Mannheim hat Benz im Blut - 125 Jahre Automobil - mannheim:congress ...

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Mannheim hat Benz im Blut - 125 Jahre Automobil - mannheim:congress ...
Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche 14/Mai 2011 Schutzgebühr 5,– EUR    www.mcon-visions.de

WISSEN AUTOMOBILMARKETING Autoland Deutschland im globalen Wettbewerb:
Mit Vollgas in die Zukunft. Ein Interview mit Matthias Wissmann. MARKT Faszination
Formel 1: Die Rolle des Motorrennsports für die strategische Positionierung im Automobil-
marketing. LIVEKOMMUNIKATION Neuer Trend in der Wissenschaftskommunikation:
Bühnenreife Inszenierung: Sience-Slam. SCHLUSSPUNKT Warum lieben
alle Jungs Autos? Die Antwort von Erziehungsexperte Dr. Jan-Uwe Rogge.

125 Jahre Automobil
Mannheim
hat Benz
im Blut
Das erste Auto
war Mannheimer
Mannheim hat Benz im Blut - 125 Jahre Automobil - mannheim:congress ...
Das Mannheimer m:con Congress Center
      Rosengarten verbindet eine Partnerschaft mit
      den Vereinten Nationen in New York.
      Mit der Teilnahme am „Global Compact“ – einer
      Initiative des ehemaligen UN- Generalsekretärs
      Kofi Annan – setzt auch m:con den weltweiten
      Trend zum „Grüner Tagen“ in der Kongress-
      branche erfolgreich um. Das Ziel von m:con
      ist es, einen aktiven Beitrag zu leisten,
      soziale Verantwortung zu übernehmen und
      Ökostandards auf die Agenda zu setzen.

Verantwortung
      Das m:con Congress Center Rosengarten Mannheim
      ist Ihre nachhaltige Plattform für Begegnungen, Emotionen
      und Begeisterung. Auf 22.000 qm Veranstaltungsfläche
      erleben Sie neueste Architektur, viel Tageslicht und eine
      Auswahl an Räumen, Sälen und Ausstellungsflächen, die
      ideale Kombinationsmöglichkeiten für alle Veranstaltungs-
      arten bieten. Der Rosengarten wurde nach modernsten
      ökologischen Aspekten konzipiert und gebaut.
      Die zentrale Innenstadtlage mit den umliegenden Hotels
      und Restaurants sowie das Kongressticket im Nahverkehr
      garantieren kurze Wege und umweltschonende Transport-
      möglichkeiten innerhalb der Kongressstadt Mannheim.
      Bei Cateringkonzepten wird im Rosengarten auf Anbieter
      aus der Region geachtet, um auch hier die Transportwege
      kurz zu halten.
      Gemeinsam mit unseren Partnern heißen wir jährlich
      über 180.000 Besucher in der Metropolregion Rhein-
      Neckar willkommen und übernehmen dabei Verantwortung
      als umweltbewusste Schnittstelle für Events, Kongresse
      und Entertainment.

      Besuchen Sie uns unter www.rosengarten-mannheim.de
      oder rufen Sie uns direkt an: +49 (0)621 4106 - 123 / -125.

      Expect more inspiration, more innovation and
      more full service.
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Mai 2011                                                                                   Standpunkt

                               125 Jahre Automobil
                               Mannheim hat Benz im Blut

                               Liebe Leserinnen und Leser,

                               die ganze Welt feiert in diesem Jahr den 125-jährigen Geburtstag
                               des Automobils. Viele haben vergessen, dass Carl Benz das Auto
                               in Mannheim erfunden hat. Das erste Auto war also ein Mannheimer, und
                               Mannheim feiert dieses Weltereignis entsprechend seiner Bedeutung.

                               Wir geben dem Ereignis und dem Thema somit Raum.
                               In der m:convisions. In der Stadt und im Land.

                               Das Auto als Schlüsselthema einer Schlüsselbranche.
                               Mit Vor- und Leitbildcharakter. Mit Tradition und Zukunft.

Michel Maugé                   Am Vorabend der IAA-Eröffnung findet ein kultureller und kreativer Höhepunkt
Geschäftsführer m:con          statt. Als Welturaufführung in der Mannheimer Augustaanlage am
Mannheim und Honorarkonsul     Friedrichsplatz. Als multimediales Großereignis und als eine neue (Duft-)Marke
der Republik Frankreich        für Mannheim: die „autosymphonic“ am 10. September 2011 – hier in Mannheim.

                               Mit einem Zukunftskongress – E-Mobility – gehen wir in die Auseinandersetzung
                               zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – im m:con Congress Center Rosengarten.
                               Eine inhaltliche und organisatorische Herausforderung rund um das Thema Auto.

                               Gleichzeitig ist die redaktionelle Grundlage dieses Heftes ausgerichtet auf
                               alles, was wir für eine Auseinandersetzung mit einem spannenden Thema und mit Ihnen
                               für sinnvoll erachten.

                               Ein neues Heft, ein neues Thema, ein gebliebener Anspruch: eine interessierte
                               Community mit ihren klaren Werten reibt sich, um über die Zukunft nachzudenken.

                               Herzlich willkommen zur autosymphonic und willkommen im Jubiläumsjahr 125 Jahre
                               Automobil in Mannheim: die neue m:convisions als Magazin und selbstverständlich auch
                               als e-brochure im Internet – viel Freude damit wünscht

                               Ihr

                               Michel Maugé

                                                                                                                    seite 03
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Einfache Idee, große
Wirkung: Als der
Formel-1-Weltmeister
Sebastian Vettel zum
„Sportler des Jahres 2010“
gewählt wurde, punktete
er beim Publikum mit
einer Runde Kettcar.

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Mai 2011                                                                              Inhalt

Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche
m:convisions

Standpunkt
Mannheim hat Benz im Blut
125 Jahre Automobil                                                                                              03

WISSEN
Inszenierung moderner Kultobjekte – das Auto
Erlebniskommunikation in der Automobilbranche                                                                    09
Erlebniskommunikation: Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren
Professor Hans H. Bauer zeigt anhand von Beispielen aus dem Automobilmarketing positive Markenerlebnisse.         11

Autoland Deutschland – mit Vollgas in die Zukunft
Interview mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA)                             16
Die Illusion vom bewussten Kaufen
„Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn wertlos.“                                                 21
„Das Auto ist weltweit Ausdruck der Persönlichkeit“
SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg über Automobilmarketing                                                  25

MARKT
Die Faszination des Produkts Auto
Automobilmarketing in der Praxis                                                                                  31
Formel 1 – zwischen Hightech und Glamour
Motorsport als Plattform strategischer Markenpositionierung                                                      33
BMW Motorsport mit strategischer Neuausrichtung
Interview Dr. Mario Theissen                                                                                     38
Das persönliche Produkterlebnis zählt
BMW auf der IAA – die neue Rolle von Messen im Marketingmix                                                      40
„Die Händler sind unser Aushängeschild“
World Dealer Conference 2011 von ŠKODA                                                                           43
Auslieferung mit Stil: Erlebnisausflug statt Warenübergabe
Autostadt in Wolfsburg                                                                                           45
Audi – vom „Spießerwagen“ zum Trendauto
Interview mit Fridolin Dietrich zur Neupositionierung einer Marke                                                48
Guerilla Marketing made by MINI
Mit rebellischer und unkonventioneller Werbung zum Erfolg                                                        50

                                                                                                              seite 05
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Inhalt                                                                                                                   Mai 2011

Saftiger Beutel trifft smarten Flitzer
Markenkooperation in der Automobilbranche                                                                                    52
Zuerst surfen – dann fahren
Wie das Web 2.0 die Automobilbranche beeinflusst                                                                            54
Good Vibrations aus Weissach
Bei Porsche arbeiten 80 Ingenieure am richtigen Sound.                                                                       52
Der Höhepunkt des Automobilsommers: „autosymphonic“
am 10. September 2011 verwandelt den Mannheimer Friedrichsplatz in einen Ort spektakulärer Audiovisualität.                 58

