Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Walter Kardinal Brandmüller:
                                  Rettung durch Umkehr, Buße und Vergebung 131

                                  Bischof Rudolf Voderholzer:
                                  Hoffnung in schwerer Zeit –
                                  Wir werden ein Fest feiern                 133

                                  Jürgen Liminski:
                                  Die Kriegsgewinnler                        151

Katholisches Wort in die Zeit                           51. Jahr Mai 2020

   DER FELS 5/2020                                                     129
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Liebe Leser,                          sagen?“ Vielmehr wird hier die
                                                                                                      Aufgabe, umzudenken und umzu-
                                                                noch mitten in der Corona-Pan-        kehren, tabuisiert. Wir kennen das
                                                                demie verkündet der Staat gi-         u.a. vom bisherigen Ablauf des
                                                                gantische, einmalige Hilfsmaß-        „Synodalen Prozesses“.
                                                                nahmen in Höhe von 700 Mrd.           Gott hätte in seiner Allmacht die
                                                                Euro für Deutschland, um die          Pandemie verhindern können. Er
                                                                Wirtschaft nach der Krise wieder      hat sie jedenfalls zugelassen, ob
 INHALT                                                         in Schwung zu bringen, zumal
                                                                Experten mit einer Arbeitslosig-
                                                                                                      als Strafe, um die Menschen auf
                                                                                                      den rechten Weg zurückzuführen,
                                                                keit von 1 Mio rechnen. Sicher        weiß weder der Abt noch wir.
                                                                geschieht dies auch, um den Bür-      Die Frage von Eckert „Wer kann
 Walter Kardinal Brandmüller:
 Rettung durch Umkehr, Buße                                     gern eine wirtschaftliche Per­        den Willen Gottes erkennen?“,
 und Vergebung . ................................... 131        spektive zu geben.                    können wir aber schon beantwor-
                                                                Die Kirche hat den Auftrag, den       ten. Den Willen Gottes kennen
 Bischof Rudolf Voderholzer:                                    Menschen zu deuten, was uns           wir aus den zehn Geboten, den
 Hoffnung in schwerer Zeit –                                    Gott mit dieser Epidemie sagen        Aussagen Jesu und der Lehre der
 Wir werden ein Fest feiern ................... 133             will. Ihre Aufgabe ist es, prophe-    Kirche. Noch gilt bspw. das fünfte
                                                                tische Stimme zu sein, die den        Gebot: „Du sollst nicht töten!“
 Rektor Georg Alois Oblinger:                                   Menschen Orientierung gibt und        Dazu stehen die rund 100.000
 O Maria, hilf! ........................................ 134    nicht nur die Parolen der staat-      abgetriebenen Kinder, die jähr-
                                                                lichen Stellen von Solidarität,       lich in Deutschland getötet wer-
 Generalvikar Msgr. Dr. Markus Hofmann:
                                                                Hilfsbereitschaft, Hygienevor-        den, oder die 42 Mio, die 2019
 Den Schutz der Mutter suchen:
 Die Weihe an Maria ............................ 136            schriften, ärztlichen und pflegeri-   weltweit umgebracht wurden, in
                                                                schen Hilfen etc. zu wiederholen.     deutlichem Gegensatz. Die Fra-
 Diakon Raymund Fobes:                                          Selbstverständlich ist es richtig,    ge an Eckert wäre, ob er glaubt,
 Wir brauchen einen                                             wenn die Kirche verstärkt zum         dass der heutige „Tanz um das
 Perspektivwechsel................................ 140          Gebet aufruft.                        goldene Kalb“ Gott gleichgültig
                                                                Christen fragen, was will uns Gott    geworden ist?
 Pastoralreferent Alfons Zimmer:                                mit dieser Epidemie sagen? Es         Coronavirus als Strafe Gottes zu
 „Überlasst ihm eure Furcht!“ ................ 142              ist nicht die Mehrheit, die fragt.    bezeichnen ist weder „zynisch“
                                                                So hat bspw. eine repräsentative      noch mit Jesu Botschaft unver-
 Felizitas Küble:                                               Umfrage der Tagespost ergeben,        einbar, wie Erzbischof Schick
 Jüdischer Komponist würdigt
                                                                dass nur 11% der Katholiken,          von Bamberg sowie der neue
 katholischen Märtyrer .......................... 144
                                                                trotz der grassierenden Seuche,       Vorsitzende der DBK Bätzing
 Ursula Zöller:                                                 mehr als sonst darüber nachden-       sagen. Beide verwechseln den
 Was macht der Engel von Tante Li?..... 147                     ken, was nach dem Tod kommt.          theologischen Sinn von „Strafe“
                                                                Dieser Prozentsatz weicht nicht       mit „himmlischer Rache“ oder
 Ursula Zöller:                                                 von dem der übrigen Bevölke-          „göttlichem Zorn“ mit einem
 Reformer und Wegbereiter in der Kirche:                        rung ab. Die Katholiken sind seit     Aufruf zur Umkehr, d.h. einem
 Giorgio La Pira . ................................... 148      Jahrzehnten in Religionsunter-        Akt der Liebe und Barmherzig-
                                                                richt, Predigt und Katechese an       keit. Für Christen geht es nach
 Prof. Dr. Hubert Gindert:                                      ein Christentum light gewöhnt,        Pfarrer Winfried Abel darum,
 Wortlos vor dem synodalen                                      das nicht aneckt. Sie sehnen sich     „dass der prophetische Geist
 Trümmerhaufen? Keineswegs! ............ 149
                                                                nach der „Normalität des Le-          wieder in der Kirche erwacht,
 Jürgen Liminski:                                               bens vor der Krise“ zurück, sind      der den verunsicherten Men-
 Die Kriegsgewinnler . .......................... 151           aber kaum zum Umdenken und            schen Orientierung gibt – auch
                                                                zur Änderung ihres gewohnten          wenn die Botschaft schmerzt und
 Auf dem Prüfstand ............................... 156          Lebensstils bereit.                   zum Widerspruch führt“. Die
 Bücher.................................................. 158   Wenn der Abt Johannes Eckert          Mutter Gottes wird uns dazu –
 Leserbrief.............................................. 159   OSB von St. Bonifaz in München        besonders im Marienmonat Mai
                                                                auf die Frage, ob die Pandemie        – ihre Hilfe nicht versagen.
                                                                als Strafe Gottes gedeutet werden
 Impressum „Der Fels“ Mai 2020 Seite 159                        könne, erwidert … „das ist aus
 Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats                meiner Sicht zynisch und eine ab-
                                                                solute Anmaßung. Was maße ich
 Titelbild: Muttergottes als Himmelskönigin                     mir an, über Gott zu sagen, dass
 Philipp H. Müller, Madonnentaler der Augsburger                er bestraft oder belohnt? Wer
 Bischöfe – Rückseite, Titelbeschreibung S. 158                 kann den Willen Gottes erken-
                                                                nen? Das ist für mich fast schon
 Foto- und Quellennachweise: Seite 157
                                                                blasphemisch ….“. Dann ist das              Mit den besten Wünschen
                                                                ist zunächst keine Antwort auf                         aus Kaufering
                                                                die Frage: „Was will uns Gott                     Ihr Hubert Gindert

130                                                                                                                DER FELS 5/2020
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Walter Kardinal Brandmüller:

