Journal - Topthema Sicherheit Wie wir uns schützen - BWA-deutschland
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Ausgabe 1/2017 Journal Themen aus Politik & Wirtschaft sowie News und Aktivitäten des BWA Deutschland Herausgegeben vom Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) Bild: MSC / Kuhlmann Topthema Sicherheit Wie wir uns schützen
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Inhaltsverzeichnis Editorial Begrüßung durch den Präsidenten und den Vorstandsvorsitzenden.......................................... 4 Rudolf Weiler und Dirk Bormann Zentrale / Kommissionen Offenheit und klare Regeln................................................. 6 Bundepräsident a.D. Christian Wulff beim Christian Wulff und Martin Kind beim Neujahrsempfang des BWA Neujahrsempfang des BWA Digitalisierung jetzt! Wie kommen Innovationen in den Mittelstand?.................. 8 Politisches Frühstück der Allianz der Verbände im Haus der Commerzbank Gelingende Integration schafft Sicherheit.......................... 13 Empfehlungen der BWA-Kommission „Fachkräftesicherung und Bildung“ Schwerpunkt Sicherheit „Da machen Sie sich mal keine Sorgen“........................... 14 Interview mit Wolfgang Bosbach, MdB Bundesminister Sigmar Gabriel, Bild: W+M/Ralf Succo „Wer die Fakten kennt...“................................................ 16 Interview mit Marcus da Gloria Martins, Pressesprecher der Polizei München Wie sicher sind unsere Informationen wirklich?................. 20 Gastbeitrag des Sicherheitsexperten Michael Voigt Außenwirtschaft Initiative Junge Transatlantiker und BWA kooperieren....... 29 Auftaktveranstaltung in Augsburg Lingang District Konferenz................................................ 30 Schwerpunktthema Sicherheit, Interview mit BWA-Veranstaltung in Hamburg Wolfgang Bosbach, Bild: www.wobo.de Sondierungsgesprächen in Hong Kong.............................. 31 Treffen mit InvestHK und Cyril Fung Aus den Landesverbänden.......................................................... 32 kurz notiert / Ansprechpartner / Impressum............................... 49 BWA Landesverband Schweiz gegründet BWA |3|
Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, Mitglieder und Leser des BWA Journals, das Gefühl der Unsicherheit immer mehr in sich in diesem Haushalt/Industriebereich ein Rudolf Weiler unsere lebensbestimmenden Abläufe ein. Die noch wesentlich größerer Markt entwickeln. Bekämpfung solcher Entwicklungen ist im- mer schwieriger und wird der Allgemeinheit Bei allen technischen Mitteln und noch so immer teurer. Wie lange hat der riesige Wald- weit entwickelten Geräten steht im Mittel- brand in Südamerika gedauert und welcher punkt immer der Mensch. Was kann sich alles Aufwand wird an jedem Flughafen der Welt nur aus dem Rest einer noch leicht glühenden für die Sicherung der Passagiere betrieben. Zigarette entwickeln. Wie leicht wird es den Vorsorgliches Verhalten und das Vorhersehen Betrügern an der Haustüre gemacht. Warum von kritischen Gefahren bestimmen heute sind wir hier nicht vorsichtiger? Wie oft sehen in allen Bereichen die Entwicklung und die wir oder sind Teil von Handlungen gegen Innovation. Alle Arten von Technologien unsere Mitmenschen und sei es nur durch das werden für diese Vorsorge herangezogen. bewusste Wegschauen. Hier hilft keine Sirene, Wohl bemerkt, die Mauer zwischen Mexiko kein Satellit und erst recht keine Mauer - hier und den USA hat mit Sicherheit etwas mit gilt nur der gesunde Menschenverstand und total verfehlter Politik zu tun aber nichts mit ein großes Herz. Sicherheit in „des Wortes klarer Bedeutung“. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen In der Kommission „Innovation“ und in vie- sicheren Verlauf des schon arg gebeutelten len, uns angeschlossenen Instituten und Fir- Jahres 2017. Mögen Sie es managen können, men beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dass sowohl privat als auch geschäftlich Ihre vorausschauender Sicherheitsanalyse. Hier Sicherheit nie zu kurz kommen wird. Rudolf Weiler, seit mehreren Jahren werden z.B. Warnsignale für alle Arten von Präsident des BWA, ist mit seiner mit- Brand, Rauch, Vandalismus, Sektionsalarm telständischen Firma in der industriel- für Feuertüren und Einbruch entwickelt. len Elektroakustik tätig. Die Produkte Alleine eine Kombisirene für Feueralarm werden in allen industriellen Applikati- mit Signalton und Blitz darf heute nur nach onen, wie z. B. Automotive, Verkehr und einer aufwendigen und sehr teuren Freiga- Brandmeldung, eingesetzt. Mit eigenen bezertifizierung der zuständigen Normen- Produktionsniederlassungen in Asien stelle eingebaut und genutzt werden. Alle, in erwarb er sich Kenntnisse und Ansehen der Brandprotektion und Alarmierung zum im internationalem Geschäft und ist Einsatz kommenden, Teile unterliegen dieser Ihr Rudolf Weiler Träger des ersten Preises der Deutschen Normung. So schützt sich ein moderner Staat Außenwirtschaft. Vor Jahren gründete er schon im Vorwege gegen schlechte, billige den immer noch sehr aktiven „German und unzuverlässige Sicherheitskomponenten. Indian Round-Table“ und war Initiator Nicht weniger aufwendig ist die Früherken- vieler Delegationsreisen nach Asien, unter nung von Großbränden über Satelliten. Spezi- anderem Reisen wie: „Mittelstand goes to ell entwickelte Detektoren sind in der Lage z. India“. Im Präsidium des BWA vertritt er B. jedes einzelne Feuer zur Mittsommernacht die, in der Namensgebung durch das „A“ aus dem Orbit in Position, Größe und Inten- bestimmte, Außenwirtschaft. sität zu analysieren. Zudem wird durch die Beobachtung der Ausbreitungskriterien eine Steuerung der Löschung ermöglicht. Als Gründer und Inhaber einer Firma für sicherheitsrelevante Geräte und Kompo- Schutz von Heim und Hof haben bei fast allen nenten werde ich täglich mit dem Thema von uns ein totales Umdenken zum Thema Sicherheit konfrontiert. Neben der großen Sicherheit gebracht. Die Rauchmelder, schon Politik beschäftige ich mich stark mit den per Gesetz weit verbreitet, sind nicht nur eine technischen Fragen rund um Sicherheit. In gute Einnahmequelle für die Hersteller, son- Zeiten von Terror, Vandalismus, Meldungen dern ein echter Schutz für Leben und Eigen- über Einbruch und Mordserien oder einfach tum in unserer Gesellschaft. Als Ergänzung zu nur Unachtsamkeit im täglichen Leben greift einer vernünftigen Eigentumssicherung wird BWA |4|