LIVEKommunikation
Emotionen verankern Botschaften
Aktuelle Trends in der Livekommunikation                                                                                     61
Die Quintessenz einer Marke in 30 Sekunden
„Gute Werbefilme müssen Unterhaltung bieten.“                                                                               62
KongressTicker                                                                                                              65
„Raus aus dem Wohnzimmer. Mehr Interaktion!“
Interview mit Michael Vagedes, Wegbereiter der emotionalen Kommunikation in Deutschland                                     66
Livesendungen aus dem OP bereichern Kongresse
Neue didaktische Möglichkeiten für medizinische Fortbildung                                                                 69
Wissenschaft bühnenreif inszeniert
Nachwuchsforscher zeigen beim Science-Slam Showtalent                                                                       70

M:CON
Kampagne belebt Geschäft des Mannheimer Kongresszentrums
Rosengarten ideale Destination für Verbandstagungen                                                                          73
Gelebte Servicephilosophie macht den Unterschied
Mit vielen kleinen Bausteinen ganzheitlich überzeugen                                                                        74
OrganisationsTicker                                                                                                          77
Bühne frei für Nebenschauplätze
Mit Kultur und Kulinaria durch die Geschichte des Rosengartens                                                              78
News /EventTicker                                                                                                           80
Impressum                                                                                                                    81

Schlusspunkt
Warum lieben alle Jungs Autos?
Erziehungsexperte Dr. Jan-Uwe Rogge über die Vorbildfunktion der Eltern                                                     82

           Zusatznutzen online. Der Visions-Webcode führt Sie direkt zu unserem Zusatzangebot im Internet.
           Einfach Onlinemagazin www.mcon-visions.de besuchen, Webcode des Artikels eingeben und Videopodcast ansehen.

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Paul Potts kommt
im November in den
Rosengarten. Weitere
kulturelle Highlights
im EventTicker.

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Wissen

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Erlebniskommunikation in der Automobilbranche

Inszenierung
moderner Kultobjekte –
das Auto
Vor 125 Jahren hat Carl Benz in Mannheim das Automobil erfunden.         Der Konkurrenzdruck ist groß. Um Autos zu verkaufen, setzen
Ob er geahnt hat, dass es sich dabei um eine der zentralen Erfindungen   die Hersteller in der Kommunikation vor allem auf Erlebnisse und
der Menschheit handelt? Während damals die Eisenbahn mit Fahrplänen      Emotionen. Professor Hans H. Bauer beschreibt in seinem Gastbeitrag
und Streckennetzen den Reisenden enge Grenzen setzte, entfesselte        den Zwang zur Emotionalisierung im Marketing. Er zeigt, wie Events,
das Auto individuelle, selbstbestimmte Mobilität.                        Messen und Kongresse Erlebnisse vermitteln können, und gibt
                                                                         Praxisbeispiele aus der Automobilindustrie (S. 11).
Auch in Zeiten der Massenmotorisierung mit Endlosstaus und CO2-
Belastung hat das Auto nichts von seiner Faszination eingebüßt.          Warum kaufen wir, was wir kaufen? Dieser Frage geht der Artikel über
Es ist für viele ein wichtiges Statussymbol, das für einen bestimmten    Neuromarketing nach. Allen Illusionen, dass unseren Anschaffungen
Lifestyle steht, und nicht zuletzt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor,    bewusste Entscheidungen zugrunde liegen, erteilt der Experte Hans-
vor allem in Deutschland. Mit dem Präsidenten des Verbands der           Georg Häusel eine klare Absage. Das gilt uneingeschränkt auch für den
Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann spricht m:convisions          Autokauf (S. 21).
über die Herausforderungen, denen sich die deutsche
Automobilwirtschaft künftig stellen muss (S. 16).                        Carsten Ascheberg, Geschäftsführer der Marktforschungsgesellschaft
                                                                         SIGMA, hat fast alle großen Automarken als Kunde. Er arbeitet mit dem
                                                                         Milieuansatz, der vor allem in internationalen Studien seine Stärken
                                                                         ausspielt. m:convisions sprach mit ihm über die Besonderheiten des
                                                                         Produkts Auto (S. 25).

                                                                                                                                        seite 09
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Erlebniskommunikation
Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren
von Prof. Dr. Hans H. Bauer und Daniel Heinrich

Hochkompetitive Märkte und schrumpfende Marketingbudgets zwingen Unternehmen zu einer zielgruppenspezifischen
und zugleich effizienten Kommunikationspolitik mit ihren Kunden. Heute ist es schwieriger denn je, auf gewöhnlichen
Kommunikationskanälen Botschaften zu senden, die erstens beim Empfänger ankommen und zweitens auch tatsächlich
wahrgenommen werden. Selbst wenn die Informationsaufnahme geglückt ist, heißt das noch lange nicht, dass die
übermittelten Informationen auch wirklich verarbeitet und gespeichert werden. Dieser letzte Schritt ist jedoch essenziell,
denn nur wenn auch dieser erfolgt ist, kann Kommunikation ihre Wirkung entfalten und z.B. das Entscheidungs- und
Kaufverhalten der Rezipienten beeinflussen.

Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, Bot-               Daher gewinnt das Konzept der erlebnisorientierten Kommuni-
schaften effizienter und effektiver zu planen und auf neuen          kation zunehmend an Bedeutung (Bauer/Heinrich/Samak, 2011). In
Wegen zu kommunizieren, um erfolgreich auf wettbewerbsin-             der Werbebranche zeichnet sich diese „Erlebnisglobalisierung“
tensiven Märkten bestehen zu können. Neben den erschwerten            (Kilian, 2008, S. 49) bereits durch erlebnisorientierte Slogans ab,
Marktbedingungen zeichnet sich die aktuelle Situation durch          wie beispielsweise „welcome to the Beck’s experience“ (Brauerei
eine Grundströmung unserer Gesellschaft aus, welche sich vor         Beck GmbH & Co. KG 2010), „Erleben, was verbindet“ (Deutsche Telekom
allem in einer verstärkten Erlebnisorientierung äußert. Viele        AG 2010), „Reisen heißt erleben“ (Hilton International Germany GmbH
Menschen wollen heutzutage unterhalten, animiert, emotio-            2010) oder „exklusiv erleben“ (Alvico GmbH 2010). Erlebniskommu-
nal berührt und kreativ herausgefordert werden und nicht nur         nikation wird immer mehr zu einem bedeutenden Hebel, um
mit technisch-funktionalen Daten und Fakten zu einem Thema,           sich vom Wettbewerb differenzieren zu können.
einem Produkt oder einer Dienstleistung konfrontiert werden.              Trotz der genannten Notwendigkeit einer erlebnisbieten-
                                                                      den Kommunikation verpufft ein großer Teil von Botschaften
                                                                     heute nach wie vor aufgrund vielerlei Gründe häufig wirkungs-
                                                                     los. Die Reizüberflutung der Konsumenten durch Medien, der
                                                                     „information overload“, sorgt dafür, dass klassische massenme-
                                                                      diale Werbemaßnahmen einen Teil ihrer Bedeutung verlieren.
                         Prof. Dr. Hans H. Bauer ist Inhaber des     Beim Printmedium liegt die Informationsüberlastung allein in
                         Lehrstuhls für ABWL und Marketing II an     Deutschland bei ca. 95 %. Unpersönliche Massenkommunikation
                         der Universität Mannheim sowie Direktor     reicht folglich nicht mehr aus, selbst eine immer höhere Reiz-
                         des Instituts für Marktorientierte Unter-    dosis wäre vermutlich nicht in der Lage, bei den Rezipienten
                         nehmensführung (IMU). Seine Lehr- und       Aufmerksamkeit und Gedächtniswirkung zu erzielen.
                         Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich          Auch die Kongress- und Messebranche befindet sich zuneh-
 des Kommunikations- und Markenmanagements, der Kaufentschei-        mend in einem Dilemma, denn einerseits zeigen Besucher auch
 dungstheorie sowie im strategischen Marketing.                      hier eine schwindende Akzeptanz bei der Aufnahme, Verar-
                                                                      beitung und Speicherung von Botschaften: Gleichzeitig steigen
                                                                      die Bruttowerbeausgaben für Messen, Kongresse und Events
                                                                     kontinuierlich an. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die For-
                                                                      derung nach emotionalisierter und damit stärker in Herz und Kopf
                         Dipl.-Kfm. Daniel Heinrich ist wissen-      von Rezipienten vordringender Kommunikation berechtigt ist.
                         schaftlicher Mitarbeiter und Doktorand            Ein weiteres Phänomen ist das der zunehmenden Commodi-
                         am Lehrstuhl für ABWL und Marketing II       sierung. Hierunter versteht man, dass heute eine Vielzahl von
                         an der Universität Mannheim. Seine          funktional gleichartigen und somit aus Sicht des Verwenders
                         Forschungsschwerpunkte sind Konsumen-        substituierbaren Waren und Dienstleistungen angeboten wird.
                         tenverhalten, empirische Marktforschung     Ein eventuell errungener Wettbewerbsvorteil, ein einzigartiges
 sowie strategisches Marken- und Kommunikationsmanagement.           Produkt im Markt etabliert zu haben, ist durch schnell als aus-
                                                                     tauschbar empfundene Nachahmerprodukte oftmals nicht von
                                                                                                                Lesen Sie weiter auf Seite 14