      Rettung durch Umkehr, Buße und Vergebung

        COVID19 – Auf einmal wird       klärungsversuche wechseln mit Ver-      lich genau hundert Jahre zurückliegt.
        im Ausfall des Normalen, All-   schwörungstheorien ab – das Rätsel      Die große Grippe-Epidemie nach
       täglichen dessen Besonderheit    bleibt. Doch was sollen Spekulatio-     dem Ende des Ersten Weltkriegs hat
     wiedererkannt. Wenn Sünde die      nen, wo es gilt, der Gefahr wirksam     bis 1920 mehr als 25 Millionen Men-
Wurzel allen Unheils ist, dann sind     zu begegnen? – mag man fragen.          schenleben gefordert.
es Umkehr, Buße und Vergebung, die      Hier jedoch geht es eigentlich um          Nun hat auch das Corona-Virus
Rettung bringen.                        mehr als um Gesundheit und um Me-       weltweite Verbreitung gefunden.
   Im Jahre 139 nach Christus als       dizin. Es gilt vielmehr, den Vorhang    Eine Situation, der sich auch Papst,
Mausoleum für Kaiser Hadrian voll-      wegzuschieben und den Blick auf         Bischöfe, Priester und Gläubige stel-
endet, heißt das gewaltige Bauwerk      die Hintergründe des gegenwärtigen      len müssen. Sie sind aber nicht zuerst
heute seit Jahrhunderten Castel         Geschehens zu richten. Aber nicht       zu Hilfsmaßnahmen, sondern vor al-
Sant’Angelo – Engelsburg. Es ist die    nur Ursachenforschung, sondern          lem zu einer theologisch-spirituellen
sie machtvoll krönende Bronzesta-       Lagebeurteilung und -bewältigung        Standortbestimmung herausgefordert.
tue, die den Erzengel Michael zeigt,    sind Gebot der Stunde. Dabei kann,      Da nun ist es bestürzend zu sehen, wie
wie er eben sein gezücktes Schwert      ja darf es nicht nur um Medizin und     rat- und hilflos die Hirten der Kirche
in die Scheide zurücksteckt. Papst      Politik gehen, sondern, wie gesagt,     dieser Lage gegenüberstehen.
Gregor der Große hatte im Jahre 590     um Hintergründe. Und diese sind            Die Unterschiede, ja Widersprüche
jene Erscheinung des Erzengels, mit     theologisch-spiritueller Art.           in kirchlichen Verlautbarungen und
der er das Ende einer verheerenden         Wenn dem so ist, dann ist zunächst   Maßnahmen sind beredter Ausdruck
Seuche ankündigte.                      zu fragen, wie die Kirche – Hirten      der Überforderung. Die eine Diöze-
   Wird er es heute wieder tun, da      und Gläubige – sich dieser Bedro-       se verbietet alle öffentlichen Gottes-
das Corona-Virus nicht mehr nur die     hung stellen. Es ist ein dissonantes    dienste, anderswo gilt das Gegenteil.
Stadt Rom bedroht, sondern weltweit     Konzert von Antworten auf diese         Hier verbietet man Mund- bzw. Hand-
wütet?                                  Frage. Die offenbare Ratlosigkeit ist   kommunion wie auch den Friedens-
   Nun rätselt alle Welt über die Ur-   deswegen so groß, weil ein wirklich     gruß, dort werden Weihwasserbecken
sachen des Unheils. Realistische Er-    vergleichbarer Präzedenzfall ziem-      geleert. Die bischöflichen Anweisun-

In den Jahren 430–426 v. Chr. brach während der Belagerung durch die Spartaner in Athen eine Seu-
che aus, der ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fiel. Genaue Aufzeichnungen führte Thukydides. Die
Katholiken registrierten im Dreißigjährigen Krieg auch die große Zahl der Pesttoten. Allerdings trugen
sie ihr Leid und ihre Bitten zur Muttergottes und ihrem Sohn, dem einzigen Erlöser der Menschen.

DER FELS 5/2020                                                                                                  131
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Die Technik ermöglicht viele Wege       sitive Folge, hat im Glauben wurzeln-    Sünde und Vergebung in Theologie
  der Glaubensverkündigung. Die           de Kreativität entbunden. Auf einmal     und Predigt in dieser Epoche? Hatten
  Sakramente jedoch werden nicht          wird im Ausfall des Normalen, Alltäg-    sich noch in den Sechziger-Jahren
  virtuell sondern reell gespendet        lichen dessen Besonderheit wiederer-     des vergangenen Jahrhunderts vor
  und empfangen. Dennoch dient die        kannt. Solange Kirchen offen, Got-       Ostern, vor den Herz-Jesu-Freitagen
  technische Übermittlung der Mys-        tesdienste selbstverständlich, Taufen,   vor den Beichtstühlen Schlangen ge-
    terien der geistlichen Formung        Hochzeiten und Beerdigungen zeit-        bildet, so herrscht da seit Langem
      der Empfänger auf dem Weg           gerecht und wunschgemäß vollzogen        gähnende Leere.
       zur Begegnung mit Christus.        und als alltäglich empfunden wurden,        Es war beflissenen, von modischer
                                          wurde all dies in seiner wirklichen      Psychologie inspirierten Moraltheo-
                                          Bedeutung eher verkannt. Nun aber        logen gelungen, samt ihren gedan-
                                          ist auf einmal nichts mehr selbstver-    kenlosen Nachbetern zusammen mit
                                          ständlich, und manch einer mag jetzt     manch ungesunden Skrupeln auch
                                          darüber nachzudenken beginnen.           das Bewusstsein von Versuchbarkeit
                                             Da wird nun auch die uralte, im-      und Sünde auszutreiben. So galt die
                                          mer wieder bedrängende Frage laut,       Beichte bald eher noch als Relikt aus
                                          wie denn ein gütiger, allmächtiger       vorkonziliaren Zeiten. Ein heutiger
                                          Gott solches Unheil zulassen könne.      „mündiger Christ“ bedurfte dessen
                                          Auch die düstere Vorstellung eines       nicht mehr. Die Folgen waren und
                                          aus dem Dunkel heraus zuschlagen-        sind noch eindeutig. So eindeutig,
                                          den blinden Schicksals taucht wieder     dass das Programm des „Deutschen
                                          auf. Natürlich auch das Bild des stra-   Synodalen Weges“ von all dem mit
                                          fenden Richters. Ob nicht das Coro-      keiner Silbe spricht. Wie viele Pries-
gen widersprechen einander und of-        na-Virus wie einst Attila die Geißeln    ter gibt es, die selbst seit Jahren nicht
fenbaren zugleich die eher gläubige       Gottes sind, mit denen er sein Straf-    mehr gebeichtet haben!
oder eher weltliche Geisteshaltung        gerichte vollstreckt? So fragen viele.      Nun also zeigen in der die Welt be-
der Hirten. Kaum verständlich sind        Ist es aber in Wahrheit nicht vielmehr   drohenden Pandemie die Sünde und
auch mehrfache einander widerspre-        der Mensch, der sich selbst bestraft?    der Böse ihre erschreckende Gorgo-
chende Anweisungen für das Bistum            In der Tat: Gottes Gebote sind        nenfratze – und bei ihrem Anblick
Rom, wo die Rechte anscheinend            doch nicht Fesseln für seine Ge-         erschrickt die Welt. In Schockstarre
nicht wusste, was die Linke tat.          schöpfe! Sie sind in Wahrheit Zäune,     verfallen sollte sie nicht. Wenigstens
   Es gilt nun, zwischen rein säkula-     gesetzt, um die Grundlagen mensch-       die Christen sollten endlich wieder
rem Pragmatismus und naiver Gläu-         lichen Lebens schützend zu umhe-         bedenken, dass alles Unheil in der
bigkeit, beide Extreme recht gewich-      gen! Ehe, Familie, Eigentum, Wahr-       Schöpfung dadurch entfesselt wor-
tend, die rechte Mitte zu finden.         heit und Leben – sind es nicht jene      den ist, dass das Geschöpf Mensch
   Erstaunlich ist es und beein-          Güter, ohne die menschliches Leben,      sich gegen seinen Schöpfer erhob,
druckend, was gläubige pastorale          menschliche Gemeinschaft nicht ge-       und dass wiederum Heil geschieht,
Phantasie für Wege findet, mit der        deihen? Reißen wir aber dennoch die      wenn er zu ihm zurückkehrt.
Ausnahmesituation umzugehen. Da           schützenden Zäune der Zehn Gebo-            Um den Menschen zurückzuho-
zeigt auch die moderne Kommuni-           te um diese vitalen Güter im Namen       len, ist Gott selbst in Jesus Christus
kationstechnik positive Seiten, wenn      unserer Freiheit nieder – was ist das    Mensch geworden. Ihm die Türen zur
eine Familie mit dem Gotteslob in         dann anderes als Selbstdestruktion       Welt, zu uns selbst zu öffnen, wäre die
der Hand um einen Fernsehapparat          der Person, der Gemeinschaft?            Rettung. Natürlich sind in der Notsi-
versammelt einen übertragenen Got-           So ist es doch wahrlich nicht Gott,   tuation der Corona-Seuche Medizin
tesdienst mitfeiert. Dort wiederum        es ist der sich autonom gebärden-        und Politik zur Mobilisierung ihrer
werden lokale Rundfunk- und Fern-         de Mensch, der sich selbst bestraft,     Möglichkeiten aufgerufen. Natürlich
sehsender für die Übertragung von         wenn dann das Übel über ihn her-         muss die Gesellschaft insgesamt die
Messfeiern gewonnen.                      einbricht. Alles Übel dieser Welt ist    Notwendigkeit erkennen, dem Ego-
   Es mehren sich die Nachrichten         die giftig-bittere Frucht von Adams      ismus des Individuums um des Ge-
über einfallsreiche Initiativen einzel-   und eines jeden seiner Nachkommen        meinwohls willen Zügel anzulegen.
ner Priester, die Gläubigen in situati-   Sünde, nicht aber Strafe eines belei-       Aber: ob all diesen notwendigen
onsgerechten Formen an der Liturgie       digt zürnenden Gottes.                   Anstrengungen Erfolg beschieden
der Kirche Anteil nehmen zu lassen           Mit dieser Einsicht ist schon der     sein wird – das hängt letztendlich
bzw. die Sakramente zu spenden. In-       Weg zur Heilung erkannt. Wenn            nicht vom Menschen ab, sondern von
zwischen haben auch Gottesdienst-         Sünde die Wurzel allen Unheils ist,      Gott, dem Schöpfer, Erhalter und
Kongregation und Apostolische             dann sind es Umkehr, Buße und Ver-       Vollender seiner Welt.
Pönitentiarie mit den hier nicht dar-     gebung, die Rettung bringen. Und
zustellenden Maßnahmen reagiert           wiederum umgekehrt: ernten wir           Mit freundlicher Genehmigung
(kath.net hat berichtet).                 mit dieser Coronaseuche nicht die        von Walter Kardinal Brandmüller,
   Kurzum, diese besondere Gefah-         Folgen des jahrzehntelangen Verges-      Erstabdruck: kath.net 28.03.2020;
renlage hat in der Tat auch manch po-     sens, Verdrängens der Realität von       Vatikanstadt (kath.net/wb)

