Kinder- und Jugendreferat Sinsheim - Gesamtbericht 2019/20
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INHALT 1. Vorbemerkung S.3 2. Kinder- und Jugend(sozial)arbeit unter Pandemiebedingungen S.4 2.1 Auswirkungen der Pandemie auf die Lebenssituation von Kinder und Jugendlichen S.4 2.2 Auswirkungen der Pandemie auf die Felder der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit S.7 3. Das Kinder- und Jugendreferat S.9 3.1 Rahmenbedingungen S.9 3.2 Tätigkeitsbereiche des Kinder- und Jugendreferenten S.11 3.3 Fachberatung/Fachliche Leitung S.13 3.4 Weitere Arbeitsschwerpunkte im Kinder- und Jugendreferat S.15 3.4.1 Planung, Steuerung und Evaluierung der Kommunalen Kinder- und Jugendarbeit S.15 3.4.2 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen S.15 3.4.3 Kooperation/Vernetzung der Einrichtungen und Angebote der Kinder-/Jugendarbeit S.17 3.4.4 Fachstelle für kommunale Kinder- und Jugendangelegenheiten S.18 3.4.5 Ausbildung, Anleitung, Qualifizierung S.19 3.4.6 Öffentlichkeitsarbeit S.20 4. Arbeitsfeld Offene Kinder- und Jugendarbeit S.21 4.1 Rahmenbedingungen S.21 4.2 Kommunal getragene Kinder- und Jugendarbeit in den Stadtteilen S.23 4.3 Bericht Jugendhaus [M. Zöller] S.24 5. Arbeitsfeld Schulsozialarbeit S.29 5.1 Rahmenbedingungen S.29 5.2 Rahmenkonzeption Schulsozialarbeit 2019 S.31 5.3 KVJS-Statistik Schulsozialarbeit Schuljahr 2017/18 S.32 5.4 Berichte: Schulsozialarbeit an den einzelnen Schulen: S.33 5.4.1 Schulsozialarbeit an der Grundschule Dühren [S. Berthold] S.33 5.4.2 Schulsozialarbeit an der Grundschule Hilsbach-Weiler [S. Berthold] S.35 5.4.3 Schulsozialarbeit an der Wingertsberg-Grundschule Reihen [S. Berthold] S.37 5.4.4 Schulsozialarbeit an der Grundschule Rohrbach [C. Moser] S.39 5.4.5 Schulsozialarbeit an der Schule am Giebel, Steinsfurt [C. Moser] S.41 5.4.6 Schulsozialarbeit an der Theodor-Heuss-Schule [M. Bosler] S.44 5.4.7 Schulsozialarbeit an der Carl-Orff-Schule [A. Glück] S.46 5.4.8 Schulsozialarbeit an der Kraichgau Realschule [M. Fink-Adebayo] S.48 5.4.9 Schulsozialarbeit am Wilhelmi-Gymnasium [K. Himmelmann] S.52 6. Arbeitsfeld Jugendberufshilfe S.55 6.1 Rahmenbedingungen S.55 6.2 Bericht Jugendberufshilfe [J.Prager] S.57 7. Arbeitsfeld Mobile Jugendarbeit S.59 7.1 Rahmenbedingungen S.59 7.2 Bericht Mobile Jugendarbeit [L. Olbert] S.60 8. Fazit S.69 9. Presseschau S.72 Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 2
1. Vorbemerkung Im Jahr 2013 hat der Gemeinderat der Stadt Sinsheim die Stelle des Kinder- und Jugendreferats neu konzipiert und zum 01.04.2014 in Kooperation mit der Diakonischen Jugendhilfe Region Heilbronn besetzt. Im Jahr 2017 wurde ein erster Tätigkeitsbericht vorgelegt, der sich auf die Jahre 2014-2017 bezog. Seit 2018 werden jährliche Berichte erstellt. Der nun vorliegende vierte Gesamtbericht erstreckt sich auf das zurückliegende Schuljahr und somit auf den Zeitraum September 2019 bis August 2020. Lediglich der Teilbericht zur Mobilen Jugendarbeit weicht geringfügig davon ab, da die Projektlaufzeit des JuMo-Projekts im Oktober endete. Der Vollständigkeit halber wurde auch der Berichtzeitraum bis Oktober ausgeweitet. Das Kinder- und Jugendreferat umfasst unter anderem die fachliche Verantwortung für die Angebotsbereiche Offene Kinder- und Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit und Jugendberufshilfe. Die Jahresberichte dieser Arbeitsfelder sind im Bericht des Kinder- und Jugendreferats integriert. Alle hauptamtlichen Kolleg*innen, deren Angebote hier dargestellt werden, stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung. Die Urheber*innen der Einzelberichte sind jeweils in eckigen Klammern genannt. Die Berichte wurden vom Kinder- und Jugendreferenten redaktionell bearbeitet und sind somit nicht identisch mit der Originalversion der Verfasser*innen. Es versteht sich von selbst, dass ein aktueller Tätigkeitsbericht die Coronapandemie nicht ausklammern kann. Im Gegenteil: Die Pandemie hatte (und hat) so gravierende Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und Familien, und somit auch auf die Arbeitsfelder der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit, dass diese Perspektive auch im Bericht eine zentrale Rolle spielen muss. Dies wird einerseits über ein vorangestelltes Kapitel realisiert, das die Auswirkungen auf die Gesamtsituation in den Blick nehmen möchte. Andererseits werden die Folgen der Pandemie auf der konkreten Arbeitsebene in den Einzelberichten der Kolleg*innen besonders beleuchtet. Zur Schreibweise: Im Gesamtbericht wird die Genderschreibweise mit dem Sternchen verwendet. Im Rahmen des geschlechterbewussten Umgangs mit der Sprache werden dadurch sowohl männliche, weibliche wie auch so genannte nicht-binäre Geschlechtsidentitäten berücksichtigt. Wir haben uns bemüht, auf Abkürzungen zu verzichten. Die städtischen Arbeitsfelder, die im Zentrum des Berichtes stehen, wurden teilweise mit folgenden Kürzeln dargestellt: OKJA – Offene Kinder- und Jugendarbeit; SchuSo – Schulsozialarbeit; MJA – Mobile Jugendarbeit; JBH – Jugendberufshilfe. Die Abbildung von Fotos und Presseartikeln wurde in einem überschaubaren Maß gehalten, um den Umfang des Berichts nicht zu sehr auszuweiten. Wer sich zusätzliche Einblicke verschaffen möchte, sei auf die folgenden Internetseiten verwiesen: https://www.sinsheim.de/pb/sinsheim,Lde/Home/Bildung+_+Soziales/Jugend.html https://de-de.facebook.com/pg/jugendhaus.sinsheim https://de-de.facebook.com/JuMoSNH Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse. Über Fragen und Rückmeldungen jeder Art freuen wir uns. Sinsheim, den 22.12.2020 Markus Bosler. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 3
2. Kinder- und Jugend(sozial)arbeit unter Pandemiebedingungen 2.1 Auswirkungen der Pandemie auf die Lebenssituation von Kinder und Jugendlichen Wie hat sich die Pandemie auf die Lebenssituation der jungen Leute ausgewirkt? Die Antwort auf diese Frage lässt sich in einem Wort komprimieren: Grundlegend! Es liegt sicherlich nicht in der Absicht des Verfassers, die Geschehnisse und Auswirkungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie ausschließlich negativ zu bewerten. Allerdings ist es die Aufgabe und somit auch die Verantwortung eines Kinder- und Jugendreferenten, gerade die Zielgruppe der jungen Mitbürger*innen im Blick zu haben und deren Interessen und Bedürfnisse zu vertreten. Diese Zielgruppe war (und ist) in der aktuellen Krise oft genug nicht im Blickfeld der Politik und der Öffentlichkeit, obwohl die Einschränkungen gerade sie massiv getroffen hat und nach wie vor trifft! Eingeschränkt in der Kontaktgestaltung, in der Ausübung ihrer Hobbys und Freizeitinteressen, in Sport und Bewegung, in der Pflege ihrer Freundschaften, beim Ausgehen und Feiern, bei der beruflichen Orientierung, u.s.w. Diese Liste lässt sich noch um viele weitere Aspekte