ZIEHEN! STECKER RUSSLAND DEN - DIE WIRTSCHAFT KÖLN
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WWW.DIEWIRTSCHAFT-KOELN.DE | AUSGABE 03.22 DAS WIRTSCHAFTS-MAGAZIN FÜR KÖLN UND DIE REGION RUSSLAND DEN STECKER ZIEHEN! Welche Alternativen es jetzt braucht BAUEN IM KRISENMODUS Volle Bücher, kein Material Foto: Thomas Francois - stock.adobe.com LEVERKUSEN HOCH IM KURS Stadt am Rhein wächst dynamisch
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Vorwort | LIEBE LESERINNEN UND LESER, senken und einen Beitrag zur Klimaneut- ralität leisten können. Wir können auch noch höher. Zur Ertüchti- Unsere Zertifikats- gung und Modernisierung der Bundeswehr hat die Bundesregierung ein Sondervermö- lehrgänge im Bereich gen von 100 Milliarden Euro bereitgestellt. Um einhundert Milliarden Euro geht es Außenwirtschaft, Zoll auch beim Schutzschild für Unternehmen. Allerdings nur in Form von Krediten. Not- und Exportkontrolle leidenden Betrieben soll auf diese Weise kurzfristig von der KfW unter die Arme ge- griffen werden. Seminare, Webinare, Netzwerk-Ver- Zumindest um Millionensummen geht es anstaltungen sowie Inhouse und Bera- beim 1. FC Köln. Mit dem Erreichen der in- tungsangebote – die Reguvis Akade- ternationalen Wettbewerbe tun sich neue mie ist der Partner in jeder Phase Ihrer Chancen auf. Nicht nur dass sich die Ein- nahmen aus dem Eurogeschäft auf einen beruflichen Entwicklung. Gemeinsam über Geld spricht man nicht – Geld hat niedrigen achtstelligen Millionenbetrag mit unseren Referent:innen garantieren man. Wobei beim Großteil der Bürger im- summieren könnten. Der Club wird für wir Ihnen exzellentes Know-how sowie mer mehr Monat übrig bleibt, wenn sich Spieler und den Nachwuchs wieder zu einer aktuelle und versierte Lerninhalte. das Kapital dem Ende neigt. ersten Adresse. Einen großen Anteil daran In unserer neuesten Ausgabe geht es hat Trainer Steffen Baumgart, der mit sei- wohl in fast jedem Artikel ums Geld. Um ner besonderen Art die Spieler, sein Team eher kleine Beträge wie auch um Milliar- und die Fans mitgenommen hat. Zurück zum großen Geld. Für die Opfer der Zollfachwirt/ in densummen, die von unseren Volksver- Flutkatastrophe rund um das Gebiet der (brav)® tretern in die Hände genommen werden. Ein paar Beispiele gefällig? Ahr und Erftstadt wurde die „Aufbauhilfe In unserer Titelgeschichte erklären wir, 2021“ vom Bundeskabinett aufgelegt. Ein woher unser Strom kommt (bisher zu ei- 30 Milliarden Euro schweres Programm, Exportkontroll- nem Großteil aus Russland) und wie wir dessen Gelder zwar beantragt, aber nur fachwirt/in uns von dieser Abhängigkeit lösen kön- spärlich und mit viel Bürokratie ausgezahlt (brav)® nen. Steigende Energiepreise aufgrund werden. Die Versicherer machen es den be- der Coronapandemie und des völker- troffenen Menschen auch nicht leicht. For- rechtswidrigen Kriegs der Russen gegen dern etwa Unterlagen an, die mit der Flut die Praxis die Ukraine haben wir deutlich merk- weggespült wurden, und verzögern Aus- des Zollrechts bar zu spüren bekommen. Die „2“ an zahlungen bis zum letzten möglichen Tag. der ersten Stelle des Spritpreises an den Vielleicht doch mal ganz gut, dass wir über Tankstellen wird uns wohl noch lange er- Geld gesprochen haben. Bleiben Sie spar- AW NExT halten bleiben. Obwohl, da gibt es ja noch sam, aber gönnen Sie sich die ein oder an- Fernlehrgang den versprochenen Tankrabatt. Der soll dere Nettigkeit. manager/in Zoll nun im Juni kommen. 30 Cent auf Ben- zin, 14 Cent auf Diesel. Pro Liter. Da gerät Herzlichst die „2“ ins Wanken. Wenn Politiker Geld verteilen – also jetzt nicht ihr eigenes –, sprechen sie gerne von Paketen. In diesem Jahr war es das Eugen Weis, Herausgeber sogenannte „Osterpaket“, das beim Emp- fänger natürlich den Eindruck eines net- ten Geschenks erwecken sollte. In diesem Fall war es auch so. Damit wird in Köln IMMER Bleiben Sie up to date mit dem der Ausbau der Solarenergie gefördert. UP TO Reguvis AKAdEmIE Newsletter: www.reguvis.de/newsletter Der Topf ist von einer Million Euro auf 20 Millionen Euro angewachsen. Tatsächlich DATE gut für Hausbesitzer, die mit Fotovoltaik www.diewirtschaft-koeln.de www.reguvis.de/akademie | ihre eigenen Stromkosten auf lange Sicht veranstaltungen@reguvis.de | www.diewirtschaft-koeln.de 3 Tel: 0221 -97668-8080
| Inhalt HIGHLIGHTS DIESER AUSGABE Foto: vchalup - stock.adobe.com Foto: Stadt Köln / Volker Glasow KÖLNER SOLAROFFENSIVE 12 Mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen ...........................................................ab Seite 12 Foto: jat306 - stock.adobe.com SCHLUSS MIT DER ABHÄNGIGKEIT 06 BAUKONJUNKTUR 18 Geht es auch ohne Energie aus Russland? Schwierige Bedingungen für Betriebe ...........................................................ab Seite 06 ...........................................................ab Seite 18 IMPRESSUM Verlag und Herausgeber: Redaktionsleitung: Fotos: stock.adobe.com, Alex Weis, Weis Wirtschaftsmedien GmbH Matthias Ehlert (ViSdP) Envato, sowie Kunden und privat Eugen Weis Hahnenstr. 12, 50667 Köln Druck: Druckhaus DOC Hahnenstr. 12, 50667 Köln redaktion@diewirtschaft-koeln.de Zeißstr. 23-27, 50171 Kerpen Telefon 0221.4743924 Redaktion: Telefon: 02237.9757011 info@diewirtschaft-koeln.de Matthias Ehlert (me), Heribert Eiden (he), www.diewirtschaft-koeln.de Gestaltung / Layout: Monika Eiden (mei), Christian Esser (ce), amannDESIGN Objekt- und Anzeigenleitung: Jana Leckel (jl), Astrid Waligura (aw), Humboldtstr. 60, 51379 Leverkusen Alex Weis Eugen Weis (ew) Telefon 02171.7053860 Hahnenstr. 12, 50667 Köln Jahrgang: 7, Heft 2/2022 www.amanndesign.de Telefon: 0221.4743924 anzeigen@diewirtschaft-koeln.de Auflage: 17.000 Exemplare Beilage: Schultz GmbH & Co. KG © Weis Wirtschaftsmedien GmbH 2022 - Nachdruck und Vervielfältigungen jeglicher Art, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages. Alle Urheber- rechte liegen bei / oder beim Verlag bzw. den Autoren. Auch Werbeschaltungen sind urheberrechtlich geschützt. Es gelten unsere AGBs. Erfül- lungsort und Gerichtsstand ist Köln. Unser Verlag wird beraten und rechtlich vertreten durch: Rechtsanwälte Stiletto Wilhelm & Kollegen. 4 www.diewirtschaft-koeln.de