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Bischof Rudolf Voderholzer:

                         Hoffnung in schwerer Zeit –
                         Wir werden ein Fest feiern

   Die Zeit wird [...] kommen, da wir                                           Jahr zum Herzen Bayerns nach Al-
in uns gehen und uns werden fragen                                              tötting tragen; und wenn es nur eine
müssen, was wir aus dieser epocha-                                              Gruppe von zwei Pilgern stellvertre-
len Krise lernen.                                                               tend für alle ist.

  Schon jetzt erfahren wir schmerz-                                                Wenn die Pandemie dann aber
haft, wie hinfällig und gefährdet                                               überstanden ist, werden wir ein gro-
unser Leben ist, wie sehr wir ange-                                             ßes Fest feiern und eine diözesane
wiesen sind auf Gottes Segen und die                                            Dankwallfahrt begehen, zu der ich
Kraft von oben. Sicherheiten werden                                             jetzt schon herzlich einlade! Alle De-
uns aus der Hand geschlagen und                                                 tails werden geklärt und bekanntge-
Allmachts-Phantasien zertrümmert.                                               geben, sobald die Zeit dafür gekom-
                                                                                men ist.
   Vielleicht werden tatsächlich dem       Liebe Schwestern und Brüder, in
Land die Sabbate ersetzt, die ihm vom   früheren Zeiten haben Menschen in          Auf die Fürsprache der Gottesmut-
Kult schier grenzenlosen Wachstums      großer Not eine Wallfahrt gelobt als    ter Maria, der Heiligen und Seligen
geraubt worden waren (vgl. 2 Chr        Bußwerk. Selbst dies ist uns jetzt      unseres Bistums sowie aller Heiligen
36,21). Der Sabbat steht dabei nicht    verwehrt. Aber ich lade Sie ein, ein    segne und bewahre Sie und Euch alle
nur für eine Unterbrechung des pro-     Gebetsanliegen, eine Bitte oder einen   vor aller Krankheit der dreifaltige
fanen Geschäftsbetriebs, sondern zu     Dank, an den Verein der Regensbur-      Gott, der + Vater und der + Sohn und
allererst für eine bewusste Hinord-     ger Fußwallfahrt nach Altötting zu      der + Heilige Geist.
nung auf Gott. Aber diesen Fragen       senden.
werden wir uns verstärkt zuwenden                                                       Regensburg am Hochfest der
müssen, wenn wir das Tal der Tränen        Wir wollen den Anliegenrucksack                 Verkündigung des Herrn,
durchschritten haben.                   füllen und unser Gebet auch dieses                          25. März 2020

       Wallfahrten sind ein Zeichen des Vertrauens auf Gottes Hilfe oder des Dankes für erhaltene Hilfe.

DER FELS 5/2020                                                                                                  133
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Rektor Georg Alois Oblinger:

                                         O Maria, hilf!
                                 „Ein Kind Mariens geht nie verloren“

J
     edes Jahr wähle ich für die Ge-     Vertuschungsstrategien konstatieren.       Ohne Glauben müsste man ver-
     betsstätte Marienfried ein Jah-     Die Austrittszahlen steigen; gleich-    zweifeln. Doch genau das haben
     resmotto. Das diesjährige Motto     zeitig nehmen Wellness, Esoterik        Christen auch in schwierigsten Zei-
lautet „O Maria, hilf!“ Eigentlich       und andere fernöstliche Sinnangebo-     ten der Kirchengeschichte nie ge-
dachte ich bei der Wahl dieses Mot-      te immer mehr zu. Noch dazu wird        tan. Vielmehr haben sie das Gebet
tos an die derzeitige Krise in Politik   die Erosion des Glaubens sichtbar       vermehrt und ihre Hoffnung auf die
und Kirche. Wir erleben, wie derzeit     wenn kirchliche Amtsvertreter Dog-      Hilfe Gottes und seiner himmlischen
politisch Vieles im Umbruch ist, wie     men infrage stellen und ein „syno-      Mutter gestärkt.
auch radikale Parteien auf beiden        daler Weg“ in Deutschland versucht,
Seiten des politischen Spektrums         eine ganz neue Kirche zu schaffen. O       Ein Schock kann aber oftmals auch
immer stärker werden. Wir erleben        Maria, hilf!                            aufrüttelnd und heilend wirken. Als
starke Spannungen zwischen einer                                                 Daniel Böcking, der stellvertretende
liberalen Gesellschaft und einem           Nun wird der Ruf nach Mariens         Chef-Redakteur der BILD-Zeitung,
strenggläubigen mitunter auch ge-        Hilfe um einen zusätzlichen Aspekt      im Jahr 2010 sah, welch großes Elend
waltbereiten Islam.                      erweitert. Uns hat die Corona-Krise     das Erdbeben in Haiti über die Men-
                                         getroffen, die unser gesellschaftli-    schen brachte, begann er über den
   In der Kirche erleben wir einen       ches Leben so stark verwandelt hat,     Glauben und seine persönliche Got-
starken Rückgang an gelebtem Glau-       wie dies bis vor kurzem wohl nie-       tesbeziehung nachzudenken. Schließ­
ben und an Bedeutung in der Gesell-      mand für möglich gehalten hätte. Da-    lich ließ er sich 2015 taufen.
schaft. Als Kirche müssen wir einen      mit ist buchstäblich alles ins Wanken
Glaubwürdigkeitsverlust nicht zuletzt    geraten. Nicht einmal mehr auf unser       Katholiken haben zu allen Zeiten
infolge der Missbrauchsskandale und      Gesundheitssystem ist Verlass.          besonders auf die Hilfe der Jung-
                                                                                 frau und Gottesmutter Maria gebaut.
                                                                                 Wenn schon in der Geburt Johannes
                                                                                 des Täufers aus der betagten, kinder-
                                                                                 losen Elisabeth sichtbar wird, dass
                                                                                 wir auch sehr Unwahrscheinliches
                                                                                 Gott zutrauen dürfen, so zeigt die
                                                                                 Geburt aus der Jungfrau, dass auch
                                                                                 das scheinbar Unmögliche für Gott
                                                                                 möglich ist.

                                                                                    Maria kennt unsere Not. Das wird
                                                                                 in zwei weiteren Punkten ihres Le-
                                                                                 bens sichtbar: Bei der Hochzeit zu
                                                                                 Kana macht sie das erste Wunder Jesu
                                                                                 möglich, indem sie die Not der Men-
                                                                                 schen vor ihren Sohn bringt. Schließ-
                                                                                 lich steht Maria unter dem Kreuz und
                                                                                 leidet mit. Gerade die Schmerzens-
                                                                                 mutter mit dem toten Sohn in ihren
                                                                                 Armen ist eine besonders beliebte
                                                                                 Darstellung betender Menschen, die
                                                                                 sich in ihrem Leid verstanden fühlen
                                                                                 von der Mutter, die um ihren toten
                                                                                 Sohn trauert. Ihr haben die Menschen
                                                                                 aller Zeiten so viele Sorgen im Gebet
Maria sagte zu Jesus auf der Hochzeit zu Kana: „Sie haben keinen Wein mehr“      anvertraut und unzählige Kerzen an-
und griff damit die Not des Hochzeitspaares auf.                                 gezündet.
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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Die Menschen bringen ihre Nöte mit „Maria hilf“ und ihren Dank mit „Maria hat geholfen“
auf Votivtafeln zum Ausdruck.