verlängern. Es hat sich gezeigt, dass unsere Gesellschaft sich – wie jedes System – in der Krise auf „das Wesentliche“ konzentriert, und dies war offensichtlich zunächst die Funktionalität des Gesundheitswesens und gleich danach die Funktionsfähigkeit unserer Wirtschaft. Auch die Bereiche „Bildung und Betreuung“ wurden hier nachgeordnet, denn diese Bereiche hatten vorwiegend den Zweck zu erfüllen, Kinder zu betreuen, damit die Eltern weiterhin arbeitsfähig bleiben konnten. Damit soll keineswegs das politische Krisenmanagement in Frage gestellt werden. Es soll aber gleichwohl darauf aufmerksam gemacht werden, dass bei den meisten Entscheidungen die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen keine Rolle spielten. Die Pandemie wird sicherlich in allen Teilen der Gesellschaft mittel- und langfristige Auswirkungen haben, aber während die erwachsene Gesellschaft sich nach einem „Zurück zur Normalität“ sehnt, ist gerade für jüngere Kinder überhaupt nicht mehr greifbar, wie die Welt vor der Krise eigentlich ausgesehen hat. Neu ist außerdem: Andere Menschen werden als alltägliche Bedrohung gesehen, und – noch gravierender: Kinder nehmen sich selbst als Bedrohung für andere wahr. Soziale Nähe ist gefährlich, Körperkontakt, unbefangenes Herumtollen, spontane Umarmungen, all dies wird zum Risiko. Die Auswirkungen der jeweiligen Maßnahmen sind sicherlich sehr unterschiedlich. Dies hängt u.a. von der Betreuungssituation in der Familie, von der räumlichen Konstellation zu Hause, von der technischen Ausstattung, von der Resilienz der Einzelnen, von der Präsenz von gefährdeter Personen im direkten Umfeld, von der konkreten Umsetzung des Homeschooling und vom Interesse der Bezugspersonen ab, um nur einige Faktoren zu nennen. Aber grundsätzlich kann man konstatieren, dass die Pandemie bestimmte problematische Rahmenbedingungen verschärft und andere hilfreiche Bedingungen deutlich eingeschränkt hat: Der allgemeine Bewegungsmangel wurde verstärkt, viele Kinder konnten wegen geschlossener Bäder nicht schwimmen lernen, der Spracherwerb wurde durch reduzierte Sozialkontakte eingeschränkt. Alle Schüler*innen sich viel mehr mit Medien auseinandersetzen, sie mussten viel mehr Zeit selbstorganisiert (oder sich selbst überlassen) in den eigenen vier Wänden verbringen, sie wurden in der Ausübung von ehrenamtlichem Engagement eingeschränkt, sie wurden um einen aktiven und anregungsreichen Bestandteil der Freizeitgestaltung gebracht, weil keine Freizeit- und Vereinsangebote mehr stattfinden durften. Dass Maßnahmen wie Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Schul- und KiTa-Lockdown und das Herunterfahren/Schließen nahezu aller Freizeit- und Konsumangebote sich insbesondere in den Familien gravierend auswirken können, in denen die Voraussetzungen bereits ohne/vor Corona schwierig waren, liegt auf der Hand: Wo Betreuungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, der Wohnraum begrenzt ist, man sich in den eigenen Räumen nicht aus dem Weg gehen kann, wo keine ausreichende technische Ausstattung für Homeschooling/Homeoffice vorhanden ist, die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Kinder schulisch zu unterstützen oder kreativ zu beschäftigen, der Medienkonsum Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 4
nicht reflektiert und auch zeitlich begrenzt stattfindet, wo Streit und Auseinandersetzungen und vielleicht auch Übergriffe und Gewalt üblich sind, wo vielleicht Suchtprobleme oder psychische Belastungen/Erkrankungen bestehen, wo Kinder oder Jugendliche in „schwierigen“ Lebensphasen sind, in denen sie sehr aktiv und umtriebig oder sich sehr provokativ verhalten – überall dort können sich die jeweiligen Schutzmaßnahmen auf vorhandene Problemlagen verschärfend auswirken. Hinzu kommt, dass durch fehlende Alltagskontakte in KiTa, Schule, Verein und Nachbarschaft es auch viel schwieriger ist, solche Problem- und Notlagen überhaupt wahrzunehmen. Es soll an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden, dass es natürlich auch zahlreiche Kinder und Jugendliche gibt, die von diesen Rahmenbedingungen profitieren konnten: Es gibt junge Menschen, die mit der sozialen Nähe nicht so gut zurechtkommen, die zu Hause besser lernen als in der Schule, die in der Krise als Individuum wahrgenommen wurden. Es gibt Familien, die sich in der Zeit wieder mehr als Familie erlebt und miteinander beschäftigt haben. Und dennoch: Die meisten Kinder und Jugendlichen waren und sind eben nicht Profiteure, sondern Leidtragende der Coronakrise! In der Zwischenzeit wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Pandemie die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft verstärkt und dass gerade die weniger privilegierten Bürger*innen mehr unter den Auswirkungen und Nachteilen zu leiden haben als die anderen. Es nötigt mir daher großen Respekt ab, wie verständig, konstruktiv und gefasst die überwiegende Mehrheit unserer Kinder und Jugendlichen mit dieser Situation umgeht. Zur aktuellen Situation und Wahrnehmung der jungen Generation ist in der Oktoberausgabe (Nr. 44) 2020 der Wochenzeitung Die Zeit ein Magazin zum Thema „Abitur“ erschienen, in dem Yasmine M´Barek, eine 21-jährige Redakteurin und freie Journalistin, unter dem Titel „Wir sind keine Last. Wir sind eure Zukunft!“ ihre Wahrnehmung der Lebenssituation junger Menschen in Deutschland beschreibt. Ich möchte diesen Artikel bewusst in längeren Auszügen wiedergeben, da er viele relevante Aspekte beinhaltet und da er vor allem die direkte Sicht einer „betroffenen“ jungen Erwachsenen abbildet. Jugend und Corona: „Wir sind keine Last. Wir sind eure Zukunft!“ – Yasmine M´Barek „Ich bin 1999 geboren und gehöre einer Generation an, die viel interessierter und politisierter ist, als man es ihr nachsagt (…). Als es zu Beginn der Corona-Pandemie hieß: Seid vorsichtig, nehmt Rücksicht auf die Älteren!, taten die Jugendlichen (von Ausnahmen abgesehen) genau das – zur Überraschung vieler Boomer [Anmerkung: „Boomer“ meint die Generation der „Babyboomer“, die in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 1960er-Jahre geboren wurden]. Nur wenige Jüngere erkrankten in den ersten Wochen des Ausbruchs selbst an Covid-19. Dennoch wurden sie nicht egoistisch – sie nahmen die Krise sehr ernst und sich selbst zurück. Sie blieben zu Hause, feierten keine Partys, und sie gingen nicht mehr demonstrieren für eine bessere Zukunft. Ein halbes Jahr, viele abgesagte Abi-Bälle und aufgeschobene Zukunftspläne später frage ich mich: Hat eigentlich jemand gemerkt, was diese Einschränkungen für die Jüngeren bedeutet haben? Was sie weiterhin bedeuten? (…) Dass Teenager sich von Politikern weder gehört noch ernst genommen fühlen, zeigte im Juli auch die Sinus- Jugendstudie. Sie ergab zudem, dass die Jugendlichen durch die Pandemie belasteter und erster geworden sind: Über 60 Prozent sorgen sich um die Gesundheit ihrer Familien und empfinden Corona als besorgniserregend. Wenn es in der Öffentlichkeit mal um die Jungen ging in den vergangenen Monaten, standen ihre Ängste und Wünsche nicht im Mittelpunkt. In den Medien kamen die Jugendlichen allenfalls als Partygänger, Maskenverweigerer und Randalierer vor. Die Ereignisse in Stuttgart, als alkoholisierte junge Männer Geschäfte plünderten und sich Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, bildeten dafür ein beliebtes Motiv. Schnell wurde in Talkshows und auf Twitter generalisierend über „die randalierenden Jugendlichen“ diskutiert. Von „randalierenden Erwachsenen“ sprach dagegen so pauschal niemand – egal, wie viele von ihnen ohne Masken und Einhaltung von Abstandsregeln vor dem Berliner Reichstag, in Frankfurt, München und Stuttgart protestieren. Vielleicht verhalten sich in Wahrheit die Jugendlichen erwachsener als jene, die endlose Debatten über ihre eigenen Freiheiten führen. Die in Talkshows erst dann ernsthaft über die Situation in Kitas und Schulen nachzudenken begannen, nachdem sie ausgiebig über Biergärten und die Bundesliga diskutiert hatten. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 5
Die immerzu darüber reden, wie sich die Wirtschaft retten lässt, aber die Umwelt dabei wieder einmal vergessen. Bezeichnen wir die Erwachsenen deswegen pauschal als selbstsüchtig? Nein. Die absolute Mehrheit der Jungen hat die Einschränkungen nahezu ohne Murren akzeptiert. Auch das ist ein Ergebnis der Sinus-Studie: Teenager haben vor allem mitfühlend und verantwortungsbewusst reagiert. (…) Schlimmer, als dass sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht erfüllen können, ist für viele Jugendliche aber, dass sie sich auch beim Kampf gegen die Klimakrise zurücknehmen müssen. Seit Februar sind sie enorm eingeschränkt in ihren Protestmöglichkeiten: Demos, bildungspolitische Podien oder Blockaden – das ist alles nur noch sehr bedingt möglich. Die Jungen fühlen sich mit ihren Interessen ohnehin schon nicht vertreten, nun können sie nicht einmal mehr öffentlichkeitswirksam auf sie hinweisen. Die Corona-Pandemie, der Klimawandel, die Abschottung Europas gegenüber Migrantinnen und Migranten: Niemanden betreffen diese Themen mehr als Kinder und Jugendliche, die in Zukunft mit den Folgen jetziger politischer Entscheidungen leben müssen. Meine Generation hat nicht nur in Umweltfragen eine klare Haltung. Auch nach dem Tod des US-Amerikaners George Floyd sind in Deutschland vor allem die Jungen mit Abstand, Maske und Vorsicht auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Einen großen Teil der Proteste verlegten sie sogar ins Internet. Vernunft und Solidarität sind Werte, die Jugendliche leben. Dafür wollen sie aber auch als verlässlicher Teil der Demokratie anerkannt werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: In der Sinus-Umfrage beklagen die Jungen eine „Jeder für sich“-Mentalität. Ihr Lebensgefühl hat sich in der Pandemie verändert. Für sie scheint es, als seien sie der Politik nur eine Last. Sie dürfen nichts entscheiden, fühlen sich aber auch nicht unterstützt – für ihre Zukunft scheinen sie allein in der Bringschuld zu stehen. Die einzig gute – und angesichts der Lage erstaunliche – Nachricht ist: All diese Unsicherheiten und Ärgernisse hindern junge Menschen nicht daran, ihrer eigenen Zukunft optimistisch entgegenzusehen. Jeder Zweite ist eher positiv gestimmt. Wieso fängt die Politik nicht endlich damit an, diesen massiven Vertrauensvorschuss umzuwandeln? Nehmt die Interessen der Jugend endlich ernst! (…) Die Jungen wünschen sich mehr Beteiligung, weil sie sich sicher sind in dem, was sie verlangen. Laut einer Studie der Vodafone Stiftung ist es 80 Prozent der jungen Menschen in Deutschland wichtig, Politik beeinflussen zu können. Es geht ihnen nicht darum, sich aufzulehnen, nicht ums Rebellieren – sondern darum, konstruktiv mitarbeiten zu können! (…) Es ist nicht die Aufgabe der Jugend, fertige Konzepte zur Rettung der Zukunft vorzulegen. Es sind die Politiker, die in der Pflicht stehen, die Konzepte für alle Beteiligten auszuarbeiten – denn sie vertreten die Bevölkerung. (…) Es ist zu befürchten, dass es Jahrzehnte dauern wird, die wirtschaftlichen Verluste der Corona-Kreise einzuholen. Zu spüren bekommen wird dies besonders die Generation Z, die in den späten Neunzigern und den Nullerjahren geboren wurde. Diese Jahrgänge bräuchten die größte Unterstützung, da sie die wirtschaftlich Schwächsten sind. (…) Eine junge Aktivistin fasste ihr Ohnmachtsgefühl im Rahmen der Sinus-Studie so zusammen: „Wir gehen auf die Straße, sind Millionen von Menschen, und das interessiert die einfach nicht. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht“. Sie und Millionen weitere Jugendliche fühlen sich mit ihren Themen nicht repräsentiert von ihren Repräsentanten. (…) Was also muss jetzt passieren? Der Staat darf nicht auf Kosten der Zukunft sparen. Die sogenannte Bazooka, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz auspackte, um den Folgen des Virus zu trotzen, sollte auf die Perspektiven der Jungen zielen – auf Maßnahmen zum Klimaschutz und auf die Absicherung der beruflichen Bildung (…). Vor allem muss die Politik sich endlich auf Jugendliche einlassen. Ihnen zuhören, mit ihnen diskutieren, sie ernst nehmen. Nur so kann sie das verbreitete Gefühl der Machtlosigkeit mindern. Reden aber reicht nicht. Der nächste Schritt wäre die echte Partizipation im demokratischen System. Also: Senkt endlich das Wahlalter! Bundestagswahl schon mit 16, Kommunalwahl mit 14 Jahren (…). Nicht einmal ein Volksbegehren für Bienen könne er unterschreiben, weil er keine 18 Jahre alt sei, monierte ein Teilnehmer der Sinus-Studie. Falls sich jemand fragt, wo die Politikverdrossenheit von Jugendlichen – sofern sie sich doch einmal bemerkbar macht – herrührt: Das ist die Antwort.“ Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 6
