-
desrat eine Änderung des Bundesge-        reich ist. In der Vorlage geht es darum,   lament. Dieses hatte 2011 eine erste
setzes über die EL in die Vernehmlas-     das Leistungsniveau zu erhalten, um        Version als zu ehrgeizig erachtet und
sung geschickt. Darin schlägt er vor,     einen Übergang zur Sozialhilfe zu          an den Bundesrat zurückgewiesen.
die maximalen Beträge für Mietzinse       vermeiden. Schwelleneffekte und un-
zu erhöhen, die bei der Berechnung        erwünschte Anreize zum Verbleib im         Konzept Seltene Krankheiten
des Anspruchs auf EL berücksichtigt       EL-System sollen reduziert werden.           Der Bundesrat hat im Herbst 2014
werden. Die Höchstgrenze war 2001         Ausserdem soll die Verwendung von          das Konzept Seltene Krankheiten
zuletzt angepasst worden. Seither sind    Eigenmitteln für die Altersvorsorge        verabschiedet, das 19 Massnahmen
die Mieten in der Schweiz durch-          verbessert werden, um das Risiko ei-       zur Verbesserung der gesundheitli-
schnittlich um 18 Prozent angestiegen.    ner EL-Abhängigkeit im Alter zu            chen Situation von Menschen mit
Entsprechend deckt der Höchstbetrag       minimieren. Daher soll auch kein           seltenen Krankheiten (Orphan Di-
die Miete in den meisten Fällen nicht     Guthaben der obligatorischen Vor-          seases) vorschlägt. Die Schaffung von
mehr. Für die Bezügerinnen und Be-        sorge in Form von Kapital mehr be-         Referenzzentren zur raschen und si-
züger von EL bedeutet dies, dass sie      zogen werden dürfen. Der Bundesrat         cheren Diagnose sowie zur effizienten
die Miete vom für den allgemeinen         schickt die Vorlage in der ersten Jah-     Behandlung ist vorgesehen. Das Eid-
Lebensbedarf bestimmten Betrag be-        reshälfte 2015 in die Vernehmlassung.      genössische Departement des Innern
zahlen müssen. In derselben Vorlage                                                  wird bis im Frühling 2015 den Zeit-
schlägt der Bundesrat vor, die Miet-      Unfallversicherung                         plan zur Umsetzung dieses Konzepts
zinsbelastung zwischen Grosszentren,        Der Bundesrat möchte das Unfall-         und eine Einschätzung der Kosten für
Stadt und Land zu unterscheiden und       versicherungsgesetz in einigen Punk-       die Massnahmenkompetenz des Bun-
dem erhöhten Raumbedarf von Fami-         ten revidieren. Unter anderem will er      des vorlegen.
lien Rechnung zu tragen.                  verhindern, dass jemand trotz Ar-
   Diese Anpassungen führen zu            beitsvertrag nicht versichert ist. Mit
Mehrkosten von 76 Millionen Fran-         der Revision sollen zudem Überent-
ken pro Jahr, wobei 47 Millionen vom      schädigungen verhindert werden, die        Mélanie Sauvain, Projektverantwortliche,
Bund getragen werden und 29 Milli-        eintreten können, wenn eine verun-         Öffentlichkeitsarbeit, BSV
onen zulasten der Kantone gehen.          fallte Person mit Invalidenrente das       E-Mail: melanie.sauvain@bsv.admin.ch

                                                                                         Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   317
sozialpolitik                                       Sozialpolitik    Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn

Ergänzungsleistungen für Familien:
Erfahrungen aus dem Kanton Solothurn
Nach zehnjähriger Diskussion hat der Bund 2011 das Thema Ergänzungs-
leistungen für Familien bis auf Weiteres den Kantonen überlassen. In
Anbetracht der Blockade auf Bundesebene hat der Kanton Solothurn
bereits vorgängig eine kantonale Lösung gesucht und 2010 Ergänzungs-
leistungen für Familien eingeführt. Evaluationsergebnisse zeigen, dass
die neue Leistung im Kanton Solothurn ein wirksames Instrument zur
Bekämpfung von Familienarmut darstellt und die Sozialhilfe entlastet.