Editorial Liebe Mitglieder, verehrte Senatorinnen und Senatoren, sehr geehrte Leserinnen und Leser, Dirk Bormann Kaum eine Debatte wird so emotional ge- chen so sachlich und geduldig auf die Fragen führt, wie die aktuellen Diskussionen zum der Journalisten antwortete. Und schließlich Thema „Sicherheit“. Der BWA hat sich haben wir auch Experten für Sicherheit und Dirk Bormann, Vorstandsvorsitzender des bereits im vergangenen Jahr mit dem Satz Sicherheitstechnik aus dem Kreise unserer BWA, ist freiberuflicher Unternehmer und „Deutschland ist sicher“ klar positioniert und Verbandsmitglieder gebeten, das Thema aus berät große Unternehmen aus dem Bau- sich damit einmal mehr für Besonnenheit in ihrer Sicht zu beleuchten und auf diese Weise bereich. Dem Vorstand des BWA gehört aufgeregten Zeiten ausgesprochen. Tatsäch- auch unternehmerische Facetten von Sicher- Bormann bereits seit 2009 an. Zuvor war lich ist niemandem damit geholfen, wenn heit zu zeigen - nicht nur aus Deutschland, der erfahrene Manager u.a. für die Philipp Ängste geschürt und bedrohliche Szenarien sondern auch international. Herausgekom- Holzmann AG Berlin, für die mittelständi- an die Wand gemalt werden, noch bringen men ist ein vielfältiger Blick auf ein Thema, sche Ingenieurbau GmbH, für die Hochtief Schuldzuweisungen und Sündenböcke uns das den Wahlkampf der kommenden Mo- AG sowie im Vorstand der Wayss & Freytag weiter. Gleichwohl sind viele Menschen in nate prägen wird – das jedenfalls ist sicher! Schlüsselfertigbau AG tätig. Deutschland und Europa verunsichert. Auch auf der internationalen Bühne über- Kurz vor Weihnachten ereignete sich – nur schlugen sich die Ereignisse in den ver- dieser Ausgabe über die vielfältigen Aktivi- einen Steinwurf von der BWA-Bundesge- gangenen Monaten. Der neue amerika- täten, die im BWA auf lokaler, regionaler, schäftsstelle entfernt – der schreckliche An- nische Präsident etwa liefert täglich neuen landesweiter und internationaler Ebene, im schlag am Berliner Breitscheidplatz. Lagen Gesprächs- und Diskussionsstoff, auch Senat und in den Kommissionen fortwäh- wir also falsch? Können wir wirklich behaup- in Europa erstarken nationalistische und rend laufen. ten, Deutschland sei sicher? Wir meinen: ja. rechtspopulistische Parteien. Ein halbjähr- In dieser Ausgabe haben wir uns bemüht, lich erscheinendes Magazin wie das BWA- Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre den faktischen und nüchternen Blick auf das Journal kann darauf freilich nicht tages- Thema zu legen und uns dafür an Experten aktuell reagieren. Dennoch haben wir uns gewandt. Wir haben mit dem Kriminologen bemüht, Meinungen zu sammeln und so die Thomas Feltes über tatsächliche und gefühl- Diskussionen, die in unserem Verband statt- te Risiken gesprochen, den Innenpolitiker finden, abzubilden. Unter der neuen Rubrik Wolfgang Bosbach nach wirksamen poli- „Meinungen“ ist ab sofort ein neues Forum tischen Maßnahmen gegen die Bedrohung geschaffen worden, das sich ganz explizit an durch sogenannte Gefährder gefragt. Wir ha- Sie, verehrte Leser richtet, um Ihren Meinun- ben mit dem Pressesprecher der Münchener gen und Kommentaren einen Platz zu bieten. Polizei Marcus da Gloria Martins geredet, der Nutzen Sie dies! in der Nacht nach dem Amoklauf in Mün- Wie in jedem Heft berichten wir auch in Ihr Dirk Bormann BWA |5|
Zentrale / Kommissionen Offenheit und klare Regeln Christian Wulff und Martin Kind beim Neujahrsempfang des BWA Es war ein gelungener, ein kurzweiliger und von inhaltlichen Bekenntnissen geprägter Abend am 24. Januar 2017 in Großburgwedel. Erstmals führte der BWA seinen Neujahrs- empfang in einem Landesverband, in Nieder- sachsen, durch. Der dortige Jahresauftakt ist schon seit Jahren eine feste Größe im Veran- staltungskalender des Landesverbandes. Mehr als 120 Unternehmerinnen und Unternehmer erfreuten sich am festlichen Ambiente des Hotels Kokenhof, das der Unternehmer und Fußballpräsident Martin Kind dem Verband für diesen Abend zur Verfügung gestellt hatte. Martin Kind war es dann auch, der nach ei- nigen einleitenden Worten des Vorstands- vorsitzenden Dirk Bormann und der Lan- desgeschäftsführerin Silvia Schüller die ersten inhaltlichen Akzente setzte. Sein Bekenntnis zum Mittelstand, zu Familienunternehmen und zur Offenheit unserer Gesellschaft auf allen Ebenen fand großen Anklang. Seine v.l.n.r.: Dirk Bormann, Silvia Schüller, Christian Wulff, Michael Schumann, René Leibold Beispiele machten deutlich, dass der Unter- nehmer Martin Kind nach einem sehr gu- einen klaren Appell an die Anwesenden, ihre Kraft für den Welthandel, für Freihandelsab- ten Jahr 2016 für die deutsche Wirtschaft Vorbildrolle wahrzunehmen. In den Firmen, kommen und für den Abbau von Hürden und durchaus auch positive Aussichten für das aber auch im Privaten gelte es, sich zu be- Grenzen einsetzen und jedem Protektionis- Jahr 2017 sieht. Er sehe es als seine Aufga- kennen und auch einmal zu widersprechen, mus oder gar Nationalismus entgegentreten, be, die Menschen auch auf dem Weg in die wenn „dummes Zeug“ erzählt werde. „Jede so Wulff weiter. Digitalisierung „mitzunehmen“ und ihnen Generation muss sich die Demokratie und Perspektiven aufzuzeigen. die Freiheit neu erkämpfen. Demokratie ist Dabei gelte es allerdings auch, neben der Of- nicht selbstverständlich“, so der ehemalige fenheit auch auf die Einhaltung klarer Regeln Bundespräsident a.D. Christian Wulff richtete Bundespräsident deutlich. Er blickte in die zu bestehen. Dies gelte nach außen wie im In- in seiner Festansprache in gleichem Sinne Geschichte und machte klar, dass die Weima- neren. Im Dialog mit den Teilnehmern nahm rer Republik daran gescheitert sei, dass sich er Bezug auf sein Zitat „Der Islam gehört zu wenige für sie eingesetzt hätten. Das dürfe zu Deutschland“ und betonte, dass er schon nicht noch einmal passieren: „Die Demokra- seinerzeit betont habe, dass dies natürlich tie klingelt nicht, wenn sie geht. Sie ist mit nur dann und wie für alle anderen Religionen einem Mal weg“, so Wulff weiter. Mit Blick auf und Weltanschauungen gelte, wenn die kla- die aktuelle Situation zitierte er Franz Kafka ren Regeln des Zusammenlebens in unserer und sagte „Wir können nicht den Sonnenun- Gesellschaft eingehalten würden. „Offenheit tergang bestaunen und uns dann wundern, und Law and Order“, so Wulff abschließend, dass es dunkel ist.“ das sei die Erfolgsformel, die zu befolgen es gerade in diesen Tagen gelte. Gelinge es aber, zum Beispiel durch konse- quentes Wählengehen aller konstruktiven Vor der mit viel Applaus honorierten Rede Kräfte, die offene Gesellschaft zu erhalten des Alt-Bundespräsidenten war durch die und zu stärken, habe Deutschland auch in Vorstandsmitglieder René Leibold und Mi- den derzeit unruhigen Zeiten gute Chancen, chael Schumann die Kooperation mit der führend zu bleiben. Gemeinsam mit China, Austrian Asian Association feierlich auf dem mit Russland, im Schulterschluss mit seinen Podium begangen worden. Daneben wurde europäischen Partnern gäbe es durchaus neue Stefan Griesemann, Geschäftsführer der Thie- und weitere Möglichkeiten. Ein Land, das me GmbH & Co. KG als neues Präsidiums- Unternehmer und Fußballpräsident einen Exportüberschuss von mehr als 300 mitglied in Niedersachsen geehrt und in den Martin Kind Milliarden Euro habe, müsse sich mit aller Präsidiumskreis aufgenommen. BWA |6|
