Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
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Walter Kardinal Brandmüller: Rettung durch Umkehr, Buße und Vergebung 131 Bischof Rudolf Voderholzer: Hoffnung in schwerer Zeit – Wir werden ein Fest feiern 133 Jürgen Liminski: Die Kriegsgewinnler 151 Katholisches Wort in die Zeit 51. Jahr Mai 2020 DER FELS 5/2020 129
Liebe Leser, sagen?“ Vielmehr wird hier die Aufgabe, umzudenken und umzu- noch mitten in der Corona-Pan- kehren, tabuisiert. Wir kennen das demie verkündet der Staat gi- u.a. vom bisherigen Ablauf des gantische, einmalige Hilfsmaß- „Synodalen Prozesses“. nahmen in Höhe von 700 Mrd. Gott hätte in seiner Allmacht die Euro für Deutschland, um die Pandemie verhindern können. Er Wirtschaft nach der Krise wieder hat sie jedenfalls zugelassen, ob INHALT in Schwung zu bringen, zumal Experten mit einer Arbeitslosig- als Strafe, um die Menschen auf den rechten Weg zurückzuführen, keit von 1 Mio rechnen. Sicher weiß weder der Abt noch wir. geschieht dies auch, um den Bür- Die Frage von Eckert „Wer kann Walter Kardinal Brandmüller: Rettung durch Umkehr, Buße gern eine wirtschaftliche Per den Willen Gottes erkennen?“, und Vergebung . ................................... 131 spektive zu geben. können wir aber schon beantwor- Die Kirche hat den Auftrag, den ten. Den Willen Gottes kennen Bischof Rudolf Voderholzer: Menschen zu deuten, was uns wir aus den zehn Geboten, den Hoffnung in schwerer Zeit – Gott mit dieser Epidemie sagen Aussagen Jesu und der Lehre der Wir werden ein Fest feiern ................... 133 will. Ihre Aufgabe ist es, prophe- Kirche. Noch gilt bspw. das fünfte tische Stimme zu sein, die den Gebot: „Du sollst nicht töten!“ Rektor Georg Alois Oblinger: Menschen Orientierung gibt und Dazu stehen die rund 100.000 O Maria, hilf! ........................................ 134 nicht nur die Parolen der staat- abgetriebenen Kinder, die jähr- lichen Stellen von Solidarität, lich in Deutschland getötet wer- Generalvikar Msgr. Dr. Markus Hofmann: Hilfsbereitschaft, Hygienevor- den, oder die 42 Mio, die 2019 Den Schutz der Mutter suchen: Die Weihe an Maria ............................ 136 schriften, ärztlichen und pflegeri- weltweit umgebracht wurden, in schen Hilfen etc. zu wiederholen. deutlichem Gegensatz. Die Fra- Diakon Raymund Fobes: Selbstverständlich ist es richtig, ge an Eckert wäre, ob er glaubt, Wir brauchen einen wenn die Kirche verstärkt zum dass der heutige „Tanz um das Perspektivwechsel................................ 140 Gebet aufruft. goldene Kalb“ Gott gleichgültig Christen fragen, was will uns Gott geworden ist? Pastoralreferent Alfons Zimmer: mit dieser Epidemie sagen? Es Coronavirus als Strafe Gottes zu „Überlasst ihm eure Furcht!“ ................ 142 ist nicht die Mehrheit, die fragt. bezeichnen ist weder „zynisch“ So hat bspw. eine repräsentative noch mit Jesu Botschaft unver- Felizitas Küble: Umfrage der Tagespost ergeben, einbar, wie Erzbischof Schick Jüdischer Komponist würdigt dass nur 11% der Katholiken, von Bamberg sowie der neue katholischen Märtyrer .......................... 144 trotz der grassierenden Seuche, Vorsitzende der DBK Bätzing Ursula Zöller: mehr als sonst darüber nachden- sagen. Beide verwechseln den Was macht der Engel von Tante Li?..... 147 ken, was nach dem Tod kommt. theologischen Sinn von „Strafe“ Dieser Prozentsatz weicht nicht mit „himmlischer Rache“ oder Ursula Zöller: von dem der übrigen Bevölke- „göttlichem Zorn“ mit einem Reformer und Wegbereiter in der Kirche: rung ab. Die Katholiken sind seit Aufruf zur Umkehr, d.h. einem Giorgio La Pira . ................................... 148 Jahrzehnten in Religionsunter- Akt der Liebe und Barmherzig- richt, Predigt und Katechese an keit. Für Christen geht es nach Prof. Dr. Hubert Gindert: ein Christentum light gewöhnt, Pfarrer Winfried Abel darum, Wortlos vor dem synodalen das nicht aneckt. Sie sehnen sich „dass der prophetische Geist Trümmerhaufen? Keineswegs! ............ 149 nach der „Normalität des Le- wieder in der Kirche erwacht, Jürgen Liminski: bens vor der Krise“ zurück, sind der den verunsicherten Men- Die Kriegsgewinnler . .......................... 151 aber kaum zum Umdenken und schen Orientierung gibt – auch zur Änderung ihres gewohnten wenn die Botschaft schmerzt und Auf dem Prüfstand ............................... 156 Lebensstils bereit. zum Widerspruch führt“. Die Bücher.................................................. 158 Wenn der Abt Johannes Eckert Mutter Gottes wird uns dazu – Leserbrief.............................................. 159 OSB von St. Bonifaz in München besonders im Marienmonat Mai auf die Frage, ob die Pandemie – ihre Hilfe nicht versagen. als Strafe Gottes gedeutet werden Impressum „Der Fels“ Mai 2020 Seite 159 könne, erwidert … „das ist aus Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats meiner Sicht zynisch und eine ab- solute Anmaßung. Was maße ich Titelbild: Muttergottes als Himmelskönigin mir an, über Gott zu sagen, dass Philipp H. Müller, Madonnentaler der Augsburger er bestraft oder belohnt? Wer Bischöfe – Rückseite, Titelbeschreibung S. 158 kann den Willen Gottes erken- nen? Das ist für mich fast schon Foto- und Quellennachweise: Seite 157 blasphemisch ….“. Dann ist das Mit den besten Wünschen ist zunächst keine Antwort auf aus Kaufering die Frage: „Was will uns Gott Ihr Hubert Gindert 130 DER FELS 5/2020
Walter Kardinal Brandmüller: Rettung durch Umkehr, Buße und Vergebung COVID19 – Auf einmal wird klärungsversuche wechseln mit Ver- lich genau hundert Jahre zurückliegt. im Ausfall des Normalen, All- schwörungstheorien ab – das Rätsel Die große Grippe-Epidemie nach täglichen dessen Besonderheit bleibt. Doch was sollen Spekulatio- dem Ende des Ersten Weltkriegs hat wiedererkannt. Wenn Sünde die nen, wo es gilt, der Gefahr wirksam bis 1920 mehr als 25 Millionen Men- Wurzel allen Unheils ist, dann sind zu begegnen? – mag man fragen. schenleben gefordert. es Umkehr, Buße und Vergebung, die Hier jedoch geht es eigentlich um Nun hat auch das Corona-Virus Rettung bringen. mehr als um Gesundheit und um Me- weltweite Verbreitung gefunden. Im Jahre 139 nach Christus als dizin. Es gilt vielmehr, den Vorhang Eine Situation, der sich auch Papst, Mausoleum für Kaiser Hadrian voll- wegzuschieben und den Blick auf Bischöfe, Priester und Gläubige stel- endet, heißt das gewaltige Bauwerk die Hintergründe des gegenwärtigen len müssen. Sie sind aber nicht zuerst heute seit Jahrhunderten Castel Geschehens zu richten. Aber nicht zu Hilfsmaßnahmen, sondern vor al- Sant’Angelo – Engelsburg. Es ist die nur Ursachenforschung, sondern lem zu einer theologisch-spirituellen sie machtvoll