" Jetzt muss gehandelt werden" - VDV richtet sieben Forderungen an das Klimakabinett - Das Magazin
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Schutzgebühr: 3,20 Euro Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe 04 | 2019 +3⁰C „Jetzt muss gehandelt werden“ +2⁰C VDV richtet sieben Forderungen an das Klimakabinett Seite 6 +1⁰C VDV-Jahrestagung: Konzepte Bündnis: Verbände wollen die Belgien: Am Meer entlang auf der für die Mobilität von morgen Wende im Schienengüterverkehr längsten Tram-Linie der Welt Seite 12 Seite 18 Seite 26
INHALT EDITORIAL Billige Tickets werden 22 Abgasfrei: In Niedersachsen fahren Züge mit Brennstoffzellen. 18 Güter auf die Schiene: Verbände übergeben Charta an die Politik. am Ende richtig teuer In manchen Kommunen und Ländern wird derzeit inten- durch den Steuerzahler oder durch zusätzliche Abgaben, siv darüber nachgedacht, wie der Nahverkehr mit preis- die zweckgebunden direkt in den ÖPNV fließen. Auch werten Tickets attraktiver gemacht werden kann. Guter hier zeigt uns Wien beispielhaft, wie das geht – mittels ÖPNV mit modernen Fahrzeugen und Infrastrukturen einer U-Bahnsteuer für Gewerbebetriebe sowie mit deut- sowie mit ausreichenden Kapazitäten und qualifiziertem lich erhöhten Parkgebühren. Personal muss allerdings entsprechend gegenfinanziert Bevor billige Tickets angeboten werden, müssen Bund werden. Mit einem Jahresticket für 365 Euro ist das nicht und Länder die Rahmenbedingungen für einen be- zu bezahlen. Wer über die Einführung eines derartigen schleunigten Ausbau und ein schnelles Wachstum des Angebots nachdenkt, muss sich darüber im Klaren sein, umweltfreundlichen Nahverkehrs schaffen. Die gesetz- dass ÖPNV für einen Euro am Tag oder vielleicht sogar lichen Hebel haben sie in der Hand. Die Mittel aus dem zum Nulltarif dauerhafte und hohe Finanzierungszusagen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) sollen ab von Seiten der Kommunen und Länder erfordert. 2020 stufenweise auf eine Milliarde Euro pro Jahr erhöht Die Politik sollte das Pferd nicht von hinten aufzäumen, werden. Zudem muss das GVFG auch für Maßnahmen zur sondern dabei helfen, das ÖPNV-Angebot attraktiver zu Grunderneuerung und Modernisierung geöffnet werden. machen. Ohnehin ist der Fahrpreis nicht das ausschlagge- Damit das Geld im kommenden Jahr überhaupt fließen 12 VDV-Jahrestagung: Über Ideen bende Argument für den Umstieg auf den ÖPNV. Vielmehr kann, steht die GVFG-Novelle bis Ende dieses Jahres an. für die Verkehrswende diskutiert muss zuerst die Infrastruktur modernisiert und ausgebaut Zudem können die Länder die Beschaffung neuer, zusätz- werden. Dann können die Takte verdichtet und Kapazitä- licher Fahrzeuge über entsprechende Förderprogramme ten mit zusätzlichen Fahrzeugen und Personalen aus- beschleunigen und unterstützen. Und abschließend brau- geweitet werden. Wenn das alles erfolgreich umgesetzt chen wir zum Ausbau des städtischen Schienenverkehrs wurde, kann man darüber nachdenken, die Fahrpreise zu eine Planungsbeschleunigung durch den Bund, wie sie es reduzieren. So ist es in Wien gelaufen, und so hat es dort bei der „großen“ Eisenbahn seit einem Jahr gibt. 20 Jahre gedauert. Rund 400 Millionen Euro jährlich lässt sich die Stadt Wien ihren ÖPNV kosten. In Deutschland leisten die Ticketerlöse einen wichtigen Beste Grüße Beitrag für das gesamte ÖPNV-System. Brechen diese Ihr Ingo Wortmann Erlöse durch verbilligte Fahrpreise ein, muss das durch 30 Schräge Nummer: „Minisex“ andere Einnahmequellen aufgefangen werden – entweder hat Umstieg auf Öffis gepackt. 3 E ditorial 10 Aus dem Verband eite 16: S 22 Hintergrund Billige Tickets werden am Ende „VDV New Mobility Forum“ will die Interview mit Prof. Dr. Günther Brennstoffzellenantrieb bringt die richtig teuer. Zukunft der Mobilität gestalten. Bachmann, Generalsekretär des Rats saubere Zu(g)kunft auf die Schiene. für Nachhaltige Entwicklung 4 V DV im Bild 12 Aus dem Verband 26 Unterwegs im Netz Mannheim schreibt ein neues Stück Branche tauscht sich in Mannheim 18 Aus dem Verband Kusttram: Straßenbahn verbindet Mobilitätsgeschichte. mit Politik und Wirtschaft aus. Verbändebündnis will die Trend- die Orte an der belgischen Küste. wende im Schienengüterverkehr. 6 T itelstory 16 Aus dem Verband 30 Abgefahren VDV Das Magazin VDV richtet sieben konkrete Verkehrsunternehmen zeigen ihre 19 Aktuell „Minisex“ nehmen 80er-Hit für die auch online unter: www.vdv-dasmagazin.de Forderungen an das Klimakabinett. Vielfalt bei der Nachhaltigkeit. Förderbescheide für 70 E-Busse Wiener Linien neu auf. 2 04 | 2019 04 | 2019 3
VDV IM BILD Mannheim schreibt ein neues Stück Mobilitätsgeschichte Mannheim gilt als Pionierstadt der Mobilität und der Motorisierung. Karl Drais erfand in der Neckarstadt seine hölzerne Laufmaschine. Was seine Zeitgenossen noch als „zweckloses lächer- liches Ding“ verspotteten, trat später als Fahrrad seinen Siegeszug an. Ein Meilenstein der indi- viduellen Mobilität. Unweit des Platzes, wo heute der Mannheimer Wasserturm steht, wirkte ein anderer Pionier. In seiner Werkstatt entwickelte der Maschinenbauer und Ingenieur Carl Benz 1885 einen dreirädrigen Motorwagen: die Geburtsstunde des Automobils. An einem schönen Morgen im August 1888 brach Carls Frau Bertha Benz – ohne das Wissen ihres Mannes – mit dem Motorwagen zur ersten Fernfahrt nach Pforzheim auf. Der Rest ist Geschichte und bekannt. Gut 130 Jahre später wehte am Mannheimer Wahrzeichen erneut Gründer- und Erfindergeist (Foto). Am Vorabend der VDV-Jahrestagung hatte sich in Mannheim das „VDV New Mobility Forum“ gegründet: Verkehrsunternehmen, Start-ups und weitere Mobilitätsanbieter wollen gemeinsam den Verkehr der Zukunft effizienter machen und die Verkehrswende voranbringen. Mehr dazu erfahren Sie ab Seite 10. 4 04 | 2019 04 | 2019 5
