Jahrbuch der Pannonischen Forschungsstelle 2020 - Pannonische Forschungsstelle - International Center for Wind Music Research - Universität für ...

 
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Jahrbuch der Pannonischen Forschungsstelle 2020 - Pannonische Forschungsstelle - International Center for Wind Music Research - Universität für ...
Jahrbuch der Pannonischen Forschungsstelle 2020

                            Pannonische Forschungsstelle
                 - International Center for Wind Music Research -
   Universität für Musik und darstellende Kunst Graz - Institut 12 Oberschützen
                                 Österreich / Austria
Jahrbuch der Pannonischen Forschungsstelle 2020 - Pannonische Forschungsstelle - International Center for Wind Music Research - Universität für ...
Jahrbuch der Pannonischen Forschungsstelle 2020

  Yearbook of International Center for Wind Music Research 2020

             In Zusammenarbeit mit dem Institut Oberschützen (12)
                                      und
der internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Blasmusik

                                Herausgegeben von
                                  David Gasche

                                       Band 30

             © 2020 by Pannonische Forschungsstelle, A-7432 Oberschützen

     https://institut-oberschuetzen.kug.ac.at/institut-12-oberschuetzen/pannonische-
     forschungsstelle-institut-oberschuetzen-izbf/pannonische-forschungsstelle.html

                                                                                       2
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Vorwort

Ein Jahr mit vielen Premieren

2020 … dieses Jahr wird sicherlich in Erinnerung bleiben. Lockdown, Corona-Maßnahmen,
Kulturveranstaltungen bis auf weiteres verschoben, Vorlesungen per Videokonferenz,
Betreuung im Distanzmodus, virtuelle Kongresse, Online-Beiträge, etc. Die Pannonische
Forschungsstelle (PFS) blickt auf ein Jahr 2020 mit vielen Premieren zurück.

Wie jede andere Institution hatte die Covid-19-Pandemie auch erhebliche Auswirkungen auf
die PFS. Anstatt jedoch nur Beschränkungen zu sehen, konzentrierte sie sich auf die vielen
Möglichkeiten und Alternativen, die sich dank modernster Technik und etwas Kreativität
boten. Bereits im März 2020 entschied das internationale Zentrum für Blasmusikforschung
seine Arbeitsmethoden den aktuellen Umständen anzupassen und hat an diesem Kurs bis
heute festgehalten. Die Umstellung auf digitale Wege war für die PFS eine Priorität, und das
gilt für 2021 auch weiterhin. So findet man beispielsweise Online-Artikel zu den Themen
Blasmusik und Harmoniemusik. Ein Wikipedia-Artikel über die Pannonische
Forschungsstelle / International Center for Wind Music Research wurde geschrieben und der
Inhalt auf der offiziellen Website der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und
Förderung der Blasmusik (IGEB) wurde im vergangenen Jahr stets den aktuellen
Entwicklungen angepasst. Die geplante Jubiläumsfeier zum 30-jährigen Bestehen am 27.
November 2020, die ein Highlight werden sollte, wurde wegen der aktuellen Situation bis auf
weiteres verschoben.

Einfallsreich wurden außerdem die Mitarbeiter der PFS. Sie suchten nach kreativen
Möglichkeiten, um ihre Arbeit weiterhin durchzuführen. Große Dankbarkeit und
Wertschätzung empfinden sie für die Leistung und Unterstützung der Kunstuniversität Graz,
des Instituts 12 Oberschützen und der IGEB im vergangenen Jahr.

Dennoch schaut die PFS mit viel Zuversicht ins neue Jahr, denn mit der richtigen Einstellung
verbergen sich hinter jeder großen Herausforderung immer auch neue Möglichkeiten

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Inhalt

Titelblatt
Kurze Geschichte der Blasmusik in Bildern im Jahr 2020 (David Gasche/KUG) ….....…… 1

Vorwort .......................................................………………………..…………..………….... 3

Inhalt …...............…...................…......…............…....……......…...…...….…............…...... 4

Peter Heckl
Das waren die Harmoniemusiktage ..........................……………………………………...... 5

Verena Paul
Bericht aus der Zweigstellenbibliothek ..........................................….....……....….............. 10

David Gasche
Bericht über den Internationalen Blasmusik Kongress (IBK) in Neu-Ulm .......................... 11

30 Jahre PFS und PBO: ein leises Jubiläum für das Blasmusikwesen? ................................ 12

Zusammenarbeit mit IGEB: Mitteilungen und Neuerungen ................................................. 13

IGEB 2020, Virtuelle Konferenz, 17.-18. Dezember 2020 ................................................... 14

Festschrift in Honour of Raoul F. Camus´ Ninetieth Anniversary ...…………………...…. 16

Das Ensemble Boxwood & Brass .......................................................................................... 18

Der spanische Klarinettist Manuel Gómez (1859-1922) ....….............….......…….............. 20

Nannette Streicher und ihr Marche à huit Instrumens à vent (Simrock, 1817) .................... 22

Nikolaj Jakovlevič Mjaskovskij (1881-1950) und sein Repertoire für Blasorchester .......... 23

Kommentare über das „Manuel des compositeurs, directeurs de musique, chefs d'orchestre et
de musique militaire…“ von François-Joseph Fétis, Paris, 1837 mit Berücksichtigung des
zweiten Buches ..................................................................................................................... 27

Bestandsbeschreibung der Pannonischen Forschungsstelle …..…………………..……..… 67

Bericht über die Arbeit an der Pannonischen Forschungsstelle ………………………....… 69

IGEB Konferenz 2021 ........................................................................................................... 72

IGEB Forschungspreis-Ausschreibung für 2022 .…………………………..………….….. 73

Publication Project: The Wind Music Companion ………………………………….……... 74

Kontakt .………………………..…………………………………………………..…….… 76

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Das waren die Harmoniemusiktage

Im Zentrum der dritten Harmoniemusiktage der Kunstuniversität Graz war Ludwig van
Beethoven, und zwar sowohl seine Originalkompositionen als auch Bearbeitungen seines
Schaffens für Harmoniemusik.

Unter besonderen Corona-Sicherheitsvorkehrungen konnten am 4. und 5. November 2020
noch die Harmoniemusiktage des Instituts für Alte Musik und Aufführungspraxis in Graz
stattfinden. Unter anderem konnten Gastvorträge Forschender aus Salzburg, Linz und Wien
möglich gemacht werden, der befruchtende Austausch zu aktuellen Forschungsfragen wurde
durch ein Konzert ergänzt, bei dem Lehrende des Instituts 15 (Ernst Schlader, Peter Heckl
und Klaus Hubmann) gemeinsam mit Studierenden der Variantfachklassen Historische
Klarinette, Historisches Horn und historische Fagottinstrumente auftraten, für die die Tagung
auch Teil der Lehrveranstaltung war.

                    Programm der Harmoniemusiktage 2020 (© Petra Raidl /KUG)

Programmablauf

Mittwoch, 04.11.2020

14.00 Uhr Eröffnung (Susanne Scholz)

14.15 Uhr Klaus Hubmann: Beethoven und das Fagott seiner Zeit

14.45 Uhr Thomas Kiefer: Vinzenz Matauschek (1760-1824),                         Beethovens
Kammermusikpartner und Hofkapellfagottist. Eine biographische Skizze

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15.15 Uhr Uta Goebl-Streicher: „... welcher Streich von der Frau Streicher!!!“ Beethoven
und das Ehepaar Streicher

16.45 Uhr Konzert

Donnerstag, 05.11.2020

10:45 Uhr Peter Heckl: Aus fünf mach sieben (oder acht) – Joseph Triebensees Bearbeitung
eines Satzes aus Beethovens op. 16

11.15 Uhr David Gasche: Klavierstücke in Bearbeitungen für Harmoniemusik und
Militärmusik am Beispiel von Beethovens Klaviersonate in c-Moll op. 13

11.45 Uhr Pause

12.00 Uhr Ernst Schlader: Beethovens Horn-Sonate op. 17 in einer historischen Fassung für
Bassetthorn von Joseph Friedlowsky