krönende Bronzesta- Lagebeurteilung und -bewältigung Standortbestimmung herausgefordert. tue, die den Erzengel Michael zeigt, sind Gebot der Stunde. Dabei kann, Da nun ist es bestürzend zu sehen, wie wie er eben sein gezücktes Schwert ja darf es nicht nur um Medizin und rat- und hilflos die Hirten der Kirche in die Scheide zurücksteckt. Papst Politik gehen, sondern, wie gesagt, dieser Lage gegenüberstehen. Gregor der Große hatte im Jahre 590 um Hintergründe. Und diese sind Die Unterschiede, ja Widersprüche jene Erscheinung des Erzengels, mit theologisch-spiritueller Art. in kirchlichen Verlautbarungen und der er das Ende einer verheerenden Wenn dem so ist, dann ist zunächst Maßnahmen sind beredter Ausdruck Seuche ankündigte. zu fragen, wie die Kirche – Hirten der Überforderung. Die eine Diöze- Wird er es heute wieder tun, da und Gläubige – sich dieser Bedro- se verbietet alle öffentlichen Gottes- das Corona-Virus nicht mehr nur die hung stellen. Es ist ein dissonantes dienste, anderswo gilt das Gegenteil. Stadt Rom bedroht, sondern weltweit Konzert von Antworten auf diese Hier verbietet man Mund- bzw. Hand- wütet? Frage. Die offenbare Ratlosigkeit ist kommunion wie auch den Friedens- Nun rätselt alle Welt über die Ur- deswegen so groß, weil ein wirklich gruß, dort werden Weihwasserbecken sachen des Unheils. Realistische Er- vergleichbarer Präzedenzfall ziem- geleert. Die bischöflichen Anweisun- In den Jahren 430–426 v. Chr. brach während der Belagerung durch die Spartaner in Athen eine Seu- che aus, der ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fiel. Genaue Aufzeichnungen führte Thukydides. Die Katholiken registrierten im Dreißigjährigen Krieg auch die große Zahl der Pesttoten. Allerdings trugen sie ihr Leid und ihre Bitten zur Muttergottes und ihrem Sohn, dem einzigen Erlöser der Menschen. DER FELS 5/2020 131
Die Technik ermöglicht viele Wege sitive Folge, hat im Glauben wurzeln- Sünde und Vergebung in Theologie der Glaubensverkündigung. Die de Kreativität entbunden. Auf einmal und Predigt in dieser Epoche? Hatten Sakramente jedoch werden nicht wird im Ausfall des Normalen, Alltäg- sich noch in den Sechziger-Jahren virtuell sondern reell gespendet lichen dessen Besonderheit wiederer- des vergangenen Jahrhunderts vor und empfangen. Dennoch dient die kannt. Solange Kirchen offen, Got- Ostern, vor den Herz-Jesu-Freitagen technische Übermittlung der Mys- tesdienste selbstverständlich, Taufen, vor den Beichtstühlen Schlangen ge- terien der geistlichen Formung Hochzeiten und Beerdigungen zeit- bildet, so herrscht da seit Langem der Empfänger auf dem Weg gerecht und wunschgemäß vollzogen gähnende Leere. zur Begegnung mit Christus. und als alltäglich empfunden wurden, Es war beflissenen, von modischer wurde all dies in seiner wirklichen Psychologie inspirierten Moraltheo- Bedeutung eher verkannt. Nun aber logen gelungen, samt ihren gedan- ist auf einmal nichts mehr selbstver- kenlosen Nachbetern zusammen mit ständlich, und manch einer mag jetzt manch ungesunden Skrupeln auch darüber nachzudenken beginnen. das Bewusstsein von Versuchbarkeit Da wird nun auch die uralte, im- und Sünde auszutreiben. So galt die mer wieder bedrängende Frage laut, Beichte bald eher noch als Relikt aus wie denn ein gütiger, allmächtiger vorkonziliaren Zeiten. Ein heutiger Gott solches Unheil zulassen könne. „mündiger Christ“ bedurfte dessen Auch die düstere Vorstellung eines nicht mehr. Die Folgen waren und aus dem Dunkel heraus zuschlagen- sind noch eindeutig. So eindeutig, den blinden Schicksals taucht wieder dass das Programm des „Deutschen auf. Natürlich auch das Bild des stra- Synodalen Weges“ von all dem mit fenden Richters. Ob nicht das Coro- keiner Silbe spricht. Wie viele Pries- gen widersprechen einander und of- na-Virus wie einst Attila die Geißeln ter gibt es, die selbst seit Jahren nicht fenbaren zugleich die eher gläubige Gottes sind, mit denen er sein Straf- mehr gebeichtet haben! oder eher weltliche Geisteshaltung gerichte vollstreckt? So fragen viele. Nun also zeigen in der die Welt be- der Hirten. Kaum verständlich sind Ist es aber in Wahrheit nicht vielmehr drohenden Pandemie die Sünde und auch mehrfache einander widerspre- der Mensch, der sich selbst bestraft? der Böse ihre erschreckende Gorgo- chende Anweisungen für das Bistum In der Tat: Gottes Gebote sind nenfratze – und bei ihrem Anblick Rom, wo die Rechte anscheinend doch nicht Fesseln für seine Ge- erschrickt die Welt. In Schockstarre nicht wusste, was die Linke tat. schöpfe! Sie sind in Wahrheit Zäune, verfallen sollte sie nicht. Wenigstens Es gilt nun, zwischen rein säkula- gesetzt, um die Grundlagen mensch- die Christen sollten endlich wieder rem Pragmatismus und naiver Gläu- lichen Lebens schützend zu umhe- bedenken, dass alles Unheil in der bigkeit, beide Extreme recht gewich- gen! Ehe, Familie, Eigentum, Wahr- Schöpfung dadurch entfesselt wor- tend, die rechte Mitte zu finden. heit und Leben – sind es nicht jene den ist, dass das Geschöpf Mensch Erstaunlich ist es und beein- Güter, ohne die menschliches Leben, sich gegen seinen Schöpfer erhob, druckend, was gläubige pastorale menschliche Gemeinschaft nicht ge- und dass wiederum Heil geschieht, Phantasie für Wege findet, mit der deihen? Reißen wir aber dennoch die wenn er zu ihm zurückkehrt. Ausnahmesituation umzugehen. Da schützenden Zäune der Zehn Gebo- Um den Menschen zurückzuho- zeigt auch die moderne Kommuni- te um diese vitalen Güter im Namen len, ist Gott selbst in Jesus Christus kationstechnik positive Seiten, wenn unserer Freiheit nieder – was ist das Mensch geworden. Ihm die Türen zur eine Familie mit dem Gotteslob in dann anderes als Selbstdestruktion Welt, zu uns selbst zu öffnen, wäre die der Hand um einen Fernsehapparat der Person, der Gemeinschaft? Rettung. Natürlich sind in der Notsi- versammelt einen übertragenen Got- So ist es doch wahrlich nicht Gott, tuation der Corona-Seuche Medizin tesdienst mitfeiert. Dort wiederum es ist der sich autonom gebärden- und Politik zur Mobilisierung ihrer werden lokale Rundfunk- und Fern- de Mensch, der sich selbst bestraft, Möglichkeiten aufgerufen. Natürlich sehsender für die Übertragung von wenn dann das Übel über ihn her- muss die Gesellschaft insgesamt die Messfeiern gewonnen. einbricht. Alles Übel dieser Welt ist Notwendigkeit erkennen, dem Ego- Es mehren sich die Nachrichten die giftig-bittere Frucht von Adams ismus des Individuums um des Ge- über einfallsreiche Initiativen einzel- und eines jeden seiner Nachkommen meinwohls willen Zügel anzulegen. ner Priester, die Gläubigen in situati- Sünde, nicht aber Strafe eines belei- Aber: ob all diesen notwendigen onsgerechten Formen an der Liturgie digt zürnenden Gottes. Anstrengungen Erfolg beschieden der Kirche Anteil nehmen zu lassen Mit dieser Einsicht ist schon der sein wird – das hängt letztendlich bzw. die Sakramente zu spenden. In- Weg zur Heilung erkannt. Wenn nicht vom Menschen ab, sondern von zwischen haben auch Gottesdienst- Sünde die Wurzel allen Unheils ist, Gott, dem Schöpfer, Erhalter und Kongregation und Apostolische dann sind es Umkehr, Buße und Ver- Vollender seiner Welt. Pönitentiarie mit den hier nicht dar- gebung, die Rettung bringen. Und zustellenden Maßnahmen reagiert wiederum umgekehrt: ernten wir Mit freundlicher Genehmigung (kath.net hat berichtet). mit dieser Coronaseuche nicht die von Walter Kardinal Brandmüller, Kurzum, diese besondere Gefah- Folgen des jahrzehntelangen Verges- Erstabdruck: kath.net 28.03.2020; renlage hat in der Tat auch manch po- sens, Verdrängens der Realität von Vatikanstadt (kath.net/wb) 132 DER FELS 5/2020