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Energie WOHER KOMMT UNSERE ENERGIE? Wie sich Deutschland von russischen Energieimporten loslösen will Foto: vchalup - stock.adobe.com Noch kommen große Teile der Energie aus Russland - wann kann man den Hahn bei Öl und Gas zudrehen? Abhängigkeit ist ein äußerst negativ behafteter Begriff und das hat auch seine Grün- die Zeit drängt. Schon jetzt spüren die Be- de. Abhängigkeit in psychologischer Hinsicht ist schlecht, denn dahinter versteckt triebe in Deutschland die rasant gestiege- sich oftmals eine Sucht. Und auch politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten nen Preise bei Energie. Und die Inflation können gefährlich sein. Doch gerade in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht bei den Energiepreisen ist dabei kein Pro- geht es nicht ganz ohne Abhängigkeiten – die Frage ist aber, von was und wem man blem, das nur die Bundesrepublik betrifft, abhängig sein möchte. sondern sich derzeit weltweit auswirkt. Diese Entwicklung, die bereits Mitte des Der Krieg in der Ukraine hat uns offenbart, gieträger von Russland nach Deutschland letzten Jahres eingesetzt hat, hat sich nach dass Deutschland abhängig ist. Es braucht gebracht werden, wird die Kriegskasse Beginn des Krieges noch einmal deutlich Energie und Rohstoffe, um die Wirtschaft Putins gefüllt. Politisch hat sich die Bun- verschlimmert. Preise an Tankstellen für am Laufen zu halten und Wohlstand schaf- desrepublik damit in eine äußerst prekä- Benzin und Diesel für über zwei Euro pro fen zu können. Und weil Deutschland kein re Lage manövriert. Berlin wirkt wie ein Liter sind seit Ende Februar ein Dauer(- besonders rohstoffreiches Land ist, braucht doppelter Bremsklotz, sowohl bei weiteren ver)brenner, der tiefe Löcher in Geldbör- es Importe, keine Frage. Politisch, vor al- Verschärfungen der Sanktionen gegenüber sen und auf den Konten hinterlässt. Zudem lem energiepolitisch hat sich die Bundes- Russland wie auch mit Blick auf Waffenlie- wird auch das Heizen immer teurer. Die ge- republik in den letzten zwei Jahrzehnten ferungen an die Ukraine. stiegenen Preise für Energie treiben dabei zunehmend von Russland abhängig ge- Nun braucht es andere Lieferanten und die die Inflation munter weiter vor sich her, die macht. Öl, Gas und Kohle werden in gro- Suche läuft. Katar, Vereinigte Arabische Betriebe sind zunehmend gezwungen, ih- ßen Mengen importiert. Und plötzlich ist Emirate – Bundesminister Robert Habeck re gestiegenen Kosten auf die Verbraucher Deutschland Spielball in einem Szenario, geht auf Reisen und möchte Gas geben, umzulegen. Das treibt die Preise für diver- wo es nur verlieren kann. Ohne Energie- um schnell Gas(-lieferanten) zu finden. Gu- se Produkte, insbesondere auch Lebens- importe aus Russland wird die Wirtschaft te Gespräche habe es mit den Ländern ge- mittel immer weiter in die Höhe. Die Poli- leiden und dabei sind viele Betriebe gera- geben. Kritik am Umgang der Staaten mit tik muss nun handeln. de immer noch dabei, die Folgen der Co- Menschenrechten hatte der Minister dabei Ein wesentlicher Punkt ist, die Abhängig- ronapandemie zu überwinden. Doch mit nicht im Gepäck, dafür aber große Hoff- keit von russischen Energieimporten zu jedem Tag, wo weiter Gas und andere Ener- nungen auf schnelle Lieferungen. Denn beenden. Nord Stream 2, die neue Pipeline 6 www.diewirtschaft-koeln.de
Energie | für Gas, ist zwar fertig, wird aber wohl nie tig fehlt es an Fachkräften und insbeson- es zu einem Förderstopp, und das nach we- in Betrieb genommen werden, da Energie dere durch die strikte Pandemiepolitik in nigen Stunden. Am 20. April 2022 nahm künftig aus anderen Teilen der Welt her- China auch an ausreichend Material, was die Förderbank KfW Anträge entgegen. Es kommen soll. Gleichzeitig will Deutsch- bspw. für den Bau von Fotovoltaikanlagen ging um Neubauförderungen für das Effizi- land noch stärker in erneuerbare Energien benötigt wird. enzhaus (EH) 40. Also ein Haus, das gegen- investieren, um nicht mehr so stark von über einem Standardhaus nur 40 Prozent Importen abhängig zu sein. Gefördert? Stopp! des Energiebedarfs benötigt. Eine Milliar- de Euro gab es als Fördersumme. Nach nur Osterhase Lob für das Osterpaket gibt es unter an- wenigen Stunden war der Fördertopf schon derem vom BDI und von seinem stellver- leer. Kritik ließ da nicht lange auf sich war- bringt Windräder ten. „Der erneute Förderstopp beim heute tretenden Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Das Osterpaket kommt zur richti- erst wieder angelaufenen EH40-Neubau- Bundeswirtschafts- und Klimaschutzmi- programm ist ein zweites Fiasko mit Ansa- gen Zeit. Mit der Novelle bringt die Bun- nister Robert Habeck hatte vor Ostern ei- ge. Es war vollkommen klar, dass die vor- desregierung ein wichtiges Etappenziel ne mehr als 500-seitige Gesetzesvorlage gesehene eine Milliarde Euro angesichts für den schnelleren und massiven Ausbau im Gepäck, die das Bundeskabinett verab- des riesigen Bedarfs niemals ausreichen erneuerbarer Energien auf den Weg. Es ist schiedet hat. Es soll die größte energiepo- würde. Jetzt ist die grundlegend notwendi- gut, dass der Gesetzgeber die Abhängig- litische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten ge Unterstützung für das klimaschonende, keit von fossilen Energien perspektivisch sein. Unterschiedliche Gesetze wurden mit bezahlbare Bauen innerhalb von Stunden stark reduzieren will.“ Doch mit Wind- dem „Osterpaket“ umfassend novelliert, wieder zum Erliegen gekommen. Planungs- kraftanlagen und Solarstrom wird es nicht der Ausbau der erneuerbaren Energie soll sicherheit und Verlässlichkeit sind in die- reichen. „Wichtig ist, dass die Regierung damit beschleunigt und konsequent vor- ser von Unsicherheit geprägten Zeit wich- neben dem Ausbau der erneuerbaren Stro- angetrieben werden. „Das Osterpaket ist tiger denn je. Leider ist das Gegenteil der merzeugung auch die künftige Versorgung der Beschleuniger für den Ausbau der er- Fall“, kritisierte Axel Gedaschko, Präsident mit grünen Molekülen wie Wasserstoff neuerbaren Energien. Wir werden den An- des Spitzenverbandes der Wohnungswirt- kraftvoll angeht“, so Lösch. Und dann teil der erneuerbaren Energien am Brutto- schaft GdW, scharf. „Unter den aktuellen stellt sich zudem noch die Frage nach un- stromverbrauch innerhalb von weniger als Bedingungen ist bezahlbares, klimascho- seren Gebäuden. Die sollen und müssen ef- einem Jahrzehnt fast verdoppeln. Wir ver- nendes Bauen schlicht unmöglich. Die so- fizienter werden, Wärme besser speichern. dreifachen die Geschwindigkeit beim er- zial orientierten Wohnungsunternehmen Dies braucht Fördermittel, damit sich für neuerbaren Ausbau – zu Wasser, zu Land müssen bereits begonnene sowie geplante die Verbraucher eine Um- bzw. Aufrüs- und auf dem Dach. Die erneuerbaren Ener- Neubauprojekte stoppen und auf Eis legen, tung auch lohnt. „Für den Gebäudesektor gien liegen künftig im öffentlichen Interes- weil sie finanziell nicht mehr machbar müssen alle Förderprogramme auf min- se und dienen der öffentlichen Sicherheit. sind. Mit Blick auf die Neubau- und Klima- destens zehn Jahre angelegt werden“, for- Das ist entscheidend, um das Tempo zu er- ziele der Regierung ist es fünf nach zwölf. dert Lösch: „Durch die Förderstopps zum höhen. Insgesamt schaffen wir mit dem Os- Die Wohnungsunternehmen sind diejeni- Anfang des Jahres hat die Bundesregie- terpaket die Voraussetzungen für die Ener- gen, die klimaschonendes Wohnen zu be- rung Vertrauen eingebüßt. Gebäudebesit- giesicherheit und die Energiesouveränität zahlbaren Mieten in die Realität umsetzen. zer müssen planungssicher ihre Häuser Deutschlands. Zugleich legt es die Grund- Es darf jetzt keine Zeit mehr verstreichen, schrittweise auf klimaneutrale Niveaus lagen dafür, dass Deutschland klimaneut- dass sie die dafür notwendige staatliche sanieren und Unternehmen die dafür nöti- ral wird“, so Habeck und weiter: „Das Os- terpaket ist Teil unserer Agenda und ist in gen Kapazitäten aufbauen können.