Zentrale / Kommissionen Ostdeutsches Wirtschaftsforum erfolgreich BWA unterstützt „Davos am Scharmützelsee“ „Liegt denn Davos nun am Scharmützel unserer Zeit und kommentierte auch die nikmesse in München verzeichne man bereits See?“ Mit dieser Frage begann die Festan- Präsidentschaftswahl in den USA. einen deutlichen Rückgang von Besuchern sprache von Sigmar Gabriel, im Oktober aus Fernost. 2016 noch als Bundeswirtschaftsminister, Das sehr aufmerksame Fachpublikum, ca. heute Außenminister, anlässlich des ersten 120 Teilnehmer, hatte zum Schluss der Rede Das ostdeutsche Wirtschaftsforum fand vom Ostdeutschen Wirtschaftsforums (www. die Möglichkeiten zur Fragestellung und 20. bis 22. Oktober 2016 im Bad Saarower owf2016.de) in Bad Saarow. nutzte diese Gelegenheit intensiv. Von Seiten Hotel Arosa statt. Neben dem Festvortrag des BWA, Kooperationspartner der Veran- von Bundesminister Gabriel gab es ein viel- Der Vergleich mit Davos war von den Veran- staltung, wurde an Minister Gabriel das The- seitiges und gut besetztes Programm. Hierzu staltern erwünscht. So ging der Minister auch ma: „Wie sehen andere Nationen, besonders waren fast alle mittel- und ostdeutschen Mi- sehr intensiv auf diesen Vergleich ein und aus Asien, die persönliche Sicherheitslage nisterpräsidenten sowie ranghohe Wissen- versuchte, eine Brücke zwischen den Zielen für ausländische Besucher in Deutschland“, schaftler und Wirtschaftsexperten angereist. von Davos und Bad Saarow zu schlagen. Dass herangetragen. Eine zentrale Frage, für die Alle Teilnehmer und die Veranstalter zogen dabei der Unterschied zwischen den Zielset- der BWA bereits die Bundesregierung in eine positive Bilanz und setzen darauf, dass zungen noch gewaltig ist, liegt auf der Hand. Berlin angeschrieben hat und auf einen ent- diese wichtige Initiative zu einer regelmäßi- Man konnte jedoch auch erkennen, dass das, sprechenden Dialog setzt. gen Einrichtung werden wird. Der Termin was Davos für die europäische Wirtschafts- für dieses Jahr, der 17. bis 20. Oktober, steht entwicklung bedeutet, bei Bad Saarow eine Im Vorfeld zu Gabriels China-Besuch bat jedenfalls bereits ebenso fest wie die Tatsa- wichtige Position für die Entwicklung in Ost- BWA-Präsident Weiler ihn, dieses Thema che, dass der BWA erneut Kooperationspart- deutschland und Osteuropa werden könnte. dort besonders anzusprechen. Für beson- ner sein wird. ders wichtig halte der BWA eine deutsche Der Minister beschrieb dann auch die Chan- Reaktion auf die Befürchtungen in Asien, cen und Probleme in den genannten Gebie- Deutschland sei kein sicheres Reiseland ten, schlug den Bogen zu den internationa- mehr, im Übrigen auch im Hinblick auf den len Wirtschaftskrisen und Entwicklungen Messestandort Deutschland. Bei der Elektro- Bundesminister Sigmar Gabriel, Bild: W+M/Ralf Succo BWA |7|
Zentrale / Kommissionen Digitalisierung jetzt! Wie kommen Innovationen in den Mittelstand? Politisches Frühstück der Allianz der Verbände im Haus der Commerzbank Die Bedeutung des Themas Digitalisierung dokumentiert allein die Anzahl der Veran- staltungen, die aktuell im politischen Berlin stattfinden. Die Allianz der Verbände be- leuchtete mit ihrem politischen Frühstück das Thema Digitalisierung aus einer Perspek- tive, die häufig vernachlässigt wird, nämlich mit einem klaren Fokus auf den Mittelstand. Dass der Mittelstand besondere Beachtung verdient, unterstrich Joachim Köhler, Leiter des Startup & Digital Hub Berlin der Com- merzbank. Die Berliner Startup-Szene ent- wickelt sich in atemberaubender Geschwin- digkeit, doch die Förderung beschränke sich im Wesentlichen auf die DAX-30-Konzerne. Der breite Mittelstand fehle, so Köhler. Der Mittelstand sei dabei aber einer Doppelbe- lastung ausgesetzt: Er müsse eine Investition stemmen und zugleich auch ggf. dem Druck Digitale Kompetenz sei entscheidend im in der Vergangenheit“, so Fischer. Um Inno- neuer, konkurrierender Geschäftsmodelle internationalen Wettbewerb, dessen Kräf- vationen als einen Transformationsprozess standhalten. Kooperation sei in diesem Um- teverhältnisse sich gegenwärtig verschieben. für alle Unternehmensbereiche zu begreifen feld ein zentraler Erfolgsfaktor. Studien, die gerade einmal 30-35 % der Un- und voranzutreiben, bedürfe es Investitions- ternehmen in Deutschland als „digital ready“ bereitschaft in einen Prozess, dessen Ausgang Tankred Schipanski, Obmann der CDU/ einstufen, mahnten zu dringender Besserung: nicht vollständig absehbar sei. Innovationen CSU-Fraktion im Ausschuss Digitale Agen- „Digitalisierung ist nicht mehr nur ein Stück müssten einfach verständlich und mit ausrei- da, unterstrich die Bedeutung von Praxisbei- Software, dass ich einkaufe, um meine Prozes- chenden Projektressourcen ausgestattet sein. spielen, die Digitalisierung greifbar machen se zu verbessern. Digitalisierung ist die Frage Mit einem klar definierten Projektteam und und zur Umsetzung inspirieren können. Die wie und womit verdiene ich zukünftig mein einer gewissenhaften Umfeld- und Risikoana- aktuell zehn Mittelstand 4.0-Kompetenzzen- Geld?“ Nichts werde offline bleiben, unter- lyse ließen sich Innovationsprozesse planvoll tren sollen diese Aufgabe mit ihren unter- strich Frese, denn der Trend zum Internet vorantreiben. schiedlichen Themenschwerpunkten leisten. der Dinge wird in den nächsten Jahren die Flankierend müssten auch die Rahmenbe- industrielle Produktion deutlich verändern. In seinem Kommentar ging Bastian Kneissl, dingungen für Innovationen im Mittelstand Auch die Beständigkeit von Geschäftsmo- CEO der MapCase Media GmbH, besonders verbessert werden. Dazu zählten eine konse- dellen wird sich verringern. Wirtschaftli- auf den Aspekt der digitalen Kompetenz quente Fachkräftesicherung, ein flächende- chen Erfolg definiert sich zukünftig über ein. Viele Unternehmen betrieben bereits ckender Ausbau des digitalen Hochgeschwin- Reaktionsschnelle und Anpassungsfähigkeit. Onlinekanäle, die wertvolle Daten generie- digkeitsnetzes sowie verbesserte Sicherheit Mittelständischen Unternehmen attestiert ren. Doch die bewusste Verknüpfung dieser und Schutz von IT-Systemen. Ferner soll Frese diese Fähigkeit im Grundsatz. Kanäle zur Analyse bzw. zur Voraussage von mit dem Open-Data-Gesetz Unternehmen Kundenverhalten finde kaum statt. Grund der Datenschatz des Bundes geöffnet wer- Das Thema Anpassungsfähigkeit griff auch hierfür ist in Kneißls Augen ein mangelndes den. Daten, der Rohstoff der Zukunft, sollen Christian Fischer, kaufmännischer Leiter Bewusstsein für das enorme Potenzial. So- zukünftig auch im Mittelstand innovative der TecArt GmbH auf. Innovation sei nicht gar kleine Unternehmen könnten aus ihren Geschäftsmodelle vorantreiben. nur etwas technologisches, sondern betreffe Kundendaten entscheidende Informationen die gesamte Bandbreite von Organisations-, ziehen. Für Kneissl ist der Mittelstand in Oliver Frese, als Vorstand der Deutschen Produktions- und Vermarktungsprozessen. dieser Hinsicht zu langsam und so mahnte Messe AG verantwortlich für die CeBIT, Erfolgreiche Organisationen denken diese er eine höhere Risikobereitschaft an. unterstrich, dass Chancen und Risiken der Prozesse neu, verkürzen sie, bauen sie um neuen digitalen Ära noch schwer abzuschät- und verknüpfen sie mit Menschen. „Es ist Die Kritik Kneissls, dass Unternehmen zen seien. Die aktuell gut gefüllten Auftrags- verrückt, die gleichen Dinge zu tun, die man bzw. Entscheider nicht in der Lage seien, bücher mögen darüber hinwegtäuschen, was schon immer getan hat, und dabei zu erwar- Innovationen zu verstehen und deren un- mittelfristig auf Unternehmen zukomme. ten, dass man andere Ergebnisse erzielt als ternehmerische Chancen zu nutzen, wurde BWA |8|