Bischof Rudolf Voderholzer: Hoffnung in schwerer Zeit – Wir werden ein Fest feiern Die Zeit wird [...] kommen, da wir Jahr zum Herzen Bayerns nach Al- in uns gehen und uns werden fragen tötting tragen; und wenn es nur eine müssen, was wir aus dieser epocha- Gruppe von zwei Pilgern stellvertre- len Krise lernen. tend für alle ist. Schon jetzt erfahren wir schmerz- Wenn die Pandemie dann aber haft, wie hinfällig und gefährdet überstanden ist, werden wir ein gro- unser Leben ist, wie sehr wir ange- ßes Fest feiern und eine diözesane wiesen sind auf Gottes Segen und die Dankwallfahrt begehen, zu der ich Kraft von oben. Sicherheiten werden jetzt schon herzlich einlade! Alle De- uns aus der Hand geschlagen und tails werden geklärt und bekanntge- Allmachts-Phantasien zertrümmert. geben, sobald die Zeit dafür gekom- men ist. Vielleicht werden tatsächlich dem Liebe Schwestern und Brüder, in Land die Sabbate ersetzt, die ihm vom früheren Zeiten haben Menschen in Auf die Fürsprache der Gottesmut- Kult schier grenzenlosen Wachstums großer Not eine Wallfahrt gelobt als ter Maria, der Heiligen und Seligen geraubt worden waren (vgl. 2 Chr Bußwerk. Selbst dies ist uns jetzt unseres Bistums sowie aller Heiligen 36,21). Der Sabbat steht dabei nicht verwehrt. Aber ich lade Sie ein, ein segne und bewahre Sie und Euch alle nur für eine Unterbrechung des pro- Gebetsanliegen, eine Bitte oder einen vor aller Krankheit der dreifaltige fanen Geschäftsbetriebs, sondern zu Dank, an den Verein der Regensbur- Gott, der + Vater und der + Sohn und allererst für eine bewusste Hinord- ger Fußwallfahrt nach Altötting zu der + Heilige Geist. nung auf Gott. Aber diesen Fragen senden. werden wir uns verstärkt zuwenden Regensburg am Hochfest der müssen, wenn wir das Tal der Tränen Wir wollen den Anliegenrucksack Verkündigung des Herrn, durchschritten haben. füllen und unser Gebet auch dieses 25. März 2020 Wallfahrten sind ein Zeichen des Vertrauens auf Gottes Hilfe oder des Dankes für erhaltene Hilfe. DER FELS 5/2020 133
Rektor Georg Alois Oblinger: O Maria, hilf! „Ein Kind Mariens geht nie verloren“ J edes Jahr wähle ich für die Ge- Vertuschungsstrategien konstatieren. Ohne Glauben müsste man ver- betsstätte Marienfried ein Jah- Die Austrittszahlen steigen; gleich- zweifeln. Doch genau das haben resmotto. Das diesjährige Motto zeitig nehmen Wellness, Esoterik Christen auch in schwierigsten Zei- lautet „O Maria, hilf!“ Eigentlich und andere fernöstliche Sinnangebo- ten der Kirchengeschichte nie ge- dachte ich bei der Wahl dieses Mot- te immer mehr zu. Noch dazu wird tan. Vielmehr haben sie das Gebet tos an die derzeitige Krise in Politik die Erosion des Glaubens sichtbar vermehrt und ihre Hoffnung auf die und Kirche. Wir erleben, wie derzeit wenn kirchliche Amtsvertreter Dog- Hilfe Gottes und seiner himmlischen politisch Vieles im Umbruch ist, wie men infrage stellen und ein „syno- Mutter gestärkt. auch radikale Parteien auf beiden daler Weg“ in Deutschland versucht, Seiten des politischen Spektrums eine ganz neue Kirche zu schaffen. O Ein Schock kann aber oftmals auch immer stärker werden. Wir erleben Maria, hilf! aufrüttelnd und heilend wirken. Als starke Spannungen zwischen einer Daniel Böcking, der stellvertretende liberalen Gesellschaft und einem Nun wird der Ruf nach Mariens Chef-Redakteur der BILD-Zeitung, strenggläubigen mitunter auch ge- Hilfe um einen zusätzlichen Aspekt im Jahr 2010 sah, welch großes Elend waltbereiten Islam. erweitert. Uns hat die Corona-Krise das Erdbeben in Haiti über die Men- getroffen, die unser gesellschaftli- schen brachte, begann er über den In der Kirche erleben wir einen ches Leben so stark verwandelt hat, Glauben und seine persönliche Got- starken Rückgang an gelebtem Glau- wie dies bis vor kurzem wohl nie- tesbeziehung nachzudenken. Schließ ben und an Bedeutung in der Gesell- mand für möglich gehalten hätte. Da- lich ließ er sich 2015 taufen. schaft. Als Kirche müssen wir einen mit ist buchstäblich alles ins Wanken Glaubwürdigkeitsverlust nicht zuletzt geraten. Nicht einmal mehr auf unser Katholiken haben zu allen Zeiten infolge der Missbrauchsskandale und Gesundheitssystem ist Verlass. besonders auf die Hilfe der Jung- frau und Gottesmutter Maria gebaut. Wenn schon in der Geburt Johannes des Täufers aus der betagten, kinder- losen Elisabeth sichtbar wird, dass wir auch sehr Unwahrscheinliches Gott zutrauen dürfen, so zeigt die Geburt aus der Jungfrau, dass auch das scheinbar Unmögliche für Gott möglich ist. Maria kennt unsere Not. Das wird in zwei weiteren Punkten ihres Le- bens sichtbar: Bei der Hochzeit zu Kana macht sie das erste Wunder Jesu möglich, indem sie die Not der Men- schen vor ihren Sohn bringt. Schließ- lich steht Maria unter dem Kreuz und leidet mit. Gerade die Schmerzens- mutter mit dem toten Sohn in ihren Armen ist eine besonders beliebte Darstellung betender Menschen, die sich in ihrem Leid verstanden fühlen von der Mutter, die um ihren toten Sohn trauert. Ihr haben die Menschen aller Zeiten so viele Sorgen im Gebet Maria sagte zu Jesus auf der Hochzeit zu Kana: „Sie haben keinen Wein mehr“ anvertraut und unzählige Kerzen an- und griff damit die Not des Hochzeitspaares auf. gezündet. 134 DER FELS 5/2020