2.2 Auswirkungen der Pandemie auf die Felder der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit? „Was ist eigentlich geschehen?“ – Ein kurzer Abriss der Entwicklungen Anfang 2020: 27.01. Erste Infektion in Deutschland – 26.02. Zahlreiche Infizierte in NRW, Kreis Heinsberg infolge einer Carnevalssitzung – 27.02. Erster Fall in BaWü – 04.03. Corona-Krisenstab beschließt zentrale Beschaffung von Schutzausrüstungen – 09.03. Erste Todesfälle in NRW – 10.03. Veranstaltungen über 1000 Teilnehmer*innen verboten – 11.03. Die WHO definiert den Ausbruch des Coronavirus als „Pandemie“ – 13.03. Schließung von KiTas und Schulen bis zum Ende der Osterferien (19.04.) – 15.03. Wiedereinführung von Grenzkontrollen – 16.03. Weitere Einschränkung des öffentlichen Lebens (Schließung von Bars, Kinos, Freizeiteinrichtungen, Verbot von religiösen und kulturellen Veranstaltungen) – 17.03. Weltweite Reisewarnung – 22.03. Deutschlandweite Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen – ... Daran anschließend folgte eine lange Zeit des Auf und Ab, viele verschiedene Regelungen und Vorstöße von einzelnen Bundesländern, ein ständiges Anpassen der Verordnungen und ein sich Entlanghangeln zwischen den gesundheitlichen Notwendigkeiten und den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger*innen: Kann der Sommerurlaub stattfinden? Welche Quarantänebestimmungen gelten? Wie lange kann man den Eltern die Betreuung ihrer Kinder zumuten? Wie können die Belastungen für die verschiedenen Wirtschaftsbranchen abgefedert werden? Wie wird mit Demonstrationen umgegangen, die zwar verfassungsmäßig geschützt sind, auf denen aber bewusst und willentlich gegen die Hygieneregeln verstoßen wird? Können wir Weihnachten feiern? Bei der Fertigstellung dieses Gesamtberichts im Dezember 2020 befinden wir uns inmitten des zweiten Lockdowns und niemand kann abschätzen, wie die Entwicklung im Jahr 2021 weitergehen wird … „Der Tanz um die Verordnung“ Alle betroffenen Gesellschaftsbereiche müssen in der Pandemiezeit damit zurechtkommen, dass über einen langen Zeitraum hinweg politische Entscheidungen getroffen werden, die einerseits weitreichende Auswirkungen auf die jeweiligen Systeme haben, die aber andererseits so kurzfristig veröffentlicht werden, dass für die verantwortlichen Personen in der Administrative und in den Praxisfeldern ein sehr großer Handlungsdruck entsteht. Dies bringt eine enorme (und manchmal auch unnötige) Verunsicherung und Belastung mit sich. Wochenlang waren die verantwortlichen Mitarbeiter*innen in einer ständigen Alarmbereitschaft: Wann kommt die neue Verordnung? Welche neuen Regelungen beinhaltet sie? Welche Maßnahmen sind zu ergreifen? Wie können die Vorgaben umgesetzt und kommuniziert werden? Wie kann man mit entstehende Umsetzungsprobleme auffangen? Alles nichts!? Nicht nur die Regelsysteme (Betreuung, Bildung, Wirtschaft und Arbeitswelt, Handel, Gastronomie, Kultur) sind von den Corona-Schutzmaßnahmen betroffen. Auch Unterstützungssysteme wie die Jugendhilfe waren relativ unvermittelt in Frage gestellt. Es dauerte Tage, Wochen und teilweise Monate, bis auch auf der politischen Ebene erkannt wurde, welche individuelle und gesellschaftliche Bedeutung diese Hilfen haben. Gehört die Schulsozialarbeit zur Schule? Kann sie trotz Schulschließung noch weiterhin tätig sein? Wie kann sie in Zeiten des Homeschooling mit den Schüler*innen in Kontakt treten? Wie ist es mit Kolleginnen, die für mehrere Schulen zuständig sind und somit nicht nur zwischen unterschiedlichen Klassen, sondern auch noch zwischen verschiedenen Schulen pendeln? Ist die Offene Kinder- und Jugendarbeit ein Bildungs- oder ein Freizeitangebot? Muss bei der Berechnung der Teilnehmerzahlen auch der Außenbereich mitgerechnet werden? Gelten Kontaktsperren im öffentlichen Raum auch für die Mobile Jugendarbeit? Können Ferienangebote oder Ausflüge mit Übernachtung stattfinden? Erst spät hat sich bei den Ministerien die Erkenntnis eingestellt, dass diese Unterstützungsangebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit ein wichtiger Bestandteil der Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 7
sozialen Infrastruktur sind und damit auch nicht – wie in den ersten Verordnungen geschehen – in einem Atemzug mit Bordellen und Bäderbetrieben genannt (und geschlossen) werden können. So wurde erst in der „Begründung zur Corona-Verordnung Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit“ vom 01.12.2020 schriftlich konstatiert: „Von den Maßnahmen bewusst ausgenommen bleiben Einrichtungen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Pandemie und auch für die Zukunft der Gesellschaft und des Landes in besonderer Weise von essentieller Bedeutung sind, insbesondere die Bereiche „Kinderschutz“, „Bildung“ und „Kernbereiche der (nicht publikumsintensiven) Wirtschaft. (…) Gerade in Zeiten der Kontaktbeschränkungen ist die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit von grundsätzlicher Bedeutung, um den Auftrag nach § 1 Absatz 3 SGB VIII zu erfüllen. (…) Die Jugendsozialarbeit ist (…) wesentlicher Bestandteil der sozialen Fürsorge, die auch unter Pandemiebedingung aufrecht zu erhalten ist.“ Diese Feststellungen stärken die Legitimation der benannten Arbeitsfelder und sorgen dafür, dass die Angebote verlässlich und nachhaltig zur Verfügung gestellt werden können. Die inhaltliche Frage und Herausforderung, wie Soziale Arbeit und „social distancing“ zusammen funktionieren, ist damit allerdings noch (lange) nicht beantwortet. Gerade in der Arbeit mit Kindern ist sehr gut sichtbar, dass Soziale Arbeit grundsätzlich Beziehungsarbeit ist. Diese gründet auf Vertrauen, Nähe, Kontakt, Mimik und Gestik sowie auf der realen Wahrnehmung des „Gegenübers“. Onlineberatung, Maskenplicht und Abstandsgebot sind Rahmenbedingungen, die sich keinesfalls förderlich auf die Gestaltung und Aufrechterhaltung von Beziehungen auswirken. Systemrelevanz Zum Abschluss dieser Zustandsbeschreibung möchte ich mir noch eine kritische Betrachtung erlauben. Die Vokabel „systemrelevant“ war während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 allgegenwärtig. Sie diente als Maßstab für die Beurteilung, welche Einrichtungen und auch welche Berufsgruppen von bestimmten Maßnahmen betroffen sind bzw. ausgenommen bleiben, wer Anspruch auf eine „Notbetreuung“ seiner Kinder hat, u.s.w. Selbstverständlich sind in Krisenzeiten Bewertungs- und Unterscheidungskriterien notwendig, um das öffentliche Leben aufrecht erhalten zu können, um bei Sachverhalten und Maßnahmen „wichtig“ von „weniger wichtig“ zu unterscheiden. Eine Differenzierung in „relevant“ und „irrelevant“ beinhaltet allerdings auch eine Komponente von „Wertigkeit“. Dies kann gerade in einer solchen Krise auch einen Beitrag zur (weiteren) Spaltung der Gesellschaft liefern, wenn Menschen, Einrichtungen und Angebote priorisiert, bewertet und kategorisiert werden. Soziale Ungleichheit ist bereits ein prägendes Merkmal unserer Realität. Durch die Verwendung bestimmter Vokabeln und Denkkategorien kann diese zusätzlich forciert werden. Sachverhalte und Kriterien können bewertet werden, aber bei der Bewertung von Menschen(gruppen) wird ein sehr sensibles Terrain betreten. Denn wo Gewinner sind, sind auch Verlierer. Wo „relevante“ Menschen sind, gibt es auch „irrelevante“. Und wer möchte gerne freiwillig zu dieser zweitgenannten Gruppe gehören? Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 8
