KLINIK MAGAZIN KAMPF GEGEN KREBS IM SYSTEM - " Leukämien und Lymphome " Knochenmarkspende und Stammzelltherapie - Universitätsklinikum Jena
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KLINIK MAGAZIN Das Gesundheitsmagazin am Universitätsklinikum Jena 4|2014 KAMPF GEGEN KREBS IM SYSTEM » L eukämien und Lymphome » Knochenmarkspende und Stammzelltherapie Sprechstunde Visite Ohr-Implantate bei Schwerhörigkeit Herzklappen-Operationen
Inhalt Schwerpunkt Der Leukämie den Kampf angesagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kompetenz und Kooperation für Krebspatienten. . . . . . . 6 Malignes Lymphom mit vielen Gesichtern. . . . . . . . . . . . . 8 Pilzinfektionen bei Krebspatienten im Blick . . . . . . . . . . . . An der Seite der Erkrankten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Knochenmark, das Leben rettet . . . . . . . . . . . . . 12 Was passiert bei einer Stammzelltherapie? . . . . . . . . . . . 12 Wenn Mama an Krebs erkrankt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 UKJ unterstützt Patientenselbsthilfe bei Leukämie. . . . 14 Mit der Natur heilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Forschen und Heilen MRT-Standards für die Diagnostik bei ALS . . . . . . . . . . . 24 Wie langfristig wirken Präventionsprogramme?. . . . . . 25 „Jena wird internationaler“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Menschen am Klinikum Namen und Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Was macht eigentlich … eine Audiologie-Assistentin? . . . 27 Hinter den Kulissen Patiententransporte im Minutentakt . . . . . . . . . 28 Sprechstunde Ohr-Implantate contra Schwerhörigkeit. . . . . . . . . . . . . . 16 Visite In Behandlungslücke gestoßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Durchs "Schlüsselloch" operiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Von den ersten 24 Stunden hängt alles ab . . . . . . . . . . 20 Herzklappen-OP: Großer Brustschnitt passé. . . . 22 Die Fernsehkamera im OP-Saal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Primo Loco Kalender für den guten Zweck Liebe Leserinnen & Leser, Der Förderverein des Uniklinikums hat einen Kalender für das Jahr 2015 herausgebracht. Unter dem Motto „Das Schöne unterm Mikroskop“ rund 250 Menschen erkranken jährlich sind hier ganz besondere Bilder aus der medizinischen Wissenschaft in Thüringen an Leukämie. Mediziner versammelt, die den Forschern entscheidende Informationen liefern und Wissenschaftler des UKJ kämp- – und denen zugleich eine einmalige Ästhetik innewohnt. Der fen gemeinsam gegen die Erkrankung. Kalender kann für 10,– € erworben werden (E-Mail: foerderverein@ Die Fortschritte in der Behandlung med.uni-jena.de, Tel.: 03641 9-325011, Fax: 03641 9-325012). sind groß, ebenso wichtig ist aber Der Erlös wird für Projekte des Förder eine umfangreiche Erfahrung in der vereins verwendet. Versorgung dieser Patienten. In der Hämatologie und Onkologie ist die UKJ inzwischen die viertgrößte Uniklinik in Deutschland. Die Arbeit unserer Spe- zialisten auf diesem Gebiet stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe genauer vor. Ein weiteres Thema ist eine neue, scho- nende Operationstechnik für Menschen mit einer Herzklappener- krankung. Dabei verzichten die UKJ-Herzchirurgen auf einen großen Schnitt im Brustkorb und operieren stattdessen minimal- invasiv. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat einen solchen Eingriff in diesem Jahr erstmals „live“ und in voller Länge übertra- gen: Eine TV-Premiere in Deutschland. Im Pflegebereich beschreitet das UKJ ebenfalls neue Wege. Gemeinsam mit der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena konnten jetzt 30 junge Menschen begrüßt werden, die sich für die neuen Studiengänge „Pflege“ oder „Geburtshilfe / Hebammenkunde“ entschieden haben. Mit der Akademisierung des Pflegeberufs stellt sich das UKJ den kommenden Anforderungen aus der Praxis. Umschau Auf 20 engagierte Jahre blickt in diesem Jahr der Förderverein des UKJ zurück. Die Mitglieder unterstützen zahlreiche Projekte Uniklinikum hat bald einen Klimamanager . . . . . . . . . . 30 in der Patientenbetreuung am UKJ oder in der Förderung des Pflegenachwuchs: Gesucht und gefunden. . . . . . . . . . . . 31 wissenschaftlichen Nachwuchses. Fast 150 Mitglieder zählt der Verein, der gerne auch in Zukunft weitere Förderer in seinen Rei- Für ein menschliches Klinikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 hen begrüßt. Die Kontaktdaten finden Sie in diesem Magazin. Nun Know-how aus Jena für Europaspiele in Baku. . . . . . . . 34 aber zunächst: Nichts ist besser als Muttermilch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Viel Spaß bei der Lektüre! Sepsis: Eine unterschätzte Krankheit . . . . . . . . . 36 Ihre Mosaik Besuch aus Dresden im UKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Dr. Brunhilde Seidel-Kwem Jenaer Gesundheitstag mit Schwerpunkt Familie. . . . . 37 Kaufmännischer Vorstand und Wen suchen wir?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Sprecherin des Klinikumsvorstandes Service Veranstaltungsangebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Titelbild: Ein Blick in die Station für Stammzelltransplantation am Wegweiser für Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Universitätsklinikum Jena Foto: Schroll 3
KAMPF GEGEN KREBS IM SYSTEM Leukämien und Lymphome Der Leukämie den Kampf angesagt 250 Thüringer erkranken Jahr für Jahr an Blutkrebs, viele werden am UKJ behandelt Michael Lienshöft steht voll im Leben, tation empfohlen wird. Bei einer solchen So wie Michael Lienshöft. Anderthalb als dieses vor drei Jahren urplötzlich eine Therapie werden den Erkrankten gesunde Jahre dauert es, bis für ihn ein Knochen- jähe Wendung nimmt: Der Krankenpfleger Stammzellen – entweder körpereigene markspender gefunden ist. Lienshöft aus Thüringen wird selbst zum Patienten – oder von einem passenden Spender – stimmt der Transplantation zu, obwohl die er muss selbst den Kampf gegen die Leu- übertragen. Ob ein Leukämie-Erkrankter Merkmale nicht hundertprozentig pas- kämie aufnehmen. Es waren die Kollegen eine solche Behandlung erhält, ist vor sen. Die Behandlung verläuft erfolgreich, im Krankenhaus, denen aufgefallen sei, allem abhängig vom Rückfallrisiko und obwohl sein Körper zunächst gegen die wie blass er ist, und die ihn zu einer Blut- vom Alter des Erkrankten, wie Prof. Dr. neuen Blutstammzellen ankämpft – eine untersuchung drängen, erinnert er sich. Andreas Hochhaus, Direktor der Kli- häufige Reaktion des Immunsystems auf Die Diagnose ergibt eine Leukämieform, nik für Innere Medizin II (Hämatologie die Übertragung körperfremder Stamm- die eigentlich vor allem ältere Menschen und internistische Onkologie) erläutert. zellen. „Eine solche Gefahrenphase kann erwischt. Aber sie kann eben auch junge „Das Risiko eines Rückfalls lässt sich im mehrere Monate andauern“, erläutert Menschen treffen. Lienshöft, ehemaliger Labor anhand von genetischen Markern Hochhaus. „Die Transplantierten erhal- Leistungssportler, ist bei Krebsausbruch bestimmen.