12.30 Uhr Klaus Petermayr: Zwischen Beethoven und Bruckner: die Aequale Wenzel Lambels

13.00 Uhr Pause

13.15 Uhr Bernhard Rainer: Ein neu aufgefundenes Equal aus dem Linzer Diözesanarchiv
und Beethovens WoO 30

13.45 Uhr Verena Paul: Wilhelm Wieprechts Festmarsch über Themen aus Beethovens Es-
Dur-Klavierkonzert

14.15 Uhr Schlusswort (Klaus Hubmann)Pause

    Harmoniemusiktage 2020 der KUG, Vortragende und Konzert am 04.11.2020 (© David Gasche/KUG)

Abstracts (Auswahl)

Uta Goebl-Streicher: „... welcher Streich von der Frau Streicher!!!“ Beethoven und das
Ehepaar Streicher

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Andreas und Nannette Streicher (er Waisenhauszögling aus Stuttgart und selbstloser
Fluchtgefährte Schillers, sie die Tochter des hochberühmten Orgel- und Klavierbauers Johann
Andreas Stein in Augsburg) ließen sich im Juli 1794, also etwa eineinhalb Jahre nach
Beethoven, in Wien nieder, und sie verstanden es, die Steinsche Klavierwerkstatt in den
folgenden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Klavierbaubetriebe Wiens auszubauen. Beide
hatten Beethoven (anlässlich seiner ersten Reise nach Wien) schon 1787 in Augsburg bzw.
München kennengelernt, und sie nahmen bald nach ihrer Ankunft wieder Kontakt zu ihm auf.
Beide setzten sich auf vielfältige Weise für den Komponisten ein, sei es, dass sie ihm immer
wieder Instrumente zur Verfügung stellten (und allenfalls seinen Wünschen gemäß
adaptierten), sei es durch Initiativen zur Verbreitung seines Werkes, sei es durch Nannettes
tatkräftige Unterstützung in Haushaltsfragen (die in zahlreichen Handzetteln dokumentiert
ist). Auch wenn die Streichers nicht zum engsten Kreis der Beethoven-Intimi gehörten, so
waren sie ihm doch bis in seine letzten Tage verbunden und "wachten" sozusagen aus der
zweiten Reihe über ihn. Streicher besuchte ihn noch kurz vor seinem Tod, sandte ihm Wein
und gehörte zu jenem auserwählten Kreis von Künstlern, die seinen Sarg als Fackelträger vom
Schwarzspanierhaus in die Dreifaltigkeitskirche und von dort zum Währinger Friedhof
geleiteten.

Peter Heckl: Aus fünf mach sieben (oder acht) – Joseph Triebensees Bearbeitung eines Satzes
aus Beethovens op. 16

Joseph Triebensee (1772-1846) war einer der bedeutendsten und produktivsten
Harmoniemusikkomponisten und -bearbeiter seiner Zeit – The Wind Ensemble Catalog
verzeichnet ein Œuvre von mehr als 60 Originalkompositionen und über
75 Arrangements. In der ersten Ausgabe seiner Miscellannées de Musique, veröffentlicht im
Juli 1808, findet sich als Nr. 2 Aus einem Quintett, fürs Clavier von Betthoven eine
Bearbeitung des langsamen Satzes aus Beethovens Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette,
Horn und Fagott Es-Dur op. 16 für zwei Oboen, zwei Klarinetten, Horn, zwei Fagotte und
Kontrafagott ad lib. Triebensee übersetzt den virtuosen Klavierpart in nicht minder fordernde
Bläserstimmen, hält ein Höchstmaß an klanglicher Farbigkeit aufrecht und schafft damit ein
wirkungsvolles Stück Harmoniemusik.

David Gasche: Klavierstücke in Bearbeitungen für Harmoniemusik und Militärmusik am
Beispiel von Beethovens Klaviersonate in c-Moll op. 13

„Das Übersetzen überhaupt ist eine Sache, wogegen sich heut zu tage (in unserem fruchtbaren
Zeitalter der Übersetzungen) ein Autor nur umsonst sträuben würde: aber man kann
wenigstens mit Recht fordern, daß die Verleger es auf dem Titelblatte anzeigen, damit die
Ehre des Autors nicht geschmälert und das Publicum nicht hintergangen werden.“ (Wiener
Zeitung, 30. Oktober 1802, S. 3916, ÖNB). Beethovens Kommentar über „Übersetzung“ oder
Arrangement beschreibt hier nicht nur die verbreitete Praxis, berühmte Werke kurz nach ihrer
Entstehung für verschiedene Besetzungen zu bearbeiten, sondern auch die Schwierigkeit für
die Autoren, ihre Kompositionen „aus zweiter Hand“ anzuerkennen.
Dies betraf auch die Musik Beethovens, die sehr erfolgreich war und beeinflusste
Komponisten, Hofmusiker und Kopisten. Zum großen Beethovenschen Opus für
Harmoniemusik zählen seine Oper, Ouvertüren, Symphonien und Sonaten wie u.a. die
Bearbeitungen des Septetts Opus 20 von Druschetzky (1812) oder der Oper Fidelio von
Sedlák (1815) für neunstimmige Harmonie. Die Bearbeitung seiner Klaviersonate Opus 13,
die anonym bei der Chemischen Druckerei 1810 in Wien veröffentlicht wurde, stellt ebenfalls
ein besonderes Beispiel dar.

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Ziel ist es, die aktuelle Forschung über das Repertoire „Klavierstücke in Bearbeitungen für
Harmoniemusik und Militärmusik“ mit Beethoven als Zentralfigur zu liefern. Welche
Rezeption kannten Beethovens Kompositionen für Klavier im Bereich der Harmoniemusik?
Wer waren die zeitgenössischen Autoren? Was war das Verhältnis von Besetzung, Satz- und
Kompositionsstrukturen und klanglichen Wirkungen? Um diese Fragen beantworten zu
können, wird zunächst das Repertoire betrachtet. Eine Analyse der Klaviersonate Nr. 8 in c-
Moll op. 13 wird der Bearbeitung der Originalkomposition gegenübergestellt, um die
Arbeitsweise der Komponisten zu verdeutlichen. Der Aufführungskontext, die Umstände, die
Gestaltung oder die spieltechnischen und klanglichen Aspekte werden erörtert. Der Vortrag
beleuchtet die Quellensituation, die Bearbeitungspraxis sowie die Rezeption dieser Musik für
Harmonie, die eine Zeit lang ganz im Brennpunkt der europäischen Musikentwicklung stand.

Ernst Schlader: Beethovens Horn-Sonate op. 17 in einer historischen Fassung für Bassetthorn
von Joseph Friedlowsky

Die im Jahr 1800 von Ludwig van Beethoven für Giovanni Punto komponierte Sonate für
Horn und Fortepiano enthielt im darauffolgenden Jahr veröffentlichten Erstdruck eine vom
Komponisten eingerichtete Alternativstimme für Violoncello. Spätere Drucke beinhalteten
sogar Arrangements für Viola, Klarinette oder Flöte, die sich alle an der Cello-Fassung
orientierten. Eine bisher unveröffentlichte Version für Bassetthorn soll vom Klarinettisten
Joseph Friedlowsky (1777–1859) stammen. Handelt es sich hierbei um eine „nicely adapted“
(Hoeprich 2008, S. 255) und somit die Besonderheiten eines damaligen Bassetthorns
unterstreichende Bearbeitung der ursprünglichen Hornstimme? In diesem Vortrag wird
außerdem Beethovens Beziehung zum Bassetthorn beleuchtet und der Frage nachgegangen,
ob das Bassetthorn um und nach 1800 auch für andere Horn- bzw. Cellokammermusikwerke
als Alternativinstrument verwendet wurde.