Die Menschen bringen ihre Nöte mit „Maria hilf“ und ihren Dank mit „Maria hat geholfen“ auf Votivtafeln zum Ausdruck. „O Maria, hilf!“ Dieser Ruf wird Wie viele Menschen in persönlich ihre Stadt unter den Schutz Mariens litaneiartig ständig wiederholt im schwieriger Zeit die Gottesmutter gestellt und die Schlüssel der Stadt beliebten Lied „Meerstern ich dich Maria um Hilfe gebeten haben und vor einem Gnadenbild der Gottes- grüße“ (GL 524), das sich seit 2013 dann auch die erbetene Hilfe – und mutter niedergelegt. Der Papst hat erstmals im Stammteil des Gottes- manchmal noch weit mehr – erhalten eine besondere Andacht vor dem lobs befindet. August von Haxthau- haben, wird immer wieder deutlich, Gnadenbild „Maria salus populi sen (1792-1866), ein entfernter Ver- wenn man an einem Wallfahrtsort Romani“ gehalten. Doch auch vie- wandter der Dichterin Anette von die gestifteten Votiv-Tafeln betrach- le Bischöfe haben ihre Diözese der Droste-Hülshoff, hat diesen Liedtext tet. Jede einzelne Tafel erzählt eine Gottesmutter Maria geweiht, so bei- als deutsche Fassung des „Ave ma- Geschichte von erfahrener Hilfe. spielsweise der Passauer Bischof ris stella“ verfasst in einer Zeit, die Das Verweilen vor diesen Tafeln an Stefan Oster oder der designierte Bi- ebenfalls für die Kirche und für viele einem Wallfahrtsort ist wirklich eine schof von Augsburg Bertram Meier. Menschen sehr schwierig war. Das gute Möglichkeit, sein Vertrauen auf Insgesamt haben sich in der Corona- Römische Reich deutscher Nation Gottes Hilfe und Mariens Fürsprache Krise 24 Nationen der Gottesmutter brach zusammen und es kam die Sä- zu stärken. geweiht. Für diesen tiefen Glaubens- kularisation. Auch er war der Mei- akt wurde passenderweise das Hoch- nung: Jetzt kann nur noch die Gottes- Die intensivste Form, Maria um fest der Verkündigung des Herrn am mutter Maria helfen. Hilfe zu bitten, ist die Marienweihe, 25. März gewählt. wie sie der heilige Ludwig Maria Von Maria kommt Hilfe. Mit ihr ist In der Seeschlacht von Lepan- Grignon de Montfort (1673 – 1716) auch wie vor 2000 Jahren ein Neuan- to 1521 sowie bei der Belagerung gelehrt hat und wie sie auch im Lied fang möglich. Schon deshalb sollten Wiens durch die Türken im Jahr „Wunderschön prächtige“ zum Aus- wir nicht verzweifeln, selbst wenn 1683 vertraute man im christlichen druck kommt. „Ein Kind Mariens jetzt für viele Menschen gesundheit- Abendland weniger auf militärische geht nie verloren“ lehrte Grignon lich, sozial und auch wirtschaftlich Mittel als auf die Hilfe Mariens vom de Montfort. Gerade in der Corona- schwierige Zeiten gekommen sind. Himmel aus – und wurde nicht ent- Krise ist diese Tatsache vielen Men- Beten wir zu Maria, übergeben wir täuscht! Der Gedenktag Mariä Na- schen wieder neu bewusst geworden. uns und unser Land ihren guten Hän- men erinnert uns jährlich am 12. Bürgermeister wie zum Beispiel jene den und lassen wir uns vertrauensvoll September daran. von Venedig und von Siena haben von ihr führen. q DER FELS 5/2020 135
Markus Hofmann: Den Schutz der Mutter suchen: Die Weihe an Maria Was bedeutet und objektive Wirkung gemeint ist, Jeder Getaufte steht bereits in ei- „Weihe“ an Maria? die in einer besonderen Beziehung nem besonderen persönlichen Ver- dessen, was Maria geweiht worden hältnis zu Maria, auch wenn ihm Der theologische Begriff „Weihe“ ist, zu ihr besteht. dies nicht bewusst ist, wie z.B. ei- meint zunächst allgemein einen Ri- Diese Beziehung ist tiefer und in- nem getauften Säugling. Darum ruft tus, in dem eine Sache oder Person in tensiver, wenn sich eine Person oder besonderer Weise für Gott ausgeson- eine Personengruppe, z.B. eine Or- dert und in Dienst gestellt wird. densgemeinschaft oder die Mitglieder Marienweihe ist dementsprechend einer Marianischen Kongregation, eine besondere Art der Marienver- durch die Weihe ganz und bleibend ehrung, in der ein Gegenstand (z.B. an Maria bindet. Denn damit wird ei- eine Kirche) oder eine Person der nerseits eine Hochschätzung Mariens Gottesmutter (und damit letztlich und die Anerkennung ihrer besonde- Gott selbst) hingegeben und übereig- ren Stellung als Königin und Gna- net wird. denvermittlerin im Heilsplan Gottes Der Vollzug geschieht in einem verbunden, wie auch andererseits die Weihegebet, in dem neben der Vereh- Verpflichtung, ihr in ganz besonderer rung Mariens und der vertrauenden Weise zu gehören, d.h. sich und sein Hingabe an sie die Bitte um ihren Se- Leben ihr zu übereignen. Durch eine gen und ihren Schutz zum Ausdruck solche Weihe wird durch eine per- gebracht wird. In unserem Zusam- sönliche Entscheidung ein zweisei- menhang meinen wir nicht die Weihe tiges, personales Verhältnis gestiftet von Gegenständen an Maria, sondern und eine Art Bund eingegangen. die Weihe von Personen. Dabei können wir unterscheiden, In diesem Zusammenhang taucht ob sich jemanden selbst aktiv Ma- häufig der Einwand auf, ob eine sol- ria weiht oder ob eine bzw. mehrere che Ganzhingabe nicht ausschließ- andere Personen passiv durch einen lich Gott gebührt und Maria, die ein Dritten Maria geweiht werden. Wie Geschöpf Gottes ist und bleibt, nicht die eingangs zitierten Beispiele von der falsche Adressat sei. Papst Franziskus Benedikt XVI. und Johannes Paul II. Diese Frage ist nicht unberechtigt. am 13. Oktober 2013 zeigen, sind beide Formen auch in ei- Sie klärt sich, wenn deutlich wird, Selige Jungfrau Maria von nem einzigen Vollzug möglich. dass die Weihe an Maria nicht bei Fatima, stets dankbar für Dennoch ist es sinnvoll, sie in ih- ihr stehenbleibt, sondern letztlich deine mütterliche Gegenwart, rem Wesen und ihren Wirkungen zu auf Gott selbst ausgerichtet ist. Nur vereinen sich unsere Stimmen unterscheiden: er, der Schöpfer und Erhalter des na- mit denen aller Generationen, türlichen Lebens wie des übernatür- die dich selig preisen ...“ Die persönliche Weihe lichen Gnadenlebens kann Ziel einer an Maria solchen Ganzhingabe sein. Weil Gott Maria aber einen einzig- das II. Vatikanische Konzil in Erin- Wenn ich mich selbst Maria wei- artigen Platz in seinen Heilsplänen nerung, dass die Verehrung Mariens he, dann ist dies zunächst sicher eine gegeben hat und weil sie als Mutter als Mutter Christi und Mutter der besonders intensive Bitte um ihren Christi sowie als Mutter der Christen Christgläubigen in der Ordnung der Schutz und Beistand. bei der objektiven Erlösung der Welt Gnade zu den notwendigen Lebens- Schon die Weihen von Kirchenge- wie auch beim Empfang des neuen äußerungen der Kirche und zu den bäuden an die Gottesmutter, die mit Lebens aus der Taufe bei jedem ein- Pflichten jedes erlösten Menschen dem Konzil von Ephesus (431) nach- zelnen Christen aktiv mitgewirkt hat, gehört. weisbar werden, zeigen, dass über darum hat sie einen gottgewollten In der Weihe an Maria wird die- die aktuelle Bitte um Mariens Schutz Anteil an der Vermittlung des Gna- se ihre besondere Stellung in der hinaus mit der Weihe eine bleibende denlebens. Heilsordnung von Seiten des sich 136 DER FELS 5/2020
