Mannheim hat Benz im Blut - 125 Jahre Automobil - mannheim:congress ...
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Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche 14/Mai 2011 Schutzgebühr 5,– EUR www.mcon-visions.de WISSEN AUTOMOBILMARKETING Autoland Deutschland im globalen Wettbewerb: Mit Vollgas in die Zukunft. Ein Interview mit Matthias Wissmann. MARKT Faszination Formel 1: Die Rolle des Motorrennsports für die strategische Positionierung im Automobil- marketing. LIVEKOMMUNIKATION Neuer Trend in der Wissenschaftskommunikation: Bühnenreife Inszenierung: Sience-Slam. SCHLUSSPUNKT Warum lieben alle Jungs Autos? Die Antwort von Erziehungsexperte Dr. Jan-Uwe Rogge. 125 Jahre Automobil Mannheim hat Benz im Blut Das erste Auto war Mannheimer
Das Mannheimer m:con Congress Center Rosengarten verbindet eine Partnerschaft mit den Vereinten Nationen in New York. Mit der Teilnahme am „Global Compact“ – einer Initiative des ehemaligen UN- Generalsekretärs Kofi Annan – setzt auch m:con den weltweiten Trend zum „Grüner Tagen“ in der Kongress- branche erfolgreich um. Das Ziel von m:con ist es, einen aktiven Beitrag zu leisten, soziale Verantwortung zu übernehmen und Ökostandards auf die Agenda zu setzen. Verantwortung Das m:con Congress Center Rosengarten Mannheim ist Ihre nachhaltige Plattform für Begegnungen, Emotionen und Begeisterung. Auf 22.000 qm Veranstaltungsfläche erleben Sie neueste Architektur, viel Tageslicht und eine Auswahl an Räumen, Sälen und Ausstellungsflächen, die ideale Kombinationsmöglichkeiten für alle Veranstaltungs- arten bieten. Der Rosengarten wurde nach modernsten ökologischen Aspekten konzipiert und gebaut. Die zentrale Innenstadtlage mit den umliegenden Hotels und Restaurants sowie das Kongressticket im Nahverkehr garantieren kurze Wege und umweltschonende Transport- möglichkeiten innerhalb der Kongressstadt Mannheim. Bei Cateringkonzepten wird im Rosengarten auf Anbieter aus der Region geachtet, um auch hier die Transportwege kurz zu halten. Gemeinsam mit unseren Partnern heißen wir jährlich über 180.000 Besucher in der Metropolregion Rhein- Neckar willkommen und übernehmen dabei Verantwortung als umweltbewusste Schnittstelle für Events, Kongresse und Entertainment. Besuchen Sie uns unter www.rosengarten-mannheim.de oder rufen Sie uns direkt an: +49 (0)621 4106 - 123 / -125. Expect more inspiration, more innovation and more full service.
Mai 2011 Standpunkt 125 Jahre Automobil Mannheim hat Benz im Blut Liebe Leserinnen und Leser, die ganze Welt feiert in diesem Jahr den 125-jährigen Geburtstag des Automobils. Viele haben vergessen, dass Carl Benz das Auto in Mannheim erfunden hat. Das erste Auto war also ein Mannheimer, und Mannheim feiert dieses Weltereignis entsprechend seiner Bedeutung. Wir geben dem Ereignis und dem Thema somit Raum. In der m:convisions. In der Stadt und im Land. Das Auto als Schlüsselthema einer Schlüsselbranche. Mit Vor- und Leitbildcharakter. Mit Tradition und Zukunft. Michel Maugé Am Vorabend der IAA-Eröffnung findet ein kultureller und kreativer Höhepunkt Geschäftsführer m:con statt. Als Welturaufführung in der Mannheimer Augustaanlage am Mannheim und Honorarkonsul Friedrichsplatz. Als multimediales Großereignis und als eine neue (Duft-)Marke der Republik Frankreich für Mannheim: die „autosymphonic“ am 10. September 2011 – hier in Mannheim. Mit einem Zukunftskongress – E-Mobility – gehen wir in die Auseinandersetzung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – im m:con Congress Center Rosengarten. Eine inhaltliche und organisatorische Herausforderung rund um das Thema Auto. Gleichzeitig ist die redaktionelle Grundlage dieses Heftes ausgerichtet auf alles, was wir für eine Auseinandersetzung mit einem spannenden Thema und mit Ihnen für sinnvoll erachten. Ein neues Heft, ein neues Thema, ein gebliebener Anspruch: eine interessierte Community mit ihren klaren Werten reibt sich, um über die Zukunft nachzudenken. Herzlich willkommen zur autosymphonic und willkommen im Jubiläumsjahr 125 Jahre Automobil in Mannheim: die neue m:convisions als Magazin und selbstverständlich auch als e-brochure im Internet – viel Freude damit wünscht Ihr Michel Maugé seite 03
Seite 32 Einfache Idee, große Wirkung: Als der Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel zum „Sportler des Jahres 2010“ gewählt wurde, punktete er beim Publikum mit einer Runde Kettcar. seite 04
Mai 2011 Inhalt Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche m:convisions Standpunkt Mannheim hat Benz im Blut 125 Jahre Automobil 03 WISSEN Inszenierung moderner Kultobjekte – das Auto Erlebniskommunikation in der Automobilbranche 09 Erlebniskommunikation: Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren Professor Hans H. Bauer zeigt anhand von Beispielen aus dem Automobilmarketing positive Markenerlebnisse. 11 Autoland Deutschland – mit Vollgas in die Zukunft Interview mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) 16 Die Illusion vom bewussten Kaufen „Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn wertlos.“ 21 „Das Auto ist weltweit Ausdruck der Persönlichkeit“ SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg über Automobilmarketing 25 MARKT Die Faszination des Produkts Auto Automobilmarketing in der Praxis 31 Formel 1 – zwischen Hightech und Glamour Motorsport als Plattform strategischer Markenpositionierung 33 BMW Motorsport mit strategischer Neuausrichtung Interview Dr. Mario Theissen 38 Das persönliche Produkterlebnis zählt BMW auf der IAA – die neue Rolle von Messen im Marketingmix 40 „Die Händler sind unser Aushängeschild“ World Dealer Conference 2011 von ŠKODA 43 Auslieferung mit Stil: Erlebnisausflug statt Warenübergabe Autostadt in Wolfsburg 45 Audi – vom „Spießerwagen“ zum Trendauto Interview mit Fridolin Dietrich zur Neupositionierung einer Marke 48 Guerilla Marketing made by MINI Mit rebellischer und unkonventioneller Werbung zum Erfolg 50 seite 05