“ Bei akuter Leukämie geht ten deshalb Immunsuppressiva, Medika- gerade einmal 36 Jahre alt. der Stammzellbehandlung eine Che- mente, die die körpereigenen Abwehrme- motherapie voraus, bei Vorstufen wie chanismen unterdrücken.“ In Thüringen wird die Diagnose Leukämie einer Myelodysplasie – hier ist die Aus- jährlich bei rund 250 Menschen gestellt. reifung der Blutzellen gestört – erfolgt Rebellion gegen Fremdzellen Verglichen mit Brust- oder Darmkrebs die Stammzellbehandlung in der Regel ist Leukämie damit eine weniger häu- ohne langwierige Chemotherapie. Am Manche Erkrankte reagieren jedoch auch fig auftretende Krebserkrankung. Umso UKJ, wo es eine lange Tradition von Blut- mit einer absoluten Unverträglichkeit auf wichtiger ist es für die Patienten, sich stammzelltransplantationen bei Kindern die Stammzellgabe. „Der Körper rebelliert in Kliniken behandeln zu lassen, die über gibt und die Therapiemethode 1997 für anhaltend gegen die Fremdzellen, das viel Erfahrung und wissenschaftliche Erwachsene eingeführt wurde, erhalten kann zu Entzündungen der Leber, der Haut Kompetenz beim Umgang mit Leukämie jährlich etwa 100 Patienten eine solche oder der Lunge führen“, so der Onkologe. verfügen. Lienshöft entscheidet sich für Behandlung – etwa die Hälfte ist dabei „Deshalb ist ja eine engmaschige Nachbe- eine Behandlung im Universitätsklinikum auf Stammzellen gesunder Spender treuung so wichtig.“ Leukämie-Patienten Jena, wo ihm eine Stammzelltransplan- angewiesen. benötigen auch nach der Transplantation 4 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Formen der Leukämie Leukämie (Virchow: „Weißes Blut“) ist der änderungen. Bei myeloischen Leukämien Sammelbegriff für verschiedene Erkran- sind das die Vorstufen der Erythrozyten, kungen des blutbildenden Systems. Es Thrombozyten, Granulozyten und Mono- gibt chronische und akute Verlaufsformen. zyten, bei den lymphatischen Leukämien Akute Leukämien sind plötzlich auftre- die Vorstufen der Lymphozyten. tende, schwere Erkrankungen, die unbe- handelt innerhalb weniger Wochen zum Die Behandlung unterscheidet sich je Tode führen, während chronische Leukä- nach Erkrankungsform. Kern der Diag mien einen langsameren, eher schleichen- nostik sind spezielle Laboruntersuchun- den Erkrankungsverlauf aufweisen. gen von Blut und Knochenmark zur Abklärung der jeweiligen Leukämie-Form Bei Erwachsenen ist die akute myeloische und zur Bestimmung der „individuel- Leukämie (AML) häufigste Erkrankungs- len“ genetischen und immunologischen form. Das Kürzel ALL steht für akute Eigenschaften der Tumorzellen. Darü- lymphatische Leukämie, die vor allem ber hinaus gehören auch bildgebende bei Kindern und Jugendlichen, aber auch Untersuchungen – Röntgenaufnahmen, bei älteren Patienten auftritt. Die chroni- gegebenenfalls Magnetresonanztomo- schen Verlaufsformen betreffen vor allem grafie, Ultraschall – zur Diagnostik bei Oben: Knochenmark bei einer bösartigen Leukämieverdacht. Erwachsene. Unterschieden werden die Erkrankung des blutbildenden Systems. Foto: KIM II chronische lymphatische Leukämie (CLL) und die chronische myeloische Leukämie Den Begriff Leukämie prägte der Berliner (CML). Die CLL tritt vor allem bei älteren Arzt Rudolf Virchow (1821-1902) Mitte des Menschen auf, die CML in allen Alters- 19. Jahrhunderts, nachdem er bei einem stufen. Die unterschiedlichen Bezeich- seiner Patienten eine starke Vermehrung bis zur Wiederherstellung der Blutbildung nungen charakterisieren neben der weißer Blutkörperchen beobachtet hatte. im Knochenmark regelmäßige zusätzli- akuten oder chronischen Verlaufsform Zeitgleich beschrieb der schottische Arzt che Transfusionen, bei denen ihnen rote den genauen Ursprungsort der Zellver- John Bennett (1812-1875) die Krankheit. Blutkörperchen (Erythrozyten) – verant- wortlich für den Sauerstofftransport im Körper – und die für Blutgerinnung und -stillung verantwortlichen Blutplättchen (Thrombozyten) verabreicht werden. Michael Lienshöft erhält sich trotz der anstrengenden Therapie all seinen Lebensmut und setzt sich Ziele: „Mein Beruf hat mir immer Spaß gemacht – ich wollte unbedingt wieder arbeiten.“ Seine Ausbildung als Krankenpfleger bezeichnet er in dieser Situation als Segen und Fluch zugleich: „Ich konnte immer die nächsten Schritte vorhersagen.“ Manchmal habe er sich allerdings schon gewünscht, nicht so viel zu wissen, gesteht er im Rückblick. Heute ist Lienshöft 39 Jahre alt und hat sein Ziel, wieder in seinen Beruf zurück- zukehren, erreicht: Seit Anfang des Jahres hat er wieder eine volle Stelle als Kranken- pfleger, er arbeitet im Bereich Kardiologie und Pulmologie der Zentralklinik Bad Berka. „Sogar ein paar Nachtschichten Foto: Schroll sind dabei.“ (as/zei) 5
Schwerpunkt Kompetenz und Kooperation für Krebspatienten Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Direktor des Universitäts TumorCentrums und der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Jena, spricht über Entwicklungen in Krebsforschung und -therapie. Welches sind aus Ihrer Sicht die wich- nostik und Behandlung anbieten. Auf tigsten Fortschritte in der Krebsthe- dem Gebiet der Hämatologie und Onko- rapie der Gegenwart, welche Richtung logie etwa ist die Jenaer die viertgrößte hat die Krebstherapie eingeschlagen? Uniklinik in Deutschland. 