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Wissen

Erlebnismarketing
Maßstab 48:1 statt
des gängigen Modellbau-
maß­stabs 1:48 – in einer
über­dimensionierten
Wohnzimmerwelt wird
die Produktpräsentation
der Marke Audi zum
spielerischen Erlebnis.

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Wissen

Fortsetzung von Seite 11
langer Dauer. Die zunehmende Leistungshomogenisierung sorgt kation zu einem aus Empfängersicht erinnerungs- und spei-
dafür, dass sich Unternehmen durch bisherige Erfolgsfaktoren cherungswürdigen Gefühlsereignis, welches sich nicht nur in
wie Qualität, Service und Preis immer weniger differenzieren den Köpfen, sondern auch in den Herzen der Rezipienten fest
können.                                                           einbrennt. Erlebniskommunikation ist dabei nicht auf eine
     Angesichts dieser Entwicklung ist es unerlässlich, vor allem bestimmte mediale Plattform festgelegt. Überwiegend kom-
in der Kommunikationspolitik neue Wege zu beschreiten und men solche Instrumente zum Einsatz, die an sich bereits einen
mittels erlebnisvermittelnder Kommunikationsmaßnahmen „Geschehnis“-Charakter aufweisen, wie beispielsweise Messen,
Produkte und Dienstleistungen zu differenzieren. Messen, Kon- Kongresse und Events. An diesen „Orten“ können multisensuale
gresse und Events bieten von Natur aus eine quasi generische geschehnisorientierte Erlebnisse mit visuellen und auditiven
Plattform für Erlebniskommunikation.                              Signalen, taktilen und olfaktorischen Reizen oder gustatori-
                                                                  schen Stimuli verbunden werden. Wichtig ist bei all diesen über
                                                                  eine Geschichte miteinander verbundenen nicht sprachlichen
„Erlebnismarketing bedient sich des                               Reizen immer auch der Grad an Originalität oder Einzigartigkeit
gesamten absatzpolitischen Instrumen-                             der verwendeten Stimuli.
tariums, um einen ‚Erlebnismix‘ für                                   In den letzten Jahren verschärfte sich gerade auf Messen
                                                                  und Kongressen der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der
 die Zielgruppe zu kreieren.“                                     Besucher, da Unternehmen die Bedeutung einer erlebnisorien-
                                                                  tierten Positionierung ihrer Produkte und Marke zunehmend
     Die Marketingbranche reagiert angesichts dieses Aufmerk- erkannt haben. Das Erzeugen von positiven Markenerlebnissen,
samkeitswettbewerbs und der Commodisierung bereits mit einer die der Besucher nicht erwartet, die aber ein enormes Begeiste-
Emotionalisierung von Botschaften und einer vermehrt einge- rungspotenzial bieten, ist hierbei der Erfolgsschlüssel. Einigen
setzten Erlebniskommunikation. Im Mittelpunkt steht hierbei Unternehmen gelang es bereits besonders gut, mithilfe einer
das persönliche Erleben einer emotionsgeladenen Kommuni- erlebnisorientierten Inszenierung besondere Akzente zu setzen.
kationsbotschaft, die oftmals überraschend und einzigartig ist        Die Audi AG bricht beispielsweise alle Konventionen und
und sich somit vom Gros der klassischen Kommunikation diffe- präsentiert den neuen A8 auf der Messe Design Miami in einem
renziert. Messen, Kongresse und Events bieten aufgrund ihres vergrößerten Wohnzimmerambiente im Maßstab 48:1. Die Bot-
Ereignischarakters, ihrer Materialität sowie ihrer Interaktivität schaft ist klar: Eingerahmt von Designermöbeln und -objekten
die ideale Plattform für eine multisensorische Inszenierung von wird das Automobil nicht mehr nur als Fortbewegungsmittel
Produkten und Dienstleistungen und somit die Grundlage zur wahrgenommen, sondern vor allem als Designobjekt. Audi spielt
Schaffung einer „emotional selling proposition“.                  dabei mit den Reizen des Abnormen, des Überraschenden und
     Eingebettet ist das Instrument der Erlebniskommunikation in Ungewöhnlichen und konterkariert provozierend und somit ein-
das Konzept des Erlebnismarketings (vgl. Weinberg, 1992), welches prägsam die üblichen Denkschemata. Auf diese Weise vermittelt
zum Ziel hat, Waren und Dienstleistungen durch den Einsatz von die Botschaft dem Rezipienten neben technisch-funktionalen
erlebnisvermittelnden Maßnahmen vom Wettbewerb abzuhe- Nutzwerten auch einen emotional-hedonistischen Mehrwert,
ben. Dabei sollen sinnliche Konsumerlebnisse erzeugt werden, die der das beworbene Produkt vom Wettbewerb abgrenzt.
anschließend ihre Verankerung in der Erfahrungs- und Gefühls-         Ein weiteres Beispiel für besonders erfolgreiche, multisensu-
welt der Konsumenten finden (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2008, S. ale Erlebniskommunikation stellt der Golf Kongress der Volkswa-
113 ff.). Typischerweise werden dabei durch ein Erlebnis konkrete gen AG im Jahr 2008 in Berlin dar. Eine temporäre Eventlocation
Werte vermittelt, wie Hedonismus, Genuss, Ästhetik oder auch für mehr als 10.000 Besucher vermittelte auf über 100.000 qm
Nostalgie. Erlebnismarketing bedient sich des gesamten absatz- Veranstaltungsfläche die Kernbotschaft der Markteinführung
politischen Instrumentariums (wie z. B. erlebnisorientiertes Ver- des Golf V: „Wertigkeit neu erleben“. Die Inszenierung umfasste
packungs- und Produktdesign, erlebnisbetonte Gestaltung der eine breite Palette an aufeinander abgestimmten Reizen für
Einkaufsstätte oder auch erlebnisorientierte Verkaufsgespräche), sämtliche menschlichen Sinne. Hierdurch wird erlebbar, dass
um einen „Erlebnismix“ für die Zielgruppe zu kreieren. Aber der man Wertigkeit sehen, fühlen, riechen und auch schmecken
Hauptfokus liegt jedoch seit jeher auf der Kommunikation.         kann. Durch das tatsächliche Erleben der Botschaft wird diese
     Die Erlebniskommunikation unterscheidet sich von im Bewusstsein der Besucher stark verankert.
gewöhnlichen Kommunikationsinstrumenten insofern, als                 Die Vollendung multisensorisch-interaktiver Erlebniskom-
stets ein hoher Grad an Emotionalisierung vorhanden ist. Dazu munikation im Automobilbereich stellen Markenwelten, brand
soll die Botschaftsvermittlung, also der Kommunikationspro- lands, dar. Das prominenteste Beispiel in Deutschland ist zwei-
zess an sich, von den Rezipienten tatsächlich als „erlebt“ emp- felsohne die BMW-Welt in München, die jährlich über zwei Mil-
funden werden. Dadurch verschmelzen Botschaft, Emotionen lionen Besuchern die Markenbotschaft auf eindrucksvolle Art
und Erlebnisvermittlung im Rahmen der Erlebniskommuni- und Weise vermittelt. Schon allein die Architektur des Gebäudes