Zentrale / Kommissionen Perspektive ergänzte Tankred Schipanski, dass Bürger und Unternehmen besser an das Thema herangeführt werden müssen. Gerade im Hinblick auf Datenschutz und Automa- tisierung müssten große Ängste abgebaut werden. Besonders im Bereich Big Data dürfe aber dennoch nicht zu stark reguliert werden, um keine Hindernisse für neue Geschäftsmo- delle aufzubauen, so Schipanski weiter. Die Allianz der Verbände ist ein Projekt füh- render mittelständischer Unternehmensver- bände, die es sich zum Ziel gesetzt haben, brennende Fragen für den Mittelstand ge- meinsam anzugehen. Als Koalition vereint die Allianz unterschiedliche Perspektiven auf und aus dem Mittelstand und entwickelt diese zu einer gemeinsamen, branchenüber- greifenden Position. in der anschließenden Diskussion mehrfach Deutschland hinke in der Fachkräfteausbil- aufgegriffen. Aufträge für Startups kämen dung massiv hinterher. Kontaktpunkte, wie so erst gar nicht zustande, so Kneissl weiter. die Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren, seien Aus Startup-Perspektive wurde im Plenum ein wichtiger erster Schritt, um Unternehmen angemerkt, sei auch bei öffentlichen Auf- an die Möglichkeiten der Digitalisierung traggebern ein Mangel an Mut zu beklagen. heranzuführen. Oliver Frese bestätigte, dass Eine Kooperation mit Startups würde oft dieser Bedarf an Kontaktpunkten kontinuier- aufgrund der unklaren Aussichten in der lich wachse. Auch die CeBIT müsse sich an Geschäftsentwicklung oftmals nicht in einge- diese neuen Bedürfnisse anpassen. Besucher gangen. Eine weitere Sorge, die mehrfach aus erwarten konkrete und greifbare Beispie- dem Plenum geäußert wurde, ist der enorm le und möchten die Messe mit konkreten hohe Ausbildungs- und Beratungsbedarf. Lösungsansätzen verlassen. Aus politischer Tankred Schipanski, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss Digitale Agenda BWA |9|
Zentrale / Kommissionen Chefs am Limit BWA-Kaminabend mit Gerhard Nagel in Berlin Auf Initiative des BWA fand im Haus Cum- Gruppe und einer Einleitung von BWA- Grenzbereiche sind. Dabei wurde klar, dass berland in Berlin ein Kaminabend mit dem Vorstandsmitglied René Leibold, begann Höchstleistung und Emotion untrennbar ver- Sachbuch-Bestseller-Autor und Coach Ger- Gerhard Nagel seinen mehr als einstündigen bunden sind und der Versuch, sich selbst „zu hard Nagel statt. In Kooperation mit Satellite Vortrag darüber, wie und warum „Chefs“ auf managen“ dauerhaft kaum zu realisieren ist. Office waren Senatorinnen und Senatoren des allen Ebenen immer wieder an ihre „Limits“ BWA eingeladen worden, um den Change- stossen. Stetiges Nicken des Publikums mach- Zahlreiche Geschichten erzeugten bei den Manager Gerhard Nagel zum Thema „Chefs te deutlich, dass Gerhard Nagel - seit 2014 Gästen Momente des „Wiedererkennens“ am Limit“ zu hören. Der ursprünglich ange- Mitglied des BWA - ins Schwarze traf mit den im eigenen Unternehmertum und auch ei- dachte Teilnehmerkreis von 12 Gästen musste Berichten aus unternehmerischer Erfahrung nige „Aha“-Momente, die in der folgenden schon nach 2 Tagen auf 20 Teilnehmer erwei- und Analysen der Situationen. Der versierte Diskussion lebhaft erörtert wurden. So be- tert werden, die sich in gemütlicher Runde in Coach machte deutlich, welche Muster an gann ein intensiver Dialog, bei dem fast alle den ausgesucht schönen Räumen des Business die Grenzen und auch über die Grenzen der Teilnehmer Beiträge leisteten, Fragen stellten Center am Kurfürstendamm trafen. Belastung hinaus typisch sind für viele Füh- und eigene Erfahrungen einbringen konnten. rungskräfte. Er zeigte anhand anschaulicher Abgerundet wurde der Abend von einem ku- Nach einigen Begrüßungsworten von Ani- Beispiele auf, welche Symptome eindeutige linarischen get together bei bester Stimmung. ta Gödiker, Inhaberin der Satellite Office Zeichen für das Erreichen der persönlichen Nachhaltiges Bauen weltweit fördern BWA fordert mehr Engagement der Bundesregierung Auf dem Eco2 Cities Forum des Bundesver- Auf dem Eco2 Cities Forum des BWA dis- Eco2 City Masterplan der nordchinesischen bandes für Wirtschaftsförderung und Außen- kutierten Vertreter aus Wirtschaft und Dip- Stadt Anshan. Die Veranstaltung wird von wirtschaft (BWA) im Berliner Waldorf Astoria lomatie anhand von Beispielen aus Theorie der DU Diederichs AG unterstützt, einer der Hotel forderte Professor Bernd Bötzel, Vor- und Praxis Konzepte nachhaltiger Stadtent- führenden Projektmanagementgesellschaf- stand DU Diederichs AG, Gründungsmitglied wicklung. Schwerpunkte in diesem Jahr wa- ten in den Bereichen Stadtentwicklung und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges ren der neue Smart City Development Index komplexe Bauvorhaben und Vorreiter bei der Bauen (DGNB) und Leiter der BWA Fach- der Unternehmensberatung Roland Berger Gestaltung der Entwicklung des Nachhaltigen kommission Architektur, Stadtentwicklung und der von LCS Holdings entwickelte Bauens in Deutschland. und Gebäudetechnik, mehr Engagement der Bundesregierung bei der Propagierung deut- scher Standards für eine nachhaltige Stadt- entwicklung im Ausland. Es sei bedauerlich, dass deutsche Zertifizierungssysteme wie die des DGNB gegenüber ihren angelsächsischen Pendants LEED und BREEAM im Ausland kaum zur Geltung kämen. „Fast jeder Entwickler in Asien zieht eine Zertifizierung nach LEED dem DGNB Stan- dard vor.“, ergänzte Claus Treppte, CTO des Planungsbüros und Projektentwicklers LCS Holdings aus Shanghai. „Kein Wunder, wenn LEED Platinum-Auszeichnungen vergibt. Wer will schon ein DGNB Gold-Zertifikat für nachhaltiges Bauen, wenn er auch Pla- tin haben kann.“ Schlechtes Marketing und mangelnde politische Unterstützung seien die Hauptgründe für die fehlende Durch- setzungskraft deutscher Sustainable Building Standards im Ausland. Hier sei die Bundes- Links: Prof. Bernd Bötzel / Rechts: Claus Treppte bei ihren Vorträgen regierung gefordert. „Smart Citis – Lebenszeit und Kosten sparen“ bzw. „Eco² Stadtentwicklung“ BWA | 10 |