Inhalt Mai 2011 Saftiger Beutel trifft smarten Flitzer Markenkooperation in der Automobilbranche 52 Zuerst surfen – dann fahren Wie das Web 2.0 die Automobilbranche beeinflusst 54 Good Vibrations aus Weissach Bei Porsche arbeiten 80 Ingenieure am richtigen Sound. 52 Der Höhepunkt des Automobilsommers: „autosymphonic“ am 10. September 2011 verwandelt den Mannheimer Friedrichsplatz in einen Ort spektakulärer Audiovisualität. 58 LIVEKommunikation Emotionen verankern Botschaften Aktuelle Trends in der Livekommunikation 61 Die Quintessenz einer Marke in 30 Sekunden „Gute Werbefilme müssen Unterhaltung bieten.“ 62 KongressTicker 65 „Raus aus dem Wohnzimmer. Mehr Interaktion!“ Interview mit Michael Vagedes, Wegbereiter der emotionalen Kommunikation in Deutschland 66 Livesendungen aus dem OP bereichern Kongresse Neue didaktische Möglichkeiten für medizinische Fortbildung 69 Wissenschaft bühnenreif inszeniert Nachwuchsforscher zeigen beim Science-Slam Showtalent 70 M:CON Kampagne belebt Geschäft des Mannheimer Kongresszentrums Rosengarten ideale Destination für Verbandstagungen 73 Gelebte Servicephilosophie macht den Unterschied Mit vielen kleinen Bausteinen ganzheitlich überzeugen 74 OrganisationsTicker 77 Bühne frei für Nebenschauplätze Mit Kultur und Kulinaria durch die Geschichte des Rosengartens 78 News /EventTicker 80 Impressum 81 Schlusspunkt Warum lieben alle Jungs Autos? Erziehungsexperte Dr. Jan-Uwe Rogge über die Vorbildfunktion der Eltern 82 Zusatznutzen online. Der Visions-Webcode führt Sie direkt zu unserem Zusatzangebot im Internet. Einfach Onlinemagazin www.mcon-visions.de besuchen, Webcode des Artikels eingeben und Videopodcast ansehen. seite 06
Seite 80 Paul Potts kommt im November in den Rosengarten. Weitere kulturelle Highlights im EventTicker. seite 07
Mai 2011 Wissen Erlebniskommunikation in der Automobilbranche Inszenierung moderner Kultobjekte – das Auto Vor 125 Jahren hat Carl Benz in Mannheim das Automobil erfunden. Der Konkurrenzdruck ist groß. Um Autos zu verkaufen, setzen Ob er geahnt hat, dass es sich dabei um eine der zentralen Erfindungen die Hersteller in der Kommunikation vor allem auf Erlebnisse und der Menschheit handelt? Während damals die Eisenbahn mit Fahrplänen Emotionen. Professor Hans H. Bauer beschreibt in seinem Gastbeitrag und Streckennetzen den Reisenden enge Grenzen setzte, entfesselte den Zwang zur Emotionalisierung im Marketing. Er zeigt, wie Events, das Auto individuelle, selbstbestimmte Mobilität. Messen und Kongresse Erlebnisse vermitteln können, und gibt Praxisbeispiele aus der Automobilindustrie (S. 11). Auch in Zeiten der Massenmotorisierung mit Endlosstaus und CO2- Belastung hat das Auto nichts von seiner Faszination eingebüßt. Warum kaufen wir, was wir kaufen? Dieser Frage geht der Artikel über Es ist für viele ein wichtiges Statussymbol, das für einen bestimmten Neuromarketing nach. Allen Illusionen, dass unseren Anschaffungen Lifestyle steht, und nicht zuletzt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, bewusste Entscheidungen zugrunde liegen, erteilt der Experte Hans- vor allem in Deutschland. Mit dem Präsidenten des Verbands der Georg Häusel eine klare Absage. Das gilt uneingeschränkt auch für den Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann spricht m:convisions Autokauf (S. 21). über die Herausforderungen, denen sich die deutsche Automobilwirtschaft künftig stellen muss (S. 16). Carsten Ascheberg, Geschäftsführer der Marktforschungsgesellschaft SIGMA, hat fast alle großen Automarken als Kunde. Er arbeitet mit dem Milieuansatz, der vor allem in internationalen Studien seine Stärken ausspielt. m:convisions sprach mit ihm über die Besonderheiten des Produkts Auto (S. 25). seite 09
Mai 2011 Wissen Erlebniskommunikation Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren von Prof. Dr. Hans H. Bauer und Daniel Heinrich Hochkompetitive Märkte und schrumpfende Marketingbudgets zwingen Unternehmen zu einer zielgruppenspezifischen und zugleich effizienten Kommunikationspolitik mit ihren Kunden. Heute ist es schwieriger denn je, auf gewöhnlichen Kommunikationskanälen Botschaften zu senden, die erstens beim Empfänger ankommen und zweitens auch tatsächlich wahrgenommen werden. Selbst wenn die Informationsaufnahme geglückt ist, heißt das noch lange nicht, dass die übermittelten Informationen auch wirklich verarbeitet und gespeichert werden. Dieser letzte Schritt ist jedoch essenziell, denn nur wenn auch dieser erfolgt ist, kann Kommunikation ihre Wirkung entfalten und z.B. das Entscheidungs- und Kaufverhalten der Rezipienten beeinflussen. Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, Bot- Daher gewinnt das Konzept der erlebnisorientierten Kommuni- schaften effizienter und effektiver zu planen und auf neuen kation zunehmend an Bedeutung (Bauer/Heinrich/Samak, 2011). In Wegen zu kommunizieren, um erfolgreich auf wettbewerbsin- der Werbebranche zeichnet sich diese „Erlebnisglobalisierung“ tensiven Märkten bestehen zu können. Neben den erschwerten (Kilian, 2008, S. 49) bereits durch erlebnisorientierte Slogans ab, Marktbedingungen zeichnet sich die aktuelle Situation durch wie beispielsweise „welcome to the Beck’s experience“ (Brauerei eine Grundströmung unserer Gesellschaft aus, welche sich vor Beck GmbH & Co. KG 2010), „Erleben, was verbindet“ (Deutsche Telekom allem in einer verstärkten Erlebnisorientierung äußert. Viele AG 2010), „Reisen heißt erleben“ (Hilton International Germany GmbH Menschen wollen heutzutage unterhalten, animiert, emotio- 2010) oder „exklusiv erleben“ (Alvico GmbH 2010). Erlebniskommu- nal berührt und kreativ herausgefordert werden und nicht nur nikation wird immer mehr zu einem bedeutenden Hebel, um mit technisch-funktionalen Daten und Fakten zu einem Thema, sich vom Wettbewerb differenzieren zu können. einem Produkt oder einer Dienstleistung konfrontiert werden. Trotz der genannten Notwendigkeit einer erlebnisbieten- den Kommunikation verpufft ein großer Teil von Botschaften heute nach wie vor aufgrund vielerlei Gründe häufig wirkungs- los. Die Reizüberflutung der Konsumenten durch Medien, der „information overload“, sorgt dafür, dass klassische massenme- diale Werbemaßnahmen einen Teil ihrer Bedeutung verlieren. Prof. Dr. Hans H. Bauer ist Inhaber des Beim Printmedium liegt die Informationsüberlastung allein in Lehrstuhls für ABWL und Marketing II an Deutschland bei ca. 95 %. Unpersönliche Massenkommunikation der Universität Mannheim sowie Direktor reicht folglich nicht mehr aus, selbst eine immer höhere Reiz- des Instituts für Marktorientierte Unter- dosis wäre vermutlich nicht in der Lage, bei den Rezipienten nehmensführung (IMU). Seine Lehr- und Aufmerksamkeit und Gedächtniswirkung zu erzielen. Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Auch die Kongress- und Messebranche befindet sich zuneh- des Kommunikations- und Markenmanagements, der Kaufentschei- mend in einem Dilemma, denn einerseits zeigen Besucher auch dungstheorie sowie im strategischen Marketing. hier eine schwindende Akzeptanz bei der Aufnahme, Verar- beitung und Speicherung von Botschaften: Gleichzeitig steigen die Bruttowerbeausgaben für Messen, Kongresse und Events kontinuierlich an. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die For- derung nach emotionalisierter und damit stärker in Herz und Kopf Dipl.-Kfm. Daniel Heinrich ist wissen- von Rezipienten vordringender Kommunikation berechtigt ist. schaftlicher Mitarbeiter und Doktorand Ein weiteres Phänomen ist das der zunehmenden Commodi- am Lehrstuhl für ABWL und Marketing II sierung. Hierunter versteht man, dass heute eine Vielzahl von an der Universität Mannheim. Seine funktional gleichartigen und somit aus Sicht des Verwenders Forschungsschwerpunkte sind Konsumen- substituierbaren Waren und Dienstleistungen angeboten wird. tenverhalten, empirische Marktforschung Ein eventuell errungener Wettbewerbsvorteil, ein einzigartiges sowie strategisches Marken- und Kommunikationsmanagement. Produkt im Markt etabliert zu haben, ist durch schnell als aus- tauschbar empfundene Nachahmerprodukte oftmals nicht von Lesen Sie weiter auf Seite 14 seite 11