Bernhard Rainer: Ein neu aufgefundenes Equal aus dem Linzer Diözesanarchiv und
Beethovens WoO 30

Ludwig van Beethoven komponierte bekanntlich im Jahr 1812 drei Equale für vier Posaunen
(WoO 30) für den Linzer Domkapellmeister Franz Xaver Glöggl. Einem Brief von Glöggl an
Robert Schumann ist zu entnehmen, dass der Komponist jedoch ursprünglich vier Stücke
verfasste. Der Befund des sich heute in der Staatsbibliothek Berlin befindlichen Autographs
von WoO 30 scheint diese Annahme zu bestätigen – ein Blatt des Manuskripts wurde
vermutlich abgetrennt.
Im Rahmen einer Recherche im Linzer Diözesanarchiv im Jahr 2018 kam ein anonymer
Vertreter der äußerst seltenen und lokal beschränkten Gattung Equal zum Vorschein. Bei dem
neu aufgefundenen Manuskript handelt es sich zwar um keine Handschrift Beethovens, aber
der Schreiber ist auch durch Zusätze auf dem Autograph von WoO 30 nachzuweisen, und
dürfte mit Franz Xaver Glöggl zu identifizieren sein. Bei der Linzer Quelle handelt es sich um
eine Arbeitsskizze, die dazu diente aus einem vierstimmigen Posaunensatz ein Arrangement
für drei Vokalstimmen herzustellen. Dass der sonst nicht als Komponist hervorgetretene
Glöggl hierzu das mutmaßliche vierte Equal von Beethoven benutzte, ist ein mögliches
Szenario. Es sprechen Aspekte wie Tonartenrelationen und die identische, ungewöhnliche
Schlüsselung aller fraglichen Kompositionen dafür. Allerdings weisen weitere Analysen auf
einen anderen Rückschluss hin, womit die Frage nach der Urheberschaft Beethovens nach
dem derzeitigen Stand der Forschung wohl offenbleiben muss.

Verena Paul: Wilhelm Wieprechts Festmarsch über Themen aus Beethovens Es-Dur-
Klavierkonzert

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Dieser von Wilhelm Wieprecht komponierte Marsch, dem Themen eines Klavierkonzerts von
Beethoven zugrunde liegen, existiert in Arrangements mit unterschiedlichen Besetzungen,
wobei sich der Bogen von der großen und kleinen Militärmusik über die Blechmusik bis hin
zum großen Orchester und dem Salonorchester spannt, und gibt damit ein Beispiel, dass
Arrangements Beethoven’scher Kompositionen nicht nur für die klassische besetzte
Harmoniemusik gesetzt worden sind, sondern in späterer Folge auch noch für größer besetzte
Bläserbesetzungen.
Gerade in den ersten dreißig Jahren des 19. Jahrhunderts – in jener Zeit als Wieprecht sein
Handwerkszeug als Komponist erlernte – erfuhr die Harmoniemusik eine beständige
Erweiterung an Instrumenten und Besetzungen, womit ebenso eine Bedeutungsveränderung
des Begriffes „Harmoniemusik“ einhergeht und irgendwann synonym mit dem Begriff
„Militärmusik“ wurde. Dies war um die Mitte des 19. Jahrhunderts bereits geschehen, als von
Wieprechts Festmarsch zum ersten Mal im Jahr 1853 berichtet wird. Berichte über weitere
Aufführungen lassen sich bis in das 20. Jahrhundert hinein verfolgen, was auf eine gewisse
Popularität schließen lässt, die nicht zuletzt anhand des Druckes in der Edition Louis Oertel
1908 und 1919 bestätigt wird.

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Bericht aus der Zweigstellenbibliothek

Zu den Neuerwerbungen und Neuaufnahmen 2020 zählen u.a.:

Führer durch die Fachausstellung der Deutschen Militär-Musik zusammengestellt von Georg
Thouret, 1892

Geschichte, Bauweise und Repertoire des Fagotts, Michaelsteiner Konferenzberichte Band 84

Gratl, Franz: Der Klangmeister Rudolf Tutz

Hofer, Achim (Hrsg.): Oper und Militärmusik

Hofer, Achim und Schiewitz, Lucian (Hrsg.): Wilhelm                Wieprecht    (1802-1872).
Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken

Jakobs, Björn: Bergmusik an der Saar

Kandler, Georg: Die kulturelle Bedeutung der deutschen Militärmusik. Denkschrift über die
heutige Notlage und kulturelle Bedeutung der deutschen Militärmusik

Malling, Otto: Instrumentationslaere til Brug ved Undervisning og til Selvstudium, 1894

Neininger, Albert: Rastatt als Residenz, Garnison und Festung

Rykowski, Mikolaj: Harmoniemusik - utwory na instrumenty dęte w zwierciadle epoki
klasycyzmu

Seel, Dorothea: Der Diskurs um den Klang Flöte im 19. Jahrhundert

Vom Serpent zur Tuba, Michaelsteiner Konferenzbericht, Band 83

Zauner, Peter: Komponist der burgenländischen Landeshymne

Zudem konnte der Rara-Bestand um folgende Noten, die wahrscheinlich aus dem Jahr 1817
stammen, erweitert werden: Nannette Streicher: Marche a huit Instrumens à vent.

Einen weiteren Teil der Bibliotheksarbeit stellte 2020 die Bearbeitung von fast 100
Zeitschriften dar, die den umfassenden Bestand der PFS an Zeitschriften für Blasmusik
beständig vergrößern.

Um ein neu begonnenes Projekt handelt es sich um die erstmalige Erfassung und RDA-
konforme Aufnahme der Bild- und Tonträger in das Bibliothekssystem, die sich im Bestand
der PFS befinden und deren Zahl sich allein im Falle der CDs auf über 1000 beläuft, von
denen bereits 67 CDs im Katalog recherchierbar sind.

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Bericht über den Internationalen Blasmusik Kongress (IBK) in Neu-Ulm
                          (16.-19. Januar 2020)

Der Internationale Blasmusik Kongress (IBK) fand zum zweiten Mal vom 16. bis 19. Januar
2020 im Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm statt. Das Hauptthema war „Information-
Fortbildung-Austausch: Alles rund um die Blasmusik“. Dieser Kongress präsentierte mit
seinen Vorträgen, Ausstellungen, Workshops und Konzerten ein umfangreiches und
interessantes Angebot von Musikvereinen, Musikverlagen, Musikinstrumentenherstellern,
Musikhäusern und Institutionen.
Ein Hohepunkt war der Austausch von Informationen zwischen Musikern, Dozenten und
Ausstellern, sodass neue Kontakte für zukünftige Projekte geknüpft werden konnten. Als
Mitglied der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Blasmusik
(IGEB) habe ich auch den Ausstellungsstand mitbetreut.
Mein Beitrag „Über die Erforschung und Förderung der Blasmusik“ wurde am Freitag
17.01.2020 um 12.00 Uhr in Clubraum gehalten. Der Vortag (20 Minuten mit 10 Minuten
Diskussion) hat zunächst einen Überblick über die Geschichte der Pannonischen
Forschungsstelle (PFS) gegeben und dann die Bestände, Tätigkeiten und Aufgaben des
Forschungszentrums vorgestellt. Pädagogische und künstlerische Aspekte wurde betrachtet,
um die Rolle der PFS im Kontext der Blasmusikforschung zu erklären. Es wurde bewiesen,
dass die PFS das Ziel verfolgt, eine Zusammenarbeit zwischen u. a. Forschern, Studierenden,
Musiker, Dirigenten oder Komponisten zu fördern und eine Fortentwicklung der Blasmusik
zu gewährleisten.

              Workshops, Vorträge, Ausstellungen und Konzerte (© David Gasche/KUG)

                                                                                        11
30 Jahre PFS und PBO: ein leises Jubiläum für das Blasmusikwesen?

Nach zwei Terminen wurde die Jubiläumsfeier bis auf weiteres verschoben

Die Pannonische Forschungsstelle sollte ihr dreißigjähriges Bestehen am Freitag 27.
November 2020 feiern. Vorträge und das Jubiläumskonzert des Pannonischen Blasorchesters
wurden aufgrund der COVID-19-Situation auf den Freitag 23. April 2021 im Rahmen der
langen Nacht der Forschung verschoben. Diese Veranstaltung muss erneut abgesagt werden
und ist bis auf weiteres verschoben.