2013 hatten wir Prof. Hochhaus: Seit einigen Jahren spre- 3148 stationäre Neuaufnahmen zu ver- chen wir über die sogenannte maßge- zeichnen. Jährlich diagnostizieren wir bei schneiderte Medizin in der Krebstherapie. rund 100 unserer Patienten neu Leukämie, Dahinter verbirgt sich die Strategie, die außerdem circa 110 Lymphome und 40 spezifischen Eigenschaften von Krebszel- Plasmozytome, eine Krebserkrankung des len zum Ansatzpunkt einer zielgenaueren, Knochenmarks. Zur Abteilung gehören vier individualisierten Therapie zu machen. Stationen, eine Tagesklinik, eine Poliklinik Wir sind heute immer besser in der Lage, sowie Ambulanzen für Hämostaseologie labortechnisch molekulare Krebsmarker (Blutgerinnung) und integrative Onkologie. zu bestimmen. Das sind zelleigene Sub stanzen, die Auskunft über die Beschaffen- Als Uniklinik sind wir darüber hinaus aber heit und Funktion von Tumorzellen geben. auch Forschungseinrichtung. Das heißt, in und Krebs. Das mit fortschreitendem Alter Also zum Beispiel darüber, ob diese Zellen klinischen Studien werden neue Therapie wachsende Risiko, an Krebs zu erkranken, ist über Anregungspunkte für körpereigene optionen entwickelt und untersucht, ein zentrales Thema in der biomedizinischen Abwehrstoffe verfügen. Dann können außerdem betreiben wir in unseren Labora Grundlagenforschung. diese Anregungspunkte für eine Therapie torien patientenorientierte Forschung. genutzt werden, bei der das Immunsystem Stichwort Krebs und Alter. Woran gezielt für die Bekämpfung der Tumor- Worauf richten Sie das Hauptaugen- forschen Sie da? zellen aktiviert wird. Andere molekulare merk in der Hämatologie-Forschung? Prof. Hochhaus: Gemeinsam mit Wissen- Krebsmarker lassen Rückschlüsse auf die Prof. Hochhaus: Bei den Erkrankungen schaftlern der Universität und der außer innere Signalübertragung bei Tumorzellen des blutbildenden Systems konzentrieren universitären Institute beschäftigen wir zu – daraus haben sich Therapien entwi- wir uns auf die Untersuchung molekularer uns schwerpunktmäßig mit Alterungs- ckelt, bei denen diese Schalter unterdrückt Entstehungsmechanismen und forschen prozessen und altersassoziierten Krank- werden und das Tumorwachstum gestoppt an Wirkprinzipien neuer Substanzklassen heiten. So ist das Uniklinikum an einem werden kann. Diese Entwicklung hat nicht für die Leukämie-Behandlung. Auch nach Verbund beteiligt, der gemeinsam mit der nur die Therapie bei Krebserkrankungen Möglichkeiten der Therapieverbesserungen FSU und dem Fritz-Lipmann-Institut auf des blutbildenden Systems, wie Leukämien, mit bereits etablierten Wirkstoffen und dem Beutenberg koordiniert und vom vorangebracht, sondern auch bei Tumoren Medikamenten suchen wir. Das UKJ ist Teil Freistaat über die Proexzellenz-Initiative verschiedener Organsysteme. In den ver- des europäischen Netzes deutscher Studi- gefördert wird. Die Arbeitsgruppe in der gangenen drei Jahren hat es hier vor allem enzentren – des European LeukemiaNet – in Hämatologie wird den Einfluss untersu- beim Lungenkrebs und beim Melanom, denen neu entwickelte Leukämiewirkstoffe chen, den molekulare Kontrollmechanis- dem schwarzen Hautkrebs, radikale Fort- klinisch getestet werden. Wir sind besonders men im Zellzyklus auf die Stammzell- und schritte gegeben, die zu deutlich verbes- stolz auf die Zulassung als Phase-I-Studi- Gewebealterung haben. Wir erhoffen uns serten Überlebenschancen führen. enzentrum, um unseren Patienten innova- dadurch zum Beispiel Aufschluss über die tive Therapien als eine der ersten Kliniken Entwicklung von Myelodysplasien – das Welchen Platz nimmt dabei das Uni- weltweit anbieten zu können. Einer unserer sind Leukämie-Vorstufen, die bevorzugt versitätsklinikum Jena ein? Forschungsschwerpunkte, der in Zukunft im Alter entstehen. Lässt sich die Tumor- Prof. Hochhaus: Das UKJ gehört zu den noch an Bedeutung gewinnen wird, ist entwicklung entschlüsseln, kann das die Kliniken, die eine solche gezielte Di ag der Zusammenhang zwischen Lebensalter Früherkennung bei Leukämien verbessern. 6 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Krebstherapie und -forschung gehen am Universitätsklinikum Jena Hand in Hand. Prof. Dr. Andreas Hochhaus (li.) im Gespräch mit Prof. Paul La Rosée, Anja-Maria Knoth, Klaus Lindner und Dr. Ekkehard Eigendorff Foto: Szabó landweites Expertennetzwerk zurückgrei- fen, etwa bei Knochenmarkbefunden. Auch unsere Erfahrungen bei Blutgerinnungs- störungen sind gefragt, was nicht nur für Menschen mit solchen Störungen wich- tig ist, sondern auch für die Behandlung bestimmter Krebsarten. Sie sind auch Vorsitzender der Thü- ringischen Krebsgesellschaft. Erhal- ten Krebs-Patienten in Thüringen flächendeckend die Behandlung, die sie benötigen? Prof. Hochhaus: In Thüringen wurden im vergangenen Jahr rund 14 800 Krebsneu- erkrankungen registriert. Bis zum Jahr 2020 rechnen wir wegen der zunehmend älter werdenden Bevölkerung mit jährlich 16 000 neuen Diagnosen. Die Herausfor- derung besteht darin, neue Behandlungs- verfahren jedem Erkrankten zugänglich zu machen und zugleich in einem kleinteiligen Sie sprachen neue Therapiekonzepte Leukämien und Lymphome sind nicht Flächenland wie Thüringen eine möglichst mit bereits etablierten Wirkstoffen allzu häufig auftretende Krebser- wohnortnahe Versorgung zu organisie- an. Worum geht es da konkret? krankungen. Umso wichtiger ist die ren. Sprich: Nicht jeder Krebskranke wird Prof. Hochhaus: Unter Federführung des Erfahrung der Mediziner für den im Uniklinikum behandelt, die Erkrankten UKJ wird in einer großen Studie, an der Behandlungsverlauf. Inwiefern pro- auch in anderen Regionen sollen aber sehr 120 Kliniken und Praxen aus Deutsch- fitieren auch andere Thüringer Kli- wohl von dessen Leistungsfähigkeit und land und der Schweiz beteiligt sind, eine niken von den Kompetenzen des UKJ wissenschaftlicher Kompetenz profitie- Kombinationstherapie für Erkrankte mit auf diesem Gebiet? ren. Das verdeutlicht schon, dass es ohne chronischer myeloischer Leukämie (CML) Prof. Hochhaus: Bei Krebserkrankungen Kooperation der Kliniken und Ärzte nicht untersucht. Kombiniert werden dabei des Blutes und des Knochenmarks sind wir geht. Die Ärzte aller Bereiche kooperieren zwei unterschiedlich wirkende Medika- in Fragen der Diagnostik und bei Therapie- nach meiner Einschätzung gut. Wir hoffen, mentengruppen – erstens ein Wirkstoff, entscheidungen Konsultationszentrum für dass alle Krankenhäuser – private, kirch- der die bei Leukämie entarteten weißen andere Kliniken, niedergelassene Ärzte und liche und öffentliche – das so sehen. Die Blutkörperchen unterdrücken, zweitens natürlich auch für Patienten. Die Patienten Thüringische Krebsgesellschaft setzt sich ein bestimmtes Eiweiß (Interferon), das können sich in unserer Ambulanz vorstel- ebenso wie das UKJ-Tumorzentrum für die körpereigene Immunabwehr aufrüs- len, gemeinsam mit ihren behandelnden eine intensive Kooperation im Interesse der ten soll. Ärzten erarbeiten wir eine Therapieemp- Patienten ein. fehlung. Zu bestimmten Behandlungsetap- Interview: Katrin Zeiß Die CML soll sich möglichst frühzeitig pen – vor allem intensive Chemotherapien vollständig zurückbilden, das ist das Ziel. und Stammzelltransplantationen – kom- Dann haben wir die Chance, die Behand- men die Patienten zu uns in die Klinik. Für Klinik für Innere Medizin II lung nach drei Jahren zu beenden. andere Behandlungen ist das nicht immer Abteilung Hämatologie und Anschließend geht es darum, die Rest- erforderlich, diese können heimatnah internistische Onkologie aktivität unter Kontrolle zu halten und erfolgen. Eine enge Kooperation mit den Prof. Dr. Andreas Hochhaus zu messen. Gemeinsam mit Instituten in zuweisenden Fach- und Hausärzten ist Erlanger Allee 101 – 07747 Jena Mannheim, Kiel und Leipzig arbeiten wir wesentlicher Schlüssel zum Gelingen der an der Entwicklung solcher standardi- Therapie. Am UKJ können wir über tele- 03641 9-324201 sierter Messverfahren. medizinische Vernetzung auf ein deutsch- 7
