Tête-à-Tête - Bewegungs-Aktions- Interventionsradius Praterstern - Erweiterter malerischer Raum
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Kunst ist essenziell für unsere Gesellschaft. 2 DE EN Bewegungs-/Aktions-/Interventions- Movement/Action/Intervention Radius radius Praterstern Praterstern Die künstlerischen Projekte von Tête- Art is essential for our society. The ar- à-Tête setzen am Praterstern einen neuen tistic projects of Tête-à-Tête set a new soci- gesellschaftlich und sozial relevanten Im- etal and socially relevant impetus at Pra- puls. Exemplarisch soll das Projekt aufzei- terstern. The project aims to exemplarily gen, dass Transitzonen auch Orte der Kunst demonstrate that transit zones also need und Kreativität benötigen, um inmitten des places of art and creativity in order to let austauschbar kommerziellen Geschehens the soul of the city become present in the in Bahnhofseinkaufzentren die Seele der midst of interchangeable commercial activ- Stadt präsent werden zu lassen. Wir reali- ities in train station shopping centers. We sieren Kunst nicht, um ihr eine Funktion zu do not realize art to give it a function – it geben – es ist Aufgabe der Stadtregierung, is the city government’s task to get ade- hier adäquat aktiv zu werden. Vielmehr quately active here. Rather, we want to ini- wollen wir eine „Parallelwelt“ initiieren, die tiate a “parallel world” that irritates, amaz- irritiert, verwundert, interessiert, mit der es and attracts interest, with the intention Intention, dass es so zu einem Miteinan- that it could result in togetherness. It is im- der kommen könnte. Wichtig ist dabei, die portant to perceive and engage with the ortsspezifische, historische und soziale Ent- site-specific, historical and social develop- wicklung wahrzunehmen und sich darauf ment. einzulassen. Every day more than 250,000 people Den Praterstern im 2. Wiener Gemein- pass above and below the Praterstern sta- debezirk passieren ober- und unterirdisch tion in Vienna’s 2nd district. In order to ac- täglich mehr als 250.000 Menschen. Um tivate new creative and action potentials hier neue Gestaltungs- und Handlungs- here, this location will be used by students potenziale zu aktivieren, wird dieser Ort im in the period from January 2018 to June 2019 Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs im in the sense of an expanded concept of art. Zeitraum von Januar 2018 bis Juni 2019 von Tête-à-Tête, literally “head to head,” Studierenden bespielt. means a confidential private conversation Tête-à-Tête, wortwörtlich „Kopf an in French. The romantic undertone of a ren- Kopf“, bedeutet französisch ein vertrauli- dezvous resonates in the German usage of ches Gespräch unter vier Augen. Im deut- the term. An important aspect of the Tête- schen Gebrauch schwingt der romanti- à-Tête project is not to impose opinions or sche Unterton eines Rendezvous mit. Ein artistic expressions on the area, the people wichtiger Aspekt des Projektes Tête-à-Tête and groups on site, but to become part of a ist, dem Areal, den Menschen und Grup- “whole” in a subtle and self-evident man- pierungen vor Ort nicht Meinungen oder ner. Parallel worlds thus gain the option to künstlerische Äußerungen überzustülpen, “meld.” sondern subtil und selbstverständlich Teil (Judith Huemer and Ursula Maria Probst) eines „Ganzen“ zu werden. Parallele Wel- ten gewinnen so die Option zum „Ver- schmelzen“. (Judith Huemer und Ursula Maria Probst)
3 Praterstern, Donnerstag, 26. April 2018 um 11:05 Ein Ort der Interaktion und Kommunikation ? DE Praterstern – ein Ort des Verweilens, Äußerung überzustülpen, sondern unter- der Entschleunigung und der Gastfreund- schwellig und selbstverständlich Teil des schaft oder ein Ort des Kommerzes, der Ganzen zu werden und Anteil am alltägli- Sucht und Aggressionen? chen Leben der Menschen vor Ort zu neh- Auf jeden Fall ein Ort des Aufeinan- men. Sie auf verschiedenen Ebenen anzu- dertreffens verschiedenster Positionen. sprechen und dabei zu versuchen, nicht nur Und ein Ort von Interaktion und Kommuni- die einzelnen Menschen, sondern auch die kation. Aber auch ein Ort für Kunst? räumlich getrennten Einzelbereiche am Ort Es ist nicht so, dass Kunst alles kann miteinander zu verbinden. und für alles Lösungen hat. Kunst kann den Als Ergebnis entstanden sehr unter- Menschen allerdings eine aktive Rolle in schiedliche Aktionen und Interventionen Gestaltung, Wahrnehmung und Aneignung des Projektes, die in vielfältiger Weise mit- von Stadt ermöglichen und ihnen damit einander und zwischen den Menschen und neue Perspektiven, Umgangsweisen und Einzelbereichen kommuniziert und vermit- Möglichkeiten für das Erleben und Handeln telt haben. Und damit künstlerisch gezeigt aufzeigen. Um nachfolgend auch die sozi- haben, wie der Praterstern im Alltag auch alen Qualitäten des Raumes in einer Stadt, ganz anders erlebt und gesehen werden an einem Ort zu fördern. kann! Wie sich dies am Praterstern realisie- ren lässt, hat die Studierenden der Akade- Martina Taig, Geschäftsführung KÖR Kunst im mie der bildenden Künste Wien seit Januar öffentlichen Raum Wien letzten Jahres beschäftigt. Ich denke, wich- tig und entscheidend für das Projekt war und ist, dem Ort und den Gruppierungen dort nicht eine Meinung oder künstlerische
Die Verallgemeinerung von Geschmack ist Politik. Und deswegen ist Kunst auch Politik. Über Kunst, Geschmack und tete. Das war auch bei den vielen Projekten nachzudenken, was es als Parallelwelten zu der Studierenden schön zu beobachten: Fast den Shoppingcentern geben könnte, die an politische Verdrängungsprozesse alle haben Projekte oder Interaktionen ent- jedem Transitort etabliert werden und eine Judith Huemer im Gespräch mit Johan F. wickelt, durch die die Menschen zusammen- Monopolstellung zu haben scheinen. Sie Hartle, Rektor der Akademie der bilden- kommen können. bedienen ausschließlich gleichmacherische 4 den Künste Wien Tendenzen und sind an Bahnhöfen und Tran- Hartle: Wie Politik an solchen Plätzen sitorten ein offenbar allgemein akzeptiertes gemacht wird, auch vonseiten der Stadt und Modell. Im Gegenzug dazu hat sich die Idee Judith Huemer: Der Praterstern als der Polizei, hat eine ästhetische Relevanz. entwickelt, an diese Orte Kunsträume ein- wichtiger Transitort in Wien könnte ein groß- Deswegen gefällt mir das als ein Thema der zuschleusen. Es wäre großartig, wenn dort artiger Ort für Begegnung und Austausch Kunst im öffentlichen Raum sehr gut. Es geht auch Dependancen von Museen zu einer sein. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Großauf- ja um einen Grundkonsens darüber, wie man Selbstverständlichkeit würden. gebot an Exekutive ist präsent, Verbote und sich zu verhalten hat, um das Erzeugen kul- Restriktionen zuhauf. Vieles, was Begegnung tureller Suggestionen. Damit wird ein Le- Hartle: Das gibt es zum Beispiel am und Austausch zwischen den verschiedenen bensstil verallgemeinert und es werden an- Flughafen von Amsterdam, an dem das Ri- Menschen und Kulturen ermöglicht, wurde dere Lebensstile an die Seite gedrängt. Man jksmuseum eine Dependance hat. entfernt. Bestimmte politische Parteien ha- könnte fast sagen, dass sich an öffentlichen Huemer: Das Einschleusen der Museen ben den Platz dermaßen vereinnahmt, dass Plätzen und bei deren Gestaltung immer so meine ich nicht in der Form von Werbedis- fast keine Diskussion mehr darüber statt- eine Art „Geschmackspolitik“ vollzieht. Und plays oder Museumsshops. fand, was ein Transitort eigentlich sein kann. die „Geschmacksdefinitionsmacht“ hat na- Meine Motivation, Ideen für diesen Platz zu türlich in erster Linie die Lokalregierung, also Hartle: Dann muss man sich überlegen, entwickeln, entstand aus dem Unbehagen die Stadtregierung inne, gemeinsam mit welche Kunst an solchen Orten relevant sein an dieser Situation und der politischen Po- der Exekutive. Sie verbieten, eine bestimm- könnte. Flughäfen sind die schicke und kos- larisierung. Daraus entwickelte sich eine Ko- te Form von Genuss zu wollen, also zum Bei- mopolitische Version von Bahnhöfen. Bahn- operation mit der Stadt Wien, speziell mit spiel Alkohol oder Zigaretten. Seit wann gibt höfe versammeln eher Alltagspassant*innen KÖR Kunst im öffentlichen Raum, die das es das Alkoholverbot am Praterstern? und lokale Subkulturen, wohingegen Flug- Projekt finanziell unterstützt haben. häfen schon eine gewisse Selektion vorneh- Huemer: Seit April 2018. Am 26. Ap- men. Dort gibt es ja auch oft Kunst am Bau, Johan F. Hartle: Ich mag den Praterstern ril 2018 waren wir mit einer unserer Aktivitä- aber das sind dann keine Interventionen sehr. Er ist eine Schnittstelle, an dem un- ten vor Ort, und genau zu diesem Zeitpunkt oder Unterbrechungen der kommerziellen terschiedliche Raumbedürfnisse und Le- wurde das Alkoholverbot eingeführt. In dem Räume, sondern zumeist Ornamente eines bensformen aufeinanderprallen. Es finden Zusammenhang wurden auch viele Sitzbän- kosmopolitischen Lebensstils. sich auch unterschiedliche Geschmacksty- ke abmontiert. Dadurch wurde die Gelegen- pen, wovon die gastronomischen Strukturen heit zur Begegnung, zu einem sozialen Mit- Huemer: Da wird Kunst schnell zur De- sprechen. Was ich am Praterstern interes- einander stark reduziert. koration. Meine Idee ist, dass Kunsträume sant finde, und das ergänzt oder differen- genauso zu einer Selbstverständlichkeit wer- Hartle: Das Interessante an solchen Ver- ziert Ihre Erzählung vielleicht: Es gibt ja nicht den könnten, weil dadurch den Leuten ein boten ist, dass sie so tun, als wären sie neu- nur Begegnungszonen und Kommerzzo- viel größeres und differenzierteres Angebot tral, aber sie richten sich in Wahrheit ge- nen, sondern auch unterschiedliche Formen gemacht werden könnte. gen ganz spezifische Gruppen. Das bringt von Gastronomie und Handel. Kommerz dieses berühmte Wort von Anatole Fran- Hartle: Vielleicht kann man, was den ist also nicht gleich Kommerz und Konsum ce auf den Punkt: für Reiche wie für Arme ist Elitefaktor von Transitorten angeht, meh- nicht gleich Konsum. Eigentlich finde ich den es gleichermaßen verboten, unter Brücken rere Abstufungen vornehmen: U-Bahnhö- Praterstern, also den Bahnhof mit den Un- zu schlafen. Dieses Verbot ist natürlich ge- fe, moderne Bahnhöfe, die gleichzeitig als terführungen, Brücken und tunnelartigen nauso wie das Alkoholverbot kein neutra- Shoppingmalls geplant sind, wie der Haupt- Durchläufen, nämlich immer noch span- les Verbot, das gleichermaßen für alle gilt. bahnhof in Wien, und Flughäfen. Flughä- nend, obwohl er einigen Restriktionen aus- Hier stellt sich die Frage nach dem legitimen fen sind von allen dreien am elitärsten, gesetzt wurde. Neben dem cleanen Innen- Geschmack. Immer wird so getan, als wäre U-Bahnhöfe sind das kleinste Modell. Der bereich mit den klassischen Läden existieren das einfach nur eine Optimierung oder Ver- Praterstern ist eine Art Mischform zwischen draußen in diesen Halbzonen auch noch besserung. Aber gleichzeitig geht es um die Bahnhof und U-Bahnhof. An Bahnhöfen hat Bierstuben und chinesische Fastfood-Läden, Verallgemeinerung eines bestimmten Ge- man zunehmend eine standardisierte Shop- die einen anderen Adressatenkreis bedie- schmackstypus und Lebensstiles, der immer pingmall-Struktur mit den gängigen Ket- nen. Insofern ist der Praterstern nicht ganz auch die Ausgrenzung von anderen bedeu- ten. U-Bahnhöfe sind dagegen manchmal so leicht umzustülpen, weil er das Nicht-Cle- tet. Es geht gegen einen bestimmten Typus sehr interessant: In den Zwischenetagen der ane immer noch hat. von Geschmack, wenn Menschen verboten U-Bahnen gibt es Kioske, Bäckereien, Keba- Huemer: Aber die Optimierung schrei- wird, dort auf Bänken zu liegen. Dabei finden bläden, manchmal auch Buch-Antiquariate. tet immer weiter voran und die Mensch- andere das eigentlich ganz prima, und für Das ist eine differenzierte Form von kom- lichkeit bleibt auf der Strecke. Alles rund- manche ist es vielleicht sogar lebensnotwen- merzieller Ladenkultur, die durchlässig ist für herum wird optimiert insofern, als vieles dig. Dieser Geschmack wird aber als Allge- subkulturelle und randständigere Lebensfor- eliminiert wird und wegkommt. Eine seltsa- meingut verkauft, als öffentliches Interesse, men und auch Schattierungen bietet, neben me Optimierung, wenn der öffentliche Platz als allgemein verbindlicher Lebensstil. Und dem Gegensatz von Kunst und Einkaufszen- kein öffentlicher mehr ist, weil in ihm die dann wird es als ästhetischer Eingriff präsen- tren. Einkaufen und Einkaufen ist auch nicht Menschlichkeit verschwindet. Das war unter tiert, dass man Bänke entfernt oder andere dasselbe, weil die Frage bleibt: wer kauft wo, anderem auch Thema beim kürzlich veran- Dinge etabliert, um die Stadt zu verschönern warum, was? Manche Shoppingmalls bedie- stalteten Symposium an der TU mit Profes- und diesem vorgeblich allgemein verbindli- nen eher den Mittelschichts-, andere auch sor Wilfried Kuehn. Bei meinem Vortrag über chen Lebensstil anzupassen. einen normalen Workingclass-Konsumwil- das Praterstern-Projekt habe ich mich unter len, während es auch Nischen-Strukturen Huemer: Damit werden Vielfalt und Un- anderem auf Joseph Beuys bezogen, der be- für bohemische Bedürfnisse gibt wie die Se- terschiedlichkeit eingeschränkt und zu ei- reits von der „sozialen Wärme“ sprach, die condhand-Buchläden in den U-Bahn-Stati- nem einheitlichen Geschmacksschema re- er als evolutionäre Grundsubstanz betrach- onen. duziert. Das war für mich auch der Moment