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Architektur als Markenbotschafter in der BMW-Welt München: Interaktive Gestaltungselemente lassen den Besucher zu einem
Bestandteil der Inszenierung werden.

ist ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zur klassischen         Kommunikationsinstrumentes hängt folglich maßgeblich von
Markenpräsentation. Diese Einzigartigkeit setzt sich im Inneren     der Botschaft ab und nicht umgekehrt.
fort. Durch eine Vielzahl von interaktiven Gestaltungselemen-           2. Derartige Botschaften sind in Geschehnisse oder Geschich-
ten wird der Besucher zu einem Bestandteil der Inszenierung.        ten einzubetten sowie emotional aufzuladen. Auf diese Art und
Rezipienten werden durch „Erleben“ in eine Art Flow-Zustand         Weise können Waren und Dienstleistungen, die per se nur rein
versetzt, welcher die Aufnahme der Markenemotionen bewirkt.         technisch-funktionalen Nutzen leisten, durch einen ganzheit-
Das Ziel ist letztendlich die Schaffung und Verankerung eines       lichen Symbolwert angereichert werden. Dieser wird dann oft
positiven, intensiven und nachhaltigen Markenerlebnisses, um        bei der Einstellungs- und Präferenzbildung den entscheidenden
langfristig entsprechende Gefühls- und Wissensassoziationen         Ausschlag geben.
zu ermöglichen.                                                         3. Schließlich müssen Unternehmen dafür sorgen, dass Erleb-
                                                                    niskommunikation auf strategischer Ebene mit den Dimensio-
                                                                    nen der Markenführung abgestimmt ist. Aufgrund der dualen
„Rezipienten werden durch ‚Erleben‘ in                              Funktion von Marken zur Selbst- und Fremdbildgestaltung muss
 eine Art Flow-Zustand versetzt, zur                                stets darauf geachtet werden, dass die Erlebniskommunikation
                                                                    zu Kunden und Mitarbeitern Werte transportiert, die im Ein-
Aufnahme der Markenemotionen.“                                      klang zu den Facetten des Markenbildes stehen. Anderenfalls
                                                                    droht eine Verwässerung des Markenkerns und damit einher-
    Die erfolgreiche Umsetzung stellt eine anspruchsvolle Auf-      gehend eine unklare Markenpositionierung.
gabe dar. Damit die Mittel und Ressourcen für Erlebniskommu-
nikation signifikante Reichweiten- und Penetrationseffekte bei
den Zielgruppen erzeugen können, sind drei Erfolgsfaktoren           Weiterführende Literatur:
bei der Planung, bei der Umsetzung und dem Controlling von
erlebnisorientierter Kommunikation zu berücksichtigen:               Bauer, Hans H. / Heinrich, Daniel / Samak, Michael
    1. Keine Kommunikation ohne konkrete Botschaft. Unter-           (erscheint 2011): Erlebniskommunikation,
nehmen sollten nicht dem Trugschluss unterliegen, dass spek-         Springer Verlag, Heidelberg.
takuläre Events allein der Schlüssel zum Erfolg sind. Zwar errei-    Kilian, Karsten (2008): From Brand Identity to Audio Branding, in:
chen derartige Inszenierungen durch massenmediale Verbrei-           Bronner, Kai / Hirt, Rainer (Hrsg.), Audio Branding – Brands,
tung oftmals eine große Öffentlichkeit, fehlt es jedoch an einer     Sound and Communication, Fischer Verlag, München.
konkreten Botschaft, verpufft der Aufmerksamkeitseffekt eben-        Kroeber-Riel, Werner / Weinberg, Peter (2008):
so schnell, wie er aufgetreten ist. Unternehmen müssen sich          Konsumentenverhalten, Vahlen Verlag, München.
daher schon im Vorfeld im Klaren darüber sein, welche Kern-          Weinberg, Peter (1992): Erlebnismarketing,
botschaft übermittelt werden soll. Die anschließende Auswahl,        Vahlen Verlag, München.
Planung und Umsetzung eines geeigneten erlebnisorientierten

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Wissen

Interview mit Matthias Wissmann,
Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA)
Autoland Deutschland – mit Vollgas in die Zukunft

In den Jahren 2008 und 2009 war die deutsche Automobilindustrie in die tiefste Krise ihrer 125-jährigen Geschichte geraten.
Einst blühende schwäbische Landschaften drohten zu veröden. Mit Abwrackprämien und großzügigen Kurzarbeiterregelungen
musste insbesondere die Zulieferindustrie am Leben gehalten werden. Pessimisten malten ein finsteres Zukunftsbild.
Inzwischen hat die Branche wieder festen Boden unter den Füßen. Die Beulen der Krise sind längst vergessen und es ist
sogar schon wieder von Lieferengpässen die Rede. Selbst die bereits totgesagte Marke Opel soll in diesem Jahr wieder die
Gewinnschwelle erreichen. m:convisions sprach mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA),
über den Automobilstandort Deutschland.

Produktpräsentation für alle Sinne: Neue Modelle werden nicht einfach nur gezeigt, sondern erlebbar gemacht –
wie hier auf dem Autosalon in Genf.

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Herr Wissmann, selbst Experten sind von der schnellen Erholung        will das nutzen und baut eine eigene Passat-Version für diesen
der deutschen Au­tomobilindustrie überrascht. Wie erklären Sie        Markt. Es ist zwar erfreulich, dass deutsche Autos in der gan-
sich die Entwicklung? Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften          zen Welt hohe Anerkennung und Wertschätzung erfahren, aber
haben in der Krise gut zusammengearbeitet. Deswegen hat               birgt diese Ex­portabhängigkeit nicht auch Gefahren? Die globale
Deutsch­land die Rezession so gut gemeistert wie kaum ein ande-       Ausrichtung der deutschen Automobil­industrie ist eine wesent-
res Land. Die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft           liche Ursache für ihren Erfolg. Diese Exportstärke beflügelt das
nach der Krise gründet insbesondere auf unserer starken Indus-        deutsche Wirtschaftswachstum, generiert Steuereinnahmen
trie und ihren international gefragten Produkten. Die deut-           und schafft Arbeitsplätze. Die bisherigen Erfahrungen zeigen:
sche Automobilindustrie exportiert drei Viertel ihrer im Inland       Drei neue Arbeitsplätze im Ausland sichern oder schaffen einen
gebauten Pkw, deswegen konnte sie von der Erholung auf den            Job bei uns. Unser internationaler Erfolg stabilisiert also auch
Welt­märkten besonders profitieren. Dazu kommt, dass wir auch         das Inland. Die deut­schen Hersteller sind auf allen wichtigen
in Krisenzeiten weiter massiv in Forschung und Entwicklung            Märkten der Welt vertreten, deswegen ist klar: eine Versorgung
investiert haben, jährlich rund 20 Milliarden Euro. Außerdem          allein durch Exporte aus den heimischen Werken kann nicht
haben wir unsere Stammbelegschaften nahezu stabil gehalten.           der einzige Weg sein. Die Produktion an den Auslandsstandorten
Diese strategischen Ent­scheidungen waren die maßgeblichen            gewinnt immer mehr an Bedeutung. Export und Präsenz in den
Voraussetzungen, um schneller aus der Krise heraus­zufahren           Wachstumsregionen sind nicht ein „Entweder-oder“, sondern
als unsere Wettbewerber.                                              ein „So­wohl-als-auch“.