   „O Maria, hilf!“ Dieser Ruf wird          Wie viele Menschen in persönlich     ihre Stadt unter den Schutz Mariens
litaneiartig ständig wiederholt im        schwieriger Zeit die Gottesmutter       gestellt und die Schlüssel der Stadt
beliebten Lied „Meerstern ich dich        Maria um Hilfe gebeten haben und        vor einem Gnadenbild der Gottes-
grüße“ (GL 524), das sich seit 2013       dann auch die erbetene Hilfe – und      mutter niedergelegt. Der Papst hat
erstmals im Stammteil des Gottes-         manchmal noch weit mehr – erhalten      eine besondere Andacht vor dem
lobs befindet. August von Haxthau-        haben, wird immer wieder deutlich,      Gnadenbild „Maria salus populi
sen (1792-1866), ein entfernter Ver-      wenn man an einem Wallfahrtsort         Romani“ gehalten. Doch auch vie-
wandter der Dichterin Anette von          die gestifteten Votiv-Tafeln betrach-   le Bischöfe haben ihre Diözese der
Droste-Hülshoff, hat diesen Liedtext      tet. Jede einzelne Tafel erzählt eine   Gottesmutter Maria geweiht, so bei-
als deutsche Fassung des „Ave ma-         Geschichte von erfahrener Hilfe.        spielsweise der Passauer Bischof
ris stella“ verfasst in einer Zeit, die   Das Verweilen vor diesen Tafeln an      Stefan Oster oder der designierte Bi-
ebenfalls für die Kirche und für viele    einem Wallfahrtsort ist wirklich eine   schof von Augsburg Bertram Meier.
Menschen sehr schwierig war. Das          gute Möglichkeit, sein Vertrauen auf    Insgesamt haben sich in der Corona-
Römische Reich deutscher Nation           Gottes Hilfe und Mariens Fürsprache     Krise 24 Nationen der Gottesmutter
brach zusammen und es kam die Sä-         zu stärken.                             geweiht. Für diesen tiefen Glaubens-
kularisation. Auch er war der Mei-                                                akt wurde passenderweise das Hoch-
nung: Jetzt kann nur noch die Gottes-       Die intensivste Form, Maria um        fest der Verkündigung des Herrn am
mutter Maria helfen.                      Hilfe zu bitten, ist die Marienweihe,   25. März gewählt.
                                          wie sie der heilige Ludwig Maria           Von Maria kommt Hilfe. Mit ihr ist
   In der Seeschlacht von Lepan-          Grignon de Montfort (1673 – 1716)       auch wie vor 2000 Jahren ein Neuan-
to 1521 sowie bei der Belagerung          gelehrt hat und wie sie auch im Lied    fang möglich. Schon deshalb sollten
Wiens durch die Türken im Jahr            „Wunderschön prächtige“ zum Aus-        wir nicht verzweifeln, selbst wenn
1683 vertraute man im christlichen        druck kommt. „Ein Kind Mariens          jetzt für viele Menschen gesundheit-
Abendland weniger auf militärische        geht nie verloren“ lehrte Grignon       lich, sozial und auch wirtschaftlich
Mittel als auf die Hilfe Mariens vom      de Montfort. Gerade in der Corona-      schwierige Zeiten gekommen sind.
Himmel aus – und wurde nicht ent-         Krise ist diese Tatsache vielen Men-    Beten wir zu Maria, übergeben wir
täuscht! Der Gedenktag Mariä Na-          schen wieder neu bewusst geworden.      uns und unser Land ihren guten Hän-
men erinnert uns jährlich am 12.          Bürgermeister wie zum Beispiel jene     den und lassen wir uns vertrauensvoll
September daran.                          von Venedig und von Siena haben         von ihr führen.                   q
DER FELS 5/2020                                                                                                   135
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Markus Hofmann:

                        Den Schutz der Mutter suchen:
                             Die Weihe an Maria

       Was bedeutet                      und objektive Wirkung gemeint ist,          Jeder Getaufte steht bereits in ei-
       „Weihe“ an Maria?                 die in einer besonderen Beziehung        nem besonderen persönlichen Ver-
                                         dessen, was Maria geweiht worden         hältnis zu Maria, auch wenn ihm
   Der theologische Begriff „Weihe“      ist, zu ihr besteht.                     dies nicht bewusst ist, wie z.B. ei-
meint zunächst allgemein einen Ri-          Diese Beziehung ist tiefer und in-    nem getauften Säugling. Darum ruft
tus, in dem eine Sache oder Person in    tensiver, wenn sich eine Person oder
besonderer Weise für Gott ausgeson-      eine Personengruppe, z.B. eine Or-
dert und in Dienst gestellt wird.        densgemeinschaft oder die Mitglieder
   Marienweihe ist dementsprechend       einer Marianischen Kongregation,
eine besondere Art der Marienver-        durch die Weihe ganz und bleibend
ehrung, in der ein Gegenstand (z.B.      an Maria bindet. Denn damit wird ei-
eine Kirche) oder eine Person der        nerseits eine Hochschätzung Mariens
Gottesmutter (und damit letztlich        und die Anerkennung ihrer besonde-
Gott selbst) hingegeben und übereig-     ren Stellung als Königin und Gna-
net wird.                                denvermittlerin im Heilsplan Gottes
   Der Vollzug geschieht in einem        verbunden, wie auch andererseits die
Weihegebet, in dem neben der Vereh-      Verpflichtung, ihr in ganz besonderer
rung Mariens und der vertrauenden        Weise zu gehören, d.h. sich und sein
Hingabe an sie die Bitte um ihren Se-    Leben ihr zu übereignen. Durch eine
gen und ihren Schutz zum Ausdruck        solche Weihe wird durch eine per-
gebracht wird. In unserem Zusam-         sönliche Entscheidung ein zweisei-
menhang meinen wir nicht die Weihe       tiges, personales Verhältnis gestiftet
von Gegenständen an Maria, sondern       und eine Art Bund eingegangen.
die Weihe von Personen.
   Dabei können wir unterscheiden,          In diesem Zusammenhang taucht
ob sich jemanden selbst aktiv Ma-        häufig der Einwand auf, ob eine sol-
ria weiht oder ob eine bzw. mehrere      che Ganzhingabe nicht ausschließ-
andere Personen passiv durch einen       lich Gott gebührt und Maria, die ein
Dritten Maria geweiht werden. Wie        Geschöpf Gottes ist und bleibt, nicht
die eingangs zitierten Beispiele von     der falsche Adressat sei.                  Papst Franziskus
Benedikt XVI. und Johannes Paul II.         Diese Frage ist nicht unberechtigt.     am 13. Oktober 2013
zeigen, sind beide Formen auch in ei-    Sie klärt sich, wenn deutlich wird,             Selige Jungfrau Maria von
nem einzigen Vollzug möglich.            dass die Weihe an Maria nicht bei               Fatima, stets dankbar für
   Dennoch ist es sinnvoll, sie in ih-   ihr stehenbleibt, sondern letztlich        deine mütterliche Gegenwart,
rem Wesen und ihren Wirkungen zu         auf Gott selbst ausgerichtet ist. Nur      vereinen sich unsere Stimmen
unterscheiden:                           er, der Schöpfer und Erhalter des na-      mit denen aller Generationen,
                                         türlichen Lebens wie des übernatür-        die dich selig preisen ...“
   Die persönliche Weihe                 lichen Gnadenlebens kann Ziel einer
   an Maria                              solchen Ganzhingabe sein.
                                            Weil Gott Maria aber einen einzig-    das II. Vatikanische Konzil in Erin-
   Wenn ich mich selbst Maria wei-       artigen Platz in seinen Heilsplänen      nerung, dass die Verehrung Mariens
he, dann ist dies zunächst sicher eine   gegeben hat und weil sie als Mutter      als Mutter Christi und Mutter der
besonders intensive Bitte um ihren       Christi sowie als Mutter der Christen    Christgläubigen in der Ordnung der
Schutz und Beistand.                     bei der objektiven Erlösung der Welt     Gnade zu den notwendigen Lebens-
   Schon die Weihen von Kirchenge-       wie auch beim Empfang des neuen          äußerungen der Kirche und zu den
bäuden an die Gottesmutter, die mit      Lebens aus der Taufe bei jedem ein-      Pflichten jedes erlösten Menschen
dem Konzil von Ephesus (431) nach-       zelnen Christen aktiv mitgewirkt hat,    gehört.
weisbar werden, zeigen, dass über        darum hat sie einen gottgewollten           In der Weihe an Maria wird die-
die aktuelle Bitte um Mariens Schutz     Anteil an der Vermittlung des Gna-       se ihre besondere Stellung in der
hinaus mit der Weihe eine bleibende      denlebens.                               Heilsordnung von Seiten des sich