“ Unterstützung auch erhalten.“ W Wenn es denn nur Förderstopps zu Beginn den letzten Monaten unter Hochdruck er- des Jahres gewesen wären. Kürzlich kam Christian Esser arbeitet worden. Es hat angesichts des völ- kerrechtswidrigen Angriffskrieges Russ- Foto: anatoliy_gleb - stock.adobe.com lands auf die Ukraine nun eine doppelte Dringlichkeit erhalten. Zum einen spitzt sich die Klimakrise zu. Zum anderen zeigt der Einmarsch Russlands, wie wichtig es ist, aus den fossilen Energien auszusteigen und den Ausbau der Erneuerbaren konse- quent voranzutreiben. Das tun wir beherzt und konsequent.“ Es gibt einiges zu tun. Denn bis 2030 sollen mindestens 80 Pro- zent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien bezogen wer- den. Dazu braucht es deutlich schnellere und intensivere Ausbaumaßnahmen bei Fotovoltaikanlagen oder Windrädern. Doch die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass es äußerst lange braucht, um bspw. neue Windräder überhaupt zu genehmigen – oft Es braucht mehr erneuerbare Energie - der Ausbau läuft aber nur oft schleppend ist dies ein jahrelanger Prozess. Gleichzei- www.diewirtschaft-koeln.de 7
Energie ÜBER DAS ENDE DER KOHLE Vorgezogener Braunkohleausstieg – ist das noch realistisch? ein vorgezogener Kohleausstieg bis 2030 Foto: martinlisner - stock.adobe.com unrealistisch zu sein, stattdessen müssten Kapazitäten der Kohlekraftwerke im Rhei- nischen Revier noch länger als Energie- reserve vorgehalten werden, um mögliche Engpässe bei Gaslieferungen überbrücken zu können. „Angesichts der geopolitischen Risiken bei der Versorgung mit Erdgas ist der aktuelle starre Ausstiegspfad aus der Kohleverstromung nicht haltbar, ohne die Versorgungssicherheit und damit die Zu- kunft unseres Wirtschaftsstandorts zu ge- fährden“, sagt Dr. Uwe Vetterlein, Hauptge- schäftsführer der IHK Köln. Aus der Politik bräuchte es ein glaubhaftes Zeichen für die Versorgungssicherheit. „Dazu gehört ein Moratorium zum Kohleausstieg. Die bishe- rigen Pläne setzen einseitig auf russisches Wann ist ein Ausstieg aus der Kohle möglich? Ist 2030 als Ausstiegsjahr realisierbar? Gas und sind durch den Krieg nicht mehr haltbar“, so Vetterlein. Darüber hinaus bräuchte es deutlich mehr Raus aus der Kohle – das ist der Plan und vielen kann es dabei nicht schnell genug Tempo beim Ausbau der erneuerbaren gehen. Das Enddatum mit 2038 ist bereits gesetzlich verankert, doch soll es mög- Energien. Die IHKs fordern deshalb, dass lichst schon 2030 mit der Kohleförderung in Deutschland vorbei sein. Die Vorzeichen Planungs- und Genehmigungsprozesse haben sich hierfür durch den russischen Einmarsch in die Ukraine verändert. Eine vereinfacht und verkürzt werden. Das vom Studie mehrerer IHKs aus dem Rheinland zeigt ein Bild auf, nach dem der Ausstieg Bund verabschiedete „Osterpaket“ müsse bis 2030 unrealistisch ist. zunächst noch geprüft werden, um zu er- mitteln, ob dieses zu einer notwendigen Dass Deutschland sich völlig unabhängig bereits um 1800 ging es los. Seither wurde Beschleunigung beitragen kann. Für das von anderen Staaten und ihren Energie- tonnenweise Braunkohle abgebaut, einige Rheinische Revier müssten zügig Flächen lieferungen selbst mit Energie versorgen Milliarden Tonnen Kohle kamen seither für erneuerbare Energien festgelegt wer- kann, ist ein Wunschtraum, der wohl nie zusammen. Das Rheinische Revier ist heu- den, dabei dürften kommunale Gebiets- in Erfüllung gehen wird. Über Jahre hin- te das größte Braunkohle-Abbaugebiet Eu- körperschaften nicht von der Landesre- weg hat niemand wirklich nachgefragt, wo ropas. Damit soll bald Schluss sein, denn gierung alleingelassen werden – nur so die Energieimporte herkommen und wel- Braunkohle ist ein wahrer Klimakiller. seien die Ausbauziele zu erreichen. „Wir ches Risiko sich durch die so aufgebauten Doch die aktuellen Ereignisse lassen Pläne brauchen deutlich mehr Tempo bei der Abhängigkeiten ergeben. Die russische In- zum vorgezogenen Ausstieg unrealistisch Energiewende. Ein ,Weiter so’ wird nicht vasion in die Ukraine hat dies verändert wirken. genügen“, sagt Michael F. Bayer, Haupt- und verdeutlicht nun, wie groß diese Ab- geschäftsführer der IHK Aachen. „Einzel- hängigkeit bei Energieimporten ist. Damit sind direkt mehrere Probleme verbunden. Kohleausstieg bis 2030 interessen, Bräsigkeit und Kleinteiligkeit dürfen wir uns nicht mehr leisten. Un- Durch die weiterlaufenden Gas- und Ener- wohl nicht möglich ser großes gemeinsames Ziel lautet: Wir gieimporte, die Deutschland aus Russland werden ein klimaneutraler, international bezieht, finanziert die Bundesrepublik Pu- Die Industrie- und Handelskammern Aa- wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort tins blutigen Krieg mit, gleichzeitig stellt chen, Köln und Mittlerer Niederrhein ha- mit zukunftsfähigen Arbeitsplätzen – ein sich die Frage, was passiert, wenn Moskau ben eine Studie mit dem Titel „Energiesi- Morgen-Land.“ den Gashahn plötzlich zudrehen sollte und cherheit im Kern- und Wirkungsraum des bis dahin keine Alternativen verfügbar Rheinischen Reviers“ in Auftrag gegeben. sind. Dies rückt den Fokus auf die Energie- Durchgeführt wurde die Untersuchung von Betriebe melden versorgung, die Deutschland selbst leisten der SME Management GmbH. Hierzu ha- Netzschwankungen kann. Bis zum Jahresende gehen die letz- ben die Autoren eine Vielzahl vorheriger ten laufenden Atomkraftwerke vom Netz, Studien ausgewertet und darüber hinaus Für die Studie „Energiesicherheit im Kern- die Braunkohle, ebenfalls ein „Auslauf- rund 50 Experteninterviews mit Vertre- und Wirkungsraum des Rheinischen Re- produkt“, soll aber noch bleiben, fragt sich tern vornehmlich mittelständischer Un- viers“ wurden zahlreiche Expertenin- nur, wie lange. Seit Generationen wird im ternehmen aus den drei IHK-Bezirken ge- terviews durchgeführt, bei denen die Rheinischen Revier Braunkohle gefördert, führt. Nach Ergebnissen der Studie scheint Betriebe Probleme offen darstellten. Dabei 8 www.diewirtschaft-koeln.de