Wissen Erlebnismarketing Maßstab 48:1 statt des gängigen Modellbau- maßstabs 1:48 – in einer überdimensionierten Wohnzimmerwelt wird die Produktpräsentation der Marke Audi zum spielerischen Erlebnis. seite 12
Wissen seite 13
Wissen Fortsetzung von Seite 11 langer Dauer. Die zunehmende Leistungshomogenisierung sorgt kation zu einem aus Empfängersicht erinnerungs- und spei- dafür, dass sich Unternehmen durch bisherige Erfolgsfaktoren cherungswürdigen Gefühlsereignis, welches sich nicht nur in wie Qualität, Service und Preis immer weniger differenzieren den Köpfen, sondern auch in den Herzen der Rezipienten fest können. einbrennt. Erlebniskommunikation ist dabei nicht auf eine Angesichts dieser Entwicklung ist es unerlässlich, vor allem bestimmte mediale Plattform festgelegt. Überwiegend kom- in der Kommunikationspolitik neue Wege zu beschreiten und men solche Instrumente zum Einsatz, die an sich bereits einen mittels erlebnisvermittelnder Kommunikationsmaßnahmen „Geschehnis“-Charakter aufweisen, wie beispielsweise Messen, Produkte und Dienstleistungen zu differenzieren. Messen, Kon- Kongresse und Events. An diesen „Orten“ können multisensuale gresse und Events bieten von Natur aus eine quasi generische geschehnisorientierte Erlebnisse mit visuellen und auditiven Plattform für Erlebniskommunikation. Signalen, taktilen und olfaktorischen Reizen oder gustatori- schen Stimuli verbunden werden. Wichtig ist bei all diesen über eine Geschichte miteinander verbundenen nicht sprachlichen „Erlebnismarketing bedient sich des Reizen immer auch der Grad an Originalität oder Einzigartigkeit gesamten absatzpolitischen Instrumen- der verwendeten Stimuli. tariums, um einen ‚Erlebnismix‘ für In den letzten Jahren verschärfte sich gerade auf Messen und Kongressen der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der die Zielgruppe zu kreieren.“ Besucher, da Unternehmen die Bedeutung einer erlebnisorien- tierten Positionierung ihrer Produkte und Marke zunehmend Die Marketingbranche reagiert angesichts dieses Aufmerk- erkannt haben. Das Erzeugen von positiven Markenerlebnissen, samkeitswettbewerbs und der Commodisierung bereits mit einer die der Besucher nicht erwartet, die aber ein enormes Begeiste- Emotionalisierung von Botschaften und einer vermehrt einge- rungspotenzial bieten, ist hierbei der Erfolgsschlüssel. Einigen setzten Erlebniskommunikation. Im Mittelpunkt steht hierbei Unternehmen gelang es bereits besonders gut, mithilfe einer das persönliche Erleben einer emotionsgeladenen Kommuni- erlebnisorientierten Inszenierung besondere Akzente zu setzen. kationsbotschaft, die oftmals überraschend und einzigartig ist Die Audi AG bricht beispielsweise alle Konventionen und und sich somit vom Gros der klassischen Kommunikation diffe- präsentiert den neuen A8 auf der Messe Design Miami in einem renziert. Messen, Kongresse und Events bieten aufgrund ihres vergrößerten Wohnzimmerambiente im Maßstab 48:1. Die Bot- Ereignischarakters, ihrer Materialität sowie ihrer Interaktivität schaft ist klar: Eingerahmt von Designermöbeln und -objekten die ideale Plattform für eine multisensorische Inszenierung von wird das Automobil nicht mehr nur als Fortbewegungsmittel Produkten und Dienstleistungen und somit die Grundlage zur wahrgenommen, sondern vor allem als Designobjekt. Audi spielt Schaffung einer „emotional selling proposition“. dabei mit den Reizen des Abnormen, des Überraschenden und Eingebettet ist das Instrument der Erlebniskommunikation in Ungewöhnlichen und konterkariert provozierend und somit ein- das Konzept des Erlebnismarketings (vgl. Weinberg, 1992), welches prägsam die üblichen Denkschemata. Auf diese Weise vermittelt zum Ziel hat, Waren und Dienstleistungen durch den Einsatz von die Botschaft dem Rezipienten neben technisch-funktionalen erlebnisvermittelnden Maßnahmen vom Wettbewerb abzuhe- Nutzwerten auch einen emotional-hedonistischen Mehrwert, ben. Dabei sollen sinnliche Konsumerlebnisse erzeugt werden, die der das beworbene Produkt vom Wettbewerb abgrenzt. anschließend ihre Verankerung in der Erfahrungs- und Gefühls- Ein weiteres Beispiel für besonders erfolgreiche, multisensu- welt der Konsumenten finden (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2008, S. ale Erlebniskommunikation stellt der Golf Kongress der Volkswa- 113 ff.). Typischerweise werden dabei durch ein Erlebnis konkrete gen AG im Jahr 2008 in Berlin dar. Eine temporäre Eventlocation Werte vermittelt, wie Hedonismus, Genuss, Ästhetik oder auch für mehr als 10.000 Besucher vermittelte auf über 100.000 qm Nostalgie. Erlebnismarketing bedient sich des gesamten absatz- Veranstaltungsfläche die Kernbotschaft der Markteinführung politischen Instrumentariums (wie z. B. erlebnisorientiertes Ver- des Golf V: „Wertigkeit neu erleben“. Die Inszenierung umfasste packungs- und Produktdesign, erlebnisbetonte Gestaltung der eine breite Palette an aufeinander abgestimmten Reizen für Einkaufsstätte oder auch erlebnisorientierte Verkaufsgespräche), sämtliche menschlichen Sinne. Hierdurch wird erlebbar, dass um einen „Erlebnismix“ für die Zielgruppe zu kreieren. Aber der man Wertigkeit sehen, fühlen, riechen und auch schmecken Hauptfokus liegt jedoch seit jeher auf der Kommunikation. kann. Durch das tatsächliche Erleben der Botschaft wird diese Die Erlebniskommunikation unterscheidet sich von im Bewusstsein der Besucher stark verankert. gewöhnlichen Kommunikationsinstrumenten insofern, als Die Vollendung multisensorisch-interaktiver Erlebniskom- stets ein hoher Grad an Emotionalisierung vorhanden ist. Dazu munikation im Automobilbereich stellen Markenwelten, brand soll die Botschaftsvermittlung, also der Kommunikationspro- lands, dar. Das prominenteste Beispiel in Deutschland ist zwei- zess an sich, von den Rezipienten tatsächlich als „erlebt“ emp- felsohne die BMW-Welt in München, die jährlich über zwei Mil- funden werden. Dadurch verschmelzen Botschaft, Emotionen lionen Besuchern die Markenbotschaft auf eindrucksvolle Art und Erlebnisvermittlung im Rahmen der Erlebniskommuni- und Weise vermittelt. Schon allein die Architektur des Gebäudes seite 14
