"Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." - Platon
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VIELEN DANK! PIONTEKS PRÄLUDIUM Wir danken unseren Mäzenen für Ihr Aber es wird Engagement. Durch Sie wird der Kulturbrief erst möglich. E nde letzten Jahres konnte man im ZEIT-Magazin ein Gespräch mit der Künstlerin Leanne Shapton lesen. Shapton lebt in New York, und natürlich kam UNTERNEHMEN man auf die Frage, was aus „ihrer“ Stadt werden würde. Die Antwort, die die Künstlerin gab, ist bemerkens‐ Alexander von Humboldt wert: „Wir New Yorker leben an diesem verrückten Kulturforum Schloss Ort, an dem wir uns gegenseitig brauchen, um zu Goldkronach e.V. überleben, emotional, körperlich. Das alles wird gerade weggedrückt. Aber all die Energie, die derzeit unter Festival Junger Künstler Bayreuth e.V. dem Deckel gehalten wird, wird eines Tages geradezu Gesellschaft der Kulturfreunde Bayreuth e.V. explodieren, und es wird etwas Neues entstehen. Da- rauf bin ich schon gespannt.“ New York scheint im Steingraeber & Söhne Moment sehr weit weg zu sein, aber wenn wir den Na‐ Fabio - Exklusive Damenmode men der Big City mit dem der kleinen Stadt am Roten Main austauschen, müssen wir kein Wort verändern. Kanzlei Treibert „In Winkeln spielt sich die Welt ab“, wie der Dichter Metzgerei Imhof Günter Eich einmal schrieb. In diesem Sinne ist New York überall, weil wir wissen, dass die Energie, die der‐ zeit unter dem Deckel gehalten wird, eines Tages gera‐ PRIVATPERSONEN dezu explodieren wird: auch im vergleichsweise ruhi‐ gen Bayreuth. Seien wir also davon überzeugt, dass wir Angelika Beck und die Künste und die Künstler in einigen Wochen Helga Brielmeier-Löffel oder Monaten wieder real zusammenkommen werden. Irmintraut Jasorka Joseph Beuys, der in diesem Jahr 100 Jahre alt gewor‐ Kristina Jurosz den wäre, erfand einst das Wort von der „Sozialen Plas‐ tik“. Beuys, der ein wenig auf den Spuren des revoluti‐ Karsten Schieseck onären Wagner wandelte, meinte, dass Jeder durch sein Valeska Weinrich kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitra‐ gen und dadurch formend auf die Gesellschaft einwir‐ ken könne. Wir alle in Bayreuth und Umgebung bil‐ TITELILLUSTRATION den eine unverwechselbare soziale Plastik, die gerade darauf wartet, sich wieder bewegen zu können. Man Matthias Ose: Adrian Ludwig Richter bei seinen könnte sagen: Es wird, aber es dauert. Ich würde eher Bayreuth-Studien, als ihm plötzlich ein sagen: Es dauert, aber es wird. waghalsiger Velocipedeur vor die Linse kam. Ihr Frank Piontek
Anzeige DER KULTURBRIEF Feuilleton und Termine für Bayreuth und Umgebung Bayreuth Kulturtermine leuchtet Und weiter geht’s! Online- Installation im Richard und Offline-Termine… Wagner Museum Hinter den Botanik Kulissen „Ein starker Gedanke Pfeffer und Schrauben Benvenuto Cellini teilt auch dem, der Vom Zeichnen Das alte Buch Auschnitte aus der Zei‐ Eine Empfehlung aus dem anderer Meinung ist, chenlehre von John Ruskin Antiquariat: Kurt Kamlah: von seiner Kraft Haiku Mumuksha etwas mit.“ ... war hier Bauwerke Königin Luise Das Schloss in St. Johannis Marcel Proust Das neue Album Das neue Buch Schubertiade am Aktuelle Buchempfeh‐ Lisztflügel lung: Monika Helfer: Vati Kulturpolitik Baukultur Sprechendes Holz Kulturreferent Benedikt Stegmayer im Gespräch Nais vom Heiner Kulturvereine Irgendwo vorgestellt: Kino ist Programm Aus Bayreuths Küchen Vom Grünen Sabines Kartoffelpuffer Hügel Die Walküre im Orgien Geschichten aus Mysterien Theater dem Wald Der Wassermann vom Schachaufgabe Fichtelsee
KULTURTERMINE KULTURTERMINE Bitte beachten Sie: 01.03.2021 Präsenztermine können kurzfristig ausfallen. � König Georg von Podiebrady � Zum 550. Todestag des böhmischen Königs: ZOOM-Vortrag mit Dr. Frank Piontek 20.03.2021 � 19:00 Uhr � Deutsch-Tschechische Gesellschaft Bayreuth e.V. � Zeit für Neue Musik - Klaviernacht � Online. Meeting ID: 99918178344, Kenncode: 407512 � Drei Konzerte im Kammermusiksaal � 19:30 - 22:30 Uhr 10.03.2021 � Zeit für Neue Musik ↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal � Natur pur oder trügt der Schein? � Neue Forschungsergebnisse zur Siedlungs- und Landschafts- 25.03.2021 archäologie auf der Nördlichen Frankenalb. Ein