Huemer: Das könnte man schon fast als len Zeichensystemen. Und doch suggerieren nerhalb dessen Kämpfe um „wessen Kunst subversiven kulturellen Akt sehen. sie, den Reisenden etwas von der Kultur des für wen, wann und warum“ geführt werden. jeweiligen Landes mitzugeben. Die Bezie- Hartle: Es ist ein alternativer Kulturraum, Huemer: Die Politik spielt zu eng in eine hung zwischen dem Rijksmuseum als einge- der nur überlebt, weil es hier einen anderen Richtung. Es scheint eine politische Haltung schummelte Hochkultur am Transitort einer- Passant*innenkreis gibt und damit auch ein zu sein, immer noch mehr in Konsum zu in- seits und dem echten Museum andererseits anderer Kulturkonsum stattfindet. vestieren, noch mehr Geschäfte zu etab- ist dann zugleich weniger problematisch, als lieren, auch wenn sie gar nicht gebraucht Huemer: Über diese andere Art von man glaubt. Denn es gibt natürlich auch eine werden. Das ist auch am Hauptbahnhof zu Kunst- oder Kulturkonsum nachzudenken Jetset-Kultur der Städtereisen mit absurden beobachten. war im Laufe der vier Semester dieses Pro- Selbstverständlichkeiten wie dem schnellen jekts spannend. Umso enttäuschter war ich, Mitnehmen eines Kulturerlebnisses. Hartle: Das ist tatsächlich die Erzeugung als im EU-Ressort die Begriffe Bildung und einer Kultur, eines Lebensstils, eines Ge- Huemer: Vielleicht brauchen Kunst und Kultur zunächst gar nicht mehr vorkommen schmacks durch politische Steuerung. Und Kultur wirklich diese komplett getrennten sollten, sondern zu „Innovation und Jugend“ diese Steuerung produziert klassischerweise Zonen, um sich entsprechend hochzuhal- wurden. Aber das ist für mich etwas kom- gegenüber Sozialprojekten oder alternativen ten. Das eine wird dann über die Politik oder plett anderes, als mit dem Begriff Bildung Marktstrukturen die großen Warenhausket- gewisse Gesinnungen vermarktet, und das kommuniziert wird. Dieses EU-Vorhaben ten und Einkaufshäuser. Sie orientiert sich an 5 andere liegt eher in diesem Großbürgerli- wurde nach vielen Protesten schließlich wie- einem Verständnis von gelingendem Markt- chen. Ob dieser Gegensatz sein muss, ist für der rückgängig gemacht. verhalten, das unglaublich verkürzt ist. Die mich immer wieder die Frage. Ich habe ei- kleinen Nischenläden werfen vielleicht kein Hartle: Der Kulturbegriff kann auch pro- nen anderen Hintergrund und bin dadurch hohes ökonomisches Wachstum ab, bedie- blematisch sein. Die Begriffe „Heimatkul- sehr idealistisch an die Kunst herangegan- nen dafür aber ein Milieu und ermöglichen tur“ und „kulturelles Erbe“ sind auf ganz gen, weil mir beide Seiten fremd waren. Ich eine gewisse Zufriedenheit oder eine Aner- bestimmte Weise ideologisch besetzt. Das denke, dass es diese beiden Fraktionen nicht kennung auch diverser Lebensstile in dem gleiche gilt für die Restituierung der Hoch- geben muss, stattdessen könnte größer ge- jeweiligen Grätzl. Sie enthalten ein hohes kultur, die ja immer auch klassenspezifisch dacht und gelebt werden. Aber meine Be- soziokulturelles Potenzial und funktionieren war. Deswegen ist Wien auch so interessant, obachtung ist im Gegenteil, dass es immer auf eine ganz bestimmte Weise, aber sie ge- weil es eine offensichtliche Prachtkultur aus enger wird. Das sieht man auch an den kul- hen durch diese politischen Projekte kaputt. dem Hochkapitalismus bereithält, die über- turellen Playern: Dort läuft es oft ähnlich ab wiegend noch unter kaiserlichen Vorzeichen wie beim Praterstern, wo viele durch das In- Huemer: Sie werden nicht als wertvoll entstanden ist. Hier wird der alte Glanz des stallieren enger Zonen und Grenzen vertrie- wahrgenommen, sondern es wird einfach et- Bürgertums zelebriert, oder in seiner Zombi- ben werden. Man könnte sagen, dass es lei- was anderes darübergelegt, ein Geschmack, form am Leben erhalten – mehr als irgend- der auch im Kunst- und Kulturbetrieb enger der wahrscheinlich nur einer kleinen Gruppe wo sonst auf der Welt. wird statt großzügiger. entspricht, aber dennoch allen übergestülpt wird. Huemer: Das stimmt, umso schwerer Hartle: Man darf sich Kunst und Kultur tun wir uns mit neueren Entwicklungen, be- nicht als monolithisch vorzustellen. Mono- Hartle: Genau, ein Geschmack wird ver- sonders auch durch eine gewisse politische lithisch sind nicht einmal der Markt oder der allgemeinert. Und die Verallgemeinerung Richtung, bei der diese „Heimatkultur“ ext- Kommerz. Jedes Einkaufszentrum und je- von Geschmack ist Politik. Und deswegen ist rem betont wird. des Großprojekt wie der Hauptbahnhof sind Kunst auch Politik. gleichzeitig auch politische Projekte: nicht Hartle: Das ist auch eine paradigmati- nur, weil sich damit eine bestimmte Kultur Huemer: Aus dieser Motivation heraus sche politische Frontstellung, die man sich als dominant etabliert, sondern auch, weil sind zahlreiche Interaktionen entstanden. bewusst machen muss: nämlich die falsche man die Unterstützung der Parteien oder Zum Beispiel die Plakatserie von Olga Stei- Alternative von Heimat und Elite. Die popu- Stadträte braucht, um sie zu verwirklichen. ner, um dem Praterstern selbst eine Stimme läre/populistische Besetzung von Kulturthe- Nicht einmal der Markt und die Kommerz- zu geben. Das Wichtigste bei all den Projek- men wie Heimat/Erbe wird als scheinbarer welt haben aus sich heraus irgendeinen be- ten war, dass wir alle gemeinsam vor Ort wa- Gegenpol zu einer elitären großbürgerlichen stimmten Charakter, wenn sie nicht in dieser ren und Präsenz und Aktivität ausgestrahlt Kultur präsentiert, in der sich soziale Eliten oder jener Weise hergestellt oder bestätigt haben, die sich nach meiner Wahrnehmung und kulturelle Eliten ganz offensichtlich ver- werden. Diese politische Herstellung von auch auf die anderen Leute übertragen ha- mischen. Ich kann noch nicht so viel zur So- Märkten wird für mich besonders deutlich an ben. Die Passant*innen sind stehen geblie- zialstruktur der Kulturbetriebe in Österreich dem Beispiel aus dem zweiten Weltkrieg, wo ben und mit uns in Dialog getreten, haben sagen, aber mein Eindruck ist, dass sich hier in Amerika zu rein propagandistischen Zwe- uns gefragt und angefangen zu erzählen. Ei- gewisse Kulturen und auch Adelsdynastien cken mit großen Billboards Waren beworben nige, die von dort vertrieben wurden, ande- sehr viel stärker in die Kultur einschreiben als wurden, die gar nicht mehr zu kaufen waren. re, die unsere Interventionen wertschätzten, in anderen Ländern mit einer eher republi- Man hat politisch die Illusion einer Marktkul- weil sich so ein anderer Geschmack oder zu- kanischen Tradition. tur erzeugt, die es gar nicht mehr gab. Und mindest eine andere Ausdrucksform auf die- so werden, glaube ich, viele Einkaufszent- sem Platz entwickeln konnte. Huemer: Deswegen auch meine Über- legung, Kulturstätten oder Kulturräume an ren als politische Projekte etabliert, die von Hartle: Das ist ein schönes Beispiel. Sol- den Transitorten zu etablieren. Ich glau- niemandem gefordert wurden, die bis dahin che Dialoge über verschiedene Wahrneh- be, es stellt nach wie vor eine