                                                                      China ist inzwischen der weltgrößte Automobilmarkt. 80 Prozent
„Drei neue Arbeitsplätze im                                           des Aufschwungs erklärt sich durch das Wachstum in diesem
                                                                      Markt. Die Chinesen sind dafür bekannt, schnell zu lernen und
Ausland sichern oder schaffen                                         gut kopieren zu können. Wie lange wird es dauern, bis man dort
 einen Job bei uns.“                                                  seine Autos selbst baut und auf teure Importe verzichtet? Der
                                                                      chinesische Automarkt wird mittelfristig weiter stark wachsen.
                                                                      Damit nimmt auch die Bedeutung Chinas als Absatz­markt für
Im Jahr 2010 machte der Export der deutschen Wirtschaft rund          deutsche Autos stetig zu. Denn China sowie der gesamte asiati-
46 Prozent aus. Der Exportüberschuss der deutschen Automo-            sche Raum haben bei der individuellen Mobilität noch großes
bilindustrie – und zwar von Herstellern wie Zulieferern – reprä-      Potenzial. Während derzeit in Westeuropa rund 500 Autos auf
sentiert zwei Drittel davon. Insbesondere in China ist die Nach-      1.000 Einwohner kommen, sind es in Indien nur 11, in China 23.
frage groß. Aber auch die USA ziehen wieder an. Volkswagen            Insbesondere die Nachfrage nach Premiumfahrzeugen nimmt
                                                                      überproportional zu. Davon profitieren vor allem die deutschen
                                                                      Unternehmen, denn rund 80 Prozent der Premiumfahrzeuge,
                                                                      die in Chi­na verkauft werden, sind deutsche Marken. Insge-
                                                                      samt zählt fast jedes fünfte Auto, das in Chi­na neu zugelassen
                                                                      wird, zu einer deutschen Konzernmarke. Und auch die deut-
                           Matthias Wissmann wurde 1949 im            schen Zulie­ferer sind in China schon stark präsent. Bei ihren
                           baden-württembergischen Ludwigsburg        Tochtergesellschaften, Joint Ventures und Beteiligungsbetrie-
                           geboren. Der Jurist war 1993 Bundesmi-     ben arbeiten knapp 50.000 Mitarbeiter. China gehört mit 140
                           nister für Forschung und Technologie       Fertigungs­stätten bereits zu den wichtigsten Produktionslän-
                           und von 1993 bis 1998 Bundesminister für   dern deutscher Zulieferer.
                           Verkehr. Im Juni 2007 schied er als CDU-
                           Abgeordneter aus dem Bundestag aus und     Die Endlichkeit fossiler Energieträger, der weltweit steigende
 ist seitdem Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).    Energiebedarf und die rasant wachsenden Märkte erfordern
 Im VDA, der seit 1946 besteht, sind über 600 Automobilhersteller     alternative Antriebe. Bundesverkehrsminister Ramsauer hat
 und Zulieferunternehmen organisiert. Als Vertreter der Schlüssel-    für das Jahr 2020 das Ziel ausgegeben, mindestens eine Mil-
 branche der deutschen Wirtschaft, in der inzwischen jeder siebte     lion Elektro­fahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen. Ist
 Arbeitnehmer tätig ist, nimmt Wissmann die Interessen der PS-        dieses Ziel realistisch? Das ist ehrgei­zig, aber machbar. Aller-
 Branche wahr und steht in regem Dialog mit Industrie, Öffentlich-    dings nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hier
 keit, Politik und Kunden, beispielsweise auch als Veranstalter der   sind finan­zielle und steuerliche Impulse, verkehrsrecht-
 weltweit größten Automobilmesse, der Internationalen Automobil-      liche Anreize und infrastrukturelle Anpassungen denkbar.
 Ausstellung (IAA).                                                   Wir brauchen einen Markthochlauf ab dem Jahr 2013/14.
                                                                      Bis dahin ist noch einiges zu tun. So muss zum Beispiel

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Wissen

der Kostenabstand zwischen Elektroautos und Fahrzeugen            Herausforderung bleibt nach wie vor der Aufbau einer ent-
mit Verbrennungsmotor kleiner werden, damit auch das              sprechenden Infrastruktur.
Elektroauto für den Kunden bezahlbar wird. Klar ist aber
auch: Bei aller Popularität des Elektromotors, die deutsche       Bei der Entwicklung von Elektroautos sind uns andere Nationen
Automobilin­dustrie setzt nicht nur auf diese Karte, sondern      wie Frankreich vor­aus. Nun investiert BMW 400 Millionen in
verfolgt eine intelligente Fächerstrategie, die die weitere       den Ausbau seines Leipziger Werks für die Serienfertigung von
Optimierung des Verbrennungsmotors ebenso vorantreibt             Elektroautos. Warum erst jetzt? Wir sehen die Entwicklung
wie die Entwicklung von Elektro-, Hybrid- und Brennstoff-         der E­lektromobilität als einen Marathonlauf: Es geht nicht
zellenfahrzeugen.

Wie ist der Entwicklungsstand bei der Wasserstofftechnologie
                                                                 „Der Kauf eines neuen Autos ist nicht
und der Brennstoffzel­le? Ist der Verbrennungsmotor ein Aus-      allein eine rationale Entscheidung,
laufmodell? Im Gegenteil: Wir rechnen beim Verbrennungs-
motor in den nächsten zehn Jahren noch mit einer Kraftstoff­
                                                                 sondern hat immer auch
einsparung von bis zu 25 Prozent durch kleinere Motoren, hohe     eine emotionale Komponente.“
Aufladung und Direkteinspritzung. Und natürlich hat auch
die Wasserstofftechnologie erhebliches Potenzial, erste Seri-     darum, wer als Erster losläuft, sondern wer als Erster die Ziel-
enfahrzeuge gibt es bereits. Der Vorteil des mit Wasserstoff      linie erreicht. Klar ist, alle unsere Hersteller nehmen hohe
betriebenen Elektromotors ist seine große Reichwei­te. Eine       Investitions­summen in die Hand, um das Thema Elektromo-

Volkswagen auf einer Automobilausstellung in China: Der internationale Markt ist für deutsche Fahrzeugbauer entscheidend.