3. Das Kinder- und Jugendreferat 3.1 Rahmenbedingungen Die Ursprünge der hauptamtlich verantworteten Jugendarbeit in Sinsheim liegen im Jahr 1995, als die Stelle der „Stadtjugendpflege“ eingerichtet wurde. Das Arbeitsfeld Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt. In den Jahren 2012/13 wurde in Sinsheim ein externer Beratungsprozess durchgeführt. Die zentrale Frage lautete „Wie kann die Jugendarbeit in Sinsheim zukunftsweisend und modern aufgestellt werden?“ Als Ergebnis dieses Prozesses legte der Fachberater Volker Fuchs (damaliger Geschäftsbereichsleiter der Diakonischen Jugendhilfe Region Heilbronn) im März 2013 einen Bericht mit 8 Handlungsempfehlungen vor, der folgende Einschätzung enthielt: „Bei einer Umsetzung der oben genannten Punkte wäre im Hinblick auf eine zeitgemäße Jugendarbeit ein zusätzlicher Bedarf von 2,5 Stellen erforderlich“ [Vorlage zur Sitzung des Gemeinderates am 20.03.2013, S. 4]. Dies war aufgrund der damals angespannten Haushaltslage nicht möglich, weshalb sich der Gemeinderat dafür entschied, die Mindestanforderungen zur Fachaufsicht der Schulsozialarbeit und zur Vernetzung und Gesamtkoordination der Jugendarbeit umzusetzen und dafür eine Stelle zu schaffen. „Sowohl im Hauptausschuss als auch im Lenkungskreis wurde aber auch deutlich gemacht, dass diese Stelle nur die absolute Mindestanforderung abdecken kann und damit nicht alle im Bericht gemachten Aussagen abgearbeitet werden können“ [ebd., S.5]. Die Besetzung der Stelle wurde an die Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn gGmbH vergeben und konnte am 01.04.2014 realisiert werden. Die Stelle war zunächst auf zwei Jahre befristet und wurde im Jahr 2017 vom Gemeinderat dauerhaft etabliert. Das Büro des Kinder- und Jugendreferats befindet sich im Amt für Bildung, Familie und Soziales im Dachgeschoss der „Villa Bildung“ (Wilhelmstraße 18). Die Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn gGmbH (DJHN) ist ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Jugendberufshilfe mit Sitz in Eppingen-Kleingartach im Landkreis Heilbronn. Sie beschäftigt rund 600 Mitarbeitende an über 75 Standorten in der Region Heilbronn und darüber hinaus. Das Angebotsspektrum gliedert sich in die Bereiche „Hilfe“ (stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote der Hilfen zur Erziehung) und „Bildung“ (Kommunale Kinder- und Jugendförderung sowie schulische und berufliche Bildung). Unter dem Dach des Arbeitsbereichs „Kommunale Kinder- und Jugendförderung“ vereinen sich unterschiedliche Angebote, die ein gemeinsames Ziel haben: Sie wollen die Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen in ihrem direkten oder kommunalen Lebensumfeld verbessern, soziale Benachteiligungen überwinden und junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern. Die Bandbreite reicht dabei von der individuellen Hilfestellung für den Einzelnen über passgenaue Angebote in Schulen und Jugendhäusern bis hin zur Beratung von Kommunen bei der Planung ganzheitlicher Konzepte kommunaler Kinder- und Jugendbildung. In diesem Arbeitsbereich sind 76 Mitarbeitende in 14 Kommunen tätig. Für weitergehende Informationen sei auf die Homepage des Trägers verwiesen: www.djhn.de Die gesetzlichen Grundlagen für die Kommunale Kinder- und Jugendarbeit liegen im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), im Landesausführungsgesetz des SGB VIII für Baden-Württemberg sowie in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg. Im Wesentlichen bilden die §§ 11-14 SGB VIII die gesetzliche Basis für die Kommunalen Jugendreferate bei der Umsetzung jugendpolitischer Zielsetzungen der Kommunen: § 11 Jugendarbeit § 12 Förderung der Jugendverbände § 13 Jugendsozialarbeit § 14 Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 9
Die grundlegenden Ziele der Kinder- und Jugendarbeit werden in § 1 SGB VIII umfassend mit dem Recht junger Menschen auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beschrieben. Die Aufgabe der Jugendhilfe ist die Schaffung von positiven Lebensbedingungen für Familien, Kinder und Jugendliche. Alle Angebote der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit setzen im Vorfeld der „Hilfen zur Erziehung“ an, richten sich in ihrer Gesamtheit an alle Kinder und Jugendlichen einer Kommune und setzen auf Prävention, Integration und Partizipation. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es eine Pflichtaufgabe der örtlichen Träger, eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung auf dem Gebiet der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sicherzustellen. Die allgemeinen Aufgabenschwerpunkte von Kinder- und Jugendreferaten werden u.a. in der Handreichung „Kommunale Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg“ definiert, die im Jahr 2013 von der Arbeitsgemeinschaft Jugendreferate des Städte- und Gemeindetages erstellt wurde. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 10
3.2 Tätigkeitsbereiche des Kinder- und Jugendreferenten Aufgaben als Fachberatung/Fachdienst Team Schulsozialarbeit/JBH Vorbereitung, Tagesordnung, Moderation Team OKJA Vorbereitung, Moderation „Pädagogische Küchenwerkstatt“ Neues Austausch- und Planungsformat für den gesamten Arbeitsbereich, ca. 1 Treffen/Monat Pädagogischer Tag im Arbeitsbereich Vorbereitung, Abstimmung, Durchführung, Moderation, Dokumentation DB Bereich „Jugend“ Gemeinsame Vorbereitung, teilweise inhaltliche Schwerpunkte Kollegiale Beratung (SchuSo) Präsenz, Absprachen Konzeptionsentwicklung Prozessbegleitung und –steuerung sowie inhaltliche Verantwortung für die Bereiche SchuSo, OKJA, MJA Elternzeitvertretung Stelle JBH Einarbeitung/Begleitung, Kooperations- und Klärungsgespräche, Abstimmung inhaltlich/konzeptionell Fachliche Begleitung Stelle JuMo Kooperation, Planung, Reflexion, Beratung Kooperation/Abstimmung zum Thema Schnittstellen zum KiTa-Bereich, Kooperation Projekt FlexBiS, Kinderschutz Fachliche Weiterentwicklung, Kooperative Fachveranstaltung für Randzeitbetreuungen und HSL-Gruppen, Vorbereitung Fachtagung Kinderschutz 2021 Kommunalpolitische Aufgaben Ausschuss für Bildung, Kultur, Sport und Gemeinsame Vorbereitung, inhaltliche Schwerpunkte, Soziales (BKS) Präsentationen, Berichterstattung Gemeinderat Fachliche Vertretung des Arbeitsbereiches, thematische Schwerpunkte nach Bedarf/Tagesordnung Fachliche Vernetzung, Arbeitskreise in Sinsheim AK Übergang Schule-Beruf Vorbereitung, Moderation, Koordination AK Jugend Vorbereitung, inhaltliche Impulse, Koordination AK Migration Teilnahme nach Bedarf und Themensetzung Kooperationsprojekte/Abstimmungsgespräche in Sinsheim Woche für Demokratie und Toleranz Gemeinsame Planung im Organisationsteam, Vorbereitungs- (Thema „Heimat“) und Abstimmungsgespräche mit DGB und Kooperationspartnern, Planung, Durchführung und Begleitung von Workshops und weiteren Programmpunkten Beirat Fanprojekt (AWO) Teilnahme Lern-Praxis-Werkstatt Beteiligung an Kooperationsgesprächen zur Einrichtung eines neuen Angebots zur Berufsorientierung, federführend: Stift Sunnisheim, RNK Projekte zur Jugendbeteiligung und politischen Bildung Beteiligungsprojekte in den verschiedenen Planung, fachliche Begleitung, nach Bedarf Teilnahme bzw. Angebotsbereichen Durchführung Fachliche Entwicklungen zur Umsetzung Verfolgen des fachlichen Diskurses, Information und des § 41 a Gemeindeordnung Beteiligung auf Landes- bzw. Kreisebene, Ansprechpartner und Impulsgeber für lokale Beteiligungsansätze Barcamp 2020 Planung und Vorbereitung, Organisation von Arbeitsgruppen Projekt „Jungsein in der Kommune“ Interne Abstimmung, Konzeptentwicklung, Antragstellung Ausbildung, Anleitung, Stellenbesetzung Einführungswoche neue FSJ, BFD, Vorbereitung und Durchführung bzw. Begleitung Studierende verschiedener Programmpunkte Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 11