TITELSTORY Klimawandel als industrie- „Klimakabinett politische Chance nutzen muss jetzt handeln“ ÖPNV-Klimafonds einführen Kapazitäten im Güter- und Personenverkehr massiv ausbauen Keine existenzielle Frage bewegt die Menschen derzeit stärker als der Klimaschutz. Das verdeutlichen die Ergebnisse der jüngsten Wahlen und aktuelle Umfragen. Mit sieben konkreten Forderungen hat sich der VDV an das Klimakabinett gewandt. Klimafreundliche Antriebe massiv voranbringen „D as Klimakabinett muss im Interesse der Menschen und des Wirtschaftsstandorts Deutschland jetzt handeln“, unterstreicht VDV-Präsident Ingo Wortmann die Dringlichkeit. Der Klimawandel Ländliche Räume finde statt und „er bedroht unsere Lebensgrundlagen“, so Wortmann: „Wohlfeil formulierte Emissionsminderungsziele, vollmundige klimapo- nicht abhängen litische Aussagen oder auf Freiwilligkeit setzende Handlungsstränge in Gesellschaft und Wirtschaft bringen uns nicht weiter.“ Für den Ver- kehrssektor, aber auch darüber hinaus, hat der VDV sieben Vorschläge gemacht – verbunden mit der Botschaft an das Klimakabinett, diese Maßnahmen schnellstmöglich zu beschließen. Veröffentlicht wurden die Vorschläge in ganzseitigen Anzeigen, die in überregionalen Ta- geszeitungen geschaltet wurden. Hier die Forderungen im Einzelnen: 1. Kapazitäten im Güter- und Personenverkehr auf der Schiene und in Bussen massiv ausbauen Bürger und Wirtschaft sind für einen klimaschonenden Ver- kehr im ÖPNV und bei der Eisenbahn zu gewinnen. Angebote und Infrastrukturen in Städten und Metropolen müssen hierfür Planen und Bauen schnellstens grunderneuert und deutlich ausgeweitet werden. deutlich beschleunigen 2. Klimafreundliche Antriebe massiv voranbringen Klimafreundliche Mobilität setzt eine erhebliche Veränderung der heutigen Systeme voraus. Förderungen müssen technolo- gieoffen sein und deutlich erhöht werden. Umweltkosten müs- sen marktwirtschaftlich eingepreist werden (zum Beispiel durch eine CO2-Bepreisung), umweltfreundliche Verkehre massiv ent- lastet werden. Klimapolitische Ziele erreicht die Bundesregie- rung sonst nicht. Mehr qualifizierte Arbeitskräfte nicht nur im Verkehrssektor 6 04 | 2019 04 | 2019 7
TITELSTORY Über großformatige Anzeigen in Tageszei- tungen hat der VDV seine sieben konkreten DREI FRAGEN AN Forderungen an das Klimakabinett gerichtet. VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff (Foto) erläutert die Hintergründe der Forderungen an das Klimakabinett. 3. ÖPNV-Klimafonds einführen Herr Wolff, was will der VDV mit seinen sieben Forderun- was geschieht – und Diskutieren ist nicht Handeln, sondern Um den ÖPNV im Ballungsraum konsequent gen an das Klimakabinett erreichen? jetzt müssen tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden. Der auszubauen und in ländlichen Regionen mo- » Oliver Wolff: Die Europawahl und die Umfragen zeigen VDV hat dazu seit jeher viel gesagt. Aber insbesondere jetzt derne und klimaschonende Mobilität zu garan- uns, wohin die Reise geht. Eine der existenziellen Fragen ging es uns darum, das auch in einen industriepolitischen tieren, braucht unser Land eine kontinuierliche berührt die Menschen am meisten – und das ist die Kli- Kontext zu setzen. und planbare Finanzierung. Ohne ein Investiti- mafrage. Da geht es ums Überleben und auch darum, wie onsprogramm über 15 Jahre als Teil eines Klima- unsere Kinder leben werden. Wir haben das aufgegriffen, Warum sollte sich auch die Industrie angesprochen fühlen? fonds geht es nicht. weil wir glauben, dass die Politik zu zögerlich unterwegs » Letztlich sind wir davon überzeugt, dass sich mit ist. Es wird zu viel diskutiert, aber kein Knoten durchge- der künftigen Entwicklung im Mobilitätssektor auch schlagen und nicht gehandelt. die deutsche Industrie entwickeln und Schritte nach 4. Ländliche Räume nicht abhängen vorne machen muss. Wir sagen, dass die Zukunft Digitalisierung, neue Mobilitätsangebote und Warum richten Sie Ihre Forderungen ausgerechnet an das Deutschlands nicht in Software-Updates liegt, sondern stärkere Vernetzung müssen auch außerhalb Klimakabinett? in dem Qualitätsversprechen „Made in Germany“. Das von Großstädten und Ballungsräumen umgesetzt » Ich glaube, dass die Minister nach den Wahlen selber ist weltweit anerkannt. Da müssen wir wieder stärker werden. Mit Teilen der Einnahmen aus den Ver- wahrgenommen haben, dass ein Handlungsdruck entstan- hinkommen – also weg vom Schummeln, sondern solide steigerungen der 5G-Lizenzen muss für gleich- den ist. Die Menschen erwarten, dass bei diesem Thema et- liefern. wertige Lebens- und Mobilitätsverhältnisse in unserem Land gesorgt werden. 5. Planen und Bauen deutlich beschleunigen Planungsbeschleunigung muss noch effizienter ANZEIGE werden. Nur wer schnell plant und Umweltstan- dards dabei einhält, kann Verkehrsinfrastruk- tur zügig aufbauen und Klimaziele erreichen. Zentrale Aspekte moderner und leistungsfä- voith.com higer Verkehrssysteme wie Elektrifizierung, Lärmsanierung und Schaffung von Barrierefrei- heit müssen dabei planungsrechtlich privilegiert werden. 6. Mehr qualifizierte Arbeitskräfte nicht nur im Verkehrssektor Eine moderne und erfolgreiche Volkswirt- schaft braucht – egal in welcher Branche – mehr qualifiziertes Personal. Die Bundesregierung muss durch ein gutes Einwanderungsgesetz die Vorausetzungen schaffen, um geordnet und schneller mehr geeignete Arbeitskräfte aus dem Ausland aufnehmen zu können. 7. Klimawandel als industriepolitische Chance nutzen Ob Energiewende, Verkehrswende oder neue Antriebstechnologien – der Industriestandort und die führende Exportnation Deutschland muss diesen Wandel endlich als Chance begrei- Effizienz für Busse und Bahnen fen und auf dieser Basis neue Innovationen und Produkte „Made in Germany“ weltweit in die Fahrgäste zuverlässig und sicher ans Ziel bringen, dabei Märkte bringen. Unsere Zukunft liegt nicht in Energie sparen und Emissionen reduzieren: Fahrzeuge im Software-Updates, sondern in dem Qualitäts- Stadt- und Regionalverkehr müssen vielfältige Anforderungen versprechen, für das unser Land steht! erfüllen. Voith bietet Ihnen optimal auf Ihre Einsätze angepasste Lösungen: Automatgetriebe und Hybridsysteme für Busse; Radsatzgetriebe, Frontsysteme und Scharfenberg Kupplungen für Stadt- und Straßenbahnen. Damit Ihre Fahrzeuge effizient 8 04 | 2019 und umweltschonend in Bewegung bleiben. 03 | 2019 9
AKTUELL Die zentrale, steuernde Rolle der Aufgabenträger wird operation. Nicht zuletzt wegen der hohen und weiter ausgebaut wird, erleichtere das, ausdrücklich betont. steigenden Fahrgastzahlen sowie der langfristigen Verkehrsmittel multi- und in- Investitionen der öffentlichen Hand werden Busse termodal zu nutzen und den Oliver Wolff, VDV-Hauptgeschäftsführer und Bahnen weiterhin das Rückgrat der öffentlichen Komfort, die Individualität und Mobilität bleiben. Darauf aufbauend werden die die Flexibilität im Personen- neuen Angebotsformen integriert. Schon jetzt koope- verkehr zu erhöhen. Das Vertrauen der Kunden in rieren ÖPNV-Unternehmen und die Anbieter dieser den Schutz ihrer sensiblen Daten dürfe nicht beein- neuen Mobilitätsformen bundesweit bei einer Reihe trächtigt werden. In ihrer Charta erklären die Part- von On-Demand-Projekten. ner außerdem, an der bestmöglichen Integration ihrer Angebote in durchgängige Informations-, Buchungs- Busse und Bahnen als Fundament und Serviceketten zu arbeiten. Mobilität der Zukunft Wie die Zusammenarbeit im „VDV New Mobility Zusätzlich gibt es eine politische Dimension. „Die Forum“ aussieht, haben die Partner in einer gemein- Charta soll auch den für die Mobilitätswende poli- sam unterzeichneten Charta vereinbart. Dabei geht tisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kom- die Charta von drei Hauptzielen aus, von denen ins- munen signalisieren, dass wir gemeinsam mit diesen gemeinsam gestalten gesamt 15 weitere Festlegungen abgeleitet werden. Akteuren die Herausforderungen künftiger Mobilität Erstens ist der ÖPNV mit Bussen und Bahnen das angehen wollen“, erklärt Oliver Wolff: „Deshalb wird Fundament für multimodale Mobilität. Zweitens ist die zentrale, steuernde Rolle der Aufgabenträger aus- die enge Partnerschaft zwischen Kommunen und drücklich betont.