enorme Bar- niemand vermisst hat und die jetzt ins Nichts mungen, Narrative oder Geschmäcker sind riere für bildungsfernere Schichten dar, ein gebaut werden. Dabei werden tolle städti- paradigmatisch für eine Kunst, die die Äs- Museum zu betreten, egal wie viel Vermitt- sche Räume wie zum Beispiel alte Postämter thetik wieder politisch werden lässt. Ich be- lungsprogramm geliefert wird. Aber es soll umstrukturiert, was ebenfalls niemand ver- nutze übrigens ganz bewusst das Wort „Ge- natürlich nicht so sein wie bei der Rijksmuse- langt hat. So werden künstlich Bedürfnisse schmack“, weil es nach kulinarischer oder ums-Dependance am Amsterdamer Flugha- geschaffen oder aufrechterhalten. Vielleicht unmittelbar körperlicher/sinnlicher Erfah- fen, die dort eher einen Teaser darstellt, um kann man an diesen künstlich geschaffenen rung klingt. In der philosophisch-ästheti- die Menschen zum Besuch des eigentlichen Bedürfnissen vorbeisteuern, Alternativmärk- schen Tradition wurde diese Art der Erfah- Hauses zu verlocken. te etablieren und dadurch dem Praterstern rung immer degradiert. Bei Kant wird jede sein Gesicht zurückgeben. Das muss nicht Form des Geschmacks, der auf Körper und Hartle: Ja, oder noch schlimmer: Kul- heißen, dass nichts verkauft wird und nur Sinneserfahrungen basiert, delegitimiert. tur als Zeitvertreib für die Businessclass-Eli- noch „reine Kunst“ stattfindet. Es kann auch Für ihn ist die legitime Form der ästhetischen ten, die nicht mehr die Zeit haben, ins Ri- heißen, dass es dort Kebabstände und Trafi- Urteilsbildung rein intellektuell und kom- jksmuseum zu gehen, und dann immerhin kanten gibt, die ebenfalls Bedürfnisse bedie- plex. Wenn man aber genauer hinschaut, ist noch die B-Version der Rijksmuseumssamm- nen und am Markt Praterstern genauso legi- der Konsens in der bürgerlichen Gesellschaft lung am Flughafen mitnehmen können – die tim und genauso anwesend sind. sehr klar an bestimmten Dispositionen, Le- Illusion des Eintauchens in einen Ort. Sol- Das Gleiche gilt auch für die Kunst: bensstilen und Geschmackspräferenzen ori- che Kultur ist ein Simulacrum, eine herge- Es gibt nicht nur den monolithischen entiert. Es ist schwer zu sagen, wo demge- stellte Ersatzerfahrung. Flughäfen sind ja Kunstraum, der nur „denen“ gehört oder nur buchstäblich Transitorte zwischen National- „diesen“ Charakter hat. Es ist stattdessen ein kulturen. Eigentlich werden sie mit einer ge- weit aufgefächertes, differenziertes Feld, in- wissen Neutralität konzipiert, mit universel-
genüber ein Standpunkt des universellen Huemer: Man muss Insider, also schon Absichten getragen wurden, sind in letzter Geschmacks zu lokalisieren wäre. mal im Museum drin gewesen und mit der Instanz zu einer Form des „Artwashings“ von Das passt zu der Frage nach den Infrastruktur vertraut sein, um zu sehen, dass Sozialkürzungen geworden. Ganz explizit Schwellenängsten bezüglich Kulturräumen sie eigentlich für alle frei zugänglich ist. unter Tony Blair, wo es massive Sozialkürzun- und Kulturinstitutionen: das Schlimme daran gen und Einschränkungen in bestimmten Hartle: Alles ist an ein Insidertum ge- ist, dass sich die Steuerung von außen kaum sozialen Milieus und Quartieren gab. Dort bunden – aber das ist, für Institutionen, die noch identifizieren lässt. Die Verhältnisse wurden dann die partizipatorischen Kunst- der Öffentlichkeit gehören und die Frage des sind organisch schon da, und in der Regel projekte reingeschickt, damit es wenigstens Gemeinguts verhandeln, ein Widerspruch! halten wir uns gemäß der jeweiligen sozia- gut aussah. len Position an bestimmte Trennungen und Huemer: Das geht völlig am öffentli- Huemer: Das ist ja auch im Kontext der Vorgaben. Was die Schwellenängste mit Kul- chen Auftrag vorbei, wie bei Kultur und Bil- Gentrifizierung ein Problem. Zuerst werden turinstitutionen betrifft, war das Beispiel des dung, die ebenfalls weggekürzt und wegrati- Künstler*innen mit billigen Mieten ange- Frankfurter Flohmarkts für mich immer am onalisiert werden. lockt, bis das Viertel zu einer attraktiven ur- prägendsten. In Frankfurt am Main gibt es Hartle: Der Wert verschiedener Kultur- banen Zone geworden und schön aufgewer- jede Woche einen riesengroßen Flohmarkt formen und ihr Verhältnis zum finanziellen tet ist. Dann steigen die Mieten unfassbar an der Museumsmeile. Das ist ein ganz Kapital hat eine Geschichte. Ob man nun an, was die Künstler*innen wieder vertreibt. tolles Beispiel für einen Alternativmarkt, der 6 Bildung oder Geld als besonders einschlä- Eine Entwicklung, die international leider verschiedene Milieus bedient. Er ist durch- giges Kapital sieht, das Verhältnis der ver- schon viel länger zu beobachten ist. Es gab aus auch eine Mischung zwischen legalem schiedenen Kapitale zueinander und de- ja mal ein soziales Wien, ein rotes Wien, da Markt und Schwarzmarkt, wo alle mögli- ren historische Gewichtung sind Ausdruck sind Sie ja der Experte. chen Wasserhähne, die vielleicht vorher aus irgendwelchen Wohnungen geklaut wurden, der allgemeinen politischen Landschaft, der Hartle: Ja, in anderen Städten haben verkauft werden. Damit hat er einen ganz hegemonialen Situation. Es gab Zeiten, in Verdrängungsprozesse allerdings schon anderen Charakter als die Haupteinkauf- denen bestimmte Formen von Kultur und mehr Erfolg gehabt. Das zeigt vielleicht auch, straße und die Museen direkt nebendran Bildung viel zählten, und in anderen Zei- dass selbst große politische Projekte, die tra- und adressiert auch andere Kunden. Zum ten wurden sie wieder abgewertet. Selbst gische Niederlagen erfahren haben, sich in Thema Schwellenängste ist dieses Beispiel das Verhältnis von Finanzkapital und Kultur der Geschichte nicht einfach in Luft auflösen. lehrreich: Jedes dieser Museen hat eine – wobei Kultur alles Mögliche heißen kann – Das „rote Wien“ mit der Ermöglichung von sauber geputzte, wunderbare Lobby, viele ist politisch und politisch hergestellt. Es än- Gemeindebauprojekten drückt bis heute die haben außerdem frei zugängliche Toiletten, dert sich mit den politischen Kräfteverhält- Mietpreise in Wien, obwohl es schon 1934 die direkt anzusteuern sind. Dennoch steht nissen. zerschlagen wurde. Das kann einem auch am Frankfurter Flohmarkt eine riesige Rei- Huemer: Soziale Ungerechtigkeit und Mut machen – nichts ist ganz umsonst. he von Chemieklos. Das Hauptmilieu des Ungleichheit nehmen heute zu. Flohmarkts ist sich der Möglichkeiten der Nutzung öffentlicher Güter also gar nicht Hartle: Das ist richtig und berührt eben- bewusst. Sie kommen gar nicht auf die Idee, falls die Frage der Kunst. In diesem Sinn ist dort die Infrastruktur zu nutzen. Das ist für allerdings auch in der Kunst das Problem des mich ein gutes Beispiel für die Materialisie- „gut Gemeinten“ nicht unerheblich. Viele rung der Schwellenangst. der sozialen und partizipatorischen Kunst- projekte, die möglicherweise von den besten
