"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon

Die Seite wird erstellt Lilly Heil
 
WEITER LESEN
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
„Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt.“
                         Platon

              MÄRZ
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
VIELEN DANK!                                  PIONTEKS PRÄLUDIUM

 Wir danken unseren Mäzenen für Ihr              Aber es wird
  Engagement. Durch Sie wird der
      Kulturbrief erst möglich.                  E   nde letzten Jahres konnte man im ZEIT-Magazin
                                                     ein Gespräch mit der Künstlerin Leanne Shapton
                                                 lesen. Shapton lebt in New York, und natürlich kam
             UNTERNEHMEN                         man auf die Frage, was aus „ihrer“ Stadt werden würde.
                                                 Die Antwort, die die Künstlerin gab, ist bemerkens‐
          Alexander von Humboldt                 wert: „Wir New Yorker leben an diesem verrückten
            Kulturforum Schloss                  Ort, an dem wir uns gegenseitig brauchen, um zu
              Goldkronach e.V.                   überleben, emotional, körperlich. Das alles wird gerade
                                                 weggedrückt. Aber all die Energie, die derzeit unter
   Festival Junger Künstler Bayreuth e.V.        dem Deckel gehalten wird, wird eines Tages geradezu
Gesellschaft der Kulturfreunde Bayreuth e.V.     explodieren, und es wird etwas Neues entstehen. Da-
                                                 rauf bin ich schon gespannt.“ New York scheint im
           Steingraeber & Söhne                  Moment sehr weit weg zu sein, aber wenn wir den Na‐
       Fabio - Exklusive Damenmode               men der Big City mit dem der kleinen Stadt am Roten
                                                 Main austauschen, müssen wir kein Wort verändern.
              Kanzlei Treibert
                                                 „In Winkeln spielt sich die Welt ab“, wie der Dichter
              Metzgerei Imhof                    Günter Eich einmal schrieb. In diesem Sinne ist New
                                                 York überall, weil wir wissen, dass die Energie, die der‐
                                                 zeit unter dem Deckel gehalten wird, eines Tages gera‐
           PRIVATPERSONEN
                                                 dezu explodieren wird: auch im vergleichsweise ruhi‐
                                                 gen Bayreuth. Seien wir also davon überzeugt, dass wir
               Angelika Beck                     und die Künste und die Künstler in einigen Wochen
           Helga Brielmeier-Löffel               oder Monaten wieder real zusammenkommen werden.
             Irmintraut Jasorka                  Joseph Beuys, der in diesem Jahr 100 Jahre alt gewor‐
               Kristina Jurosz                   den wäre, erfand einst das Wort von der „Sozialen Plas‐
                                                 tik“. Beuys, der ein wenig auf den Spuren des revoluti‐
             Karsten Schieseck
                                                 onären Wagner wandelte, meinte, dass Jeder durch sein
              Valeska Weinrich                   kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitra‐
                                                 gen und dadurch formend auf die Gesellschaft einwir‐
                                                 ken könne. Wir alle in Bayreuth und Umgebung bil‐
         TITELILLUSTRATION                       den eine unverwechselbare soziale Plastik, die gerade
                                                 darauf wartet, sich wieder bewegen zu können. Man
Matthias Ose: Adrian Ludwig Richter bei seinen   könnte sagen: Es wird, aber es dauert. Ich würde eher
    Bayreuth-Studien, als ihm plötzlich ein      sagen: Es dauert, aber es wird.
 waghalsiger Velocipedeur vor die Linse kam.
                                                                                        Ihr Frank Piontek
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
Anzeige

                                               DER KULTURBRIEF
                                         Feuilleton und Termine
                                      für Bayreuth und Umgebung
                                 Bayreuth             Kulturtermine
                                 leuchtet             Und weiter geht’s! Online-
                                 Installation im Richard       und Offline-Termine…
                                 Wagner Museum
                                                               Hinter den
                                 Botanik                       Kulissen
„Ein starker Gedanke             Pfeffer und Schrauben         Benvenuto Cellini

teilt auch dem, der              Vom Zeichnen                  Das alte Buch
                                 Auschnitte aus der Zei‐       Eine Empfehlung aus dem
anderer Meinung ist,             chenlehre von John Ruskin     Antiquariat: Kurt Kamlah:

von seiner Kraft                 Haiku
                                                               Mumuksha

etwas mit.“                                                    ... war hier
                                 Bauwerke                      Königin Luise
                                 Das Schloss in St. Johannis
          Marcel Proust                                        Das neue Album
                                 Das neue Buch                 Schubertiade am
                                 Aktuelle Buchempfeh‐          Lisztflügel
                                 lung: Monika Helfer: Vati

                                 Kulturpolitik                 Baukultur
                                                               Sprechendes Holz
                                 Kulturreferent Benedikt
                                 Stegmayer im Gespräch
                                                               Nais vom Heiner
                                 Kulturvereine                 Irgendwo
                                 vorgestellt:
                                 Kino ist Programm             Aus Bayreuths
                                                               Küchen
                                 Vom Grünen                    Sabines Kartoffelpuffer
                                 Hügel
                                 Die Walküre im Orgien         Geschichten aus
                                 Mysterien Theater             dem Wald
                                                               Der Wassermann vom
                                 Schachaufgabe                 Fichtelsee
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
KULTURTERMINE                                                KULTURTERMINE
                                                                             Bitte beachten Sie:
                       01.03.2021
                                                                  Präsenztermine können kurzfristig ausfallen.
� König Georg von Podiebrady
� Zum 550. Todestag des böhmischen Königs:
ZOOM-Vortrag mit Dr. Frank Piontek                                                   20.03.2021
� 19:00 Uhr
� Deutsch-Tschechische Gesellschaft Bayreuth e.V.             � Zeit für Neue Musik - Klaviernacht
� Online. Meeting ID: 99918178344, Kenncode: 407512           � Drei Konzerte im Kammermusiksaal
                                                              � 19:30 - 22:30 Uhr
                       10.03.2021                             � Zeit für Neue Musik
                                                              ↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal
� Natur pur oder trügt der Schein?
� Neue Forschungsergebnisse zur Siedlungs- und Landschafts-                          25.03.2021
archäologie auf der Nördlichen Frankenalb. Ein Zoom Vortrag
� 19:00 Uhr                                                   � Baynov Piano Ensemble
� Historischer Verein für Oberfranken e.V.                    � Von Walzer und Polka bis Rag und Tango
� Meeting-ID: 931 4447 8482, Kenncode: 002270                 Originalwerke & Bearbeitungen für 2 Klaviere zu acht Händen
                                                              � 19:30 Uhr
                       15.03.2021                             � Baynov Piano Ensemble
                                                              ↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal
� Christus als Schmetterlingsrüssel
Eine Kammermusik-Theaterperformance
�   Konzeptmusik von Maximilian Ponader und Wolfram Graf                             26.03.2021
�   19:30 Uhr
                                                              � Digitales Bayreuther Fastenessen 2021
�   Zeit für Neue Musik
                                                              � Mit Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und
↸   steht noch nicht fest
                                                              Landwirtschaft
                                                              � 19:00 Uhr
                       16.03.2021
                                                              � Alexander v. Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.
� "Christus als Schmetterlingsrüssel"                         � www.humboldt-kulturforum.de/fastenessen
- Kammermusik-Theaterperformance
�   Konzeptmusik von Maximilian Ponader und Wolfram Graf      � Midissage
�   19:30 Uhr                                                 � Kunst ohne Grenzen - Virtuelle Ausstellung und Künstlerge-
�   Zeit für Neue Musik                                       spräche über Zoom
↸   steht noch nicht fest                                     � 18:00 Uhr
                                                              � focus-europa e.V.
                       19.03.2021                             � Zugangsdaten unter: www.focus-europa.org

� Begegnungen. Saxophon und Klavier
� Johannes Neuner (Saxophon) und Michel Starke (Klavier)                   TERMINE EINTRAGEN
Duokomposition "Mantra" von Babayan, Klavierzyklus "Trois
Visions" von M. Starke u.a.                                          Unter www.kulturbrief.de
� 19:30 Uhr                                                   oder per Email an termin@kulturbrief.de
� Zeit für Neue Musik
↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal                           Nächster Redaktionsschluss: 20. März 2021
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
IM BILDE                          …WAR HIER: KÖNIGIN LUISE