“ Wer auf der neuen Plattform mit- Mobilitätsanbietern die treibende Kraft. Das Forum arbeiten will, ist herzlich willkommen. Oliver Wolff: In Deutschland soll es künftig mehr Mobilität mit weniger Verkehr geben. Eine tragende Rolle unterstützt dabei auch eine neue Aufteilung des „Das VDV New Mobility Forum steht auch weiteren dabei wird die geteilte Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel spielen. Um den Ausbau öffentlichen Raums mit ausreichend Platz für Fuß- Partnern jederzeit offen.“ gänger und Radfahrer oder Nutzer von E-Scootern. dieser Sharing-Angebote voranzutreiben, hat der VDV das „VDV New Mobility Forum“ ge- Dazu werden mehr geeignete Abstellflächen und Be- gründet – eine Plattform, auf der sich die Anbieter bewährter und neuer Mobilitätskonzepte vorrechtigungen benötigt. Drittes Hauptziel ist die Weitere Infos sowie die komplette Charta unter: austauschen und zusammenarbeiten. Digitalisierung als Enabler von Mobilität. Wenn eine www.vdv.de/new-mobility-forum Vielzahl an digital gestützten Mobilitätsangeboten D ie Verkehrsunternehmen, Start-ups und weitere Menschen überzeugen, häufiger in den ÖPNV einzu- Anbieter aus dem Bereich Mobilität wollen enger steigen. „Gerade in ländlichen Regionen brauchen wir daran zusammenarbeiten, den Verkehr effizienter zu ein attraktives und individuelleres Gesamtangebot an Foto unten: RNV-Geschäftsführer machen – und so die Verkehrswende voranzubrin- öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Verkehrs- Christian Volz, Volkhard Malik (Ge- gen. Dafür haben sich etwa 20 Partner im Vorfeld leistungen, um auch dort die alleinige Nutzung des schäftsführer Verkehrsverbund Rhein- Neckar, VRN), Mannheims Erster der VDV-Jahrestagung in Mannheim zum „VDV New Privat-Pkws deutlich zu reduzieren“, verdeutlicht Bürgermeister und ÖPNV-Dezernent Mobility Forum“ zusammengeschlossen. Die Plattform Oliver Wolff. Christian Specht, Oliver Wolff (v. l. n. r.) soll den Austausch und die Kooperation zwischen Neben den Zielen des Umwelt- und Klimaschut- etablierten Mobilitätsdienstleistern und den Anbietern zes sind es für den VDV-Hauptgeschäftsführer „vor neuer Sharing-Konzepte beflügeln. Zudem geht es um allem neue Ideen und Geschäftsmodelle, die bei der einen Austausch zum Thema Datenschutz, den Umgang Gestaltung künftiger Mobilität berücksichtigt wer- mit Kundendaten und nicht zuletzt darum, wie sich den müssen“. Dabei geht es in erster Linie um Ko- Mobilität in der Zukunft entwickelt. Deut- lich ausgebaut werden soll die geteilte Nutzung Gemeinsam mit diesen von Mobilitätsangeboten. DIE MITLGLIEDER DES Akteuren wollen wir die Dabei wird ein optima- „VDV NEW MOBILITY FORUMS“ Herausforderungen künf- ler Verkehrsmittelmix Cambio Carsharing (Car-Sharing) Nextbike (Bike-Sharing) tiger Mobilität angehen. für individuelle Kunden Circ (E-Scooter-Sharing) Share Now (Car-Sharing) Mehr Mobilität bei we- wie für die Allgemeinheit Clever Shuttle (On-Demand-Shuttle) Sixt (Car-Rental und Car-Sharing) niger Verkehr wagen: gleichermaßen angestrebt. Donkey Republic (Bike-Sharing) Stadtmobil (Car-Sharing) Die Gründungsveran- Oliver Wolff, Door2Door (On-Demand-Shuttle) Tier Mobility (E-Scooter-Sharing) staltung des „VDV New VDV-Hauptgeschäftsführer Die Vernetzung ist aus E-Floater (E-Kickscooter-Sharing) Uber Mobility Forums“ fand Sicht des VDV notwendig, Ioki (On-Demand-Shuttle) (Ride-Hailing und Bike-Sharing) im Vorfeld der Jahresta- um das gesamte Angebot umweltfreund- Lime (E-Scooter- u. Bike-Sharing) Via Van (On-Demand-Shuttle) gung in Mannheim statt. Miles Mobility (Car-Sharing) Voi (E-Scooter-Sharing) licher Mobilität in den Städten und vor Mobike (Bike-Sharing) Wunder Mobility Die Teilnehmer unter- allem im ländlichen Raum attraktiver zu Moia (On-Demand-Shuttle) (Mobility Technology) zeichneten eine ge- gestalten. Mit innovativen Angeboten Moovel/Reach Now meinsame Charta, in der (On-Demand-Shuttle) sie sich auf die Inhalte können die Verkehrsunternehmen mehr ihrer Zusammenarbeit festlegten. 10 04 | 2019 04 | 2019 11
AUS DEM VERBAND N ur unweit der Werkstatt, aus der sich einst das erste Auto in Bewegung setzte, ging es drei Tage lang um neue Ideen für die Mobilität von morgen. Die Verkehrswende ist nur machbar mit mehr Digitalisierung, ausreichend qualifiziertem Personal und nicht zuletzt tragfähigen Finanzie- rungskonzepten. Stärker als in der Vergangenheit widmet sich die Politik derzeit den Themen des Öffentlichen Verkehrs: Die klimafreundliche Mo- bilität und die Luftreinhaltung in den Städten stehen auf der Agenda. Gefragt sind Ideen für mehr Mobilität bei weniger Verkehr. Auf der VDV-Jahrestagung wurde erneut deutlich, dass der ÖPNV und neue Formen der Mobilität wie Sharing- und On-Demand-Modelle zusammen- gehören. Nicht zuletzt deshalb hat sich das „VDV New Mobility Forum“ gegründet (siehe Beitrag S. 10). Mannheim ist eine von fünf Modellstädten, in der Maßnahmen zur Stickstoffdioxid-Reduktion im städtischen Verkehr umgesetzt werden. Die Stadt verfügt über das größte meterspurige Stra- VDV-Präsident Ingo Wortmann (gr. Foto l.), Finanzstaats- ßenbahnnetz Deutschlands. Oberbürgermeister sekretär Werner Gatzer (Foto o.) und Baden-Württembergs Dr. Peter Kurz sieht darin eine gute Basis für die Verkehrsminister Winfried Hermann gehörten zu den politischen Rednern auf der VDV-Jahrestagung. Verkehrswende und forderte eine Bepreisung von Foto unten: SZ-Autor und Kolumnist Heribert Prantl warf CO2-Emissionen: „Wir brauchen eine schnelle einen kritischen Blick auf Themen jenseits des Verkehrs. und nationale Lösung.“ Erst das Angebot attraktiver machen Mehr Mobilität VDV-Präsident Ingo Wortmann betonte in seiner ersten verkehrspolitischen Rede als VDV-Prä- sident bei einer Jahrestagung, was für ihn der wichtigste Erfolgsfaktor der Verkehrswende ist: „Priorität hat zunächst die Attraktivitäts- steigerung des Angebots, und das geht vor allem mit weniger Verkehr einher mit dem Ausbau von Kapazitäten – neue Strecken, zusätzliche Gleise und Züge, längere Bahnsteige, qualifiziertes Personal.