Vorstellungsgespräche, Personalauswahl, Vertretung der Arbeitsbereiche des Amt 40 im FSJ/BFD Bewerbungsverfahren Begleitung BFD-Stelle Jugendhaus Probezeit- und Abschlussgespräche, Schnittstelle zur DJHN Stellenbesetzung SchuSo an der THS Beteiligung an Vorstellungsgesprächen und Personalauswahl, Einarbeitung, fachliche Begleitung, Kooperations- und Abstimmungsgespräche mit der Schulleitung Anleitung DHBW-Studentinnen, Koordination der Praxisblöcke, Begleitung, Reflexion, Abstimmung mit den Praxisstellen Unterstützung, Anleitung, Verantwortung für Entwicklung bzw. Erstellung des Ausbildungsplans Außenvertretung, fachliche Repräsentanz auf Kreis- bzw. Landesebene und im Städtetag Arbeitskreis Qualitätsstandards SchuSo im Regelmäßige Teilnahme als Vertreter der Stadt Sinsheim als RNK örtlichem Träger der Schulsozialarbeit, Organisation einer Fachveranstaltung zum Thema Datenschutz in der SchuSo AG Jugendreferate im RNK Regelmäßige Teilnahme KVJS-Jahrestagung AG JuRef Städtetag Herrenberg-Gültstein Tagung AG JuRef Städtetag Aalen und Bruchsal AG OKJA der AG JuRef Städtetag, Stuttgart Fachgespräch Lehre & Praxis Vertretung des Netzwerk Schulsozialarbeit AG auf Landesebene zur SGB VIII-Reform, Arbeitsbereich e.V. Jugendsozialarbeit Trägerbezogene Termine Führungsteam DJHN Geschäftsbereich Teilnahme KomFö Team Kommunale Jugendreferate DJHN Inhaltlich-fachliche Abstimmung Fachtage, Fortbildungen FoBi Jugendhilfeplanung für kommunale Stuttgart, KVJS? Jugendreferate Bundeskongress Schulsozialarbeit (Jena) Teilnahme in Delegation der DJHN Außerdem Austausch-/Abstimmungsgespräche mit Kollegen/innen, Schulleiter/innen, etc., Teilnahme an Runden Tischen, Krisengesprächen, etc. Bei Bedarf Vorort-Termine mit Ortsvorstehern bzw. pädagogischen Mitarbeiter*innen im Zusammenhang mit Fragen zur Jugendarbeit in den Stadtteilen (Raumnutzung, Materialien, Unterstützungsbedarf, …) Teilnahme bzw. Initiierung von „Runden Tischen“ oder Abstimmungsgesprächen zur Kooperation oder zur Klärung von Aufgaben, Zuständigkeiten und Handlungsoptionen (z.B. mit MJA, Ordnungsamt und Polizei zur Situation im Bahnhofsumfeld) Teilnahme an Dienstbesprechungen der Schulleiter*innen (themenbezogen) Kooperationsgespräche mit zuständigen Mitarbeiter*innen des Landratsamts (Kreisjugendpflege, Jugendhilfeplanung, ASD-Teamleitung) Öffentlichkeitsarbeit (Kontinuierliche bzw. anlassbezogene Berichterstattung für den Stadtanzeiger, Pressegespräche etc.) Diese Auflistung ist bei weitem nicht „vollständig“. Sie umfasst die wesentlichen Aufgabenbereiche, um einen gewissen Überblick über die Vielfalt der jeweiligen Tätigkeiten zu vermitteln. Auf eine Darstellung des Zeitaufwandes wurde in diesem Jahr verzichtet, weil die Pandemielage viele reguläre Termine beeinträchtigt hat und dafür andere Aufgaben in den Mittelpunkt gerieten, die nicht unbedingt repräsentativ sind. Alle fachlichen Entwicklungen finden in enger Abstimmung mit der zuständigen Abteilungsleiterin im Amt für Bildung, Familie und Soziales statt. Bei Bedarf bzw. anlassbezogen wird auch die Amtsleiterin in die Abstimmungsprozesse mit einbezogen. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 12
3.3 Fachberatung/Fachliche Leitung Die fachliche Verantwortung für die Arbeitsfelder der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in Sinsheim nimmt eine zentrale Rolle im Arbeitsalltag des Kinder- und Jugendreferenten ein. Dabei geht es um die Gestaltung der Kooperation, des fachlichen Austausches und der Beratung; weiterhin um Fragen der konzeptionellen Weiterentwicklung, um die Kooperation der jeweiligen Angebotsbereiche mit ihren „externen“ Kooperationspartnern und auch um die Außendarstellung der unterschiedlichen Arbeitsfelder. Die Organisation und Gestaltung des fachlichen Austausches stellt dabei ein wichtiges Steuerungsinstrument dar. So sind mit allen Fachbereichen und Kolleg*innen die jeweiligen Besprechungsstrukturen bedarfsorientiert zu gestalten. Hier war deutlich geworden, dass die organisatorischen Themen und der Abstimmungsbedarf in den einzelnen Arbeitsfeldern immer mehr zunehmen, und gleichzeitig die Begegnung, der Austausch und die gemeinsame fachliche Entwicklung von Themen zu kurz kommen. Daher wurde mit der „pädagogischen Küchenwerkstatt“ ein neues Besprechungsformat ins Leben gerufen, in dem sich die Mitarbeiter*innen im Bereich Kinder- und Jugend(sozial)arbeit monatlich für 90 Minuten treffen, um sich gegenseitig über die aktuellen Themen und Entwicklungen zu informieren, um übergreifende Entwicklungen zu erkennen und ggf. entsprechende Konzepte oder Projekte zu initiieren. Der Begriff „Küchenwerkstatt“ gründet auf der Idee, dass man die Küche aus dem familiären Umfeld als einen Ort kennt, wo Austausch und Begegnung, aber auch kreative Ideen, Vorhaben und Rezepte entwickelt oder umgesetzt werden können. Um diese Atmosphäre greifbar zu machen, wird die pädagogische Küchenwerkstatt in der Ausbildungsküche im Kellergeschoss der Werderstraße 1 durchgeführt. Die bestehenden Besprechungsformate (Team Schulsozialarbeit/Jugendberufshilfe, Team OKJA, Kollegiale Beratungen im Bereich Schulsozialarbeit, sowie weitere Termine wie Klausur- und Fachtage) blieben bestehen, allerdings wurde die Anzahl dieser Besprechungstermine punktuell reduziert. In der Abteilung für Familie, Jugend und Soziales fanden außerdem zwei Dienstbesprechungen statt, in denen die organisatorischen Themen im Rahmen der Stadtverwaltung bzw. des Amts im Vordergrund stehen. Durch konsequente Information, fachliche Vernetzung in lokalen und überregionalen Arbeitskreisen, trägerbezogenen Arbeitsgemeinschaften und sonstigen Gremien, sowie durch Teilnahme an landesweiten Veranstaltungen wie Fachtagen und Fortbildungen, hält sich der Kinder- und Jugendreferent selbst über die Entwicklungen in der Jugendhilfelandschaft und den einzelnen Arbeitsfeldern auf dem aktuellen Stand. Das zurückliegende Jahr war weiterhin geprägt durch beträchtliche Herausforderungen im Personalbereich. So ging es im Jugendhaus um die Einarbeitung des neuen Kollegen, in der Jugendberufshilfe um die Regelung der Elternzeitvertretung und ebenfalls um die Einarbeitung der neuen Kollegin. Darüber hinaus