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bilität voranzutreiben. Die deutsche Automo­bilindustrie, also     genheit, neue Modelle, die gerade erst auf den Markt kommen,
Hersteller und Zulieferer, werden in den kommenden drei bis        zu fahren. Die Innovationsgeschwin­digkeit, die sich gerade bei
vier Jahren 10 bis 12 Milliarden Euro in alternative Antriebe      den zahlreichen neuen Assistenzsystemen zeigt, ist sehr beein­
investieren. McKinsey hat jüngst eine Studie zum Elektroau-        druckend. Autofahren wird damit noch sicherer.
to erstellt. Das Ergebnis ist hochinteressant: Wenn es um die
Entwicklung von Pilotfahrzeugen geht, haben die deutschen          Und Sie haben bei der Verkehrssituation auf unseren Straßen
Hersteller die Nase vorn. Mehr noch: Sie bauen ihren Vorsprung     tatsächlich noch Spaß am Autofahren? Die Landstraßen sind
kontinuierlich aus. Erste Kleinserien sind schon auf der Straße.   regelrechte Schlaglochparcours, und auf der rechten Autobahn-
Für Großse­rien haben wir eine besonders hohe Messlatte, denn      spur reiht sich Lkw-Stoßstange an Lkw-Stoßstange. Apropos,
auch bei Elektroautos wollen wir bei Qualität, Sicherheit und      was ist eigentlich aus den Bemühungen geworden, den Güter-
Komfort höchsten Ansprüchen genügen.                               verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern? Einspruch!
                                                                   Die Bundesstraßen gerade in den neuen Bundesländern sind
Im März fand in Genf der internationale Autosalon statt. Bemer-    in sehr gutem Zustand, das gilt auch für die Autobahnen. Der
kenswert war, dass eine erstaunlich große Zahl an Cabriolets       Aufbau Ost hat hier Wir­kung gezeigt. Und wer die A 9 von Berlin
und Coupés vorgestellt wurde. Als Besu­cher spürte man wieder      Richtung Nürnberg fährt, hat keine Schwierigkeiten mit den
etwas von der „Faszination Auto“. Können Sie diesen Ein­druck      Brummis – der Verkehr ist flüssiger, als von vielen vermutet,
bestätigen? Entgegen mancher Unkenrufe ist der Wunsch              die sonst meist mit dem Zug oder dem Flugzeug nach Berlin
der Menschen nach indi­vidueller Mobilität und Freiheit und        reisen. Zum Thema Schiene – Straße: Es geht nicht dar­um, einen
damit nach dem eigenen Auto nach wie vor sehr ausge­prägt,         Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen. Im Gegenteil:
nicht nur in China und den Schwellenländern, sondern auch          Um den Herausfor­derungen der Zukunft begegnen zu können,
bei uns in Europa. Der Kauf eines neuen Autos ist nicht allein     brauchen wir ein gutes Ineinandergreifen aller Verkehrsträger.
eine rationale Entscheidung, sondern hat immer auch eine           Der Güterverkehr wird langfristig deutlich wachsen, die Prog-
emotionale Komponente, das neue Automobil soll seinem Fah-         nosen liegen bei bis zu 70 Prozent in den kommenden 20 Jahren.
rer Freude bereiten, für manche ist das jeweilige Modell auch      Vernetzung und Effizienz müssen deswegen in jedem Lastenheft
Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Wer am Markt erfolg­reich sein      für die Optimierung des Verkehrssystems ganz oben stehen. Wir
will, muss also Emotionen wecken – mit wegweisendem Design         brau­chen mehr Effizienz, mehr Infrastruktur pro Euro. Hier
und Komfort, mit anspruchsvollster Qualität und mit inno-          sollten Möglichkeiten für staatliche Gemeinschaftsprojekte,
                                                                   sogenannte Public-private-Partnerships, noch mehr genutzt
                                                                   werden. Und schließlich wäre der Infrastruktur am meisten
„Um den Herausforderungen der                                      gedient, wenn die Einnahmen aus der Lkw-Maut tatsächlich
Zukunft begegnen zu können,                                        auch für diesen Verkehrsträger genutzt würden.
 brauchen wir ein gutes Ineinander­                                Vom 15. bis 25. September 2011 findet in Frankfurt die 64. Inter-
greifen aller Verkehrsträger.“                                     nationale Automobil-Ausstellung (IAA) statt. Als Veranstalter
                                                                   wissen Sie sicherlich schon, welche Trends bei der Messe aufge-
vativen Assistenzsystemen. Aber natürlich schaut der Kunde         zeigt werden. Wird es neue Formate geben? Was kommt nach
auch auf seine Tankrechnung und sucht daher ein Fahrzeug           dem SUV (Sport Utility Vehicle beziehungsweise Geländelimou-
mit weniger Verbrauch und niedrigeren CO2-Emissionen. Mit          sine)? Die IAA ist die weltweit wichtigste Mobilitätsmesse, sie
diesem Gesamtpaket zu überzeugen – das ist die Stärke der          ist Publikumsmagnet und politische Kommunikati­onsplattform.
deutschen Marken. Ihr Marktanteil im Inland liegt schon über       So gut wie alle großen internationalen Hersteller werden aus-
Jahre hinweg bei sehr hohen 70 Prozent, in Westeuropa sind es      stellen, auf keiner Messe sehen die Besucher mehr Innovatio-
nahezu 50 Prozent. Offensichtlich treffen also die deutschen       nen. All das macht die IAA zur internationalen Leitmesse im
Hersteller mit ihrer Modellpolitik den Geschmack des Kunden        Bereich des Automobils und Verkehrs. Zahlreiche Neuheiten
in vielen Län­dern.                                                bei klassischen und alternativen Antrieben werden zu sehen
                                                                   sein. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in die­sem Jahr auf der
Eine persönliche Frage: Was sind Sie selbst für ein Autofahrer?    Elektromobilität. Erstmals wird das Thema in einer eigenen
Ich fahre gern Auto. Bei kürzeren Entfernungen und schönem         Halle aufberei­tet. Hier kann der Besucher Elektromobilität zum
Wetter nehme ich aber meist das Fahrrad oder geh auch mal zu       Anfassen erfahren, branchenübergreifend und entlang der
Fuß, bei Regen bin ich mit einem CO2-freundlichen Clean-Diesel     gesamten Wertschöpfungskette.
aus der Kom­paktklasse unterwegs. In meiner Eigenschaft als
VDA-Präsident stehen mir die Premium­fahrzeuge unserer Her-
steller zur Verfügung. Und ab und zu nutze ich auch die Gele-

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„Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn wertlos.“
Die Illusion vom bewussten Kaufen

Warum kaufen wir, was wir kaufen? Die Antwort auf diese Frage suchen Marktforscher und Marketingexperten seit einigen
Jahren im Neuromarketing. Denn während wir uns für ein Produkt entscheiden, spielen sich komplexe Abläufe im Gehirn ab.
Methoden aus der psychologischen und neurophysiologischen Forschung sollen Unternehmen helfen, diesen auf die Spur
zu kommen. Einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet ist der Diplom-Psychologe und Unternehmensberater
Dr. Hans-Georg Häusel. Er erteilt allen Illusionen, unsere Erwerbungen seien bewusst und vernunftgesteuert, eine klare Absage.

Bis vor wenigen Jahren herrschte in der Gehirnforschung die
Meinung vor, das Großhirn (Neokortex) sei der dominante Fak-
tor für Entscheidungen. Auch das Konsumverhalten, so dachte
man, sei geprägt von Logik. Bestimmen rationelle Überlegungen
über objektive Vor- und Nachteile, wie zum Beispiel das Preis-
Leistungs-Verhältnis, welches Produkt wir auswählen? „Nein“,
sagt Dr. Hans-Georg Häusel, Vorstand der Nymphenburg Consult
AG aus München. „Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für           Dr. Hans-Georg Häusel.
das Gehirn wertlos.“                                                        Er ist überzeugt: Das
    Der Diplom-Psychologe ist Autor mehrerer Standardwerke über        emotionale Zentrum im
Neuromarketing und einer der wichtigsten Pioniere in Deutschland     Gehirn ist viel bedeutender,
auf diesem Gebiet. Seine Studien bestätigen, was in der Gehirnfor-      als bisher angenommen.
schung auch als „emotionale Wende“ bezeichnet wird: Das limbische
System, das emotionale Zentrum im Gehirn, ist viel bedeutender für
unsere Entschlüsse, als bislang angenommen. Häusel: „Mittlerweile gesagt: Wenn ich mit meinem dicken Mercedes in die Garage
ist nachgewiesen, dass Kunden ihre Entscheidungen in über 70      fahre, kann ich meinem Nachbarn wunderbar zeigen, dass er
Prozent der Fälle unbewusst treffen. Und auch die bewussten 30    ein Loser ist“, erklärt Häusel mit einem Augenzwinkern.
Prozent sind längst nicht so frei, wie wir selbst denken.“            Die Entscheidung über Sportwagen oder Familienkutsche
                                                                  erscheint besonders geeignet, um den neuen emotionalen Ansatz
Das Auto – so emotionalisierend wie kein anderes Produkt in der Gehirnforschung zu verifizieren. Die ersten Tests mit neu-
                                                                  rologischen Methoden unternahmen Autohersteller am Anfang
Wohl kein Produkt ruft so viele Emotionen hervor wie ein Auto- des Jahrtausends – und scheiterten. Der Münchener Psychologe:
mobil. „Ein Auto ist ein emotionales, multisensorisches Gesamt- „Mit einem Hirnscanner wurde die Akzeptanz verschiedener
werk“, erklärt Häusel. Die Formen des Wagens stimulieren uns Automobiltypen gemessen.“ Das wenig überraschende Ergebnis:
optisch, wir setzen uns in bequeme Sportsitze, ertasten das feine Ein Sportwagen aktivierte das Belohnungszentrum viel stär-
Leder des Lenkrads, riechen die Materialien im Innenraum und ker als ein Van. „Man versuchte daraufhin, aus verschiedenen
lauschen dem kraftvollen Spiel der Kolben im Motorraum. „Dazu Designvarianten die attraktivste herauszufiltern. Dafür war
kommt, dass ein Auto einen besonders hohen sozialen Kommu- aber die Methode viel zu grob. Ein Hirnscanner nivelliert alle
nikationswert besitzt. Für viele Menschen sind Individualität Persönlichkeitsunterschiede dramatisch“, erklärt Häusel. Den
und Status sehr bedeutend. Die Phänomenologie des Autos spielt Scanner auf solche Unterschiede abzustimmen, sei allein aus
eine Schlüsselrolle, um diese Werte auszudrücken. Vereinfacht Kostengründen nicht praktikabel, so der Experte.

