ICT als Enabler der Innovation im Schweizer Gesundheitswesen
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FOCUS Nr. 28 | Oktober 2015 Die Begriffe eHealth / mHealth Forschung & Innovation Die Medizininformatik Der Beruf Informatik E-Government ICT als Enabler tcbe.ch-Interna der Innovation im Schweizer Gesundheitswesen 153204_focus_28_(001_040).indd 1 23.10.15 15:41
EDITORIAL 3 Der tcbe.ch – Ihr Netzwerk für Innovation, auch im Gesundheitswesen Dr. Christoph Zimmerli Präsident tcbe.ch – ICT Cluster Bern, Switzerland Liebe Leserinnen und Leser, Das Gesundheitswesen im Umbruch Einsatz auf der Abteilung vorgesehen ist. Das Schweizer Gesundheitswesen steht Thierry Hafner, Netcetera, erläutert, wie vor grossen Herausforderungen. Um diese sie ihr System zur Verwaltung von Patien- zu bewältigen, hat der Bundesrat im tendaten eVisit mit einem CIRS-Modul Bericht «Gesundheit 2020» die gesund- erweitert hat; dieses erlaubt kritische heitspolitischen Prioritäten festgelegt und Zwischenfälle in Gesundheitseinrichtun- vier gesundheitspolitische Handlungs gen zu melden. Markus Gnägi, HCI Solu- felder definiert: Lebensqualität sichern, tions, stellt die grossen, aber lösbaren Chancengleichheit und Selbstverantwor- Herausforderungen der eMedikation vor. tung stärken, Versorgungsqualität sichern Inno Campus, präsentiert die Herausfor- und erhöhen sowie Transparenz schaffen, derungen und Hemmfaktoren der Tele besser steuern und koordinieren. Eine der medizin. Renato Gunč, Schweizerische finden Sie unsere Veranstaltungshinweise 36 Massnahmen zur Umsetzung dieser Post, gibt einen kurzen Überblick über die und Ansprechpartner auf den letzten Handlungsfelder besteht darin, eHealth datenschutzspezifischen Rahmenbedin- Seiten dieses Focus. Wir freuen uns, Sie stärker einzusetzen, mit dem Ziel die gungen beim elektronischen Patienten an einer der nächsten Veranstaltungen Gesundheitsversorgung effizienter und dossier. Reto Gantenbein, Intersys AG, des tcbe.ch begrüssen zu dürfen. damit kostengünstiger sicherzustellen. thematisiert die Bedeutung der Qualitäts- sicherung. Patrick Wittwer, Inversum, zeigt Eine digitale Revolution den Trend zur Vernetzung zwischen dem im Gesundheitswesen ersten und dem zweiten Gesundheits- Diese Ausgangslage bietet der ICT die markt und die Gewinnung von Synergien Chance, zum «Enabler» der Innovation im auf. Dr. med. A. Meer, in4medicine AG, Impressum Gesundheitswesen zu werden. Der vor präsentiert die Möglichkeiten einer FOCUS>tcbe.ch liegende Focus, der unter der redaktionel- Onlinepraxis als integrierte Lösung für Organ des tcbe.ch – ICT Cluster Bern, Switzerland len Leistung von Andreas Dürsteler, Swis- eine modernen ärztliche Patienten Erscheint 1 bis 2-mal jährlich scom AG, Vorstandsmitglied des tcbe.ch, betreuung, Swisscom E-Health AG, fasst 6000 Exemplare entstanden ist, bietet eine breite Auswahl die Diskussion unter dem Schlagwort «di- Herausgeber aktueller Aspekte zum Thema ICT im gitale Revolution im Gesundheitswesen» tcbe.ch – ICT Cluster Bern, Switzerland Gesundheitswesen. Catherine Bugmann zusammen. Kramgasse 2, Postfach 5464, setzt sich mit den Herausforderungen im 3001 Bern Bereich mHealth und bei der Einführung Der tcbe.ch – ein Netzwerk für Innovation Tel. +41 (0)31 388 70 70 Fax. +41 (0)31 388 87 88 des elektronischen Patientendossiers Der tcbe.ch – ICT Cluster Bern versteht E-Mail: info@tcbe.ch, www.tcbe.ch auseinander. Daniel Stucki, Keller Infor sich als regional stark verankertes Netz- Redaktion matik AG, gibt einen Überblick über die ICT werk für Innovation, auch im Bereich des Andreas Dürsteler, Swisscom AG Megatrends: Chancen und Risiken im Gesundheitswesens. Am Beispiel dieses E-Mail: andreas.duersteler@tcbe.ch, Tel. 079 277 54 90 Gesundheitswesen. Die BFH Medizininfor- informativen Focus zeigt sich die Stärke matik präsentiert Forschung und Inno des Clusters: grosse und kleinere Unter- Inseratemanagement, Gesamtherstellung vation am neu eröffneten Institute for nehmen und Bildungsinstitutionen produ- Stämpfli AG, Dienstleistungen und Produktion Medical Informatics (I4MI). Erne Consul- zieren gemeinsam eine Zeitschrift zu Wölflistrasse 1, Postfach, 3001 Bern ting AG, stellt eine den Bedürfnissen von einem zukunftsweisenden Thema mit Tel. 031 300 66 66, Fax 031 300 66 99 E-Mail: info@staempfli.com Ärzten und Pflegenden entsprechende, auf grossem Potential nach dem Motto: www.staempfli.com der Basis der Software POLYPOINT neu gemeinsam sind wir stark. Falls die Lek Titelbild: BFH Medizininformatik entwickelte Applikation vor, die für den türe Ihr Interesse am tcbe.ch geweckt hat, 153204_focus_28_(001_040).indd 3 23.10.15 15:41
4 Inhaltsverzeichnis ICT als Enabler der Innovation im Schweizer G esundheitswesen 1 Der tcbe.ch – Ihr Netzwerk für Innovation, auch im Gesundheitswesen 3 Digitale Revolution im Gesundheitswesen 5 mHealth und das elektronische P atientendossier 7 ICT-Megatrends: Chancen und Risiken im Gesundheitswesen 9 Forschung und Innovation am Institute for Medical Informatics (I4MI) 11 MIDATA – Bürger-zentrierte Zweitnutzung von Gesundheitsdaten 13 Prozesse im Fokus 15 Mobile Kurve 17 Mit CIRS aus Fehlern lernen, bevor etwas passiert 19 eMedikation, eine grosse aber lösbare Herausforderung 21 Telemedizin: Die Zukunft des Gesundheitswesens? 23 Elektronisches Patientendossier und Datenschutz 25 Qualitätssicherung im Healthcare IT Bereich 27 Consumer Lösungen wie Fitness Daten: Schlüssel zum Erfolg von eHealth 30 Onlinepraxis – eine integrierte Lösung für eine moderne ärztliche Patientenbetreuung 32 Informatik – nach wie vor der Traumberuf mit grosser Zukunft 34 Das Bürgerdossier 37 Veranstaltung 2015/2016 38 153204_focus_28_(001_040).indd 4 23.10.15 15:41
SWISSCOM HEALTH AG 5 SWISSCOM HE ALTH AG Digitale Revolution im Gesundheitswesen Es scheint schon Ewigkeiten her: Piepsende, knackende Modems, die uns lähmend Mutter oder Vater, Sohn oder Tochter, langsames Internet bescherten. Heute geht alles blitzschnell: Ob Bilder, Videos, Hausarzt oder Spital und haben jederzeit ganze Filme – in Sekundenbruchteilen und auf Knopfdruck ist alles da. Doch nicht den Überblick über ihre Arztrechnungen überall läuft es so schnell und effizient. und die Rückvergütung ihrer Versicherung. Bei Diabetes, einer der häufigsten chro- Meldet Sie Ihr Hausarzt beispielsweise am sönlichen digitalen Gesundheitsdossier nischen Erkrankungen, können Sensoren Spital für eine Untersuchung an, ist die erfasst und alle berechtigten Ärzte haben und Apps den Patienten helfen, ihren Blut- Wahrscheinlichkeit hoch, dass er dies per zeit- und ortsunabhängig darauf Zugriff. zuckerspiegel besser in den Griff zu be- Fax tut. Erinnern Sie sich noch? Dieses Die Frage nach alten Röntgenbildern, der kommen. Das kontinuierliche Messen der Gerät, welches ähnlich komische Töne von letzten Tetanusimpfung, Medikamenten, Blutzuckerwerte wird einfacher und die sich gibt wie ihr erstes Modem und bereits Allergien, Laborwerten oder den aktuellen drahtlose Übertragung geschieht automa- zehn Jahre früher auf dem Markt war. Der Blutdruckwerten gehört damit der Vergan- tisch. Idealerweise liefern diese Geräte Bericht ihrer Untersuchung trifft dann zwei genheit an. Auch Patientenverfügungen, darüber hinaus Informationen zu Ernäh- Wochen später per Post bei Ihrem Arzt ein. Arztrezepte, Gewicht- und Trainingsdaten rung und körperlicher Aktivität und unter- Schätzungsweise 200 Millionen Papierdo- können sicher online hinterlegt werden stützen den Patienten mit relevanten Infor- kumente werden so im Gesundheitswesen und stehen bei einem Arztwechsel, Spital- mation rund um seine Krankheit. schätzungsweise pro Jahr verschickt. Das austritt der einem medizinischen Notfall Der Nutzen der zunehmenden Digitali- kostet viel Zeit und noch mehr Geld. genauso praktisch zur Verfügung wie ihr sierung des Gesundheitswesens geht aber Idealerweise sind alle medizinischen Online-Banking. Sie kontrollieren wer auf weit über die Behandlung von Krankheiten und administrativen Daten in Ihrem per- die Daten zugreift, Ehefrau, Ehemann, und Beschwerden hinaus. Auch für das 153204_focus_28_(001_040).indd 5 23.10.15 15:41