       Edgar Baumgartner              Joel Gautschi                           Franziska Ehrler
       Fachhochschule Nordwestschweiz		                                       Schweizerische Konferenz
       			                                                                    für Sozialhilfe

       Familien sind in der Schweiz einem        vorläufig vom Tisch. Erfolgreich ein-      einen vertieften Einblick in die Wir-
       höheren Armutsrisiko ausgesetzt als       geführt wurden die FamEL neben             kungsweise der FamEL und dürften
       Haushalte ohne Kinder. Seit der Kan-      dem Kanton Tessin schliesslich in den      deshalb auch für andere Kantone und
       ton Tessin 1997 Ergänzungsleistungen      Kantonen Solothurn (2010), Waadt           Akteure interessant sein. Im Folgenden
       für Familien (FamEL) eingeführt hat,      (2011) und Genf (2012).1                   wird die Wirkung der FamEL sowohl
       werden diese auch in anderen Kanto-         Der Kanton Solothurn führte die          auf die individuelle Situation der Be-
       nen und auf Bundesebene als Lö-           FamEL mit der Zustimmung des Vol-          zügerinnen und Bezüger als auch auf
       sungsansatz zur Bekämpfung von            kes befristet auf fünf Jahre ein. Um den   andere Zweige der sozialen Sicherheit,
       Familienarmut diskutiert. Als sich        Entscheid über die allfällige Weiter-      insbesondere die Sozialhilfe, aufge-
       abzeichnete, dass eine Bundeslösung       führung der Leistung auf der Basis         zeigt. Und obwohl die Situation im
       chancenlos war, lancierten verschie-      fundierter Ergebnisse fällen zu können,    Kanton Solothurn nur bedingt auf an-
       dene Kantone eigene Projekte. Mit         war von Anfang an eine Evaluation          dere Kantone übertragen werden kann,
       unterschiedlichem Erfolg: Im Kanton       vorgesehen. Die Fachhochschule Nord-       können die Resultate dennoch wichti-
       Bern wurde die Leistung unlängst          westschweiz hat während vier Jahren        ge Hinweise zur allgemeinen Tauglich-
       vom Parlament verworfen, im Kanton        gemeinsam mit der Schweizerischen
       Schwyz hat das Volk eine entspre-         Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) die
       chende Initiative wuchtig abgelehnt.      neue Leistung auf ihre Wirkung evalu-      1 Zum Stand in den einzelnen Kantonen, siehe:
       In einigen Kantonen sind noch poli-       iert und konnte dem Kanton umfas-            www.skos.ch ➞ Grundlagen und Positionen
                                                                                              ➞ Themendossiers ➞ FamEL: Stand politischer
       tische Vorstösse und Projekte hängig,     sende Resultate vorlegen.2 Die Ergeb-        Prozess in den Kantonen (PDF; 31.10.2014)
       in anderen Kantonen ist das Thema         nisse aus dem Kanton Solothurn geben       2 Lit. Baumgartner et al. 2014

       318 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
Sozialpolitik     Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn

keit des Instruments für die Bekämp-               ken selber generieren. Alleinerziehen-   auf Basis der Evaluationsergebnisse
fung von Familienarmut geben.                      de mit einem Kind unter drei Jahren      über deren Weiterführung, Modifika-
                                                   müssen im Minimum 7 500 Franken,         tion oder Beendigung zu entscheiden.
                                                   Alleinerziehende mit älteren Kindern     Kernaufgabe der Evaluation war es
Das Solothurner Modell zur                         im Minimum 15 000 Franken pro Jahr       demzufolge, herauszufinden, ob die
Entlastung von Working-Poor-                       verdienen. Der Bezug von EL zur          zentralen Zielsetzungen der FamEL,
Familien                                           AHV/IV schliesst einen Anspruch auf      die Verringerung der Familienarmut
                                                   FamEL aus.                               und die Entlastung der Sozialhilfe
  Der Kanton Solothurn hat sich zum                   Die eigentliche Leistungsberech-      erreicht werden. Des Weiteren unter-
Ziel gesetzt, mit den FamEL Working-               nung orientiert sich stark an der Be-    suchte sie auch den Vollzug und mög-
Poor-Familien finanziell besserzustel-             rechnungsweise der Ergänzungsleis-       liche Schwierigkeiten des Modells. Im
len und damit auch eine Entlastung                 tungen zur AHV/IV, weicht aber in        Mittelpunkt standen hier Profil und
der Sozialhilfe zu erreichen. Entspre-             einigen zentralen Punkten davon ab,      Anzahl der Bezügerinnen und Bezü-
chend ist die Leistung so ausgestaltet,            um der spezifischen Situation von        ger, die Leistungshöhe sowie die An-
dass Erwerbsanreize erhalten bleiben               Working-Poor-Familien Rechnung zu        reizstruktur des Modells. Die Evalu-
und nur Familien Anspruch haben, die               tragen. So werden zur Erhaltung des      ation stützte sich auf verschiedene
ein Erwerbseinkommen generieren.                   Erwerbsanreizes einerseits Einkom-       Datenquellen ab. Neben Prozessda-
Weitere zentrale Prinzipien, die dem               mensfreibeträge gewährt. Anderer-        ten aus dem Vollzug nutzte sie Anga-
Solothurner Modell zugrunde gelegt                 seits wird jenen Familien, deren Ein-    ben aus Sozialhilfedossiers und eine
wurden, waren die Gleichbehandlung                 kommen nur knapp über dem Min-           Befragung der Bezügerinnen und
verschiedener Familienformen und die               desteinkommen liegt, ein hypothe­        Bezüger von FamEL. Diese waren
Berücksichtigung der Bedürfnisse in                tisches Einkommen angerechnet, das       wiederholt, jeweils bei Beginn des
unterschiedlichen Familienphasen.                  höher ist als das effektiv erzielte.     Anspruchs auf FamEL und sechs Mo-
Zudem galten die einfache Anwend-                  Ausserdem werden die Kosten für die      nate später, schriftlich befragt wor-
barkeit der neuen Leistung sowie die               familienergänzende Kinderbetreuung       den.4
Beschränkung auf im Kanton Solo-                   von Kindern unter sechs Jahren bis zu
thurn lebende Familien als Grundvor­               einem Maximalbetrag von 6 000 Fran-
aussetzungen, um einen effizienten                 ken pro Jahr und Kind angerechnet,       Entwicklung der Fallzahlen
Mitteleinsatz zu erreichen.                        da die familienergänzende Kinderbe-      und Höhe der FamEL-Beträge