Vorläufiger Programmablauf

15.00 Uhr, Jenö Takács-Saal
Begrüßung des Institutsvorstands, Univ.Prof. David Seidel

15.15 „Die Pannonische Forschungsstelle im Kontext der Blasmusikforschung“
Vorträge mit u.a. Univ.Prof. Dr. Klaus Aringer M.A. (Kunstuniversität Graz), Prof. Dr.
Damian Sagrillo (Universität Luxemburg), Oberst Prof. Mag. Bernhard Heher (Kapellmeister
der Gardemusik Wien), Dr. David Gasche (Kunstuniversität Graz) und Mag.a Verena Paul
(Bibliothek der Kunstuniversität Graz).

16.30 Uhr, Pause

16.45 Uhr, Jenö Takács-Saal
„Historische Aufführungspraxis der Traditionsmärsche“
Festrede Dr. Leon Bly (Dirigent, Dozent und Präsident der „World Association for
Symphonic Bands and Ensembles” von Juli 2009 bis Juli 2011).

17.30 Uhr, Pause

19.00, Jenö Takács-Saal, Konzert des Pannonischen Blasorchesters
Dirigent: Peter Forcher. Programm: Akademische Festouvertüre (Johannes Brahms) und
Alpensinfonie (Richard Strauss). „In memoriam Bernhard Habla“.

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Zusammenarbeit mit IGEB: Mitteilungen und Neuerungen

2020 IGEB Research Award Committee

Das IGEB-Forschungspreis-Komitee 2020, das aus Leon Bly (DE), Beatrix Darmstädter
(AT), David Gasche (AT), Francisco J. Giménez (ES), Robert Grechesky (US), Achim Hofer
(DE), Jon Mitchell (US) und Gloria A. Rodríguez Lorenzo (ES) bestand, hat nach Bewertung
der elf eingereichten Dissertationen die folgenden Auszeichnungen verliehen:1
 Honorary Mention: Xavier CANIN, Jean-Baptiste ARBAN, du cornet à la baguette: un
    musicien français du XIXe siècle aux multiples talents, 334 S., Docteur de l'Université
    Paris-Sorbonne, 2016.
 Honorary Mention: Rachel Nicole BECKER, "Trash Music": Valuing Nineteenth-century
    Italian Opera Fantasias for Woodwinds, 381 S., PhD, St. John's College, 2017.

Neuwahl des Vorstandes von IGEB (2020–2023)

Die Generalversammlung der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der
Blasmusik fand am 22. September 2020 in Graz statt. Ein neuer Vorstand der IGEB wurde
gewählt. Ab diesem Datum sind der Präsident Damien Sagrillo (Universität Luxemburg), der
Generalsekretär David Gasche (Institut 12 der KUG) und der Kassier Peter Heckl (Institut 15
der KUG).

Neue Adresse der IGEB

Die Generalversammlung der IGEB beschloss, die offizielle Adresse der IGEB zu ändern. Ab
2021 ist der Hauptsitz dieser Gesellschaft an der Pannonischen Forschungsstelle, Institut 12.
Dies schärft die Zusammenarbeit zwischen KUG und IGEB seit mehr als 40 Jahren und
steigert auch das Profil und die Sichtbarkeit der KUG auf internationaler Ebene.

1
    https://www.igeb.net/research-award.html (08.01.2021)

                                                                                          13
IGEB 2020, Virtuelle Konferenz, 17.-18. Dezember 2020

Die 24. Internationale IGEB Konferenz, die ursprünglich im Juli 2020 am Konservatorium
„Joaquín Rodrigo“ von Valencia (Spanien) geplant war, wird auf den 15.-19. Juli 2021
verschoben. Eine virtuelle Konferenz in Zusammenarbeit mit der Pannonischen
Forschungsstelle (Institut 12 Oberschützen), der Universität Luxemburg und der Universität
Kansas wurde zum ersten Mal in der Geschichte dieser Gesellschaft am 17.-18. Dezember
2020 organisiert. Sie wurde über Webex meeting übertragen. Mehr als 13 Teilnehmerenden
aus circa 6 Ländern (Luxemburg, Hongkong, Deutschland, USA, Österreich und Frankreich)
referierten über zahlreiche und aktuelle Blasmusikforschungsthemen. Die Konferenz, die von
mehr als 40 Personen besucht wurde, gab Gelegenheit zum Gedankenaustausch und Kontakte
für zukünftige Projekte wurde aufgenommen.

Programmablauf2

Thursday, December 17 05h00 pm – 09h00 pm CET

05h00 pm Short introduction by the president

05h00 pm Recovering nineteenth-century Italian woodwind performers: their careers and
compositions, Rachel Becker

05h30 pm Zum 100. Todestag von Georges Gillet (1854-1920). Ein herausragender Musiker
in der Geschichte der Oboe, Lola Soulier

06h00 pm The New York Chamber Music Society, 1915-1937: A Contribution to Wind
Chamber Music and a Reflection of Concert Life in New York City in the Early 20th Century,
Lisa A. Kozenko

06h30 pm Wrought by Paradox: The Life and Wind Chamber Music by Eugène Bozza, Lacey
Golaszewski

07h00 pm The Missing “Procession” of Vincent Persichetti’s Divertimento for Band and
other revelations from the manuscript scores, Chris David Westover-Muñoz

07h30 pm Sonorism and the Urban Soundscape in Krzysztof Penderecki’s Pittsburg Overture
(1967), Emily Theobald

08h00 pm James Reese Europe’s Hellfighter Band, Further Thoughts After the Centennial,
Paul Niemisto

Friday, December 18 05h00 pm – 09h00 pm CET

05h00 pm Bläserkodierung mit MEI, Oleksii Sapov

05h30 pm Improvisation in Wind Band Traditions, Richard Kennel

2
    Vollständige Informationen und Abstracts in: Mitteilungsblatt der IGEB, Jahrgang 2020–4b (Online-Version).

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06h00 pm School Marching Bands and the Rugged Society Ideal in the Singapore Story, Boris
Hei Yin Wong

06h30 pm Amateur Wind Orchestras (“Musikvereine”) as Musical, Cultural and Educational
Institutions in Rural Areas of Germany. A Reconstruction of the Participants Perspectives
and Orientations, Verena Bons, Johanna Borchert, Thade Buchborn, Wolfgang Lessig

07h00 pm Wind music compositions based on literature, Björn Jakobs, Johan De Meij

07h45 pm Wind Music during the Nazi occupation in Luxembourg from 1940 to 1944,
Damien Sagrillo

08h15 pm Concluding words by the president

        IGEB 2020, Virtuelle Konferenz, 18. Dezember 2020, Screenshot (© David Gasche/KUG)

                                                                                             15
Festschrift in Honour of Raoul F. Camus´ Ninetieth Anniversary

Eine Publikation der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der
Blasmusik, Alta Musica Band 36, Herausgegeben von Damien Sagrillo, John Graziano, Nigel
Marshall, Lit Verlag, Münster 2021.

Kurze Biographie

                              Raoul François Camus (* 5 Dezember 1930 in Buffalo, New
                              York) feierte 2020 seinen 90. Geburtstag. Er ist emeritierter
                              Professor für Musik am Queensborough Community College
                              der City University of New York und emeritierter Direktor der
                              Queens Symphonic Band, eines symphonischen Blasorchester.
                              Er erhielt 1969 seinen Doktor der Philosophie von der New
                              York University und unterrichtete davor Instrumentalmusik an
                              sekundären Schulen. Seine Dissertation wurde 1976
                              veröffentlicht. Früher verwaltete er einen bedeutenden Musik-
                              Verlag und war als Hornist tätig. Viele Jahre dirigierte er die
                              Militärkapelle der berühmten 42ten Rainbow Division von
                              New York und ist ein pensionierter Reserve Armee
                              Kapellmeister. Als ehemaliger Präsident der Sonneck Society
                             für amerikanische Musik (heute Society for American Music)
          Raoul Camus        ist er in vielen nationalen und internationalen Blasmusik-
 (Credit www.raoulcamus.com)
                             Gesellschaften aktiv wie u.a. WASBE und IGEB.
Als Musikwissenschaftler hat er sich auf amerikanische Militärmusik spezialisiert und ist ein
Pionier im Bereich der Blasmusikforschung. Wenige amerikanische Forscher beschäftigten
sich mit dem Thema Blasmusik, das wenig vielversprechend beurteilt wurde. In den letzten
Jahrzehnten erwarb Raoul F. Camus allerdings eine beachtliche Kompetenz in seinem
Forschungsgebiet. Er verfasste über vierzig Beiträge sowie die Hauptartikel über
Blasorchester und Militärmusik für New Grove Dictionary of American Music. Seine
umfangreiche Bibliographie, Vorträge und Beiträge sowie seine zwei Bücher Military Music
in the United States Army Before 1834 (Ann Arbor, 1969) und Military Music of the
American Revolution (Chapel Hill, Westerville 1976, Neuauflage, 1993) zählen heute zur
grundlegenden Literatur.3