Zentrale / Kommissionen Neue Experten für die „Denkfabrik“ des BWA Fünf Senatoren beim BWA-Abend in Stromberg inthronisiert Gleich fünf neue Senatoren bereichern den BWA-Vizepräsident Dr. Jan Schröder ge- In der Diskussion über die umstrittenen BWA ab sofort mit ihrem Wissen und ihren leitete Arbeitsgruppe „Fachkräftesicherung Handelsabkommen CETA und TTIP erin- Erfahrungen. BWA-Präsident Rudolf Wei- und Bildung“ aktuell ein Neun-Punkte-Papier nerte der rheinland-pfälzische Justizminister ler und BWA-Vorstandsmitglied Wolfram vorgelegt, das die Voraussetzungen für eine Herbert Mertin daran, welchen positiven Nowsch verliehen den neuen Senatoren im gelingende Integration von Flüchtlingen ver- Einfluss ein reger Außenhandel in der Regel Rahmen eines Diskussionsabends in Strom- deutliche. „Wir sollten insbesondere mit Blick auf die Wirtschaft eines Landes habe. „Dar- berg (Kreis Bad Kreuznach) ihre Urkunden. auf den Fachkräftemangel die Chancen und auf beruht auch unser Wohlstand, insofern Gastgeber des Abends in dem Restaurant Potenziale sehen und konsequent nutzen, um sägen wir bei diesem in Deutschland schlecht „Le Val d‘Or“ des bekannten Sternekochs eine Gewinnsituation für Flüchtlinge und besetzten Thema an dem Ast, auf dem wir alle Johann Lafer war Thomas Sapper, BWA-Vi- Wirtschaft zu erzeugen“, so Sapper. Vor allem sitzen.“ Angst sei auch in dieser Debatte ein zepräsident und Präsident des Europäischen die Verwaltungsprozesse müssten beschleu- schlechter Ratgeber. Fertigbauverbands (EFV). nigt und dereguliert werden, um Unterneh- men unkompliziert die Beschäftigung von China Tours-Geschäftsführer Liu Guosheng Dem Senat des BWA gehören führende Per- Flüchtlingen zu ermöglichen. Doch damit nahm die Tischgäste gedanklich mit auf eine sönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, sei es nicht getan: „Aus eigener Erfahrung bei Reise in das Reich der Mitte, erklärte anek- Medien und Kultur sowie Repräsentanten aus der DFH kann ich sagen: Ohne Spracherwerb dotenreich bislang weniger bekannte Beson- Politik, Diplomatie und dem öffentlichen Le- und soziale Eingliederung geht es nicht. Wir derheiten und richtete sich schließlich mit ben an. Aufgabe der Senatoren ist es, Wissen dürfen Flüchtlinge nicht sich selbst überlassen, einem herzlichen Appell an die Zuhörer: und Erfahrungen aus ihren Bereichen in die wenn wir sie erfolgreich in den Arbeitsmarkt „Deutschland ist sehr hoch angesehen in Verbandsarbeit einzubringen und den BWA integrieren möchten.“ China. Deshalb ergeben sich für deutsche in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Unternehmen dort enorme Chancen“, meinte Die Tischgäste stimmten dem einhellig zu. der gebürtige Chinese. Auch Mittelständler Zu den weiteren Gästen des Abends zählten Bislang seien selbst bei Migranten, die sich sollten nicht davor zurückscheuen, die Auf- Herbert Mertin, Justizminister in Rheinland- bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten nahme von Geschäften in China anzustreben. Pfalz, Simmerns Stadtbürgermeister Dr. in Deutschland aufhielten, häufig Verständi- Andreas Nikolay sowie Marco Hepp, Ge- gungsschwierigkeiten vorhanden. Insbeson- Nach weiteren Diskussionsbeiträgen zu den schäftsführer des Trocken- und Innenausbau- dere im direkten Kundenkontakt, etwa bei Themen Außenhandel und Innovationsförde- spezialisten Hepp. Gemeinsam mit Gastge- Handwerkern, seien Deutschkenntnisse aber rung klang der Abend aus. „Jetzt freuen wir ber Thomas Sapper nutzten BWA-Präsident unerlässlich. In vielen anderen Bereichen gehe uns auf die weitere Zusammenarbeit mit den Rudolf Weiler und BWA-Vorstandsmitglied es auch ohne Wirtschaftsenglisch kaum. Der fünf neu ernannten Senatoren“, so Gastgeber Wolfram Nowsch zum Auftakt des Abends die Spracherwerb sei daher einer der wichtigsten und BWA-Vizepräsident Thomas Sapper. Gelegenheit, Aufgabenbereiche und Ziele des Faktoren für eine gelingende Integration. BWA näher darzustellen. „Wir ebnen für unse- re Mitglieder Wege, sprechen Empfehlungen an Politiker aus, unterstützen Innovationen und fördern die Außenwirtschaft“, so Weiler. In insgesamt sieben Kommissionen seien Mit- glieder aktiv, um gemeinsam Positionen zu den wichtigsten Themen, die Unternehmer betreffen, zu erarbeiten und Vorschläge für die Verbesserung von Rahmenbedingungen auszusprechen – immer orientiert am Leitbild einer ökosozialen Marktwirtschaft. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass im BWA mehrheitlich Unternehmer vertreten sind“, ergänzte Nowsch. „Wir können mit unserem Netzwerk mehr Nutzen erzeugen, als manche Nichtmitglieder vielleicht denken.“ Nach Übergabe der Urkunden an die neuen Senatoren leitete Gastgeber Sapper zu ak- tuellen Diskussionsthemen aus der BWA- Kommissionsarbeit über. So habe die von Gastgeber des Abends war BWA-Vizepräsident Thomas Sapper. Foto: DFH BWA | 11 |
Zentrale / Kommissionen Gelingende Integration schafft Sicherheit Empfehlungen der BWA-Kommission „Fachkräftesicherung und Bildung“ schläge von Würzburg und Ansbach sowie die ebenso für die längst überfällige Einführung Dr. Jan Schröder vereitelten Anschlagspläne auf einen Berliner eines Integrationsgesetzes. Flughafen senden beunruhigende Signale aus. Empfehlungen der BWA-Kommission “Fach- Es entsteht eine schwierige Gemengelage: kräftesicherung und Bildung“ zielen zudem Unionsfraktionsvize Michael Fuchs betonte darauf ab, regionale Wirtschaftspolitik en- anlässlich der Übergriffe im Februar 2016 ger mit arbeitsmarktpolitischen Ansätzen zu „Diese widerlichen Anfeindungen gegen verzahnen: Flüchtlinge sind für das deutsche Image im Ausland Gift.“ Spiegel-online titelte am 07. Juli • Verstehen Sie Geflüchtete als Kunden- 2016 „Die Willkommenskultur verabschiedet gruppe und nutzen Sie das Wissen Geflüch- sich.“ Grundlage ist eine Studie der Uni Bie- teter über die Konsumgewohnheiten ihrer lefeld und der Mercatorstiftung, welche die Landsleute. Über eine Million Menschen ambivalente Haltung der Bevölkerung zur bauen sich in den kommenden Jahren bei Integration Geflüchteter widerspiegelt. wachsender Kaufkraft eine Zukunft in Deutschland auf. Damit sind eine Fülle an Schaut man jedoch genauer hin, kann man Erstanschaffungen der neuen Haushalte ver- feststellen, dass das Engagement von Wirt- bunden. schaft und Gesellschaft weiterhin ungebro- • Suchen Sie gemeinsam mit den Kam- chen ist. ProBeruf ermöglicht in Baden-Würt- mern nach Wegen, Spracherwerb, Ausbil- temberg das Kennenlernen handwerklicher dung und Erwerbsarbeit Geflüchteter pa- Berufe, die reDI-School setzt in Berlin auf rallel zu führen. Geflüchtete sind oftmals Dr. Jan Schröder ist mit seinem Beratungs- Digitale Integration, das „Welcome Integrati- nicht mehr in der Altersgruppe, die noch unternehmen seit über zwei Jahrzehnten on Network“ unterstützt in Potsdam Betriebe drei Jahre die Schulbank drückt. Viele müs- in der Gestaltung sozial-ökonomischer bei der Integration. Diese drei Beispiele ste- sen Schlepper oder Familiennachführung Innovationen aktiv. Schwerpunkte des Un- hen für viele andere. Das Hessische Projekt finanzieren. Frühzeitige Möglichkeiten