* 1 Stairs Max Landegren 2019 “funky functions“ “the kids were playing on them“ (movable) “lovers (almost) met“ “such practical tools“ 7 Stairs (movable) 6.6.2019
* 2 Sidepicking I Miguel Teodoro, Lettice Gatacre, Ju Yoo, Max Landegren 2019 Participating performer: Apolline Agard A rock in a stream of news. Something is waiting. Duration 15.00-17.00 Sidepicking II Exploring the performativity of the word and its use. Words from a news article of the day are recomposed. 10 Sidepicking 22.11.2018
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Eine glitzernd ritualisierte Neugeburt des Pratersterns 12 27. Jänner 2018 Kunsträume in Bahnhofs- DE EN arealen Den Start des Projektes Tête-à-Tête The launch of the Tête-à-Tête project markiert am 27. Jänner 2018 die rituelle Um- on January 27, 2018 marks the ritual recast- Tête-à-Tête als Anregung, besetzung und Neudefinition des Pra- ing and redefining of the Praterstern star in Dependancen zu denken tersterns zu einem Glitzerstern durch die into a glittering star through the perform- performative Installation PROZESS/ON von ative installation PROZESS/ON by Cosima Ein Gespräch zwischen Veronica Cosima Roth, Evi Jägle und Daphne von Roth, Evi Jägle and Daphne von Schrad- Kaup-Hasler, Kulturstadträtin, Schrader. Bei einem ritualisierten Zug von er. During a ritualized procession from the Martina Taig, Geschäftsführerin den Bildhauerateliers in der Kurzbauergas- sculptor’s ateliers at Kurzbauergasse 9, also KÖR, und Judith Huemer, Profes- se 9, ebenfalls im 2. Wiener Gemeindebe- in the 2nd district of Vienna, to the Prat- sorin der Akademie der bildenden zirk, zum Praterstern verlesen die Studie- erstern, the students read texts through Künste Wien. renden via Megaphon manifestartig Texte. megaphones, in a manifesto-like fashion. In eigens produzierten Outfits, die auch In specially produced outfits, which are also Passant*innen angeboten werden, fordern offered to passers-by, they call for partici- DE sie zum Mitmachen auf. Die feierliche Ein- pation. The festive invitation to the ceremo- Judith Huemer: Im Zeitraum ladung zur zeremoniellen Prozession mün- nial procession ends at Praterstern, where von vier Semestern habe ich ge- det auf dem Praterstern, wo der Festzug the pageant, with everyone participating, meinsam mit meinen Studierenden, unter Beteiligung aller eine glitzernd ritu- celebrates a glittering, ritualized new birth meiner Mitarbeiterin Ursula Maria alisierte Neugeburt des Pratersterns zele- of Praterstern. Probst und meinem Mitarbeiter briert. A group of six young people joins to- Tobias Pilz Tête-à-Tête Bewegungs-/ Eine Gruppe von sechs jungen Leuten gether for the performance Nothing lasts Aktions-/Interventionsradius Pra- formiert sich für die Performance Nothing forever by Elli Brandauer to claim the center terstern entwickelt. Das Projekt war lasts forever von Elli Brandauer, um die of the plaza and see how passersby and gleichzeitig Feldforschung und Ex- Platzmitte in Anspruch zu nehmen und zu viewers react to it. Towards the end of the periment: ein Labor an Interaktio- sehen, wie Passant*innen und Zuschau- live performance, all of the performers nen, Ausdrucks- und Interpretati- er*innen darauf reagieren. Gegen Ende der leave the plaza and the audience follows onsmöglichkeiten der Studierenden Liveperformance verlassen alle Darstel- without hesitation. A human queue forms to- mit Passant*innen, mit den betei- ler*innen den Platz und das Publikum folgt, wards Flucs, a project and event space at ligten Behörden und mit dem Are- ohne zu zögern. Es bildet sich eine Mensch- Praterstern, where the sound performance al des Transitorts Praterstern selbst. schlange in Richtung Flucs, einem Projekt- continues. The music and choreography of Geplant war ursprünglich, ein leer und Veranstaltungsraum am Praterstern, Nothing lasts forever, also by Elli Brandauer, stehendes Geschäftslokal am Pra- in dem die Soundperformance fortgesetzt deals with social states of mind. Through terstern temporär zu nützen, um mit wird. Die Musik und Choreografie von sound and body performances, the audi- der Idee vor Ort zu sein und aus die- Nothing lasts forever, ebenfalls von Elli ence experiences a dynamism that produces ser Struktur heraus zu arbeiten. Brandauer, befasst sich mit gesellschaftli- a hypnotic effect. chen Befindlichkeiten. Dabei erfahren die Martina Taig: Dieser Raum (JH and UMP) befindet sich direkt im Bahn- Zuschauer*innen durch Sound- und Kör- perperformances eine Dynamik von hypno- hof-Hauptgebäude auf der Seite tischer Wirkung. der Straßenbahn-Haltestellen, ist also sehr zentral gelegen, ein Brenn- (JH und UMP) punkt schlechthin. Er gehört der
ÖBB, zuvor war eine Postfiliale darin. Bei ei- sehen könnten, damit Kunst und Kultur zur ÖBB wurde klar, dass sie sehr an einer Zu- nem Gespräch mit der ÖBB kam es leider Selbstverständlichkeit in Bahnhofsarealen sammenarbeit interessiert sind, etwa bei nicht zu einer Einigung. Die ÖBB begründete werden. Sehen Sie Ihre Initiative der Stadtla- permanenten künstlerischen Installationen das damit, dass zu viel Aggression am Platz bore in diesem Zusammenhang? wie einer Lichtinstallation zur Aufwertung ei- herrsche und man die Studierenden nicht nes Bahnhofsgebäudes. Aber bis jetzt wurde Kaup-Hasler: Die Stadtlabore sind in dieses Umfeld bringen solle. Letztendlich noch nie über einen eigenen Raum gespro- in transition, es wird experimentiert. scheiterten die Gespräche jedoch an dem chen. Doch das wäre großartig und schon Zum Beispiel die Intervention von Daniel sehr hohen regulären Mietpreis, der einge- denkbar, so einen Versuchsballon zu starten. Aschwanden: Er hat gemeinsam mit einem hoben werden sollte. Architektenteam eine volatile Dachkonst- Huemer: Der nächste Ort könnte der Huemer: Bedauerlicherweise haben wir ruktion konzipiert, die organische Formen Hauptbahnhof sein, da gibt es ebenfalls diesen Raum nie zur Verfügung gestellt be- aufweist, aber nicht gebaut ist, sondern Leerstand. Auch hier mit der gleichen Her- kommen. KÖR hat entschieden, uns den- durch Menschenhand gehalten wird. Ein angehensweise, der permanenten Nutzung noch zu unterstützen, und uns viel Freiraum gemeinsamer Vorgang, Architektur, Schutz, und Öffnung eines Kunst- und Kulturraums. geboten. Tête-à-Tête ist Titel und Ausgangs- dazu eine Solarküche und Livemusik – so- Irgendwann wird es selbstverständlich sein, punkt der künstlerischen Experimente und zusagen ein kurzer Moment, in dem ein dass solche Kunsträume und Labore Teil die- 13 Interventionen. Ein „Kopf an Kopf“, aber Ort sich verändert, realisiert mit ungefähr ser Zonen sind. auch ein „Rendezvous“, um den Praterstern 30 Teilnehmenden und anderen Leuten. Kaup-Hasler: Das ist sicher eine Stoß- wieder menschlicher werden zu lassen. Es Das andere Stadtlabor