“ Erst dann könne man über eine Preissenkung nachdenken, sagte Wortmann mit Blick auf Pläne, mancher- orts ein Jahresticket für 365 Euro einzuführen. Mannheim gilt als Pionierstadt der Mobilität und der Motorisierung. Hier wurden der Vor- Das komme zur Unzeit. „Es muss auch klar sein, wie die Einnahmeverluste gegenfinanziert wer- läufer des Fahrrads und das Automobil erfunden. Wie die Zukunft der Mobilität aussieht und den können. Das können nicht die Verkehrsun- wie die Verkehrswende gestaltet werden kann, diskutierten 850 Teilnehmer während der ternehmen machen, sondern das wird zu einer VDV-Jahrestagung. Eingeladen hatten der VDV und die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH. dauerhaften Belastung der öffentlichen Haus- halte führen.“ Zudem forderte Wortmann mehr Unterstützung von Seiten der Politik in puncto Verkehrsfinanzierung und Regulatorik. Finanzstaatssekretär Werner Gatzer signali- sierte Entgegenkommen. „Die finanziellen Mittel werden für sinnvolle Maßnahmen bereitgestellt, aber solide Staatsfinanzen sind auch eine Form von Nachhaltigkeit.“ Gatzer stellte gleichzeitig das standardisierte Bewertungsverfahren für Infrastrukturprojekte in seiner jetzigen Form infrage. „Wir sind so weit, dass wir etwas ändern wollen.“ Sein Kollege Enak Ferlemann, Staatsse- kretär im Bundesverkehrsministerium, forderte, Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetz (GVFG), die eigentlich für größere Projekte zum Ausbau städtischer Verkehrs 12 04 | 2019 04 | 2019 13
AUS DEM VERBAND AKTUELL NRW fördert die Schiene Gute Nachricht für den städtischen Schienenverkehr in Nordrhein-West- falen: Das Land fördert die Erneuerung der Stadt- und Straßenbahnnetze mit einer Milliarde Euro bis 2031. Der lange Förderzeitraum und feste Förderkontin- gente geben den Verkehrsunternehmen die notwendige Planungssicherheit. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst und 15 Verkehrsunternehmen haben dazu eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet. Ein ausführlicher Bericht folgt in der Ok- tober-Ausgabe von „VDV – Das Magazin“. Podium: Tobias Heinemann (Transdev), Winfried Hermann, Heribert Prantl, Mode- Von Seite der Initiatoren sprachen Nikolaus Gradl (MVG), Kalle Leipziger Azubis sind die Talente im ÖPNV: Oliver Wolff (l.) gratulierte (v. l. n. r.) Thilo Neubacher, Hans ratorin Ilka Groenewold, VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff, Enak Ferlemann, Greven (DB Vertrieb) und Moderator Jörg Puzicha (RMV-Ser- Kluge, Michael Halberstadt (Geschäftsführer Personal u. Fahrservice), Christoph Beck, Annika Rein- Werner Gatzer, Alexander Pischon (VDV-Landesgruppe Baden Württemberg) (v. l. n. r.) vicegesellschaft) (v. l. n. r.) über die Arbeit an „Mobility inside“. hardt, Omairah Al-Mugrabi, Yeri Vargas Villca, Mohammad Zakkoor und Luay Noor Eddin Ahmad. Herzlichen infrastruktur vorgesehen sind, auch keit zu Ende“, sagte Prantl mit Blick auf rung sei der Grundsatz „Straße finanziert zu können und auf die komplette Mo- Glückwunsch, für den Substanzerhalt einzusetzen. „Es macht keinen Sinn, neue Infrastruktur zu die sichtbaren Folgen des Klimawandels, das stille Sterben in der Natur und die lau- Straße, Schiene finanziert Schiene“ end- lich aufzugeben: „Es würde helfen, wenn bilitätsbranche auszuweiten, soll noch im Sommer eine rechtlich eigenständige Dieter Ludwig eröffnen, wenn die alte verkommt.“ Fer- ten Töne populistischer Extremisten und wir sagen ,Verkehr finanziert Verkehr‘“. Betreibergesellschaft gegründet werden. lemann sprach sich außerdem dafür aus, Nationalisten. Denen dürfe der Begriff Özdemir hob auch die Bedeutung des Gü- In weiteren Fachforen ging es um Fra- im Personenbeförderungsgesetz Land und „Heimat“ nicht überlassen werden. „Hei- terverkehrs auf der Schiene hervor und gen der Koordination und Kapazitäten für Stadt unterschiedlich zu behandeln. „Wir matlichkeit der Heimat“ sei der Schlüs- empfahl Abgeordneten, sich in den loka- den Personen- und Güterverkehr bei der werden für beides individuell Lösungen sel zu einer guten Zukunft. „Heimatliche len Medien ihrer Wahlkreise nicht nur Einführung des Deutschland-Takts sowie finden müssen.“ Beim Thema Fahrpreise Politik ist eine Politik, die den Menschen für neue Straßen, sondern auch für neue Trends und Regulierungen bei der indivi- vertrat Baden-Württembergs Verkehrs- ihre Unsicherheit nimmt.“ Diese Form Gleisanschlüsse feiern zu lassen. duellen öffentlichen Mobilität. minister Winfried Hermann eine andere der Politik denke an Mieten und Renten Cem Özdemir setzte auf dem Festabend ein Meinung als VDV-Präsident Wortmann: – sowie gute Verkehrsinfrastruktur und Einen konkreten Blick in die Zukunft gab „Talente im VDV“ aus Leipzig Er hat als Erfinder des Karlsruher Modells verkehrspolitisches Ausrufezeichen. „Wenn der Öffentliche Verkehr seine Mobilität. „Eine wesentliche Vorausset- es tagsüber im Fachforum zur branchenei- Den Preis „Talente im VDV“ erhielten in den ÖPNV in der badischen Stadt maßgeb- Besondere Würdigung: Jürgen Fenske (Foto u., hohen Ticketpreise verteidigt, wird er zung dafür, dass Heimat funktioniert, ist, genen Mobilitäts-App „Mobility inside“. diesem Jahr die Macher des Filmprojekts lich mitgestaltet und vorangetrieben: Dr. M.) wurde von Ingo Wortmann (l.) und Oliver scheitern.“ Hermann sagte außerdem, dass dass der Nahverkehr funktioniert.“ Zehn Vertreter der Initiatoren stellten den „Haltung zeigen“. Acht Azubis der Leipzi- Dieter Ludwig ist im Juli 80 Jahre alt ge- Wolff zum VDV-Ehrenpräsidenten ernannt. nicht nur eine Planungsbeschleunigung, Prototypen der digitalen Plattform vor. ger Verkehrsbetriebe beschäftigten sich worden. Die Stadt Karlsruhe würdigte Die- sondern eine Beschleunigung der Pro- „ÖPNV gehört ins Rampenlicht“ „Mit ,Mobility inside‘ werden unsere Kun- drei Wochen lang mit dem Thema „Mit ter Ludwig (Foto r., mit OB Frank Mentrup) jekte sowie ihrer Realisierung vonnöten Mit viel Humor und Leidenschaft für dinnen und Kunden in einer App Fahrkar- einander am Arbeitsplatz“. Wie sich das mit einem Empfang. Auch der VDV gratu- sei. „Wir sind überall zu langsam. Wenn Verkehrsthemen würzte Cem Özdemir ten von Start bis Ziel kaufen können, egal, die angehenden Fachkräfte im Fahrbe- lierte seinem ehemaligen Präsidenten und wir so weitermachen, werden wir unsere im Rahmen des Festabends seine Din- ob sie Nahverkehr, ICE oder Bikesharing trieb und die Elektroniker für Betriebs- Ehrenmitglied. In seiner aktiven Zeit war Ziele bei der Mobilität und beim Klima- ner-Rede: „Klimapolitik ohne Verkehrs- nutzen“, erläuterte Prof. Knut Ringat, technik vorstellen, zeigt ein dreiminütiger Dieter Ludwig unter anderem Geschäfts- schutz krachend verfehlen.