der ternehmens liegen in der Beratung und „Chance Arbeitsmarkt“ wird in diesem Heft Erwerbsarbeit verhindern das Abdriften in Gestaltung von Governance-Netzwerken näher vorgestellt. Graubereiche des Arbeitsmarktes. an der Schnittstelle von Arbeitsmarkt, • Regen Sie gezielt Arbeitsmarktaktivitä- regionaler Wirtschaft und nachhaltiger Dieses Engagement gilt es zu erweitern, denn ten in regionalen Schlüsselbranchen mit ab- Gesellschaftspolitik. im gelebten Miteinander entsteht Sicherheit sehbarer Fach- und Arbeitskräfteknappheit - Sicherheit im Umgang miteinander und an. Es wird erhebliches Potential verspielt, Sicherheit, dass gemeinsam der oft mühsame wenn Geflüchtete im Niedriglohnsektor Unsicherheit über den einzuschlagenden Weg gelingender Integration bewältigt wer- hängenbleiben. Kurs – dies prägt die Integrationspolitik in den kann. Hierfür engagiert sich der BWA, Deutschland. Das Integrationsgesetz sendet widersprüchliche Signale. Der Zugang zu Ausbildungen und qualifizierter Arbeit wird durch die 3+2 Regelung erleichtert. Auf der anderen Seite werden 100.000 Ein-Euro-Jobs geschaffen. Hierzu meint Ronald Bachmann vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) „Öffentlich geförderte Arbeitsgelegenheiten erscheinen nicht als der richtige Weg, Flüchtlinge in Ar- beit zu bringen“. An die Seite der Unsicherheit tritt ein gerüt- telt Maß Verunsicherung - bei der hiesigen Be- völkerung ebenso wie bei Geflüchteten. Mehr als 360 Verletzte bei Angriffen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte dokumentieren pro Asyl und die Antonio Amadeu Stiftung seit Anfang 2015. Die Silvesternacht in Köln, die An- BWA | 12 |
Zentrale / Kommissionen Aus Flüchtlingen werden Fachkräfte – Impulse aus der Praxis Erste Erfahrungen aus dem Lahn-Dill-Kreis und dem Landkreis Limburg-Weilburg Seit Herbst 2015 werden im Projekt „Chance Arbeitsmarkt“ Wege der bestmöglichen beruf- lichen Integration von Flüchtlingen entwi- ckelt. Inzwischen liegen erste Erfahrungen aus der Praxis vor. Die Gruppe der Geflüchteten ist sehr heterogen in Bezug auf Herkunfts- land, Stadt/Land, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht und Bildungsstand. Rund 70% der Projektteilnehmenden sind zwischen 18 und 40 Jahre alt und stellen ein großes Potenzial an Arbeitskräften dar. Die Mehrheit der Geflüchteten wird mittelfris- tig in Deutschland leben. Die Bereitschaft der Betriebe, Flüchtlinge in Betriebspraktika aufzunehmen, ist weiterhin groß. Dem steht aktuell eine relativ geringe Anzahl von Aus- bildungs- und Arbeitsverträgen im Anschluss an das Praktikum gegenüber. Im September 2016 waren bundesweit 687.000 offene Stellen gemeldet. Gesucht werden Fachkräfte für Verkehr und Logistik, Verkauf, Personen mit technischen Qualifi- tenzial gesucht. Der Bedarf auf Helferniveau Die aufgeführten Nachqualifizierungsmög- kationen und Gesundheitsberufe. Im August wird weiter sinken. Flüchtlinge über 27 Jahre lichkeiten bestehen grundsätzlich bereits – bis waren 20.000 Einstellungen von Geflüch- legen ihre Priorität auf Erwerbsarbeit, nicht auf die Variante für die Vermittlung des the- teten bei der Bundesagentur für Arbeit er- auf eine Ausbildung im dualen System. Die oretischen Parts. Um individuell zugeschnit- fasst: Schwerpunkte liegen bei Zeitarbeit, der vorhandenen Deutsch-Kenntnisse wären auch tene Lernpläne umzusetzen, die inhaltlich Logistikbranche und dem Reinigungs- und eine zu große Hürde, um den theoretischen den betrieblichen Anforderungen – auch Gastgewerbe. Anforderungen in der Berufsschule folgen Schichtplänen – entsprechen, ist jedoch nur zu können. eine auf den einzelnen Betrieb zugeschnittene Die Betriebe treffen zu einem sehr hohen An- Variante erfolgversprechend. Für die Vermitt- teil auf motivierte und interessierte Bewerber Notwendig ist daher eine Gesamtstrategie lung der theoretischen Inhalte im Betrieb sind und Bewerberinnen. Meist fehlt eine fun- mit flexiblen modularen Programmen zum externe Unterstützungsleistungen notwendig dierte systematische Kompetenzfeststellung Berufseinstieg und zur Qualifizierung, die (Finanzierung durch Wirtschaftsministerium, der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters, auf mehrere Jahre angelegt sind. Arbeitsagentur, Jobcenter…). Das kann über die den Personalverantwortlichen eine Vor- staatliche Zuschüsse erfolgen. Eine weitere stellung über das Potenzial erlauben würde. Kern ist dabei der Ausbau der berufsbeglei- Option wäre ein bei den Kammern angesie- Die Anzahl der Schulbesuchsjahre lässt nur tenden bzw. berufsintegrierten Nachqualifi- delter Fachkräfte-Pool – wie Seniorkräfte. bedingte Rückschlüsse auf den Bildungsstand zierung mit folgenden Elementen: zu. In unserem Berufsbildungssystem gehen Der Zugang zu dieser arbeitsintegrierten Qua- wir in der Regel von Qualifikationsnachwei- • Berufsbezogene Deutschförderung mit lifizierung sollte allen Interessierten offen ste- sen aus, die durch Abschlüsse belegt sind. beruflicher Qualifizierung – vorrangig hen: bereits Beschäftigten, Arbeitssuchenden/ Das ist bei Menschen aus Ländern wie Sy- im Arbeitsprozess – verbinden Erwerbslosen und auch Geflüchteten. rien, Irak, Iran, Somalia oder Eritrea nur bei • Qualifizierungsmodule in Arbeitsver- Hochschulabschlüssen der Fall. Etwa 70 % der hältnisse integrieren Flüchtlinge können diesen Nachweis nicht • Zertifizierung der Qualifizierungs- führen. Die Anerkennung informell erwor- abschnitte durch die Kammern bener beruflicher Kompetenzen ist je nach • Ermöglichen externer Berufsabschlüsse Branche und Einsatzgebiet noch im Aufbau. durch das Absolvieren von Qualifizie- rungsmodulen Aus betrieblicher Sicht werden Mitarbeiter • Theoretische Qualifizierungsinhalte im und Mitarbeiterinnen mit Entwicklungspo- Lernort Betrieb vermitteln BWA | 13 |
Schwerpunkt Sicherheit „Da machen Sie sich mal keine Sorgen“ Interview mit Wolfgang Bosbach, MdB BWA-Journal: Ist die Welt, ist Europa aus wir nie Freiheit und Sicherheit gegeneinan- Wolfgang Bosbach Ihrer Sicht unsicherer als vor zehn Jahren? der ausspielen. Freiheit und Sicherheit sind Und inwieweit ist es damit auch Deutsch- zwei Seiten derselben Medaille. Aktuell geht land? es um eine bessere personelle und technische Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden Wolfgang Bosbach: Vergleicht man die ak- und eine bessere internationale Vernetzung tuelle weltweite Sicherheitslage mit der von der Daten und Erkenntnisse über die grenz- 2006 muss man leider feststellen, dass die überschreitende, organisierte Kriminalität, meisten Regionen nicht friedlicher, nicht nicht nur beim Kampf gegen den Terror. stabiler geworden sind und dass die Zahl der Alleine in nationalen Grenzen lassen sich Krisenherde stetig größer wird. Der anhal- diese Herausforderungen nicht mehr erfolg- tende Konflikt in der Ost-Ukraine oder die reich bewältigen. humanitäre Tragödie in Syrien sind hierfür nur zwei Beispiele von