Raoul F. Camus und die Pannonische Forschungsstelle

Im Jahr 1995 wurde Raoul F. Camus für ein Semester als Fulbright Gastprofessor am Institut
Oberschützen der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz eingeladen. Die
Vorlesungen „Geschichte der amerikanischen Blasmusik“ lieferten einen Überblick über das
Erbe, die Tradition, die Techniken und das Repertoire der Blasmusik in Amerika von den
Ursprüngen bis zur Gegenwart. Weitere Vorträge wurden auf Einladung von Herrn Prof.
Johann Mösenbichler am Bruckner Konservatorium in Linz und auf Einladung von Herrn
Militärkapellmeister Sigismund Seidl am Kärntner Landeskonservatorium in Klagenfurt
gehalten.
Darüber hinaus erhielt die Bibliothek der Pannonischen Forschungsstelle eine große
Sammlung amerikanischer Blasmusik, die von Prof. Dr. Raoul Camus während seines

3
  Vgl. Bernhard Habla: Vorwort, in: Arbeitsberichte-Mitteilungen der Pannonischen Forschungsstelle,
Oberschützen 1995, S. 4.

                                                                                                16
Aufenthaltes in Oberschützen 1995 übergeben wurde. Sie enthält Partituren,
Studienpartituren, Dirigentenstimmen und Aufführungsmaterial, insgesamt ca. 1250 Stücke,
von amerikanischen Verlagen ab den 1930er Jahren. Die Sammlung ist über den
Bibliothekskatalog der Kunstuniversität Graz abrufbar.

Die Internationale Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Blasmusik

                              Raoul F. Camus ist seit Jahrzehnten sehr engagiert in der IGEB
                              und wurde 2003 zum Ehrenmitglied ernannt. Neben seiner
                              regelmäßigen Teilnahme an Konferenzen und seinen
                              zahlreichen Beiträgen hilft er am Stand der IGEB bei den
                              jährlichen Midwest-Konferenzen in Chicago. Er führte vier
                              Jahre lang den Vorsitz des Komitees für den IGEB-
                              Forschungspreis und ist immer noch ein geschätzter Berater.
                              IGEB wollte sein Engagement, seine wichtige Arbeit und
                              musikwissenschaftliche Kompetenz würdigen.
                              Die Festschrift enthält nicht nur Beiträge zur Erforschung der
                              Blasmusik, sondern auch einige Aufsätze von befreundeten
                              Musikwissenschaftlern. Zu den 22 Artikeln kommen elf kurze
                              Glückwunschschreiben und die Veröffentlichung in englischer
                              Sprache der ganzen Vorlesungen von Raoul F. Camus in
                              Oberschützen 1995 hinzu. Die Autoren kommen aus Belgien,
    Alta Musica Band 36       Deutschland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Portugal,
       (Credit IGEB)          Schweiz, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes
Königreich und USA. Ein Exemplar dieser Festschrift wurde bereits gedruckt und Raoul F.
Camus auf der letzten virtuellen IGEB-Konferenz am 17. Und 18. Dezember 2020 überreicht.
Diese Veröffentlichung ist im 2021 in Alta Musica Band 36 geplant.

                                                                                         17
Das Ensemble Boxwood & Brass

Kurze Geschichte

Boxwood & Brass ist ein englisches Ensemble in der Tradition der Harmoniemusik, das im
Jahr 2013 gegründet wurde. Die Mitglieder sind Universitätsprofessoren und erfahrene
Musiker, die regelmäßig mit den besten europäischen Orchestern wie u.a. mit dem Orchestre
Révolutionnaire et Romantique, Orchestra of the Age of Enlightenment, Gabrieli, Orchestre
des Champs-Elysées und Spira Mirabilis zusammenarbeiten. Die Hauptziele bestehen darin
das Repertoire des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts aufzuführen und eine erweiterte
Kenntnis der historischen Blasinstrumente zu vermitteln. Die Musiker von Boxwood & Brass
verbinden musikalische Virtuosität mit einem aktiven Forschungsprofil. Konzerte und
Aufnahmen stellen einen großen Anteil ihrer Aktivitäten dar und so sorgte das Ensemble
schon kurz nach seiner Gründung für internationale Aufmerksamkeit. 2018 wurde Boxwood
& Brass als „Ensemble-in-Association“ an der Universität von Huddersfield promoviert.

                   Boxwood & Brass, Nonet Portrait, Colour (Credit Tom Bowles)

Das Repertoire

Das Repertoire greift sowohl auf Originalrepertoire als auch auf zeitgenössische
Bearbeitungen zurück. Es besteht aus der englischen Militärmusik, der Pariser Salonmusik
sowie Werken aus bedeutenden Beständen mitteleuropäischer Bibliotheken und Archive. Das

                                                                                      18
Programm enthält regelmäßig moderne Uraufführungen und neue Bearbeitungen, die vom
Fagottist Robert Percival für das Ensemble arrangiert wurden.

Aufnahmen

Boxwood & Brass hat drei CDs aufgenommen:
 Music for a Prussian Salon: World-premiere recordings of music by Tausch, Crusell,
    Baermann, Stamitz.
 Beethoven Transformed. Volume 1: Harmoniemusik as Chamber Music for 6-part
    Harmonie (Beethoven arr. Czerny: Septet Op. 20 und Beethoven: Sextet Op. 71)
 Beethoven Transformed. Volume 2: Virtuoso arrangements for Viennese Harmonie.
    (Beethoven arr. Starke: Egmont Overture op. 84, Beethoven arr. Percival: Egmont
    Incidental Music Op. 84 (excerpts), Beethoven arr. anon: Harmonie arrangée de Sonate
    Pathetique (Op. 13) und Beethoven arr. anon: Symphony no. 7, Op. 92).
Die drei CDs haben gute Rezensionen von der Presse und Fachzeitschriften wie BBC Music
Magazine oder Early Music Review erhalten. Videos und musikalische Ausschnitte sind auch
auf der Website oder auf YouTube verfügbar.

Beethoven Transformed. Volume 2: Virtuoso arrangements for Viennese Harmonie
Diese dritte CD, die Ende 2020 veröffentlich wurde, wirft ein neues Licht auf bekannte
Werke Beethovens und zeigt die bemerkenswerte Kunstfertigkeit der Bläser. Sie enthält zwei
Bearbeitungen der Egmont Ouvertüre, die Harmonie arrangée de Sonate Pathetique und ein
anonymes Arrangement der siebten Sinfonie. Die CD Beethoven Transformed. Volume 2 steht
in der Tradition der Arrangements für 9-stimmige Harmonie, die ihre Blütezeit um 1800 lebte.
Es sei darauf hingewiesen, dass der Kontrabass statt des Kontrafagotts das traditionelle
Bläseroktett verstärkt. Die hier aufgeführten Werke wurden zwischen 1810 und 1816 von
Sigmund Anton Steiner, Beethovens Freund und Verleger, veröffentlicht. Die CD würdigt die
feine Arbeit der Arrangeure, die über eine ausgezeichnete Kenntnis der Musik Beethovens
verfügen und die spieltechnischen und klanglichen Möglichkeiten der Bläser beherrschen. Die
Interpretation des Ensembles Boxwood & Brass bringt die Musikalität, die Virtuosität und die
reichen Klangfarben dieses Repertoires zum Ausdruck.