“ wende ist wie Fußball ohne Ball.“ Der der sich als VDV-Vizepräsident und Film. Ihr Fazit: „Wir sind alle unterschied- führer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe Vorsitzende des Verkehrsausschusses Geschäftsführer des Rhein-Main-Ver- lich, aber gleich viel wert.“ (VBK), des Karlsruher Verkehrsverbunds Nahverkehr und Heimat im Bundestag machte klar: „Der ÖPNV kehrsverbunds (RMV) für diese App stark (KVV) und der Albtal-Verkehrs-Gesell- Einen kritischen Blick auf gesellschaftli- gehört ins Rampenlicht der Politik.“ Für macht. „Der Prototyp ist ein wesentlicher schaft (AVG). Das Karlsruher Modell revo- che Entwicklungen jenseits der Verkehrs- den Ausbau sei das Zeitfenster jetzt ge- Schritt, damit wir im Herbst die App mit Weitere Informationen zur lutionierte den ÖPNV: Erstmals konnten politik warf Heribert Prantl, Autor und öffnet. Der Bund müsse die Kommunen zehn Partnern und 3.000 Fahrgästen aus Jahrestagung: Straßenbahnen – sogenannte TramTrains Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. in die Lage versetzen, die Verkehrswende ganz Deutschland testen können.“ Um www.vdv.de/jahrestagung.aspx – die Infrastruktur der „großen“ Eisenbahn „Vielleicht geht die Zeit der Gleichgültig- passgenau umzusetzen. Bei der Finanzie- die digitale Plattform weiterentwickeln nutzen und die Region mit der Innenstadt Karlsruhes verbinden. 14 04 | 2019 04 | 2019 15
AUS DEM VERBAND DREI FRAGEN AN „VDV Das Magazin“ sprach mit Prof. Dr. Günther Bachmann (Foto), Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, darüber, welchen Beitrag die Verkehrs- Vielseitig nachhaltig unternehmen leisten können, um die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu erreichen. Jedes Jahr ersparen Busse, Bahnen und Güterzüge der Atmosphäre 15 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Und es Warum ist es gerade jetzt so wichtig, gibt noch viel mehr Beispiele für die Nachhaltigkeit der sich für das Erreichen der SDGs einzu- setzen? Verkehrsunternehmen. » Prof. Dr. Günther Bachmann: Die D Menschen wollen eine Vorstellung ie Zahlen sprechen für sich: Mehr als zehn Milliarden Fahrgäste haben, wie es mit ihrem Leben und dem nutzen in Deutschland jedes Jahr Busse und Bahnen – etwa 30 ihrer Enkel weitergeht. Dabei ist Nach- Millionen Menschen pro Tag. Tendenz steigend. Auf der Schiene be- haltigkeit der gemeinsame Nenner, der fördern die Mitgliedsunternehmen des VDV jährlich 600 Millionen neben der Umwelt alle Lebensbereiche Tonnen Güter. „Wir bewegen viel“ lautet dementsprechend der Titel abdeckt – beispielsweise auch Bildung, gesunde Arbeit, Infra- einer neuen Broschüre, die anhand von mehr als zwei Dutzend Beispielen struktur und die Entwicklung der Städte. darstellt, wie Verkehrsunternehmen die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung unterstützen. Reicht das Engagement der Verkehrsunternehmen, die SDGs zu Von den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – den Sus- erreichen, Ihrer Meinung nach aus? tainable Development Goals (SDG) – sind neun für die Verkehrsun- » Die klimaneutrale Stadt der Zukunft wird ein Mehr an ternehmen besonders wichtig. Im Sinne der Agenda 2030 haben sie Mobilität benötigen. Diese zu organisieren, sehe ich als leitende in der Vergangenheit wichtige Beiträge dazu geleistet, diese Ziele zu Aufgabe der öffentlichen Unternehmen. Ich nenne das eine erreichen. „Wir sehen uns in der gesellschaftlichen und unterneh- Regiefunktion. Die Verkehrsunternehmen sollten sie von der merischen Verantwortung, die Bundesregierung bei der Umsetzung Politik einfordern. Ich glaube, dass die große Bedeutung, die ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen – und das über die ge- die Verkehrsunternehmen für den Klimaschutz haben, derzeit samte Bandbreite der für uns relevanten neun SDGs“, erläutert Gerrit sogar noch unterschätzt wird. Mit ihren Angeboten können sie Poel, der beim VDV Nachhaltigkeitsfragen koordiniert. Dabei geht es erheblich zur CO2-Einsparung beitragen. nicht nur um Klimaschutz (SDG 13): In der Verkehrsbranche haben beispielsweise auch die Gleichberechtigung (SDG 5) und der verant- Was muss darüber hinaus passieren? wortungsvolle Konsum (SDG 12) einen hohen Stellenwert. » Ähnlich wie wir es derzeit in der Automobilindustrie sehen, Zu diesen und weiteren Bereichen der die an der flächendeckenden Einführung der Elektromobi- Nachhaltigkeit stellt die Broschüre kon- lität arbeitet, brauchen auch die Verkehrsunternehmen eine krete Maßnahmen vor, die die Unterneh- Wir bewegen viel Modernisierungswelle. Das geht definitiv zu langsam. Dabei men in die Tat umsetzen. Dabei geht es Unser Engagement für eine nachhaltige Entwicklung sollten sich die öffentlichen Unternehmen stärker als Vorden- unter anderem um gesundes Arbeiten, die ker profilieren. Verkehrsunternehmen sollten sich stärker als Ausbildung Geflüchteter, Weiterbildung, Hightech-Unternehmen sehen. Die Mobilität der Zukunft ist nachhaltige Stadtentwicklung und um tech- THE SUSTAINABLE DEVELOPMENT GOALS anspruchsvoller, als es sich anhört, Menschen von A nach B zu nische Innovationen. Die neue Nachhaltig- bringen. Es geht um Daseinsvorsorge und Mobilitätskultur auch keitsbroschüre kann von der VDV-Webseite im ländlichen Raum, zum Beispiel mit Schulen, Sportvereinen heruntergeladen werden unter: und Kulturanbietern. Über die eigenen Anstrengungen beim Thema Nachhaltigkeit sollten die Verkehrsunternehmen ruhig www.vdv.de/zeitschriften-broschueren.aspx intensiver berichten. 16 04 | 2019 04 | 2019 17
AUS DEM VERBAND AKTUELL DREI FRAGEN AN Georg Lennarz (Foto) leitet beim VDV Schienengüterverkehr den Fachbereich Marktfragen Güter- Leben, Arbeit und Breites Bündnis verkehr und war maßgeblich daran beteiligt, das Verbändebündnis zu schmieden. Lernen im Wandel will die Trendwende „Leben, arbeiten Herr Lennarz, warum ist es wichtig, den Schienengüterverkehr wieder und lernen in der stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken? Smart City“: Unter » Georg Lennarz: Wenn es darum geht, die klima- und verkehrspolitischen diesem Leitgedan- einleiten Ziele zu erreichen, spielen Gleisanschlüsse, Umschlagterminals, öffentliche ken findet der dies- Ladestellen sowie Häfen, Gewerbe- und Logistikparks und die vorgelagerte jährige VDV-Per- Eisenbahninfrastruktur eine wichtige Rolle. Darüber muss auch auf poli- sonalkongress statt. tischer Ebene stärker diskutiert werden. Die Gleisanschluss-Charta bietet Erstmals läuft die für den Austausch aller beteiligten Akteure eine gute Gesprächsgrundlage. Veranstaltung über drei Tage – und zwar vom 18. bis 20 September in Leipzig. Was versprechen Sie sich darüber hinaus von der Charta? Das Leben, die