Zoom Vortrag � 19:00 Uhr � Baynov Piano Ensemble � Historischer Verein für Oberfranken e.V. � Von Walzer und Polka bis Rag und Tango � Meeting-ID: 931 4447 8482, Kenncode: 002270 Originalwerke & Bearbeitungen für 2 Klaviere zu acht Händen � 19:30 Uhr 15.03.2021 � Baynov Piano Ensemble ↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal � Christus als Schmetterlingsrüssel Eine Kammermusik-Theaterperformance � Konzeptmusik von Maximilian Ponader und Wolfram Graf 26.03.2021 � 19:30 Uhr � Digitales Bayreuther Fastenessen 2021 � Zeit für Neue Musik � Mit Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und ↸ steht noch nicht fest Landwirtschaft � 19:00 Uhr 16.03.2021 � Alexander v. Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V. � "Christus als Schmetterlingsrüssel" � www.humboldt-kulturforum.de/fastenessen - Kammermusik-Theaterperformance � Konzeptmusik von Maximilian Ponader und Wolfram Graf � Midissage � 19:30 Uhr � Kunst ohne Grenzen - Virtuelle Ausstellung und Künstlerge- � Zeit für Neue Musik spräche über Zoom ↸ steht noch nicht fest � 18:00 Uhr � focus-europa e.V. 19.03.2021 � Zugangsdaten unter: www.focus-europa.org � Begegnungen. Saxophon und Klavier � Johannes Neuner (Saxophon) und Michel Starke (Klavier) TERMINE EINTRAGEN Duokomposition "Mantra" von Babayan, Klavierzyklus "Trois Visions" von M. Starke u.a. Unter www.kulturbrief.de � 19:30 Uhr oder per Email an termin@kulturbrief.de � Zeit für Neue Musik ↸ Steingraeber & Söhne, Kammermusiksaal Nächster Redaktionsschluss: 20. März 2021
IM BILDE …WAR HIER: KÖNIGIN LUISE S ie war die Königin der Herzen. Sie wurde als Preußens Stern in den Wetterwolken der napoleo‐ nischen Ära bezeichnet: die preußische Königin, nach deren frühem Tod der Mythos der schönen und cou‐ ragierten Monarchin wie von selbst entstand. Auch sie war in Bayreuth: am 9. Juni 1805 kam sie mit ihrem Mann, König Friedrich Wilhelm III., in die Stadt, die seit 1791 zu Preußen gehörte. Nachdem sie sich im Neuen Schloss einquartiert hatten, absolvierten sie eine Tour, die sie in die Eremitage und den Park der Fantaisie führte. An einem der Abende wurde ein Fest für die charmante Luise und ihren Gatten ausgerichtet; zur Sommerzeit traf man sich unter den Lampions im Hofgarten. Der Monopteros aber war bereits 1794 für die Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz errichtet wor‐ den. Im Park begegnete sie auch Jean Paul, den sie, die „gekrönte Aphrodite“, wie er sie nannte, Jahre zuvor in Sanssouci zum Tee empfangen hatte. Der Dichter war damals entzückt von der „himmlischen Herzogin“ mit den „schönen Kinderaugen“. Die Sympathie beruhte zwar nicht auf Gegenseitigkeit, die junge Königin fand den jungen Mann zu grob und zu taktlos, doch hatte der Dichter ihr und ihren Schwestern seinen Titan ge‐ widmet. Auf dem Sommerfest wird sie ihm kaum ge‐ standen haben, dass sie seine Texte nicht mochte. Am 13. Juni reiste sie nach Alexandersbad und zur Lux‐ burg, die zu ihren Ehren in „Luisenburg“ umgewidmet wurde. Fünf Jahre später war sie tot: viel betrauert und beweint, vermutlich auch von einigen ihrer ehemaligen Untertanen in Bayreuth, die noch heute ihr herrliches Bilderrätsel: Wo ist das zu finden? Grabdenkmal in Berlin besuchen können. Frank Piontek
BAYREUTH LEUCHTET KULTURPOLITIK Begegnungen auf Augenhöhe. Kulturreferent Stegmayer im Gespräch. M an fühlt sich zurückversetzt in Studentenzeiten. Die Tische voll belegt, Bierdunst in der Luft, rege Unterhaltungen. Fehlt nur der dichte Qualm. Aber rau‐ chen ist out. Dicht an dicht sitzen sie zusammen, keiner trägt Maske. Wir befinden uns beim Runden Tisch Kul‐ tur und es ist Ende Januar 2020. Minuten vor Corona. Eingeladen hat das Kulturamt Bayreuth. „Anwesende: Vertreter*innen der Bereiche Literatur, Bildung, Film und Subkultur“, so sagt es das Protokoll, welches die Teilnehmer im Nachgang erhalten. Klingt trocken, ist es aber nicht. Es wird offen diskutiert über Verbesserungs‐ „München leuchtete“ möglichkeiten in der Bayreuther Kulturwelt. Mit dabei sind neben Studierenden Stadträte, freischaffende S o lautet der berühmte erste Satz von Thomas Manns Erzählung „Gladius dei“. Auch Bayreuth leuchtet zuweilen, tatsächlich oder metaphorisch. Wir