Energie | DIW hält mit eigener Foto: BGStock72 - stock.adobe.com Studie dagegen Es gibt allerdings auch Stimmen, die dem Bild der Studie der drei IHKs auf dem Rheinland widersprechen. So kommt ei- ne Studie des DIW zum Schluss, dass ein Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle auch nach einem vollständigen Wegfall der russischen Erdgas- und Kohleexpor- te nach Deutschland bis 2030 möglich ist und auch die Stromversorgung in diesem wie auch im kommenden Jahr 2023, nach- dem die Bundesrepublik auch aus der Ato- menergie ausgestiegen ist, mittelfristig gesichert sei. „Bedingung hierfür sind der Russlands Energielieferant Nr. 1 verdient weiterhin kräftig an Energieexporten im Osterpaket vorgesehene beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien sowie zeigte sich, dass schon jetzt vermehrt Un- wichtig, auch während der Transformation eine befristete Intensivierung von Stein- ternehmen von Netzschwankungen betrof- unseres Energiesystems eine sichere Ver- und Braunkohleverstromung. Die deut- fen sind. Etwa 50 Betriebe beklagten eine sorgung zu gewährleisten.“ schen Kohleimporte aus Russland können Verschlechterung der Versorgungsqualität Die IHKs melden, dass die Wirtschaft auf- relativ einfach durch den Bezug von inter- und -sicherheit mit Strom. Wieso das der grund des sehr hohen Preisniveaus, aber nationalen Kohlemärkten ersetzt werden. Fall ist, liegt auf der Hand. Denn bei er- noch mehr aufgrund des sinkenden Ver- Im Jahr 2023 gibt es ausreichend Kraft- neuerbaren Energien wie Solarstrom aus trauens in die dauerhafte sichere Energie- werkskapazitäten auch bei einem starken Fotovoltaik-Anlagen und Windkraft liegt versorgung äußerst beunruhigt ist. Sollte Rückgang der Erdgasverstromung und der die sogenannte „gesicherte Leistung“ bei 0 es zu einem Boykott von russischem Erd- Abschaltung der letzten drei Kernkraftwer- Prozent bei Sonnenstrom und bei weniger gas kommen, stellt die Untersuchung fest, als zehn Prozent bei der Windenergie, oder ke. Ein schneller Ausbau der erneuerbaren wären viele Unternehmen, die Gas zur anders ausgedrückt: Gibt es keinen Wind Energien beschränkt die Erdgas- und Koh- Prozesswärme benötigen, dazu gezwun- und Sonnenschein, gibt es auch keine leverstromung: Der im Koalitionsvertrag gen, ihre Produktionsprozesse kurzfristig Energie, die man gewinnen könnte. Beson- angestrebte Kohleausstieg bis 2030 bleibt umzustellen. Sollte es so sogar dazu kom- ders problematisch sind dabei sogenannte men, dass die Gasversorgung komplett ab- erreichbar. Für die mittelfristige Entwick- „Dunkelflauten“, also Zeiträume, in denen geschnitten wird, droht den Betrieben ein lung bleibt die Integration zwischen dem weder die Sonne scheint und es Windstille Produktionsstopp. Dies würde, je nach An- deutschen und dem europäischen Strom- gibt. Gibt es solche „Dunkelflauten“, wirkt lage, zudem zu irreversiblen Schäden füh- markt für die Versorgungssicherheit zen- sich das auf das Stromnetz aus und sorgt tral“, schreiben die Studienautoren des W ren. Daher, so die IHKs, sollte Gas nur dann für Probleme. zur Stromerzeugung eingesetzt werden, so- DIW zur Begründung. Die Studie zeigt zudem, dass es immer fern aus anderen Quellen ausreichende Ka- herausfordernder wird, die notwendi- pazitäten zur Verfügung stehen. Christian Esser ge Spannung und Frequenz im Netz auf- rechtzuerhalten – hierbei unterstützen die Foto: Parilov - stock.adobe.com Braunkohlekraftwerke im Rheinland maß- geblich. Um diese „Systemleistung“ der Braunkohlekraftwerke zu ersetzen, wird es noch einige Zeit benötigen. Daher fordern die IHK Aachen, Köln und Mittlerer Nie- derrhein auch, dass neben der Transfor- mation des Rheinischen Reviers mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Ener- gien gleichzeitig auch die Netzkapazitäten gesteigert werden müssen. „Energie bil- det das Fundament unserer industriellen Wertschöpfungsketten. Eine Verschlech- terung der Versorgungssicherheit, selbst geringe Netzschwankungen, können zu erheblichen Produktionsausfällen und An- lagenschäden führen“, sagt Jürgen Stein- metz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mitt- Die deutsche Wirtschaft braucht weiterhin händeringend Energie aus der Kohle lerer Niederrhein. „Deshalb ist es enorm www.diewirtschaft-koeln.de 9
Energie TIEF GE- ODER VERBOHRT? Vor zehn Jahren war Fracking ein Thema in NRW, nun ist es wieder da es generelle Möglichkeiten zum Fracking Foto: Wolfilser - stock.adobe.com geben würde, in Niedersachsen liegt. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne sind klar gegen Fracking. Stattdessen gibt es die Forderungen an den NRW-Wirtschafts- minister, die Windkraft im Land schneller auszubauen. Doppelt so viel Windkraft Doch bevor irgendwelche Bohrungen im Münsterland oder am Niederrhein statt- finden, wo es auch tief im Boden Gasvor- kommen gibt, stehen noch andere wichti- ge Energieziele auf der Agenda NRWs, zum Beispiel der Ausbau der Windkraft. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrau- cherschutz NRW (LANUV) hat eine Poten- zialstudie zur Windenergie veröffentlicht. Unter Berücksichtigung der geltenden Ab- standsregeln könnte bis 2030 eine Gesamt- leistung aus Windkraft in NRW von bis zu 16,4 Gigawatt möglich sein. Doch bevor so Der Ausbau der Windenergie in Deutschland verläuft eher schleppend viel Strom aus Windenergie fließen kann, müssen zunächst die Rahmenbedingun- gen dazu geschaffen werden. Die Studie Die Suche nach Alternativen zu russischen Gasimporten läuft. Völlig ohne Gasvor- des LANUVs sieht dazu auch zusätzliche kommen ist Deutschland nicht, im Gegenteil, auch hierzulande gäbe es Möglichkei- Windenergiepotenziale auf sogenannten ten, Gas zu fördern. Doch um an das Gas heranzukommen, bräuchte es sogenanntes Kalamitätsflächen im Wald vor, die mit Fracking. Umweltschützer laufen Sturm gegen die Idee des NRW-Wirtschaftsminis- in die Berechnungen eingeflossen sind. ters Andreas Pinkwart, andere sehen eine mögliche Option, um sich schneller von Ende 2021 hat das Land NRW sich zum russischen Gasimporten zu lösen. Ziel gesetzt, den Windenergie-Ausbau von rund sechs Gigawatt (Stand Ende 2020) 2012 wurde schon einmal über Fracking zu fördern. Doch das Konfliktpotenzial ist auf zwölf Gigawatt bis 2030 zu verdop- debattiert. Fracking ist ein Verfahren zur groß, denn gerade der Einsatz der Chemi- peln. Daher wurde das LANUV vom Wirt- Förderung von Öl oder Gas. Ein aufwendi- kalien kann Böden und Gewässer konta- schafts- und Energieministerium NRWs ges Verfahren mit großen Risiken. Gene- minieren und somit unbrauchbar