  Entsprechend diesen Zielen und                   treuung einen wesentlichen Faktor zur
Prinzipien wurden die Voraussetzun-                Vereinbarkeit von Familie und Beruf         Der Kanton Solothurn zählte im
gen für den Bezug von FamEL defi-                  von Working-Poor-Familien darstellt.     Jahr 2010 rund 41 400 Familienhaus-
niert. Einen Antrag auf FamEL stellen              Insgesamt sind die FamEL nach oben       halte mit Kindern.5 Die Solothurner
kann, wer in einer häuslichen Gemein-              begrenzt. Eine Familie erhält pro Jahr   Regierung ging ursprünglich von 1 200
schaft mit mindestens einem Kind                   maximal das Doppelte der jährlichen      Haushalten aus, die FamEL beziehen
unter sechs Jahren lebt und seit min-              Minimalrente der AHV (2014: 28 080       würden.6 Diese Grösse war bis Ende
destens zwei Jahren ununterbrochen                 Franken), auch wenn ihr effektiver       2013 nicht erreicht worden. Seit dem
im Kanton Solothurn wohnt. Zweiel-                 Bedarf höher wäre. Bei mehr als zwei     Einführungsjahr 2010 verzeichnete die
ternfamilien müssen ein minimales                  Kindern erhöht sich der Maximalbe-       Gruppe der Bezügerinnen und Bezü-
Erwerbseinkommen von 30 000 Fran-                  trag um 5 000 Franken pro weiteres       ger jedoch einen relativ konstanten
                                                   Kind. Hat eine Familie Anspruch auf      Zuwachs, von 169 Fällen im Januar
3 Die Berechnung der FamEL erfolgt damit ana­      FamEL, erhält sie derzeit auch den       2011 auf 632 im Dezember 2013 (siehe
  log zu den bundesrechtlich geregelten Ergän­     Pauschalbetrag für die obligatorische    Grafik G1). Die Anzahl der monatlich
  zungsleistungen zur AHV und IV: Gemäss Art.
  10 des Bundesgesetzes über die Ergänzungs­       Krankenversicherung, welche der          neu eingereichten Gesuche pendelte
  leistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und      kantonalen Durchschnittsprämie für       sich nach etwas mehr als einem Jahr
  Invalidenversicherung (ELG) vom 6. Oktober
  2006 (SR 831.30) wird ein jährlicher Pauschal­   die obligatorische Krankenpflegever-     bei ca. 30 bis 50 ein. Davon musste die
  betrag für die obligatorische Krankenpflege­     sicherung (inkl. Unfalldeckung) ent-     Ausgleichkasse des Kantons Solothurn
  versicherung als Ausgabe anerkannt.
                                                   spricht.3                                jedoch ca. 40 Prozent ablehnen, weil
4 Zu 244 Familien liegen gültige Befragungsda­
  ten vor (Rücklaufquote: 56,9 %).                                                          die Haushalte die wirtschaftlichen
5 Vgl. Baumgartner, Edgar; Baur, Roland; Ditt­                                              oder weitere Anspruchsvoraussetzun-
  mann, Jörg; Sommerfeld, Peter, Sozialbericht     Fokus der Evaluation                     gen nicht erfüllten.
  2013 Kanton Solothurn, Solothurn 2013,
  S. 456                                                                                       Je nach Haushaltsituation unter-
6 Regierungsrat Kanton Solothurn, Botschaft und      Der zentrale Fokus der Evaluation      schieden sich die ausbezahlten Fam­
  Entwurf des Regierungsrates an den Kantons­      ergibt sich aus der Befristung der       EL-Beträge stark. Mit Berücksich­
  rat von Solothurn vom 17. März 2014, RRB Nr.
  2014/551, 10                                     Fam­EL und der politischen Vorgabe,      tigung des Pauschalbetrags für die