6 SWISSCOM HEALTH AG persönliche Gesundheitsmanagement – eigenen Gesundheit. Jeder Konsument hat geschichte entfällt. Der behandelnde Arzt wie bleibe ich gesund und fit – kennt die seine kleinen Helfer die ihn dabei unter- kann sich dem Patienten widmen, schaut heutige Welt der Technologie mit ihren stützen, gesund zu bleiben. Eingebaute sich die Krankengeschichte und Laborwer- Apps, Gadgets und Sensoren praktisch Alarmfunktionen oder –warnungen sorgen te an und kann schnell eine zuverlässige keine Grenzen zur Messung und – der für mehr Sicherheit im Alltag. Diagnose stellen. Stimmt erstmal die Dia- mehr oder weniger aussagekräftigen – In- Und muss der Patient trotzdem mal zum gnose, so kann viel gezielter und besser terpretation der Daten. Mehr als 40 000 Arzt oder ins Spital, so sind die Daten behandelt werden. Und wird das Rezept Anwendungen mit Inhalten zu Ernährung, schon da: Keine Rückfragen beim Haus- schliesslich noch elektronisch ausgestellt, Gesundheit, Wellness und Sport stehen in arzt, keine Laborwerte, die gefaxt werden passieren auch weniger Medikationsfehler den verschiedenen App-Stores zum Down- müssen und kein Röntgenbild, das neu aufgrund handschriftlicher Missverständ- load bereit. Aktuell werden diese von ca. gemacht werden muss – ganz ohne Post nisse. 350 000 Bürgern in der Schweiz aktiv ge- und ohne eine Minute Zeit zu verlieren. In vielen Bereichen unseres Lebens nutzt. Dies eröffnet ganz neue Perspek Das mühsame Ausfüllen der immerglei- sind die Fortschritte, welche durch die di- wtiven in der Gesundheitsversorgung und chen Anmeldeformulare mit Personalie, gitale Revolution erreicht wurden, nicht dem verantwortungsvollen Umgang mit der Versichertennummer und Krankheitesvor- mehr wegzudenken. In einigen Jahren wer- den wir zurückschauen und feststellen, eHealth: Ein Rezept gegen steigende Gesundheitskosten dass die Digitalisierung auch das Gesund- heitswesen effizienter und transparenter Die Gesundheitskosten steigen weiterhin rasant an. Auch aus der Perspektive der gemacht hat. Wir werden Teil eines Ge- Gesellschaft bringt eHealth Vorteile. Im Im Auftrag von Swisscom untersuchte PwC sundheitssystems sein, in dem nicht nur in zwei Spitälern und bei niedergelassenen Ärzte den Überweisungsprozess vom die Behandlung von Krankheit im Vorder- Haus- oder Facharzt ans Spital sowie den abschliessenden Versand der Austrittsbe- grund steht, sondern auch Prävention und richte. Die Studie zeigt, dass im durch eine komplette Digitalisierung dieser Prozesse Gesundheitsförderung einen wichtigen könnten 90 Prozent der Prozesskosten eingespart werden könnten. Die Hochrechnung Platz einnehmen. Die Voraussetzung dafür zeigt, dass allein durch die Anpassung dieser zwei Prozesse jedes Jahr Kosten in der ist, dass Leistungserbringer wie Ärzte, Spi- Höhe von 81 bis 139 Millionen CHF eingespart werden könnten. Das Einsparpoten- täler und Heime die Chancen jetzt nutzen, zial durch eine Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen ist insgesamt noch die sich durch die digitale Revolution in weitaus höher: Experten gehen von 200 Millionen Papierdokumenten pro Jahr aus. diesem Bereich unseres Lebens ergeben. Die Bürger jedenfalls sind schon bereit. Mobiler Doktor Gesundheits-Apps haben Hochkonjunk- elektronische Patientenakte, Swisscom ortsunabhängig Zugang auf das gesamte tur. Das Potential mobiler Lösungen Medical Record (SMR) verantwortlich ist. spitalinterne Patientendossier. Sie haben erkennen zunehmend auch Spitäler und Die Zeiten, in denen Berge von Papier zum von überall per Smartphone oder Tablet Arztpraxen. Alltag von Ärzten und Pflegefachleuten im Zugriff auf Daten ambulanter und statio- Spital gehört haben, sind gezählt. närer Patienten. Das erhöht die Effizienz Ein Wisch und die Ärztin kann direkt am im Spital, verbessert die Interaktion zwi- Krankenbett die aktuellen Labordaten mit Swisscom Medical Record für Spitäler schen Ärzten und Patienten und fördert die ihrem Patienten besprechen. Rasch ist In ersten Schweizer Spitälern ist die mobi- Arbeitszufriedenheit des medizinischen entschieden: Der Patient darf nach Hause. le Patientenakte bereits im Einsatz. Die Fachpersonals. «Das wird in Zukunft der Standard sein», Neuerungen sind im Berufsalltag der Me- sagt Mike Ruoss, der bei Swisscom für die diziner ein grosser Gewinn: Sie erhalten 153204_focus_28_(001_040).indd 6 23.10.15 15:41
eHealth Suisse 7 eHealth Suisse mHealth und das elektronische Patientendossier Der Bundesrat hat Anfang 2013 die Stra- denen die im elektronischen Patientendos- Um mHealth im schweizerischen Ge- tegie Gesundheit 2020 verabschiedet. sier enthaltenen medizinischen Daten be- sundheitswesen zu etablieren, hat das Diese enthält zahlreiche Massnahmen, arbeitet werden können. Es sieht zudem Koordinationsorgan «eHealth Suisse» von um das Schweizer Gesundheitswesen auf im Artikel 8 Abs. 2 die Möglichkeit für Pa- Bund und Kantonen in einem ersten die aktuellen und kommenden Herausfor- tienten vor, selber eigenen Daten zu erfas- Schritt mit einer Studie eine Auslegeord- derungen vorzubereiten. Eines der Ziele sen. Diese Möglichkeit führt zur Stärkung nung erstellen lassen. Diese zeigt unter sieht vor, eHealth stärker einzusetzen, ein der Patienten, wie es die Strategie Ge- anderem den Handlungsbedarf in ver- weiteres die Stärkung von Patienten. Dazu sundheit 2020 vorsieht. Wenn der Patient schiedenen Bereichen auf, damit die Pa gehört auch die Einführung und aktive För- selber Daten im elektronischen Patienten- tientenbehandlung unterstützt werden derung des elektronischen Patientendos- dossier erfasst, wird er besser in die Be- kann. Denn mHealth ist nicht nur ein rasch siers. handlung eingebunden und er kann sich wachsender Markt, sondern auch ein Be- Beim elektronischen Patientendossier aktiver einbringen. reich, der das Potenzial hat, die Weiterent- handelt es sich um ein virtuelles Dossier, Damit dies auch Realität wird, muss die wicklung der Gesundheitssysteme mitzu- welches wichtige Daten über eine Behand- Eingabe der