                                                                                                                        seite 21
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                                                                  Abenteuer / Thrill
                                                                        Impulsivität       Rebellion
                                           Extravaganz
                                                                                         Mut           Sieg
           Stimulanz             Kreativität                 Risikofreude   Jagd        Raufen                            Dominanz
                                                                                                       Kampf Macht
                                               Individualismus       Spontanität
                                                                                Autonomie           Ruhm
                           Kunst
                                                        Sexualität männlich
                                                Abwechslung                              Freiheit
                                                                                                                    Elite
                                                                                                                 Durchsetzung
                                                                                                          Status
                  Spaß

                                                              h
                                                                                                      Stolz              Leistung
                        Spiel       Neugier

                                                         iblic
                                                                                                    Ehre         Effizienz
                           Humor                                                                          Fleiß         Ehrgeiz

                                                     t we
                                        Leichtigkeit
                                                                                             Funktionalität         Hartnäckigkeit
                          Fantasie
                                                alitä
                                                    Toleranz                                 Ordnung        Logik        Präzision
                Genuss              Offenheit
      Fa n

                                                                                     Gerechtigkeit                  Disziplin

                                                                                                                                        le
                                                    Flexibilität                                            Pflicht
                                            Sexu

                       Träumen       Poesie                                                      Moral

                                                                                                                                    rol
           t as

                                                              Freundschaft     Gehorsamkeit
                                               Herzlichkeit                                    Hygiene

                                                                                                                                 nt
                /G                                                                                               Askese
                                                                                                                                    o
               ie

                            Sinnlichkeit                                   Treue Sauberkeit
                                                                                                                            /K
                                             Vertrauen           Familie
                     e nu            Geselligkeit                    Bindung                        Sparsamkeit
                                                                                                                          n
                         ss                    Fürsorge      Heimat Geborgenheit
                                                                                    Verlässlichkeit
                                                                                                                     ipli
                                             Natur                             Gesundheit
                                                        Nostalgie Sicherheit Tradition
                                                                                            Qualität
                                                                                                                 Disz

                                                                     Balance
                                                                                                                   Quelle: Gruppe Nymphenburg Consult AG

Erfolgreicher anzuwenden sind laut Häusel Versuche, die mit                  ben sich somit insgesamt sechs Felder von Beweggründen: Balan-
Elektroenzephalografie (EEG) arbeiten. Ein EEG zeichnet die                  ce, Kontrolle, Dominanz, Abenteuer, Stimulanz und Fantasie.
Spannung an der Kopfoberfläche auf und misst so die elektrische              Analysiert man alle Werte des Menschen, dann haben diese
Aktivität im Gehirn. „In der Automobilbranche werden etwa                    einen festen Platz im Emotionsraum im Gehirn. Diese zerebrale
Werbefilme mit solchen biopsychologischen Methoden getestet.                 Landkarte der Emotionen bezeichnet Häusel als „Limbic Map“.
So kann man beispielsweise herausfinden, welche Stellen in                   In diesem Emotions- und Motivraum fallen alle Kaufentschei-
einem Spot kritisch rezipiert werden.“                                       dungen eines Kunden.
                                                                                „Kunden unterscheiden sich, jeden prägt ein eigenes Motiv-
Menschen betrachten Botschaften                                              und Emotionssystem im Gehirn. Die meisten haben einen mehr
durch ihre Motivationsbrille                                                 oder weniger deutlichen Schwerpunkt in einem der Felder“,
                                                                             so Häusel. Ein Konsument betrachtet also eine Botschaft nicht
Um die Stimulanzwirkung eines Produkts zu bewerten, eignen                   objektiv, sondern immer durch die Brille seines persönlichen
sich weder der Hirnscanner noch das EEG. Häusel und seine                    Motiv- und Emotionsfokus. Verkaufsargumente sind dann erfolg-
Kollegen haben daher ein komplexes Motiv- und Entscheidungs-                 reich, wenn sie genau diesen Schwerpunkt ansprechen. Der
modell entwickelt, das sowohl in seiner wissenschaftlichen                   Psychologe führt aus: „Gerade für das Marketing ist es wichtig,
Fundierung als auch in seiner Praktikabilität für die Marke-                 Argumente so individuell wie möglich auf den Kunden zuzu-
tingpraxis nach eigener Aussage einzigartig ist: „Limbic“. Das               schneiden. Beispielsweise ist für einen ‚Performer‘ mit einer
Modell basiert auf einem Ansatz, der die neuesten Erkenntnisse               starken Ausprägung des Dominanzsystems ein Produkt dann
der Hirnforschung, der Psychologie, der Evolutionsbiologie mit               attraktiv, wenn es ihm einen Wettbewerbsvorteil einbringt oder
empirischer Konsumforschung verknüpft. „Limbic“ geht von                     seiner Karriere nutzt. Argumente wie ‚Das verschafft Ihnen
der Prämisse aus, dass neben den Vitalbedürfnissen Sexuali-                  einen uneinholbaren Vorsprung‘ oder ‚Ein exklusives Angebot
tät, Nahrung und Schlaf drei Emotions- und Motivfelder das                   nur für Sie‘ sprechen diesen Gehirntypen an.“
Denken und Handeln des Kunden bestimmen. Diese „Big Three“
sind: „Balance“, also der Wunsch nach Sicherheit, Stabilität und             Alter und Hormone prägen die Denkweise
Ordnung, „Dominanz“, das Streben nach Macht, Status oder
Durchsetzung und schließlich „Stimulanz“, die von Neugier,                   Die Theorie überzeugt, aber wie sieht es mit der praktischen
Erlebnishunger sowie Kreativität geprägt ist.                                Umsetzung dieser Erkenntnisse aus? Relativ einfach ist es, wenn
    Für jeden dieser drei Emotions- und Motivbereiche lassen                 man die Zielgruppe anhand des Geschlechts definieren kann.
sich entsprechende Gehirnregionen und Nervenbotenstoffe                      Denn Männer werden auf andere Weise erfolgreich angespro-
nachweisen. Mit den Kombinationen aus den „Big Three“ erge-                  chen als Frauen – wobei Ausnahmen stets die Regel betonen.

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„Jedes Geschlecht unterliegt dem Einfluss von Sexualhormonen.
Diese haben eine enorme Wirkung auf die Motiv- und Emotions-
 systeme im Gehirn, sie beeinflussen die Art des Entscheidens“,
 so Häusel. Das Blutbild von Männern weist eine wesentlich
höhere Konzentration von Testosteron auf. Das Hormon steht
in direktem Zusammenhang mit den Persönlichkeitsmerkmalen
Aggression, Ungeduld und Machtstreben. Zwar ist Testosteron
 auch im weiblichen Körper zu finden – allerdings in wesentlich
 schwächerer Konzentration. Häusels Schlussfolgerung: Männer
reagieren eher auf Argumente, die auf Kontrolle und Dominanz
 bauen, während Frauen eher auf das Motiv Balance, also Sicher-
heit, Stabilität und Harmonie, ansprechen.
     Auch das Alter spielt eine entscheidende Rolle für die erfolg-
reiche Ansprache. Häusel: „Einen 30-jährigen Kunden über-
 zeugen ganz andere Argumente als einen 60-jährigen.“ Denn
 das Gehirn durchläuft gravierende Änderungen im Laufe der
Jahre. Das Dominanzhormon Testosteron und der Stimulanz-
neurotransmitter Dopamin nehmen mit dem Alter stark ab.
Neugier und Risikobereitschaft lassen nach, Status wird weni-
 ger wichtig. Dafür wächst das Bestreben nach Sicherheit und
Zuverlässigkeit. „Die Erkenntnisse der Gehirnforschung hel-
fen, noch näher und besser an den Kunden heranzukommen –
 durch die richtigen Emotionen, durch die richtige Sprache und
 durch eine genauere, gehirnbasierte Zielgruppenselektion“,
fasst Häusel zusammen.