                                      S   ie war die Königin der Herzen. Sie wurde als
                                          Preußens Stern in den Wetterwolken der napoleo‐
                                      nischen Ära bezeichnet: die preußische Königin, nach
                                      deren frühem Tod der Mythos der schönen und cou‐
                                      ragierten Monarchin wie von selbst entstand. Auch sie
                                      war in Bayreuth: am 9. Juni 1805 kam sie mit ihrem
                                      Mann, König Friedrich Wilhelm III., in die Stadt, die
                                      seit 1791 zu Preußen gehörte. Nachdem sie sich im
                                      Neuen Schloss einquartiert hatten, absolvierten sie
                                      eine Tour, die sie in die Eremitage und den Park der
                                      Fantaisie führte. An einem der Abende wurde ein Fest
                                      für die charmante Luise und ihren Gatten ausgerichtet;
                                      zur Sommerzeit traf man sich unter den Lampions im
                                      Hofgarten. Der Monopteros aber war bereits 1794 für
                                      die Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz errichtet wor‐
                                      den. Im Park begegnete sie auch Jean Paul, den sie, die
                                      „gekrönte Aphrodite“, wie er sie nannte, Jahre zuvor in
                                      Sanssouci zum Tee empfangen hatte. Der Dichter war
                                      damals entzückt von der „himmlischen Herzogin“ mit
                                      den „schönen Kinderaugen“. Die Sympathie beruhte
                                      zwar nicht auf Gegenseitigkeit, die junge Königin fand
                                      den jungen Mann zu grob und zu taktlos, doch hatte
                                      der Dichter ihr und ihren Schwestern seinen Titan ge‐
                                      widmet. Auf dem Sommerfest wird sie ihm kaum ge‐
                                      standen haben, dass sie seine Texte nicht mochte. Am
                                      13. Juni reiste sie nach Alexandersbad und zur Lux‐
                                      burg, die zu ihren Ehren in „Luisenburg“ umgewidmet
                                      wurde. Fünf Jahre später war sie tot: viel betrauert und
                                      beweint, vermutlich auch von einigen ihrer ehemaligen
                                      Untertanen in Bayreuth, die noch heute ihr herrliches
Bilderrätsel: Wo ist das zu finden?   Grabdenkmal in Berlin besuchen können.
                                                                                Frank Piontek
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
BAYREUTH LEUCHTET                                               KULTURPOLITIK
                                                           Begegnungen auf Augenhöhe.
                                                           Kulturreferent Stegmayer im Gespräch.

                                                           M    an fühlt sich zurückversetzt in Studentenzeiten.
                                                                Die Tische voll belegt, Bierdunst in der Luft, rege
                                                           Unterhaltungen. Fehlt nur der dichte Qualm. Aber rau‐
                                                           chen ist out. Dicht an dicht sitzen sie zusammen, keiner
                                                           trägt Maske. Wir befinden uns beim Runden Tisch Kul‐
                                                           tur und es ist Ende Januar 2020. Minuten vor Corona.
                                                           Eingeladen hat das Kulturamt Bayreuth. „Anwesende:
                                                           Vertreter*innen der Bereiche Literatur, Bildung, Film
                                                           und Subkultur“, so sagt es das Protokoll, welches die
                                                           Teilnehmer im Nachgang erhalten. Klingt trocken, ist es
                                                           aber nicht. Es wird offen diskutiert über Verbesserungs‐
„München leuchtete“                                        möglichkeiten in der Bayreuther Kulturwelt. Mit dabei
                                                           sind neben Studierenden Stadträte, freischaffende

S    o lautet der berühmte erste Satz von Thomas
     Manns Erzählung „Gladius dei“. Auch Bayreuth
leuchtet zuweilen, tatsächlich oder metaphorisch. Wir
                                                           Künstler, Bibliotheksmitarbeiter, Buchhändler, Inten‐
                                                           danten und der Initiator, Kulturreferent Benedikt Steg‐
                                                           mayer. Man erwartet die übliche Ansprache, langweilige
machen den Beginn mit einem Beispiel von Leucht‐           Selbstbeweihräucherungen, Rede eins, Rede zwei und,
turmprojekt, das gleich in zweierlei Sinn Licht in das     nach unendlichen Minuten, irgendwann den Aufruf
Dunkel dieser Tage bringt. Zu besichtigen vor allem        zum offenen Gespräch. Herr Stegmayer aber sitzt inmit‐
am Abend, wenn's finster wird: die Installation im         ten der Gesprächsrunde, beobachtet ruhig, führt Einzel‐
Schaufenster des Neubaus des Wagner-Museums, ein           gespräche, bringt sich in Diskussionen ein. Was zu‐
Teil der Ausstellung, die noch bis Oktober läuft, ge‐      nächst unübersichtlich wirkt, erhält nach und nach
schaffen von Rosalie, die 1994 den Bayreuther „Ring“       Struktur. Erst nach gut einer Stunde des offenen Ge‐
farbenprächtig ausgestattet hat - ein schöner Glanz, der
                                                           sprächs schaltet sich der Referent ein, stellt kurz den
hinter Wahnfried in die Abendstunden scheint.
                                                           Grund für dieses Treffen vor und fasst die Themen‐
                                                           schwerpunkte zusammen. Was hier passiert, das spürt
                                         Frank Piontek
                                                           man, ist wichtig. Es geht um die Gleichberechtigung der
                                                           Kulturschaffenden in Bayreuth. Einzelkämpfer neben
                                                           den großen Institutionen. Kleinkunst neben Festivals.
                                                           „Münden sollen die Runden Tische in der Wahl eines
                                                           Sprecherrates Kultur, der die Bayreuther Kulturschaffen‐
                                                           den vor der Verwaltung vertritt“, erklärt Stegmayer.
                                                           Schaut man sich die Runde im Café Wahnfried an, dürf‐
                                                           te das gelingen. Bald, hoffentlich, postcorona. Jetzt, ein
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
Anzeige

                                                                            Jahr später, ist Geduld gefragt. Ein Runder Tisch über
                                                                            Zoom? „Unmöglich“, so Stegmayer. „Kultur erfordert
                                                                            Begegnung. Das gilt für die Kulturentwicklung ebenso
                                                                            wie für Veranstaltungen.“ Ist denn da gar nichts zu ma‐
                                                                            chen? Doch, aber nur mittel- und langfristig. Wenn
                                                                            man sich also fragt, was macht ein Kulturreferent in der
                                                                            jetzigen Zeit, dann ist es genau das: Strategien für die
                                                                            Zukunft ausarbeiten. Dabei steht ein Punkt ganz beson‐
                                                                            ders im Fokus: Teilhabe: „Kultur ist nicht vorausset‐
                                                                            zungslos. Vorwissen ist gefragt. Menschen müssen jetzt
                                                                            aber auch schon frühzeitig mit Kultur in Kontakt kom‐
                                                                            men.“ Stegmayer baut auf vier Säulen: Schulbildung,
                                                                            Digitalisierung, offene Veranstaltungsorte und Bezahl‐
                                                                            barkeit. Oder ausführlicher: Eins: Vermittlungspro‐
                                                                            gramme (mindestens) ab der Grundschule: „Jeder hat
                                                                            mal die vierte Klasse besucht, ganz egal welche Schul‐
                                                                            form im Anschluss kommt.“ Zwei: Veranstaltungen
                                                                            auch online übertragen: „Hierfür ist die Voraussetzung
Entdecken Sie bei FABIO exklusive Damenmode nationaler und inter-
 nationaler Top-Brands! Im Herzen der Bayreuther Innenstadt finden
                                                                            der Zugang zu den technischen Mitteln.“ Drei: Kultur
                Sie genau den Stil, der zu Ihnen passt.                     im öffentlichen Raum stattfinden lassen: „Wir müssen
                                                                            Kultur an die Orte bringen, wo sie von den Menschen
          Ob JUNG & WILD oder EXKLUSIV & EDEL –
          wählen Sie Ihre Lieblingsteile aus den aktuellen                  wahrgenommen wird, auf Plätzen, in Parks, in den Stra‐
                Kollektionen unserer Top-Labels                             ßen, Public Viewing“, Vier: Die Menschen müssen sich
        und machen Sie die Straßen Bayreuths zum Laufsteg.
                                                                            Kultur leisten können: „Günstige Kartenkontingente
     Kommen Sie vorbei und probieren Sie nach Lust und Laune                können einen Anreiz schaffen.“ Das sind die langfristi‐
   oder lassen Sie sich von uns professionell in Sachen Stil beraten.       gen strategischen Planungen. „Kurzfristig gibt es er‐
                                                                            staunlich wenig Möglichkeiten“, sagt Stegmayer. Und
                                                                            da ist sie wieder, die Geißel unserer Zeit. „Im Grunde
                                                                            lässt sich wegen Corona nur mittelfristig planen. Wenn
                            Ihre Astrid Kwias                               es aber weitergeht, dann ist einiges los. Die Kultur in
                                                                            Bayreuth hat enormes Potential. Wir haben nicht nur
                                                                            die Bayreuther Festspiele, wir sind eine Festspielstadt“,
                                                                            betont der Kulturreferent. Und Bayreuth hat die Run‐
       Opernstraße 24-26 (neben Engin´s Ponte) | 95444 Bayreuth             den Tische, die nur darauf warten, Wirkung zu entfal‐
Rufen Sie uns an: 0921 69481 | www.fabio-bayreuth.de | Mo-Sa: 10-18 Uhr
                                                                            ten. „Ich denke immer noch, irgendwann einmal sitzen
                              fabio_bayreuth
                                                                            wir alle in Bayreuth zusammen ...“, so Nietzsche. „Mit
                                                                            dem Ziel, alle kulturellen Ebenen miteinander zu ver‐
                                                                            netzen“, würde Stegmayer ergänzen.
                                                                                                                    Benjamin Breuer
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
Anzeige