Mai 2011 Wissen Architektur als Markenbotschafter in der BMW-Welt München: Interaktive Gestaltungselemente lassen den Besucher zu einem Bestandteil der Inszenierung werden. ist ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zur klassischen Kommunikationsinstrumentes hängt folglich maßgeblich von Markenpräsentation. Diese Einzigartigkeit setzt sich im Inneren der Botschaft ab und nicht umgekehrt. fort. Durch eine Vielzahl von interaktiven Gestaltungselemen- 2. Derartige Botschaften sind in Geschehnisse oder Geschich- ten wird der Besucher zu einem Bestandteil der Inszenierung. ten einzubetten sowie emotional aufzuladen. Auf diese Art und Rezipienten werden durch „Erleben“ in eine Art Flow-Zustand Weise können Waren und Dienstleistungen, die per se nur rein versetzt, welcher die Aufnahme der Markenemotionen bewirkt. technisch-funktionalen Nutzen leisten, durch einen ganzheit- Das Ziel ist letztendlich die Schaffung und Verankerung eines lichen Symbolwert angereichert werden. Dieser wird dann oft positiven, intensiven und nachhaltigen Markenerlebnisses, um bei der Einstellungs- und Präferenzbildung den entscheidenden langfristig entsprechende Gefühls- und Wissensassoziationen Ausschlag geben. zu ermöglichen. 3. Schließlich müssen Unternehmen dafür sorgen, dass Erleb- niskommunikation auf strategischer Ebene mit den Dimensio- nen der Markenführung abgestimmt ist. Aufgrund der dualen „Rezipienten werden durch ‚Erleben‘ in Funktion von Marken zur Selbst- und Fremdbildgestaltung muss eine Art Flow-Zustand versetzt, zur stets darauf geachtet werden, dass die Erlebniskommunikation zu Kunden und Mitarbeitern Werte transportiert, die im Ein- Aufnahme der Markenemotionen.“ klang zu den Facetten des Markenbildes stehen. Anderenfalls droht eine Verwässerung des Markenkerns und damit einher- Die erfolgreiche Umsetzung stellt eine anspruchsvolle Auf- gehend eine unklare Markenpositionierung. gabe dar. Damit die Mittel und Ressourcen für Erlebniskommu- nikation signifikante Reichweiten- und Penetrationseffekte bei den Zielgruppen erzeugen können, sind drei Erfolgsfaktoren Weiterführende Literatur: bei der Planung, bei der Umsetzung und dem Controlling von erlebnisorientierter Kommunikation zu berücksichtigen: Bauer, Hans H. / Heinrich, Daniel / Samak, Michael 1. Keine Kommunikation ohne konkrete Botschaft. Unter- (erscheint 2011): Erlebniskommunikation, nehmen sollten nicht dem Trugschluss unterliegen, dass spek- Springer Verlag, Heidelberg. takuläre Events allein der Schlüssel zum Erfolg sind. Zwar errei- Kilian, Karsten (2008): From Brand Identity to Audio Branding, in: chen derartige Inszenierungen durch massenmediale Verbrei- Bronner, Kai / Hirt, Rainer (Hrsg.), Audio Branding – Brands, tung oftmals eine große Öffentlichkeit, fehlt es jedoch an einer Sound and Communication, Fischer Verlag, München. konkreten Botschaft, verpufft der Aufmerksamkeitseffekt eben- Kroeber-Riel, Werner / Weinberg, Peter (2008): so schnell, wie er aufgetreten ist. Unternehmen müssen sich Konsumentenverhalten, Vahlen Verlag, München. daher schon im Vorfeld im Klaren darüber sein, welche Kern- Weinberg, Peter (1992): Erlebnismarketing, botschaft übermittelt werden soll. Die anschließende Auswahl, Vahlen Verlag, München. Planung und Umsetzung eines geeigneten erlebnisorientierten seite 15
Wissen Interview mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Autoland Deutschland – mit Vollgas in die Zukunft In den Jahren 2008 und 2009 war die deutsche Automobilindustrie in die tiefste Krise ihrer 125-jährigen Geschichte geraten. Einst blühende schwäbische Landschaften drohten zu veröden. Mit Abwrackprämien und großzügigen Kurzarbeiterregelungen musste insbesondere die Zulieferindustrie am Leben gehalten werden. Pessimisten malten ein finsteres Zukunftsbild. Inzwischen hat die Branche wieder festen Boden unter den Füßen. Die Beulen der Krise sind längst vergessen und es ist sogar schon wieder von Lieferengpässen die Rede. Selbst die bereits totgesagte Marke Opel soll in diesem Jahr wieder die Gewinnschwelle erreichen. m:convisions sprach mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), über den Automobilstandort Deutschland. Produktpräsentation für alle Sinne: Neue Modelle werden nicht einfach nur gezeigt, sondern erlebbar gemacht – wie hier auf dem Autosalon in Genf. seite 16
Mai 2011 Wissen Herr Wissmann, selbst Experten sind von der schnellen Erholung will das nutzen und baut eine eigene Passat-Version für diesen der deutschen Automobilindustrie überrascht. Wie erklären Sie Markt. Es ist zwar erfreulich, dass deutsche Autos in der gan- sich die Entwicklung? Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften zen Welt hohe Anerkennung und Wertschätzung erfahren, aber haben in der Krise gut zusammengearbeitet. Deswegen hat birgt diese Exportabhängigkeit nicht auch Gefahren? Die globale Deutschland die Rezession so gut gemeistert wie kaum ein ande- Ausrichtung der deutschen Automobilindustrie ist eine wesent- res Land. Die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft liche Ursache für ihren Erfolg. Diese Exportstärke beflügelt das nach der Krise gründet insbesondere auf unserer starken Indus- deutsche Wirtschaftswachstum, generiert Steuereinnahmen trie und ihren international gefragten Produkten. Die deut- und schafft Arbeitsplätze. Die bisherigen Erfahrungen zeigen: sche Automobilindustrie exportiert drei Viertel ihrer im Inland Drei neue Arbeitsplätze im Ausland sichern oder schaffen einen gebauten Pkw, deswegen konnte sie von der Erholung auf den Job bei uns. Unser internationaler Erfolg stabilisiert also auch Weltmärkten besonders profitieren. Dazu kommt, dass wir auch das Inland. Die deutschen Hersteller sind auf allen wichtigen in Krisenzeiten weiter massiv in Forschung und Entwicklung Märkten der Welt vertreten, deswegen ist klar: eine Versorgung investiert haben, jährlich rund 20 Milliarden Euro. Außerdem allein durch Exporte aus den heimischen Werken kann nicht haben wir unsere Stammbelegschaften nahezu stabil gehalten. der einzige Weg sein. Die Produktion an den Auslandsstandorten Diese strategischen Entscheidungen waren die maßgeblichen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Export und Präsenz in den Voraussetzungen, um schneller aus der Krise herauszufahren Wachstumsregionen sind nicht ein „Entweder-oder“, sondern als unsere Wettbewerber. ein „Sowohl-als-auch“. China ist inzwischen der weltgrößte Automobilmarkt. 