war ein Wohnungs- richtung, die in der Zukunft für die Stadt wäre aus kultureller, sozialer und stadtplane- tausch, wodurch sich Gemeinschaften ge- wichtig sein wird: in unterschiedlichen Be- rischer Perspektive doch toll, diesen Ort um- bildet haben, Freundschaften geschlossen zirken solche Projekte zu ermöglichen. Da- zupolen und zu einem attraktiven Ort in der wurden. Das ist zwar eine einmalige Sache, für bräuchte es eine gute Initiative mit Ver- Stadt zu machen. Ein Ort, der lebt, pulsiert hat aber eine Form von Nachhaltigkeit. kehrsbetrieben, die uns die leer stehenden und die Buntheit und Vielfalt widerspiegelt, À la longue bräuchte man mehr sol- Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und die ein Transitort haben kann, statt von der cher Orte oder Zonen, die niederschwel- uns möglicherweise zusätzlich noch finan- Exekutive vereinnahmt zu werden. lig und offen sind. Oder auch hybride For- ziell unterstützen, um dieses Experiment in men zwischen niederschwellig und Museen, Taig: Wobei man sagen muss, dass sich die Wege zu leiten. Es muss mit den Men- das wäre schon toll. Wie langfristig das sein die Reaktion der Exekutive im Laufe der zwei schen vor Ort kommunizieren, darf also kein kann, ist schwer zu sagen. Aber wir brauchen Jahre stark verändert hat. Am Anfang do- allein gelassener autonomer Ausstellungs- sie grundsätzlich auch neben den Stadtlabo- minierte die Furcht vor diesen Aktionen. Die raum sein. ren, die ja erst seit einem Jahr existieren, mit goldene Person wurde aufgrund des Ver- derzeit noch einer Fülle an sehr paradoxen Taig: Deshalb funktioniert am Platz der mummungsverbots aufgehalten und man Ansätzen. Hier muss man erst einmal beob- Menschenrechte das Bankett so gut. Dort musste zunächst erklären, dass sie zu einem achten, welche Ideen funktionieren und wel- sitzen die Menschen an der langen Tafel und Kunstprojekt gehört. Aber später ist eine ge- che eher weniger. Auch Daniel Aschwanden begegnen einander. wisse Entspannung eingetreten – man spürt, ist der Meinung, dass ein Mangel an Ver- diese Projekte brauchen Zeit! Kaup-Hasler: Ihr habt mit dieser Viel- ankerung und Zeit herrscht, ohne die man schnell als klassische Straßenkunst identifi- zahl an künstlerischen Projekten einen tollen Veronica Kaup-Hasler: Wenn du nur ziert wird. Das würde ich sehr gerne vermei- Möglichkeitsraum eröffnet. Der sollte schon einmal kommst, erzählen sie dir, was alles den, es muss Verortung stattfinden. eine Art von Kontinuität bekommen. Es gilt nicht geht. Zeit ist eine Form von Respekt zu überlegen, was die nächsten Schritte und Begegnung auf Augenhöhe ist ganz Huemer: Es sollte zu einer Selbstver- sein könnten. Ich werde mit der ÖBB spre- wichtig. Ich bin davon überzeugt, dass das ständlichkeit werden, einen Kunstraum, ein chen, mich mit den Zuständigen weiter ak- Investment von Zeit, das beharrliche Anwe- Labor in Bahnhofsarealen zu haben. tiv in Verbindung setzen und ihnen auch klar sendsein etwas mit den Menschen macht. machen, dass es sich dabei nicht um Stra- Insofern sollte man wirklich nochmals mit Kaup-Hasler: Fantastisch wäre das! ßenkunst handelt. In der Hinsicht gibt es ein der ÖBB wegen des Raums sprechen. Ein Es bräuchte ein großes Commitment eini- großes Missverständnis, da gilt es Aufklä- Raum als fixer Standort zum Zusammen- ger großer Institutionen, die sich einbringen rung zu leisten. kommen, mit einem Tisch, an dem Gesprä- wollen. Es könnten Patenschaften entste- che und Austausch stattfinden, man auch hen, auch aus der Zivilgesellschaft. Eine an- Huemer: Wir haben über vier Semes- gemeinsam kochen kann – das verändert ei- dere Form der Community müsste etabliert ter mit viel Engagement und Energie an dem nen Platz. werden, aus Studierenden, Künstler*innen, Projekt gearbeitet. Es ist viel Durchhaltever- Anwohner*innen, Bürger*innen vor Ort. Wir mögen nötig, sich immer wieder selbst zu Taig: Bevor man sich überlegt, wie man können keine Institution gründen, also müs- begeistern und dran zu bleiben, oft unter diesen ganzen Praterstern verändern kann, sen alle mithelfen und eine zeitliche Eintei- widrigsten Umständen. Es sind auch Studie- muss man die Meinung der Menschen dazu lung finden, die bewältigbar ist. Eine Verei- rende vom Projekt abgesprungen, weil es ih- erfahren, die ihn jeden Tag benutzen und er- nigung von Museen und Studierenden, die nen zu strapaziös war. leben. Expert*innen haben oft ihre eigenen sich die Ausstellungszeit des Raumes auftei- Vorstellungen, während die Leute vor Ort gar Kaup-Hasler: Auch verständlich. len, in der restlichen Zeit dient er als Labor nicht gefragt werden. und Werkstatt, die nutzbar ist. Dafür bräuch- Huemer: Ich finde es im Rahmen des Kaup-Hasler: Habt ihr die Leute vor Ort ten wir ein Konzept einer offenen Werkstatt, Kunststudiums wichtig, sich auch mit sol- abgeholt? Oder war das gar nicht so Thema? an der sich Institutionen wie Kunstuniversitä- chen Situationen auseinanderzusetzen. Der ten, Museen, Galerien usw. beteiligen. Damit öffentliche Raum bietet enorm viel Reibung, Huemer: Das Menschliche, das Ge- könnte man sich erneut an die ÖBB wenden, manchmal wird es zu aufreibend und dann meinsame, das Zusammenbringen waren um ihr diese Kooperation attraktiv zu vermit- ist es verständlich, wenn man sich wieder ins zentrale Themen. Die soziale Wärme, wie sie teln. Atelier zurückzieht. Die Auseinandersetzung Joseph Beuys bereits prägte, als Qualität der Huemer: Transitorte wie Bahnhöfe und ist enorm energieaufwendig. Doch die Pro- menschlichen und gesellschaftlichen Bezie- Flughäfen haben ein großes Potenzial, Syn- jekte, die durchgeführt wurden, hatten Ener- hungen, war bei all den künstlerischen In- ergien mit Kunst und Kultur zu entwickeln. Es gie und Kraft. Sie sind exemplarisch zu be- terventionen der Studierenden wesentlicher könnte zu einer Win-win-Situation werden, trachten, von denen einige größer gedacht Teil. die Seele der Stadt präsent gemacht wer- werden könnten. Mir ist wichtig, zur Bereit- Im Laufe des Projektes hat sich für mich den. So wie damals Josef II. den Prater, da- schaft anzuzetteln. Es wäre jetzt interessant, immer mehr die Idee manifestiert, Kunsträu- vor elitäres Jagdrevier, für alle geöffnet hat, andere Leute dazuzuholen … me und Dependancen von Museen an Bahn- höfen einzuschleusen, um den wuchernden so wäre es jetzt an der Zeit, das Museum viel Kaup-Hasler: … die Staffel weiterzuge- Shoppingcentern mit ihren gleichmache- mehr in den öffentlichen Raum zu bringen, ben. Die Anregung, in Dependancen zu den- rischen Tendenzen entgegenzutreten und um allen Bevölkerungsschichten ein Ange- ken, ist sicher etwas, was wir in Zukunft ver- andere Angebote an die Gesellschaft zu er- bot machen zu können. suchen anzutreiben. möglichen. Ich sehe die Interventionen der Studierenden als ersten Schritt. Jetzt stellt Kaup-Hasler: Man bräuchte auch meh- sich die Frage, wie die nächsten Schritte aus- rere dieser Orte. In einem Gespräch mit der