Daten mit möglichst nieder- prägen und deren Qualität und Effizienz zu lung den Gesundheitsfachpersonen unab- schwelligen Instrumenten erfolgen. Da steigern.1 In einem zweiten Schritt wurde hängig von Ort und Zeit zugänglich macht. mHealth-Anwendungen und Medizinpro- eine mHealth-Arbeitsgruppe mit Vertretern Der Patient verfügt über das Patientendos- dukte sich stetig wachsender Beliebtheit aus Politik, Industrie, medizinischen Fach- sier. Somit bestimmt er, wer auf welche erfreuen, bieten sich diese Anwendungen verbänden und der Forschung gegründet, Daten zugreifen kann. besonders an. So benutzen vor allem chro- um die Auslegeordnung und mögliche Das im Juni 2015 vom Parlament ver- nisch Kranke, wie beispielsweise Diabeti- Handlungsempfehlungen für mHealth zu abschiedete Bundesgesetz über das elek- ker, täglich Blutzuckermessgeräte. Und in diskutieren. tronische Patientendossier (EPDG) legt die der breiten Bevölkerung sind Fitness-Apps Die rasche Ausbreitung von mHealth- rechtlichen Voraussetzungen fest, unter oder Kalorien-Tracker sehr beliebt. Anwendungen ist für Nutzer, seien es Ge- Quelle: In Anlehnung an HINT AG (2015): Patientenseitige Daten im elektronischen Patientendossier 153204_focus_28_(001_040).indd 7 23.10.15 15:41
8 eHealth Suisse sundheitsfachpersonen oder Bürger, eine onaler Ebene vor allem kommunikative mHealth-Anwendungen nur schwer in der Herausforderung. Auf unterschiedlichen Massnahmen notwendig, welche die ak Gesundheitsversorgung etablieren kön- Plattformen sind heute bereits 97 000 tuelle Regulierung bekannt machen und so nen. mHealth-Apps erhältlich.2 Die nicht immer den Einstieg in den Markt erleichtern. Zu beachten ist auch, dass sich Bürger transparente Grenze zwischen zertifizier- Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der und Gesundheitsfachpersonen informie- ten Medizinprodukten und konsumgetrie- Arbeitsgruppe diskutiert wird, ist die Frage ren möchten, bevor sie eine Anwendung benen mHealth-Applikationen machen es der Interoperabilität. Wenn mHealth-An- nutzen. Der Zugang zu diesen Informatio- für Nutzer nicht einfach, sich einen Über- wendungen sich im Gesundheitswesen nen muss einfach und schnell sein. So blick über die Produkte zu verschaffen. Oft etablieren sollen, muss es möglich sein, benötigen sie zum Beispiel Erläuterungen kommen Bedenken in Bezug auf Daten- Interoperabilität zwischen den einzelnen zum Zweck und Nutzen des Produktes schutz, Datensicherheit und Interoperabi- Lösungen und mit den Primärsystemen der oder zur Gewährleistung des Datenschut- lität dazu. Die fehlende Möglichkeit mit Behandelnden sicherzustellen. Damit die zes und -sicherheit. Auch Fragen zum Spei- mHealth-Anwendungen erbrachte Dienst- Schweiz auf dem globalen Markt nicht be- cherort der Daten müssen geklärt sein. Es leistungen abrechnen zu können, ist für nachteiligt ist, muss bei der technischen gibt bereits einige Initiativen, die sich dem Gesundheitsfachpersonen ein weiteres und semantischen Interoperabilität auf Thema angenommen haben und versu- Hemmnis. internationalen Standards gesetzt werden. chen, in diesem neuen Markt Transparenz Bei den Anbietern besteht die Schwie- Zurzeit setzen sich vor allem in den nord- zu schaffen. Dazu gehört zum Beispiel die rigkeit, dass die Klassifizierung von Medi- europäischen Ländern Standards der Con- Initiative «my health app». Nun ist zu klä- zinprodukten und die Regulierungsricht tinua Health Alliance durch. Es ist deshalb ren, ob in der Schweiz eine Organisation linien für diese oft nicht bekannt sind. Der zu analysieren, ob diese Standards auch zuständig sein soll, welche die Informatio- Zertifizierungsprozess ist vor allem für für den Schweizer Markt übernommen wer- nen sammelt und zugänglich macht. KMU-Unternehmen oder Einzelpersonen den sollen. Die Schweiz muss noch einige Fragen oft zu teuer oder er stellt eine fachliche Damit die Lösungen auch Abnehmer im Bereich mHealth klären, bevor die Lö- Herausforderung dar. finden, ist es wichtig, Vertrauen zu schaf- sungen im Gesundheitswesen Alltag wer- Beim mHealth- und dem Medizinproduk- fen und auch dafür zu sorgen, dass die den. Dabei ist zu beachten, dass der Be- te-Markt handelt es sich um einen inter- Leistungen der Gesundheitsfachpersonen reich mHealth nicht überreguliert werden nationalen Markt. Die Schweiz ist über in den Leistungs- und den Tarifkatalogen darf. Sonst werden Innovationen verhin- bilaterale Verträge in ein gesamteuropäi- abgebildet werden. Hierbei geht es nicht dert. Andererseits muss dafür Vertrauen sches System eingebunden. Dies hat zur in erster Linie nur darum, dass das Gerät bei den Nutzern geschaffen werden. Sonst Folge, dass der Handlungsspielraum auf oder die App vergütet werden, sondern werden die tollen Innovationen keinen Ein- nationaler Ebene stark eingeschränkt ist. dass die Leistungen rund um das Einsatz- gang in den Alltag von Medizin und Pflege So sind Regulierungsmassnahmen auf na- szenario entschädigt werden. So wird zum finden. tionaler Ebene unerwünscht, weil diese Beispiel beim Telemonitoring der Patient den schweizerischen Markt vom globalen von einer Gesundheitsperson von fern Catherine Bugmann, «eHealth Suisse» Markt loslösen würde. Internationale Inno- überwacht. Diese wertet in seiner Abwe- vationen würden keinen Eingang mehr in senheit die übermittelten Daten aus und 1 Siehe Europäische Kommission (2014): Grünbuch den Schweizer Markt finden, und die nati- passt bei Bedarf die Behandlung an oder über Mobile-Health-Dienste («mHealth»). 2 Siehe Research2Guidance (2013): The mobile onale Medizintechnische Industrie wäre reagiert auf einen Alarm. Wenn dieser Auf- health global market report 2013–2017. The com- benachteiligt. Entsprechend sind auf nati- wand nicht vergütet wird, werden sich mercialisation of mHealth apps. Ihr Partner für Internationalisierung 153204_focus_28_(001_040).indd 8 23.10.15 15:41
KELLER INFORMATIK AG 9 K E L L E R I N F O R M AT I K AG ICT-Megatrends: Chancen und Risiken im Gesundheitswesen Drei Faktoren haben unser Leben in den Hard- und Software aus der «Wolke» des neuen Erkenntnissen und Publikationen letzten Jahren – sowohl im privaten Be- Internets beziehen kann. Solche Dienste erweitert wird. Diese hilft beispielsweise reich wie auch im Berufsalltag – geprägt: aus der Cloud bieten vielfältige Möglich- bei der Diagnose und der Behandlung von die Globalisierung, die Zunahme der Mo- keiten und werden immer häufiger auch Patienten. bilität und die Entwicklung der Informa- mit der bestehenden IT-Umgebung kombi- tions- und Kommunikationstechnologien niert. Diese neuen Möglichkeiten stellen alle vor (IKT oder englisch ICT). Mit dem Internet grosse Herausforderungen, welche vielen steht uns eine schier grenzenlose Flut von Virtuelle Arbeitsräume noch viel zu wenig bewusst sind. Während Informationen zur Verfügung. Dank mobi- Virtuelle Arbeitsräume kommen zum Ein- sich einige Branchen bereits sehr früh mit len Geräten aller Art können wir jederzeit satz bei Teams, deren Mitglieder von dieser Problematik auseinandersetzten global darauf zugreifen, sind