80 Prozent „Drei neue Arbeitsplätze im des Aufschwungs erklärt sich durch das Wachstum in diesem Markt. Die Chinesen sind dafür bekannt, schnell zu lernen und Ausland sichern oder schaffen gut kopieren zu können. Wie lange wird es dauern, bis man dort einen Job bei uns.“ seine Autos selbst baut und auf teure Importe verzichtet? Der chinesische Automarkt wird mittelfristig weiter stark wachsen. Damit nimmt auch die Bedeutung Chinas als Absatzmarkt für Im Jahr 2010 machte der Export der deutschen Wirtschaft rund deutsche Autos stetig zu. Denn China sowie der gesamte asiati- 46 Prozent aus. Der Exportüberschuss der deutschen Automo- sche Raum haben bei der individuellen Mobilität noch großes bilindustrie – und zwar von Herstellern wie Zulieferern – reprä- Potenzial. Während derzeit in Westeuropa rund 500 Autos auf sentiert zwei Drittel davon. Insbesondere in China ist die Nach- 1.000 Einwohner kommen, sind es in Indien nur 11, in China 23. frage groß. Aber auch die USA ziehen wieder an. Volkswagen Insbesondere die Nachfrage nach Premiumfahrzeugen nimmt überproportional zu. Davon profitieren vor allem die deutschen Unternehmen, denn rund 80 Prozent der Premiumfahrzeuge, die in China verkauft werden, sind deutsche Marken. Insge- samt zählt fast jedes fünfte Auto, das in China neu zugelassen wird, zu einer deutschen Konzernmarke. Und auch die deut- Matthias Wissmann wurde 1949 im schen Zulieferer sind in China schon stark präsent. Bei ihren baden-württembergischen Ludwigsburg Tochtergesellschaften, Joint Ventures und Beteiligungsbetrie- geboren. Der Jurist war 1993 Bundesmi- ben arbeiten knapp 50.000 Mitarbeiter. China gehört mit 140 nister für Forschung und Technologie Fertigungsstätten bereits zu den wichtigsten Produktionslän- und von 1993 bis 1998 Bundesminister für dern deutscher Zulieferer. Verkehr. Im Juni 2007 schied er als CDU- Abgeordneter aus dem Bundestag aus und Die Endlichkeit fossiler Energieträger, der weltweit steigende ist seitdem Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Energiebedarf und die rasant wachsenden Märkte erfordern Im VDA, der seit 1946 besteht, sind über 600 Automobilhersteller alternative Antriebe. Bundesverkehrsminister Ramsauer hat und Zulieferunternehmen organisiert. Als Vertreter der Schlüssel- für das Jahr 2020 das Ziel ausgegeben, mindestens eine Mil- branche der deutschen Wirtschaft, in der inzwischen jeder siebte lion Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen. Ist Arbeitnehmer tätig ist, nimmt Wissmann die Interessen der PS- dieses Ziel realistisch? Das ist ehrgeizig, aber machbar. Aller- Branche wahr und steht in regem Dialog mit Industrie, Öffentlich- dings nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hier keit, Politik und Kunden, beispielsweise auch als Veranstalter der sind finanzielle und steuerliche Impulse, verkehrsrecht- weltweit größten Automobilmesse, der Internationalen Automobil- liche Anreize und infrastrukturelle Anpassungen denkbar. Ausstellung (IAA). Wir brauchen einen Markthochlauf ab dem Jahr 2013/14. Bis dahin ist noch einiges zu tun. So muss zum Beispiel seite 17
Wissen der Kostenabstand zwischen Elektroautos und Fahrzeugen Herausforderung bleibt nach wie vor der Aufbau einer ent- mit Verbrennungsmotor kleiner werden, damit auch das sprechenden Infrastruktur. Elektroauto für den Kunden bezahlbar wird. Klar ist aber auch: Bei aller Popularität des Elektromotors, die deutsche Bei der Entwicklung von Elektroautos sind uns andere Nationen Automobilindustrie setzt nicht nur auf diese Karte, sondern wie Frankreich voraus. Nun investiert BMW 400 Millionen in verfolgt eine intelligente Fächerstrategie, die die weitere den Ausbau seines Leipziger Werks für die Serienfertigung von Optimierung des Verbrennungsmotors ebenso vorantreibt Elektroautos. Warum erst jetzt? Wir sehen die Entwicklung wie die Entwicklung von Elektro-, Hybrid- und Brennstoff- der Elektromobilität als einen Marathonlauf: Es geht nicht zellenfahrzeugen. Wie ist der Entwicklungsstand bei der Wasserstofftechnologie „Der Kauf eines neuen Autos ist nicht und der Brennstoffzelle? Ist der Verbrennungsmotor ein Aus- allein eine rationale Entscheidung, laufmodell? Im Gegenteil: Wir rechnen beim Verbrennungs- motor in den nächsten zehn Jahren noch mit einer Kraftstoff sondern hat immer auch einsparung von bis zu 25 Prozent durch kleinere Motoren, hohe eine emotionale Komponente.“ Aufladung und Direkteinspritzung. Und natürlich hat auch die Wasserstofftechnologie erhebliches Potenzial, erste Seri- darum, wer als Erster losläuft, sondern wer als Erster die Ziel- enfahrzeuge gibt es bereits. Der Vorteil des mit Wasserstoff linie erreicht. Klar ist, alle unsere Hersteller nehmen hohe betriebenen Elektromotors ist seine große Reichweite. Eine Investitionssummen in die Hand, um das Thema Elektromo- Volkswagen auf einer Automobilausstellung in China: Der internationale Markt ist für deutsche Fahrzeugbauer entscheidend. seite 18
Mai 2011 Wissen bilität voranzutreiben. Die deutsche Automobilindustrie, also genheit, neue Modelle, die gerade erst auf den Markt kommen, Hersteller und Zulieferer, werden in den kommenden drei bis zu fahren. Die Innovationsgeschwindigkeit, die sich gerade bei vier Jahren 10 bis 12 Milliarden Euro in alternative Antriebe den zahlreichen neuen Assistenzsystemen zeigt, ist sehr beein investieren. McKinsey hat jüngst eine Studie zum Elektroau- druckend. Autofahren wird damit noch sicherer. to erstellt. Das Ergebnis ist hochinteressant: Wenn es um die Entwicklung von Pilotfahrzeugen geht, haben die deutschen Und Sie haben bei der Verkehrssituation auf unseren Straßen Hersteller die Nase vorn. Mehr noch: Sie bauen ihren Vorsprung tatsächlich noch Spaß am Autofahren? Die Landstraßen sind kontinuierlich aus. Erste Kleinserien sind schon auf der Straße. regelrechte Schlaglochparcours, und auf der rechten Autobahn- Für Großserien haben wir eine besonders hohe Messlatte, denn spur reiht sich Lkw-Stoßstange an Lkw-Stoßstange. Apropos, auch bei Elektroautos wollen wir bei Qualität, Sicherheit und was ist eigentlich aus den Bemühungen geworden, den Güter- Komfort höchsten Ansprüchen genügen. verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern? Einspruch! Die Bundesstraßen gerade in den neuen Bundesländern sind Im März fand in Genf der internationale Autosalon statt. Bemer- in sehr gutem Zustand, das gilt auch für die Autobahnen. Der kenswert war, dass eine erstaunlich große Zahl