machen. damit beauftragt, eine Studie aus dem Jahr rell wird zwischen konventionellem und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder 2012 mit Blick auf die neuen Ausbauziele unkonventionellem Fracking unterschie- und auch NRW-Wirtschaftsminister Pink- zu überarbeiten. Ziel der neuen Studie ist, den. Konventionelles Fracking wird vor wart wollen den Einsatz der Fracking-Tech- das landesweite Gesamtpotenzial der Win- allem in Sandsteinlagerstätten durchge- nologie in Deutschland „ergebnisoffen“ denergienutzung für NRW bis zum Jahr führt. Doch auch diese Methoden stehen in prüfen lassen. Bundeswirtschaftsminis- 2030 neutral und nachweisbar abschätzen der Kritik und wurden von der Bundesan- ter Robert Habeck sieht darin keine Op- zu können. „Um die ehrgeizigeren Klima- stalt für Geowissenschaften und Rohstoffe tion. Die nötige Fracking-Technologie sei ziele und mehr Energieunabhängigkeit zu auch als „nicht konventionell“ eingestuft, nicht nur mit deutschem Recht unverein- erreichen, muss Deutschland den Ausbau allerdings scheiden sich hier die Geister. bar, es würde zudem Jahre brauchen, um Genehmigungen für den Abbau überhaupt der erneuerbaren Energien beschleunigen Bei der unkonventionellen Methode han- delt es sich um eine Erdgasgewinnung aus zu bekommen. Ein klares politisches Mei- und dafür die Akzeptanz der Bevölkerung Schiefer-, Ton-, Kohleflöz- oder Mergelge- nungsbild innerhalb der Fraktionen und erhöhen. Wir gehören schon heute bundes- stein. Besonders verbreitet ist das Fracking Koalitionen, bspw. im NRW-Landtag, lässt weit zu den Vorreitern bei der Windenergie in den USA, wo häufig aus Schieferschich- sich nicht erkennen. Während Pinkwart und haben uns wie der Bund eine Verdop- ten Gas gewonnen wird. Gesteinsschich- (FDP) die Möglichkeit des Frackings wieder pelung bis 2030 vorgenommen. Die Poten- ten tief im Boden werden mithilfe gewal- ins Spiel gebracht hat, ist der Koalitions- zialstudie Windenergie NRW des LANUV tiger Wassermengen und unter Einsatz von partner CDU kurz vor den Landtagswahlen zeigt wissenschaftlich fundiert, dass diese Chemikalien aufgesprengt. Nur so können noch skeptisch, auch weil ein Großteil der Ausbauziele erreichbar sind“, so Minister die Risse offen gehalten werden, um Gas potenziellen Flächen in Deutschland, wo Pinkwart. 10 www.diewirtschaft-koeln.de
Energie | „in der Regel lassen sich durch eine Mo- Foto: Sean - stock.adobe.com dernisierung rund 20 Prozent mehr Was- serkraftstrom erzeugen.“ Die nun geplan- te Förderkappung für einen Großteil der kleinen Wasserkraftwerke, von denen es in NRW etwa 380 Stück gibt, sei „absolut willkürlich und nicht nachvollziehbar“, so Priggen. Dies werfe die Frage auf, welche ökologischen Unterschiede ein kW mehr oder weniger machen soll. Der LEE NRW hat folgende Forderungen an den Bund ge- stellt: die komplette Streichung der vorge- sehenen Verschlechterungen für die Was- serkraft in der EEG-Novelle sowie spürbare finanzielle Anreize für die Modernisierung von Bestandsanlagen und den Neubau, Gasförderung ist ein wahrer Klimakiller, vor allem durch Fracking und zwar überall da, wo es gewässerver- träglich möglich ist. Unterstützung für Die NRW-Landesregierung verfolge mit der tete Neuausrichtung der Wasserkraftför- diese Forderung kommt dabei auch aus Fortschreibung der Energieversorgungs- derung passt überhaupt nicht in die Zeit, Teilen der Wirtschaft, wie von Gunnar strategie Nordrhein-Westfalen vom Ende in der jede regenerative Kilowattstunde Lohnmann-Hütte, Stahlunternehmer und vergangenen Jahres ambitionierte Ziele für zählt, um die Importabhängigkeit im Ener- Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft einen akzeptanzgesicherten Ausbau der er- giesektor zu senken“, betont LEE NRW-Vor- Wasserkraftwerke NRW: „Die Wasserkraft neuerbaren Energien. Die Erträge aus der sitzender Reiner Priggen, „sollte es im par- ist seit Generationen eine verlässliche und Windenergie sollen binnen zehn Jahren bis lamentarischen Gesetzgebungsverfahren klimafreundliche Energiequelle für Ge- 2030 verdoppelt werden. Wie die Studie nicht gelingen, diese Änderungen rück- werbe- und Industriebetriebe. So wie wir des LANUVs belegt, sei dies auch mit der gängig zu machen, droht der kleineren nutzen viele Betriebe wie Sägewerke oder NRW-spezifischen 1.000-Meter-Abstands- Wasserkraft hierzulande mittelfristig das Unternehmen der Eisen- und Papierver- regelung im Außenbereich möglich. Das Aus.“ Und die kleinen Kraftwerke leisten arbeitung die Kraft des Wassers, um die Land fordert zudem den Bund auf, not- durchaus einen nicht unerheblichen An- wendige Rahmenbedingungen für einen Produkte klima- und umweltfreundlich teil bei der Stromversorgung, denn über beschleunigten Ausbau der Windkraft zu zu erzeugen. Wenn die EEG-Regelungen so die bundesweiten kleinen Wasserkraftan- schaffen. kommen, dann müssen jedoch über kurz lagen werden mehr als eine Million Haus- oder lang die meisten Wasserkraftanla- halte mit sauberem Strom versorgt. „Da Was ist mit Wasserkraft? der Neubau von Wasserkraftwerken in den gen auf den Firmengeländen stillgelegt zurückliegenden Jahren wegen langer Ge- werden.“ Das wären keine guten Aussich- Scheint weder Sonne und weht auch kein ten für die Zukunft der klimafreundlichen W nehmigungszeiten und hoher naturschutz- Wind, dann ist „Dunkelflaute“, ein Be- rechtlicher Auflagen fast zum Erliegen ge- Wasserkraft. griff, der bereits erwähnt wurde. Egal, ob kommen ist, setzen die meisten Betreiber Tag oder Nacht, windig oder nicht win- auf das Repowering“, erklärt Priggen, Christian Esser dig, eine erneuerbare Energiequelle fließt immer, im wahrsten Sinne: Wasser. Doch Foto: familie-eisenlohr.de - stock.adobe.com bei letzten Gesetzesnovellen bspw. im Zu- sammenhang mit dem Erneuerbare-Ener- gien-Gesetz kommt Wasserkraft zu kurz, der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) spricht sogar davon, dass aktuelle Entwürfe der Bundesregierung zum EEG bzgl. Wasserkraft „völlig fehlge- leitet“ seien. Denn nach Plänen des Bun- des soll schon ab dem kommenden Jahr für Wasserkraftanlagen bis zu 500 Kilowatt Leistung keine Förderung mehr verfügbar sein und diese wird ersatzlos gestrichen. Laut LEE NRW sind vom Förderaus neue Anlagen und bestehende Wasserkraftwer- ke dieser Leistungsklasse betroffen. Und von den bundesweit etwa 7.300 Anlagen haben etwa 90 Prozent eine Leistung von Wasserkraft - der umweltfreundliche Energieträger mit "stiefmütterlicher" Rolle weniger als 500 kW. „Diese völlig unerwar- www.diewirtschaft-koeln.de 11