Arbeit und das Lernen unterliegen derzeit » Die Umsetzung der Charta würde einen Rahmen für eine stabile wirt- einem starken Wandel. Neue Anforderungen entstehen – schaftliche Entwicklung des Schienengüterverkehrs schaffen. Uns geht auch für die Personalabteilungen in der Verkehrsbranche. es darum, dass die Schiene in allen Segmenten wächst – nicht nur im KV, Damit die Verkehrswende gelingt, werden qualifizierte sondern auch im Ganzzug- und im Einzelwagenverkehr. Bei den Unter- und motivierte Mitarbeiter benötigt. Die Rolle der Perso- nehmen der verladenden Wirtschaft und aus dem Bereich Logistik stelle ich nalabteilungen wird deshalb immer wichtiger. Gefragt sind ein wieder wachsendes Interesse am eigenen Gleisanschluss fest. Wenn die überzeugende Personalstrategien und starke Führungs- Zahl der Gleisanschlüsse wieder steigt, würden wir das natürlich begrüßen. kräfte. Zusätzlich zum Kongressprogramm gibt es zahlrei- che Gelegenheiten zum Netzwerken. Anmeldeschluss ist Wie gestaltete sich die Arbeit am Verbändebündnis? der 1. September. » Mit anderen Verbänden aus dem Bereich Verkehr und Logistik arbeitet www.vdv-akademie.de der VDV seit jeher intensiv zusammen. Wenn wir einen Verband wie den BDI für unser Anliegen gewinnen konnten, kamen darüber weitere Verbän- de hinzu. Wie ein Schneeball ist das Netzwerk immer größer geworden. Die breite Unterstützung für die Charta zeigt, wie dringlich und notwendig die Förderbescheide für 70 E-Busse gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten ist. Wir wollen, dass die Eisen- bahn und die Wirtschaft vor Ort nah beieinander bleiben. Das ist auch für Güter verstärkt auf die Schiene: Für mehr Gleisanschlüsse setzt sich auf Initiative des VDV übergeben die Kommunen interessant. Denn kundennahe Schnittstellen tragen dazu ein breites Bündnis aus Industrie, Handel, Logistik und öffentlichen Einrichtungen ein. In bei, die örtlichen Straßen zu entlasten. einer gemeinsamen Charta machen die Unterzeichner mehr als 50 konkrete Vorschläge, wie leistungsfähige und wirtschaftliche Transportsysteme im Kombinierten Verkehr und im Wagenladungsverkehr angeboten werden können. Insbesondere die Binnenhäfen als trimodale Standorte er- D ie Abwärtsspirale im Schienengüterverkehr end- lich stoppen und gemeinsam die Trendwende einleiten: Das wollen die 40 Unterzeichner der vom der Bevölkerung setzen sich immer stärker für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene ein und damit für mehr Klimaschutz, bessere Mobilität und echte güterverkehr fast 40 Prozent der Verkehrsleistung, gefolgt vom Ganzzugverkehr (34 möglichen eine optimale Ver- knüpfung der Verkehrsträger und sollten bei verkehrspoliti- VDV initiierten Gleisanschluss-Charta. Die Übersicht Nachhaltigkeit“, verdeutlicht Joachim Berends, VDV- Prozent) und vom Einzelwa- schen Entscheidungen stärker der Verbände, die sich dafür engagieren, liest sich Vizepräsident für den Bereich Schienengüterverkehr. gen- beziehungsweise Wa- berücksichtigt werden. wie ein branchenübergreifendes „Who is who“ der gengruppenverkehr. Letztere Elisabeth Lehnen, Geschäftsführerin deutschen Wirtschaft. Vertreten sind namhafte Or- Marktanteil der Schiene stagniert sind jedoch nicht mitge- Hafen Krefeld ganisationen der Industrie Die Situation im Schienengüterverkehr ist für alle wachsen und haben einen wie der BDI sowie Vertreter Beteiligten alles andere als zufriedenstellend. Zwar Anteil von nur noch 25 Prozent. Insgesamt stagniert Wegen hoher Zusatzkosten wer- von Handel, der verladen- konnte die Schiene in den vergangenen 25 Jahren der Anteil des Schienengüterverkehrs am Modal den Gleisanschlüsse aufgegeben den Wirtschaft, der Spedi- ihre Transportleistung bei Waren und Gütern na- Split – der Aufteilung des Verkehrsaufkommens nach beziehungsweise nicht gebaut. tions- und Logistikverbände hezu verdoppeln, aber dieses Wachstum geht in ers- Verkehrsträgern – seit Jahren bei 18 Prozent. Stark Insgesamt 70 neue E-Busse fahren bald bei der Aachener Hier muss sich die öffentliche sowie Interessensvertreter ter Linie auf den Kombinierten Verkehr (KV) zurück. zurück ging die Zahl der Gleisanschlüsse von Indus- Straßenbahn- und Energieversorgungs AG, der Bogestra, Hand finanziell deutlich mehr öffentlicher Einrichtungen. Hier gibt es zahlreiche Beispiele, wie Transporte trie, Handel und Logistik. Die jüngsten Erhebungen der DVG Duisburger Verkehrsgesellschaft und den Offen- engagieren. Aus den Reihen der Unter- erfolgreich von der Straße geholt werden konnten. der Bundesnetzagentur legen nahe, dass von 11.000 bacher Verkehrs-Betrieben. Bundesumweltministerin nehmen kommen weitere Allein zwischen 2005 und 2013 wuchs der KV laut Gleisanschlüssen im Jahr 1997 derzeit nur noch 2.000 Svenja Schulze übergab Anfang Juli auf dem Bogestra-Be- Dr. Agnes Eiband, Geschäftsführerin Unterstützer hinzu . „Politik, Statistischem Bundesamt um 50 Prozent. Mittler- geblieben sind. Exakte amtliche Zahlen existieren je- triebshof die Förderbescheide (Foto). Alles in allem bezu- ERFA Gleisanschluss GmbH Wirtschaft und weite Teile weile erbringt er als stärkstes Segment im Schienen- doch nicht. Der Rückgang lässt darauf schließen, schusst das Bundesumweltministerium die Anschaffung der E-Busse mit 14,3 Millionen Euro. 18 04 | 2019 04 | 2019 19
ANZEIGE AUS DEM VERBAND Die beteiligten Akteure übergaben die Gleisan- schluss-Charta in Berlin an Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr Die Kommunen haben ein großes und digitale Infrastruktur Interesse daran, dass mehr Güter auf (BMVI), und Dr. Torsten der Schiene am Stau vorbei bis in die Sevecke, Staatsrat der Gleisanschlüsse und kundennahen Behörde für Wirtschaft, Zugangsstellen transportiert werden. Verkehr und Innovation der Freien und Rouven Kötter, Mobilitätsdezernent Hansestadt Hamburg. Regionalverband FrankfurtRheinMain rie-, Gewerbe- und Logistikparks für den Schienen- güterverkehr attraktiver werden. Dass der von guten Zugangsmöglichleiten zum Bahnnetz lebe, erläuterte Dr. Torsten Sevecke und verwies auf den Hamburger Hafen als größten Eisenbahnhafen Europas. Der ist „ein zentraler Start- beziehungsweise Zielpunkt für Güterverkehr, den wir stärken wollen“, so der Staats- rat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innova- tion der Freien und Hansestadt Hamburg. Jeder der 50 umsetzungsreifen Vorschläge ist dabei ein Mosaikstein, der zwar allein noch nicht den gewünschten Effekt erzielen kann. Werden dass der eigene Gleisanschluss für Unternehmen Gleiches gilt für vorgelagerte Infrastrukturen – Ran- die Vorschläge jedoch in ihrer Gesamtheit umge- zunehmend unattraktiv wird. Finanzielle und bü- gier- und Abstellgleise, Bahnhöfe