an Cabriolets Aufbau Ost hat hier Wirkung gezeigt. Und wer die A 9 von Berlin und Coupés vorgestellt wurde. Als Besucher spürte man wieder Richtung Nürnberg fährt, hat keine Schwierigkeiten mit den etwas von der „Faszination Auto“. Können Sie diesen Eindruck Brummis – der Verkehr ist flüssiger, als von vielen vermutet, bestätigen? Entgegen mancher Unkenrufe ist der Wunsch die sonst meist mit dem Zug oder dem Flugzeug nach Berlin der Menschen nach individueller Mobilität und Freiheit und reisen. Zum Thema Schiene – Straße: Es geht nicht darum, einen damit nach dem eigenen Auto nach wie vor sehr ausgeprägt, Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen. Im Gegenteil: nicht nur in China und den Schwellenländern, sondern auch Um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können, bei uns in Europa. Der Kauf eines neuen Autos ist nicht allein brauchen wir ein gutes Ineinandergreifen aller Verkehrsträger. eine rationale Entscheidung, sondern hat immer auch eine Der Güterverkehr wird langfristig deutlich wachsen, die Prog- emotionale Komponente, das neue Automobil soll seinem Fah- nosen liegen bei bis zu 70 Prozent in den kommenden 20 Jahren. rer Freude bereiten, für manche ist das jeweilige Modell auch Vernetzung und Effizienz müssen deswegen in jedem Lastenheft Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Wer am Markt erfolgreich sein für die Optimierung des Verkehrssystems ganz oben stehen. Wir will, muss also Emotionen wecken – mit wegweisendem Design brauchen mehr Effizienz, mehr Infrastruktur pro Euro. Hier und Komfort, mit anspruchsvollster Qualität und mit inno- sollten Möglichkeiten für staatliche Gemeinschaftsprojekte, sogenannte Public-private-Partnerships, noch mehr genutzt werden. Und schließlich wäre der Infrastruktur am meisten „Um den Herausforderungen der gedient, wenn die Einnahmen aus der Lkw-Maut tatsächlich Zukunft begegnen zu können, auch für diesen Verkehrsträger genutzt würden. brauchen wir ein gutes Ineinander Vom 15. bis 25. September 2011 findet in Frankfurt die 64. Inter- greifen aller Verkehrsträger.“ nationale Automobil-Ausstellung (IAA) statt. Als Veranstalter wissen Sie sicherlich schon, welche Trends bei der Messe aufge- vativen Assistenzsystemen. Aber natürlich schaut der Kunde zeigt werden. Wird es neue Formate geben? Was kommt nach auch auf seine Tankrechnung und sucht daher ein Fahrzeug dem SUV (Sport Utility Vehicle beziehungsweise Geländelimou- mit weniger Verbrauch und niedrigeren CO2-Emissionen. Mit sine)? Die IAA ist die weltweit wichtigste Mobilitätsmesse, sie diesem Gesamtpaket zu überzeugen – das ist die Stärke der ist Publikumsmagnet und politische Kommunikationsplattform. deutschen Marken. Ihr Marktanteil im Inland liegt schon über So gut wie alle großen internationalen Hersteller werden aus- Jahre hinweg bei sehr hohen 70 Prozent, in Westeuropa sind es stellen, auf keiner Messe sehen die Besucher mehr Innovatio- nahezu 50 Prozent. Offensichtlich treffen also die deutschen nen. All das macht die IAA zur internationalen Leitmesse im Hersteller mit ihrer Modellpolitik den Geschmack des Kunden Bereich des Automobils und Verkehrs. Zahlreiche Neuheiten in vielen Ländern. bei klassischen und alternativen Antrieben werden zu sehen sein. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der Eine persönliche Frage: Was sind Sie selbst für ein Autofahrer? Elektromobilität. Erstmals wird das Thema in einer eigenen Ich fahre gern Auto. Bei kürzeren Entfernungen und schönem Halle aufbereitet. Hier kann der Besucher Elektromobilität zum Wetter nehme ich aber meist das Fahrrad oder geh auch mal zu Anfassen erfahren, branchenübergreifend und entlang der Fuß, bei Regen bin ich mit einem CO2-freundlichen Clean-Diesel gesamten Wertschöpfungskette. aus der Kompaktklasse unterwegs. In meiner Eigenschaft als VDA-Präsident stehen mir die Premiumfahrzeuge unserer Her- steller zur Verfügung. Und ab und zu nutze ich auch die Gele- seite 19
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Mai 2011 Wissen „Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn wertlos.“ Die Illusion vom bewussten Kaufen Warum kaufen wir, was wir kaufen? Die Antwort auf diese Frage suchen Marktforscher und Marketingexperten seit einigen Jahren im Neuromarketing. Denn während wir uns für ein Produkt entscheiden, spielen sich komplexe Abläufe im Gehirn ab. Methoden aus der psychologischen und neurophysiologischen Forschung sollen Unternehmen helfen, diesen auf die Spur zu kommen. Einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet ist der Diplom-Psychologe und Unternehmensberater Dr. Hans-Georg Häusel. Er erteilt allen Illusionen, unsere Erwerbungen seien bewusst und vernunftgesteuert, eine klare Absage. Bis vor wenigen Jahren herrschte in der Gehirnforschung die Meinung vor, das Großhirn (Neokortex) sei der dominante Fak- tor für Entscheidungen. Auch das Konsumverhalten, so dachte man, sei geprägt von Logik. Bestimmen rationelle Überlegungen über objektive Vor- und Nachteile, wie zum Beispiel das Preis- Leistungs-Verhältnis, welches Produkt wir auswählen? „Nein“, sagt Dr. Hans-Georg Häusel, Vorstand der Nymphenburg Consult AG aus München. „Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für Dr. Hans-Georg Häusel. das Gehirn wertlos.“ Er ist überzeugt: Das Der Diplom-Psychologe ist Autor mehrerer Standardwerke über emotionale Zentrum im Neuromarketing und einer der wichtigsten Pioniere in Deutschland Gehirn ist viel bedeutender, auf diesem Gebiet. Seine Studien bestätigen, was in der Gehirnfor- als bisher angenommen. schung auch als „emotionale Wende“ bezeichnet wird: Das limbische System, das emotionale Zentrum im Gehirn, ist viel bedeutender für unsere Entschlüsse, als bislang angenommen. Häusel: „Mittlerweile gesagt: Wenn ich mit meinem dicken Mercedes in die Garage ist nachgewiesen, dass Kunden ihre Entscheidungen in über 70 fahre, kann ich meinem Nachbarn wunderbar zeigen, dass er Prozent der Fälle unbewusst treffen. Und auch die bewussten 30 ein Loser ist“, erklärt Häusel mit einem Augenzwinkern. Prozent sind längst nicht so frei, wie wir selbst denken.“ Die Entscheidung über Sportwagen oder Familienkutsche erscheint besonders geeignet, um den neuen emotionalen Ansatz Das Auto – so emotionalisierend wie kein anderes Produkt in der Gehirnforschung zu verifizieren. Die ersten Tests mit neu- rologischen Methoden unternahmen Autohersteller am Anfang Wohl kein Produkt ruft so viele Emotionen hervor wie ein Auto- des Jahrtausends – und scheiterten. Der Münchener Psychologe: mobil. „Ein Auto ist ein emotionales, multisensorisches Gesamt- „Mit einem Hirnscanner wurde die Akzeptanz verschiedener werk“, erklärt Häusel. Die Formen des Wagens stimulieren uns Automobiltypen gemessen.