Künstler, Bibliotheksmitarbeiter, Buchhändler, Inten‐ danten und der Initiator, Kulturreferent Benedikt Steg‐ mayer. Man erwartet die übliche Ansprache, langweilige machen den Beginn mit einem Beispiel von Leucht‐ Selbstbeweihräucherungen, Rede eins, Rede zwei und, turmprojekt, das gleich in zweierlei Sinn Licht in das nach unendlichen Minuten, irgendwann den Aufruf Dunkel dieser Tage bringt. Zu besichtigen vor allem zum offenen Gespräch. Herr Stegmayer aber sitzt inmit‐ am Abend, wenn's finster wird: die Installation im ten der Gesprächsrunde, beobachtet ruhig, führt Einzel‐ Schaufenster des Neubaus des Wagner-Museums, ein gespräche, bringt sich in Diskussionen ein. Was zu‐ Teil der Ausstellung, die noch bis Oktober läuft, ge‐ nächst unübersichtlich wirkt, erhält nach und nach schaffen von Rosalie, die 1994 den Bayreuther „Ring“ Struktur. Erst nach gut einer Stunde des offenen Ge‐ farbenprächtig ausgestattet hat - ein schöner Glanz, der sprächs schaltet sich der Referent ein, stellt kurz den hinter Wahnfried in die Abendstunden scheint. Grund für dieses Treffen vor und fasst die Themen‐ schwerpunkte zusammen. Was hier passiert, das spürt Frank Piontek man, ist wichtig. Es geht um die Gleichberechtigung der Kulturschaffenden in Bayreuth. Einzelkämpfer neben den großen Institutionen. Kleinkunst neben Festivals. „Münden sollen die Runden Tische in der Wahl eines Sprecherrates Kultur, der die Bayreuther Kulturschaffen‐ den vor der Verwaltung vertritt“, erklärt Stegmayer. Schaut man sich die Runde im Café Wahnfried an, dürf‐ te das gelingen. Bald, hoffentlich, postcorona. Jetzt, ein
Anzeige Jahr später, ist Geduld gefragt. Ein Runder Tisch über Zoom? „Unmöglich“, so Stegmayer. „Kultur erfordert Begegnung. Das gilt für die Kulturentwicklung ebenso wie für Veranstaltungen.“ Ist denn da gar nichts zu ma‐ chen? Doch, aber nur mittel- und langfristig. Wenn man sich also fragt, was macht ein Kulturreferent in der jetzigen Zeit, dann ist es genau das: Strategien für die Zukunft ausarbeiten. Dabei steht ein Punkt ganz beson‐ ders im Fokus: Teilhabe: „Kultur ist nicht vorausset‐ zungslos. Vorwissen ist gefragt. Menschen müssen jetzt aber auch schon frühzeitig mit Kultur in Kontakt kom‐ men.“ Stegmayer baut auf vier Säulen: Schulbildung, Digitalisierung, offene Veranstaltungsorte und Bezahl‐ barkeit. Oder ausführlicher: Eins: Vermittlungspro‐ gramme (mindestens) ab der Grundschule: „Jeder hat mal die vierte Klasse besucht, ganz egal welche Schul‐ form im Anschluss kommt.“ Zwei: Veranstaltungen auch online übertragen: „Hierfür ist die Voraussetzung Entdecken Sie bei FABIO exklusive Damenmode nationaler und inter- nationaler Top-Brands! Im Herzen der Bayreuther Innenstadt finden der Zugang zu den technischen Mitteln.“ Drei: Kultur Sie genau den Stil, der zu Ihnen passt. im öffentlichen Raum stattfinden lassen: „Wir müssen Kultur an die Orte bringen, wo sie von den Menschen Ob JUNG & WILD oder EXKLUSIV & EDEL – wählen Sie Ihre Lieblingsteile aus den aktuellen wahrgenommen wird, auf Plätzen, in Parks, in den Stra‐ Kollektionen unserer Top-Labels ßen, Public Viewing“, Vier: Die Menschen müssen sich und machen Sie die Straßen Bayreuths zum Laufsteg. Kultur leisten können: „Günstige Kartenkontingente Kommen Sie vorbei und probieren Sie nach Lust und Laune können einen Anreiz schaffen.“ Das sind die langfristi‐ oder lassen Sie sich von uns professionell in Sachen Stil beraten. gen strategischen Planungen. „Kurzfristig gibt es er‐ staunlich wenig Möglichkeiten“, sagt Stegmayer. Und da ist sie wieder, die Geißel unserer Zeit. „Im Grunde lässt sich wegen Corona nur mittelfristig planen. Wenn Ihre Astrid Kwias es aber weitergeht, dann ist einiges los. Die Kultur in Bayreuth hat enormes Potential. Wir haben nicht nur die Bayreuther Festspiele, wir sind eine Festspielstadt“, betont der Kulturreferent. Und Bayreuth hat die Run‐ Opernstraße 24-26 (neben Engin´s Ponte) | 95444 Bayreuth den Tische, die nur darauf warten, Wirkung zu entfal‐ Rufen Sie uns an: 0921 69481 | www.fabio-bayreuth.de | Mo-Sa: 10-18 Uhr ten. „Ich denke immer noch, irgendwann einmal sitzen fabio_bayreuth wir alle in Bayreuth zusammen ...“, so Nietzsche. „Mit dem Ziel, alle kulturellen Ebenen miteinander zu ver‐ netzen“, würde Stegmayer ergänzen. Benjamin Breuer