Weihenden ausdrücklich anerkannt dung an Maria tiefer mit Jesus Chris- zeitweise oder dauerhaft in ihrem und in Anspruch genommen. tus verbunden bin, wenn ich zugleich Namen handeln kann. Maria empfängt dabei nicht um – gerade durch meine engere Weih- Das ist etwa bei Eltern der Fall, die ihrer selbst willen die Weihehingabe bindung an sie – ihre mütterliche für ihr Kind wichtige Entscheidun- eines Menschen, sondern insofern Sorge verspüre, dass auch diejenigen gen treffen und z.T. treffen müssen, sie Christusträgerin und Christus- zu Christus als ihrem Heiland finden, ohne es nach seinem eigenen Willen vermittlerin ist. Durch die Weihe an die ihm noch fern sind. fragen zu können. sie soll die Verbundenheit mit Jesus Ich kann dabei die freie Entschei- So treffen die Eltern bei der Säug- Christus vertieft werden, im Sinne dung des anderen nicht überspringen lingstaufe die unwiderrufliche Ent- des bekannten Weges: „Durch Maria oder schlechthin ersetzen. Insofern scheidung, dass ihr Kind eine für die zu Jesus“. Besonders der hl. Ludwig eine Selbstverpflichtung mit der Wei- Ewigkeit bleibende, tiefe seelische Maria Grignion von Montfort hat he- he verbunden ist, kann ich sie nur in Prägung erfährt und für immer zu rausgestellt, dass die Weihe an Maria begrenzter Weise stellvertretend für dem Kreis derer gehören wird, die zu einer größeren Christusnähe und andere Personen vornehmen. Dies aus dem Wasser und dem Hl. Geist –verähnlichung führen soll. Er drückt ist vor allem dann möglich, wenn einmal das neue Leben der Gnade dies z.B. in dem Satz aus: „Je mehr derjenige, der eine solche Weihe für empfangen haben. [...] eine Seele Maria geweiht ist, um Dritte vornimmt, eine besondere Ver- Weder durch einen Kirchenaustritt so mehr gehört sie Jesus Christus.“ antwortung für diese Dritten hat und oder eine andere schwere Sünde noch Dabei richtet sich die Weihe schon durchaus an die Person Mariens – sonst würde keine personale Bezie- hung zu ihr gestiftet –, aber an sie als eine Person, zu der wesentlich die Verbindung mit Christus gehört. Weil Maria zugleich Urbild und Mutter der Kirche ist, bedeutet Marienwei- he auch immer eine tiefere Bindung an die Kirche und die Verpflichtung, Maria in der Kirche tiefer zu lieben. Insofern Marias mütterliche Sor- ge sich aber nicht nur auf bestimm- te einzelne Menschen, sondern auf alle Christen, ja auf alle Menschen bezieht, gewinnt derjenige, der sich Maria bewusst weiht, Anteil an ihrer Sorge um das Heil der anderen. Dar- aus ergibt sich dann die Bereitschaft und Verpflichtung, nicht nur für das eigene Heil, sondern sich auch für die Rettung der anderen Menschen durch Gebet, Opfer und ggf. weitere Formen des Apostolates einzusetzen. Damit kommt der Gedanke der Stell- Benedikt XVI. Johannes Paul II. vertretung in den Blickpunkt. am 12. Mai 2010 am 12. Mai 1982 in Fatima „Maria, unsere Herrin und „Totus Tuus – Dir, o Mutter, Die stellvertretende Weihe Mutter aller Männer und ganz zu eigen! Ich bitte Dich, anderer Personen an Maria Frauen, hier bin ich, ein Sohn, bring mich selbst und alle diese der seine Mutter besucht in Be- Brüder und Schwestern dem Va- Weil Maria als Mutter Christi, des gleitung einer Schar von Brüdern ter des Erbarmens als eine Gabe Erlösers, als Mutter der Kirche, als und Schwestern. Als Nachfolger der Dankbarkeit dar und bede- Königin der Heiligen und als Gna- Petri, dem die Sendung anver- cke Du unsere Armut mit Deinem denvermittlerin nicht nur ein persön- traut wurde, in der Kirche Christi und Deines göttlichen Sohnes liches Verhältnis zu jedem einzelnen den Vorsitz in der Liebe zu füh- Verdienst ...“ Erlösten hat, sondern zugleich auch ren und alle im Glauben und in Mutter bzw. Herz des ganzen mys- der Hoffnung zu stärken, will ich tischen Leibes Christi, der Kirche zu deinem Unbefleckten Herzen ist, kann die persönliche Bindung an die Freuden und Hoffnungen, die durch irgendeinen anderen Akt sonst Maria nicht von dem Ziel getrennt Schwierigkeiten und Leiden eines ist dies rückgängig und unwirksam werden, dass auch die anderen Men- jeden dieser deiner Kinder brin- zu machen. schen das Heil finden. gen, die hier in der Cova da Iria Indem die Eltern stellvertretend Anschaulicher ausgedrückt: ich zugegen sind oder uns aus der für das Kind entscheiden, dass es kann mich nicht damit zufrieden ge- Ferne begleiten ...“ getauft wird und gemeinsam mit den ben, dass ich selbst durch meine Bin- Paten an der Stelle des Täuflings das DER FELS 5/2020 137
Taufversprechen ablegen, entmündi- Christus gerichtetes Gebet bekannt, von Sündern und Ungläubigen tre- gen sie den ihrer Sorge anvertrauten das offenbar von einem Priester zu ten die Momente der Aussonderung Menschen aber nicht, sondern lassen sprechen war: „Wir bitten dich, siehe und Selbstverpflichtung deutlich zu- ihn die nach der Geburt wichtigste auf die Unschuld des dir dargebrach- gunsten einer inständigen Bitte um und wertvollste Gabe empfangen, ten Kindes und die Frömmigkeit sei- die Hilfe Mariens bei der Bekehrung die es in diesem Zustand erhalten ner Eltern. Gütig segne es durch mei- der Genannten zurück. Solche „Wei- kann: den Beginn des ewigen Le- nen Dienst zur Ehre Mariens, der es hen“, die ihrer Natur nach in erster bens. Sie tragen so gerade dazu bei, mit ganzer Hingabe geweiht wird.“ Linie Ausdruck intensiver Bitten dass dieses Geschöpf durch die Be- sind, können dementsprechend auch freiung von der Erbschuld und die Der von Johannes Paul II. im häufiger wiederholt werden. Hilfe der Gnade jene Freiheit der Jahr 2001 zum Kardinal erhobene Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinder Gottes erlangen kann, die Theologe Leo Scheffcyzk, ist davon diejenigen, die eine solche stellver- von der Sklaverei und Knechtschaft überzeugt, dass auch eine solche tretende Weihe vornehmen, dies red- der Sünde, vom Ausgeliefertsein an stellvertretende Übergabe nicht ohne licher Weise nur dann tun sollten, die Kräfte der gefallenen Natur ent- objektive Wirkung bleiben kann, ent- wenn sie bereit sind, die ausgespro- bindet. sprechend der aufrichtigen und gu- chene Hingabe an Christus durch Da der Empfang und die Bewah- ten Tat derjenigen, die hier handeln, Maria vor allem in ihrem eigenen rung der Taufgnade der sichere Weg besonders wenn dies durch einen Leben anzustreben und durch Gebet, zum Heil ist, sind katholische Eltern Amtsträger und Vertreter der Kirche Opfer und ggf. auch weitere Schrit- nach dem Kirchenrecht sogar ver- geschieht. te das Ihrige dazu beizutragen, dass Abschluss der Lichterprozession mit Marienweihe und Schlusssegen an der Stadtpfarrkirche St. Blasius in Fulda pflichtet, ihr Kind möglichst bald Das gilt in ähnlicher Weise auch die von ihnen Geweihten zum Glau- nach der Geburt taufen zu lassen. von anderen kollektiven Weihen, die ben und zu einer entsprechenden Le- Indem sie dieser Liebespflicht nach- im Namen der Kirche vollzogen wer- benspraxis finden. kommen, sorgen sie in verantwortli- den, wie