immer und verschiedenen Standorten und zu unter- und heute einen guten Standard erreicht überall kommunikationsbereit, aber poten- schiedlichen Zeiten an der gleichen Auf haben, besteht vielerorts oft noch Hand- ziell auch überwacht und kontrollierbar. gabe arbeiten. Sie können dort Sitzungen lungsbedarf: Die ICT hat zu einer enormen Produktivi- verwalten, die dabei benötigten Unterla- • Die eigene IT muss diese Anforderungen tätssteigerung geführt. Neue Geschäfts- gen, Dokumente, Daten etc. elektronisch erfüllen können. Eine sichere Integration modelle und ganze Wirtschaftszweige sind austauschen und ablegen. Die ganze Kom- der unterschiedlichen externen Systeme entstanden, Innovation ist zur Dauerauf- munikation erfolgt – im Gegensatz zum ist ohne entsprechendes professionel- gabe geworden; dem daraus resultieren- normalen E-Mail – verschlüsselt. Beson- les KnowHow nicht mehr möglich. den Strukturwandel wird sich niemand ders beliebt sind virtuelle Arbeitsräume • Die Ansprüche an die Verfügbarkeit stei- entziehen können. Das wirkt sich aus auf bei teilzeitlich tätigen Gremien oder Miliz- gen und die Ausfalltoleranz wird kleiner. Arbeit, Freizeit und das ganze Sozialverhal- behörden (z.B. Verwaltungsräte, Vorstän- Das bedingt zusätzliche Investitionen ten – Facebook ist nur ein Beispiel dafür. de, Stiftungsräte, etc.). und ein klares Unterhaltskonzept, um Es verändern sich Arbeitsplätze und Ar- diese auf einem aktuellen Stand zu hal- beitsmodelle. «Big Data» ten. Im Zuge dieser Entwicklung bieten sich Die Datenmengen wachsen explosionsar- • IT-Sicherheit ist eine Daueraufgabe ge- zahlreiche neue Möglichkeiten, die es tig, die Möglichkeiten zur Auswertung wer- worden. Professionelle Sicherheitssys- auch im Gesundheitswesen zu nutzen gilt. den immer leistungsfähiger und differen- teme und ein systematischer Unterhalt Ein paar Beispiele: zierter. So erstellt beispielsweise Google sind absolut zwingend. aus den laufend anfallenden Benutzerda- • Besonders bei Cloud-Lösungen hat der Mobile Endgeräte ten systematisch individuelle Verhaltens- Benutzer keine Kontrolle über die verar- Mit den portablen PCs wurde der Trend muster, welche für die Werbung von gross- beitenden Systeme (Server und Daten- zum mobilen Arbeitsplatzgerät eingeleitet. en Wert sind. Im Gesundheitswesen bietet banken). Bei sensiblen Daten können Heute steht uns eine Vielfalt von Endgerä- die elektronische Vernetzung der Patien- deshalb Cloud-Dienste besonders von ten zur Verfügung, wie Notebooks, Tablets tendaten, das «elektronische Patienten- ausländischen Anbietern problematisch (z.B. iPad) und Smartphones. Über das dossier», eine Effizienzsteigerung und sein. Mobiltelefonnetz oder WLANs haben diese gleichzeitig eine qualitative Verbesserung • Das Risiko des Datenmissbrauchs be- Zugriff auf das Internet und vorhandene der medizinischen Versorgung. steht. Diesem kann nicht einfach mit IT-Netzwerke. Arbeiten ist nicht mehr an neuen Regulierungen begegnet werden. den Arbeitsplatz im Büro gebunden. Künstliche Intelligenz Es braucht durchdachte Lösungskonzep- Selbstlernende IT-Systeme werden ver- te und geeignete Technologien zu deren IT aus der «Cloud» mehrt komplexe Entscheidungen wirksam Umsetzung. Es gibt heute ein grosses und wachsendes und zeitnah unterstützen. So verfügt das • Betriebsinterne Regeln bezüglich Benut- Angebot von IT-Diensten für verschiedens- IBM-System «Watson» über eine riesige zung der ICT-Einrichtungen und der Da- te Zwecke, die man ohne Investitionen in medizinische Datenbank, die laufend mit tenhaltung sind zwingend notwendig. 153204_focus_28_(001_040).indd 9 23.10.15 15:41
10 KELLER INFORMATIK AG Viele Firmen haben ein entsprechendes wir uns manchmal mit verschiedenen Ge- Keller Informatik AG Reglement, das die Mitarbeiter unter- setzen konfrontiert, die sich gegenseitig schreiben müssen. widersprechen, bzw. ausschliessen. So Die Keller Informatik AG wurde am 1. • Mobile Geräte mit Daten sind ein Risiko. verbietet man beispielsweise dem Arbeit- April 1988 gegründet und gehört zu den Täglich gehen Notebooks und Smartpho- geber aus «Datenschutzgründen», die etablierten IT-Unternehmungen in der nes verloren oder werden gestohlen. Internet-Nutzung seiner Mitarbeiter zu Region Bern. Sie beschäftigt 15 Mitar- Vertrauliche Geschäftsdaten gehören kontrollieren. Gleichzeitig will man ihn ver- beitende (inkl. 2 Lehrlinge) in den Berei- deshalb grundsätzlich nicht auf Arbeits- antwortlich machen, wenn ein Mitarbeiter chen Beratung/Verkauf, Systemtechnik platzgeräte sondern auf die zentralen illegale Inhalte aus dem Internet auf sei- und Applikationen. Ihre Kernkompetenz Server. Dort wo auf extern gespeicherte nem PC hat. liegt in professionellen IT-Gesamtlösun- Daten nicht verzichtet werden kann, sind Fazit: Das Potenzial der Informations- gen und -Dienstleistungen für KMU. diese zu verschlüsseln. und Kommunikationstechnologien im Ge- www.kellerinfo.ch / info@kellerinfo.ch • Mindestens alle zwei bis drei Jahre soll- sundheitswesen ist sowohl bezüglich der te ein Sicherheitscheck oder ein IT-Audit Qualität wie auch der Wirtschaftlichkeit durch eine ICT-Fachperson durchgeführt enorm. Mit dem nötigen technischen und werden. Mit einer formalen Bestätigung unternehmerischen Sachverstand einge- der Revisionsstelle, dass die Daten- setzt (und etwas weniger Politik!) können schutzvorschriften eingehalten sind, ist sie dazu beitragen, den ausser Kontrolle es nicht getan! geratenen Gesundheitskosten etwas ent- gegenzuwirken. Der Gesetzgeber ist von der Entwicklung der IT überfordert. Der Gesetzgebungspro- September 2015 zess hinkt der raschen Entwicklung um Daniel Stucki Jahre hinterher. Zudem fehlt oft die not- CEO Keller Informatik AG wendige Sachkompetenz. Deshalb sehen 153204_focus_28_(001_040).indd 10 23.10.15 15:41
BFH MEDIZININFORMATIK 11 B E R N E R FA C H H O C H S C H U L E B F H M E D I Z I N I N F O R M AT I K Forschung und Innovation am Institute for Medical Informatics (I4MI) mation durch erneute Anamneseerhe- bung, Diagnostik, usw. nochmals erfasst werden muss oder – schlimmer noch – dass dies übersehen wird und es zu einer Fehlbehandlung kommen kann. Ineffektive Behandlungen und unzufriedene Mitarbei- ter sind mittelfristig die Folge. Wenn die Patienten dies realisieren, ist zudem der Vertrauensbonus schnell aufgebraucht (Abbildung 2). Die Folge davon sind unzu- friedene Patienten, verschärfte Dokumen- tationsauflagen, zusätzliche Kontrolle und ein vermehrt paternalistisch auftretender Gesetzgeber. Abbildung 1: Die Köpfe hinter dem I4MI. Oben v. l. n. r.: Serge Bignens, Thomas Bürkle, Kerstin Denecke, Rolf Gasenzer, Jürgen Holm. Unten v. l. n. r: Rolf Jufer, Sang-Il Kim, Michael Lehmann, Stephan Nüssli, Lehre und Forschung kommen François von Kaenel. zusammen Mit diesem Leitgedanken hatten wir 2009 Jürgen Holm, Michael Lehmann, Serge sundheitswesen direkt oder indirekt mit begonnen, ein breit abgestütztes Curricu- Bignens, Thomas Bürkle, Kerstin Denecke, intuitiver und im Hintergrund wirkender ICT lum für die zukünftige Generation von Me- Rolf Gasenzer, Rolf