Prof. Paul La Rosée leitet das Konsultations zentrum maligne Lymphome am UKJ. Foto: Szabó Malignes Lymphom mit vielen Gesichtern Etwa 100 Neudiagnosen Lymphdrüsenkrebs pro Jahr am UKJ Schlappheit, Gewichtsverlust und Nacht- system in Lymphknoten, Knochenmark So vielfältig wie die Gesichter des Lymph- schweiß gepaart mit einer auffallenden und Blut sowie in allen Organen unseres drüsenkrebses sind, so unspezifisch sind Infektionsneigung, Fieber und anhal- Körpers regulieren. Wegen der engen oft die ersten Krankheitsanzeichen wie tend geschwollenen Lymphknoten – so Beziehung zwischen blutbildendem Sys- Fieber oder ein allgemeines Schwäche- beginnt häufig eine bösartige Erkran- tem und Knochenmark verlaufen manche gefühl. Zwar sind bleibende und zuneh- kung des Lymphsystems. Die Diagnose Lymphome auch als Leukämien, z.B. die mende Schwellung der Lymphknoten ein Lymphdrüsenkrebs trifft in Deutschland chronische lymphatische Leukämie. Außer wichtiges Alarmsignal, doch nicht bei pro Jahr etwa 15 von 100 000 Men- nach Zellreihen werden Lymphome zudem allen Erkrankungsformen. Denn Lymph- schen, wobei Männer häufiger als Frauen nach ihrem Aggressivitätsgrad unter- drüsenkrebs kann auch in den inneren erkranken. Allein am Universitätskli- schieden. Organen seinen Ausgang nehmen – wie nikum Jena wird jährlich bei rund 110 beim seltenen Hodgkin-Lymphom. So Menschen ein sogenanntes malignes Unterschiede bestehen etwa Lunge, Darm und Gehirn Lymphom diagnostiziert. Das UKJ gehört in der Aggressivität auch aus lymphatischem Gewebe, das zu den auf Diagnostik und Behandlung befallen sein kann. Von einer exakten dieser Krebsart spezialisierten Kliniken. „Besonders aggressive Formen nehmen Diagnostik hängt also alles ab. Nicht zu Anlaufstelle für Erkrankte ist die Klinik innerhalb weniger Wochen einen akuten, verwechseln sind Lymphome übrigens für Innere Medizin II mit ihrem Konsul- lebensbedrohlichen Verlauf“, erläutert mit den sich häufig in den Lymphknoten tationszentrum für maligne (bösartige) Prof. Dr. Paul La Rosée, der das Konsul- findenden Tochtergeschwülsten (Metas- Lymphome. Etwa jeder vierte stationär tationszentrum am UKJ leitet. „Sie lassen tasen) anderer Krebsarten. aufgenommene Patient in der Hämato- sich jedoch oft gut behandeln, zumal es logie/Onkologie der KIM II wird wegen in letzter Zeit Fortschritte vor allem in Zur Lymphom-Diagnostik gehören gründ- eines Lymphoms behandelt. der Antikörpertherapie gegeben hat.“ liche Blutuntersuchungen, die Compu- Weniger aggressive Erkrankungsformen – tertomografie des verdächtigen Körper- Bei Lymphdrüsenkrebs entarten unter- Mediziner sprechen von indolenten Lym- areals, eine Knochenmarkuntersuchung schiedliche Zellreihen der Lymphozyten, phomen – verlaufen hingegen oft chro- sowie eine Gewebeuntersuchung mittels einer Untergruppe der weißen Blutkör- nisch. Sie sind in der Regel nicht heil-, Biopsie. Dabei wird der Lymphknoten ope- perchen (Leukozyten), welche das Immun- aber kontrollierbar. rativ komplett entfernt und feingeweblich 8 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Schwerpunkt Misteltherapie bei Lymphdrüsenkrebs? Viele Tumorkranke wünschen sich ergän- Grund: Die Pflanze stimuliert die bei Lym- zend zur Krebstherapie eine Behandlung phomen und Leukämien ohnehin bereits mit natürlichen Mitteln, um die Abwehr- krankhaft vermehrten Abwehrzellen des kräfte des Körpers zu stärken. Besonders blutbildenden Systems noch zusätzlich. im Blick: die Misteltherapie, die jedoch Das birgt die Gefahr, die Wirksamkeit der umstritten ist. In den deutschen Leitli- onkologischen Thera- nien zu einer wissenschaftlich fundier- pie ungünstig zu ten Krebsbehandlung wird sie bei dieser beeinflussen. Krebsart nicht empfohlen, weil es keinen wissenschaftlichen Nachweis ihres Nut- zens gibt. Im Gegenteil: „Bei Lympho- men und Leukämien ist eine Mis- teltherapie möglicherweise sogar kontraproduktiv“, erklärt Prof. Dr. Paul La Rosée, Leiter des Konsultationszent- rums für maligne Lymphome am Univer- sitätsklinikum Jena. untersucht. „Und zwar immer von speziali- dagegen eine Hochdosis-Chemotherapie betont Prof. La Rosée. Insgesamt ist das sierten Pathologen“, so der Mediziner. Das mit nachfolgender Stammzelltransplanta- UKJ derzeit an 17 Lymphom-Studien UKJ nutzt dafür das bundesweite „Kom- tion, da gewöhnlich dosierte Chemothera- beteiligt – entweder über Netzwerke mit petenznetz Maligne Lymphome (KNL)“, in pie im Gehirn zu wenig erreichen kann. anderen Universitätskliniken in Deutsch- dem besonders erfahrene Pathologen die- land und Europa oder in Kooperation mit ses Spezialgutachten übernehmen. „Diese Gerade Patienten mit seltenen Krebser- der pharmazeutischen Industrie. „So kom- Zweitmeinung ist deshalb so wichtig, krankungen wie eben Lymphdrüsenkrebs men wir an innovative Medikamente“, sagt weil die so unterschiedlichen Lymphom- können von der Erfahrung und wissen- der Onkologe, in dessen wöchentlicher Subtypen auch eine unterschiedliche schaftlichen Vernetzung einer Uniklinik Lymphom-Spezialsprechstunde auch die Behandlung erfordern.“ profitieren. Dazu gehört auch die Behand- Möglichkeit von Studienteilnahmen ein lung im Rahmen klinischer Studien. So häufiges Thema ist. Wöchentliche ist das UKJ etwa Teil eines europaweiten Spezialsprechstunde Studienverbunds zu ZNS-Lymphomen. Katrin Zeiß „Diese Kooperation auf internationaler So kann etwa bei Patienten mit follikulä- Ebene ist unser Alleinstellungsmerkmal“, rem Lymphom, einer weniger aggressiven Erkrankungsform, der befallene Lymph- knoten bestrahlt werden, wenn keine weitere Lymphknotenstation betroffen Lymphom-Sprechstunde am UKJ Konsultationszentren ist. Hingegen ist bei anderen aggressiven Klinik für Innere Medizin II Chronische myeloische Leukämie: Lymphomen eine Bestrahlung in dieser Erlanger Allee 101 | 07747 Jena 03641 9-324201 Situation nicht sinnvoll, hier ist immer eine Freitag 9.30 – 12.30 Uhr Kombinaton aus Immuntherapie und Che- Terminvereinbarung: Myeolische Erkrankungen: motherapie die Standardbehandlung: Per 03641 9-324201 03641 9-324201 Infusion erhalten die Patienten Antikörper verabreicht, welche sich an die Tumorober- Zweitmeinungsanfragen: Multiples Myelom: fläche heften. Die Antikörper aktivieren das 03641 9-324201 03641 9-32456 körpereigene Immunsystem zur Zerstörung 03641 9-38388 der Tumorzellen. Bei den sehr seltenen, Hotline für akute Anfragen: aber aggressiven Lymphomen des zentra- 03641 9-324280 len Nervensystems erhalten die Erkrankten 9