                                          Die Musiker
                                          Rachel Chaplin und Nicola Barbagli, Oboen
                                          Emily Worthington und Fiona Mitchell, Klarinetten
                                          Robert Percival und Takako Kunugi, Fagotte
                                          Anneke Scott und Kate Goldsmith, Naturhörner
                                          Jacqueline Dossor, Kontrabass

                                          Die verwendeten Instrumente
                                          Oboen, Klarinetten und Fagotte nach J. F. Floth und
                                          H. Grenser, Dresden um 1810
                                          Hörner von M. A. Raoux und Courtois neveu aîné,
                                          Paris um 1820
                                          Kontrabass von einem anonymen Hersteller,
                                          Norditalien um 1740
   CD Beethoven Transformed vol. 2,
  Final cover (Credit Resonus Classics)

Kontakt und weitere Informationen über das Ensemble Boxwood & Brass auf der Website
http://www.boxwoodandbrass.co.uk

                                                                                              19
Der spanische Klarinettist Manuel Gómez (1859-1922)

                          Sir Henry Wood with Promenade Concert Performers
                                        by William Whiteley Ltd
                                    albumen cabinet card, circa 1897
                           (NPG P1837, © National Portrait Gallery, London)

(*6. Juni 1859 in Sevilla - †8. Januar 1922 in London). Spanischer Klarinettist. Nach dem Tod
seiner Eltern (ca. 1865) begann Manuel Musik und Klarinette im Waisenhaus Asilo de
Mendicidad de San Fernando bei dem Musiklehrer Antonio Palatín Moreno zu studieren. Er
wurde 1879 am Konservatorium von Madrid in die Klasse von Enrique Fischer y Pagés
(1821-1889) aufgenommen. 1881 beendete er sein Studium mit dem ersten Preis. Kurz darauf
erhielt er zusammen mit seinem Bruder Francisco (auch Klarinettist) ein Stipendium von
Sevilla, um sein Studium am Pariser Konservatorium ab 1882 fortzusetzen. Sein Professor
war Cyrille Rose (1830-1902) und Manuel lernte dort das neue Böhm-System der Klarinette
kennen. 1885 gewann er den zweiten Preis des Konservatorium-Wettbewerbs mit der
Aufführung von Noveno Solo en fa op. 25 von Klosé. 1886 erhielt er die Stelle der ersten
Klarinette im Orchester der Pariser Oper, wo er auch seine zukünftige Frau, die
Balletttänzerin Adela Yglesias (1865-1940), kennenlernte.4
Manuel reiste 1886 als Mitglied einer Operngesellschaft nach England und beschloss
daraufhin in London zu bleiben. Knapp ein Jahr nach seiner Ankunft trat Manuel bereits als
Solist in einem außergewöhnlichen Konzert im Convent Garden vor Königin Victoria auf, um
den 50. Jahrestag ihrer Thronbesteigung zu feiern. 1892 spielte er im Orchester der Covent
Garden Opera und erhielt ab 1895 eine Stelle im Queen's Hall Orchestra. 1903 beschlossen
mehrere Mitglieder des Queen's Hall Orchestra, darunter Manuel, ein neues Orchester mit
dem Namen Das London Symphony Orchestra zu gründen. 1911 wurde Manuel Gómez von
der King's Private Band eingeladen um vor König George V. im Buckingham Palace zu
spielen. Ein Jahr später reiste Manuel mit dem London Symphony Orchestra durch die

4
 Vgl. Pedro Rubio: Manuel Gómez. The famous spanish clarinetist, in: Música, Nr. 24, Revista del Real
Conservatorio Superior de Música de Madrid, 2017, S. 79-99.

                                                                                                  20
Vereinigten Staaten und Kanada und gab 28 Konzerte in 21 Tagen in 23 verschiedenen
Städten. 1915 verließ er seine Stelle, nahm aber bis 1921 immer noch an Konzerten teil.
Die Musikindustrie: Dank seines Prestiges und seiner Bekanntheit wurde Manuel Gómez
1904 eingeladen eine Aufnahme zu machen. Es war eine der ersten Aufnahmen in der
Geschichte eines Klarinettisten und für diesen Anlass führte Gómez die Variationen Caro
nome von Rigoletto (Verdi) und Chanson Napolitain von Boisdeffre auf.
Manuel Gómez war mehr ein virtuoser Interpret als ein Komponist. Er ist schon in Spanien
als junger Solist berühmt geworden, wie z.B. für seine Interpretation der Zarzuela El molinero
de Subiza von Cristóbal Oudrid im Teatro Principal (Cádiz) oder Las dos coronas von Emilio
Arrieta. Mehrere Komponisten wie z.B. Percy Pitt mit dem Concertino in c-Moll op. 22
(1897) haben ihm Werke gewidmet. Keine Kompositionen sind von Manuel Gomez bekannt
oder überliefert, obwohl die Zeitschrift The Musical Times and Singing Class Circular vom 1.
November 1899 über ein Stück Tango von ihm spricht.5 Er spielte auch ab 1895 mit großem
Erfolg an dem Promenadenkonzert „The Proms“ mit dem Queen's Hall Orchestra in London.
Mit seinem Bruder Francisco Gómez, den Klarinettisten Percy Egerton und George Anderson
gründete er 1898 das Gomez Quartett und arrangierte für diese Besetzung zahlreiche Werke.
Er gründete auch The Gomez Wind Quintet, ein Bläserquintett mit den Solisten des Queen's
Hall Orchestras.
Manuel Gómez ist dafür bekannt, dass er das Böhm-System in England eingeführt hat. Er hat
eng mit der englischen Firma Boosey & Co. zusammengearbeitet und stellte ab 1900 „The
New Clarinet Gomez-Boehm-Modell“ vor, eine Verbesserung des Böhmschen
Ringklappensystems für die Klarinette.

5
 Vgl Cristina María Strike Campuzano: El clarinete en Inglaterra: Frederick Thurston (1901-1953), Tesis,
Universidad autonoma de Madrid 2018, S. 246-253.

                                                                                                     21
Nannette Streicher und ihr Marche à huit Instrumens à vent (Simrock, 1817)

                               Anna-Maria genannt Nannette Streicher, geb. Stein (* 2. Jan.
                               1769 in Augsburg, † 16. Jan. 1833 in Wien) ist vor allem als
                               Pianistin und Klavierbauerin in Wien bekannt. Sie war auch
                               Musikpädagogin und gelegentlich Sängerin. Als Tochter des
                               Augsburger Klavierbauers Johann Andreas Stein machte sie
                               sich mit der Praxis des Klavierbaus bekannt. Sie war eine
                               junge talentierte Pianistin, die regelmäßig in Konzerten in
                               Augsburg auftrat.
                               Nach ihrer Heirat mit dem Musiker Johann Andreas Streicher
                               zog 1794 das Ehepaar nach Wien und gründete die
                               Klavierfirma Frère et sœur Stein d'Augsbourg à Vienne.
                               Nannette Streicher verwirklichte in dieser Zeit viele technische
                               Verbesserungen am Klavier und ihr Unternehmen wurde zu
                               einem der bedeutendsten in Wien und Europa.
       Nannette Streicher,
  Tuschezeichnung von Ludwig
                               In der Kaiserstadt kam Nanette Streicher mit vielen
 Krones, 1826 (Beethoven-Haus) bedeutenden Persönlichkeiten in Kontakt. Besonders
                               folgenreich waren die Begegnung und die Freundschaft zu
Beethoven, die in über sechzig kleinen Briefchen dokumentiert ist. Die erfolgreiche
Unternehmerin nahm regen Anteil am Musikleben. Sie veranstaltete Konzerte zunächst in
ihrer Wohnung und ab 1812 in einem Konzertsaal in der Ungargasse, der etwa dreihundert
Personen fassen konnte. Das Ehepaar Streicher unterstützte auch die Gründung der
Gesellschaft der Musikfreunde. Nanette Streicher spielte gern Klavier im kleinen Kreis, wo
sie möglicherweise ihre eigenen Kompositionen aufführte, die heute zum Großteil verschollen
sind. Nur drei Werke sind überliefert: Klage über den frühen Tod der Jungfer Ursula Sabina
Stage (Singstimme und Klavier, Augsburg 1788), Marche à huit Instrumens à vent (Simrock,
1817) und Deux Marches pour le Piano Forte (Simrock, 1827).6
                               Die Zweigstellenbibliothek der PFS konnte den Rara-Bestand
                               um folgende Noten erweitern: Nannette Streicher, Marche a
                               huit Instrumens à vent, Originalausgabe von Simrock, die
                               wahrscheinlich aus dem Jahr 1817 stammt.7 Die Originalität
                               liegt weniger in der Musik, sondern mehr daran, dass eine Frau
                               vor allem für Harmonie komponierte. Diese Partitur ist in
                               diesem Zusammenhang einzigartig.
                               Die Umstände ihrer Entstehung sind nicht bekannt, aber sie
                               zeugen von der Blütezeit der Harmoniemusik. Die Besetzung
                               besteht aus zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern, Fagotten.
                               Dieses kleine Stück in Es-Dur enthält 20 Takte und ist in zwei
                               gleiche Teile mit einem Wiederholungszeichen gegliedert.
                               Nanette Streicher vertraut das rhythmische Hauptthema den
                               Oboen an. Der Marsch ist in Bezug auf Melodie, Harmonie,
                               Rhythmus und Begleitung relativ einfach gehalten. Er
                               entwickelt einen einfachen und gefälligen Charakter, der der
    Titelblatt, Marche à huit
   Instrumens à vent, Nanette
                               Tradition der Unterhaltungsmusik entspricht.
    Streicher (PFS, Rara 14)