Energie KÖLNER SOLAROFFENSIVE NIMMT FAHRT AUF Der Umstieg auf Fotovoltaik wird finanziell immer attraktiver Foto: Stadt Köln / Volker Glasow Solarpanele werden auch auf städtischen Schulen installiert. Hier eine PV-Anlage auf dem Dach der Königin-Luise-Schule in der Kölner Innenstadt. Mit Sicherheit hat auch der Ukraine-Krieg das Thema Energiepolitik in Deutschland besonderes Maß, das ausschließlich zur befeuert. Die Unabhängigkeit von Öl und Gas aus Russland gepaart mit der Errei- Messung der Leistung von Fotovoltaikan- chung der Klimaziele ist der erklärte politische Plan. Die Bundesregierung hat mit lagen verwendet wird. Üblicherweise wird dem sogenannten „Osterpaket“ ein klares Zeichen gesetzt. Die Gesetzesnovelle soll elektrische Leistung in Watt gemessen. Zur als Beschleuniger für den Ausbau der erneuerbaren Energien dienen. Die klare Bot- Erklärung: 1 kWp entspricht 1.000 Watt. schaft vonseiten des Bundes ist auch in den Kommunen angekommen und setzt dort Ein Beispiel: Die Stadt Köln würde die In- Impulse. So nimmt unter anderem die Kölner Solaroffensive Fahrt auf. stallation einer PV-Anlage mit einer Anla- geleistung von 10 kWp mit 2.500 Euro be- Die Stadt Köln hat sich zum Ziel gesetzt, schaften, William Wolfgramm, begrüßte zuschussen. Das entspricht einem Sechstel bis 2035 klimaneutral zu sein. Ein wichti- den Schritt: „Unser neues Förderprogramm der gesamten Installationskosten von rund ger Baustein ist dabei der Ausbau regene- könnte aktueller nicht sein. Es ist gut, dass 15.000 Euro. rativer Energien: die sogenannte „Solar- es jetzt an den Start geht. Wir wollen mög- offensive“. Ziel ist hierbei, zum einen den lichst viele Hauseigentümer*innen dabei Weitläufige Ausbau von Fotovoltaik-Anlagen auf städti- unterstützen, Energie einzusparen und so schen Gebäuden, Schulen und Sporthallen unser Klima zu schonen. Jede installierte Bezuschussung zu beschleunigen. Zum anderen soll die Solaranlage auf Kölner Dächern zählt auf dem Weg zur Klimaneutralität.“ Neu bei den kölnspezifischen Maßnahmen Installation von Solaranlagen im privaten ist es, dass nun auch förderfähige Batterie- Bereich durch Fördermöglichkeiten mög- speicher mit einer Förderhöhe von 150 Eu- lichst vielen Bürger*innen schmackhaft Umstieg ro pro Kilowattstunde Bruttospeicherkapa- gemacht werden. Um insbesondere den finanziell attraktiv zität gefördert werden können. So kann der Ausbau von Fotovoltaik (PV) in Köln wei- selbst erzeugte Solarstrom jederzeit im Be- ter voranzubringen, wurde das bereits seit Die neue Kölner Förderrichtlinie orientiert darfsfall auch im Haushalt verbraucht wer- über drei Jahren laufende Förderprogramm sich an den geänderten Förderbedingun- den. Die Bezuschussung geht noch weiter: „Altbausanierung und Energieeffizienz – gen der Bundes- und Landesförderung, um Wenn gleichzeitig zur Installation einer klimafreundliches Wohnen“ weiterentwi- Abläufe zu vereinfachen. Darüber hinaus PV-Anlage auch das Dach eine Begrünung ckelt. Das neue Förderprogramm heißt „Ge- werden eigene kölnspezifische Schwer- im Rahmen des Förderprogramms „GRÜN bäudesanierung und Erneuerbare Energien punkte gesetzt, die nicht durch Maßnah- hoch 3“ der Stadt Köln erhält, gibt die Stadt – klimafreundliches Wohnen“ und ist An- men anderer Förderprogramme abgedeckt noch weitere 50 Euro pro kWp dazu. Auch fang April 2022 in Kraft getreten. Der Topf sind. Im Bereich der Solaroffensive win- für Mieter*innen sind die Neuerungen von der Fördermittel wurde beachtlich vergrö- ken attraktive Fördergelder. Bei PV-Anla- Belang, denn auch sie können Anträge auf ßert: Statt einer Million Euro ist er auf 20 gen liegt die Förderhöhe bei 250 Euro statt Förderung von Steckersolargeräten in Höhe Millionen Euro angewachsen. Kölns neuer vormals 150 Euro pro Kilowatt-Peak (kWp). von bis zu 200 Euro stellen und auf diesem Dezernent für Umwelt, Klima und Liegen- Bei Kilowatt-Peak handelt es sich um ein Weg den eigenen Stromverbrauch aus dem 12 www.diewirtschaft-koeln.de
Energie | Netz senken. Antragsverfahren sind in ver- Auch die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH (AWB) betreibt Solar- einfachter Form ab sofort online möglich. anlagen, zum Beispiel auf dem Dach der Fahrzeughalle am Maarweg Oberbürgermeisterin Henriette Reker ruft die Kölner Bürgerschaft zum Mitmachen auf: „Das gesamte Handeln der Verwaltung ist darauf ausgerichtet, bis zum Jahr 2035 ein klimaneutrales Köln zu schaffen. Klar ist, dass wir dieses Ziel nicht allein errei- chen können, sondern die Unterstützung aller Kölner*innen brauchen. Besonders im Bereich der Energieerzeugung muss der Umstieg auf saubere Energie schnell gelin- gen, um die Klimaziele zu erreichen. Mit dem neuen Förderprogramm schafft die Stadt Köln ein Angebot, um den Umstieg fi- nanziell noch attraktiver zu machen.“ Solar auf Foto: AWB Gewerbedächern Bisher bezieht sich die finanzielle Unter- stützung rein auf den privaten Wohnbe- reich. Die Stadt Köln plant in einem nächs- Stadt Köln setzt AWB, betreiben eigene PV-Anlagen, unter anderem auf den Betriebshöfen in Kalk ten Schritt, die neuen Förderschwerpunkte bereits auf PV und Ehrenfeld. Es gibt sogar ein paar Pa- des Bundes zur Beschleunigung des Aus- pierkorb-Modelle mit Solarpanel im Stadt- baus der erneuerbaren Energien in das be- Fördermittel für Solaranlagen auf städti- gebiet. Die erzeugte Energie wird benötigt, stehende Förderprogramm zu integrieren schen Gebäuden gibt es bisher keine. Den- um die integrierte Presseinheit zu bedie- und Fördermöglichkeiten im Bereich PV noch wird die Umsetzung von PV und Ob- nen, die die Abfälle komprimiert. Es gibt für Nichtwohngebäude, unter anderem Ge- jektbegrünungen von der Stadt Köln mit werbegebäude, zu entwickeln. Hier gilt es, besonderem Augenmerk vorangetrieben. viele Ideen und Anregungen, die jetzt von möglichst vielen Beteiligten umgesetzt weitere Beschlüsse des Bundes, insbeson- dere das „Sommerpaket“, im Auge zu be- Es gibt sowohl eigene PV-Anlagen als auch Anlagen externer Investoren auf städti- werden müssen. W halten. Kölner Unternehmen sollten also schen Dächern. Das technisch realisierba- jetzt schon daran denken, wie sie sich auf re Potenzial auf allen städtisch genutzten Astrid Waligura die neue Situation vorbereiten. Unterstüt- Gebäuden liegt bei etwa 150 Megawatt. Da- zung gibt es schon bald im neuen Kölner bei beinhalten die 150 Megawatt nur die Informationen zum neuen Förder- Solarberatungszentrum „Treffpunkt Solar“ Dachflächen; die Potenziale an Fassaden programm sowie Zugang zum Online- am Unternehmenssitz der RheinEnergie wurden noch nicht erhoben. Auch städti- Antragsverfahren: am Parkgürtel. sche Beteiligungsgesellschaften, wie die www.stadt-koeln.de/gebaeudesanierung.de Treffpunkt Solar vor der Eröffnung Im neuen Solarzentrum können sich alle dringlich vor Augen, dass wir uns unab- rums „Treffpunkt Solar“: „Nachhaltig