Forschung am nationalen Referenzzentrum für Pilzinfektionen. Foto: Schroll Pilzinfektionen bei Krebspatienten im Blick UKJ-Mediziner forschen dazu gemeinsam mit Jenaer Hans-Knöll-Institut Krebspatienten, die eine Chemotherapie oder eine Stammzell- solchen optischen Spuren.“ Auch die mikrobiologische Kultivierung transplantation erhalten, müssen therapiebegleitend viele weitere der Erreger aus der Blutkultur funktioniere nicht. Umso wichtiger ist Medikamente schlucken. Immer dabei: Mittel gegen Pilzinfektionen eine effizientere und zielgenaue Antimykotika-Prophylaxe, bei der (Antimykotika). Denn weil die aggressive Therapie, aber auch der vor allem die besonders gefährdeten Patienten behandelt werden. Tumor selbst die körpereigene Immunabwehr massiv einschränkt, sind Krebskranke besonders anfällig für Infektionen – und Pilze Erster Schritt Infektionsregister gehören neben Bakterien und Viren zu den Auslösern von schweren Infektionen wie Lungenentzündungen oder gar einer Sepsis. „Bis Im Blick hat die von Lilienfeld-Toal geleitete Forschergruppe zu 20 Prozent der Leukämieerkrankten erleiden eine Pilzinfektion“, deshalb vor allem die Mechanismen, warum manche Krebspa- sagt Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal. Die 42-Jährige ist Profes- tienten an Pilzinfektionen erkranken, andere aber nicht. „Es ist sorin für Infektionen in der Hämatologie und Onkologie und ist bislang kein klares Muster nach dem Motto: ‚Je höher dosiert Spezialistin für Erkrankungen durch Pilze. Dazu forscht sie an der die Chemo, desto höher das Risiko für Pilzinfektionen‘ erkenn- Klinik für Innere Medizin II sowie am Jenaer Hans-Knöll-Institut der bar“, beschreibt sie die Situation. Auch eine mögliche geneti- Leibniz-Gesellschaft. Dies ist das nationale Referenzzentrum für sche Vorbelastung sei nur ein Teil der Erklärung. Rätsel gibt den invasive Pilzinfektionen, dessen stellvertretende klinische Leiterin Forschern etwa die Frage auf, warum Patienten, die begleitend die Internistin ist. zur Chemotherapie mit Kortison-Präparaten behandelt werden, offenbar besonders anfällig für Pilzinfektionen sind. Auch der Gefährlich für Krebspatienten sind vor allem Schimmelpilze, die Phase nach Abschluss einer Chemotherapie, in der sich das Blut- nicht nur auf Lebensmitteln und in Hauswänden sitzen, sondern auch bild der Patienten allmählich wieder erholt, gilt das Interesse der im Erdreich. Ihre Sporen sind für das bloße Auge nicht erkennbar, Wissenschaftler. schwirren aber überall in der Luft herum. Mit der Atemluft gelangen sie in den Körper, wo sie schwere Lungenentzündungen verursachen Voraussetzung für Erkenntnisse ist allerdings zunächst einmal können. Im Unterschied zu den ebenfalls häufigen Hefepilzen, die epidemiologische Kleinarbeit. Das bedeutet Daten sammeln. Des- Infektionen etwa an der Mundschleimhaut oder im Genitalbereich halb baut die Arbeitsgruppe derzeit ein Infektionsregister auf, in verursachen können, sind Schimmelpilze schwer zu diagnostizieren. das die Daten mehrerer hundert Leukämie-Patienten einfließen „Ein Hefepilzbefall zum Beispiel an der Mundschleimhaut lässt sich sollen. Erfasst werden zum Beispiel der Verlauf ihrer stationären schon optisch an den typischen Hautveränderungen erkennen“, Behandlung, verabreichte Medikamente, Infektionen und andere erläutert Lilienfeld-Toal. „Schimmelpilze aber hinterlassen keine Komplikationen. (zei) 10 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Schwerpunkt An der Seite der Erkrankten Anja-Maria Knoth leitet Station in der Abteilung Hämatologie/Onkologie des UKJ Dass sie sich als Krankenschwester vor allem um Krebspatienten kümmern wollte, stand für Anja-Maria Knoth (Foto rechts) schon während ihrer Ausbildung zur Kin- derkrankenschwester fest: „Es war immer mein Wunsch, in der Onkologie zu arbei- ten.“ Dieses Ziel hat sie konsequent ver- folgt: Nach Etappen unter anderem auf der Krebsstation der Kinderklinik, der Sta- tion für Knochenmarktransplantationen und der Leitung der hämatologisch/onko- logischen Ambulanz des Universitätskli- nikums Jena ist die 40-Jährige heute als Stationsschwester in der Klinik für Innere Medizin II tätig. Dort werden Krebser- krankungen der inneren Organe und des Krankenschwester Anja-Maria Knoth blutbildenden Systems behandelt. bereitet eine Chemotherapie vor. Foto: Szabó Krebserkrankungen nehmen seit Jahren zu. Das spüren auch die Pflegekräfte am UKJ, die zusammen mit ihren ärztlichen Zudem sind die Patienten durch Ängste und onkologische Pflegekonzept, in dem Richt- Kollegen pro Jahr rund 11 000 Patienten Sorgen stark belastet. „Umso wichtiger ist linien für eine ganzheitliche, patientenzen- mit unterschiedlichen Krebserkrankun- es, dass im Stationsalltag genügend Raum trierte Pflege festgelegt sind. Um dieses in gen betreuen. Viele von ihnen sind im für Zuwendung zum Patienten bleiben“, der Praxis umsetzen zu können, arbeiten 35 Kampf gegen den Krebs auf eine Che- sagt Knoth. Die Pflegekräfte sind immer weitergebildete onkologische Fachpflege- motherapie angewiesen und kommen ansprechbar für Patienten und Angehörige kräfte am UKJ, die speziell für die Betreu- deshalb zeitweise in die KIM II auf die und vermitteln auf Wunsch auch den Kon- ung von Krebspatienten und deren Ange- Station 450/451, wo sich insgesamt 28 takt zu einer Psychologin, die die Erkrankten hörigen geschult sind. Zusammen mit dem Krankenschwestern, Krankenpfleger und auf der Station aufsucht. Viel getan habe UniversitätsTumorCentrum (UTC) wird daher Hilfskräfte um die schwer erkrankten sich in den vergangenen Jahren besonders in aktuell ein onkologisches Beratungskonzept Menschen kümmern. Als Stationsleitung der unterstützenden palliativmedizinischen entwickelt – auch Anja-Maria Knoth arbei- hat Anja Knoth neben klassisch-pfle- Behandlung, durch die besonders schwer tet daran mit. Auf dem 2. Pflegesymposium gerischen und organisatorischen Tätig- erkrankte Menschen mehr Zuwendung des UKJ im September, welches die onkolo- keiten unter anderem dafür zu sorgen, erführen, findet Frau Knoth. „Als ich vor und gische Pflege in den Mittelpunkt stellte und dass die Chemotherapie-Medikamente 20 Jahren als Krankenschwester angefangen ebenfalls im Zusammenwirken mit dem UTC (Zytostatika) für jeden einzelnen Patien- habe, war das noch kein großes Thema.