                         KULTURVEREINE

          Kino ist Programm

          Z    uletzt liefen „Für Sama“ und „Jean Seberg“: defini‐
               tiv zwei Programmkino- bzw. Arthouse-Filme. An‐
          gefangen hatte es 2014 – mit dem Schlachtruf „Kino
          ist für alle da!“ Präzis ausgedrückt: „‚Kino ist Pro‐
          gramm‘ ist eine Initative Bayreuther Filmbegeisterter
          und verfolgt das Ziel, im Zentrum der Stadt Bayreuth
          ein Programmkino zu etablieren. ‚Kino ist Programm‘
          versammelt Film-, Kino- und Kulturschaffende und al‐
          len voran kulturhungrige, engagierte Menschen aus
          zahlreichen Disziplinen.“ Mit dem eigenen Kinohaus
          ist es noch nichts geworden, die Suche nach einem ge‐
          eigneten Standort für vorerst zwei oder drei Kinosäle à
          30, 50 und 100 Sitzplätzen, einem Foyer- und Kassen‐
          bereich und einer Kinobar geht weiter. Inzwischen hat
          sich der Spielort Iwalewahaus, wo die Filmfreunde sich
          einmal im Monat im Foyer treffen, zu einer dauerhaf‐
          ten Erst- und Zwischenlösung entwickelt. Gegründet
          wurde der Verein der ehrenamtlich tätigen Filmenthu‐
          siasten, „weil Bayreuth schon heute mehr Film nötig
          hat“, wie es auf der Homepage heisst. Wurden zu‐
          nächst noch einzelne Programmkinotage veranstaltet,
          wurde es ab 2016 üblich, im Foyer jene Filme zu zei‐
          gen, die im Cineplex nicht gespielt werden: Filmklas‐
          siker und B-Movies, Kunstfilme und mögliche Berlina‐
          le-Gewinner, aber auch – in der Reihe
          „KinderKinoKlub“ – qualitätvolle Kinderfilme: für
          nur 5 Euro (die Großen) und 3 Euro (die Kleinen).
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
Man orientiert sich an den Neuerscheinungen des             werden. Mit ‚Kino ist Programm‘ besteht eine weitere
deutschen und europäischen Arthouse-Kinos und des           Chance, die wertvolle historische Bausubstanz des Bay‐
internationalen Independent-Kinos – und man zeigt           reuther Stadtkerns wieder vollends mit Leben zu fül‐
etwas, was früher üblich war und leider aus den „nor‐       len.“ So betrachtet, könnte der Name des Vereins auch
malen“ Kinos verschwunden ist: kurze Vorfilme. Im           lauten: „Kino ist Programm – für die Stadt“. Kann also
Programm enthalten sind auch Dokumentarfilme, wo‐           sein, dass irgendwann im Kulturzentrum Neuneinhalb
bei man die Streifen gesellschaftlich bewusst und glo‐      in der Kämmereigasse der Verein ein Standquartier be‐
bal wie lokal orientiert auswählt: als 2016 die Landes‐     sitzt, damit die kleine Sama und die unglückliche Jean
gartenschau veranstaltet wurde, zeigte man im               Seberg in Zukunft in ihrem eigenen Arthouse bewun‐
Iwalewahaus die Reihe „Natur ist Programm“.                 dert werden können.
Kino für alle, aber auf Niveau. Es zeigt sich auch in der
Idee, Kino nicht nur barrierefrei, sondern auch inklu‐      https://kino-ist-programm.de
siv zu gestalten. Wenn die Türen wieder aufgehen, wird
man auch für hörbeeinträchtigte Kinoliebhaber Filme                                                 Frank Piontek
zeigen: mit Untertiteln. Und für jene Filmfans, die gut
hören, aber weniger gut sehen können, wird eine App
namens „Greta“ zur Verfügung gestellt, die einem die
Erläuterungen ins Ohr flüstert. Apropos offen: Die
Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ist immer
gefragt. So war es schon in der Gründungsphase, als
man mit den Studienbereiche Humangeografie und
Theater & Medien der Universität Bayreuth kooperier‐
te. Vereine, die nachhaltige kulturpolitische Ziele ver‐
folgen, gibt es in Bayreuth ja nicht ganz wenige.
Ist es ein Wunder, dass der Verein 2017 mit dem De‐
bütpreis der E.ON Bayern Kulturstiftung Bayreuth für
seine innovativen und kreativen Bemühungen und                                                              Anzeige

Verdienste um das Bayreuther Kulturleben ausgezeich‐
net wurde? Nachdem der Deutsche Kinematheksver‐             Industrie- und Glasmuseum
bund „Kino, das wagt“ die Bayreuther Film-Aficio-
nados bereits gewürdigt hatte? Eines seiner Grün‐           Fichtelgebirge e.V.
dungsziele scheint übrigens nicht mehr so weit entfernt
zu sein. Der Verein versteht ja, so heisst es, „die Bay‐    Kleines Museum sucht Vorstands-
reuther Innenstadt und ihre historische Bausubstanz
als Ressource und will durch den Aufbau einer nach‐         mitglied für Kulturbetrieb.
haltigen und tragfähigen kulturellen Nutzung einen
Beitrag zur Revitalisierung von Leerständen leisten. Je‐
des Sanierungsobjekt, jeder Leerstand in der Innen‐
                                                            Telefon: 09276787
stadt ist es wert, dafür in Augenschein genommen zu
"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
Anzeige

                                                                                                  AUS BAYREUTHS KÜCHEN
                                                                                          Sabines Kartoffelpuffer mit Räucherfisch und
                                                                                          Joghurtcreme ( 4 Pers.)

                                                                                          Kartoffelpuffer
                                                                                          800g mehlige Kartoffeln, 1 große Küchenzwiebel,
                                                                                          1 Bio-Ei, 3 El Butterschmalz oder Pflanzenfett
                                                                                          Joghurtcreme
                                                                                          250 g Joghurt (3,8 % Fett), 1 Bio-Zitrone,
                                                                                          1 TL Agavendicksaft, 1 TL Senf, plus wahlweise 1 EL
                                                                                          Wasabipulver zum Verfeinern
                                                                                          Gewürze:
                                                                                          4 Räucherfilets, z.B. Makrele oder Saibling, 1 kleine
Klavierwelt Bayreuth                                                                      Handvoll Sprossen oder Kresse, Pfeffer, Salz

Einzelhandel | Manufaktur | Museum | Kulturzentrum                                        Die milde Küchenzwiebel und die Kartoffeln fein reiben,
                                                                                          in einer Schüssel mit dem Ei und etwas Salz kräftig vermi‐
                                                                                          schen. Einen guten Esslöffel Kartoffelteig pro Puffer in ei‐
                                                    PIANOTIME                             ner Pfanne dünn ausstreichen und im verwendeten Fett
          Sonderangebot                              Neues Konzert-
         während Corona-Schließung:                    programm                           goldgelb braten. Auf Küchenkrepp abtropfen lassen und
                                                     2021/22. Jetzt
                                                       kostenlos
                                                                                          nur vorsichtig salzen. Warm halten! Für die Creme den
            4 Wochen                                   anfordern!                         Joghurt mit etwas Zirtonensaft und geriebener Zitronen‐
         Probespielen zu
                                                                                          schale als auch dem Senf verrühren. Besonders raffiniert
              Hause
                                                Clavinova                                 wird der Joghurt durch die Beigabe eines Esslöffels Wasa‐
              Kostenlos und                      Neue Yamaha                              bi. Den Räucherfisch mit der Creme und den warmen
              unverbindlich*                      700er Serie:
                                                 Call & Collect!                          Puffern anrichten, mit frisch gemahlenem Pfeffer und
                                                                                          Brunnenkresse oder Sprossen garnieren. Auch Küchen‐
klavierhaus-steingraeber.de                                                               kresse passt gut und ist leichter zu bekommen. Über diese
      * Anlieferung EG zahlt Steingraeber, die evtl. Rücklieferung der Kunde.
                                                                                          tolle Kombination bin ich auf dem Münchener Viktuali‐
                      Stockwerkszuschläge ggf. berechnet.
                                                                                          enmarkt gestolpert und seitdem gibt es das regelmäßig bei
                                                                                          uns – auch für Gäste!                  Sabine Hagemann
DAS ALTE BUCH