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Weihenden ausdrücklich anerkannt         dung an Maria tiefer mit Jesus Chris-   zeitweise oder dauerhaft in ihrem
und in Anspruch genommen.                tus verbunden bin, wenn ich zugleich    Namen handeln kann.
    Maria empfängt dabei nicht um        – gerade durch meine engere Weih-          Das ist etwa bei Eltern der Fall, die
ihrer selbst willen die Weihehingabe     bindung an sie – ihre mütterliche       für ihr Kind wichtige Entscheidun-
eines Menschen, sondern insofern         Sorge verspüre, dass auch diejenigen    gen treffen und z.T. treffen müssen,
sie Christusträgerin und Christus-       zu Christus als ihrem Heiland finden,   ohne es nach seinem eigenen Willen
vermittlerin ist. Durch die Weihe an     die ihm noch fern sind.                 fragen zu können.
sie soll die Verbundenheit mit Jesus        Ich kann dabei die freie Entschei-      So treffen die Eltern bei der Säug-
Christus vertieft werden, im Sinne       dung des anderen nicht überspringen     lingstaufe die unwiderrufliche Ent-
des bekannten Weges: „Durch Maria        oder schlechthin ersetzen. Insofern     scheidung, dass ihr Kind eine für die
zu Jesus“. Besonders der hl. Ludwig      eine Selbstverpflichtung mit der Wei-   Ewigkeit bleibende, tiefe seelische
Maria Grignion von Montfort hat he-      he verbunden ist, kann ich sie nur in   Prägung erfährt und für immer zu
rausgestellt, dass die Weihe an Maria    begrenzter Weise stellvertretend für    dem Kreis derer gehören wird, die
zu einer größeren Christusnähe und       andere Personen vornehmen. Dies         aus dem Wasser und dem Hl. Geist
–verähnlichung führen soll. Er drückt    ist vor allem dann möglich, wenn        einmal das neue Leben der Gnade
dies z.B. in dem Satz aus: „Je mehr      derjenige, der eine solche Weihe für    empfangen haben.
[...] eine Seele Maria geweiht ist, um   Dritte vornimmt, eine besondere Ver-       Weder durch einen Kirchenaustritt
so mehr gehört sie Jesus Christus.“      antwortung für diese Dritten hat und    oder eine andere schwere Sünde noch
    Dabei richtet sich die Weihe schon
durchaus an die Person Mariens –
sonst würde keine personale Bezie-
hung zu ihr gestiftet –, aber an sie
als eine Person, zu der wesentlich die
Verbindung mit Christus gehört. Weil
Maria zugleich Urbild und Mutter
der Kirche ist, bedeutet Marienwei-
he auch immer eine tiefere Bindung
an die Kirche und die Verpflichtung,
Maria in der Kirche tiefer zu lieben.
    Insofern Marias mütterliche Sor-
ge sich aber nicht nur auf bestimm-
te einzelne Menschen, sondern auf
alle Christen, ja auf alle Menschen
bezieht, gewinnt derjenige, der sich
Maria bewusst weiht, Anteil an ihrer
Sorge um das Heil der anderen. Dar-
aus ergibt sich dann die Bereitschaft
und Verpflichtung, nicht nur für das
eigene Heil, sondern sich auch für
die Rettung der anderen Menschen
durch Gebet, Opfer und ggf. weitere
Formen des Apostolates einzusetzen.
Damit kommt der Gedanke der Stell-        Benedikt XVI.                            Johannes Paul II.
vertretung in den Blickpunkt.             am 12. Mai 2010                          am 12. Mai 1982 in Fatima
                                               „Maria, unsere Herrin und                „Totus Tuus – Dir, o Mutter,
   Die stellvertretende Weihe                  Mutter aller Männer und                  ganz zu eigen! Ich bitte Dich,
   anderer Personen an Maria              Frauen, hier bin ich, ein Sohn,          bring mich selbst und alle diese
                                          der seine Mutter besucht in Be-          Brüder und Schwestern dem Va-
   Weil Maria als Mutter Christi, des     gleitung einer Schar von Brüdern         ter des Erbarmens als eine Gabe
Erlösers, als Mutter der Kirche, als      und Schwestern. Als Nachfolger           der Dankbarkeit dar und bede-
Königin der Heiligen und als Gna-         Petri, dem die Sendung anver-            cke Du unsere Armut mit Deinem
denvermittlerin nicht nur ein persön-     traut wurde, in der Kirche Christi       und Deines göttlichen Sohnes
liches Verhältnis zu jedem einzelnen      den Vorsitz in der Liebe zu füh-         Verdienst ...“
Erlösten hat, sondern zugleich auch       ren und alle im Glauben und in
Mutter bzw. Herz des ganzen mys-          der Hoffnung zu stärken, will ich
tischen Leibes Christi, der Kirche        zu deinem Unbefleckten Herzen
ist, kann die persönliche Bindung an      die Freuden und Hoffnungen, die        durch irgendeinen anderen Akt sonst
Maria nicht von dem Ziel getrennt         Schwierigkeiten und Leiden eines       ist dies rückgängig und unwirksam
werden, dass auch die anderen Men-        jeden dieser deiner Kinder brin-       zu machen.
schen das Heil finden.                    gen, die hier in der Cova da Iria         Indem die Eltern stellvertretend
   Anschaulicher ausgedrückt: ich         zugegen sind oder uns aus der          für das Kind entscheiden, dass es
kann mich nicht damit zufrieden ge-       Ferne begleiten ...“                   getauft wird und gemeinsam mit den
ben, dass ich selbst durch meine Bin-                                            Paten an der Stelle des Täuflings das

DER FELS 5/2020                                                                                                    137
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Taufversprechen ablegen, entmündi-      Christus gerichtetes Gebet bekannt,      von Sündern und Ungläubigen tre-
gen sie den ihrer Sorge anvertrauten    das offenbar von einem Priester zu       ten die Momente der Aussonderung
Menschen aber nicht, sondern lassen     sprechen war: „Wir bitten dich, siehe    und Selbstverpflichtung deutlich zu-
ihn die nach der Geburt wichtigste      auf die Unschuld des dir dargebrach-     gunsten einer inständigen Bitte um
und wertvollste Gabe empfangen,         ten Kindes und die Frömmigkeit sei-      die Hilfe Mariens bei der Bekehrung
die es in diesem Zustand erhalten       ner Eltern. Gütig segne es durch mei-    der Genannten zurück. Solche „Wei-
kann: den Beginn des ewigen Le-         nen Dienst zur Ehre Mariens, der es      hen“, die ihrer Natur nach in erster
bens. Sie tragen so gerade dazu bei,    mit ganzer Hingabe geweiht wird.“        Linie Ausdruck intensiver Bitten
dass dieses Geschöpf durch die Be-                                               sind, können dementsprechend auch
freiung von der Erbschuld und die          Der von Johannes Paul II. im          häufiger wiederholt werden.
Hilfe der Gnade jene Freiheit der       Jahr 2001 zum Kardinal erhobene             Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Kinder Gottes erlangen kann, die        Theologe Leo Scheffcyzk, ist davon       diejenigen, die eine solche stellver-
von der Sklaverei und Knechtschaft      überzeugt, dass auch eine solche         tretende Weihe vornehmen, dies red-
der Sünde, vom Ausgeliefertsein an      stellvertretende Übergabe nicht ohne     licher Weise nur dann tun sollten,
die Kräfte der gefallenen Natur ent-    objektive Wirkung bleiben kann, ent-     wenn sie bereit sind, die ausgespro-
bindet.                                 sprechend der aufrichtigen und gu-       chene Hingabe an Christus durch
   Da der Empfang und die Bewah-        ten Tat derjenigen, die hier handeln,    Maria vor allem in ihrem eigenen
rung der Taufgnade der sichere Weg      besonders wenn dies durch einen          Leben anzustreben und durch Gebet,
zum Heil ist, sind katholische Eltern   Amtsträger und Vertreter der Kirche      Opfer und ggf. auch weitere Schrit-
nach dem Kirchenrecht sogar ver-        geschieht.                               te das Ihrige dazu beizutragen, dass