6
  Vgl. Rebecca Wolf: Art. Streicher, Anna Maria, in: Neue Deutsche Biographie, Band 25, Berlin 2013, S. 530-
532 (Online verfügbar).
7
  Signatur PFS CenterWindMusic, Rara 14. Die Partitur kann aus dem Internet wie die Webseite International
Music Score Library Project (IMSLP) heruntergeladen werden.

                                                                                                         22
Nikolaj Jakovlevič Mjaskovskij (1881-1950)
                          und sein Repertoire für Blasorchester
Vorwort

Eine Anzeige im Internet des Musikverlags Höflich in München machte mich neugierig auf
einen noch wenig bekannten Komponisten: Nikolaj Jakovlevič Mjaskovskij (auch: Nikolai J.
Mjaskowski, Nikolay Yakovlevich Myaskovsky). Dieser Verlag gibt die Reihe „Repertoire
Explorer“ heraus und suchte einen Autor, der ein Vorwort zum Werk Dramatische Ouvertüre
für Blasorchester Opus 60 (1942) schreiben würde.
Um einen Überblick zu bekommen war der erste Schritt eine Internetsuche durchzuführen.
Die Informationen in Wikipedia umfassen eine Biographie und eine komplette Liste der
Werke von Nikolaj J. Mjaskovskij. Eine „offizielle“ Website in russischer Sprache (mit
englischer Übersetzung) bietet einen vollständigen Artikel über das Leben und Repertoire des
Komponisten mit vielen Fotos und Bildern. Es ist auch möglich, weitere PDF-Artikel in
russischer Sprache herunterzuladen.8 Zahlreiche Webseiten von Musikverlagen enthalten
einige bibliographische Hinweise und Kurzanalysen seiner Werke, ebenso wie Musiklexika
und wissenschaftliche Ressourcen, aber die Online-Versionen von u.a. MGG9, New Grove10
oder Brockhaus Enzyklopädie11 liefern nur relativ kurze Beiträge über Nikolaj J. Mjaskovskij.
Man muss sich in die vielen Artikel und Bücher wie Historical Dictionary of Russian Music
(2012)12 oder Nikolay Myaskovsky: The Conscience of Russian Music (2014)13 vertiefen, um
wertvolle weiterführende Informationen über diesen Komponisten zu finden.
Es scheint, dass Nikolaj Mjaskovskij in Vergessenheit geraten ist oder zumindest im Schatten
seines Kollegen und Freundes Sergei Prokofjew steht. Dies betrifft auch sein Repertoire und
insbesondere seine Werke für Blasorchester, die von einer ungewöhnlichen Originalität
zeugen. Diese noch kaum erforschte Blasmusik hat dennoch ihre Zeit geprägt und entwickelte
einen besonderen Stil zwischen Avantgarde und Konservatismus während der Sowjetzeit.

Kurze Biographie

Nikolaj Jakovlevič Mjaskovskij (*20. (8.) April 1881 in der Festung Novogeorgievsk (heute:
Modlin, Polen), †8. August 1950 in Moskau) ist ein russischer Komponist, der vor allem für
seine Lieder, Klavierstücke und Sinfonien bekannt ist.
Er war der zweite Sohn des Militäringenieurs Jakow Konstantinovich Myaskovsky und seiner
Frau Vera Nikolayevna Myaskovskaya, die ebenfalls aus einer Militärfamilie stammte.
Nikolaj verbrachte seine ersten sieben Jahre in Nowogeorgiewsk. Im Jahr 1888 zog die
Familie nach Orenburg und 1889 nach Kasan. Seine Tante Elikonida Konstantinowna
kümmerte sich um die Familie nach dem Tod seiner Mutter Vera 1890 und sie wurde auch

8
   https://www.myaskovsky.ru (20.01.2021)
9
  Albrecht Gaub: Art. Mjaskovskij, Nikolaj Jakovlevič, BIOGRAPHIE in: , hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel,
Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016, https://www-1mgg-2online-
1com-1000046yn002f.han.kug.ac.at/mgg/stable/53135 (20.01.2021).
10
   Rayskin, Iosif Genrikhovich. "Myaskovsky, Nikolay Yakovlevich." Grove Music Online. 2001; Accessed 1
Feb. 2021. https://www-1oxfordmusiconline-1com-
1000008yn0117.han.kug.ac.at/grovemusic/view/10.1093/gmo/9781561592630.001.0001/omo-9781561592630-
e-0000019490. (20.01.2021)
11
   Brockhaus, Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski. http://brockhaus-1at-
1susewpyn0030.han.kug.ac.at/ecs/enzy/article/mjaskowski-nikolai-jakowlewitsch (aufgerufen am 2021-01-20)
12
    Daniel Jaffé: Historical Dictionary of Russian Music, Historical Dictionaries of Literature and the Arts,
Scarecrow Press, Lanham 2012.
13
    Gregor Tassie: Nikolay Myaskovsky : The Conscience of Russian Music, Rowman & Littlefield Publishers,
2014.