“ Das wenig überraschende Ergebnis: optisch, wir setzen uns in bequeme Sportsitze, ertasten das feine Ein Sportwagen aktivierte das Belohnungszentrum viel stär- Leder des Lenkrads, riechen die Materialien im Innenraum und ker als ein Van. „Man versuchte daraufhin, aus verschiedenen lauschen dem kraftvollen Spiel der Kolben im Motorraum. „Dazu Designvarianten die attraktivste herauszufiltern. Dafür war kommt, dass ein Auto einen besonders hohen sozialen Kommu- aber die Methode viel zu grob. Ein Hirnscanner nivelliert alle nikationswert besitzt. Für viele Menschen sind Individualität Persönlichkeitsunterschiede dramatisch“, erklärt Häusel. Den und Status sehr bedeutend. Die Phänomenologie des Autos spielt Scanner auf solche Unterschiede abzustimmen, sei allein aus eine Schlüsselrolle, um diese Werte auszudrücken. Vereinfacht Kostengründen nicht praktikabel, so der Experte. seite 21
WISSen Abenteuer / Thrill Impulsivität Rebellion Extravaganz Mut Sieg Stimulanz Kreativität Risikofreude Jagd Raufen Dominanz Kampf Macht Individualismus Spontanität Autonomie Ruhm Kunst Sexualität männlich Abwechslung Freiheit Elite Durchsetzung Status Spaß h Stolz Leistung Spiel Neugier iblic Ehre Effizienz Humor Fleiß Ehrgeiz t we Leichtigkeit Funktionalität Hartnäckigkeit Fantasie alitä Toleranz Ordnung Logik Präzision Genuss Offenheit Fa n Gerechtigkeit Disziplin le Flexibilität Pflicht Sexu Träumen Poesie Moral rol t as Freundschaft Gehorsamkeit Herzlichkeit Hygiene nt /G Askese o ie Sinnlichkeit Treue Sauberkeit /K Vertrauen Familie e nu Geselligkeit Bindung Sparsamkeit n ss Fürsorge Heimat Geborgenheit Verlässlichkeit ipli Natur Gesundheit Nostalgie Sicherheit Tradition Qualität Disz Balance Quelle: Gruppe Nymphenburg Consult AG Erfolgreicher anzuwenden sind laut Häusel Versuche, die mit ben sich somit insgesamt sechs Felder von Beweggründen: Balan- Elektroenzephalografie (EEG) arbeiten. Ein EEG zeichnet die ce, Kontrolle, Dominanz, Abenteuer, Stimulanz und Fantasie. Spannung an der Kopfoberfläche auf und misst so die elektrische Analysiert man alle Werte des Menschen, dann haben diese Aktivität im Gehirn. „In der Automobilbranche werden etwa einen festen Platz im Emotionsraum im Gehirn. Diese zerebrale Werbefilme mit solchen biopsychologischen Methoden getestet. Landkarte der Emotionen bezeichnet Häusel als „Limbic Map“. So kann man beispielsweise herausfinden, welche Stellen in In diesem Emotions- und Motivraum fallen alle Kaufentschei- einem Spot kritisch rezipiert werden.“ dungen eines Kunden. „Kunden unterscheiden sich, jeden prägt ein eigenes Motiv- Menschen betrachten Botschaften und Emotionssystem im Gehirn. Die meisten haben einen mehr durch ihre Motivationsbrille oder weniger deutlichen Schwerpunkt in einem der Felder“, so Häusel. Ein Konsument betrachtet also eine Botschaft nicht Um die Stimulanzwirkung eines Produkts zu bewerten, eignen objektiv, sondern immer durch die Brille seines persönlichen sich weder der Hirnscanner noch das EEG. Häusel und seine Motiv- und Emotionsfokus. Verkaufsargumente sind dann erfolg- Kollegen haben daher ein komplexes Motiv- und Entscheidungs- reich, wenn sie genau diesen Schwerpunkt ansprechen. Der modell entwickelt, das sowohl in seiner wissenschaftlichen Psychologe führt aus: „Gerade für das Marketing ist es wichtig, Fundierung als auch in seiner Praktikabilität für die Marke- Argumente so individuell wie möglich auf den Kunden zuzu- tingpraxis nach eigener Aussage einzigartig ist: „Limbic“. Das schneiden. Beispielsweise ist für einen ‚Performer‘ mit einer Modell basiert auf einem Ansatz, der die neuesten Erkenntnisse starken Ausprägung des Dominanzsystems ein Produkt dann der Hirnforschung, der Psychologie, der Evolutionsbiologie mit attraktiv, wenn es ihm einen Wettbewerbsvorteil einbringt oder empirischer Konsumforschung verknüpft. „Limbic“ geht von seiner Karriere nutzt. Argumente wie ‚Das verschafft Ihnen der Prämisse aus, dass neben den Vitalbedürfnissen Sexuali- einen uneinholbaren Vorsprung‘ oder ‚Ein exklusives Angebot tät, Nahrung und Schlaf drei Emotions- und Motivfelder das nur für Sie‘ sprechen diesen Gehirntypen an.“ Denken und Handeln des Kunden bestimmen. Diese „Big Three“ sind: „Balance“, also der Wunsch nach Sicherheit, Stabilität und Alter und Hormone prägen die Denkweise Ordnung, „Dominanz“, das Streben nach Macht, Status oder Durchsetzung und schließlich „Stimulanz“, die von Neugier, Die Theorie überzeugt, aber wie sieht es mit der praktischen Erlebnishunger sowie Kreativität geprägt ist. Umsetzung dieser Erkenntnisse aus? Relativ einfach ist es, wenn Für jeden dieser drei Emotions- und Motivbereiche lassen man die Zielgruppe anhand des Geschlechts definieren kann. sich entsprechende Gehirnregionen und Nervenbotenstoffe Denn Männer werden auf andere Weise erfolgreich angespro- nachweisen. Mit den Kombinationen aus den „Big Three“ erge- chen als Frauen – wobei Ausnahmen stets die Regel betonen. seite 22
Mai 2011 Wissen „Jedes Geschlecht unterliegt dem Einfluss von Sexualhormonen. Diese haben eine enorme Wirkung auf die Motiv- und Emotions- systeme im Gehirn, sie beeinflussen die Art des Entscheidens“, so Häusel. Das Blutbild von Männern weist eine wesentlich höhere Konzentration von Testosteron auf. Das Hormon steht in direktem Zusammenhang mit den Persönlichkeitsmerkmalen Aggression, Ungeduld und Machtstreben. Zwar ist Testosteron auch im weiblichen Körper zu finden – allerdings in wesentlich schwächerer Konzentration. Häusels Schlussfolgerung: Männer reagieren eher auf Argumente, die auf Kontrolle und Dominanz bauen, während Frauen eher auf das Motiv Balance, also Sicher- heit, Stabilität und Harmonie, ansprechen. Auch das Alter spielt eine entscheidende Rolle für die erfolg- reiche Ansprache. Häusel: „Einen 30-jährigen Kunden über- zeugen ganz andere Argumente als einen 60-jährigen.