 Abschluss der Lichterprozession mit Marienweihe und Schlusssegen an der Stadtpfarrkirche St. Blasius in Fulda

pflichtet, ihr Kind möglichst bald         Das gilt in ähnlicher Weise auch      die von ihnen Geweihten zum Glau-
nach der Geburt taufen zu lassen.       von anderen kollektiven Weihen, die      ben und zu einer entsprechenden Le-
Indem sie dieser Liebespflicht nach-    im Namen der Kirche vollzogen wer-       benspraxis finden.
kommen, sorgen sie in verantwortli-     den, wie z.B. die erwähnten Weltwei-        Scheffczyk erklärt: „Der Vollzug
cher Weise für den ihnen anvertrau-     hen an das Unbefleckte Herz Mariens      einer solchen ‚Weltweihe’ setzt bei
ten Menschen.                           durch Papst Pius XII. und Johannes       denen, die sie vollziehen, einen le-
   Wenn die Weihe an Jesus durch        Paul II. bzw. die Weihe der Priester     bendigen Christus- und Marienglau-
Maria nach Grignion ein leichter,       durch Papst Benedikt XVI.                ben voraus, aber auch die Gesinnung
kurzer, vollkommener und siche-            Insofern sie aus jeweils bestimmten   eines tätigen Apostolats. Wo diese
rer Weg zu Christus und damit zum       geschichtlichen Situationen heraus er-   vorhanden sind (und in bezug auf die
ewigen Leben darstellt, dann ist es     folgt und durch entsprechende Formu-     ganze Kirche darf daran kein Zwei-
naheliegend, dass Eltern gerade ihre    lierungen im Weihegebet auch daran       fel sein), behalten solche Weihungen
Kinder gerne der Gottesmutter wei-      gebunden sind, können sie nicht ein-     auch heute noch ihren Sinn, selbst
hen und anempfehlen.                    fach zu jeder Zeit eingesetzt und un-    wenn sie als unmittelbares und sicht-
   Aus dem Rituale von Cambrai          terschiedslos wiederholt werden. Bei     bares Ergebnis [...] weniger erbrin-
vom Jahr 1600 ist z.B. folgendes an     einer Marienweihe als Empfehlung         gen sollten.“

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Für beide Formen der Marienwei-          Es sollen beispielhaft nur zwei       wesenhafte Gegenwart Jesus Christi
he, die aktive und die passive, hält     solcher Herausforderungen genannt        in der hl. Eucharistie auf. Wer fest
derselbe Theologe fest: „Eine innere     werden:                                  davon überzeugt ist, dass es wirk-
Strahlkraft solcher Geschehnisse auf                                              lich der menschgewordene Gottes-
die Kirche kann nicht ausbleiben.           Die mangelnde Weitergabe              sohn mit Leib und Seele, mit Gott-
Kraft des Stellvertretungsgedankens         des Glaubens an die                   heit und Menschheit ist, der in der
kann der M[arien]weihe aber auch            nächsten Generationen                 hl. Hostie empfangen wird, der wird
eine Wirkung selbst auf die vielen                                                die Notwendigkeit einer angemes-
Einzelnen nicht abgesprochen wer-           Wer die Sorge zahlreicher Eltern      senen Vorbereitung auf diese Be-
den, welche um diesen Glauben nicht      und Großeltern über die religiöse        gegnung leichter einsehen. Wer da-
wissen. Ihnen gegenüber wird M[aria]     Entfremdung ihrer Kinder und El-         gegen meint, in der Eucharistiefeier
durch die M[arien]weihe in ihrer Stel-   tern kennt und durch die statistischen   letztlich „nur“ gesegnetes Brot zu
lung als ‚Mutter der Menschen’ (LG       Erhebungen weiß, wie schwer es in        erhalten, der wird kaum verstehen,
54) bestätigt und bekräftigt.“           einem massiv säkularisierten Umfeld      warum nicht jeder im Gottesdienst
   So ist es auch folgerichtig, dass     ist, den Zugang zu einem lebendigen      Anwesende an diesem Zeichen der
die Väter des II. Vatikanischen Kon-     Christusglauben zu ermöglichen, der      Gemeinschaft ohne weitere Voraus-
zils im Dekret über das Apostolat        erkennt darin eine gewaltige Heraus-     setzung teilhaben können soll.
der gläubigen Laien, „Apostolicam        forderung an die Kirche unserer Zeit,       Die äußeren Zeichen der Ehrfurcht
Actuositatem“, Maria als Vorbild an-     nicht zuletzt in Deutschland und ganz    wie Stille im Gotteshaus, Kniebeu-
führen und in Nr. 4 festhalten: „Alle    Europa. Die jüngst, am 21.09.2010        ge vor dem Tabernakel und vieles
sollen sie innig verehren und ihr Le-    erfolgte Einrichtung eines eigenen       mehr in diesem Bereich werden in
ben und ihr Apostolat ihrer mütterli-    Päpstlichen Rates zur Neuevangeli-       der Praxis immer weniger selbstver-
chen Sorge empfehlen.“ Der hier im       sierung ehemals christlicher Völker,     ständlich und sind damit ein Indiz
lateinischen Originaltext verwendete     belegt dies ebenfalls.                   für das Schwinden auch der inneren
Ausdruck „vitam atque apostolatum           In Deutschland gehören zurzeit        Ehrfurcht.
eius maternae curae commendent“          nur noch rund 30% der Bevölkerung           Umfragen belegen, dass der für
kommt der Sache nach einer Emp-          der Katholischen Kirche an, weitere      die Integrität des Credos wesent-
fehlung des Konzils zur Marienwei-       30% sind protestantisch. Die Zahl        liche Glaube an die jungfräuliche
he sehr nahe.                            der sonntäglichen Messbesucher ist       Empfängnis und Geburt Jesu aus
                                         in den Jahren 1990 bis 2009 von 21,9     Maria, seine leibliche Auferstehung
      Aktuelle Herausforderungen         auf 13 % dramatisch zurückgegan-         aus dem Grab und die Erwartung ei-
      im Leben der Kirche                gen, Tendenz weiter fallend. Dass        nes persönlichen Gerichts nach dem
                                         dies keineswegs normal ist oder so       Tod mit der Scheidung in Seligkeit,
   Wenn die Päpste angesichts aktu-      sein muss, zeigt z.B. die Situation in   Reinigungsort und Verdammnis auch
eller geschichtlicher Herausforderun-    Indien oder vielen Ländern Afrikas,      unter katholischen Kirchensteuer-
gen bis in die jüngste Zeit hinein die   wo nahezu 100% der katholischen          zahlern keineswegs mehr allgemein
Weihe an Maria als eine angemessene      Christen am Sonntag die hl. Messe        akzeptiert ist. Auseinandersetzun-
und wirksame Antwort gewählt ha-         besuchen, sofern ihnen dies physisch     gen wie solche um das sogenannte
ben, dann besteht für uns als Glieder    möglich ist.                             „Theologen-Memorandum“ belegen,
der Kirche die moralische Pflicht, die      Im vergangenen Jahr ist die Zahl      dass die Polarisierungstendenzen in-
damit einhergehende Bindung mit          der Kirchenaustritte in Deutschland      nerhalb der Katholiken in Deutsch-
zu übernehmen. Das bedeutet, dass        sprunghaft gestiegen, z.T. um mehr       land weiter zunehmen.
insbesondere die Priester aufgerufen     als 40%.
sind, die im Jahr 2010 vom Heiligen                                                  Nur diese zwei Beobachtungen
Vater in Anwesenheit zahlreicher Bi-        Die mangelnde Einheit                 dürften bereits ausreichen, um von
schöfe und Priester in Rom stellver-        im Glauben                            einer wirklich ernsten, wenn nicht
tretend vollzogene Weihe innerlich                                                schon dramatischen Situation der
und wenn möglich auch äußerlich             Es gibt deutliche Anzeichen dafür,    Kirche hierzulande sprechen zu kön-
nachzuvollziehen. So hat z.B. der        dass viele Personen, die hierzulande     nen.
Erzbischof von Köln den Text des         formal Mitglied der Katholischen            Das Vorbild der Päpste regt dazu
Weihegebetes von Papst Benedikt als      Kirche sind, wesentliche Elemente        an, unter den Antwortmöglichkeiten
kleines Andachtsbild herausgegeben       des Glaubens nicht akzeptieren.          auf diese Herausforderungen auch
und bei Begegnungen mit Seminaris-          Angesichts der großen Zahl der-       die Weihe an Maria zu bedenken.
ten und Priestern seiner Diözese ge-     jenigen, die mehr oder weniger           Da Erwartungen an andere leicht zu
meinsam mit ihnen gesprochen.            regelmäßig sonntags die hl. Kom-         erheben sind, aber wenig Glaubwür-
   Darüber hinaus stellt sich für uns    munion empfangen und der gleich-         digkeit besitzen, wenn der Hand-
alle die Frage, ob heute nicht auch      zeitig im Vergleich dazu äußerst         lungsspielraum im eigenen Verant-
besondere Herausforderungen auf          geringen Zahl derjenigen, die das        wortungsbereich nicht genutzt wird,
den Ebenen bestehen, die unserem         Bußsakrament aufsuchen, drängen          sollen im nächsten Abschnitt einige
Handlungsspielraum anvertraut sind       sich Zweifel an der rechten inneren      Anregungen für die Belebung der
und die es nahe legen, die Möglich-      Haltung und damit letztlich auch         Marienweihe im Leben der Familie,
keiten der Marienweihe aufzugrei-        am Glauben vieler Gottesdienstbe-        der Pfarreien und ähnlicher Gemein-
fen.                                     sucher an die wahre, wirkliche und       schaften aufgeführt werden.     q