vielen. Über 60 Mil- Ist mehr Videoüberwachung eigentlich not- lionen Menschen sind zurzeit weltweit auf wendig oder ist das eher symbolisch für das der Flucht. Eine so hohe Zahl hatten wir seit Gefühl sicher zu sein? dem Zweiten Weltkrieg noch nie. Gezielte Videoüberwachung an Gefahren- Bild © CDU Rheinisch-Bergischer Kreis Welche Sorgen müssen wir uns als Staat schwerpunkten ist im wahrsten Sinne des machen und welche als Bürger? Wo können Wortes notwendig. Aus der Erfahrung wis- Geboren am 11. Juni 1952 in Bergisch wir weiterhin „sorglos“ sein? sen wir, dass der gezielte Einsatz dieser Tech- Gladbach; römisch-katholisch; verheiratet; nologie helfen kann Straftaten zu verhindern, drei Kinder. Deutschland ist seit langer Zeit Teil eines aber auch Straftaten aufzuklären und Straf- weltweiten Gefahrenraumes und wird seit täter zu überführen. Eine flächendeckende 1968 Mittlere Reife; Ausbildung zum Ein- Jahren immer wieder ausdrücklich als po- Videoüberwachung ganzer Stadtteile – wie zelhandelskaufmann bei der Konsumge- tentielles Anschlagsziel des islamistisch-mo- in London – ist bei uns weder notwendig nossenschaft Köln eG/COOP West AG; tivierten Terrors genannt. Mit Sorglosigkeit noch sinnvoll oder gar geplant. Beim The- Supermarktleiter; Besuch der Rheinischen sollte man diesen Gefahren nicht begegnen. ma „Videoüberwachung“ sollte man diffe- Akademie in Köln mit Abschluss „Staatlich Wir brauchen immer beides: Aufmerksam- renzieren zwischen der Beobachtung und geprüfter Betriebswirt“; Abitur auf dem keit und Entschlossenheit beim Kampf ge- Aufzeichnung, das sind zwei verschiedene zweiten Bildungsweg; Studium der Rechts- gen den Terror und gegen die Kriminalität Sachverhalte, die leider immer wieder mitei- wissenschaften an der Universität Köln; in all ihren Erscheinungsformen, aber auch nander vermengt werden. Wenn durch den 1988 erstes und 1991 zweites juristisches ein gewisses Maß an Gelassenheit im Alltag. Einsatz dieser Technik Gefahrenräume für Staatsexamen. Wenn wir einmal damit beginnen, unser die rechtstreue Bevölkerung zurückerobert Leben aus Angst vor dem Terror grundlegend werden können und wenn sich dadurch das Seit 1991 Rechtsanwalt in der Kanzlei zu ändern, dann haben die Terroristen ge- Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verstärkt, Winter, Jansen & Lamsfuß in Bergisch wonnen. Diesen Triumph sollten wir ihnen wäre dies eine gute Entwicklung. Gladbach. nicht gönnen. Ist der Preis, Freiheitsrechte und Privat- 2000 bis 2006 Mitglied im Kuratorium Welche Maßnahmen kann die Politik ei- sphäre einzuschränken, nicht zu hoch ge- der Stiftung „Erinnerung, Verantwor- gentlich ergreifen, um sich gegen Terror genüber den eigentlichen Erfolgen vieler tung und Zukunft“; Mitglied im Verein zu schützen? Was muss aus Ihrer Sicht jetzt Maßnahmen? „Gegen Vergessen - für Demokratie e.V.“; aktuell getan werden? Mitglied des Gesellschaftsausschusses der Bei jeder einzelnen Maßnahme müssen wir Bayer 04 Sportförderung GmbH; Präsi- Die Politik hat seit dem 11. September 2001 sehr genau abwägen zwischen einem zusätz- dent der KG „Große Gladbacher von 1927 nicht nur in Deutschland eine ganze Fülle lichen Gewinn an Sicherheit und einem e.V.“; Verdienstorden Bul le mérite vom von Maßnahmen zur Stärkung der inneren möglichen Verlust oder einer möglichen Bund deutscher Kriminalbeamter; Lehrer- Sicherheit beschlossen – organisatorisch Einschränkung von Freiheit. Zugegeben: Welsch-Preis des Vereins Deutsche Sprache; und gesetzgeberisch. Wir haben systema- Die aufwändigen Personen- und Gepäckkon- Orden für Zivilcourage und Charakter tisch Schutzlücken geschlossen, ohne dabei trollen an Flughäfen sind zeitraubend, teuer der Bürgergesellschaft Köln-Thielenbruch; Maß und Mitte aus den Augen zu verlieren. und verkomplizieren den Reiseverkehr nicht Auszeichnung für Zivilcourage des Freun- Für uns gilt nach wie vor: Wir wollen so viel unerheblich – aber aufgrund der bitteren Er- deskreises Heinrich Heine in Düsseldorf. Freiheit wie möglich – aber auch so viel Si- fahrungen der Vergangenheit bei Anschlägen cherheit wie nötig. Vor allen Dingen sollten gerade auf den Luftverkehr wissen wir alle, BWA | 14 |
Schwerpunkt Sicherheit Wolfgang Bosbach (CDU) ist seit 1994 Mitglied des deutschen Bundestags, Foto: Tobias Koch dass diese Maßnahmen notwendig sind und großen Vorteil, dass man schon vor der Ein- bleiben. Leider. reise die Identität und Nationalität der po- Vita tentiellen Antragsteller prüfen könnte, auch Was würden Sie einem ausländischen Un- zur Beantwortung der Frage, ob überhaupt ternehmer sagen, der in Deutschland in- Schutzbedürftigkeit besteht – oder nicht. Seit 1972 Mitglied der CDU; 1975 bis vestieren möchte und durch die Vorkomm- Die meisten Antragsteller stammen zwar 1979 Mitglied im Kreistag des Rheinisch- nisse im letzten Sommer verunsichert ist? aus Krisengebieten, kommen jedoch nicht Bergischen Kreises; 1979 bis 1999 Mitglied über Kriegsgebiete – sie kommen über aus- des Rates der Stadt Bergisch Gladbach; Da machen Sie sich mal keine Sorgen! Wir nahmslos sichere, verfolgungsfreie Staaten. 1994, 1998, 2002, 2005 und 2009 im haben in den letzten Monaten viele Anstren- Deshalb sollten wir möglichst rasch wieder Rheinisch-Bergischen Kreis direkt in den gungen unternommen, um zu verhindern, zur konsequenten Anwendung des geltenden Deutschen Bundestag gewählt; April 2003 dass sich die Ereignisse vom Sommer 2016 Rechtes zurückkehren. Bis zur Stunde ist das bis März 2005 stellvertretender Vorsitzen- noch einmal wiederholen können. Deutsch- nicht der Fall. der der CDU Nordrhein-Westfalen; 2000 land war, ist und bleibt ein attraktiver Stand- bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der ort, auch ein attraktiver Investitionsstandort. Der BWA regt dringend an, auf allen Ebe- CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das nen in das deutsche Image - auch in Sachen Ressort Innen- und Rechtspolitik. Würden Sie zustimmen, dass inzwischen Sicherheit - im Ausland zu investieren. Neh- vieles getan wurde, aber die „Botschaften“ men auch Sie dort einen Handlungsbedarf November 2009 bis September 2015 Vorsit- nicht ausreichend bei den Menschen an- wahr? zender des Innenausschusses des Deutschen kommen? Bundestages. Auch hier gilt, was in der Politik ganz allge- Ja! Es wurde in den letzten Monaten nicht mein immer Gültigkeit hat: Auch wenn vieles nur „vieles getan“, es wurde in der Flücht- getan wurde und vieles getan wird, gibt es Sie sollten sich nicht nur als Teil der Wirt- lingspolitik eine umfangreiche Kurskorrek- nichts, was man nicht noch intensiver, noch schaftsordnung und als Teil des wirtschaftli- tur vorgenommen, die allerdings von Amts besser, noch wirkungsvoller machen könnte. chen Lebens unseres Landes sehen, sondern wegen nicht so genannt wird. Die Asylpakete Das gilt auch im Hinblick auf Werbung für auch als relevante gesellschaftliche Akteure, I und II, die Erweiterung der Liste der si- den Investitionsstandort Deutschland, und und die dadurch entstehende gesellschaftli- cheren Herkunftsstaaten, das Integrations- da spielt Sicherheit für die Investoren eine che Verantwortung auch aktiv wahrnehmen. gesetzt – mehr an Kurskorrekturen war in wichtige Rolle. der Kürze der Zeit kaum möglich. Sinnvoll wäre auch die Einrichtung von sogenannten Was kann die Wirtschaft, was können die Transitzentren in Grenznähe gewesen, das Unternehmen und Verbände noch weiter allerdings hat der Koalitionspartner SPD tun, um zu verhindern, dass sich Menschen strikt abgelehnt. Diese Zentren hätten den in unserem Land radikalisieren? BWA | 15 |