Anzeige KULTURVEREINE Kino ist Programm Z uletzt liefen „Für Sama“ und „Jean Seberg“: defini‐ tiv zwei Programmkino- bzw. Arthouse-Filme. An‐ gefangen hatte es 2014 – mit dem Schlachtruf „Kino ist für alle da!“ Präzis ausgedrückt: „‚Kino ist Pro‐ gramm‘ ist eine Initative Bayreuther Filmbegeisterter und verfolgt das Ziel, im Zentrum der Stadt Bayreuth ein Programmkino zu etablieren. ‚Kino ist Programm‘ versammelt Film-, Kino- und Kulturschaffende und al‐ len voran kulturhungrige, engagierte Menschen aus zahlreichen Disziplinen.“ Mit dem eigenen Kinohaus ist es noch nichts geworden, die Suche nach einem ge‐ eigneten Standort für vorerst zwei oder drei Kinosäle à 30, 50 und 100 Sitzplätzen, einem Foyer- und Kassen‐ bereich und einer Kinobar geht weiter. Inzwischen hat sich der Spielort Iwalewahaus, wo die Filmfreunde sich einmal im Monat im Foyer treffen, zu einer dauerhaf‐ ten Erst- und Zwischenlösung entwickelt. Gegründet wurde der Verein der ehrenamtlich tätigen Filmenthu‐ siasten, „weil Bayreuth schon heute mehr Film nötig hat“, wie es auf der Homepage heisst. Wurden zu‐ nächst noch einzelne Programmkinotage veranstaltet, wurde es ab 2016 üblich, im Foyer jene Filme zu zei‐ gen, die im Cineplex nicht gespielt werden: Filmklas‐ siker und B-Movies, Kunstfilme und mögliche Berlina‐ le-Gewinner, aber auch – in der Reihe „KinderKinoKlub“ – qualitätvolle Kinderfilme: für nur 5 Euro (die Großen) und 3 Euro (die Kleinen).
Man orientiert sich an den Neuerscheinungen des werden. Mit ‚Kino ist Programm‘ besteht eine weitere deutschen und europäischen Arthouse-Kinos und des Chance, die wertvolle historische Bausubstanz des Bay‐ internationalen Independent-Kinos – und man zeigt reuther Stadtkerns wieder vollends mit Leben zu fül‐ etwas, was früher üblich war und leider aus den „nor‐ len.“ So betrachtet, könnte der Name des Vereins auch malen“ Kinos verschwunden ist: kurze Vorfilme. Im lauten: „Kino ist Programm – für die Stadt“. Kann also Programm enthalten sind auch Dokumentarfilme, wo‐ sein, dass irgendwann im Kulturzentrum Neuneinhalb bei man die Streifen gesellschaftlich bewusst und glo‐ in der Kämmereigasse der Verein ein Standquartier be‐ bal wie lokal orientiert auswählt: als 2016 die Landes‐ sitzt, damit die kleine Sama und die unglückliche Jean gartenschau veranstaltet wurde, zeigte man im Seberg in Zukunft in ihrem eigenen Arthouse bewun‐ Iwalewahaus die Reihe „Natur ist Programm“. dert werden können. Kino für alle, aber auf Niveau. Es zeigt sich auch in der Idee, Kino nicht nur barrierefrei, sondern auch inklu‐ https://kino-ist-programm.de siv zu gestalten. Wenn die Türen wieder aufgehen, wird man auch für hörbeeinträchtigte Kinoliebhaber Filme Frank Piontek zeigen: mit Untertiteln. Und für jene Filmfans, die gut hören, aber weniger gut sehen können, wird eine App namens „Greta“ zur Verfügung gestellt, die einem die Erläuterungen ins Ohr flüstert. Apropos offen: Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ist immer gefragt. So war es schon in der Gründungsphase, als man mit den Studienbereiche Humangeografie und Theater & Medien der Universität Bayreuth kooperier‐ te. Vereine, die nachhaltige kulturpolitische Ziele ver‐ folgen, gibt es in Bayreuth ja nicht ganz wenige. Ist es ein Wunder, dass der Verein 2017 mit dem De‐ bütpreis der E.ON Bayern Kulturstiftung Bayreuth für seine innovativen und kreativen Bemühungen und Anzeige Verdienste um das Bayreuther Kulturleben ausgezeich‐ net wurde? Nachdem der Deutsche Kinematheksver‐ Industrie- und Glasmuseum bund „Kino, das wagt“ die Bayreuther Film-Aficio- nados bereits gewürdigt hatte? Eines seiner Grün‐ Fichtelgebirge e.V. dungsziele scheint übrigens nicht mehr so weit entfernt zu sein. Der Verein versteht ja, so heisst es, „die Bay‐ Kleines Museum sucht Vorstands- reuther Innenstadt und ihre historische Bausubstanz als Ressource und will durch den Aufbau einer nach‐ mitglied für Kulturbetrieb. haltigen und tragfähigen kulturellen Nutzung einen Beitrag zur Revitalisierung von Leerständen leisten. Je‐ des Sanierungsobjekt, jeder Leerstand in der Innen‐ Telefon: 09276787 stadt ist es wert, dafür in Augenschein genommen zu