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Diakon Raymund Fobes:

             Wir brauchen einen Perspektivwechsel
                                Nachdenkliches in der Corona-Krise

W      ährend ich diese Zeilen schrei-
       be, Ende März 2020, scheint
die Welt stillzustehen. Das neuartige
                                         den Rundfunk oder das Internet ist
                                         eine gewiss nur sehr rudimentäre
                                         Teilnahme am Gottesdienst möglich.
                                                                                  netwillen verliert, der wird es retten.“
                                                                                  Sehr anschaulich war mir dieses Je-
                                                                                  suswort, als ich Artikel über Priester
Corona-Virus hat dazu geführt, dass                                               in Italien las, die die am Coronavirus
viele Maßnahmen ergriffen wurden,           Dennoch ist es für viele Menschen     Erkrankten seelsorglich betreuten und
die das Leben lahmlegten. Die Ge-        gerade jetzt wichtig, zu erfahren,       betreuen. Einer von den Priestern, die
fahr, sich anzustecken, ist groß – und   dass Gott sie nicht allein lässt mit     sich um die Kranken kümmern, ist der
für einige kann die Krankheit lebens-    ihren Nöten und Sorgen. Dabei bein-      84jährige Kapuzinerpater Aquilino
bedrohlich werden. Dazu kommen           haltet aber die Zusage Gottes, dass er   Apassiti, der in der vom Virus beson-
noch finanzielle und wirtschaftliche     für uns da ist, noch ein Zweites: Gott   ders heimgesuchten Stadt Bergamo
Sorgen, gerade auch derer, die oh-       ruft zu einem Perspektivenwechsel,       in Norditalien als Spitalseelsorger

                                                                                  Perspektivenwechsel in der
                                                                                  Corona-Zeit: sich auf das We-
                                                                                  sentliche besinnen, auf Gott
                                                                                  vertrauen und sich an ihm aus-
                                                                                  richten.
                                                                                  Hieronymus Bosch: Die sieben
                                                                                  Todsünden und die vier letzten
                                                                                  Dinge

                                                                                        Der heilige Damian de Veuster,
                                                                                        ein Priester und Ordensmann,
                                                                                        der die Leprakranken pflegte,
                                                                                        sich ansteckte und starb (Der
                                                                                        heilige Damian und ein Aussät-
                                                                                        ziger. Iglesia de los Sagrados
                                                                                        Corazónes. Sevilla, Andalusien,
                                                                                        Spanien

nehin nicht viel verdienen. Aufgrund     zur Umkehr, auf, der dem Menschen        tätig ist. Es schmerzt ihn sehr, dass
von Ausgangsbeschränkungen und           immer aufgetragen ist, dessen Be-        niemand kommen darf, die Kranken
Kontaktsperren kann man sich aber        deutung ihm aber gerade jetzt sehr       und Sterbenden zu besuchen. Auch
auch nicht mit anderen persönlich        deutlich und auch schmerzhaft vor        er darf nicht lange an einem Kran-
austauschen und seine Sorgen teilen      Augen geführt wird.                      kenbett bleiben, aber er geht hin zu
und mitteilen. Und – was für den                                                  den Kranken. Und auf die Frage, ob
praktizierenden Christen sehr be-           Diesen Perspektivenwechsel ent-       er Angst vor dem Virus habe, sagt er:
klemmend ist – man hat auch nicht        decke ich in dem Wort Jesu, das uns      „Ich bin 84 Jahre alt, wieso soll ich
die Möglichkeit, Gott in der gemein-     in Lk 9,24 überliefert ist: „Denn wer    mich sorgen?“ Mehr als 50 Priester
samen Feier der heiligen Messe zu        sein Leben retten will, wird es ver-     waren Ende März in Italien bereits an
begegnen, allein über das Fernsehen,     lieren; wer aber sein Leben um mei-      der Virusinfektion verstorben – viele,

140                                                                                                 DER FELS 5/2020
weil sie bei den Kranken blieben und       die Infizierten kümmerten und dann          tum zu scheffeln, denn davon nehmen
sich ansteckten.                           selbst infiziert wurden und ebenfalls       wir am Ende nichts mit. Viel wichtiger
                                           starben. Nur am Rande sei auf etwas         scheint es, Gottes Willen zu erkennen
   Die Bereitschaft, das eigene Leben      nicht Unwichtiges hingewiesen, das          und sich nach ihm auszurichten – kon-
zu gefährden, um anderen Gutes zu          jetzt deutlicher zutage tritt: Priester     kret: Liebe zu lernen. Und zudem hat
tun und damit in der Nachfolge Christi     und auch Ordensleute werden als un-         uns die Krise schon jetzt gezeigt, dass
zu stehen, das bedeutet ganz konkret,      verheiratet Lebende leichter diesen         der Mensch die Welt doch nicht in der
Leben dadurch zu retten, dass man es       Weg für den anderen gehen können,           Hand hat, sondern ein Größerer und
in Kauf nimmt, es zu verlieren. Jesu       als Verheiratete oder Eltern, die sich      Mächtigerer wohl alles lenkt. Nach
Wort scheint radikal, aber im Grunde       doch eher zurücknehmen müssen, aus          unserem Glauben meint dieser Grö-
ist es doch auch eine Mahnung, dass        ihrer Verantwortung für den Partner         ßere und Mächtige es jedoch absolut
man das Sterben nicht einfach aus-         oder die Kinder. Wer zölibatär lebt,        gut mit uns; aber wir sollten uns von
klammern darf. Leben ist immer auch        der kann sich ungeteilt um Notlei-          ihm leiten lassen. Deshalb scheint es
Geschenk: der Herr hat es gegeben,         dende kümmern und auch das Leben            mir besonders wichtig und wertvoll,
er wird es wieder nehmen, aber nicht,      riskieren, auch im Bewusstsein, dass        gerade jetzt die Beziehung zu ihm
um uns in ein schwarzes Loch zu stür-      Christus, auf den er setzt, bei ihm ist.    zu erneuern und aufzubauen, um das
zen, sondern um uns in die Ewigkeit                                                    wahre Leben zu gewinnen. Und da
zu führen, eine Ewigkeit, in der wir          Letztlich fordert die derzeitige Si-     mag es eine Chance sein, wenn die
in seiner Gemeinschaft leben werden.       tuation uns alle aber auch heraus, sich     großen kirchlichen Familienfeste – die
Tatsächlich hat Todesangst oft auch        auf das Wesentliche zu konzentrieren –      für viele Familien aber kaum kirchli-
damit zu tun, dass der Glaube an das       mehr in die Tiefe als in die Weite zu ge-   che Feste sind – „Erstkommunion“
Ewige Leben verloren gegangen ist.         hen. Hier hat der Satz Jesu vom Retten      und „Firmung“ – erst einmal abgesagt
Viele der Priester bewiesen jetzt in       und Verlieren des Lebens eine andere        sind und später möglicherweise nur
Italien diesen Mut, anderen im Namen       Bedeutung: Wenn man einen alten Le-         im kleinen Rahmen gefeiert werden

                                                                                          Aus einem Gebet
                                                                                          in der Coronakrise:

                                                                                          Lass uns nie vergessen,
                                                                                          dass das Leben ein
                                                                                          Geschenk ist,
                                                                                          dass wir irgendwann sterben
                                                                                          werden und nicht alles
                                                                                          kontrollieren können,
                                                                                          dass du allein ewig bist,
                                                                                          dass im Leben so Vieles
                                                                                          unwichtig ist,
                                                                                          was oft so laut daherkommt.
                                                                                          Mach uns dankbar für
                                                                                          so Vieles,
                                                                                          was wir ohne Krisenzeiten
                                                                                          so schnell übersehen.

                                                                                          WIR VERTRAUEN DIR –
                                                                                          DANKE.