“ veranstaltet wurde, gab sie ihre Erfahrun- ten pünktlich und in der von den Ärzten gen an Kollegen weiter. Ihr größter Wunsch: festgelegten Dosierung auf der Station Zertifikat für auch den Berufsnachwuchs stärker für die zur Verfügung stehen: Sie veranlasst die onkologische Pflege Arbeit mit Krebspatienten zu interessieren – Zytostatika-Bestellung in der Apotheke so sollen etwa Lehrvisiten für Pflegeschüler des Klinikums, nimmt die Lieferung in Die Deutsche Krebsgesellschaft hat dem auf der onkologischen Station bei jungen Empfang und bereitet die Behandlung vor. UKJ mit einem eigens für die onkologische Leuten oftmals vorhandene Hemmschwel- Eine Chemotherapie soll die Teilung und Pflege entwickelten Zertifikat hohe Pflege- len abbauen helfen. Vermehrung von Krebszellen stoppen. qualität bescheinigt. „In den vergangenen Diese Medikamente führen allerdings bei zwei Jahren ist uns durch Onkozert attestiert Pflegemanagement ist für die engagierte den Patienten meist auch zu erheblichen worden, dass die onkologische Pflege am Schwester auch nach Feierabend ein Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen UKJ die Qualitätsanforderungen der Gut- Thema. Berufsbegleitend absolviert sie und Haarausfall. Diese Nebenwirkungen achter nicht nur erfüllt, sondern übertrifft“, noch ein Pflege-Studium an der Fachhoch- und deren Linderung haben die Pflege- sagt Pflegedirektorin Arne-Veronika Boock. schule Jena, wo sie derzeit ihre Bachelor- kräfte besonders im Blick. Gewürdigt wurde damit unter anderem das Arbeit schreibt. (zei) 11
Schwerpunkt Knochenmark, das Leben rettet Medizinstudentin spendete für leukämiekrankes Kind Nicht mehr lange – und Luise Löwe hat allerdings werden aus dem Knochenmark den theoretischen Teil ihres Medizinstu- der Spender gewonnen. Das Knochenmark diums in Jena geschafft und kann endlich wird aus dem Becken der Spender ent- ins praktische Jahr gehen. Die 26-Jährige nommen – eine vergleichsweise aufwen- steht kurz vor ihrem Staatsexamen. Noch dige Prozedur unter Vollnarkose. vor den Prüfungen wartete eine beson- dere Bewährungsprobe auf die angehende Als künftige Ärztin ist der 26-Jährigen Ärztin: Luise Löwe war als Stammzellen- die Misere vieler auf Stammzellspenden spenderin für ein an Leukämie erkranktes angewiesener Kranker bewusst: „Einen Kind gefragt. Am Universitätsklinikum Jena passenden Spender zu finden, ist wie ein spendete sie dafür kürzlich Knochenmark. Lottogewinn.“ Es fehlt an spendebereiten Mitmenschen. Luise Löwe ließ sich vor drei Stammzellspenden sind für viele Leukä- Jahren als Knochenmarkspenderin regis- mie-Kranke die einzige Überlebensmög- trieren, wie zahlreiche ihrer Jenaer Kom- lichkeit. Für Stammzellspender hält sich militonen auch. Ihre Daten zu Blutgruppe, der Aufwand meist in Grenzen: In der Rhesusfaktor und zahlreichen anderen Blut- Regel wird ihnen nach einer hormonellen eigenschaften wurden in eine große Spen- Knochenmarkspenderin Luise Löwe Vorbehandlung Venenblut entnommen, der-Datenbank eingegeben. In diesem Som- Foto: Szabó aus dem die Stammzellen herausgefiltert mer kam schließlich die dringende Anfrage, werden. Stammzellen für kranke Kinder die Studentin kam als Spenderin in Frage. Was passiert bei einer Stammzelltherapie? Etwa 20 Prozent aller Leukämie-Erkrank- genen Stammzellen der Patienten genutzt Anschließend werden die neuen Stamm- ten sind auf eine Behandlung mit Stamm- werden, und allogene Transplantationen zellen per Infusion über einen Venen zellen angewiesen. Das gilt vor allem für – mit Stammzellen von Familienange- katheter verabreicht. Die Zellen nisten Patienten mit den akuten Erkrankungs- hörigen oder Fremdspendern. Gewon- sich im freigewordenen Knochenmark ein, formen AML (akute myeloische Leukämie) nen werden die Stammzellen heutzutage teilen sich und produzieren nach einigen und ALL (akute lymphatische Leukämie). überwiegend aus Blut. Stammzellen aus Wochen gesundes Blut. Hingegen wird bei chronischer myelo- Knochenmark kommen selten und meist ischer Leukämie (CML) heute auf eine nur bei der Behandlung leukämiekranker Die Patienten sind während einer Stamm- Stammzelltransplantation meist verzichtet Kinder zum Einsatz. zelltherapie außerordentlich infektions- – da die medikamentöse Behandlung die- gefährdet, da mit dem kranken blutbil- ser Blutkrebsform sich in den vergangenen Bevor die Stammzellen übertragen wer- denden System auch das Immunsystem 15 Jahren deutlich verbessert hat. den können, ist es erforderlich, das kör- zerstört wird. Sie verbringen deshalb pereigene blutbildende System im Kno- meist mehrere Wochen auf einer isolier- Bei einer Stammzelltherapie werden den chenmark der Erkrankten zu zerstören. ten Station. Am Universitätsklinikum Jena Erkrankten gesunde Stammzellen über- Das geschieht über eine hochdosierte ist das sowohl in der KIM II als auch in der tragen. Man unterscheidet autologe Chemotherapie, teilweise ist auch eine Kinderklinik am Kooperationszentrum für Transplantationen, bei denen die körperei- Ganzkörperbestrahlung erforderlich. Stammzelltransplantation möglich. 12 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Schwerpunkt Die Beckenkammpunktion, bei der ihr 800 Weltweit am häufigsten zitiert Milliliter Knochenmark entnommen wur- den, war verbunden mit einer stationären Mit seinen Forschungsarbeiten auf dem Aufnahme. Etwa eineinhalb Stunden habe Gebiet der Hämatologie und Onkologie der Eingriff gedauert, berichtet die junge gehört Prof. Dr. Andreas Hochhaus vom Frau. Noch einen Tag blieb sie in statio- Universitätsklinikum Jena zu den weltweit närer Obhut – wegen der damit verbun- am häufigsten zitierten Wissenschaftlern. denen Nebenwirkungen. „Man fühlt sich Der Direktor der Klinik für Innere Medi- schon schlapp und schwach auf den Bei- zin II des UKJ ist unter den 20 klinischen nen – eben wie nach einem Blutverlust“, Forschern in Deutschland und interna- erzählt sie. „Das Liegen auf dem Rücken tional über 400 Medizinern, die in der ist natürlich auch nicht so angenehm.“ aktuellen Liste der „Highly Cited Resear- Insgesamt aber hätten sich diese Begleit- chers“ des Thomson-Reuters-Konzerns Foto: Schroll erscheinungen in Grenzen gehalten, nach aufgeführt sind. Sie umfasst rund 3200 vier Tagen sei sie schon wieder aufs Fahr- Forscher aus 21 Wissenschaftsgebieten, rad gestiegen. „Und die Betreuung im Kli- auf deren Arbeiten Fachkollegen in ihren Abteilung laufen derzeit über 40, zum nikum war sehr gut.