Jufer, Sang-Il Kim, Ste- sinnvoll unterstützt werden. dizininformatikerinnen und Medizininfor- phan Nüssli, François von Kaenel, I4MI, matiker in der Schweiz auszuarbeiten2. BFH Höheweg 80, 2502 Biel Bedeutung des medizinischen 2011 startete dann der schweizweit erste Informationsflusses Bachelorstudiengang in Medizininformatik Am 18. September 2015 wurde das I4MI Bis heute ist der durchgängige Informati- an der Berner Fachhochschule (BFH). Von im Rahmen einer Einweihungsfeier offiziell onsfluss zwischen den einzelnen Akteuren Beginn an war es klar, dass wir für unsere eröffnet. entlang des Patientenpfades eine der Studierenden ein Lernumgebung einrich- grössten Herausforderungen1. Derzeit er- ten müssen, die die Prozesse im Schwei- Wenn wir uns der Medizininformatik nä- reicht die medizinische Dokumentation zu zer Gesundheitswesen visualisiert und hern wollen, so gilt es, den eigentlichen einem Patienten die nächstbehandelnde neben dem Verständnis der Technik auch Grund in Erinnerung zu rufen, warum es Institution nur in Ausnahmefällen elektro- die Empathie für die verschiedenen Be- das Gesundheitswesen mit seinen Akteu- nisch. Das führt zu einer redundanten Da- rufsgruppen und die Patienten, vertreten ren überhaupt gibt. Die Daseinsberechti- tenerfassung, vielen Leerläufen und vor durch die «Familie Brönnimann», ermög- gung ist den Patienten geschuldet, die allem zum Fehlen von wichtigen Informati- licht. Damit war unser Living-Lab geboren dem Gesundheitswesen das wohl wich- onen. Es ist selbstredend, dass die Ar- und konnte ab 2013 für Praktika, Unter- tigste Kapital schenken: Vertrauen! beitsabläufe im Gesundheitswesen da- richt und Seminare in Betrieb gehen. Das Daher ist Informatik im Gesundheitswe- durch ineffizient werden. Die weiteren Labor erstreckt sich über mehrere Räum- sen nicht Selbstzweck, sondern der ICT- Konsequenzen werden oft nicht so klar lichkeiten und bildet den Behandlungspfad Einsatz ist immer wieder zu hinterfragen: kommuniziert, obwohl sie indirekt enorm mit stationärem und ambulanten Sektor wie können wir Medizininformatikerinnen hohe Kosten für das Gesundheitswesen inklusive eHealth ab, visualisiert die Sup- und Medizininformatiker dafür sorgen, verursachen. Zum einen besteht die Ge- ply Chain vom Hersteller bis ans Spital- dass die multiprofessionellen interdiszip- fahr, dass aufgrund fehlender Information bett, hat einen Bereich «Management im linären Arbeitsprozesse der Leistungser- die Behandlungsqualität gefährdet ist, sei Gesundheitswesen» und verfügt über eine bringer und der anderen Akteure im Ge- es, dass zeitaufwendig die fehlende Infor- 2-Zimmerwohnung der «Familie Brönni- 153204_focus_28_(001_040).indd 11 23.10.15 15:41
12 BFH MEDIZININFORMATIK den Informationsfluss in den Prozessen zu erreichen. Weitere Forschungs- und Pro- jektschwerpunkte sind (b) Wissensma- nagement und die intersektorale Kommu- nikation (c) eHealth-Plattformen und Tele- medizin) und damit verbunden die Entwicklung innovativer zukünf tiger Ar- beitsabläufe. Im Bereich (d) Evaluationen von Medizininformatik-Anwendungen eva- luieren und testen wir eHealth- und andere schnittstellenintensive Systemumgebun- gen auf ihre Integrationsfähigkeit mit den vor- und nachgelagerten Arbeitsschritten. Diese vier leiten über zu (e) patienten- und anwenderzentrierte Anwendungen. Damit ein effektiver Informationsfluss auch zu- stande kommt, ist die «Mensch-Maschine- Schnittstelle» entscheidend. Hier gilt es intuitive, schlanke und kontextbasierte Eingabe- und Informationsoberflächen zu Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Informationsfluss und «Vertrauenskapital» im Gesundheitswesen gestalten, die die Anwender optimal in ih- rem Arbeitsprozess unterstützen. mann» mit AAL (Ambient Assisted Living)3. mations- und Prozessmanagement kommt Ausblick Diese lebendige Labor-Landschaft erlaubt neben den bekannten Prozessmodulie- Die Geburt des I4MI ist geglückt5 und es, optimal verschiedenste Prozesse im rungswerkzeugen eine eigens entwickelte konnte zusammen mit mehr als 150 Gäs- Gesundheitswesen für Unterrichtszwecke Methode zur Prozessanalyse zur Anwen- ten aus Gesundheitswesen, Forschung zu simulieren und ist zugleich eine Innova- dung 1,4. Diese untersucht die Arbeitsab- und Hochschulen gefeiert werden. Das tionsschmiede. Die Fragestellungen, die läufe hinsichtlich des Informationsflusses I4MI bildet top Medizininformatikerinnen bearbeitet werden, sind visuell im Kontext mit der verwendeten ICT und den involvier- und -informatiker für das Gesundheitswe- der vor- und nachgelagerten Arbeitsprozes- ten Akteure. Ziel ist es dabei, Medienbrü- sen aus. Es erforscht und entwickelt mit se der Akteure eingebettet und erlauben che zu erkennen und einen durchgehen- seinen Projektpartnern die Integration von einen ganzheitlichen Blick auf die Materie. Hier entstehen in der Diskussion mit Stu- dierenden und Projektpartnern neue Ideen zur prozessualen ICT-Integration. Damit hat sich das Labor auch als Begegnungs- plattform zwischen Forschung und Lehre etabliert. Forschungsschwerpunkte I4MI Nachdem wir den Studiengang im Jahr 2014 erfolgreich akkreditieren konnten, bereits mehr als 100 eingeschriebene Stu- dierende zählen durften und die ange- wandte Forschung viel Schwung aufnahm, galt es nun, der Medizininformatik an der BFH ein entsprechendes Gefäss in der Abteilung Informatik zu bieten. So wurde Anfang 2015 damit begonnen, das Projekt «Institutsaufbau» (I4MI) zu starten (Abbil- dung 3). Entsprechend den Herausforderungen im Bereich Informationsfluss (Abbildung 2) Abbildung 3: Das I4MI versteht sich als ein neuer Akteur und Partner im Schweizer Gesundheitswesen, das wurden fünf Forschungsschwerpunkte de- durch Ausbildung, Forschung und Labortätigkeit den Studierenden und Projektpartnern eine Austauschplatt- finiert (Abbildung 4). Im Bereich (a) Infor- form bietet, um zukünftig eine bessere ICT-Unterstützung im Schweizer Gesundheitswesen zu ermöglichen. 153204_focus_28_(001_040).indd 12 23.10.15 15:41
BFH MEDIZININFORMATIK 13 Medizininformatikapplikationen auf allen Stufen des Gesundheitswesens, um in Zukunft durchgängige ICT-Prozesse zu er- möglichen. Auch wird angewandte Grund- lagenforschung betrieben, beispielsweise im Bereich eHealth und eMedikation. Da- mit schaffen wir die Voraussetzung für das nächste Projekt: ein Master of Science (MSc)-Programm in Medizininformatik für eine vertiefte Forschung in ICT-Fragen rund um das Schweizer Gesundheitswesen. 