zu Kölner*innen sowie Vereine, Unterneh- hängiger von fossilen Energien machen wirtschaften, Ressourcen zu schonen und men und Wohneigentümergemeinschaf- und den Ausbau der erneuerbaren Energi- energetisch unabhängiger sein, gewinnt ten voraussichtlich ab Ende Mai 2022 en deutlich beschleunigen müssen. Mit ei- nicht nur in unserer Stadtgesellschaft rund um die Themen PV, Solarthermie, ner Solaranlage auf dem Dach kann jeder enorm an Relevanz. Ohne Handwerk ist Wärmepumpen und Elektromobilität kos- dazu einen Beitrag leisten. Wir als Rhein- die Energiewende nicht umzusetzen: Im tenfrei und unabhängig beraten lassen. Energie stellen dazu gern unser Wissen Zuge dieser Entwicklung gewinnen vor al- Auch für Fragen zu Fördermöglichkeiten und unsere Erfahrung zur Verfügung. Ich lem auch die klimarelevanten Handwerks- oder zur Stromvermarktung stehen kom- freue mich sehr, dass wir mit dem Treff- berufe an Bedeutung. Fachkräfte, die petente Expert*innen vor Ort bereit. Al- punkt Solar nun bald auch eine Solarbe- beispielsweise Fotovoltaik-Anlagen instal- le Besucher*innen können im Treffpunkt ratung anbieten können. Damit schaffen lieren, warten und instand setzen. Umso Solar, dessen Kernstück ein nachhaltig wir ein in Köln einzigartiges Angebot.“ mehr freut es mich, dass das gemeinsame gebautes Tiny House ist, das Wohnen mit Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Beratungszentrum Treffpunkt Solar nun Solarenergie hautnah erleben. Achim Süd- Handwerkskammer zu Köln und ebenfalls greifbare Formen annimmt – und bereits meier, Vertriebsvorstand der RheinEner- Unterzeichner des Kooperationsvertrags in wenigen Wochen die ersten Beratungen gie: „Der Krieg in der Ukraine führt uns zum Start des neuen Solarberatungszent- dort stattfinden können.“W www.diewirtschaft-koeln.de 13
Energie GRENZEN DES WACHSTUMS ERREICHT Mojib Latif zeigt in seinem neuen Buch „Countdown“ Lösungen gegen die Klimakrise auf w: Inwieweit muss gera- GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Foto: © Jan Steffen, de die Wirtschaft hinsichtlich des Klima- wandels umdenken? Mojib Latif: Ich stehe zur sozialen Markt- wirtschaft. Sie müsste sich allerdings zu einer ökosozialen Marktwirtschaft entwi- ckeln. Es gibt im heutigen Wirtschaftssys- tem viele Fehlanreize. Nicht nachhaltiges Handeln wird belohnt, zulasten der Um- welt und damit zulasten aller Menschen. Wir können den Planeten nicht beliebig ausbeuten und stressen. Das muss die Wirtschaft erkennen, bevor sie vom Man- gel und von den Umweltveränderungen in die Knie gezwungen wird. Kurzfristi- ges Denken muss überwunden werden, Mojib Latif mahnt in seinem neuen Buch "Countdown" unter anderem Wirt- wie auch die Gewinnmaximierung um je- schaftsunternehmen weltweit dringend zum ökologischeren Handeln auf den Preis. Die Wirtschaft muss langfristi- ger denken und sich schnellstens von den Mojib Latif ist Professor am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, fossilen Energien verabschieden, zu ihrem Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome und Klima-Autor. Unter ande- eigenen Nutzen und vor allem um eine Kli- rem hat er den Bestseller „Heißzeit“ (2020) verfasst. w hat mit dem makatastrophe abzuwenden. 67-Jährigen über sein neues Buch „Countdown“ gesprochen. Mojib Latif geht unter anderem darauf ein, inwieweit gerade die Wirtschaft hinsichtlich der aktuellen Kli- w: Welche konkreten makrise umdenken muss. Ideen haben Sie für Unternehmen, ökolo- gischer zu denken? w: Es sind schon so viele Erde nicht den Putins, Trumps oder Xi Jin- Mojib Latif: Das hängt vom Unterneh- Bücher über den Klimawandel verfasst pings dieser Welt überlassen. men ab. Eine Solaranlage auf dem Dach, worden. Warum brauchen wir „Count- down“? w: Was muss passieren, die Elektrifizierung des Fuhrparks oder damit wir in puncto Klimakrise endlich das Abschalten von Stand-by-Einrichtun- Mojib Latif: Der Club of Rome veröffent- vom Wissen ins Handeln kommen? gen können den Energieverbrauch sen- lichte 1972, vor jetzt 50 Jahren, den Be- ken. Mitarbeitermotivation ist wichtig, die Mojib Latif: Um die großen Krisen zu lö- richt „Die Grenzen des Wachstums“. Der sen, denen sich die Welt gegenübersieht, man durch Schulungen oder Angebote, wie Klimawandel ist ein Beleg dafür, dass wir zu denen die Klimakrise zählt, braucht es Jobtickets für den öffentlichen Nahverkehr, die Grenzen des Wachstums erreichen. An- systemisches Denken. Wir müssen alle ge- steigern kann. Pauschal betrachtet müs- dere Belege wären das Artensterben oder sellschaftlichen Bereiche zusammen den- sen Unternehmen effizienter produzieren. die Vermüllung der Ozeane mit Plastik. Sie ken. Umwelt, Wirtschaft und Soziales sind Das senkt Kosten, verringert Abhängigkei- alle haben den Mangel an Nachhaltigkeit eng miteinander verwoben. Nur wenn es ten und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. als Ursache. Wir leben im Hier und Jetzt allen drei Bereichen gut geht, wird es uns Zeigt nicht gerade der Krieg in der Ukraine, und denken nicht darüber nach, was unser Menschen gut gehen. Wir müssen erken- wie wichtig der sparsame Umgang mit den Handeln für andere Weltregionen oder für nen, dass Umwelt- und Klimaschutz riesige Schätzen der Welt ist. Langfristig benöti- die nachfolgenden Generationen bedeutet. Chancen bieten. Und die Menschen müssen gen wir eine Kreislaufwirtschaft. Jeder Ab- Einer der Mitbegründer des Club of Rome, es spüren. Nehmen wir die Energiewen- fall – seien es Klimagase wie CO2 oder Plas- der italienische Industrielle Aurelio Peccei, de. Der Ausbau der erneuerbaren Energi- tik – ist ein Zeichen für Verschwendung. forderte eine kulturelle Revolution. Unser en sollte die Stromkosten senken. Das Ge- Die Ressourcen der Erde sind endlich. Geist hätte nicht mit der technologischen genteil ist der Fall. Wir sollten zuallererst Entwicklung Schritt gehalten. Zeigt nicht die Subventionen für die konventionellen w : Auf welche unum- auch der schreckliche Krieg in der Ukrai- Energien abschaffen. Dies würde auch fi- kehrbaren Veränderungen in unserer ne, dass eine kulturelle Revolution nötiger nanzielle Spielräume für notwendige Inves- Weltwirtschaft werden wir uns einstellen denn je ist? Wir dürfen das Schicksal der titionen und weitere Entlastungen schaffen. müssen? 14 www.diewirtschaft-koeln.de