“ Denn das Gehirn durchläuft gravierende Änderungen im Laufe der Jahre. Das Dominanzhormon Testosteron und der Stimulanz- neurotransmitter Dopamin nehmen mit dem Alter stark ab. Neugier und Risikobereitschaft lassen nach, Status wird weni- ger wichtig. Dafür wächst das Bestreben nach Sicherheit und Zuverlässigkeit. „Die Erkenntnisse der Gehirnforschung hel- fen, noch näher und besser an den Kunden heranzukommen – durch die richtigen Emotionen, durch die richtige Sprache und durch eine genauere, gehirnbasierte Zielgruppenselektion“, fasst Häusel zusammen. Trennung von bewussten und unbewussten Motivationen nicht sinnvoll Welche Rolle spielen bei so viel emotionaler Motivation dann überhaupt noch rationelle Gründe? „Natürlich gibt es auch funk- tionale Randbedingungen. Ein Familienvater mit zwei Kindern und einem Hund wird sich keinen Sportwagen kaufen“, sagt Neuromarketing sprechen“, sagt Häusel. Was aber nicht daran Häusel. „Aber auch hinter scheinbar bewussten Entscheidungen, liegt, dass die Bedeutung des Ansatzes geringer werden wird. Im wie der Anschaffung eines Wagens mit niedrigem Verbrauch, Gegenteil: „Die Erkenntnisse der Hirnforschung für das Marke- stecken Emotionen. Das durch die geringen Benzinkosten ein- ting zu nutzen, wird zur Selbstverständlichkeit werden“, ist gesparte Geld ist schließlich auch ein Lustprovider.“ Man könne sich Häusel sicher. zwischen bewussten und unbewussten Motiven nicht sinnvoll trennen, meint Häusel. Die Erkenntnisse des Neuromarketings werden mehr und mehr in die Gesamtstrategien der Automobilhersteller imple- mentiert. Der Unternehmensberater: „Dass das Unbewusste Weiterführende Literatur: einen großen Einfluss auf das Konsumverhalten hat, ist mitt- lerweile nicht nur in den Marketingabteilungen angekommen, Häusel, Hans-Georg: sondern auch bei den Ingenieuren.“ Eine Revolution löse Neu- Think Limbic! Die Macht des Unbewussten verstehen und nutzen romarketing aber nicht aus. Vieles, was man schon lange wusste, für Motivation, Marketing, Management, Freiburg: Haufe, 2005, sei durch das Neuromarketing vielmehr bestätigt worden, so 4. Auflage (Sonderausgabe). Häusel. Die neuen Methoden helfen vor allem auch, Fehler zu Häusel, Hans-Georg: vermeiden. „Die Qualität des Marketings der deutschen Automo- Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenfüh- bilhersteller ist dementsprechend heute sehr gut“, findet Häusel. rung, Werbung und Verkauf, Freiburg: Haufe, 2007. Wie sieht er die Zukunft des Neuromarketings in der Auto- www.nymphenburg.de/limbic.html mobilbranche? „Man wird in fünf Jahren gar nicht mehr von seite 23
Wissen Zielgruppen haben ausgedient: Wer heute etwas verkaufen will, muss den Menschen und dessen Lebenswelt ganzheitlich betrachten. seite 24
Mai 2011 Wissen SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg über Automobilmarketing „Das Auto ist weltweit Ausdruck der Persönlichkeit“ Ob BMW, Honda, Mercedes-Benz oder Peugeot – fast alle großen Automobilhersteller sind Kunden der Marktforschungs gesellschaft SIGMA. Die Mannheimer Berater haben ein spezielles ganzheitliches Modell entwickelt, um Verbraucherverhalten zu analysieren und Zielgruppen zu bestimmen, die SIGMA Milieus. Es setzt nicht erst beim Autokäufer, sondern bereits bei des- sen Lebensstil und Wertorientierungen an. m:convisions befragte SIGMA-Geschäftsführer Carsten Ascheberg zu den Trends beim Automobilmarketing, den Besonderheiten des Autos als Produkt und zur Mobilität der Zukunft. Was ist das Besondere an Ihrem Forschungsansatz der sozialen Auto planen, erreicht es nach drei bis fünf Jahren den Markt, ist Milieus? Der Milieuansatz erscheint auf den ersten Blick sehr dann drei bis fünf Jahre im Neuwagenmarkt und nochmals zehn komplex. Doch die klassische Einteilung nach Geschlecht, Alter, Jahre im Gebrauchtwagenmarkt. Das heißt, sie müssen einen Bildung hilft nicht weiter, auch wenn sich damit Zielgruppen Horizont von 20 Jahren übersehen. Und das in den ersten zehn scheinbar präzise beschreiben lassen. Alle Engländer zwischen Jahren präzise, denn hier kostet jede Entscheidung Milliarden. 50 und 60, sehr reich, verheiratet, mit erwachsenen Kindern – das klingt nach einer scharfen Zielgruppe. Das Problem: Der eine Lässt sich ein Horizont von 20 Jahren wirklich überblicken? 20 ist Prinz Charles, der andere Ozzy Osbourne. Mit den SIGMA Mili- Jahre klingen zunächst nach „in die Glaskugel schauen“. Doch eus hingegen nehmen wir den ganzen Menschen, seine Identität die Welt dreht sich, wenn es um Mobilitätsbedürfnisse geht, ver- und seine lebensweltlichen Werteorientierungen in den Blick. gleichsweise langsam. Zum einen ist die Innovationsgeschwin- digkeit bei den Antrieben nicht hoch. Jede Innovation impliziert immer auch das entsprechende Versorgungssystem, zum Beispiel beim E-Auto ein flächendeckendes Netz zur Stromversorgung. Carsten Ascheberg, geschäftsführender Zum anderen wird es auch in den nächsten 20 Jahren keine Gesellschafter der SIGMA Gesellschaft echten Alternativen zum Individualverkehr geben. Die Ent- für internationale Marktforschung und scheidungen dafür sind bereits gefällt: Es wird derzeit weder Beratung. signifikant mehr in den öffentlichen Personennahverkehr noch in Hochgeschwindigkeitszugnetze oder Flugverkehr investiert. Das Auto übt auf viele eine ungeheure Faszination aus. Was ist das Besondere an diesem Produkt? Ein Auto ist ein unglaubli- cher Kraftverstärker. Es vergrößert den eigenen Wirkungsraum Wie kam die Spezialisierung von SIGMA auf Automarken zustande? enorm, das fasziniert bereits kleine Kinder. Allerdings sind die Der Milieuansatz funktioniert in allen Märkten, in denen es um jetzt nachwachsenden Generationen längst nicht mehr so faszi- Identitätsangebote geht. In dem Moment, wo ästhetische Kom- niert vom Auto wie noch die Generation der 40- bis 50-Jährigen. ponenten eine Rolle spielen, trennen die Milieus scharf. So sind Sie erleben eine andere Art der Entgrenzung von Raum und Zeit, sich die Menschen bewusst darüber, dass ein Auto Ausdruck der die der virtuellen Kommunikation. Die Altersgruppe der 15- bis Persönlichkeit ist. Und das gilt weltweit. Die Automobilindus 25-Jährigen sieht sogar, dass die beiden Konzepte von grenzen- trie musste schon frühzeitig konsequent international denken. loser Mobilität, die virtuelle und die reale, sich anfangen zu Unser Modell spielt seine Stärke vor allem bei internationalen widersprechen. Wer Auto fährt, ist offline, und darauf hat diese Vergleichen aus: SIGMA untersucht auf der Basis von qualitativen Altersgruppe keine Lust. Die Folge: Ein wachsender Anteil von und quantitativen Umfragen jährlich zehn europäische Märkte, jungen Leuten macht den Führerschein nicht gleich mit 18. Das aber auch zum Beispiel Russland, die USA, China und Indien Auto ist für sie nicht mehr das höchste Gut auf Erden, mit dem sie sowie weitere Emerging Markets, etwa Brasilien oder Südafrika. ihre Identität anderen gegenüber sichtbar machen. Stattdessen Zudem eignet sich das Modell gut für langfristige Planungen, wie beweisen die Jugendlichen beispielsweise mit einem iPhone ihre sie in der Automobilwirtschaft üblich sind. Wenn wir heute ein Trendleadership. Und das ist ein globales Phänomen. seite 25
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