1 Holm Jürgen, Lehmann Michael 2013: http://www. gs1.ch/gs1-system/gesundheitswesen/spital-der- zukunft 2 Holm J, Gasenzer R, Dubois J-P Resultate zur Um- frage u?ber die Ausbildung von Medizininformati- kern in der Schweiz. Swiss Medical Informatics 70- 3-12, 2010 3 http://www.forschung.ti.bfh.ch/de/institute/insti- tute_for_medical_informatics/medizininformatik_ labor.html 4 www.ixpra.ch 5 www.i4mi.bfh.ch Abbildung 4: Forschungsschwerpunkte I4MI MIDATA – Bürger-zentrierte Zweitnutzung von Gesundheitsdaten MIDATA, «meine Daten», beschreitet einen neuen Weg in der Speicherung, Verwal- nicht-medizinischen Daten, verwalten sie tung und Zweitnutzung persönlicher Daten. MIDATA ermöglicht den Bürgern Kopien und entscheiden selbst über deren Zweit- ihrer persönlichen medizinischen und nicht-medizinischen Daten sicher zu speichern, nutzung. zu verwalten und über deren Zweitnutzung zu entscheiden. Von einer solchen Bürger- Da nur das Individuum das Recht und zentrierten Verwaltung persönlicher Daten wird die Gesundheitsversorgung und die die Möglichkeit besitzt, all seine Daten personalisierte Medizin profitieren. Die MIDATA IT Architektur ist modular aufgebaut. zusammenzuführen und Dritten zur Verfü- Daten werden einzeln verschlüsselt um die höchst mögliche Sicherheit zu gewähr- gung zu stellen, kann nur durch diesen leisten. Zwei klinische Pilotprojekte stehen kurz vor dem Start, um damit die MIDA- Bürger-zentrierten Ansatz der volle Wert TA Architektur und das Governance Modell zu testen und den Nutzen der Bürger- der Daten für die eigene Gesundheit und kontrollierten Zweitnutzung von Daten aufzuzeigen. die Gesellschaft realisiert werden.2 Zweitnutzung medizinischer Daten Im MIDATA Ansatz entscheidet der Bür- Eine flexible aber doch hoch sichere Die Zweitnutzung medizinischer Daten ist ger selbst über die Zweitnutzung seiner IT Architektur von zentraler Bedeutung für die Überprü- Daten. Dies wird ermöglicht durch genos- Das Konzept und der Aufbau der MIDATA fung der Wirksamkeit von Medikamenten senschaftlich organisierte Banken für per- IT Plattform wurden in einer Zusammenar- und Behandlungen, für das Rekrutieren sönliche Daten, die im Besitz der Bürger beit der ETH Zürich mit dem Institut für von Patienten für klinische Studien und für sind und durch sie kontrolliert werden (Fig. medizinische Informatik (I4MI) der Berner die Durchführung der klinischen Studien 1). Die Genossenschaft MIDATA.coop wur- Fachhochschule realisiert. selbst. Die Zweitnutzung medizinischer de dafür diesen Frühling in der Schweiz Die MIDATA IT Architektur beinhaltet den Daten durch Dritte ist jedoch stark einge- gegründet. Wie auf einem Geldkonto, spei- Import von Daten, deren sichere Speiche- schränkt und bedarf der informierten Ein- chern Bürger auf ihrem MIDATA Konto Ko- rung, Visualisierung und Analyse der Daten. willigung des Patienten.1 pien ihrer persönlichen medizinischen und Spezielle Beachtung gilt der Datensicher- 153204_focus_28_(001_040).indd 13 23.10.15 15:41
14 BFH MEDIZININFORMATIK vorgesehen, die es den Bürger/Patienten ermöglichen Wettbewerbe und Ziele zu definieren. MIDATA verbindet auf diese Weise die Eigenschaften von elektronischen Patien- tenakten, persönlichen Datenspeichern, sozialen Netzwerken und ermöglicht die Anbindung von Programmen von Drittan- bietern. Die Plattform wird zurzeit in zwei Pilot- projekten getestet. Im ersten wird in Zu- sammenarbeit mit der Klinik für Neurolo- gie des Universitätsspital Zürichs in einer klinischen Studie die Effektivität einer neuen Behandlung für Multiple Sklerose Patienten geprüft. Auf der MIDATA Platt- form werden medizinische, Gesundheits- Figur 1 – MIDATA Bürger-zentrierte Zweitnutzung von Gesundheitsdaten und Lifestyle-Daten gesammelt. Die Daten werden durch den Arzt, den Patienten und heit und der Möglichkeit, dass Bürger/Pa- schlüsselt, einem publik key, dessen pas- Sensoren, die der Patient trägt, gesam- tienten den Zugang zu einzelnen Datensät- sender private key im Besitz des Bürgers/ melt. zen für Dritte kontrollieren können (Fig 3). Patienten ist (Fig 3). Das zweite Projekt am Universitätsspi- Die mehrschichtige Architektur wurde tal Bern fokussiert sich auf Patienten, die in Java implementiert und verwendet das Stand heute und Aussichten sich einer Magenverkleinerungsoperation Play Framework mit Webservices von de- Die MIDATA IT Plattform ist ein Clou-basier- unterzogen haben. Es soll den Einfluss von dizierten Portalen für Patienten und Ge- ter Prototyp. Die Hauptdienstleistungen Bewegung auf einer möglichen Verminde- sundheitsdienstleistern sowie von mobi- werden über getrennte Portale für Bürger/ rung der Kardiovaskulare Risiken untersu- len Apps. Patienten und Gesundheitsdienstleister chen. Patienten werden ihr Gewicht via Einzelne Dateneinträge sind verschlüs- sowie über Mobile Apps gewährleistet. Sie intelligente Waage und objektive Messun- selt und werden getrennt von Bürger/Pati- beinhalten den Import von gesundheits gen ihrer Bewegungen via Schrittzähler in enten IDs gespeichert. Die Schlüssel für relevanten Daten, deren Verwaltung, MIDATA speichern. Dazu werden sie via die Verschlüsselung der einzelnen Daten- Visualisierungen und Analysen. Weitere eine Mobile App diese Messungen und sätze und die entsprechende Bürger/Pati- Dienstleistungen beinhalten Kommunika- deren Verlauf selber sehen und mit ihrer enten ID werden als Records in einer se- tionsplattformen für Patienten und Ge- Wohlbefinden-Selbstevaluation ergänzen paraten Datenbank für Zugriffsrecht sundheitsdienstleister und für Bürger/ können. Diese Daten werden danach mit gespeichert. Diese Records sind zusätz- Patienten unter sich. In der weiteren Ent- Patienteneinwilligung und in pseudonymi- lich mit einem weiteren Schlüssel ver- wicklung sind Werkzeuge für Gamification sierter Form für die Studie zur Verfügung Figur 2 – MIDATA Ecosystem Figur 4 – MIDATA Datenverschlüsselungskonzept 153204_focus_28_(001_040).indd 14 23.10.15 15:41
BFH MEDIZININFORMATIK 15 von der Genossenschaft verwaltet und in den Ausbau der Plattform und weitere Dienstleistungen investiert. Nächste Herausforderungen Herausforderungen für den MIDATA Ansatz bestehen auf verschiedenen Ebenen und werden mit Experten und interessierten Bürgern diskutiert und in wissenschaft lichen Arbeiten behandelt. Die Kontext der einzelnen Daten und deren Qualität ist kritisch. Die IT Architektur muss weiter an die rasch wachsende Menge unterschied- lichster, verschlüsselter Daten angepasst werden. Ein zentraler Vorteil von MIDATA liegt im Bürger-zentrierten Genossenschaftsmo- dell, welches Transparenz und eine nach- haltige Finanzierung ermöglicht, sobald eine kritische Menge von Mitgliedern er- reicht worden ist. Figur 3 – IDATA IT Architektur. Blau = MIDATA Komponenten, Rosa = Komponenten von Drittanbieter Serge Bignens, Berner Fachhochschule Ernst Hafen, ETH Zürich gestellt. In einer weiteren Phase ist ge- bewerben indem sie ihr Profil einreichen. plant, die Mobile App mit Coaching und Wenn sie aufgrund ihres Profils für die Stu- Gamification Funktionalitäten zu ergänzen. die akzeptiert werden, verwalten sie auf Referenzen 1 M. McDonald, R. C. Knight, M. K. Campbell, V. a Der Prototyp der MIDATA Plattform un- der MIDATA Plattform ihre eigenen Daten Entwistle, A. M. Grant, J. a Cook, D. R. Elbourne, terstützt so die Bürger und Patienten, ihre und erteilen die informierte Einwilligung für D. Francis, J. Garcia, I. Roberts, and C. Snowdon. What influences recruitment to randomised cont- eigenen Daten zu verwalten und sich mit die Zweitnutzung dieser Daten für die ent- rolled trials? A review of trials funded by two UK ihren Daten aktiv an klinischen For- sprechende Studie. funding agencies. Trials, vol. 7, p. 9, 2006. 