zur Bildung und setzt, versprechen sich die Initiatoren der Charta rokratische Hürden schrecken Interessenten und Auflösung von Zügen und Zulaufstrecken. „Das Ziel davon höhere Chancen, mehr Güterverkehr über die Nutzer. Das hat negative Folgen für bestehende und ist es, dem Markt leistungsfähige und wirtschaft- Schiene abzuwickeln. Adressaten sind Bund, Länder künftige Angebote auf lich darstellbare Transportsysteme im Kombinierten und Kommunen, aber auch die Vertreter aus den ei- der Schiene, die auf Verkehr und im Wagenladungsverkehr anbieten zu genen Reihen. Schließlich soll die Charta auch eine Die Förderung von Gleisanschlüssen Gleisanschlüsse und können“, verdeutlicht Joachim Berends. Art Selbstverpflichtung der Branche sein. Weitere wird nur dann ihre volle Wirkung kundennahe Zugangs- Unterzeichner und Unterstützer sind derweil noch erzielen, wenn auch die vorgelagerte Gleisinfrastruktur berücksichtigt stellen aufbauen – wie Marktanteil bis 2030 deutlich ausbauen willkommen. die Wagenladungs- „Wir werden uns jeden einzelnen Vorschlag ansehen wird und dort wieder ausreichende verkehre. „Damit und gemeinsam einen Machbarkeits-Check durch- Kapazitäten in technisch einwand- auch diese Systeme führen“, versprach Enak Ferlemann, Beauftragter der freiem Zustand geschaffen werden. einen Beitrag zum Bundesregierung für den Schienenverkehr. Der Par- Marcel de la Haye, Geschäftsführer Verkehrswachstum lamentarische Staatssekretär im Bundesministerium Dortmunder Eisenbahn auf der Schiene leis- für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigte sich EIN LEITFADEN ZU MEHR ten können, bedarf es zudem erfreut, dass so viele Akteure aus der Branche GÜTERVERKEHR AUF DER SCHIENE einer Stärkung ihrer Zugangsstellen“, erläutert Joa- gerade zum jetzigen Zeitpunkt „dieses sehr wichtige chim Berends: „Dafür setzen wir uns im Rahmen die- Themenfeld“ aufgreifen und an die Öffentlichkeit Der Marktanteil des Schie- ses Bündnisses ein.“ bringen: „So können wir den Schwung für den Neu- nengüterverkehrs in Deutsch- Die Charta knüpft an den Masterplan aus dem Jahr start der Gleisanschlussförderung nutzen.“ Sein Res- land soll bis 2030 von derzeit - 18 auf 25 Prozent ausgebaut 2017 an, der den Schienengüterverkehr fit für die sortchef, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, werden. Wie der Zugang zur Zukunft machen und ihm Wachstumspotenziale hatte als Beitrag zur Debatte um mehr Klimaschutz bei Schiene ausgeweitet und ver- erschließen soll. In der Charta werden mehr als 50 anderer Gelegenheit gefordert, den Anteil des Schie- einfacht werden kann, hat der umsetzungsreife Vorschläge aufgelistet, die Schiene nengüterverkehrs in Deutschland bis 2030 zu ver- VDV in der Gleisanschluss- zu stärken und mehr Waren und Güter per Bahn zu doppeln. Derzeit ersetzt der Schienengüterverkehr Charta zusammengefasst transportieren. Anders als ihr Name vermuten lässt, täglich die Fahrten von 77.000 voll beladenen Lkw. - eine Art Leitfaden zu mehr beschränkt sich die Charta dabei nicht nur auf die Güterverkehr. Die Charta steht Gleisanschlüsse. Zudem regt sie an, auf welche Weise Die Unterzeichner und Unterstützer der Charta in einer Lang- und Kurzfas- trimodale Knoten wie See- und Binnenhäfen bezie- weisen unter anderem darauf hin, dass die vorge- sung zum Download unter: hungsweise multimodale Knoten wie Industrie-, Ge- schlagenen Maßnahmen nur greifen können, wenn www.gleisanschluss-charta.de werbe- und Logistikparks gestärkt werden können. beispielsweise See- und Binnenhäfen sowie Indust- KONTAKT Messe Berlin GmbH Messedamm 22 · 14055 Berlin T +49 30 3038 2376 20 04 | 2019 innotrans@messe-berlin.de 04 | 2019 21
HINTERGRUND Saubere Zu(g)kunft Das Display im Cockpit zeigt dem Lokführer den Füllstand der Wasserstoff- auf der Schiene tanks an (Foto, l.). Auf dem Dach von bei- den Teilen des Fahrzeugs sind die Brennstoffzellen – sogenannte Stacks – angeordnet und zusam- mengeschaltet (Foto r.). Auch bei der Eisenbahn sind klimaneutrale Antriebsalternativen zum Dieselmotor gefragt. Im nördlichen Niedersachsen ist die evb, die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH, schon ein bisschen in die Zukunft unterwegs: Seit letztem Herbst sind zwei Nahverkehrs-Triebzüge vom neuen Typ Coradia iLint fahrplanmäßig abgasfrei im Einsatz. Sie fahren mit Wasserstoff und Brennstoffzellen-Technologie. K ein Brummen, keine Abgasfahnen: Wenn sich der leuchtend blaue Zug mit der Ordnungsnummer VT 101 oder sein Start gegangen – als „Vorserienfahrzeuge” der neuen sauberen Zug-Generation, die weltweit nicht ihresgleichen hat. Das war Zulassung für die iLints unterschrieb. Zur Energiegewinnung wird der Wasserstoff in den Brennstoffzellen mit Sauerstoff aus ebenso lackiertes Pendant, der VT 102, zügig der New York Times ebenso eine Nach- der Luft verbunden, und daraus entsteht in Bewegung setzen, kommt im grünen Land richt wert wie der Bremervörder Zeitung. ohne jede Treibhausgas-Emissionen sau- zwischen Buxtehude, Bremerhaven und Die titelte stolz: „Bremervörde schreibt berer Strom. Cuxhaven S-Bahn-Feeling auf – Halt an Geschichte”. Und Niedersachsens Um- der Bahnsteigkante ohne jedes Geräusch, weltminister Olaf Lies verwendet immer Ein weiterer Pluspunkt der neuen Tech- hohe Beschleunigung beim Anfahren, wieder begeistert das Wortspiel „Zu(g)- nologie: Die „Rekuperation”, das Rückge- sanftes Fahren auch bei Tempo 80, der kunft”. Auf den ersten Blick unterschei- winnen von Bremsenergie, funktioniert Höchstgeschwindigkeit auf den einglei- den sich die beiden Neulinge kaum von bislang nur bei Elektrozügen unter dem sigen evb-Strecken. Auf anderen Gleisen ihren dieselnden Vorgängern, den zwei- Fahrdraht. Im iLint nun kann eine Li- können die beiden Blauen auch bis zu 140 teiligen Coradia-Lint-Zügen („Leichter thium-Ionen-Traktionsbatterie die in km/h schnell sein. Es ist Strom, der die innovativer Nahverkehrs-Triebzug”) aus elektrischen Strom gewandelte Bewe- beiden iLints bewegt. Strom, der, anders als der Zugschmiede in Salzgitter. Sie sind in gungsenergie auffangen, speichern und bei der S-Bahn, nicht aus der Oberleitung vielen überwiegend ländlichen Regionen für „Lastspitzen” im Betrieb, etwa beim oder einer seitlichen Stromschiene kommt, nicht nur in Deutschland unterwegs. Anfahren und Beschleunigen, wieder zur sondern an Bord produziert wird – mit Verfügung stellen. Wasserstoff in der Brennstoffzelle. Das Bremsenergie fließt zurück technische Prinzip des neuen Zugantriebs, Die Zukunftstechnologie, die dann das „i” Einer der Knackpunkte für einen effi- das der Schienenfahrzeughersteller Alstom – für „intelligent” – in den Namen brachte, zienten Zugbetrieb ist die Versorgung in