z.B. die erwähnten Weltwei- Scheffczyk erklärt: „Der Vollzug cher Weise für den ihnen anvertrau- hen an das Unbefleckte Herz Mariens einer solchen ‚Weltweihe’ setzt bei ten Menschen. durch Papst Pius XII. und Johannes denen, die sie vollziehen, einen le- Wenn die Weihe an Jesus durch Paul II. bzw. die Weihe der Priester bendigen Christus- und Marienglau- Maria nach Grignion ein leichter, durch Papst Benedikt XVI. ben voraus, aber auch die Gesinnung kurzer, vollkommener und siche- Insofern sie aus jeweils bestimmten eines tätigen Apostolats. Wo diese rer Weg zu Christus und damit zum geschichtlichen Situationen heraus er- vorhanden sind (und in bezug auf die ewigen Leben darstellt, dann ist es folgt und durch entsprechende Formu- ganze Kirche darf daran kein Zwei- naheliegend, dass Eltern gerade ihre lierungen im Weihegebet auch daran fel sein), behalten solche Weihungen Kinder gerne der Gottesmutter wei- gebunden sind, können sie nicht ein- auch heute noch ihren Sinn, selbst hen und anempfehlen. fach zu jeder Zeit eingesetzt und un- wenn sie als unmittelbares und sicht- Aus dem Rituale von Cambrai terschiedslos wiederholt werden. Bei bares Ergebnis [...] weniger erbrin- vom Jahr 1600 ist z.B. folgendes an einer Marienweihe als Empfehlung gen sollten.“ 138 DER FELS 5/2020
Für beide Formen der Marienwei- Es sollen beispielhaft nur zwei wesenhafte Gegenwart Jesus Christi he, die aktive und die passive, hält solcher Herausforderungen genannt in der hl. Eucharistie auf. Wer fest derselbe Theologe fest: „Eine innere werden: davon überzeugt ist, dass es wirk- Strahlkraft solcher Geschehnisse auf lich der menschgewordene Gottes- die Kirche kann nicht ausbleiben. Die mangelnde Weitergabe sohn mit Leib und Seele, mit Gott- Kraft des Stellvertretungsgedankens des Glaubens an die heit und Menschheit ist, der in der kann der M[arien]weihe aber auch nächsten Generationen hl. Hostie empfangen wird, der wird eine Wirkung selbst auf die vielen die Notwendigkeit einer angemes- Einzelnen nicht abgesprochen wer- Wer die Sorge zahlreicher Eltern senen Vorbereitung auf diese Be- den, welche um diesen Glauben nicht und Großeltern über die religiöse gegnung leichter einsehen. Wer da- wissen. Ihnen gegenüber wird M[aria] Entfremdung ihrer Kinder und El- gegen meint, in der Eucharistiefeier durch die M[arien]weihe in ihrer Stel- tern kennt und durch die statistischen letztlich „nur“ gesegnetes Brot zu lung als ‚Mutter der Menschen’ (LG Erhebungen weiß, wie schwer es in erhalten, der wird kaum verstehen, 54) bestätigt und bekräftigt.“ einem massiv säkularisierten Umfeld warum nicht jeder im Gottesdienst So ist es auch folgerichtig, dass ist, den Zugang zu einem lebendigen Anwesende an diesem Zeichen der die Väter des II. Vatikanischen Kon- Christusglauben zu ermöglichen, der Gemeinschaft ohne weitere Voraus- zils im Dekret über das Apostolat erkennt darin eine gewaltige Heraus- setzung teilhaben können soll. der gläubigen Laien, „Apostolicam forderung an die Kirche unserer Zeit, Die äußeren Zeichen der Ehrfurcht Actuositatem“, Maria als Vorbild an- nicht zuletzt in Deutschland und ganz wie Stille im Gotteshaus, Kniebeu- führen und in Nr. 4 festhalten: „Alle Europa. Die jüngst, am 21.09.2010 ge vor dem Tabernakel und vieles sollen sie innig verehren und ihr Le- erfolgte Einrichtung eines eigenen mehr in diesem Bereich werden in ben und ihr Apostolat ihrer mütterli- Päpstlichen Rates zur Neuevangeli- der Praxis immer weniger selbstver- chen Sorge empfehlen.“ Der hier im sierung ehemals christlicher Völker, ständlich und sind damit ein Indiz lateinischen Originaltext verwendete belegt dies ebenfalls. für das Schwinden auch der inneren Ausdruck „vitam atque apostolatum In Deutschland gehören zurzeit Ehrfurcht. eius maternae curae commendent“ nur noch rund 30% der Bevölkerung Umfragen belegen, dass der für kommt der Sache nach einer Emp- der Katholischen Kirche an, weitere die Integrität des Credos wesent- fehlung des Konzils zur Marienwei- 30% sind protestantisch. Die Zahl liche Glaube an die jungfräuliche he sehr nahe. der sonntäglichen Messbesucher ist Empfängnis und Geburt Jesu aus in den Jahren 1990 bis 2009 von 21,9 Maria, seine leibliche Auferstehung Aktuelle Herausforderungen auf 13 % dramatisch zurückgegan- aus dem Grab und die Erwartung ei- im Leben der Kirche gen, Tendenz weiter fallend. Dass nes persönlichen Gerichts nach dem dies keineswegs normal ist oder so Tod mit der Scheidung in Seligkeit, Wenn die Päpste angesichts aktu- sein muss, zeigt z.B. die Situation in Reinigungsort und Verdammnis auch eller geschichtlicher Herausforderun- Indien oder vielen Ländern Afrikas, unter katholischen Kirchensteuer- gen bis in die jüngste Zeit hinein die wo nahezu 100% der katholischen zahlern keineswegs mehr allgemein Weihe an Maria als eine angemessene Christen am Sonntag die hl. Messe akzeptiert ist. Auseinandersetzun- und wirksame Antwort gewählt ha- besuchen, sofern ihnen dies physisch gen wie solche um das sogenannte ben, dann besteht für uns als Glieder möglich ist. „Theologen-Memorandum“ belegen, der Kirche die moralische Pflicht, die Im vergangenen Jahr ist die Zahl dass die Polarisierungstendenzen in- damit einhergehende Bindung mit der Kirchenaustritte in Deutschland nerhalb der Katholiken in Deutsch- zu übernehmen. Das bedeutet, dass sprunghaft gestiegen, z.T. um mehr land weiter zunehmen. insbesondere die Priester aufgerufen als 40%. sind, die im Jahr 2010 vom Heiligen Nur diese zwei Beobachtungen Vater in Anwesenheit zahlreicher Bi- Die mangelnde Einheit dürften bereits ausreichen, um von schöfe und Priester in Rom stellver- im Glauben einer wirklich ernsten, wenn nicht tretend vollzogene Weihe innerlich schon dramatischen Situation der und wenn möglich auch äußerlich Es gibt deutliche Anzeichen dafür, Kirche hierzulande sprechen zu kön- nachzuvollziehen. So hat z.B. der dass viele Personen, die hierzulande nen. Erzbischof von Köln den Text des formal Mitglied der Katholischen Das Vorbild der Päpste regt dazu Weihegebetes von Papst Benedikt als Kirche sind, wesentliche Elemente an, unter den Antwortmöglichkeiten kleines Andachtsbild herausgegeben des Glaubens nicht akzeptieren. auf diese Herausforderungen auch und bei Begegnungen mit Seminaris- Angesichts der großen Zahl der- die Weihe an Maria zu bedenken. ten und Priestern seiner Diözese ge- jenigen, die mehr oder weniger Da Erwartungen an andere leicht zu meinsam mit ihnen gesprochen. regelmäßig sonntags die hl. Kom- erheben sind, aber wenig Glaubwür- Darüber hinaus stellt sich für uns munion empfangen und der gleich- digkeit besitzen, wenn der Hand- alle die Frage, ob heute nicht auch zeitig im Vergleich dazu äußerst lungsspielraum im eigenen Verant- besondere Herausforderungen auf geringen Zahl derjenigen, die das wortungsbereich nicht genutzt wird, den Ebenen bestehen, die unserem Bußsakrament aufsuchen, drängen sollen im nächsten Abschnitt einige Handlungsspielraum anvertraut sind sich Zweifel an der rechten inneren Anregungen für die Belebung der und die es nahe legen, die Möglich- Haltung und damit letztlich auch Marienweihe im Leben der Familie, keiten der Marienweihe aufzugrei- am Glauben vieler Gottesdienstbe- der Pfarreien und ähnlicher Gemein- fen. sucher an die wahre, wirkliche und schaften aufgeführt werden. q DER FELS 5/2020 139