Kurt Kamlah: Mumuksha

„S     ind denn nicht alle echten, auch die kleinsten
       und anspruchslosesten Schöpfungen unseres
Geistes nur der Ausdruck des ‚Mumuksha‘, wie es im
Sanskrit heißt, unseres Verlangens nach Befreiung?“
Keine Angst: Kurt Kamlahs Buch heißt nur so wie der
Begriff aus dem indischen Geistesleben. In Wirklich‐
keit tarnte der Autor mit seiner Erläuterung einen
Kranz von Kurzgeschichten, die nicht anders als „skur‐
ril“ genannt werden können. Kein Wunder: der Autor,
der auch unter dem bezeichnenden Pseudonym „Kur‐
ti“ seine Werke zum Druck beförderte, gehörte zum
künstlerisch-literarischen Stammtisch Rosenkränz‐
chen, der von 1909 bis 1911 im Düsseldorfer Weinlo‐
kal gleichen Namens seine Symposien veranstaltete.
Zum Rosenkränzchen gehörte auch Hermann Harry
Schmitz, der Verfasser der heute noch gelesenen Kata‐
strophengeschichten, Kamlah aber wurde vergessen.
Dabei sind seine Erzählungen fast ebenso seltsam.
Kamlah hat seine wartenden Jungfern, betrunkenen
Hühner und vor edlen Göttinnen zitternden Jünglinge
nur mit jenem Hauch der Melancholie ausgestattet, die
um 1900 á la mode war. Er, geboren 1866 in Hanno‐
ver, war 39 Jahre alt, als er den Band veröffentlichte,
der 28 schräge Erzählungen mit ebensolchen Titeln
enthält: „Der Suff ist ein Laster“, „Hier sitzt der Dich‐
ter in der Tinte“, „Der Lord lässt sich entschuldigen, er
ist zu Schiff nach Frankreich“, „Wenn der Mensch Lo‐
kalgrösse wird“. Der Regierungsrat Kamlah hatte jenen
Humor, der das Ende des wilhelminischen Kaiserreichs
schon ahnen ließ; dass zu seinen Hannoveraner Ju‐
gendfreunden Otto Erich Hartleben gehörte, der auch
in der Zeitschrift „Jugend“ veröffentlichte, die dem Ju‐
gendstil seinen Namen gab, ist kein Zufall. Der Berufs‐
jurist und passionierte Humorist starb 1928, bereits
1912 hatte Otto Boyer das Zeitliche gesegnet, der wie
IN NAHER ZUKUNFT
Kamlah und Schmitz dem Rosenkränzchen, daneben
dem Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten angehör‐        Konzerte der Kulturfreunde
te. Die Illustrationen des Bandes machen aus ihm erst
ein bibliophiles Gesamtkunstwerk: jede der 28 Kurzge‐
schichten enthält eine eigene Beigabe auf einem Vor‐
blatt – eingerahmte Szenen dienen als groteske Stand‐
                                                          D   ie Kulturfreunde e.V. planen die nächsten Kon-
                                                              zerte. Im Mai sollen sie, wenn alles glückt, über
                                                          die Bühne des „Zentrums“ gehen. Im Sommer wer-
bilder, verschwommen changierend zwischen frühem          den wir dann vielleicht ein von den Konzertveran-
Jugendstil und einem zarten Anklang an die köstlich       staltern organisiertes Freiluftkonzert an einem sehr
perversen und ästhetisch durchgestylten Lustbilder ei‐    schönen Platz in der Bayreuther Innenstadt erleben.
nes Aubrey Beardsley.                                     Aktuelle Informationen finden Sie auf der Seite:
Die Graphik des Einbands zeigt einen symmetrisch ge‐
stalteten Vogel, der, angekettet auf einer Stange, den    https://wp.kulturfreunde-bayreuth.de/fang
Kopf nach oben reckt, wo vielleicht die Freiheit wohnt.
Die Abbildungen aber zeigen diese Freiheit so, dass
selbst der Spießbürger – und gerade der – sein Vergnü‐
gen haben konnte an den nackten und halbnackten           Geburtstag von Jean Paul am 21. März
Männern und Frauen, die sich durchs kuriose Univer‐
sum von Kamlah und Boyer hindurch kämpfen. Denn
wie sagt der „Olympier“ am Aschermittwoch? „Viel‐
mehr wünschen wir, dass jeder mit uns, da das Leben
                                                          W      as aber alles krönt, war, daß der Anfang seines
                                                                 Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.

im ganzen, wie der römische Carneval, unübersehlich,                                              Selberlebensbeschreibung.
ungeniessbar, ja bedenklich bleibt, durch diese unbe‐
kümmerte Maskengesellschaft an die Wichtigkeit jedes
augenblicklichen, oft gering scheinenden Lebensge‐
nusses erinnert werden möge.“ Der Dichter der sanften
Skurillitäten und der Zeichner schufen ein Opus, das                                                                   Anzeige

zu Unrecht vergessen wurde. Es erschien im Verlagsbu‐
reau Curt Wigand, in dem auch Ludwig von Ficker,            focus-europa e.V.
der Freund und Erstherausgeber Georg Trakls, publi‐
zierte. Bei Breuer & Sohn kann man eines der seltenen       Kunst ohne Grenzen
Exemplare des kleinen Buchkunstwerks erwerben.              Virtuelle Ausstellung
                                                                                                             Aktiv ab 18.00
Kurt Kamlah: Mamuksha. Modernes Verlagsbureau Curt          Fr. 26. Feb. bis                                 26. 02. 2021

Wigand. Leipzig/Berlin 1905. 212 Seiten. 28 großforma‐      Fr. 30. Juli 2021
tige Abbildungen, 28 Vignetten, weiße Prägedrucke auf       Mit Künstlern des Vereins aus Deutschland,
Einband. Gebunden. Format: 25 x 19 cm. Preis auf An‐        Italien, Litauen, Polen, und Tschechien

frage.                                                      Weitere Informationen und Näheres zu den
                                                            Zugangsmöglichkeiten unter www.focus-europa.org
                                         Frank Piontek
Anzeige