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DAS ALTE BUCH Kurt Kamlah: Mumuksha „S ind denn nicht alle echten, auch die kleinsten und anspruchslosesten Schöpfungen unseres Geistes nur der Ausdruck des ‚Mumuksha‘, wie es im Sanskrit heißt, unseres Verlangens nach Befreiung?“ Keine Angst: Kurt Kamlahs Buch heißt nur so wie der Begriff aus dem indischen Geistesleben. In Wirklich‐ keit tarnte der Autor mit seiner Erläuterung einen Kranz von Kurzgeschichten, die nicht anders als „skur‐ ril“ genannt werden können. Kein Wunder: der Autor, der auch unter dem bezeichnenden Pseudonym „Kur‐ ti“ seine Werke zum Druck beförderte, gehörte zum künstlerisch-literarischen Stammtisch Rosenkränz‐ chen, der von 1909 bis 1911 im Düsseldorfer Weinlo‐ kal gleichen Namens seine Symposien veranstaltete. Zum Rosenkränzchen gehörte auch Hermann Harry Schmitz, der Verfasser der heute noch gelesenen Kata‐ strophengeschichten, Kamlah aber wurde vergessen. Dabei sind seine Erzählungen fast ebenso seltsam. Kamlah hat seine wartenden Jungfern, betrunkenen Hühner und vor edlen Göttinnen zitternden Jünglinge nur mit jenem Hauch der Melancholie ausgestattet, die um 1900 á la mode war. Er, geboren 1866 in Hanno‐ ver, war 39 Jahre alt, als er den Band veröffentlichte, der 28 schräge Erzählungen mit ebensolchen Titeln enthält: „Der Suff ist ein Laster“, „Hier sitzt der Dich‐ ter in der Tinte“, „Der Lord lässt sich entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich“, „Wenn der Mensch Lo‐ kalgrösse wird“. Der Regierungsrat Kamlah hatte jenen Humor, der das Ende des wilhelminischen Kaiserreichs schon ahnen ließ; dass zu seinen Hannoveraner Ju‐ gendfreunden Otto Erich Hartleben gehörte, der auch in der Zeitschrift „Jugend“ veröffentlichte, die dem Ju‐ gendstil seinen Namen gab, ist kein Zufall. Der Berufs‐ jurist und passionierte Humorist starb 1928, bereits 1912 hatte Otto Boyer das Zeitliche gesegnet, der wie
IN NAHER ZUKUNFT Kamlah und Schmitz dem Rosenkränzchen, daneben dem Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten angehör‐ Konzerte der Kulturfreunde te. Die Illustrationen des Bandes machen aus ihm erst ein bibliophiles Gesamtkunstwerk: jede der 28 Kurzge‐ schichten enthält eine eigene Beigabe auf einem Vor‐ blatt – eingerahmte Szenen dienen als groteske Stand‐ D ie Kulturfreunde e.V. planen die nächsten Kon- zerte. Im Mai sollen sie, wenn alles glückt, über die Bühne des „Zentrums“ gehen. Im Sommer wer- bilder, verschwommen changierend zwischen frühem den wir dann vielleicht ein von den Konzertveran- Jugendstil und einem zarten Anklang an die köstlich staltern organisiertes Freiluftkonzert an einem sehr perversen und ästhetisch durchgestylten Lustbilder ei‐ schönen Platz in der Bayreuther Innenstadt erleben. nes Aubrey Beardsley. Aktuelle Informationen finden Sie auf der Seite: Die Graphik des Einbands zeigt einen symmetrisch ge‐ stalteten Vogel, der, angekettet auf einer Stange, den https://wp.kulturfreunde-bayreuth.de/fang Kopf nach oben reckt, wo vielleicht die Freiheit wohnt. Die Abbildungen aber zeigen diese Freiheit so, dass selbst der Spießbürger – und gerade der – sein Vergnü‐ gen haben konnte an den nackten und halbnackten Geburtstag von Jean Paul am 21. März Männern und Frauen, die sich durchs kuriose Univer‐ sum von Kamlah und Boyer hindurch kämpfen. Denn wie sagt der „Olympier“ am Aschermittwoch? „Viel‐ mehr wünschen wir, dass jeder mit uns, da das Leben W as aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war. im ganzen, wie der römische Carneval, unübersehlich, Selberlebensbeschreibung. ungeniessbar, ja bedenklich bleibt, durch diese unbe‐ kümmerte Maskengesellschaft an die Wichtigkeit jedes augenblicklichen, oft gering scheinenden Lebensge‐ nusses erinnert werden möge.“ Der Dichter der sanften Skurillitäten und der Zeichner schufen ein Opus, das Anzeige zu Unrecht vergessen wurde. Es erschien im Verlagsbu‐ reau Curt Wigand, in dem auch Ludwig von Ficker, focus-europa e.V. der Freund und Erstherausgeber Georg Trakls, publi‐ zierte. Bei Breuer & Sohn kann man eines der seltenen Kunst ohne Grenzen Exemplare des kleinen Buchkunstwerks erwerben. Virtuelle Ausstellung Aktiv ab 18.00 Kurt Kamlah: Mamuksha. Modernes Verlagsbureau Curt Fr. 26. Feb. bis 26. 02. 2021 Wigand. Leipzig/Berlin 1905. 212 Seiten. 28 großforma‐ Fr. 30. Juli 2021 tige Abbildungen, 28 Vignetten, weiße Prägedrucke auf Mit Künstlern des Vereins aus Deutschland, Einband. Gebunden. Format: 25 x 19 cm. Preis auf An‐ Italien, Litauen, Polen, und Tschechien frage. Weitere Informationen und Näheres zu den Zugangsmöglichkeiten unter www.focus-europa.org Frank Piontek