Schwerpunkt Sicherheit „Wer die Fakten kennt...“ Interview mit Marcus da Gloria Martins, Pressesprecher der Polizei München Während und nach dem Attentat im ver- Haben Sie für uns dazu ein Beispiel? Also „Erst denken, dann handeln?“ Was gangenen Sommer in München war er „das wäre ein Ansatz? Gesicht“ der Münchner Polizei und machte In der Tat gibt es Handlungsweisen, die wir seinen Job so gut, dass er im Herbst sogar über Bord werfen müssen, weil zum Beispiel Auch das ist das Reich des Wunschdenkens, zum „PR-Mann des Jahres“ gekürt wurde. Der die digitalen Medien ein anderes Vorgehen wenn es um Massenkommunikation geht. Es Pragmatiker und Realist Marcus da Gloria erfordern und - das ist ganz wichtig - auch gibt zwei „Aggregatszustände“, über die wir Martins stellte sich den Fragen des BWA- ermöglichen. Wir können heute ganz anders sprechen müssen: Das eine sind die Themen Journals rund um das Thema Sicherheit im auf eine vorhandene Angstlage eingehen. aus Alltagssituationen. Da hat jeder eine Polizeipräsidium München. Da hatten wir vieles auf dem Schirm, aber gefestigte Meinung, das Thema polarisiert neu ist, dass wir das jetzt neu vernetzen und von allein. BWA-Journal: Herr da Gloria Martins, Sie größer aufziehen. Der richtige Tweet kann haben im Nachgang zum Attentat in Mün- Hunderttausende erreichen. Aber davor All diesen Themen ist gemein, dass es so eine chen im vergangenen Sommer, das sich ja steht: Welche Information ist stichhaltig? Art Grundvereinbarung gibt, wie wir über am Ende als die Tat eines Einzeltäters her- Insbesondere wenn es um Gerüchte geht. diese Themen reden und sie verbreiten. Das ausstellte, gesagt, die Informationsflut heute „“Bad news are good news“ gilt als Nach- gilt so aber nur in Alltagssituationen. Und sei ein „Teufelskreis“. Was haben wir darunter richtentreiber. Eine Whatsapp-Nachricht auch dort natürlich innerhalb der Schwan- zu verstehen? verbreitet sich zehn Mal häufiger, wenn sie kungen, die wir als Gesellschaft abbilden, das einen dramatischen Inhalt hat, als wenn heißt zum Teil auch emotional oder unsach- „Die Informationsflut heute ist so, wie sie ist. es zum Beispiel um ein nettes Urlaubsfoto lich eingefärbt. Das klingt sehr fatalistisch, aber wir sind in geht, das Sie in eine Gruppe posten. Für der Tat noch immer in einer der intensivsten uns ist es wichtig, so früh wir möglich einen Der zweite „Aggregatzustand“ ist die Krise. Nachbereitungen, die die Münchner Polizei je „digitalen“ Fuss in die Tür der Gerüchtever- Sobald Sie wirkliche Angst haben, fallen Sie nach einem Einsatz betrieben hat. Und genau breitung zu bekommen, um hier einwirken auf Ihr archaisches Verhaltensmuster zurück. das zeichnet uns aus. Wir setzen uns akribisch zu können. Das geht nur, wenn man zu den Da ändert die Angst auch das Kommunikati- mit Erfahrung auseinander. Wir tun dies auch Fäden im Netz auch Kontakt hat. onsverhalten komplett. Spätestens in diesem und gerade in diesem Fall, bei dem mit Blick Moment sind alle Vereinbarungen zum „ru- auf den Einsatz der Polizei vieles gut gelaufen Dann stellen wir uns auch ganz bewusst hig bleiben“, aber auch zum Durchhalten der ist. Der Einsatz ist als sicherheitsvermittelnd, gegen ein Gerücht, wenn es sein muss, auch eigenen Meinung, hinfällig. als positiv wahrgenommen worden. Die Men- sehr plakativ. Das ist oft nicht leicht, aber schen haben die Arbeit der Einsatzkräfte als eben unsere Aufgabe. Das ist Arbeit, die Eine Selbstregulierung des Einzelnen funk- stabilisierend und zielführend empfunden. in diesen Tagen nötig ist. Das ist für uns tioniert nicht mehr in der Krise. Es braucht Natürlich ist es aber so, dass wir weiter lernen. ein neues, auch untypisches Beispiel für da Korrektive, die Klarheit schaffen. Aber Die Steuerung von Informationsmassen, sei Polizeiarbeit. auch das ist schwer. Die Herausforderung es extern oder auch im eigenen Hause ist ein liegt darin, dass Sie jemanden brauchen, der zentraler Teil dieses Lernens. Was können denn wir als Bürgerinnen und Orientierung vermittelt. Diese Rolle ist uns Bürger anders und besser machen? als Polizei bei der OEZ-Lage (im Münchner Der genannte „Teufelskreis“ ist von uns dabei Olympia-Einkaufs-Zentrum OEZ fand das nicht grundlegend zu ändern, es gilt auch hier Hier gibt es natürlich Wunschdenken, aber Attentat im Sommer statt) zugefallen und ge- das Sprichwort: Wenn Du das Problem nicht das hilft uns nicht weiter. Wir alle haben lungen. Ob das wieder gelingt, ist die Frage. ändern kannst, ändere Deine Einstellung. Wir heute „Messenger“- Dienste auf unseren Wären wir nicht in dieser Lücke gewesen, können also dafür Sorge tragen, dass unsere Smartphones. Was Teilen unserer Bevöl- wäre niemand da gewesen. Prozesse, unsere Handlungsweisen passen. kerung nicht bewusst ist, was nicht gelernt Da sind wir dabei zu prüfen, wie wir noch wurde, ist ein verantwortungsbewusster Was man in so einer Situation braucht, sind strukturierter und wo möglich auch automa- Umgang mit alarmierenden Nachrichten. Meinungsinstanzen, deren Autorität nicht tisierter Informationen erfassen, steuern und Da kommt dann zur Nachricht noch die in Frage gestellt ist - ein Orientierungsange- bewerten können. Nach „außen“ - im Bereich Wertung dazu. „Schon wieder“ ist so eine bot. Klingt sehr theoretisch, ist aber wich- der Medien und der Verbreitung von Gerüch- typische Wertung, die schaden kann. Wir tig. Konkret nutzt diese Orientierung eine ten - besteht da großer Handlungsbedarf. Wir leben in Zeiten der „Stillen Post 2.0“. Nach- Sprache, die die Menschen in der Krise auch versuchen, mit Technologien, aber auch durch richten bekommen eine Dramatik, die Mas- verstehen und begreifen können. andere Prozesse, den Finger an den Puls der In- senwirkung, mindestens aber Gruppenwir- formation zu bekommen. Und auch innerhalb kung entfaltet. Das Problem ist dabei nicht Der jetzt gewählte Bundespräsident der Polizei und in Zusammenarbeit mit den das Gerät, sondern der „User“. Frank-Walter Steinmeier hat zuletzt gesagt anderen Einsatzkräften ist uns „gut“ nicht „gut „Diejenigen, die die scheinbar einfachen genug“. Und das im übrigen seit Jahrzehnten. Antworten haben, haben meist gar keine BWA | 16 |
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