                            BAUKULTUR

          Sprechendes Holz

          B   einahe in sich gekehrt steht es da, im Schatten der
              monumentalen Bauwerke der 1970er Jahre verbor‐
          gen, und scheint in einer inhärenten Ruhe all das zu
          beobachten, was vor seinen blind gewordenen Fenstern
          geschieht: Das kleine Fachwerkhaisla in Münchberg.
          Wie viel es tatsächlich in den langen Jahren seiner Exis‐
          tenz gesehen und erlebt hat, vermag heute niemand
          mehr zu sagen, doch schien seine Zeit 2015 zu Ende zu
          gehen: Damals hatte man geplant, das kleine Häuslein
          abzureissen, um Platz für die Straße zu machen, die
          bislang daran vorbeiführte. Die Argumentation dabei
          war schlüssig: So schön es auf den ersten Blick scheine,
          sei es doch kein „echtes Denkmal“, sondern vielmehr
          eine Blendfassade - ein „Fake“, wie man es neudeutsch
          ausdrückt. Immerhin, so die klare Ansage, handelte es
          sich nicht einmal um authentisches Fachwerk, sondern
          lediglich um Bretter, die man in den 1920er Jahren in
          einem letzten Aufbäumen des „Heimatstils“ - einer re‐
          gionalen Abwandlung des Art Noveau - prägnant prot‐
          zig auf den Putz gehämmert habe.
          Ein kleines Grüppchen von Münchberger BürgerIn‐
          nen sah es anders: Nicht allein sei das Häuschen eines
der prägendsten Gebäude der Innenstadt! Vielmehr         schützer auf den Plan, da so quasi über Nacht aus ei‐
noch muss es älter sein, als man vermutete - immerhin    nem Abbruchgebäude das älteste Bauwerk der Stadt
tauchte bereits im 17. Jahrhundert ein Bauwerk an sei‐   geworden war - und noch dazu eines der ältesten Eger‐
nem Standort auf, das damals von einer „wittib“ ver‐     landhäuser in Bayern überhaupt. Was anschließend ge‐
kauft worden war. Quellen indes, die von einem zwi‐      schah, treibt den Beteiligten - darunter auch der Autor
schenzeitlichen Abbruch oder Neubau hätten erzählen      dieser Zeilen - bis heute die Rührung in die Augen.
können, fehlten. Insofern lag die Vermutung nahe,        Denn aufgrund jener neuen Erkenntnisse nahm die
dass dieses von der wittib angebotene Gebäude tatsäch‐   Stadt Münchberg nicht allein Abstand vom Abbruch,
lich eben jenes Fachwerkhäuschen war, dessen weitere     sondern unternahm zusätzlich dazu immense Anstren‐
Existenz nun zur Debatte stand. Wie aber wollte man      gungen, das kleine Häuschen zu retten. In Bürger-
das beweisen? Es folgte eine Spurensuche in Archiven     Werkstätten planten Vertreter der Verwaltung, der po‐
und auch im Haus selbst. Um das Jahr 1700, so verrie‐    litischen Führung, der Vereine und des Einzelhandels
ten es die Schriften, gehörte das Anwesen einem          gemeinsam die Zukunft des Gebäudes, das in den
Schmied mit Namen Zeitlhack, der eine wirklich findi‐    kommenden Jahren zum Herzen von „KulCity“, der
ge Idee verfolgte: Immerhin war zwanzig Jahre zuvor in   „Genussstadt“ werden soll. Damit wird seine Tradition
direkter Nachbarschaft die Postkutschenstation eröff‐    auf beeindruckende Weise fortgeschrieben: Immerhin
net worden, was ihm eine gute Auftragslage nebst ad‐     diente es, nach Schließung der Schmiede, ab 1889 als
äquater Einkünfte versprach. Sie erlaubten ihm auch,     Bäckerei, deren „Schlotfeger“ bis in die 1970er Jahre
aus dem kleinen Handwerkerhäuschen ein Prunk-An‐         hinein die Schulkinder erfreuten.
wesen zu machen: Die Fassade wurde im Egerländer-        Das Münchberger Fachwerkhaisla zeigt, dass „Denk‐
Fachwerkstil neu gestaltet, die Decken im Wohnbe‐        malschutz“ nur gemeinsam funktionieren kann und
reich in barocken Formen aus wuchtigen Balken neu        nachhaltige Planung benötigt. Miteinander haben sich
ausgeführt; es entstanden Räumlichkeiten, die man        Stadt, Ehrenamt und Wirtschaft des kleinen Gebäudes
eher in der Bayreuther Residenzstadt vermutet hätte,     angenommen, um so sicherstellen zu können, dass es
denn in Münchberg. Eine Frage aber blieb: War das        auch in Zukunft das bunte Treiben vor seinen Fenstern
Gebäude, das sich heute in der Bahnhofstraße erhebt,     in aller Stille beobachten kann. Zusätzlich dazu aber
auch wirklich jenes Haus des Zeitlhack? Oder war das     wird es schon bald all jene Menschen, die an ihm - ge‐
Original längst abgebrochen und durch einen nach‐        trieben von der Hektik der Moderne - vorbeiziehen,
empfundenen Neubau ersetzt worden?                       dazu einladen, sich in seinem Innern zusammenzuset‐
Die Hölzer gaben schließlich Auskunft: Durch „Den‐       zen, zu genießen und die immer schneller dahinflie‐
drochonologie“, also eine Analyse der Jahresringe in     ßenden Zeitläufte auch einmal getrost allein voranhet‐
den verbauten Balken und deren Vergleich mit um‐         zen zu lassen.
fangreichen Datenbanken, konnte die Zeit, in der der
Baum einst gewachsen war, ebenso nachgewiesen wer‐                                               Adrian Roßner
den, wie das Jahr, in dem er zum Balken geschlagen
worden ist: Es war anno 1702. Diese Nachricht ver‐
breitete sich nicht allein in Münchberg wie ein
Lauffeuer, sondern rief auch die obersten Denkmal‐
Anzeige

                         DAS NEUE BUCH

          Erinnern heißt auswählen: Monika Helfer, Vati

          E   igentlich wollte ich ja das neue Buch von Ransmayr
              rezensieren. Ich liebe Ransmayr. Die letzte Welt war
          sprachlich und inhaltlich faszinierend. Vor allem für
          Ovid-Kenner. Nach Lektüre des neuen Werkes Der
          Fallmeister muss ich mich korrigieren: Ich liebte Rans‐
          mayr. Denn dieses Buch ist ungenießbar. Bis auf den
          Anfang. Der ist gut. Die Sprache ist gut. Die Sätze, die
          sich teilweise über einen ganzen Absatz strecken, sind
          gut. Der Anfang handelt von dem Vater des Protago‐
          nisten. Aber, wie gesagt, werde ich dieses Buch nicht
          weiter abhandeln. Dafür widme ich mich dem neuen
          Buch von Monika Helfer. Und alles, was ich über den
          Anfang des Fallmeisters gesagt habe, gilt auch hier. Bis
          auf die Länge der Sätze vielleicht. Auch Monika Helfer
          schreibt, wie der Titel unmissverständlich klar macht,
          über einen Vater. In diesem Buch ist aber davon auszu‐
          gehen, dass es sich um den wirklichen Vater der Auto‐
          rin handelt. Streng genommen ist Vati eine Biographie.
          Eine literarische Biographie einer ganzen Familie an‐
          hand dieses Mannes. Wir kennen das. Aus der Bagage,
          dem letzten Buch der Autorin. Hier ging es um die
          Mutter Grete. Und auch dieses Buch war fantastisch
          geschrieben. Liest man Vati, weiß man woher Monika
          Helfer ihre Begabung für das präzise Beschreiben hat.
          Vati war Bibliothekar und er war bibliophil. Hier ein
          kleiner Ausschnitt, der beides zeigt, die Bücherliebe des
VOM ZEICHNEN
Vaters und die Schreibkunst der Tochter: „Zu meinem
Mann sagte ich, bevor ich ihn meinem Vater vorstellte:
„Er wird dir seine Bibliothek zeigen. Er wird dich
auffordern, ein Buch in die Hand zu nehmen. Die Art,
wie du das Buch hältst, wie du umblätterst, wie du den
Schutzumschlag abnimmst, wie du daran riechst, das
alles wird darüber entcheiden, ob er dich leiden kann
oder nicht.“ Für diese Aufgabe war Michael Köhlmeier
genau der Richtige. Ja, der Köhlmeier. Gerade sind sei‐
ne Märchen erschienen. Auch großartig, aber nichts
für mich. Denn das ist es, was mich an dem Buch Vati       G    ehe hinaus in deinen Garten oder auf die Straße, und
                                                                nimm den ersten besten runden oder ovalen Stein,
                                                           den du findest, weder zu weiß, noch zu dunkel, und je
beeindruckt: Die Abbildung einer Realität, die durch
die Erinnerung zur Geschichte wird. „Erinnern heißt        glatter desto besser, nur glänzen darf er nicht. Stelle dei‐
auswählen“ sagte Günter Grass. Monika Helfers „Aus‐        nen Arbeitstisch nah ans Fenster und lege den Stein auf
wahl“ ist jedenfalls eine hervorragende Lektüre. Und       ein nicht allzu weißes Papier vor dich hin. Setz dich so,
by the way, das Titelbild ist von Gerhard Richter.         dass das Licht von links kommt, weil sonst der Schatten
                                                           des Bleistifts die Sicht auf deine Arbeit stören würde. Ver‐
                                                           meide direktes Sonnenlicht auf dem Stein, nur normales
Erschienen im Hanser Verlag, 2021.                         Tageslicht, und richte danach die Wahl deines Fensters.
Fester Einband, 173 Seiten. 20,- Euro.                     Wenn du diesen Stein zeichnen kannst, dann kannst Du
                                                           jedes Ding zeichnen, solange es sich überhaupt zum
                                         Benjamin Breuer   Zeichnen eignet. Viele Dinge, so wie beispielsweise Mee‐
                                                           resschaum, lassen sich nicht zeichnen, allenfalls lässt sich
                                                           davon eine Vorstellung andeuten. Aber wenn du den
                                                           Stein korrekt zeichnen kannst, bleibt dir kein Bereich der
                                                           Kunst mehr verschlossen.

                                                           John Ruskin. In „Grundlagen des Zeichnens“. Aus dem
                                                           Englischen von Helmut Moysich. Dieterich`sche Verlags‐
                                                           buchhandlung, Mainz 2019.

                                                                                   HAIKU

                                                                  Im Frühlingsregen
                                                            Setzt auf den Erdwall sich nun
                                                                   Die Nebelkrähe.
                                                                            Shiki (1867 - 1912)
BOTANIK
Freycinetia cumingiana

D    ie Gattung Freycinetia (Familie Schraubenbaum‐
     gewächse, Pandanaceae) wurde nach dem französi‐
schen Admiral und Weltumsegler Louis Claude de
Saulses de Freycinet (1779-1842) benannt, der Ent-
deckungsreisen in die Südsee durchführte. Freycinetia
cumingiana ist auf den Philippinen beheimatet, wo die
faserreichen Blätter als Flecht- (Matten, Körbe) und
Bindematerial oder zum Dachdecken verwendet wer‐
den. Die Blüten aller Pandanusgewächse sind einge‐
schlechtig, winzig klein und stehen zu vielen in kleinen
Kolben, die wiederum zu Blütenständen zusammenge‐
faßt sind.