Anzeige BAUKULTUR Sprechendes Holz B einahe in sich gekehrt steht es da, im Schatten der monumentalen Bauwerke der 1970er Jahre verbor‐ gen, und scheint in einer inhärenten Ruhe all das zu beobachten, was vor seinen blind gewordenen Fenstern geschieht: Das kleine Fachwerkhaisla in Münchberg. Wie viel es tatsächlich in den langen Jahren seiner Exis‐ tenz gesehen und erlebt hat, vermag heute niemand mehr zu sagen, doch schien seine Zeit 2015 zu Ende zu gehen: Damals hatte man geplant, das kleine Häuslein abzureissen, um Platz für die Straße zu machen, die bislang daran vorbeiführte. Die Argumentation dabei war schlüssig: So schön es auf den ersten Blick scheine, sei es doch kein „echtes Denkmal“, sondern vielmehr eine Blendfassade - ein „Fake“, wie man es neudeutsch ausdrückt. Immerhin, so die klare Ansage, handelte es sich nicht einmal um authentisches Fachwerk, sondern lediglich um Bretter, die man in den 1920er Jahren in einem letzten Aufbäumen des „Heimatstils“ - einer re‐ gionalen Abwandlung des Art Noveau - prägnant prot‐ zig auf den Putz gehämmert habe. Ein kleines Grüppchen von Münchberger BürgerIn‐ nen sah es anders: Nicht allein sei das Häuschen eines
der prägendsten Gebäude der Innenstadt! Vielmehr schützer auf den Plan, da so quasi über Nacht aus ei‐ noch muss es älter sein, als man vermutete - immerhin nem Abbruchgebäude das älteste Bauwerk der Stadt tauchte bereits im 17. Jahrhundert ein Bauwerk an sei‐ geworden war - und noch dazu eines der ältesten Eger‐ nem Standort auf, das damals von einer „wittib“ ver‐ landhäuser in Bayern überhaupt. Was anschließend ge‐ kauft worden war. Quellen indes, die von einem zwi‐ schah, treibt den Beteiligten - darunter auch der Autor schenzeitlichen Abbruch oder Neubau hätten erzählen dieser Zeilen - bis heute die Rührung in die Augen. können, fehlten. Insofern lag die Vermutung nahe, Denn aufgrund jener neuen Erkenntnisse nahm die dass dieses von der wittib angebotene Gebäude tatsäch‐ Stadt Münchberg nicht allein Abstand vom Abbruch, lich eben jenes Fachwerkhäuschen war, dessen weitere sondern unternahm zusätzlich dazu immense Anstren‐ Existenz nun zur Debatte stand. Wie aber wollte man gungen, das kleine Häuschen zu retten. In Bürger- das beweisen? Es folgte eine Spurensuche in Archiven Werkstätten planten Vertreter der Verwaltung, der po‐ und auch im Haus selbst. Um das Jahr 1700, so verrie‐ litischen Führung, der Vereine und des Einzelhandels ten es die Schriften, gehörte das Anwesen einem gemeinsam die Zukunft des Gebäudes, das in den Schmied mit Namen Zeitlhack, der eine wirklich findi‐ kommenden Jahren zum Herzen von „KulCity“, der ge Idee verfolgte: Immerhin war zwanzig Jahre zuvor in „Genussstadt“ werden soll. Damit wird seine Tradition direkter Nachbarschaft die Postkutschenstation eröff‐ auf beeindruckende Weise fortgeschrieben: Immerhin net worden, was ihm eine gute Auftragslage nebst ad‐ diente es, nach Schließung der Schmiede, ab 1889 als äquater Einkünfte versprach. Sie erlaubten ihm auch, Bäckerei, deren „Schlotfeger“ bis in die 1970er Jahre aus dem kleinen Handwerkerhäuschen ein Prunk-An‐ hinein die Schulkinder erfreuten. wesen zu machen: Die Fassade wurde im Egerländer- Das Münchberger Fachwerkhaisla zeigt, dass „Denk‐ Fachwerkstil neu gestaltet, die Decken im Wohnbe‐ malschutz“ nur gemeinsam funktionieren kann und reich in barocken Formen aus wuchtigen Balken neu nachhaltige Planung benötigt. Miteinander haben sich ausgeführt; es entstanden Räumlichkeiten, die man Stadt, Ehrenamt und Wirtschaft des kleinen Gebäudes eher in der Bayreuther Residenzstadt vermutet hätte, angenommen, um so sicherstellen zu können, dass es denn in Münchberg. Eine Frage aber blieb: War das auch in Zukunft das bunte Treiben vor seinen Fenstern Gebäude, das sich heute in der Bahnhofstraße erhebt, in aller Stille beobachten kann. Zusätzlich dazu aber