Diakon Raymund Fobes: Wir brauchen einen Perspektivwechsel Nachdenkliches in der Corona-Krise W ährend ich diese Zeilen schrei- be, Ende März 2020, scheint die Welt stillzustehen. Das neuartige den Rundfunk oder das Internet ist eine gewiss nur sehr rudimentäre Teilnahme am Gottesdienst möglich. netwillen verliert, der wird es retten.“ Sehr anschaulich war mir dieses Je- suswort, als ich Artikel über Priester Corona-Virus hat dazu geführt, dass in Italien las, die die am Coronavirus viele Maßnahmen ergriffen wurden, Dennoch ist es für viele Menschen Erkrankten seelsorglich betreuten und die das Leben lahmlegten. Die Ge- gerade jetzt wichtig, zu erfahren, betreuen. Einer von den Priestern, die fahr, sich anzustecken, ist groß – und dass Gott sie nicht allein lässt mit sich um die Kranken kümmern, ist der für einige kann die Krankheit lebens- ihren Nöten und Sorgen. Dabei bein- 84jährige Kapuzinerpater Aquilino bedrohlich werden. Dazu kommen haltet aber die Zusage Gottes, dass er Apassiti, der in der vom Virus beson- noch finanzielle und wirtschaftliche für uns da ist, noch ein Zweites: Gott ders heimgesuchten Stadt Bergamo Sorgen, gerade auch derer, die oh- ruft zu einem Perspektivenwechsel, in Norditalien als Spitalseelsorger Perspektivenwechsel in der Corona-Zeit: sich auf das We- sentliche besinnen, auf Gott vertrauen und sich an ihm aus- richten. Hieronymus Bosch: Die sieben Todsünden und die vier letzten Dinge Der heilige Damian de Veuster, ein Priester und Ordensmann, der die Leprakranken pflegte, sich ansteckte und starb (Der heilige Damian und ein Aussät- ziger. Iglesia de los Sagrados Corazónes. Sevilla, Andalusien, Spanien nehin nicht viel verdienen. Aufgrund zur Umkehr, auf, der dem Menschen tätig ist. Es schmerzt ihn sehr, dass von Ausgangsbeschränkungen und immer aufgetragen ist, dessen Be- niemand kommen darf, die Kranken Kontaktsperren kann man sich aber deutung ihm aber gerade jetzt sehr und Sterbenden zu besuchen. Auch auch nicht mit anderen persönlich deutlich und auch schmerzhaft vor er darf nicht lange an einem Kran- austauschen und seine Sorgen teilen Augen geführt wird. kenbett bleiben, aber er geht hin zu und mitteilen. Und – was für den den Kranken. Und auf die Frage, ob praktizierenden Christen sehr be- Diesen Perspektivenwechsel ent- er Angst vor dem Virus habe, sagt er: klemmend ist – man hat auch nicht decke ich in dem Wort Jesu, das uns „Ich bin 84 Jahre alt, wieso soll ich die Möglichkeit, Gott in der gemein- in Lk 9,24 überliefert ist: „Denn wer mich sorgen?“ Mehr als 50 Priester samen Feier der heiligen Messe zu sein Leben retten will, wird es ver- waren Ende März in Italien bereits an begegnen, allein über das Fernsehen, lieren; wer aber sein Leben um mei- der Virusinfektion verstorben – viele, 140 DER FELS 5/2020
weil sie bei den Kranken blieben und die Infizierten kümmerten und dann tum zu scheffeln, denn davon nehmen sich ansteckten. selbst infiziert wurden und ebenfalls wir am Ende nichts mit. Viel wichtiger starben. Nur am Rande sei auf etwas scheint es, Gottes Willen zu erkennen Die Bereitschaft, das eigene Leben nicht Unwichtiges hingewiesen, das und sich nach ihm auszurichten – kon- zu gefährden, um anderen Gutes zu jetzt deutlicher zutage tritt: Priester kret: Liebe zu lernen. Und zudem hat tun und damit in der Nachfolge Christi und auch Ordensleute werden als un- uns die Krise schon jetzt gezeigt, dass zu stehen, das bedeutet ganz konkret, verheiratet Lebende leichter diesen der Mensch die Welt doch nicht in der Leben dadurch zu retten, dass man es Weg für den anderen gehen können, Hand hat, sondern ein Größerer und in Kauf nimmt, es zu verlieren. Jesu als Verheiratete oder Eltern, die sich Mächtigerer wohl alles lenkt. Nach Wort scheint radikal, aber im Grunde doch eher zurücknehmen müssen, aus unserem Glauben meint dieser Grö- ist es doch auch eine Mahnung, dass ihrer Verantwortung für den Partner ßere und Mächtige es jedoch absolut man das Sterben nicht einfach aus- oder die Kinder. Wer zölibatär lebt, gut mit uns; aber wir sollten uns von klammern darf. Leben ist immer auch der kann sich ungeteilt um Notlei- ihm leiten lassen. Deshalb scheint es Geschenk: der Herr hat es gegeben, dende kümmern und auch das Leben mir besonders wichtig und wertvoll, er wird es wieder nehmen, aber nicht, riskieren, auch im Bewusstsein, dass gerade jetzt die Beziehung zu ihm um uns in ein schwarzes Loch zu stür- Christus, auf den er setzt, bei ihm ist. zu erneuern und aufzubauen, um das zen, sondern um uns in die Ewigkeit wahre Leben zu gewinnen. Und da zu führen, eine Ewigkeit, in der wir Letztlich fordert die derzeitige Si- mag es eine Chance sein, wenn die in seiner Gemeinschaft leben werden. tuation uns alle aber auch heraus, sich großen kirchlichen Familienfeste – die Tatsächlich hat Todesangst oft auch auf das Wesentliche zu konzentrieren – für viele Familien aber kaum kirchli- damit zu tun, dass der Glaube an das mehr in die Tiefe als in die Weite zu ge- che Feste sind – „Erstkommunion“ Ewige Leben verloren gegangen ist. hen. Hier hat der Satz Jesu vom Retten und „Firmung“ – erst einmal abgesagt Viele der Priester bewiesen jetzt in und Verlieren des Lebens eine andere sind und später möglicherweise nur Italien diesen Mut, anderen im Namen Bedeutung: Wenn man einen alten Le- im kleinen Rahmen gefeiert werden Aus einem Gebet in der Coronakrise: Lass uns nie vergessen, dass das Leben ein Geschenk ist, dass wir irgendwann sterben werden und nicht alles kontrollieren können, dass du allein ewig bist, dass im Leben so Vieles unwichtig ist, was oft so laut daherkommt. Mach uns dankbar für so Vieles, was wir ohne Krisenzeiten so schnell übersehen. WIR VERTRAUEN DIR – DANKE. Gebetshaus Augsburg Christi zu helfen und dabei das eige- bensstil aufgibt, kann man einen neu- können. Vielleicht bietet es dem einen ne Leben zu riskieren. Damit stehen en, besseren gewinnen. Und da hat die oder anderen dann die Möglichkeit zu sie auch in einer Reihe mit anderen Kontaktreduzierung sogar ihr Gutes. erkennen, dass es hier nicht um große Priestern und gläubigen Christen aller Wenn Spaßveranstaltungen ausfallen, Geschenke oder das Treffen der Ver- Zeiten, denen der Dienst am Nächs- so kann ich tiefer in mich gehen und wandtschaft geht, sondern um nichts ten so wichtig ist, dass sie bereit sind entdecken, dass es im Leben um mehr weniger, als dass Gott mit dem Men- das Leben zu riskieren und es notfalls geht. Um einen tieferen Sinn, der mir schen eine Beziehung aufbauen will, zu verlieren. Man darf dabei auch an durch Spaß und allzu seichte Gesellig- die lebenslang zu pflegen ist. Wer also Ärzte und Pflegepersonal erinnern, die keit verloren gehen kann. Und dieser bereit ist seinen alten Lebensstil zu sich jetzt in der Krise trotz Mangels tiefere Sinn kann auch nicht darin lie- verlieren, der wird wirkliches Leben an notwendiger Schutzkleidung um gen, immer mehr an Besitz und Reich- gewinnen. q DER FELS 5/2020 141