haben zwei neue Studierende ihre Einsatzbereiche in der Schulsozialarbeit und in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit kennengelernt. Für diese musste auch die Anleitungsverantwortung geklärt, der Ausbildungsrahmen definiert und ein vorläufiger Ausbildungsplan erstellt werden. Zu guter Letzt haben die beiden langjährigen Kolleginnen in der Schulsozialarbeit der THS im Laufe des Frühjahrs angekündigt, dass sie sich beruflich neu orientieren möchten. Somit stand auch hier die Begleitung eines längeren und tiefgreifenden Übergangsprozesses an. Hinzu kamen längere krankheitsbedingte Ausfallszeiten bei mehreren Kolleg*innen, die nicht vorhersehbar waren und die an den jeweiligen Einsatzstellen spürbare Vakanzen verursachten. Eine sehr erfreuliche Entwicklung gibt es zum Thema Supervision zu vermelden. Nachdem der Bedarf seit Jahren immer wieder thematisiert worden war, erhielt dieses Angebot durch die Stellungnahme der städtischen Fachkraft für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit eine zusätzliche Bedeutung. In deren Beratungsprozess war deutlich benannt worden, dass auch bei der Stadt Sinsheim die sozialpädagogischen Arbeitsbereiche eine überdurchschnittlich hohe psychische Belastung für die Mitarbeiter*innen beinhalten. In den vorhergehenden Monaten hatte es im gesamten Team mehrere längerfristige Ausfälle gegeben. Zwar konnte die Supervision pandemiebedingt bisher noch nicht Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 13
umgesetzt werden, aber zumindest wurde eine gemeinsame Vorstellung und Auswahl der Supervisor*innen durchgeführt. Weitere Informationen hierzu finden sich unter 5.1. Die Qualifizierung der Fachkräfte ist ein zentraler Aspekt der fachlichen Weiterentwicklung und der Personalentwicklung. Die Mitarbeiter*innen des Fachbereichs werden deshalb konsequent darin unterstützt, Fort- und Weiterbildungsangebote zu besuchen, die einen aktuellen Bezug zu ihren Arbeitsinhalten haben. Dazu gehört auch die Teilnahme an Fachtagen und Jahrestagungen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt im zurückliegenden Schuljahr war die Perspektivklärung für die Mobile Jugendarbeit. Die Projektförderung des 3-jährigen Projekts „JuMo“ lief im Oktober 2020 aus, so dass eine Auswertung des bisherigen Projektverlaufs anstand. Gleichzeitig musste ein politischer Diskussions- und Klärungsprozess initiiert werden, um zu klären, ob bzw. in welcher Form die MJA fortgesetzt werden sollte bzw. konnte. Der Gemeinderat hat die Projektstelle zunächst bis Ende 2021 verlängert. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Frage der Perspektivklärung auch in 2021 wieder auf der Tagesordnung stehen wird. Zur Qualitätsentwicklung hat das Gesamtteam der kommunalen Kinder- und Jugend(sozial)arbeit beim pädagogischen Tag am 21.09.2018 gemeinsame Leitsätze entwickelt, die hier noch einmal abgebildet werden sollen: Gemeinsame Leitgedanken zum Qualitätsverständnis: Wir arbeiten zielgruppen- und bedarfsorientiert Jede*r ist (herzlich) willkommen Wir leben Menschenrechte Wir setzen uns für das Wohl, die Rechte und den Schutz von Kindern und Jugendlichen ein Wir fördern mit unseren Angeboten die Persönlichkeitsentwicklung und verbessern die Chancen von jungen Menschen Rahmenbedingungen und Strukturen ermöglichen „gute“ Arbeit Neben den internen Aufgaben nimmt die Vernetzung nach außen, in Arbeitskreisen und Fachgremien auf lokaler, Kreis- und auch auf Landesebene einen wichtigen Stellenwert ein. Dadurch wird gewährleistet, dass die aktuellen fachlichen Themen und Entwicklungslinien bekannt sind und rechtzeitig mit bedacht werden können. Gleichzeitig geht es aber auch um die aktive Weiterentwicklung und Mitgestaltung dieser Themenfelder. Und auch das Thema Netzwerk- und Kontaktpflege im jeweiligen Kolleg*innenkreis wird dadurch abgedeckt. Im Bereich Schulsozialarbeit besteht seit einigen Jahren ein „Arbeitskreis Qualitätssicherung Schulsozialarbeit im Rhein-Neckar-Kreis“, an dem der Kinder- und Jugendreferent teilnimmt. Dieser AK ist unter anderem Urheber des trägerübergreifenden Handbuchs „Qualitätsstandards Schulsozialarbeit im Rhein-Neckar-Kreis“. Aktuelles Schwerpunktthema des AK ist der Datenschutz. Die Schulsozialarbeit unterliegt hier besonderen Bedingungen, da nicht nur der eigene „interne“ Umgang mit Daten geregelt sein muss, sondern durch die enge Kooperation mit dem System Schule natürlich auch die Datenschutzregelungen der Schule berücksichtigt werden müssen. Dies stellt die Soziale Arbeit oft vor besondere Herausforderungen: Hierbei geht es nicht nur um den zunehmenden Formalismus, sondern auch um die erschwerte Kooperation und Kommunikation mit anderen Akteuren, wie z.B. den Lehrkräften. Der AK hat für 2020 ein Seminar mit Prof. Dr. Rainer Patjens (Jurist und Studiengangsleiter an der DH-BW Stuttgart) organisiert, das leider auch pandemiebedingt mehrfach verschoben und neu terminiert werden musste. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 14
3.4 Weitere Arbeitsschwerpunkte im Kinder- und Jugendreferat 3.4.1 Planung, Steuerung und Evaluierung der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit Dieser Tätigkeitsschwerpunkt hatte im Berichtszeitraum keine vorrangige Bedeutung, denn die Pandemie sorgte dafür, dass in vielen Bereichen an ein „reguläres“ Arbeiten über Monate hinweg gar nicht zu denken war. Insofern forderten die Krise und der Umgang mit ihr eine große Aufmerksamkeit, so dass planerische Komponenten zwangsläufig in den Hintergrund traten. Die Hauptamtlichen im Jugendhaus konnten beispielsweise ihre alljährliche Evaluation auf der Grundlage einer 14-tägigen Besucherbefragung nicht durchführen, weil das Haus im ersten Halbjahr 2020 kaum regulär geöffnet werden konnte. Darüber hinaus bedeutete die Absage der Heimattage Baden-Württemberg und aller in diesem Zusammenhang geplanten Veranstaltungen des Kinder- und Jugendbereichs eine sehr ernüchternde, aber auch arbeitsintensive Erfahrung: Für jede einzelne Veranstaltung wurde abgewogen, ob sie nicht doch in einem geänderten Umfang oder Format bzw. zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden konnte. Für die meisten Angebote und Events waren Inhalte und Abläufe vorbereitet, Räume reserviert, Plakate und Flyer entworfen oder sogar bereits gedruckt. Jede Menge Planungs- und Vorbereitungszeit war investiert worden, weshalb es besonders schwerfiel, diese Veranstaltungen endgültig zu streichen. Doch nicht nur die „Abwicklung“ der Veranstaltungen und Beteiligungsformate, sondern auch die Umplanung und Organisation der bereits geplanten und anstehenden Besprechungstermine sorgte für einen großen Mehraufwand. Immer wieder neu musste geprüft werden, ob die Räume groß genug sind, ob die Teilnehmer*innen überhaupt reisen dürfen, ob der jeweilige Veranstalter solche Termine durchführen darf, ob die notwendige Technik für Online-Besprechungen vorhanden ist, u.s.w. Insofern waren die Planungs- und Steuerungskapazitäten nahezu vollends für tagesaktuelle Herausforderungen notwendig und ließen wenig perspektivische Planung zu. Eine der wenigen Ausnahmen war die Auswertung und Berichterstattung zum Projekt JuMo und zur Fortsetzung der Mobilen Jugendarbeit im Mai 2020. Hierzu wird in Kapitel 7 ausführlicher berichtet. 