Pfeffer (Piper nigrum)

P    feffer (Piper nigrum) ist das wohl bekannteste Ge‐
     würz und hat neben leichter Schärfe viel Aroma zu
bieten. Er ist eine mehrjährige, tropische Kletterpflan‐
ze, beheimatet an der Malabar-Küste in Indien. Heute
wird er u.a. in Vietnam angebaut. Der Reifezustand
der Früchte bei der Ernte und die Art der Bearbeitung
bestimmen die Pfeffer-“Art“. Schwarzer und grüner
Pfeffer werden grün geerntet und getrocknet bzw. der
grüne Pfeffer gefriergetrocknet oder in Salzlake einge‐
legt. Weißer und roter Pfeffer sind reif geerntete Früch‐
te. Wobei der weiße Pfeffer nur der getrocknete Stein‐
kern der Frucht ist - das rote Fruchtfleisch wurde
entfernt. Roter Pfeffer sind die getrockneten, sich da‐
bei bräunlich verfärbenden Früchte.

Wir danken dem Ökologisch-Botanischen-
Garten der Universität Bayreuth für die
Bereitstellung dieses Textes und die
freundliche Zusammenarbeit.
DAS NEUE ALBUM                                                              VOM GRÜNEN HÜGEL

G

                                                                        Copyright: Ferry Nielsen
     elegentlich erklingt er in Konzerten: ein Flügel aus
     der Klavierbaufabrik an der Dammallee, bekannt als
Steingraeber op. 5930. Das Instrument Baujahr 1892
wurde nach Einem benannt, der 1886 in Bayreuth das
Sterbliche segnete; als Liszt-Flügel imitiert es baugleich
den Steingraeber op. 4328: den gelblackierten im Roko‐
kosaal. 2020 setzten sich Franziska und Florian Glemser      Die Walküre im Orgien Mysterien Theater
an die Kostbarkeit, um ein Album aufzunehmen, das je‐
nem Meister gewidmet ist, den Liszt oft transkribiert
hat. Kenner mögen sich daran erinnern, dass der Dich‐
ter der „Winterreise“ und der „Schönen Müllerin“ in
                                                             A    ls die Bayreuther Festspiele bekanntgaben, dass
                                                                  „kein Geringerer als Aktionskünstler Hermann
                                                             Nitsch Die Walküre gestalten“ würde, ging kein Auf‐
Bayreuth zu Besuch war, Liebhaber werden den warmen          schrei durch die Wagnerwelt. Inzwischen ist es auch in
Klang des Flügels schätzen, mit dem sich die Glemsers        Bayreuth üblich geworden, Künstlern, die nicht ganz
Schuberts Klavierkosmos erobern, doch begnügen sich          so opernnah erscheinen, mit Regiearbeiten zu betrau‐
die beiden Meisterspieler, die hörbar aufeinander hören,     en. Nach Heiner Müllers Tristan, Schlingensiefs Parsi‐
nicht mit dem „bekannten“ Schubert. Das A-Dur-Ron‐           fal und der Ein- und Ausladung Jonathan Meeses zum
do D 951, die Variationen D 813 und die drei Militär‐        Bühnenweihfestspiel wundert es nicht, wenn Nitsch
märsche D 733 umrahmen eine Variationssuite, die Flo‐        zwar nicht das Spiel von Tod und Mitleid, sondern die
rian Glemser einigen Liedperlen abgewinnt. Zwischen          Walküre „gestalten“ wird. Schließlich ist es nicht das
Himmelhochjauchzen und Betrübnis, Kälte und Jubel            erste Mal, dass Nitsch sich in der Oper tummelt. Vor‐
öffnet sich Schubert in die Gegenwart; die Basstöne ge‐      angegangen waren Arbeiten an der Wiener Staatsoper
ben dem Leiermann ein extrem düsteres Aussehen, die
                                                             (1995 nahm er sich Jules Massenets Hérodiade vor)
Taubenpost flattert fröhlich in die Weite. Dur und Moll
                                                             und München, wo er 2011 mit Oliver Messiaens Saint
waren beim Komponisten immer in Übergängen be‐
                                                             François d‘Assise ein weiteres religiös inspiriertes Musik‐
griffen – die Glemsers spielen einen melancholischen
                                                             theater mit christlichen Mythosbildern und Kunstblut
und (die Märsche) charmanten, einen elegischen und
                                                             übergoss. Dass er das Bayreuther Engagement an‐
sprudelnden Schubert heraus.
                                                             nahm, obwohl er schwor, keine fremden Komponisten
                                                             mehr zu bebildern, irritiert gleichfalls nicht, denn der
Schubertiade am Lisztflügel. Klavierduo Glemser. Orga‐
nophon 90154                                                 Ruf aus Bayreuth musste einen Mann, der in Wien den
                                         Frank Piontek
NAIS VOM HEINER
Parsifal begleiten sollte, so reizen wie Wotans Zauber
die alte Erda. Den Parsifal hat Nitsch dann selbst 2004      Irgendwo
als OMT „gestaltet“: auf seinem niederösterreichi‐
schen Regierungssitz Schloss Prinzendorf. OMT? Das
Orgien Mysterien Theater, das Nitsch zum ersten Mal
vor 50 Jahren realisierte, bezieht sich in seinem An‐
                                                             F   rooch Irgendwo auf dera Welt
                                                                 wo´s an manchmol werkli gfällt
                                                             liecht im Tool a klaana Stodt
spruch wie in seiner Monumentalität auf Wagner, ob‐          die fei gscheide Bürger hot.
wohl man bei den Prinzendorfer Eingeweidewühlakti‐
                                                             Für gscheide Bürger, so is ebn,
onen nicht gleich an das Festspielhaus denkt. „Wagner
                                                             muss an gscheidn Stodtrot gebn
hat mich“, schrieb Nitsch, „mein ganzes Leben faszi‐
                                                             wos der soocht, des is aa Gsetz
niert. Wegen dieser wunderbaren, schwelgerischen,
                                                             und des sichtma grodna etz.
sinnlichen Musik, die den Klang über die Melodie hin‐
aus zum Blühen bringt. Die Kunst war schon in ihren          Es steht a alts Deoder doo
ersten Auftrittsformen mit dem Kult, der Religion und        Erinnerungen hänga droo
dem Gesamtkunstwerk verbunden. Und Wagner ist                seit 20 Johr ghörts renoviert
der Freileger des Gesamtkunstwerks.“ Seine Kunstakti‐        bis heit is do nu nix passiert.
onen haben durchaus etwas Wagnerisches: die einen
verstört‘s, die anderen huldigen dem Zeremonienmeis‐         Aaner soocht, des reißma weg,
ter der blutigen performances. Das Leben erscheint als       wos wollma mid den aldn Dregg
Passion, das im orgiastischen Gesamtkunstwerk aus            annara, die schreia laut,
Malerei, Architektur und Musik, aber auch aus Opfer‐         des werd widder aufgebaut.
ritual und Messliturgie besteht. In Bayreuth wird er         Also berotns, des is klor
also eine OMT-Malaktion mit 10 Akteuren und Statis‐          nuchamol ball zwanzig Johr
ten durchführen, der Rest ist konzertant: „Durch die         bevorsa uns dann wos derzelln
Farben werde ich die Möglichkeit haben, auf die Musik        spontan eine Entscheidung fälln.
einzugehen. “Sorgten Nitschs Aktionen früher regel‐
mäßig für Skandale, so wurde der Schöpfer des OMT            Zuerst stelltma die Plänla vor,
längst ins Burgtheater, in die Albertina, sogar ins Mu‐      dass des schee werd, des is klor
seum geholt. „Diese Kunst“, so eine Prinzendorfer Be‐        wenns fertig is, dann gibds a Feier,