“ Veröffentlichungen im vergangenen Jahr- Teil internationale und multizentrische zehnt am häufigsten Bezug nahmen. Die klinische Studien verschiedener Phasen. Das Grundprinzip bei Knochenmark- Forschungsthemen von Prof. Hochhaus „Unsere Auflistung unter den Zitierungs- spenden ist Anonymität. So weiß die konzentrieren sich auf die Untersuchung besten ist eine schöne Bestätigung unse- junge Frau nur, dass ihre Spende für molekularer Entstehungsmechanismen rer Bemühungen, die Jenaer Klinik zu ein Kind bestimmt war. „Das hat mir bei hämatologischer Erkrankungen und die einem international sichtbaren Zentrum meiner Entscheidung geholfen“, sagt Erforschung von Wirkprinzipien neuer der hämatologischen Forschung und Pati- sie. „So ein Kind hat ja noch sein ganzes Substanzklassen für die Behandlung von entenversorgung auszubauen“, freut sich Leben vor sich.“ (zei) Leukämien. Am Studienzentrum seiner Andreas Hochhaus. (vdG) Hochhaus erneut im Foto: Schroll DKG-Vorstand Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Direktor der Klinik für Innere Medizin II, Hämatologie und Internistische Onkologie am Uni- versitätsklinikum Jena (UKJ), ist erneut in den Vorstand der Deutschen Krebs- gesellschaft (DKG) gewählt worden. Als Vorsitzender der Thüringischen Krebs- gesellschaft vertritt Prof. Hochhaus die 16 Landeskrebsgesellschaften im Vor- stand der DKG. Im Jahr 2012 war der Jenaer Onkologe erstmals für dieses Amt gewählt worden. Als wichtige Themen für die kommenden Monate nennt er unter anderem die Finan- zierung der ambulanten Krebsberatung und der psychoonkologischen Versorgung sowie die Nutzung des Innovationsfonds für die Arbeit der Landeskrebsgesell- schaften, die Vergütung der ambulanten Tumortherapie und der Zweitmeinungen in den Onkologischen Zentren sowie die Umsetzung des Krebsregistergesetzes in den Ländern. 13
Schwerpunkt Wenn Mama an Krebs erkrankt Neues Hilfsangebot am UKJ unterstützt Jugendliche schwerkranker Eltern Plötzlich ist vieles anders. Wenn ein Eltern- Einmal im Monat treffen sich die 12- bis Eltern zu helfen. „Wir haben oft Situationen teil schwer krank wird, verändert sich mit 18-Jährigen in den Räumen der Begeg- erlebt, in denen wir uns gefragt haben, wel- der Diagnose auch für die anderen Famili- nungsstätte „Polaris“ in Jena-Nord. Die che Unterstützung diese Kinder benötigen“, enmitglieder der Alltag. Jugendliche fühlen Studentin Christina Löschner betreut sagt Kerstin Zellmann. Sie und die anderen sich oft stark verunsichert. „Sie vertrauen diese Treffen ehrenamtlich zusammen Engagierten haben sich intensiv mit der sich anderen nicht an, weil Gleichaltrigen mit der Schwester Kerstin Zellmann vom Trauerarbeit beschäftigt und Fortbildungen meist das Verständnis für ihre Situation Interdisziplinären Brustzentrum, der Ärz- besucht. In der Projektgruppe des UKJ zur fehlt“, sagt Christina Löschner. Um Jugend- tin Karola Künzer aus der Klinik für Kin- Unterstützung von Kindern krebskranker lichen krebskranker Eltern einen geschütz- der- und Jugendpsychiatrie, Sigrun Hecker Eltern tauscht sich die Krankenschwester ten Raum zu bieten, in dem sie mit ihren vom Verein „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ regelmäßig mit Mitarbeitern anderer Abtei- Fragen und Sorgen nicht allein sind, gibt es und Studentin Franziska Funk. Jedes Mal lungen aus, die ebenfalls onkologische Pati- am Universitätsklinikum Jena für sie jetzt steht ein anderer Aspekt im Fokus, zu dem enten betreuen. Alle Beteiligten machen in eine spezielle Jugendgruppe. die Jugendlichen kreativ arbeiten und ins den Sprechstunden auf die Hilfsangebote Gespräch kommen können. „Es geht hier um aufmerksam, geben Eltern und Kindern Lite- die vorweggenommene Trauer“, erläutert raturtipps und ermöglichen bei Bedarf auch Löschner. Denn der Trauerprozess beginnt eine kurzfristige psychologische Beratung meist nicht erst, wenn der Erkrankte stirbt. der Familien. Auch der Förderverein Hospiz In der Zeit, in der sie um den anstehenden Jena und der Verein „Frauenselbsthilfe nach Abschied wissen, brauchen einige Jugend- Krebs“ Jena sind mit im Boot. (as) liche Hilfe, um ihre Gefühle bewältigen zu können. Doch auch unabhängig vom Aus- gang der Erkrankung kann die Zeit belas- Christina Löschner tend sein. Diese Situationen wollen die 0176-22276237 Jugendlichen gemeinsam meistern, aber auch einfach zusammen Freizeit verbringen. Spendenkonto Förderverein Palliativmedizin Bereits seit längerem gibt es am UKJ ein Sparkasse Jena Franziska Funk, Christina Löschner, Kerstin Zellmann, Karola Künzer und Sigrun Hecker großes Team aus Mitstreitern verschiedener IBAN DE33830530300018008356 (von oben li.) betreuen die neue Gruppe für Arbeitsbereiche, das sich zum Ziel gesetzt BIC HELADEF1JEN Jugendliche krebskranker Eltern. Foto: UKJ hat, Kindern und Jugendlichen krebskranker UKJ unterstützt Patientenselbsthilfe bei Leukämie Allgemeinverständliche Informationen zu lokaler und regionaler Selbsthilfeinitiati- Krebskongressen präsent. Der Gründer Diagnostik und Therapie, Austausch über ven. Die gemeinnützige Online-Plattform von Leukämie-Online, Patientenvertreter spezialisierte Kliniken und Ärzte, Tipps zu Leukaemie-Online.de richtet sich an Leu- Jan Geißler, gehört dem externen Beirat klinischen Studien, emotionale Zuwen- kämiepatienten und deren Angehörige. des UniversitätsTumorZentrums Jena an. dung, praktische Lebenshilfe – Patienten- Ein Schwerpunkt sind Informationen über Auch die Thüringer Gesundheitsämter Selbsthilfe bei schweren Krebserkrankun- neue verfügbare Therapien und klini- vermitteln Kontakte in Selbsthilfegrup- gen wie Leukämien und Lymphomen hat sche Studien. Das Internetportal arbeitet pen. Über die Internetseite der Landesar- viele Facetten. intensiv mit dem Uniklinikum Jena zusam- beitsgemeinschaft Thüringer Selbsthilfe- men. UKJ-Hämatologen stehen Leukä- plenum lassen sich auch Leukämie- und Die Deutsche Leukämie- & Lymphom- mie-Online bei fachlichen Rückfragen zur Lymphom-Gruppen finden. hilfe e.V. (DLH) vereint etwa 130 regionale Seite, Leukämie-Online unterstützt Pati- Selbsthilfeinitiativen in Deutschland und enten aus dem Klinikum nach dem ersten Internet: im angrenzenden deutschsprachigen Aus- Schock der Diagnose oder bei Schwierig- www.leukaemie-hilfe.de land. Sie unterstützt Erwachsene mit Leu- keiten mit der CML-Therapie. Die Selbst- www.selbsthilfe-thueringen.de kämien und Lymphomen bei der Förderung hilfeorganisation ist auch auf Thüringer www.leukaemie-online.de 14 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