* Nothing lasts 3 Elli Brandauer 2018/19 Performancereihe forever – But the moment 14 „Ich setzte mich auf den Boden, auf der Suche nach etwas Festem unter meinen Füßen. Ich will Nähe, stoße auf Distanz. Ich strebe nach Freiheit, zugleich auch nach Liebe. Ich suche Tiefe in einer Welt des Überflusses. Meine Kleidung ist zerris- sen, verbrannt und alt, ihre Zeit ist vergan- gen. Vergänglichkeit der Schönheit, der Jugend, des Lebens. Aber eines bleibt: der Moment.“ DE Die bislang dreiteilige Performancereihe mitten auf dem Praterstern greift die Sehn- süchte, Ängste, Alltagssituationen, Unsi- cherheiten, die Schnelllebigkeit und „Fomo“ der heutigen jungen Generation, der „Mil- lenials“, auf. Die Darsteller*innen sitzen auf dem Boden, auf Augenhöhe mit den Vor- beigehenden und den Verweilenden, und fordern sie auf, für einen Moment innezu- halten und sich selbst in der dargestellten Bewegungsdynamik wiederzufinden. Die Vermittlung zwischen Performer*innen und Zuschauer*innen passiert nicht von oben herab, sondern in unmittelbarer Nähe, ohne Distanz, mit der Möglichkeit der Identifikati- on. Mode, Musik und Bewegung untermalen die dystopische Stimmung des dargestellten Narrativs. Oben: Nothing lasts forever 26.4.2018 Unten: But the moment 21.6.2018
* 4 Aragog ömar kaplan 2018/19 Eine Konstruktion, die vorwie- gend dem Beutefang dient. Ömer Kaplans Konstruktion aus Folien umspannte die drei Grillagen. Ausgehend von Stra- tegien des Beutefangs, the- matisiert Ömer Kaplan den ge- richteten Fluss von Bewegungs- abläufen am Praterstern. – 15 Provisorische Oben: Aragog 22.11.2018 Schwitzhütte Unten: Provisorische Schwitzhütte 6.6.2019
* 5 DIE KRALLE Florian botka 2018 „ICH MAG KEINE SCHOKOLADE.“ 16 DE Die Kralle PINGUIN SPRICHT KURZ NACH SEINER BEFREIUNG ÜBER 22.11.2018 SEIN LEBEN IN GEFANGENSCHAFT UND WAS ER SICH VON SEINER ZUKUNFT ERHOFFT. FLOBO: ES FREUT MICH, DASS SIE HEUTE HIER BEI MIR SITZEN KÖNNEN, AUCH WENN VIELE IHRER KOLLEGINNEN NOCH EINGESPERRT SIND. DA STELLT SICH MIR AUCH GLEICH DIE FRAGE, WIE SIE DORT AN DIESEM „SCHANDFLECK“, IN JENER SOGENANNTEN GRILLAGE GELANDET SIND? PINGUIN: DIE FREUDE IST GANZ MEINERSEITS. DASS EINIGE MEINER KOLLEGINNEN NOCH EINGESPERRT SIND, IST ZWAR SCHADE. ABER WIR STOFFTIERE SIND SEHR GENÜGSAME MENSCHEN. UNSERE BEWEGUNGSUNFÄHIGKEIT SETZT EINE GEWISSE GENÜGSAMKEIT VORAUS. UNGELOGEN, WIR STEHEN IN GROSSER ABHÄNGIGKEIT UNSRER BESITZERINNEN, UND DAMIT SOLLTE MAN SICH VOM ERSTEN TAG AN ABFINDEN. WIE SCHON ERWÄHNT, LIEGT ES OFTMALS NICHT IN MEINER HAND, WO MICH MEIN WEG HINFÜHRT. MEIN LETZTER BESITZER HAT MICH, DAVON GEHE ICH AUS, SEHR WAHLLOS ERWORBEN, DA ICH MICH IN EINEM MÜLLSACK ZUSAMMENGEKUSCHELT MIT VIELEN MEINER KOLLEGINNEN BEFAND. WIE ICH SPÄTER ERFAHREN HABE, WAR’S EINE SOGENANNTE WEIHNACHTSAKTION UM 3 STATT 9 GELD, DIE DEN BESITZER WOHL ZUM KAUF MOTIVIERTE. NACH EINER SEHR TURBULENTEN FAHRT MIT DEM RAD, BELADEN MIT WEITEREN 3 SÄCKEN VOLL MIT MEINESGLEICHEN, WURDEN WIR PLÖTZLICH AUS HÖCHSTER HÖHE AUS UNSREN KUSCHELSÄCKEN GESCHÜTTELT UND LANDETEN NACH UND NACH IM GEBÜSCH DIESER SOGENANNTEN GRILLAGEN. FLOBO: DAS HÖRT SICH JA NACH EINEM UNGEWÖHNLICHEN VERHÄLTNIS AN, ZU WELCHEM SIE DA IMMER WIEDER REGELRECHT GEZWUNGEN WERDEN. EINERSEITS KLINGT ES ETWAS HILFLOS, ABER ANDERERSEITS AUCH AUFREGEND. FAST WIE EINE SCHACHTEL PRALINEN, WO MAN NIE WEISS, WAS MAN BEKOMMT. HABEN SIE EINE VERMUTUNG, WAS DER GRUND FÜR DIESES VERHALTEN IHRES LETZTEN BESITZERS SEIN KÖNNTE? PINGUIN: DAS STIMMT, ABER SO IST DAS LEBEN NUN MAL. ICH MAG KEINE SCHOKOLADE. MANCHE VON UNS WAREN SCHON IN VERGLEICHBAREN SITUATIONEN, ZUMINDEST DIE KRALLE KAM EINIGEN BEKANNT VOR, UNTER ANDEREM AUCH AUS MEINEM LIEBLINGSFILM TOY STORY. ABER IN DIESER DIMENSION HAT SIE AUCH NOCH NIEMAND ERLEBT. HATTE MEHR WAS VON EINER ANGEL, 8 ODER 9 METER LANG, SCHON GEWALTIG. KUNST WAHRSCHEINLICH. DOCH LEIDER, AUCH WENN ER SEHR GUT AUSGESEHEN HAT, HAT DER BESITZER EINIGE MEINER KOLLEGINNEN ZURÜCKGELASSEN. MANCHE VON IHNEN HOFFEN NOCH AUF DEN EIGENTLICH GEPLANTEN ABRISS DER SOGENANNTEN GRILLIGEN, ABER WER WILL SICH SCHON DIE 40.000 GELD PRO SOGENANNTER GRILLAGE LEISTEN … FLOBO: SPANNEND. UND WIE GEHT’S NUN BEI IHNEN WEITER? WER WIRD WOHL IHR NÄCHSTER BESITZER SEIN? PINGUIN: NA JA, ICH WERDE WOHL SO LANGE HIER AUF DEM STUHL SITZEN, BIS MICH JEMAND WEGBEWEGT. UND DANN IST DIE BESITZERINNENFRAGE AUCH SCHON GEKLÄRT. FLOBO: AH, NATÜRLICH. DANN WÜNSCHE ICH IHNEN EINE TOLLE NEUE BESITZERIN UND BEDANKE MICH HERZLICH FÜR DAS GESPRÄCH. PINGUIN: DANKE SCHÖN. ES WAR MIR EINE FREUDE.
Performative Kunst und künstlerische Interventionen im öffentlichen, urbanen Raum außerhalb der üblichen dafür definierten Orte bergen Überraschungen, sowohl für die Passanten als auch für die 17 Ausführenden. Durch künstlerische Interventionen in Kommerzzonen können unerwartete Dinge auftauchen, die alternative Vor- schläge zur allgegenwärtigen agressiven und meist stumpfen Kommerzkultur formulieren. Spannend kann für mich die Kunst in so einer Gemengelage nur dann sein, wenn damit Brüche, Differenzen, Kritik und Ambivalenz diffizil ausgelotet werden. Karl Heinz Klopf, Künstler & Filmemacher
18 Prozess/on - Part 1 27.1.2018
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* 6 PROZESS/ON Daphne von Schrader, Cosima Roth, Evi Jägle 2018/19 20 von oben nach unten: PROZESS/ON – Part 1 27.1.2018 PROZESS/ON – Part 2 26.4.2018 PROZESS/ON – Part 3 21.6.2018 DE PART 1 Dies ist eine feierliche Einladung zur zeremoniellen Prozession mit marschie- renden Feierungen, verzehrend-verzerr- ten Verstülpungen, gen Praterstern ver- läuft der Weg der Neugeburt entgegen, die Idee abstraktiert sich dort in ihrer vollen Pracht. Der Festzug wird sich seiner Ereig- nung entgegenziehen, dergestalt dass der Zug sich praterschiert und seine Spuren zeitigt durch Konfettisierung. Ein Schrift- gelehrter prophestziert aus der heilig-ge- nerösen Schriftrolle, derweil ein phan- tastisches glitzer-ritualisiertes Wesen der Opferung entgegengeführt wird, die freu- dige Verschlachtung initiiert die neue Ära des GLITZI-STERNS. Kostüme aller Art sind erwünscht, der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. PART 2 „Auf drei Rädern mit neuem Haupte errollte ich den Praterstern, meine Verän- derung perpetuiert sich fortkriechend. Mei- ne Escorte visualisierte und aktualisierte im Video der letzten PROZESS/ON den neuen Aufmarsch im Juni prophezeiend. Tief-grei- fend langten die Finger nach meinem Schatz im Innern, während sich mein Ge- leit als Animateure des animalischen Pra- ter-Tags etablierte. Die Vorladung streute sich signifikant aus-verbildlicht den Men- schen entgegen. Meine Schale transfor- miert sich stetig in ephemeren Erscheinun- gen, deren Beiwohnung ich ersehne.“ Zitat: Pratier, 1987.