auch wirklich jenes Haus des Zeitlhack? Oder war das wird es schon bald all jene Menschen, die an ihm - ge‐ Original längst abgebrochen und durch einen nach‐ trieben von der Hektik der Moderne - vorbeiziehen, empfundenen Neubau ersetzt worden? dazu einladen, sich in seinem Innern zusammenzuset‐ Die Hölzer gaben schließlich Auskunft: Durch „Den‐ zen, zu genießen und die immer schneller dahinflie‐ drochonologie“, also eine Analyse der Jahresringe in ßenden Zeitläufte auch einmal getrost allein voranhet‐ den verbauten Balken und deren Vergleich mit um‐ zen zu lassen. fangreichen Datenbanken, konnte die Zeit, in der der Baum einst gewachsen war, ebenso nachgewiesen wer‐ Adrian Roßner den, wie das Jahr, in dem er zum Balken geschlagen worden ist: Es war anno 1702. Diese Nachricht ver‐ breitete sich nicht allein in Münchberg wie ein Lauffeuer, sondern rief auch die obersten Denkmal‐
Anzeige DAS NEUE BUCH Erinnern heißt auswählen: Monika Helfer, Vati E igentlich wollte ich ja das neue Buch von Ransmayr rezensieren. Ich liebe Ransmayr. Die letzte Welt war sprachlich und inhaltlich faszinierend. Vor allem für Ovid-Kenner. Nach Lektüre des neuen Werkes Der Fallmeister muss ich mich korrigieren: Ich liebte Rans‐ mayr. Denn dieses Buch ist ungenießbar. Bis auf den Anfang. Der ist gut. Die Sprache ist gut. Die Sätze, die sich teilweise über einen ganzen Absatz strecken, sind gut. Der Anfang handelt von dem Vater des Protago‐ nisten. Aber, wie gesagt, werde ich dieses Buch nicht weiter abhandeln. Dafür widme ich mich dem neuen Buch von Monika Helfer. Und alles, was ich über den Anfang des Fallmeisters gesagt habe, gilt auch hier. Bis auf die Länge der Sätze vielleicht. Auch Monika Helfer schreibt, wie der Titel unmissverständlich klar macht, über einen Vater. In diesem Buch ist aber davon auszu‐ gehen, dass es sich um den wirklichen Vater der Auto‐ rin handelt. Streng genommen ist Vati eine Biographie. Eine literarische Biographie einer ganzen Familie an‐ hand dieses Mannes. Wir kennen das. Aus der Bagage, dem letzten Buch der Autorin. Hier ging es um die Mutter Grete. Und auch dieses Buch war fantastisch geschrieben. Liest man Vati, weiß man woher Monika Helfer ihre Begabung für das präzise Beschreiben hat. Vati war Bibliothekar und er war bibliophil. Hier ein kleiner Ausschnitt, der beides zeigt, die Bücherliebe des
VOM ZEICHNEN Vaters und die Schreibkunst der Tochter: „Zu meinem Mann sagte ich, bevor ich ihn meinem Vater vorstellte: „Er wird dir seine Bibliothek zeigen. Er wird dich auffordern, ein Buch in die Hand zu nehmen. Die Art, wie du das Buch hältst, wie du umblätterst, wie du den Schutzumschlag abnimmst, wie du daran riechst, das alles wird darüber entcheiden, ob er dich leiden kann oder nicht.“ Für diese Aufgabe war Michael Köhlmeier genau der Richtige. Ja, der Köhlmeier. Gerade sind sei‐ ne Märchen erschienen. Auch großartig, aber nichts für mich. Denn das ist es, was mich an dem Buch Vati G ehe hinaus in deinen Garten oder auf die Straße, und nimm den ersten besten runden oder ovalen Stein, den du findest, weder zu weiß, noch zu dunkel, und je beeindruckt: Die Abbildung einer Realität, die durch die Erinnerung zur Geschichte wird. „Erinnern heißt glatter desto besser, nur glänzen darf er nicht. Stelle dei‐ auswählen“ sagte Günter Grass. Monika Helfers „Aus‐ nen Arbeitstisch nah ans Fenster und lege den Stein auf wahl“ ist jedenfalls eine hervorragende Lektüre. Und ein nicht allzu weißes Papier vor dich hin. Setz dich so, by the way, das Titelbild ist von Gerhard Richter. dass das Licht von links kommt, weil sonst der Schatten des Bleistifts die Sicht auf deine Arbeit stören würde. Ver‐ meide direktes Sonnenlicht auf dem Stein, nur normales Erschienen im Hanser Verlag, 2021. Tageslicht, und richte danach die Wahl deines Fensters. Fester Einband, 173 Seiten. 20,- Euro. Wenn du diesen Stein zeichnen kannst, dann kannst Du jedes Ding zeichnen, solange es sich überhaupt zum Benjamin Breuer Zeichnen eignet. Viele Dinge, so wie beispielsweise Mee‐ resschaum, lassen sich nicht zeichnen, allenfalls lässt sich davon eine Vorstellung andeuten. Aber wenn du den Stein korrekt zeichnen kannst, bleibt dir kein Bereich der Kunst mehr verschlossen. John Ruskin. In „Grundlagen des Zeichnens“. Aus dem Englischen von Helmut Moysich. Dieterich`sche Verlags‐ buchhandlung, Mainz 2019. HAIKU Im Frühlingsregen Setzt auf den Erdwall sich nun Die Nebelkrähe. Shiki (1867 - 1912)