                                                                                               Soziale Sicherheit CHSS 6/2014   319
Sozialpolitik         Familienergänzungsleistungen im Kanton Solothurn

Entwicklung Anzahl Fälle von FamEL-Bezug                                                                                              G1

 700
                                                                                                                     600     613 632
                                                                                      549     552             568
 600                                                                            527                   540
                                                                          501
                                                                  474
 500                                               411    423
                                             376
 400                                   320
                                 283
                           251
 300                 218
            183
 200

 100

    0
         Aug 11
         Sep 11
         Okt 11
         Nov 11
         Dez 11

         Feb 12
         Mrz 12
         Apr 12
         Mai 12
          Jun 12
           Jul 12
         Aug 12
         Sep 12
         Okt 12
         Nov 12
         Dez 12
          Jan 13
         Feb 13
         Mrz 13
         Apr 13
         Mai 13
          Jun 13
           Jul 13
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         Jan 12

                                                         Anzahl aktive Fälle

Eigene Darstellung

obligatorische Krankenpflegeversi-           männlich. Der Anteil Schweizerinnen            ist dieser Effekt je nach Familientyp
cherung betrug im Stichmonat De-             und Schweizer lag bei den Zwei­                unterschiedlich stark. Je mehr Kinder
zember 2013 die durchschnittliche            elternfamilien bei 31 Prozent. Die             eine Familie hat, desto stärker ist ten-
Höhe der Auszahlungen 1 449 Fran-            meistvertretene Ländergruppe bei               denziell die Verbesserung der finan-
ken pro Monat und Haushalt (Medi-            den Zweielternfamilien waren Bür-              ziellen Situation im Vergleich zur
an: 1 272 Franken). Dabei erhielt ein        gerinnen und Bürger europäischer               Sozialhilfe.
eher grosser Anteil von 32 Prozent           Länder (inkl. Türkei) ausserhalb der              Die Ergebnisse der Bezügerbefra-
der bezugsberechtigten Familien ne-          EU27- und EFTA-Staaten.7 42 Pro-               gung bestätigen die finanzielle Bes-
ben dem Pauschalbetrag für die obli-         zent der Gesuchstellenden aus Zwei-            serstellung: 69 Prozent der Befragten
gatorische Krankenversicherung kei-          elternfamilien verfügten höchstens             gaben sechs Monate nach Beginn des
ne weiteren FamEL.                           über den Abschluss der obligatori-             Bezugs von FamEL an, dass sich ihre
                                             schen Schule. Während sich bei den             finanzielle Situation mit den FamEL
                                             Zweielternfamilien eher eine Wor-              eher oder sehr stark verbessert hatte.
Unterschiedliche Profile von                 king-Poor-Situation zeigte, in der ein         Auch war es den befragten Familien
Zwei- und Einelternfamilien                  tiefer Vollzeitlohn nicht für den Un-          sechs Monate nach Bezugsbeginn
                                             terhalt der gesamten Familie aus-              besser möglich, finanziell über die
  Mit 83 Prozent machten im Stich-           reichte, liess sich bei vielen der Einel-      Runden zu kommen und die monat-
monat Dezember 2013 Zweielternfa-            ternfamilien die Armutssituation               lich notwendigen Ausgaben zu bezah-
milien die grosse Mehrheit der unter-        durch ein kleineres Arbeitspensum              len.8 Allerdings blieb die finanzielle
stützten Haushalte aus. Die Gruppen          erklären, welches aufgrund der Kin-            Situation der Haushalte nach wie vor
der Ein- und Zweielternfamilien              derbetreuung reduziert war.                    angespannt. Ein Indiz hierfür ist, dass
unterschieden sich stark nach Ge-                                                           sechs Monate nach Bezugsbeginn
schlecht der Gesuchstellenden, Län-                                                         noch 13 Prozent der Befragten anga-
dergruppe und Bildungsabschluss:             Verbesserung der finanziellen                  ben, dass jemand in ihrem Haushalt
Die Gesuchstellenden von Eineltern-          Lage und der Lebenssituation                   in den letzten sechs Monaten aus fi-
familien waren fast immer weiblich,                                                         nanziellen Gründen auf eine ärztliche
meist Schweizerinnen (79 %) und                 Eine Modellanalyse, die auch die
verfügten anteilmässig über deutlich         wichtigsten Lebenshaltungskosten
                                                                                            7 Dazu zählten Staatsangehörige der Türkei, des
höhere Bildungsabschlüsse als Ge-            berücksichtigt, belegt, dass sich die            Kosovo, Serbiens, Mazedoniens, Bosnien-
suchstellende von Zweielternfamili-          finanzielle Situation für verschiedene           Herzegowinas, Kroatiens und Albaniens (in
                                                                                              absteigender Häufigkeit).
en. Bei den Zweielternfamilien waren         Familientypen durch die FamEL                  8 Diese Aussage ist auch im statistischen Sinne
die Gesuchstellenden fast immer              grundsätzlich verbessert. Allerdings             signifikant.

320 Soziale Sicherheit CHSS 6/2014
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