sucherin, „hat ihre Radikalität verloren, es ist, als wür‐   ober erst amol werds deier.
de ich einem Klassiker zuschauen und nicht wissen,
                                                             Vo außn is es ja nuch schee
warum er zu einem solchen geworden ist.“ Die Frage
                                                             drum lossnsa die Mauern steh
bleibt, ob in Bayreuth ein Geamtkunstwerk entstehen
                                                             und reißn drinna allas raus
wird. Wie auch immer die Antwort lauten mag – eines
                                                             aus dem werkli aldn Haus.
ist sicher: „So blühe denn Wälsungen-Blut!“
                                           Frank Piontek
BAUWERKE
Alla forzlong kummas her,
song, des kostert aweng mehr
wenns fertich werd, do kumma fei
alla großn Künstler rei.
Die reissn sich drum, do zu singa,
odder sunst wos vorzubringa
und des is fei werkli wohr,
der Stodtrot soochts und scho is klor.
Bloß die Schauspieler und Sänger,
die sich in die Hall neidränga
habn bis etz nuch nix verlorn
                                             Das Schloss in St. Johannis
die meistn sin nuch net geborn.
Berlin und Hamburg habns bewiesn
wenn die Stodträt wos beschließn
des dann aamol fertich wär
                                             E    s ist neben dem Schlossturm das bedeutendste Ge‐
                                                  bäude der Renaissance, das heute auf dem Stadtge‐
                                             biet steht: das Schloss in Bayreuth - St. Johannis. Im Por‐
wos sin scho zehn Johr hie und her.          tal kann man zwar die Jahreszahl „1617“ lesen, doch ist
                                             die Geschichte des Anwesens wesentlich älter.
Die meistn vo uns werrns derlebn             In „Altentrebengast“, wie der Ort bis ins 16. Jahrhundert
des werd eine Eröffnung gebn                 vielleicht genannt wurde, ist schon seit 1308 ein Ministe‐
a Bärchermaasder häld a Red                  rialensitz, also eine Beamtenresidenz, bezeugt. Seit 1557
wo etz nuch in Kinnergaddn geht.             besaß die reiche Nürnberger Patrizierfamilie Imhof als
So is des wohl in dera Stodt,                Lehen der Markgrafen einen sog. Edelhof. Als die Imhofs
wo jeder wos zu mauln hod                    1598 ausstarben, fielen Schloss und Rittergut an Mark‐
obber selber mol wos doo                     graf Christian von Brandenburg-Bayreuth, der es 1603
dafür gibt’s an annern Moo.                  an einen seiner Minister, den Freiherrn von Varell, ver‐
                                             kaufte. 13 Jahre später kaufte der Markgraf es zurück –
Zuerst amol werd tichtich gschimpft,         ein Jahr später entstand der westliche Flügel, den man
do werdma scho als Kind drauf gimpft         noch heute von der Straße aus bewundern kann. Der
obber dann, nooch a boor Johr,               Baumeister ist bekannt: es war der renommierte Hofbau‐
sochtma des is wunderboor.                   meister Abraham Schade (geb. um 1583 in Meißen, gest.
Waaß etz irgend aaner                        1657 in Kulmbach), der seit 1605 in den Diensten des
wos für Stodt werr iech wohl maana           Markgrafen stand, am Bau des Alten Schlosses beteiligt
a Frooch oo Gscheida und oo Dumma            war und den Renaissancebau der Kanzlei entwarf. Von
aaner werd do scho drauf kumma.              diesem Werk ist so gut wie nichts mehr übrig, doch zeugt
                                             das Schloss zu St. Johannis – bei aller stilistischen Zu‐
                         Reinhold Hartmann   rückhaltung – glücklicherweise noch von Schades inno‐
vativer Ästhetik. An der rechten Seite des asymmetri‐        Sprenggiebel versehen; „gebrochener Giebel“ heißt er,
schen, breit dahingelagerten Flügels erhebt sich ein im‐     weil seine Mitte ausgespart und in unserem Fall mit dem
posantes Torhaus, dessen einzelne Elemente selbst dann       besitzanzeigenden Wappen der Hohenzollern und ihrem
eine Datierung möglich machten, wenn es nicht mit der        roten Adler versehen wurde. Im sichtbaren Schlossbau
Jahreszahl versehen worden wäre. Denn der aus zwei Ge‐       zeigen sich also gleichermaßen traditionelle wie moderne
schossen bestehende, verputze Bau wird von einem             und sogar avantgardistische Elemente, die die Fassade
Zwerchdach gekrönt, das quer, also „zwerch“ am Sat‐          zum Übergangsbereich zwischen Renaissance und Ba‐
teldach angesetzt wurde und um 1600 in der Baukunst          rock machen, denn richtig populär wurde der scheinbar
der deutschen Lande angekommen war: zumindest, so‐           gesprengte Giebel – nach seiner Karriere in der Antike –
weit es repräsentative Gebäude betraf. In der Flucht der     erst ein paar Jahre später. Danach, nämlich Mitte des 18.
Außenwand des Gebäudes stehend, wird es durch einen          Jahrhunderts, kam das Schloss in Privatbesitz, ab 1845
Schweifgiebel mit dem gleichnamigen -werk akzentuiert.       wurde es als „Schiedelsches Brauereigut“ genutzt, und
Im Schweifwerk entlädt sich in St. Johannis die maßvolle     seit 1957 dient es als landwirtschaftlicher Betrieb der
Dekoration von C- und S-Schwüngen, die im Beschlag‐          Bayreuther Justizvollzugsanstalt. Was man von der Stein‐
werk – der symmetrischen Anordnung aufgenieteter me‐         achstrasse aus nicht betrachten kann, ist der dreigeschos‐
tallener Beschläge – ihren Ursprung hat, und deren En‐       sige Sandsteinquaderbau mit Satteldach und Treppen‐
den, sich teilweise überschneidend, in den sog.              turm, der 1531 im inneren Bereich errichtet wurde –
Keulenschwüngen verdickt sind. Maßvoll ist dieses Or‐        aber das ist schon eine andere, nicht minder interessante
nament, weil es aus nichts als Kurven besteht; andernorts    (Bau-)Geschichte.
wurden diese Schwünge reich verziert. Beim Schweif‐
werk des Schlosses befinden wir uns in der Hochzeit die‐                                                Frank Piontek
ser Formgebung, die weniger in Italien und Frankreich
als in den deutschsprachigen Ländern Triumphe feierte.
An ihr sehen wir bereits erste Vorzeichen des sog. Barock,
während das Beschlagwerk nur noch wenige Jahre nach
der Erbauung des Schlosses in Gebrauch blieb. Das Tor
selbst ist rustiziert, und auch dies war um 1600 noch mo‐
dern, indem die Fugen zwischen den sichtbaren Steinen
betont wurden, wobei die Handwerker jede zweite Reihe
mit charakteristischen Kerben versahen. Dies war nur
eine Möglichkeit, die „bäurische“ (= rustikale) Grobheit
anzudeuten, die man vorher den Bruch- und Buckelstei‐
nen im Sichtmauerwerk der mittelalterlichen Burgen an‐
gesehen hatte. In St. Johannis entschied man sich dafür,
die bearbeiteten und unbearbeiteten Steine nicht, wie
etwa beim Palazzo Pitti der Medici in Florenz, übereinan‐
der, sondern abwechselnd zu platzieren. Über dem
Durchgang wurde schließlich das Portal mit einem
TERMINE EINTRAGEN                                             HINTER DEN KULISSEN
          www.kulturbrief.de
oder per Email an termin@kulturbrief.de
  Hier können Sie unkompliziert Ihre Termine eintragen.
Ihr freiwilliger Beitrag hilft uns: teilen Sie uns mit, ob Sie
          3,- Euro pro Eintrag bezahlen möchten.
             Bei mehreren Terminen können wir
             gerne Pauschalpreise vereinbaren.
    Nächster Redaktionsschluss: 20. März 2021