2 Hafen, E., Kossmann, D. & Brand, A. Health data schungsprojekten und Studien zu beteili- Die Einnahmen, die aus der Zweitnut- cooperatives – citizen empowerment. Methods Inf gen. Patienten können sich für Studien zung der Daten generiert werden, werden Med 53, 82–86, 2014. Prozesse im Fokus 68 Milliarden Franken kostet das Gesundheitswesen. Laut der bundesrätlichen Re- Transparenz ist beschränkt und viele Pro- formagenda «Gesundheit2020» können die heutigen Leistungen ohne Qualitätseinbu- zesse und der damit verbundene Daten- ssen 20 Prozent günstiger erbracht werden. Auch die Studie und Umsetzungsemp- und Informationsaustausch sind nicht fehlungen «Spital der Zukunft» von GS1 Schweiz zeigen Massnahmen zur durchgängig. Der Bericht gruppiert die Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung. zahlreichen Herausforderungen in vier Pro- blembereiche, darunter die Behebung der Die Menschen in der Schweiz profitieren heitssystem funktioniert insgesamt gut mangelnden Steuerbarkeit und der fehlen- von einem guten Gesundheitssystem. Zu und man solle es nur geringfügig ändern, den Transparenz. dieser Ansicht kamen auch die Organisa- um es weiter zu verbessern. Um den Status quo in der Gesundheits- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit versorgung zu sichern, die Schwächen und Entwicklung (OECD) und die Weltge- Gemeinsame Strategie nachhaltig zu beseitigen und die Heraus- sundheitsorganisation (WHO). Auch in ei- Zu den Stärken gehören der garantierte forderungen meistern zu können, hat der ner Befragung des Commonwealth Fund Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bundesrat mit der Reformagenda Gesund- sagen 69 Prozent der befragten Schweizer die hohe Qualität der Versorgung. Das Sys- heit2020 vier übergeordnete Handlungs- Patientinnen und Patienten, das Gesund- tem hat aber auch Schwächen. Seine felder festgelegt: 153204_focus_28_(001_040).indd 15 23.10.15 15:41
die diversen Prozesse zu analysieren, braucht es eine Detaillierungsgrad beliebig erhöht werden. Gegen Ende Methode. Deshalb entwickelte die Berner Fachhoch- des Projekts wurde IXPRA in einem Testspital validiert. schule IXPRA (Interface Crossculture Process Analysis), Die Validierungsphase zeigte, dass das Werkzeug einfach eine praxisnahe generische Prozess-Analyse-Methode zu verstehen ist und schnell ein gemeinsames Verständ- zur Identifikation von Informationsunterbrüchen. Die zu nis für die visualisierte Prozesssituation schafft. Zusätz- untersuchenden Prozesse können in einer Matrix darge- lich erwies sich das Instrument geeignet als Diskussions- 16 GS1 SCHWEIZ stellt werden, die es erlaubt, jeden Teilschritt im Sinne der dort erbrachten Anwendungsfälle (Use-Cases), der grundlage für abzuleitende Massnahmen. involvierten ICT und der Akteure (Interaktionsschicht in Abbildung 2) abzubilden. pany in seiner Studie «Strength in unity: Patient Behandlungsqualität The promise of global standards in heal- Input Funktionsschicht Anwendungsschicht Interaktionsschicht thcare» zum Schluss, dass Standards fürs Gesundheitswesen in dieser von einem Hauptprozess Teilfunktion Besonderheiten Anwendung ICT-Datenfluss Organisation Besonderheiten enormen Strukturwandel geprägten Bran- Best practice & standards che entscheidende Vorteile liefern. Stan- dards unterstützen viele digitale Prozesse im Supply Chain Management, erhöhen Compliance die Patientensicherheit und die Patienten- Hauptprozesskette Anwendungsfälle Handlungsfelder Teilprozesskette Akteursklassen Compliance. Verzweigung ICT-Klassen Die Erkenntnis ist klar: Es braucht eine internationale Strategie auf allen Stufen der Wertschöpfung. Dadurch kann es den Regulatoren gelingen, eine gemeinsame Output Vision und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. «Die grösste Schwäche des IXPRA-Methode Abbildung im Überblick 2: Die Methode IXPRA basiert auf einem überschaubaren Schichtenmodell. Um Bruchstellen im Informationsfluss aufzudecken, Gesundheitssystems, liegt darin, dass wurde eine Prozessdarstellung gewählt, die drei zusammenhängende Schichten zeilenweise für jeden einzelnen Prozessschritt wiedergibt. In den drei Spalten der Funktionsschicht wird der eigentlich zu untersuchende Prozess dargestellt. Wichtige Begleitprozesse, die auf den man sich zu sehr auf die Preise anstatt auf • Lebensqualität sichern Um die optimale Patientenversorgung Hauptprozess einwirken, können in der zweiten Spalte parallel zum Hauptprozess aufgeführt werden. Weitere Besonderheiten, wie Verzwei- die Prozesse fokussiert», so Nicolas Florin, gungen oder Spezialitäten im Prozessschritt, können in der dritten Spalte vermerkt werden. Die Anwendungsfälle (Use-Cases) zeigen • Chancengleichheit und Selbstverantwor- zu gewährleisten, stellt die Krankenhaus- Handlungen, die während dieses Prozessschrittes verrichtet werden und den Prozess beeinflussen. Die Interaktionsschicht ist die eigentliche CEO bei GS1 Schweiz und Initiator der Stu- Innovation der IXPRA-Methode. Hier werden zu jedem Prozessschritt die verwendeten Dokumentationssysteme (ICT) und involvierten tung stärken logistik sämtliche benötigten Ressourcen Personengruppen (Spalten «ICT-Klassen» bzw. «Akteursklassen») aufgeteilt und selbst noch einmal wie z. B. im Spitalkontext nach klinischer die «Spital der Zukunft». und administrativer Sichtweise aufgeteilt dargestellt. • Versorgungsqualität sichern und erhö- sicher. Egal ob Personal, Operationssäle, hen Betten, Medikamente, Lieferanten oder «Die grösste Schwäche des Gesundheits • Transparenz schaffen, besser steuern Dienstleister: Die Aufgaben sind vielfältig11 systems, liegt darin, dass man sich und koordinieren und unerlässlich. Trotz der Wichtigkeit ein zu sehr auf die Preise anstatt auf die Thema mit viel Potenzial, geringer Dynamik Prozesse fokussiert» Insgesamt sind 36 Massnahmen vorgese- und hohen Einsparungsmöglichkeiten. Die Nicolas Florin, CEO, GS1 Schweiz hen, welche die bereits laufenden gesund- Studie «Spital der Zukunft» hat die Logis- heitspolitische Reformen ergänzen und tikprozesse in Spitälern unter die Lupe vertiefen. In diesen Prozess werden alle genommen. Was, wann und wo abgege- IXPRA zeigt Informationsbrüche wichtigen Akteure wie die Kantone, Leis- ben, verbraucht oder angeschafft wird, «Mit dem Projekt wollen wir einen konkre- tungserbringer, NGOs, Wissenschaft und bleibt oft verborgen. ten Beitrag zur Verbesserung der Leis- Wirtschaft miteinbezogen. Nur wenn «Ge- Für die Autoren der Studie, Prof. Jürgen tungs- und Wertschöpfungskette im Ge- sundheit2020» von allen Partnern mitge- Holm und Prof. Michael Lehmann von der sundheitswesen leisten», erklärt Valentin staltet und getragen wird, können die ge- Berner Fachhochschule, ist der Informati- Wepfer, Mitinitiator der Studie. «Die ganz- steckten Ziele erreicht werden. onsfluss denn auch das entscheidende heitliche Betrachtung ist der Schlüssel». Element für eine sichere Versorgungskette Um die Ursachen der heutigen Situation «Viele manuelle Eingriffe und Medien im Spital der Zukunft. Gemäss Holm ist zu