Alfons Zimmer: „Überlasst ihm eure Furcht!“ Aus einer fiktiven Predigt des hl. Bonifatius an die Hessen K napp 180 km lang ist die Bonifatius-Route. Der Pilger- oder Wanderweg folgt den Spuren des gro- ßen Trauerzuges, der im Jahre 754 den Leichnam des in Friesland ermordeten Missionsbischofs Bonifatius von Mainz zu der von ihm ausgesuchten Ruhestätte im Fuldaer Dom begleitete. Die Bochumer Katholikin Renate Gottschewski und der Protestant Jürgen Faitz aus dem mittelhessischen Grebenhain sind den Weg durch den Rheingau, die Wet- terau, den Vogelbergkreis ins Fuldische hinein in sechs Tagen gelaufen. In der Allerheiligenwoche 2019 erzählen sie vor großer Zuhörerzahl in der Justizvollzugsanstalt Bochum von dieser Route, von ihren wunden Füßen, von der Praxis des christlichen Pilgerns im Allgemeinen und vom Leben des Benediktiners, Missionars und Kirchen- reformers Winfried Bonifatius, dem Apostel der Deut- schen. Im Bistum Fulda ist sein Namenstag am 5. Juni Hochfest. Alle Zuhörer erhalten an dem Abend eine zwar fiktive, doch historisch sehr wohl begründete Predigt des Heili- gen, die er so ähnlich vor dem Volksstamm der Chatten, der Hessen, gehalten haben könnte. Zusammengestellt hat sie der evangelische Pfarrer und Schriftsteller Dr. Fa- bian Vogt, Jahrgang 1967, aus Oberursel bei Frankfurt. All das, was Vogt in modernes Deutsch überträgt, ist an verschiedenen Stellen in Briefen des Bonifatius und an- derer iro-schottischer Mönche überliefert. Einige Formu- lierungen finden sich wörtlich in den alten Quellen, ande- re sind frei gestaltet. In der Regel gehen die Missionare in drei Schritten vor: 1. wird die Nutzlosigkeit der Götzen und die Überle- genheit des christlichen Gottes gezeigt, 2. wird die Nütz- lichkeit des neuen Glaubens verdeutlicht und 3. werden Einladungen zur Lebenswende und zur Taufe ausgespro- chen. Pfarrer Dr. Vogt und die Evangelische Verlagsan- stalt Leipzig erlauben den Abdruck dieser Predigt des Am linken Seitenaltar der Bonifatiuskirche in Wiesbaden Bonifatius aus dem Buch „Kirchengeschichte(n) für Neu- befindet sich das Ölbild des Düsseldorfer Historienma- gierige“, Kapitel „Eine Heidenarbeit. Die Geheimnisse lers Alfred Rethel, gemalt 1840. Es zeigt Bonifatius als der Germanenmission“ (Leipzig 2013, S. 87ff.): Bischof mit Stab und Mitra auf dem Stumpf der Dona- reiche. In der Hand hält er ein Evangelienbuch, mit dem „Ihr Hessen! Hört mich an! Ihr betet in den Hainen und er der Überlieferung nach versuchte, die Schwertschläge an den Quellen um den Schutz eurer Götzen. Ihr zieht räuberischer Friesen abzuzwehren. breite Furchen um eure Dörfer, um die garstigen Unhol- 142 DER FELS 5/2020
de fernzuhalten, vor denen ihr euch fürchtet. Ihr schnitzt Ihr Hessen! Ihr müsst keine Angst mehr haben. Ja, der euch Hände und Füße aus Holz und lasst laute Hörner er- Gott, der die Welt erschaffen hat, hat uns seinen Sohn ge- tönen, um das Böse abzuwehren: Ihr tragt viele Amulette, schickt, damit wir Menschen getröstet werden und erfah- um euch beschützt zu fühlen. Ja, ihr deutet die Zukunft ren, dass Gott uns liebt. Kann es etwas Schöneres geben, aus toten Pferden und aus Stäben mit eingeritzten Runen, als diesem wunderbaren Gott sein Leben zu schenken. Be- die ihr Buch-Staben nennt. Und ihr versucht sogar, mit tet ihn an. Überlasst ihm eure Furcht. Und werdet frei.“q verschiedenen Zaubertränken das Wetter zu verändern. Aber hilft das wirklich? O nein! Und warum nicht? Weil all diese Handlungen Zeichen von Angst sind. Einer Angst, die bleibt. Ihr habt schreckliche Angst, und ihr hofft, dass euch diese magi- schen Handlungen irgendwie schützen. Doch das funkti- oniert nicht. Selbst wenn ihr einmal das Gefühl habt, je- mand würde euer Flehen hören. Euch begleitet die Furcht weiterhin, ein Leben lang. Von morgens bis abends. Das muss nicht sein! Aber zuerst sagt mir: Ist euch nie aufgefallen, dass alle eure Götzen Eltern haben? Und was heißt das? Nun: sie sind nicht der Anfang. Sie sind nicht der Ursprung. Sie sind selbst erschaffen worden. Es muss also eine viel größere Macht geben. Habt ihr euch wirk- lich nie gefragt, wer das alles erschaffen hat, die Welt, eure Götzen, euch selbst und alles, was um euch ist? So hört! Ich komme, um euch von Gott zu erzählen, der nicht nur der Schöpfer aller Dinge ist, sondern auch derjenige, der alles besiegen kann, was euch Angst macht. Er ist der Bonifatiusfigur am alten Turm der Bonifatiuskirche in Gott, der größer ist als alle Furcht. Dieser Gott, von dem Herne, Bistum Paderborn ich erzähle, war am Anfang, und er ist stärker als alle Göt- zen. Er kann eure Angst überwinden. Dieser Gott ist der Gott der Christen. Der wahre Gott. Großplakette am Eingang der neuen Bonifatiuskirche: „Wir aber predigen Christus als Gekreuzigten.“ Ihr Hessen! Wollt ihr Beweise? Nun, dann seht doch, welches Ansehen die Christen genießen. Überall in der Welt. Ihre Felder sind fruchtbarer als eure, sie beherr- schen die großen Länder des Südens, in denen Öl und Wein fließen und die mit reichen Schätzen gesegnet sind. Darum haben die meisten Germanenvölker längst erkannt, dass ihre alten Götzen machtlos und klein waren. Es sind nur noch wenige Stämme übrig, die im Irrtum verharren. Folgt dem Beispiel eurer Brüder. Und nun schaut mich an: Hier stehe ich vor euch! Frei und unbehelligt. Ich frage Euch: Wenn eure Götzen stark und mächtig wären, würden sie dann nicht jemanden ver- treiben, der sie herausfordert? So, wie ich es tue? Ja, das würden sie, aber sie haben nun einmal keine Kraft. Einst war die Welt dem Aberglauben ergeben, aber durch den Sohn Gottes, durch Jesus Christus, der Mensch geworden ist, haben die klugen Menschen erkannt, woher das Heil kommt. Und dieses Heil könnt ihr auch erlangen. DER FELS 5/2020 143
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