Trennung von bewussten und unbewussten
Motivationen nicht sinnvoll

Welche Rolle spielen bei so viel emotionaler Motivation dann
überhaupt noch rationelle Gründe? „Natürlich gibt es auch funk-
tionale Randbedingungen. Ein Familienvater mit zwei Kindern
und einem Hund wird sich keinen Sportwagen kaufen“, sagt              Neuromarketing sprechen“, sagt Häusel. Was aber nicht daran
Häusel. „Aber auch hinter scheinbar bewussten Entscheidungen,         liegt, dass die Bedeutung des Ansatzes geringer werden wird. Im
wie der Anschaffung eines Wagens mit niedrigem Verbrauch,             Gegenteil: „Die Erkenntnisse der Hirnforschung für das Marke-
stecken Emotionen. Das durch die geringen Benzinkosten ein-           ting zu nutzen, wird zur Selbstverständlichkeit werden“, ist
gesparte Geld ist schließlich auch ein Lustprovider.“ Man könne       sich Häusel sicher.
zwischen bewussten und unbewussten Motiven nicht sinnvoll
trennen, meint Häusel.
    Die Erkenntnisse des Neuromarketings werden mehr und
mehr in die Gesamtstrategien der Automobilhersteller imple-
mentiert. Der Unternehmensberater: „Dass das Unbewusste                Weiterführende Literatur:
einen großen Einfluss auf das Konsumverhalten hat, ist mitt-
lerweile nicht nur in den Marketingabteilungen angekommen,             Häusel, Hans-Georg:
sondern auch bei den Ingenieuren.“ Eine Revolution löse Neu-           Think Limbic! Die Macht des Unbewussten verstehen und nutzen
romarketing aber nicht aus. Vieles, was man schon lange wusste,        für Motivation, Marketing, Management, Freiburg: Haufe, 2005,
sei durch das Neuromarketing vielmehr bestätigt worden, so             4. Auflage (Sonderausgabe).
Häusel. Die neuen Methoden helfen vor allem auch, Fehler zu            Häusel, Hans-Georg:
vermeiden. „Die Qualität des Marketings der deutschen Automo-          Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenfüh-
bilhersteller ist dementsprechend heute sehr gut“, findet Häusel.      rung, Werbung und Verkauf, Freiburg: Haufe, 2007.
    Wie sieht er die Zukunft des Neuromarketings in der Auto-          www.nymphenburg.de/limbic.html
mobilbranche? „Man wird in fünf Jahren gar nicht mehr von

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Zielgruppen haben
ausgedient: Wer heute
etwas verkaufen will,
muss den Menschen
und dessen Lebenswelt
ganzheitlich betrachten.

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SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg über Automobilmarketing
„Das Auto ist weltweit Ausdruck der Persönlichkeit“

Ob BMW, Honda, Mercedes-Benz oder Peugeot – fast alle großen Automobilhersteller sind Kunden der Marktfor­schungs­
gesellschaft SIGMA. Die Mannheimer Berater haben ein spezielles ganzheitliches Modell entwickelt, um Verbraucherverhalten
zu analysieren und Zielgruppen zu bestimmen, die SIGMA Milieus. Es setzt nicht erst beim Autokäufer, sondern bereits bei des-
sen Lebensstil und Wertorientierungen an. m:convisions befragte SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg zu den Trends beim
Automobilmarketing, den Besonderheiten des Autos als Produkt und zur Mobilität der Zukunft.

Was ist das Besondere an Ihrem Forschungsansatz der sozialen       Auto planen, erreicht es nach drei bis fünf Jahren den Markt, ist
Milieus? Der Milieuansatz erscheint auf den ersten Blick sehr      dann drei bis fünf Jahre im Neuwagenmarkt und nochmals zehn
komplex. Doch die klassische Einteilung nach Geschlecht, Alter,    Jahre im Gebrauchtwagenmarkt. Das heißt, sie müssen einen
Bildung hilft nicht weiter, auch wenn sich damit Zielgruppen       Horizont von 20 Jahren übersehen. Und das in den ersten zehn
scheinbar präzise beschreiben lassen. Alle Engländer zwischen      Jahren präzise, denn hier kostet jede Entscheidung Milliarden.
50 und 60, sehr reich, verheiratet, mit erwachsenen Kindern –
das klingt nach einer scharfen Zielgruppe. Das Problem: Der eine   Lässt sich ein Horizont von 20 Jahren wirklich überblicken? 20
ist Prinz Charles, der andere Ozzy Osbourne. Mit den SIGMA Mili-   Jahre klingen zunächst nach „in die Glaskugel schauen“. Doch
eus hingegen nehmen wir den ganzen Menschen, seine Identität       die Welt dreht sich, wenn es um Mobilitätsbedürfnisse geht, ver-
und seine lebensweltlichen Werteorientierungen in den Blick.       gleichsweise langsam. Zum einen ist die Innovationsgeschwin-
                                                                   digkeit bei den Antrieben nicht hoch. Jede Innovation impliziert
                                                                   immer auch das entsprechende Versorgungssystem, zum Beispiel
                                                                   beim E-Auto ein flächendeckendes Netz zur Stromversorgung.
                        Carsten Ascheberg, geschäftsführender      Zum anderen wird es auch in den nächsten 20 Jahren keine
                        Gesellschafter der SIGMA Gesellschaft      echten Alternativen zum Individualverkehr geben. Die Ent-
                        für internationale Marktforschung und      scheidungen dafür sind bereits gefällt: Es wird derzeit weder
                        Beratung.                                  signifikant mehr in den öffentlichen Personennahverkehr noch
                                                                   in Hochgeschwindigkeitszugnetze oder Flugverkehr investiert.

                                                                   Das Auto übt auf viele eine ungeheure Faszination aus. Was ist
                                                                   das Besondere an diesem Produkt? Ein Auto ist ein unglaubli-
                                                                   cher Kraftverstärker. Es vergrößert den eigenen Wirkungsraum
Wie kam die Spezialisierung von SIGMA auf Automarken zustande?     enorm, das fasziniert bereits kleine Kinder. Allerdings sind die
Der Milieuansatz funktioniert in allen Märkten, in denen es um     jetzt nachwachsenden Generationen längst nicht mehr so faszi-
Identitätsangebote geht. In dem Moment, wo ästhetische Kom-        niert vom Auto wie noch die Generation der 40- bis 50-Jährigen.
ponenten eine Rolle spielen, trennen die Milieus scharf. So sind   Sie erleben eine andere Art der Entgrenzung von Raum und Zeit,
sich die Menschen bewusst darüber, dass ein Auto Ausdruck der      die der virtuellen Kommunikation. Die Altersgruppe der 15- bis
Persönlichkeit ist. Und das gilt weltweit. Die Automobilindus­     25-Jährigen sieht sogar, dass die beiden Konzepte von grenzen-
trie musste schon frühzeitig konsequent international denken.      loser Mobilität, die virtuelle und die reale, sich anfangen zu
Unser Modell spielt seine Stärke vor allem bei internationalen     widersprechen. Wer Auto fährt, ist offline, und darauf hat diese
Vergleichen aus: SIGMA untersucht auf der Basis von qualitativen   Altersgruppe keine Lust. Die Folge: Ein wachsender Anteil von
und quantitativen Umfragen jährlich zehn europäische Märkte,       jungen Leuten macht den Führerschein nicht gleich mit 18. Das
aber auch zum Beispiel Russland, die USA, China und Indien         Auto ist für sie nicht mehr das höchste Gut auf Erden, mit dem sie
sowie weitere Emerging Markets, etwa Brasilien oder Südafrika.     ihre Identität anderen gegenüber sichtbar machen. Stattdessen
Zudem eignet sich das Modell gut für langfristige Planungen, wie   beweisen die Jugendlichen beispielsweise mit einem iPhone ihre
sie in der Automobilwirtschaft üblich sind. Wenn wir heute ein     Trendleadership. Und das ist ein globales Phänomen.

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