verstehen, wurde im Rahmen der Studie brüche im Versorgungsablauf verschlech dieser heute keineswegs sichergestellt: in einem ersten Schritt der Medikations- tern die Effizienz und Effektivität.» «Viele manuelle Eingriffe und Medienbrü- prozess aus Patientensicht inklusive der Prof. Jürgen Holm, Professor für Medizin che im Versorgungsablauf verschlechtern technischen und personellen Schnittstel- informatik, Berner Fachhochschule die Effizienz und Effektivität.» Um eine rei- len dokumentiert. Das Projektteam hat bungslos funktionierende Supply Chain zu eigens dafür das Prozess-Analyse-Werk- erreichen, brauche es die Integration von zeuge IXPRA entwickelt. Spital der Zukunft ICT-Systemen im Spital. Die Leistungser- Ein Drittel der Gesundheitsausgaben fal- bringer müssten mit der Logistik, Spitalad- Spital der Zukunft len in Spitälern an. Zu den Hauptaufgaben ministration und -informatik ein gemeinsa- eines Spitals zählt die ärztliche und pfle- mes Verständnis der Prozesse entwickeln, economiesuisse und GS1 Schweiz ha- ben mit der Studie «Spital der Zukunft» gerische Hilfeleistung bei Krankheiten, Standards einführen und umsetzen, er- die Wertschöpfungskette, mit dem Ziel Leiden oder körperlichen Schäden. Zahl- klärt Holm. die Prozessqualität und die Patienten- reiche Abläufe, Strukturen sowie die ver- Neben effizienten Abläufen und optima- sicherheit zu erhöhen, untersucht. Pro- schiedensten Bereiche und Funktionsab- ler Logistik tragen die medizinischen Leis- teilungen wie Orthopädie, Unfallchirurgie, tungen des gesamten Personals entschei- jektpartner ist das Institute for Medical Dermatologie, Verwaltung, Apotheke, La- dend zur Qualität im Krankenhaus bei. Im Informatics I4MI der Berner Fachhoch- schule Technik und Informatik. bor, Wäscherei und Küche etc. stehen Oktober 2012 gelangte das internationale rund um die Uhr im Dienst des Patienten. Beratungsunternehmen McKinsey & Com- 153204_focus_28_(001_040).indd 16 23.10.15 15:41
ERNE CONSULTING AG 17 IXPRA steht für «Interface Crossculture lysiert. Sind Bruchstellen vorhanden, wer- code auf der Medikamentenpackung beim Process Analysis Tool». Die zu untersu- den diese mit den beteiligten Berufsgrup- Verlassen des Lagers gescannt wird. So chenden Prozesse werden in einer Matrix pen und mit Personen aus der Informatik kann der physische Weg der Packung dargestellt, die es erlaubt, jeden Teilschritt besprochen. «Dank diesem Vorgehen wird nachverfolgt werden. Daraus – so das Mo- und die damit verbundene und erbrachte rasch sichtbar, an welchen Stellen der In- dell der Zukunft – entsteht ein durchgän- Anwendung sowie der involvierten Parteien formationsfluss unterbrochen wird», so giger Informationsfluss, was letztlich auch abzubilden. Egal ob es sich dabei um das Holm. die Patientensicherheit erhöht. Bereitstellen der Medikamente, die Medi- kamentenkontrolle, die Medikamentenab- «Eine hohe Patientensicherheit und Erfolgreicher Praxistest gabe und schlussendlich um die Medika- Prozesseffizienz sind strategische Erste Testläufe im Spitalzentrum Biel wa- mentendokumentation handelt – jeder Erfolgsfaktoren für die Spitäler. Die ren erfolgreich. Laut Spitaldirektor Bruno einzelne Arbeitsschritt wird in IXPRA er- Studie hat uns geholfen, Verbesserungs Letsch konnte durch die Anwendung von fasst. Das Prozessanalyse-Werkzeug er- potenziale zu erkennen und praxis IXPRA ein gemeinsames Verständnis für möglicht, einzelne Spital-Prozesse im Kon- taugliche Massnahmen umzusetzen.» die Prozesse geschaffen werden. Es wur- text ihrer technischen, personellen und Bruno Letsch, Spitaldirektor, Spital den problematische Schnittstellen identi- kulturellen Schnittstellen zu identifizieren. zentrum Biel-Bienne fiziert und behoben, indem auf der neu Die eigentliche Innovation an IXPRA ist geschaffenen Lean-Bettenstation eine die Interaktionsschicht. Hier werden zu abgetrennte Medikamentenrichtzone ein- jedem Prozessschritt die verwendeten Do- Im Ergebnis lassen sich die Interaktio- gerichtet und die Aufgaben zwischen Pfle- kumentationssysteme und innvolvierten nen aufzeigen und nicht vorhandene ge und Spitalapotheke neu abgegrenzt Personengruppen beschrieben und nach Schnittstellen technischer oder kultureller wurde. Letsch zieht ein positives Fazit: klinischer und administrativer Sichtweise Natur werden aufgedeckt. Die Synthese «Eine hohe Patientensicherheit und Pro- dargestellt. So werden jeder Arbeitsschritt und Interpretation der Ergebnisse zeigen zesseffizienz sind strategische Erfolgsfak- und alle beteiligten Softwaresysteme und auf, dass sich bestimmte Schwerpunkte toren für die Spitäler. Die Studie hat uns die einzelnen Berufsgruppen detailliert bilden lassen, die die häufigen Unterbrü- geholfen, Verbesserungspotenziale zu er- erfasst. Der so gewonnene Überblick über che oder das nicht Funktionieren der Sup- kennen und praxistaugliche Massnahmen alle Teilarbeitsschritte mit der beteiligten ply Chain im Spital bedingen. Bruchstellen umzusetzen.» Informatik und den Mitarbeitern wird auf werden zu Schnittstellen, indem beispiels- technische und kulturelle Brüche hin ana- weise durch den Geräteeinsatz der Bar- Joachim Heldt, GS1 Switzerland E R N E C O N S U LT I N G A G Mobile Kurve Die technische Zukunft geht in Richtung Mobilität. Ob im Privatleben oder im Beruf. 2014 befassten sich zwei Bachelorabsol- POLYPOINT, die etablierte Software von Erne Consulting AG, bekam in den letzten venten der Medizininformatik der Berner Jahren eine neue technische Plattform. So dass das Unternehmen heute moderne Fachhochschule anlässlich Ihrer Diplomar- mobile Applikationen realisieren können. Nach Lancierung der ersten mobilen App, beit intensiv mit der mobilen Patientendo- welche für die Mitarbeiter gedacht ist, liegt nun der Fokus bei der zweiten mobilen kumentation. Lösung auf dem Patienten resp. dem Klienten. In Zusammenarbeit mit zwei Bachelo- Erne Consulting AG nahm dies zur Mög- rabsolventen der Medizininformatik der Berner Fachhochschule wurden die zusätzli- lichkeit, den Start in die mobile Zukunft in chen Bedürfnisse und Abläufe bei Ärzten und Pflegefachkräften aufgenommen. Dar- Angriff zu nehmen. aus entstand eine überzeugende ergonomische Applikation, welche speziell für den Mittlerweile gehören beide zum Ent- Einsatz auf der Abteilung zugeschnitten ist. Die Lösung ist Geräte-Unabhängig. wicklungsteam der mobilen Kurve und tragen ihren Teil zum Erfolg dieses Pro- In den letzten Jahren hat die Erne Consul- Architektur zu gelangen und hat bereits duktes bei. Die Zusammenarbeit mit be- ting AG die technischen Möglichkeiten ge- eine erste mobile Lösung in die Marktreife stehenden Mitarbeitern, welche bereits schaffen um in der Software-Architektur geführt. über Praxis- und Erfahrungswerte in der von der Client-Server-Architektur zu einer Die Bedürfnisse nach einer mobilen täglichen Arbeit der Patientendokumen- modernen, Device unabhängigen 3-Schicht- Kurve werden immer stärker. Im Jahre tation und der Medikation verfügen, ver- 153204_focus_28_(001_040).indd 17 23.10.15 15:41
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