21 PROZESS/ON – Plakatserie in der Größe PART 3 240 × 180 cm Der nächste Teil der Realitätserweite- verschachtelt-szenische Dimension, in dem rung findet im Rahmen der PROZESS/ON im das Opfer-Tier sich in einem Rudel wieder- wiederholten Gang gen Praterstern statt. findet. Die Formen kreatieren sich ins Unfi- Die Verrückten sind losgelassen und feiern gürliche, um der neuen Realität Einlass zu ein Milieu, dem man sich nicht mehr ent- gebieten. Die Prozessierenden suchen ih- ziehen kann. Die Maßlosigkeit hat einen ren Platz in der vorgestellten Realität, die neuen Namen, Zauberer, Priester, Hofnar- alles einnimmt, um die Teilnehmenden mit ren und allerlei andere verkleidete Um- einem neuen Erfahrungswert hinfort wan- triebigkeiten geben dem Happening seine deln zu lassen.
PART 4 Es wird verkündet: die zeremonielle Verspeisung eines Kuchens phantastischer Dimensionen! Das ist die leckerste Zelebra- schlemmen und schwatzen, schnabulieren tion bunter Kommunikation, eine frohlo- und diskutieren, lasst uns konsumieren und ckende Symbiose in zwischenmenschlicher artikulieren, vollstopfen und verbalisieren. Verkostung am Praterstern. Die exquisite Wir werden die Relationen erschließen und Einverleibung schmeckt nach Ästhetik in den Praterstern mit Zucker begießen, wir Rosa und Hellblau. Wir sind alle Königskin- werden bleiben im Durchzug, wir werden der und können zaubern, also kommt und das Delikate manifestieren und laden ein probiert mal! Lasst uns den Gaumen be- zum Partizipieren. Wir versprechen viel zu glücken im Naschen sowie im gegenseiti- viel, aber wir wünschen euch die schönste gen Entzücken. Lasst uns gemeinsam spei- und süßeste Kuchenüberdosis in fröhlichs- sen und sprechen, tafeln und tratschen, tem Stil. 22 PROZESS/ON – Part 4 6.6.2019
* 7 Radio Venusfalle Josephine Baltzersen, Aurelia van Kempen 2018 – The first woman to Josephine Baltzersen land in Louisiana’s 2019 garden 23 Oben: Radio Venusfalle 22.11.2018 Unten: The first woman to land in Louisiana´s garden 6.6.2019
EN 24 Thursday, the 6th of June, 2019 at 14.00h A meteorite landed at Praterstern Station, Leopoldstadt. EN The pussy is often regarded as: some- thing to have sex with, something to give birth with, something to trade money for. The first woman to land in Louisiana’s garden explores how the perception of the pussy can be freed from its usual context and given space for new understandings. The sculpture is put into public space to generate a new, powerful environment leav- ing the viewers to reflect on themselves. That Thursday in June, when The first woman to land in Louisiana’s garden land- ed at Praterstern station, the following hap- pened: Children interacted with the sculp- ture immediately; they touched it, kicked it and tried to roll it, but some of their parents stopped them once they realized what the sculpture depicted. Some women stopped and looked, some dared to touch it. One woman put her fingers slowly into one of the vaginas and afterwards smelled her fingers, then left. Other women looked at it and im- mediately looked away and started walking The first woman to faster. Most men just stared; none of them land in Louisiana´s touched it. Others looked with half an eye, garden trying not to be noticed looking at it. 6.6.2019
* 8 Absolut Feuer Jakob Ehrlich 2019 25 Oben: Absolut Feuer 6.6.2019 Unten: Absolut Feuer & The first woman to land in Louisiana´s garden 6.6.2019 Die temporäre Installation Abso- lut Feuer ist ein Amalgam aus As- soziationen, die mit der Örtlich- keit Praterstern zu tun haben. Zu diesen Begriffen zählen zum Bei- spiel Stadtpolitik, Sicherheit, Alko- hol, Terror oder Verlangen.
Neue Momente nisten sich in das Begegnungs- feld Praterstern ein. 26 26. APRIL 2018 DE EN Nachdem am 27. Januar eine After a ritual recasting of the rituelle Umbesetzung des Pra- Praterstern star into a glittering tersterns zu einem Glitzerstern star took place on January 27, the vorgenommen wurde, folgt am sequel follows on April 26, 2018. 26. April 2018 die Fortsetzung. The artistic project PROZESS/ON Das künstlerische Projekt PRO- by the students Evi Jägle, Cosima ZESS/ON der Studentinnen Evi Roth and Daphne von Schrader is Jägle, Cosima Roth und Daph- explained in separate chapters, ne von Schrader wird in einzel- interlaced and superimposed, so nen Kapiteln erzählt, verschränkt that the Praterstern star shines und überlagert, sodass der Pra- anew in sparkling light. Subtly, terstern erneut im funkelnden sometimes imperceptibly, new Licht erstrahlt. Subtil, teils un- moments and elements are em- merklich nisten sich neue Mo- bedded in the Praterstern field of mente und Elemente in das Be- encounter. The “Pratier” of the gegnungsfeld Praterstern ein. PROZESS/ON group rolls on Pra- Das „Pratier“ der Gruppe PRO- ZESS/ON rollt auf den Praterstern terstern and enters into lively exchange with Praterstern resi- Politics of the (Anti)- Mo(nu)ment(al). und tritt mit den Pratersternan- dents and passers-by. sässigen und Passant*innen in In Make Your Mommy Proud, Behauptungen und regen Austausch. a performance conceptualized by In der von Liina Pääsuke Liina Pääsuke, a group of black- konzipierten Performance Make clad women, carrying flag-like Your Mommy Proud vermisst eine Gruppe schwarzgekleideter Frauen, fahnenähnliche schwar- black objects with them, meas- ures the Praterstern. Up close, the flags can be made out as tat- Propositionen ze Objekte mit sich führend, den tered black pants. Parallel to this, DE Praterstern. Aus der Nähe lassen a performance by Elli Brandau- Proposition #1: MONUMENT sich die Fahnen als zerschlisse- er, which addresses the theme of ne schwarze Hosen ausmachen. fashion and body systems, and Kunst im öffentlichen Raum ist die konsequente Zu einer Verdichtung der Bewe- accompanies them with elec- Weiterentwicklung der Denkmalkunst des 19. Jahrhun- gungsabläufe vor Ort trägt par- tronic sounds, contributes to a derts und muss auch im 20. Jahrhundert als eine Ma- allel dazu eine Performance von condensing of the movement se- nifestation von Macht gesehen werden, die selbstver- Elli Brandauer bei, die Mode- quences on site. ständlich jedem gesellschaftlichen Paradigmenwechsel und Körpersysteme thematisiert Rechnung trägt. Das heißt, sie ist bereits in ihrem struk- (JH and UMP) turellen Ansatz hierarchisch angelegt und spiegelt als und mit elektronischen Sounds begleitet. solche Herrschaftsformen und damit Gesellschaftsfor- men wieder. Spätestens im 21. Jahrhundert kennzeich- (JH und UMP) net sie als public art oder art in public interest (Arlen Raven,1993) einen Schnittpunkt zwischen Gesellschaft und Politik mit ästhetischen Mitteln und impliziert damit den Begriff des Öffentlichen nicht als örtliche, sondern als soziologische Einheit. Das Kunstwerk im öffentlichen Raum der Gegenwart analysiert diese Einheit, gleichzei- tig kann es als Monument für dessen Strukturen gese- hen werden. Diese Gleichzeitigkeit und ihre Implikatio- nen gilt es zu verstehen. Proposition #2: MOMENT Jacques Rancière stellte 2008 fest („Ist Kunst wi- derständig?“), dass zwischen der autonomen Kunst und ihrer „Politisierung“ kein Widerspruch besteht, da in der Grundstruktur von Ästhetik eine Synthese zwi- schen den vermeintlichen Gegensätzen liegt, die sehr wohl ein emanzipatorisches politisches Moment enthält. Dieses implizite politische Moment wird in der gegen- wärtigen Kunst im öffentlichen Raum durch ein explizi- tes erweitert. Gleichzeitig hat die Gattung die ursprüng-
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