       KULTURBRIEF ABONNIEREN                                    Benvenuto Cellini - Dieser entkommt dem Tode
                                                                 durch den Geiz eines armen Juweliers
Wenn Sie unsere Zeitschrift regelmäßig und sicher erhal‐
 ten wollen, können Sie das für monatlich 5 Euro (inkl.
Portokosten): entweder quartalsmäßig oder ein Jahr im
                        voraus.                                  O     bgedachter Herr Durante von Brescia hatte dagegen
                                                                       mit dem Apotheker von Prato, verabredet, mir ir‐
                                                                 gendeinen Saft in dem Essen beizubringen, der mich
                 abo@kulturbrief.de
                                                                 nicht gleich, sondern in vier bis fünf Monaten tötete.
                                                                 Nun dachten sie sich aus, sie wollten mir gestoßenen Di‐
                  MÄZEN WERDEN                                   amanten unter die Speise mischen, der an und für sich
                                                                 keine Art von Gift ist, aber wegen seiner unschätzbaren
         Fordern Sie gerne unsere                                Härte, die allerschärfsten Ecken behält. Kommt er nun
       Mediadaten an oder fragen Sie                             mit den übrigen Speisen so scharf und spitzig in den Kör‐
               direkt nach:                                      per, so hängt er sich bei der Verdauung an die Häute des
          Ansprechpartner: Benjamin Breuer                       Magens und der Eingeweide, und nach und nach, wenn
                 Tel: 0921 5070890                               ander Speisen darauf drücken, durchlöchert er die Teile
               maezen@kulturbrief.de                             mit der Zeit, und man stirbt daran, anstatt daß jede an‐
                                                                 dere Art von Steinen oder Glas keine Gewalt hat, sich an‐
                     IMPRESSUM                                   zuhängen, und mit dem Essen fortgeht. Wie gesagt, gab
 Bayreuther Kulturbrief
                                                                 Herr Durante einen Diamanten von einigen Werte: die‐
 Herausgeber / Presserechtlich verantwortlich:                   ser sollte, wie ich nachher vernahm, ein gewisser Lione
 Dr. Frank Piontek und Benjamin Breuer                           von Arezzo, ein Goldschmied, meinem großen Feinde,
 Titelillustration: Matthias Ose
 Redaktion: Benjamin Breuer, Dr. Frank Piontek,                  in Pulver verwandeln. Da nun dieser Lione sehr arm war
 Texte: Dr. Frank Piontek, Benjamin Breuer, Stephan Jöris,       und der Diamant doch manche 10 Scudi wert sein
 Adrian Roßner, Reinhold Hartmann, Irmintraut Jasorka,
 Sabine Hagemann
                                                                 mochte, gab er ein falsches Pulver anstatt des gestoßenen
 Fotografien/Zeichnungen: Benjamin Breuer, Frank Piontek         Steins, das sie mir denn auch sogleich zu Mittage an alle
 Verlag: Buchhandlung Breuer & Sohn, Inhaber Benjamin Breuer,    Essen taten, an den Salat, an das Ragout und die Suppe.
 Luitpoldplatz 9, 95444 Bayreuth
 Gestaltung: Benjamin Breuer, Antoine Kloubert                   Ich speiste mit gutem Appetit, denn ich hatte den Abend
 Anzeigen / Medienberatung: Rolf Glasow, Valeska Weinrich        vorher gefastet, und ob ich gleich etwas unter den Zäh‐
 Schrift: DIN 2014 und Adobe Garamont Pro
 Copyright 2021 - alle Rechte vorbehalten.
                                                                 nen knirschend fühlte, so dachte ich doch nicht an solche
GESCHICHTEN AUS DEM WALD
Schelmenstücke. Nach Tische, als ein wenig Salat in der
Schüssel übrig geblieben war, betrachtete ich einige Split‐
terchen die sich daran befanden, Sogleich ergriff ich sie
und brachte sie ans helle Fenster; ich erinnerte mich, in‐
dem ich sie betrachtete, wie außerordentlich die Speisen
geknirscht hatten, und soviel meine Augen urteilen
konnten, glaubte ich schnell, es sei gestossener Diamant.
Ich hielt mich nun entschieden für ein Kind des Todes
und wendete mich schmerzlich zu dem besseren Reiche,
das ich mit der Gnade Gottes erlangt zu haben hoffte,
und in diesen Gedanken rieb ich einige feine Körner zwi‐                    Der Wassermann vom Fichtelsee
schen den Fingern, die ich gewiss für Diamant hielt. Wie
nun die Hoffnung nimmer stirbt, so regten sich auch
wieder einige eitle Lebensgedanken. Ich legte die gedach‐
ten Körnchen auf eine Fensterstange und drückte stark
                                                                            I m Fichtelsee lebte ein Wassermann, der war schon alt
                                                                              und krumm, und die ständige Kontrolle des Sicker‐
                                                                            wassers setzte ihm zu. Denn der Fichtelsee war eiskalt.
mit dem flachen Messer darauf. Da fühlte ich, daß der                       Oft seufzte der arme Wassermann über seine krum‐
Stein sich zerrieb und als ich recht drauf sah, fand ich                    men Finger und wünschte sich eine warme Quelle, die
auch, das es sich so verhielt, und sogleich erquickte ich                   in seinen See fließen würde: „Nur eine kleine heiße
mich in neuer Hoffnung. Aber ich hatte vor allen Dingen                     Quelle, dass ich mal meine Finger warm kriegen
Gott zu loben, und die Armut zu segnen, die, wie sie öf‐                    könnte!“ Nichts da, der See blieb kalt. Und so be‐
ters den Menschen den Tod bringt, nun die Ursache mei‐                      schloss der Wassermann zu verreisen.
nes Lebens war: denn Herr Durante, mein Feind, hat sei‐                     Natürlich reiste er zu Wasser, suchte sich einen Kurort
nen Endzweck nicht erreicht, Lione hat den Stein nicht                      in der Nähe und badete seine rheumatischen Glieder
gestoßen, sondern ihn aus Armut für sich behalten. Für                      im heißen Quellwasser. Es ging ihm dabei gut; er traf
mich aber zerrieb er einen geringen Beryll von wenigem                      sich mit anderen Wassermännern, die auch zur Kur ge‐
Wert; vielleicht dachte er weil es ein Stein sei, tue er die‐               kommen waren, trank brav sein warmes Quellwasser
selbigen Dienste.                                                           aus einem Schnabeltäßchen und vergaß seinen eiskal‐
                                                                            ten Fichtelsee. Aber schließlich packte ihn das Heim‐
Auszug aus: „Leben des Benvenuto Cellini florentinischen Goldschmieds
und Bildhauers .Von ihm selbst geschrieben. Übersetzt und mit einem         weh, er war lange weg geblieben. – Und so reiste er
Anhange versehen von Johann Wolfgang von Goethe. Benvenuto Cellini          wieder zurück. Aber o Schreck – wo war sein Fichtel‐
(1500-1571) war, wie Leonardo da Vinci, ein „uomo universale“ der Re‐       see? Menschen hatten ihn verlegt, das Wasser abgelei‐
naissance. Er führte ein streitbares, bewegtes Leben als Goldschmied,
                                                                            tet, um an die tieferen Torfschichten heranzukommen,
Bildhauer, Medailleur, Festungsingenieur, Musiker und Schriftsteller;
war aber auch dreifacher Mörder. Die Konkurrenz war gross. Das er un‐       die sie für ihre Herdfeuer trockneten und damit ihren
geschoren davon kam, ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, daß          Lebensunterhalt bestritten. Der Wassermann stand
er für Päpste, den italienischen Adel und Franz, 1. von Frankreich arbei‐   ratlos im Wald, sein großer See war weg, und die vielen
tete. Sein bekanntestes Werk ist die übergrosse Bronzestatue des Perseus,
die in Florenz zu besichtigen ist. Etliche bekannte Schriftsteller und
                                                                            Menschen, die an seiner Umgestaltung arbeiteten,
Komponisten haben sein Leben in dramatischen Werken verewigt.               störten den armen kleinen Kerl. Tiefer hinein in den
                                        Textauswahl: Stephan Jöris          Wald ging er, und siehe da, er fand etwas: der See war
DENKAUFGABE
immer noch da. Ein rundes Moor, grün bewachsen,
schwappte leise und verlockend; dunklerer Bewuchs
zeigte die alten Ufer an, und ein leichter Duft nach
würzigem Moder lag in der Luft. Hier will ich bleiben,
beschloss der Wassermann – und er wurde plötzlich
sehr vergnügt. Ein dichtes Moor war nicht kalt – er
setzte mal vorsichtig einen Fuß auf die Fläche – noch
einen – und leise gluckerte das Moorwasser in seinen
Schuh, gerade nass genug, dass ein Wassermann sich                                                                                               Matt in zwei Zügen / Weiß am Zug
wohl fühlen konnte. Als er untersank, um sich eine
gemütliche Bleibe zu suchen – vielleicht unter einer
vergessenen Wurzel – wurde ihm wohlig warm: das
Moor umhüllte seine schmerzenden Rheumafinger‐
chen weich und heilend, und still wars da unten, denn
die Menschen bauten das Moor nicht mehr ab. Und so
hatte der kleine Wassermann sein privates Heilbad ent‐

                                                         Lösung aus dem Kulturbrief Februar: Matt in einem Zug / Weiß am Zug: 1. Dame auf a7.
deckt – ein Moor ganz für ihn allein, und er musste
nicht mehr verreisen zu den heißen Quellen. Sicher ist
er noch da im Alten Fichtelsee, unter der grünen
Moosdecke, die leise schwappt, wenn man drauftritt,
und daran erinnert, dass hier einst eine klare Wasser‐
fläche lag.

                                                                                                                                                Matt in drei Zügen / Schwarz am Zug
                                    Irmintraut Jasorka
                                                         Matt in zwei Zügen / Weiß am Zug: 1. Dame auf e4.
Anzeige

Ein Buch lässt sich auch im
  Briefkasten verstecken.
Bald kommt der Osterhase!
       Bestellen Sie per:
           Telefon:
      0921 50 70 890
 Email: buch@breuerundsohn.de

   Whatsapp: 0160 891 58 99

     In unserem Webshop
    www.breuerundsohn.de
Sie können auch lesen