Energie | Mojib Latif: Der Krieg in der Ukraine deu- wäre innerhalb weniger Jahrzehnte mög- tet an, dass es eine neue Weltordnung lich. Erneuerbare Energie ist rentabel und gibt. Es stehen sich ein autokratischer unbegrenzt verfügbar. Das Geld für die Block ohne Freiheit, der von China und Anschubinvestitionen wäre vorhanden. Russland angeführt wird, und ein demo- Zweitens, die Aufmerksamkeit für Um- kratischer gegenüber, zu dem die USA und weltthemen nimmt zu, in der Bevölke- die Europäer zählen. Rohstoffe werden als rung, in der Politik und in der Wirtschaft. Waffen genutzt werden. Hinzu kommen Drittens, es gab einige wegweisende Ge- die sich vergrößernden Umweltprobleme, richtsurteile, wie das des Bundesverfas- wie die Klimakrise mit ihren gravierenden sungsgerichts, das mehr Generationenge- Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Ein rechtigkeit beim Klimaschutz angemahnt Land wie Deutschland muss eine radikale hatte. Viertens, das scheinbar Unmögli- Effizienzoffensive starten, seine Lieferket- che ist möglich. Wer hätte ein paar Jahre ten diversifizieren und gewisse Produkti- vor dem Mauerfall gedacht, dass er bevor- onskapazitäten im eigenen Land aufbau- steht? Wer hätte vor ein paar Jahrzehnten en. Schließlich muss die demokratische den Siegeszug des Mobiltelefons oder der Welt wirtschaftlichen Druck auf Länder erneuerbaren Energien vorhergesagt? Al- W Foto: Herder Verlag wie Russland oder China ausüben, damit les ist möglich, wenn wir es wollen. diese ihren Beitrag zum Klimaschutz leis- ten. China ist der größte CO2-Verursacher Astrid Waligura mit einem Anteil von fast einem Drittel an den weltweiten Emissionen. w: Bei aller Schwarz- malerei: Wo sehen Sie Zeichen der Hoff- Der „Countdown“ läuft nung? Welche Folgen wird der Klimawandel haben? Gibt es noch eine Chance, das Ruder he- Mojib Latif: Erstens, die Lösungen existie- rumzureißen? Mit diesen und weiteren Fragen hinsichtlich der Klimakrise beschäf- ren, um die drängenden Umweltprobleme zu meistern. Eine globale Energiewende W tigt sich Mojib Latif in „Countdown“ (erscheint am 16. Mai 2022 im Herder Verlag). 150 Jahre kölsche Offenheit. Für 150 Tage Programm. Besucht uns in der Südstadt am Wasser- werk Severin. Unser Jubiläumsprogramm findet ihr auf: 150jahre.koeln erk a s serw W rin Seve all / er W Bonn straße Ohm
| Macher & Märkte FLIESSENDER KRISENÜBERGANG Stresstests für Wirtschaft und Politik Auftrieb. Dämpfend wirken die Nachwehen Foto: creativemariolorek - stock.adobe.com der Coronakrise, weil Lieferketten immer noch unter Stress stehen. Die Schockwel- len durch den Krieg in der Ukraine belas- ten die Konjunktur sowohl angebots- wie nachfrageseitig. Schon die staatlichen Hilfspakete während der Pandemie haben preistreibend gewirkt. Die Verteuerung wichtiger Energierohstoffe nach dem russi- schen Überfall facht den Preisauftrieb wei- ter an.” Besonders groß ist die Unsicherheit in der deutschen Wirtschaft bei der Frage, ob die wichtigen Gaslieferungen aus Russland weiterlaufen werden oder es zu einem Em- bargo kommt. Daher haben die Institute in ihrem Frühjahrsgutachten zwei Szena- rien für die konjunkturelle Entwicklung berechnet. Das erste Szenario erfasst fort- Hohe Energie- und Kraftstoffpreise belasten Betriebe und Pendler massiv geführte Gaslieferungen ohne weitere öko- nomische Eskalationen (Basisszenario). Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, seit im Lockdown das gesamte Land herunterge- Des Weiteren sieht das andere Szenario fahren wurde und das öffentliche Leben und weite Teile der Wirtschaft zum Erliegen einen sofortigen Stopp russischer Gaslie- kamen. Nachdem sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft verringert ferungen vor (Alternativszenario). Soll- haben, folgt durch den Ukraine-Krieg die nächste Krise, die Energiekrise. Das wirkt te das Basisszenario eintreten, wird das sich auf vorherige Wachstumsprognosen aus. deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 einen Zuwachs von 2,7 Prozent ver- Die Projektgruppe „Gemeinschaftsdiagno- den Krieg in der Ukraine deutlich gebremst zeichnen. Tritt ein sofortiger Lieferstopp se“, bestehend aus dem Deutschen Institut wird. Die Projektgruppe „Gemeinschaftsdi- von Gas ein, wären es nur 1,9 Prozent. So- für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), ifo agnose“ erwartet daher für 2022 und 2023 wohl das Basisszenario wie auch das Alter- Institut – Leibniz-Institut für Wirtschafts- eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts nativszenario gehen allerdings gegenüber forschung an der Universität München um 2,7 bzw. 3,1 Prozent. Sollten die russi- dem Herbstgutachten aus dem Vorjahr von in Kooperation mit der Konjunkturfor- schen Gaslieferungen mit sofortiger Wir- einem deutlich geringeren Wachstum des schungsstelle der ETH Zürich (KOF), dem kung ausbleiben, würde das die deutsche BIPs aus. Im Vorgutachten war noch mit Institut für Weltwirtschaft Kiel (IFW Kiel) Wirtschaft im aktuell laufenden und im einem Zuwachs von 4,8 Prozent gerechnet und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirt- folgenden Jahr etwa 220 Milliarden Euro worden. Die nun stattgefundene Revision schaftsforschung in Kooperation mit dem an Wirtschaftsleistung kosten, wie die In- geht dabei vor allem auf die Auswirkungen Institut für Höhere Studien in Wien, er- stitute errechnet haben. des Ukraine-Kriegs und den ungünstigen wartet in ihrem Frühjahrsbericht für das Pandemieverlauf im zurückliegenden Win- Jahr 2022 ein geringeres Wachstum als zu- ter zurück. Die Institute gehen für das Jahr vor angenommen. Die deutsche Wirtschaft Verzögerter 2023 von einer Steigerung des BIPs von 3,1 befindet sich in schwierigem Fahrwasser Erholungsprozess Prozent aus. Sollte es zu einem Lieferstopp und durchläuft die höchsten Inflations- bei Gas kommen, also das Alternativsze- raten seit Jahrzehnten, gerade die Preise „Der Erholungsprozess der deutschen Wirt- nario eintreten, prognostiziert die Projekt- für Energie sind im Vergleich zum Vorjahr schaft verzögert sich abermals. Das Kon- gruppe ein Wachstum von 2,2 Prozent. Im dramatisch angestiegen. An den Zapfsäu- junkturbild ist geprägt durch gegenläufige Fall eines sofortigen Embargos für russi- len kosten beispielsweise ein Liter Benzin konjunkturelle Strömungen, die allesamt sches Gas beschreibt das Frühjahrsgutach- oder Diesel teils über 50 bzw. über 60 Pro- preistreibend wirken”, sagt Stefan Kooths, ten einen kumulierten BIP-Verlust allein in zent mehr als noch vor einem Jahr. Nun Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel den beiden Jahren 2022 und 2023 auf etwa haben die Wirtschaftsinstitute ihren Aus- Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), und 220 Milliarden Euro. Dies würde mehr als blick deutlich nach unten korrigiert, da die erläutert: „Der Wegfall der Pandemiebe- 6,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleis- Erholung von der Coronapandemie durch schränkungen sorgt für konjunkturellen tung entsprechen. 16 www.diewirtschaft-koeln.de
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