seinem Werk in Salzgitter entwickelt und ist auf dem Dach der Fahrzeuge installiert. mit Wasserstoff. Zwar ist der Brennstoff realisiert hat, beschreibt Dr. Jörg Nikutta, Um den für den Antrieb erforderlichen transportabel und speicherbar, doch über- Geschäftsführer von Alstom Deutschland, Bedarf an elektrischer Energie zu decken, all in Deutschland fehlt dafür die Infra- so: „Die Brennstoffzelle erzeugt elektrische sind auf beiden Teilen des Triebzugs struktur. Für den Vorserienbetrieb bei der Energie durch das Zusammenführen von mehrere Brennstoffzellenstacks inner- evb hat Zuglieferant Alstom in Koopera- Wasserstoff und Sauerstoff in einer kon- halb einer Anlage zusammengeschaltet. tion mit dem Gase-Hersteller Air Products trollierten elektrochemischen Reaktion. Der Kraftstoff für die Stromerzeugung ist eine transportable Wasserstoff-Tank- Dabei wird elektrische Energie freigesetzt.” Wasserstoff. Der wird gasförmig in Druck- stelle in Bremervörde am Heimatbahnhof Diese speist einen Elektromotor, den ei- tanks ebenfalls auf den Fahrzeugdächern eingerichtet. Der „Sprit” für die Züge ist ein gentlichen Antrieb des Zuges. gespeichert. Die Methodik gilt als mindes- Abfallprodukt aus industriellen Produk- tens genauso sicher wie der Umgang mit tionsprozessen und wird noch im Tank- Mit einem „großen Bahnhof” am Hei- herkömmlichen fossilen Brennstoffen in container per Trailer geliefert – auf der mat-Standort Bremervörde buchstäblich Straßen- und Schienenfahrzeugen. Das Straße. „Das ist unbefriedigend und wird unter den Augen der Weltpresse waren die hat auch das Eisenbahnbundesamt als sich bald ändern”, sagt evb-Geschäfts- beiden iLints im September 2018 an den Aufsichtsbehörde so gesehen, als es die führer Dr. Marcel Frank. „Spätestens 22 04 | 2019 04 | 2019 23
HINTERGRUND AUF 40 PROZENT DES NETZES MIT DIESEL UNTERWEGS Rund 40 Prozent des über 38.000 Kilometer langen Eisenbahnnetzes in Deutschland müs- sen mangels Elektrifizierung mit Dieselloks oder Dieseltriebzügen bedient werden. Auf den kehr bereits bei der Energieerzeugung ad Umläufe auf dem 124 Kilometer langen meter haben beide Fahrzeuge bereits im überall im Lande einführen: Geplant ist die Strecken ohne Oberleitung werden zwar nur zehn Prozent der Verkehrsleistung erbracht, absurdum geführt. Anders wird es, wenn Streckennetz. Der evb-Chef: „Entschei- Fahrgastbetrieb zurückgelegt, und die Anschaffung von 120 Zügen mit Brenn- doch im SPNV sind über 2.000 Dieselzüge unterwegs. Sie verbrauchen zwei Drittel des im Wasserstoff mit Strom aus regenerati- dend ist für uns dabei auch, dass wir neben Verfügbarkeit erreicht bereits die Werte stoffzellen-Antrieb, um sämtliche Die- Schienenverkehr erforderlichen fossilen Brennstoffs. ven Quellen produziert wird – aus Sonne, der Tankstellen-Infrastruktur nirgendwo des Dieselbetriebes. selzüge im SPNV ausmustern zu können. Wind und Wasser. Auch da will die evb in unserem Netz besondere Einrichtungen Darunter sind auch jene 14 Züge für die zu den Vorreitern gehören: Sie wollen in für die iLints schaffen mussten. Sie erset- Abgasfrei durch Niedersachsen evb. Auch in anderen Regionen weckt Zukunft Ökostrom aus Nordseewind in zen praktisch nahtlos die Dieselzüge.” Der Niedersachsens Bestellorganisation der iLint Interesse. Beispielsweise be- 2022 wird unsere stationäre Tankstelle da komplette Energieversorgung gemeinsam Eigenregie für die Elektrolyse und damit Verbrauch wird nicht in Litern, sondern für den Schienenpersonennahverkehr stellte der Rhein-Main-Verkehrsverbund sein.” Denn ab Anfang des nächsten Jahr- mit dem Unternehmen Linde. Wasserstoff, für „grünen Wasserstoff” gewinnen. in Kilogramm gemessen. Die Frage der (SPNV), die Landesnahverkehrsgesell- (RMV) 27 Triebzüge, die abgasfrei auf vier zehnts wird die evb ihre Flotte von derzeit der in Containern angeliefert wird, ist Wirtschaftlichkeit stellt sich für die evb schaft Niedersachsen (LNVG), die land- Linien im Taunus eingesetzt werden sol- 14 Diesel-Zügen vollständig auf Brenn- dann keine Lösung mehr. Der Brennstoff Einmal tanken pro Tag reicht aus im Vorserienbetrieb nicht – noch nicht. auf, landab den Eisenbahnunternehmen len. Die Versorgung mit Wasserstoff ist stoffzellen-Strom umstellen. Ein Novum für die Bahn kann auch direkt hergestellt Nicht viel anders als heute können die Es geht im Programm zunächst um die das rollende Material für den SPNV über da kein Problem, denn es gibt bereits eine in der deutschen Eisenbahn-Historie ist werden – im Verfahren der Elektrolyse. Fahrzeuge in wenigen Minuten eine betriebliche Praxis der neuen Techno- Mietverträge zur Verfügung stellt, hat Wasserstoff-Tankstelle im Chemieindus- dabei: Der Fahrzeughersteller übernimmt Das aber braucht viel Strom, und solange ganze Tagesration tanken, Wasserstoff logie im Fahrplanalltag. Und da stellt das große Pläne mit der Brennstoffzelle. Sie triekomplex in Frankfurt-Höchst. Dort für 30 Jahre nicht nur die Wartung und der aus Kohle oder Gas gewonnen wird, eben statt Diesel. Damit bewältigen sie Bahnunternehmen dem Hersteller Alstom will den emissionsfreien Schienenver- werden heute schon Autos und künftig Instandhaltung der Züge, sondern auch die ist der umweltfreundliche Schienenver- problemlos den kompletten Fahrplan ihrer Bestnoten aus: Mehr als 100.000 Kilo- kehr auf Strecken ohne Oberleitung bald dann auch iLint-Züge betankt. SO FUNKTIONIERT DIE BRENNSTOFFZELLENTECHNIK 120 © Alstom, 2016 –Design and production: HAVAS PARIS/AD HOC ZÜGE BRENNSTOFFZELLE mit Brennstoffzellen- Antrieb will die Durch die Kombination von Wasserstoff und Sauerstoff Landesnahverkehrsge- WASSERSTOFF sellschaft Niedersach- aus der Umgebungsluft liefert die Brennstoffzelle die zum Antrieb benötigte Energie. Die einzigen Emissionen Der als Treibstoff benötigte sen bestellen, um alle sind Wasserdampf und Wasser. Wasserstoff wird gasförmig Dieselzüge im SPNV ausmustern zu können. auf dem Dach gespeichert. O2 H2 liefert Strom an Antrieb liefert und rekuperiert Strom an/vom Antrieb liefert Strom an Akku ANTRIEBSSTEUERUNG HILFSKONVERTER LITHIUM-IONEN-BATTERIE Überträgt die angemessene Energie zwischen ANTRIEBSMOTOR Konvertiert die elektrische Energie Brennstoffzelle, Batterie und Antriebsmotor. Steuert die Räder zur Hier wird ein Teil der Energie aus und versorgt die verschiedenen Außerdem sammelt sie die Energie, die beim Beschleunigung und der Brennstoffzelle gespeichert und Bordsysteme (Klimaanlage, Türen, Bremsen entsteht, und liefert sie zurück an beim Abbremsen. aus der rückgewonnenen Brems- Licht usw.) mit Energie. Batterie und Hilfskonverter. energie aufgenommen. 24 04 | 2019 04 | 2019 25
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