                                                                                          Gebetshaus Augsburg

Christi zu helfen und dabei das eige-      bensstil aufgibt, kann man einen neu-       können. Vielleicht bietet es dem einen
ne Leben zu riskieren. Damit stehen        en, besseren gewinnen. Und da hat die       oder anderen dann die Möglichkeit zu
sie auch in einer Reihe mit anderen        Kontaktreduzierung sogar ihr Gutes.         erkennen, dass es hier nicht um große
Priestern und gläubigen Christen aller     Wenn Spaßveranstaltungen ausfallen,         Geschenke oder das Treffen der Ver-
Zeiten, denen der Dienst am Nächs-         so kann ich tiefer in mich gehen und        wandtschaft geht, sondern um nichts
ten so wichtig ist, dass sie bereit sind   entdecken, dass es im Leben um mehr         weniger, als dass Gott mit dem Men-
das Leben zu riskieren und es notfalls     geht. Um einen tieferen Sinn, der mir       schen eine Beziehung aufbauen will,
zu verlieren. Man darf dabei auch an       durch Spaß und allzu seichte Gesellig-      die lebenslang zu pflegen ist. Wer also
Ärzte und Pflegepersonal erinnern, die     keit verloren gehen kann. Und dieser        bereit ist seinen alten Lebensstil zu
sich jetzt in der Krise trotz Mangels      tiefere Sinn kann auch nicht darin lie-     verlieren, der wird wirkliches Leben
an notwendiger Schutzkleidung um           gen, immer mehr an Besitz und Reich-        gewinnen.                           q

DER FELS 5/2020                                                                                                          141
Alfons Zimmer:

                       „Überlasst ihm eure Furcht!“
                Aus einer fiktiven Predigt des hl. Bonifatius an die Hessen

                                                           K
                                                                   napp 180 km lang ist die Bonifatius-Route. Der
                                                                   Pilger- oder Wanderweg folgt den Spuren des gro-
                                                                   ßen Trauerzuges, der im Jahre 754 den Leichnam
                                                           des in Friesland ermordeten Missionsbischofs Bonifatius
                                                           von Mainz zu der von ihm ausgesuchten Ruhestätte im
                                                           Fuldaer Dom begleitete.

                                                              Die Bochumer Katholikin Renate Gottschewski und
                                                           der Protestant Jürgen Faitz aus dem mittelhessischen
                                                           Grebenhain sind den Weg durch den Rheingau, die Wet-
                                                           terau, den Vogelbergkreis ins Fuldische hinein in sechs
                                                           Tagen gelaufen. In der Allerheiligenwoche 2019 erzählen
                                                           sie vor großer Zuhörerzahl in der Justizvollzugsanstalt
                                                           Bochum von dieser Route, von ihren wunden Füßen, von
                                                           der Praxis des christlichen Pilgerns im Allgemeinen und
                                                           vom Leben des Benediktiners, Missionars und Kirchen-
                                                           reformers Winfried Bonifatius, dem Apostel der Deut-
                                                           schen. Im Bistum Fulda ist sein Namenstag am 5. Juni
                                                           Hochfest.

                                                              Alle Zuhörer erhalten an dem Abend eine zwar fiktive,
                                                           doch historisch sehr wohl begründete Predigt des Heili-
                                                           gen, die er so ähnlich vor dem Volksstamm der Chatten,
                                                           der Hessen, gehalten haben könnte. Zusammengestellt
                                                           hat sie der evangelische Pfarrer und Schriftsteller Dr. Fa-
                                                           bian Vogt, Jahrgang 1967, aus Oberursel bei Frankfurt.
                                                           All das, was Vogt in modernes Deutsch überträgt, ist an
                                                           verschiedenen Stellen in Briefen des Bonifatius und an-
                                                           derer iro-schottischer Mönche überliefert. Einige Formu-
                                                           lierungen finden sich wörtlich in den alten Quellen, ande-
                                                           re sind frei gestaltet.

                                                              In der Regel gehen die Missionare in drei Schritten
                                                           vor: 1. wird die Nutzlosigkeit der Götzen und die Überle-
                                                           genheit des christlichen Gottes gezeigt, 2. wird die Nütz-
                                                           lichkeit des neuen Glaubens verdeutlicht und 3. werden
                                                           Einladungen zur Lebenswende und zur Taufe ausgespro-
                                                           chen. Pfarrer Dr. Vogt und die Evangelische Verlagsan-
                                                           stalt Leipzig erlauben den Abdruck dieser Predigt des
Am linken Seitenaltar der Bonifatiuskirche in Wiesbaden    Bonifatius aus dem Buch „Kirchengeschichte(n) für Neu-
befindet sich das Ölbild des Düsseldorfer Historienma-     gierige“, Kapitel „Eine Heidenarbeit. Die Geheimnisse
lers Alfred Rethel, gemalt 1840. Es zeigt Bonifatius als   der Germanenmission“ (Leipzig 2013, S. 87ff.):
Bischof mit Stab und Mitra auf dem Stumpf der Dona-
reiche. In der Hand hält er ein Evangelienbuch, mit dem      „Ihr Hessen! Hört mich an! Ihr betet in den Hainen und
er der Überlieferung nach versuchte, die Schwertschläge    an den Quellen um den Schutz eurer Götzen. Ihr zieht
räuberischer Friesen abzuzwehren.                          breite Furchen um eure Dörfer, um die garstigen Unhol-

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de fernzuhalten, vor denen ihr euch fürchtet. Ihr schnitzt        Ihr Hessen! Ihr müsst keine Angst mehr haben. Ja, der
euch Hände und Füße aus Holz und lasst laute Hörner er-        Gott, der die Welt erschaffen hat, hat uns seinen Sohn ge-
tönen, um das Böse abzuwehren: Ihr tragt viele Amulette,       schickt, damit wir Menschen getröstet werden und erfah-
um euch beschützt zu fühlen. Ja, ihr deutet die Zukunft        ren, dass Gott uns liebt. Kann es etwas Schöneres geben,
aus toten Pferden und aus Stäben mit eingeritzten Runen,       als diesem wunderbaren Gott sein Leben zu schenken. Be-
die ihr Buch-Staben nennt. Und ihr versucht sogar, mit         tet ihn an. Überlasst ihm eure Furcht. Und werdet frei.“q
verschiedenen Zaubertränken das Wetter zu verändern.
Aber hilft das wirklich?

  O nein! Und warum nicht? Weil all diese Handlungen
Zeichen von Angst sind. Einer Angst, die bleibt. Ihr habt
schreckliche Angst, und ihr hofft, dass euch diese magi-
schen Handlungen irgendwie schützen. Doch das funkti-
oniert nicht. Selbst wenn ihr einmal das Gefühl habt, je-
mand würde euer Flehen hören. Euch begleitet die Furcht
weiterhin, ein Leben lang. Von morgens bis abends.

   Das muss nicht sein! Aber zuerst sagt mir: Ist euch nie
aufgefallen, dass alle eure Götzen Eltern haben? Und was
heißt das? Nun: sie sind nicht der Anfang. Sie sind nicht
der Ursprung. Sie sind selbst erschaffen worden. Es muss
also eine viel größere Macht geben. Habt ihr euch wirk-
lich nie gefragt, wer das alles erschaffen hat, die Welt,
eure Götzen, euch selbst und alles, was um euch ist? So
hört! Ich komme, um euch von Gott zu erzählen, der nicht
nur der Schöpfer aller Dinge ist, sondern auch derjenige,
der alles besiegen kann, was euch Angst macht. Er ist der      Bonifatiusfigur am alten Turm der Bonifatiuskirche in
Gott, der größer ist als alle Furcht. Dieser Gott, von dem     Herne, Bistum Paderborn
ich erzähle, war am Anfang, und er ist stärker als alle Göt-
zen. Er kann eure Angst überwinden. Dieser Gott ist der
Gott der Christen. Der wahre Gott.                             Großplakette am Eingang der neuen Bonifatiuskirche:
                                                               „Wir aber predigen Christus als Gekreuzigten.“
  Ihr Hessen! Wollt ihr Beweise? Nun, dann seht doch,
welches Ansehen die Christen genießen. Überall in der
Welt. Ihre Felder sind fruchtbarer als eure, sie beherr-
schen die großen Länder des Südens, in denen Öl und
Wein fließen und die mit reichen Schätzen gesegnet sind.
Darum haben die meisten Germanenvölker längst erkannt,
dass ihre alten Götzen machtlos und klein waren. Es sind
nur noch wenige Stämme übrig, die im Irrtum verharren.
Folgt dem Beispiel eurer Brüder.

   Und nun schaut mich an: Hier stehe ich vor euch! Frei
und unbehelligt. Ich frage Euch: Wenn eure Götzen stark
und mächtig wären, würden sie dann nicht jemanden ver-
treiben, der sie herausfordert? So, wie ich es tue? Ja, das
würden sie, aber sie haben nun einmal keine Kraft. Einst
war die Welt dem Aberglauben ergeben, aber durch den
Sohn Gottes, durch Jesus Christus, der Mensch geworden
ist, haben die klugen Menschen erkannt, woher das Heil
kommt. Und dieses Heil könnt ihr auch erlangen.

DER FELS 5/2020                                                                                                     143
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