                                                                                                           23
seine erste Musiklehrerin. 1893 besuchte Nikolaj J. Mjaskovskij die Kadettenschule in
Nischni Nowgorod. 1895-1899 setzte er diese militärische Ausbildung in der Kadettenschule
in St. Petersburg fort, wo sein Vater als Lehrer an der Militäringenieurakademie unterrichtete.
Nikolaj erhielt etwas Geigenunterricht von seinem Cousin Karl Brandt, der Violinist in einem
Orchester in St. Petersburg tätig war. Danach begann er beim Leiter des Kadettenorchesters
Nikolaj Kazanli Harmonielehre zu studieren und hat erste Kompositionsversuche
unternommen. 1902 schloss Mjaskovskij sein Studium als Militäringenieur ab und wurde
nach Moskau versetzt. Von Januar bis Mai 1903 bekam er Privatunterricht bei dem
Komponisten Reinhold Moritzewitsch Glière.
Anfang 1904 wurde Nikolaj zum 19. Pionierbataillon in St. Petersburg berufen und 1906 trat
er ins Sankt Petersburger Konservatorium ein, wo er Musik unter anderem bei Nikolaj
Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow studierte. Schon in seinem ersten Jahr am
Konservatorium schloss er eine lebenslange Freundschaft mit dem zehn Jahre jüngeren Sergej
Prokofjew und die beiden Männer musizierten regelmäßig zusammen.14 Im Frühjahr 1907
reichte Mjaskovskij seinen Rücktritt aus der Armee ein, er wurde aber ein Jahr später als
Reservist versetzt. Im August 1911 arbeitete der Komponist als Musikkritiker für
verschiedene Zeitschriften wie die Zeitschrift Musika in Moskau. Er veröffentlichte ca. 114
Artikel, die sich mit dem Musikleben in St. Petersburg und dem neuesten Musikschaffen
beschäftigten.
                              1914 wurde Mjaskovskij zur Armee eingezogen und als
                              Leutnant einer Pionierkompanie an die österreichische Front und
                              1916 nach Revel (heute Tallinn) geschickt. Nach der
                              Oktoberrevolution wurde Mjaskovskij 1918 nach Moskau
                              versetzt und diente in der Roten Armee bis zum Ende des
                              Bürgerkriegs (1921). 1919 trat er dem sowjetischen
                              Komponistenverband bei und arbeitete in der Musikabteilung
                              des staatlichen Verlags. 1921 bis zu seinem Tode wurde er
                              Professor für Komposition am Moskauer Konservatorium. Sein
                              Name ist untrennbar mit der Moskauer Schule der sowjetischen
                              Komponisten verbunden und er hat mehr als 80 wichtige
                              Komponisten ausgebildet, darunter Boris Čajkovskij, Andrej
   Nikolaj Mjaskovskij (1912)
                              Ėšpaj, Michail Goldstein, Dmitrij Kabalevskij, Aram und Karen
                              Chačaturjan, Aleksandr Mosolov, Vano Muradeli, Nikolaj Pejko,
Leonid Polovinkin, Visarion Šebalin und Aleksandr Veprik. Mjaskovskij arbeitete auch
weiterhin im Redaktionsbeirat wissenschaftlicher Publikationen mit und nahm aktiv an den
Aktivitäten des Konservatoriums teil. Bis 1931 war er ein Mitglied der „Assoziation für
zeitgenössische Musik“ (ASM).15
Die vier Jahre vor dem zweiten Weltkrieg waren eine sehr fruchtbare Periode. Aus dieser Zeit
stammen fünf Sinfonien, zwei Streichquartette, ein Konzert für Violine und Orchester sowie
Klavierstücke, Romanzen und Lieder. Im August 1941 musste Mjaskovskij zusammen mit
Komponisten und Professoren des Moskauer Konservatoriums die Hauptstadt verlassen. Trotz
des Krieges und mehrerer Evakuierungen komponierte er weiter. Im Dezember 1942 kehrte
Mjaskovskij nach Moskau zurück. Der Unterricht wurde im Konservatorium wieder
aufgenommen und das kulturelle Leben der Hauptstadt wurde allmählich wiederhergestellt.
Mjaskovskij litt nach dem Krieg an gesundheitlichen Problemen und musste sich 1949
mehreren Operationen unterziehen. In diesem Jahr begann er frühe Werke zu bearbeiten und
zu veröffentlichen. Der Komponist musste dazu eine schwierige Zeit für die Musik in der
Sowjetunion miterleben. Mjaskovskij, Prokofjew, Schostakowitsch und mehrere andere
Komponisten wurden vom Zentralkomitee der KPdSU am 10. Februar 1948 als „Formalisten“
14
     Vgl. Biographie, in: Nikolaj Jakovlevič Mjaskovskij, offizielle Webseite (22.01.2021)
15
     Vgl. Albrecht Gaub: Art. Mjaskovskij, Nikolaj Jakovlevič, MGG Online-Version (22.01.2021).

                                                                                                  24
angegriffen, aber später wieder rehabilitiert.16 Nikolaj J. Mjaskovskij starb am 8. August 1950
im Alter von 69 Jahren. Er wurde auf dem Nowodewitschi-Friedhof in der Nähe der Gräber
von zwei älteren Kollegen, Skrjabin und Tanejew, begraben.

Repertoire

Nikolaj J. Mjaskovskij komponierte u.a. 2 Kantaten sowie diverse Chorwerke, etwa 120
Lieder, 27 Symphonien, 5 Orchesterouvertüren, 2 Symphonische Dichtungen, 13
Streichquartette, 9 Klaviersonaten und ca. 50 Klavierstücke. Er veröffentlichte 87
Opuszahlen, darüber hinaus sind etwa 40 Werke ohne Opuszahl sowie 10 Bearbeitungen
erhalten.
Sein Schaffen wird oft in drei Perioden unterteilt. Seine Musik vor dem Ersten Weltkrieg ist
von den russischen Komponisten des 19. Jahrhunderts wie Rimsky-Korsakov oder
Tschaikowski beeinflusst. Die Zeit nach 1918 ist geprägt von mehreren Experimenten und
Stilen. Mjaskovskij versuchte die russische Musiktradition mit der Avantgarde zu verbinden.
Er griff russische Volksmusik auf und interessierte sich für die modernen Tendenzen wie
Impressionismus oder Atonalität. Vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich seine Musik in
eine neue Richtung, um den Anforderungen des „sozialistischen Realismus“ zu entsprechen.
Nach dem Krieg ist seine Tonsprache eher traditionell, dunkler und melancholisch. Obwohl er
nur ein einziges Mal die Sowjetunion verließ (Reise nach Warschau und Wien, 1926) fand
seine Musik im Ausland eine Zeitlang große Beachtung. Viermal (bis sechsmal gemäß den
Quellen) gewann er den Stalinpreis.
Die Sinfonie war zweifellos seine bevorzugte Gattung und sein bekanntestes Werk ist die
Sechste Sinfonie (op. 23, 1921-1923). Sein Repertoire für Blasorchester ist noch wenig
bekannt und kaum erforscht. Mjaskovskij war aber der erste sowjetische Komponist, der eine
Sinfonie für Blasorchester komponierte. Es handelt sich um die 19. Sinfonie, die 1938-1939
entstand. Nikola J. Mjaskovskij veröffentlichte insgesamt sechs Werke für Blasorchester:
 Festlicher Marsch in B-Dur op. 31C (30), 1930
 Dramatischer Marsch in F-Dur op. 31C (30), 1930
 19. Sinfonie in Es-Dur op. 46, 1938-1939
 Marsch Nr. 1 in f-Moll op. 53, 1941
 Marsch Nr. 2 in F-Dur, op. 53, 1941
 Dramatische Ouvertüre in g-Moll op. 60, 1942
Mjaskovskijs erste Kompositionen für Blasorchester sind die zwei Militärmärsche Opus 31C
(30), die ursprünglich ohne Opuszahlen beim Staatlichen Musikverlag Muzgiz im Jahr 1930
gedruckt wurden. Die anderen Werke stehen im Kontext des Zweiten Weltkriegs. Einzigartig
ist die 19. Sinfonie Opus 46, die für das Musikkorps der Roten Armee komponiert wurde. Sie
könnte als erstes Beispiel der sinfonischen Blasmusik in der Sowjetunion bezeichnet werden.
Die Bekanntschaft und der kreative Austausch mit dem Militärkapellmeister der Sowjetarmee
Iwan W. Petrow haben die Entstehung dieses Werkes angeregt. Sie dauert ca. 23 Minuten und
besteht aus vier Sätzen. Am 15. Februar 1939 wurde sie anlässlich des 21. Jahrestages der
Roten Armee unter Leitung Petrows im Rundfunk übertragen und ein paar Tage später im
Großen Saal des Staatlichen Konservatoriums in Moskau aufgeführt.17
Das letzte Werk für Blasorchester ist die Dramatische Ouvertüre in g-Moll op. 60 (1942). Der
Ruf Mjaskovskijs als größter sowjetischer Komponist, Professor am Moskauer
Konservatorium und Träger des Stalinpreises war gefestigt. Die Kämpfe, die sich Moskau
näherten, zwangen Mjaskovskij und seine Freunde zur Flucht. Es begann eine unruhige Zeit,
geprägt von ständigen Evakuierungen. Trotz der Schwierigkeiten und Entbehrungen schrieb

16
     Vgl. Art. Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski, in: Wikipedia (22.01.2021).
17
     Wikipedia liefert einen ganzen Artikel über die 19. Sinfonie op. 46 (1938-1939).

                                                                                            25
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