Schwerpunkt Mit der Natur heilen Ambulanz für Integrative Onkologie ergänzt Krebsbehandlung am UKJ Im Büro stehen ein Schreibtisch Vorträge und Vorlesungen für und eine Liege, im Bücherregal sind Fachpersonal und Patienten. Am neben onkologischen Fachbüchern UKJ engagiert sie sich zusätzlich auch Bücher über klassische Natur- in der Arbeitsgruppe „Hilfe für heilkunde und andere integrative Kinder und Jugendliche krebskran- Therapieverfahren wie Akupunk- ker Eltern“. Seit 2011 gibt es für tur zu finden. Anatomische Tafeln Patienten das Angebot, Yi-Quan der Akupunktur hängen an der kennenzulernen. Diese chinesische Wand, auf der Arbeitsplatte stehen Bewegungsform wirkt entspan- Schröpfgläser. Dr. Doreen Jaeni- nend, kräftigt die Haltemuskulatur chen betreut die Fachambulanz und fördert die Konzentration. In für Integrative Onkologie am Uni- Tagesseminaren, immer sonn- versitätsklinikum Jena. Ihre Pati- abends, wird diese Bewegungs- enten müssen sich nicht zwischen form vermittelt. schulmedizinischer Versorgung und Naturheilverfahren entscheiden – „Wir verbinden die Schulmedizin die Fachambulanz bietet beides. Vor Beginn jeder Therapie klärt Dr. Jaenichen ihre Patienten mit traditionellen Heilverfahren, Als Ergänzung zur Krebsbehand- ausführlich auf. Fotos: Schroll zum Beispiel mit traditioneller lung wendet Dr. Jaenichen hier chinesischer Medizin“, beschreibt Verfahren der Naturheilkunde an. „Diese werden klinisch getestet, Jaenichen den Reiz ihrer Tätigkeit. „So können wir Erfahrungen um die Wirksamkeit zu überprüfen und damit die Beschwerden durch evidenzbasierte – also sich auf Beweise stützende – Studien und Nebenwirkungen der Krebsbehandlung zu minimieren und die untermauern und somit altbewährte Methoden zum Wohle der Lebensqualität der Patienten zu erhöhen“, so die Fachärztin. Patienten auch in die konventionelle Therapie einfließen lassen“. Mit der Zeit, so hat Dr. Doreen Jaenichen bemerkt, wachse auch Die Fachambulanz für Integrative Onkologie wurde im März 2003 die Anerkennung der Kollegen. Kathleen Retzar eröffnet und zunächst von Dr. Katja Zulkowski betreut. Es war die erste onkologische Einrichtung einer Universitätsklinik in Deutschland, die sich der Naturheilkunde annahm. Vorreiter auf diesem Gebiet war der Harvardmediziner David Eisenberg, durch dessen Studien es 1998 in den USA zur Gründung des National Center of Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) kam. Was in Jena zunächst als Projekt der Carstens-Stiftung begann, hat sich zu einer sehr nachgefragten Sprechstunde ent- wickelt. Doreen Jaenichen ist seit 2004 hier tätig. Sie bietet nicht nur naturheilkundliche Therapien an, sondern arbeitet zurzeit auch an zwei Studien. Eine möchte den Ein- fluss der Misteltherapie bei Brustkrebspatientinnen auf das Immunsystem und die Lebensqualität erfassen. Den Effekt von Rosenwurzextrakt prüft die Fachärztin in einer anderen placebokontrollierten Doppelblindstudie bei der Behandlung des schwer zu therapierenden Fatigue-Syndroms. Dabei handelt es sich um eine ausgeprägte Müdigkeit, die nach einer Chemotherapie auftreten kann. Zudem ist die Ärztin in die Ausbildung eingebunden, hält Das Schröpfen ist ein traditionelles Therapieverfahren, bei dem mit Schröpf gläsern auf einem Hautbereich ein Unterdruck erzeugt wird. 15
Sprechstunde Ohr-Implantate contra Schwerhörigkeit Schwerhörigkeit ist ein Thema in einer alternden Gesellschaft. Über die Implantatversorgung bei Hörstörungen sprach das „Klinikmagazin“ mit Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am UKJ. Was ist die Ursache für Schwer Medikamenteneinnahme sein. Viruserkran- hörigkeit? kungen wie Masern oder Mumps können Prof. Guntinas-Lichius: Schwerhörigkeit zum Beispiel Hörschäden „hinterlassen“, entsteht oft im Innenohr, wo die Gehör- das gleiche gilt für bestimmte Antibiotika schnecke – Fachwort: Cochlea – sitzt. Die in hoher Dosis oder Chemotherapie-Medi- Cochlea ist sozusagen die Schaltstelle des kamente. Ein Hörsturz, ein „Ohrinfarkt“ mit Gehörs, hier wird der Schall in Nerven- plötzlichem Gehörverlust, führt vor allem impulse umgesetzt. Das funktioniert bei in Kombination mit anderen Vorschädi- Innenohrschwerhörigkeit nicht. Die Ursa- gungen ebenfalls zu Innenohrschwerhörig- Welche Möglichkeiten gibt es bei der chen dafür sind unterschiedlich. Innen- keit. Auch Lärm- und Altersschwerhörig- Versorgung mit Implantaten? ohrschwerhörigkeit kann angeboren, aber keit entsteht im Innenohr. Prof. Guntinas-Lichius: Bei Implantaten auch eine Folge von Erkrankungen oder wird zumindest ein Teil der Hörhilfe direkt Zweite häufige Quelle für Schwerhörigkeit in das Ohr eingesetzt. Am bekanntesten ist das Mittelohr. Dort sitzen das Trommel- sind die Cochlea-Implantate, die bereits fell und die Gehörknöchelchen, über die seit den 1960er Jahren zum Einsatz kom- der Schall des von außen eindringenden men – und zwar bei stark fortgeschritte- akustischen Signals ins Innenohr weiter- ner Innenohrschwerhörigkeit oder Gehör- geleitet wird. Bei Mittelohrschwerhörig- losigkeit, die mit einem Hörgerät nicht keit funktionieren die Gehörknöchelchen mehr behoben werden kann. Ein Cochlea- nicht mehr richtig. Oft ist diese Form der Implantat besteht aus einem „Empfänger“ Schwerhörigkeit Folge häufiger oder chro- im Ohr und einem Mikrofonsystem, das nischer Mittelohrentzündungen, durch die außen hinter dem Ohr sitzt. Von dort wer- die Gehörknöchelchen geschädigt werden. den die akustischen Signale zum Implantat und über den Hörnerv in den Hirnstamm Was ist grundsätzlich besser: ein weitergeleitet. Voraussetzung ist also ein klassisches Hörgerät oder ein intakter Hörnerv. Ist dieser geschädigt, Implantat? eignet sich ein solches Implantat nicht. Prof. Guntinas-Lichius: Das kommt auf die Art und den Grad der Schwerhörigkeit an. Bei Mittelohrschwerhörigkeit ist die Ver Bei Innenohrschwerhörigkeit ist die Ver- sorgung entweder mit sogenannten sorgung mit einem Hörgerät das Mittel passiven oder aktiven Implantaten mög- der Wahl. Bei Mittelohrschwerhörigkeit lich. Passive Implantate sind künstliche macht eher das Implantat Sinn, weil es Gehörknöchelchen, die als Ersatz für zer- bei dieser Form der Schwerhörigkeit häu- störte körpereigene Gehörknöchelchen fig zum Ohrlaufen als Folge chronischer in einer Operation eingesetzt werden. Mittelohrentzündungen kommt oder der Aktive Implantate hingegen regen die Gehörgang verstopft ist. Dann ist ein den Schall übertragenden Knochen an. Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius ist Direktor der Jenaer Universitätsklinik für Hals-, Nasen- Hörgerät nicht so gut geeignet. Letztlich Dafür werden im Knochen hinter dem und Ohrenheilkunde. hängt die Wahl der Hörhilfe aber ent- Ohr kleine Metallstifte eingesetzt oder Fotos: Schroll scheidend vom subjektiven Empfinden ab. Implantate verankert. An unserer Klinik 16 KLINIK MAGAZIN · Ausgabe 4|2014
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