3.4.2 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen Die Beteiligungsidee des § 41a der Gemeindeordnung Baden-Württemberg sieht eine strukturelle Form der Beteiligung vor: „Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Dafür sind von der Gemeinde geeignete Beteiligungsverfahren zu entwickeln. Insbesondere kann die Gemeinde einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten (…).“ Interessant ist die Perspektive dieser Regelung: Den Kindern und Jugendlichen wird zwar das Recht eingeräumt, eine Jugendvertretung zu initiieren, aber die Planungsverantwortung für die Bereitstellung geeigneter Verfahren ist klar bei der Kommune verortet. Die Mitglieder des „alten“ Kinder- und Jugendbeirats hatten sich in der Vergangenheit mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass man sich aus Kapazitätsgründen vorrangig auf projektbezogene Beteiligungsmöglichkeiten konzentrieren sollte. Projektbezogene Beteiligungsansätze sind aus der fachlichen Perspektive grundsätzlich zu befürworten und werden auch zukünftig zur Umsetzung kommen. Sie bieten den (betroffenen bzw. interessierten) jungen Menschen eine anlassbezogene und zeitlich überschaubare Möglichkeit der Mitwirkung. Andererseits sind diese projektbezogenen Ansätze auch relativ aufwändig, da sie immer wieder aufs Neue initiiert und organisiert werden müssen. Die sehr gelungenen Beteiligungsprozesse zur Erneuerung des Skateparks und zur Gestaltung der Hauptstraßenunterführung („streetart gallery“) haben dies bestätigt. Die Aktion „Kunst am Kasten“, die die künstlerische Gestaltung von Strom- und Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 15
Verteilerkästen im Stadtgebiet durch interessierte Gruppen ermöglicht, ist ein weiteres positives Beispiel. Diese Angebote waren nur durch die engagierte Unterstützung und Koordination durch JuMo in dieser Qualität und Intensität durchführbar. Es bleibt daher zu hoffen, dass die JuMo-Stelle nachhaltig im Leistungsangebot der städtischen Jugendarbeit verankert werden kann, um auch zukünftig solche attraktiven Beteiligungsprojekte umsetzen zu können. Jugendliche erhalten dadurch die Möglichkeit, den öffentlichen Raum in ihrer Stadt mitzugestalten. Dies erzeugt die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und befördert die Identifikation mit dem Lebensort. Vorübergehend konnten für die Beteiligungsaufgaben, vor allem auch im Hinblick auf die Heimattage Baden-Württemberg, Stellenanteile im Umfang von 30% einer Vollzeitstelle eingerichtet werden. Dies war allerdings dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass eben diese 30% als nicht zugeordnete Stellenanteile bei einer Kollegin noch „zu füllen“ waren. Insofern ist auch diese Ressource nur eingeschränkt nutzbar und (noch) nicht verlässlich abgesichert. Im Rahmen der Heimattage waren verschiedene Beteiligungsformate geplant, die leider Corona bedingt abgesagt werden mussten. Unter anderem war im März 2020 ein „Jugend-Barcamp“ geplant. Ein Barcamp ist ein neues Veranstaltungsformat, bei dem die Teilnehmer*innen selbst die Möglichkeit haben, so genannte „Sessions“ anzubieten. Sessions sind eine Art Workshop, in dem es um Inhalte und Themen, um spezielle persönliche Fähigkeiten oder um konkrete Probleme oder Fragestellungen gehen kann. Somit kann man gleichzeitig als Besucher*in und auch als Akteur*in an einem Barcamp teilnehmen. Der erste Termin am 06.03.2020 musste abgesagt werden, und auch der Ersatztermin am 08.05.2020 konnte pandemiebedingt nicht realisiert werden. Dies war umso bedauerlicher, da die Veranstaltung von langer Hand und mit einem ganzen Organisationsteam geplant und vorbereitet worden war. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass solche Beteiligungsevents einen großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand verursachen, der im Falle einer Terminabsage natürlich sehr schmerzhaft ist. Events dieser Art können zwar als Einstieg und Motivation für dauerhafte Prozesse eine hilfreiche Funktion erfüllen, aber im Sinne einer nachhaltigen und strukturellen Beteiligung von Kindern bzw. Jugendlichen lediglich Impulse geben. Diese kritischen Betrachtungen der geplatzten Barcamp-Planungen führten zu der Erkenntnis, dass zukünftige Beteiligungsansätze auch verstärkt auf die Jugendlichen in ihren Lebenswelten zugehen müssten, anstatt zu sehr zu erwarten, dass die Zielgruppe zu zentralen Veranstaltungen kommt. Die Ausschreibung des landesweiten Projekts „Jungsein in der Kommune“ (PJUK) im Frühsommer 2020 zielte in eine ähnliche Richtung. Dort sollte es um die Perspektive einer lokalen Jugendhilfeplanung gehen: Wie können die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen vor Ort, also dort, wo sie leben und ihre Freizeit verbringen, erfasst und berücksichtigt werden? Welche Daten und Informationen gibt es überhaupt, die zukünftigen jugendpolitischen Planungen zugrunde gelegt werden können? Wie ist die Perspektive und wie sind die Erwartungen von jungen Menschen in ihren Heimatdörfern und -städten? Wie kann das Instrument der Jugendhilfeplanung, das eigentlich auf Kreisebene beim Jugendamt angesiedelt ist, auf der lokalen Ebene wirksam werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Projektausschreibung und führten zu der Idee, dass ein solches Projekt gerade für Sinsheim mit seiner vielschichtigen Struktur der 13 Stadtteile ein interessanter Ansatzpunkt sein könnte. Daraufhin wurde vom Kinder- und Jugendreferat ein Projektantrag ausgearbeitet, der im Falle einer erfolgreichen Berücksichtigung und Umsetzung im Mittelpunkt des nächsten Gesamtberichts stehen wird. Eine Neuauflage des JugendMeetings, zunächst fürs Jahr 2021 vorgesehen, wurde corona- und auch ressourcenbedingt zwischenzeitlich zurückgestellt, da die Konzeptentwicklung des PJUK-Projekts vorrangig behandelt werden soll. Auch bei einer späteren Umsetzung wäre allerdings vorab zu klären, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, um diese Veranstaltung zu organisieren und um die darin aufkommenden Ideen und Anliegen zeitnah und engagiert bearbeiten zu können. Denn eine Aktivierung und dauerhafte Begleitung von jungen Menschen für/in Beteiligungsgremien erfordert verlässliche und ausreichende Zeitressourcen. Dies gilt nicht nur für das landläufig bekannte Format des Jugendgemeinderats. Gesamtbericht: Kinder- und Jugendreferat Sinsheim 2019/20 Seite 16
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