BOTANIK Freycinetia cumingiana D ie Gattung Freycinetia (Familie Schraubenbaum‐ gewächse, Pandanaceae) wurde nach dem französi‐ schen Admiral und Weltumsegler Louis Claude de Saulses de Freycinet (1779-1842) benannt, der Ent- deckungsreisen in die Südsee durchführte. Freycinetia cumingiana ist auf den Philippinen beheimatet, wo die faserreichen Blätter als Flecht- (Matten, Körbe) und Bindematerial oder zum Dachdecken verwendet wer‐ den. Die Blüten aller Pandanusgewächse sind einge‐ schlechtig, winzig klein und stehen zu vielen in kleinen Kolben, die wiederum zu Blütenständen zusammenge‐ faßt sind. Pfeffer (Piper nigrum) P feffer (Piper nigrum) ist das wohl bekannteste Ge‐ würz und hat neben leichter Schärfe viel Aroma zu bieten. Er ist eine mehrjährige, tropische Kletterpflan‐ ze, beheimatet an der Malabar-Küste in Indien. Heute wird er u.a. in Vietnam angebaut. Der Reifezustand der Früchte bei der Ernte und die Art der Bearbeitung bestimmen die Pfeffer-“Art“. Schwarzer und grüner Pfeffer werden grün geerntet und getrocknet bzw. der grüne Pfeffer gefriergetrocknet oder in Salzlake einge‐ legt. Weißer und roter Pfeffer sind reif geerntete Früch‐ te. Wobei der weiße Pfeffer nur der getrocknete Stein‐ kern der Frucht ist - das rote Fruchtfleisch wurde entfernt. Roter Pfeffer sind die getrockneten, sich da‐ bei bräunlich verfärbenden Früchte. Wir danken dem Ökologisch-Botanischen- Garten der Universität Bayreuth für die Bereitstellung dieses Textes und die freundliche Zusammenarbeit.
DAS NEUE ALBUM VOM GRÜNEN HÜGEL G Copyright: Ferry Nielsen elegentlich erklingt er in Konzerten: ein Flügel aus der Klavierbaufabrik an der Dammallee, bekannt als Steingraeber op. 5930. Das Instrument Baujahr 1892 wurde nach Einem benannt, der 1886 in Bayreuth das Sterbliche segnete; als Liszt-Flügel imitiert es baugleich den Steingraeber op. 4328: den gelblackierten im Roko‐ kosaal. 2020 setzten sich Franziska und Florian Glemser Die Walküre im Orgien Mysterien Theater an die Kostbarkeit, um ein Album aufzunehmen, das je‐ nem Meister gewidmet ist, den Liszt oft transkribiert hat. Kenner mögen sich daran erinnern, dass der Dich‐ ter der „Winterreise“ und der „Schönen Müllerin“ in A ls die Bayreuther Festspiele bekanntgaben, dass „kein Geringerer als Aktionskünstler Hermann Nitsch Die Walküre gestalten“ würde, ging kein Auf‐ Bayreuth zu Besuch war, Liebhaber werden den warmen schrei durch die Wagnerwelt. Inzwischen ist es auch in Klang des Flügels schätzen, mit dem sich die Glemsers Bayreuth üblich geworden, Künstlern, die nicht ganz Schuberts Klavierkosmos erobern, doch begnügen sich so opernnah erscheinen, mit Regiearbeiten zu betrau‐ die beiden Meisterspieler, die hörbar aufeinander hören, en. Nach Heiner Müllers Tristan, Schlingensiefs Parsi‐ nicht mit dem „bekannten“ Schubert. Das A-Dur-Ron‐ fal und der Ein- und Ausladung Jonathan Meeses zum do D 951, die Variationen D 813 und die drei Militär‐ Bühnenweihfestspiel wundert es nicht, wenn Nitsch märsche D 733 umrahmen eine Variationssuite, die Flo‐ zwar nicht das Spiel von Tod und Mitleid, sondern die rian Glemser einigen Liedperlen abgewinnt. Zwischen Walküre „gestalten“ wird. Schließlich ist es nicht das Himmelhochjauchzen und Betrübnis, Kälte und Jubel erste Mal, dass Nitsch sich in der Oper tummelt. Vor‐ öffnet sich Schubert in die Gegenwart; die Basstöne ge‐ angegangen waren Arbeiten an der Wiener Staatsoper ben dem Leiermann ein extrem düsteres Aussehen, die (1995 nahm er sich Jules Massenets Hérodiade vor) Taubenpost flattert fröhlich in die Weite. Dur und Moll und München, wo er 2011 mit Oliver Messiaens Saint waren beim Komponisten immer in Übergängen be‐ François d‘Assise ein weiteres religiös inspiriertes Musik‐ griffen – die Glemsers spielen einen melancholischen theater mit christlichen Mythosbildern und Kunstblut und (die Märsche) charmanten, einen elegischen und übergoss. Dass er das Bayreuther Engagement an‐ sprudelnden Schubert heraus. nahm, obwohl er schwor, keine fremden Komponisten mehr zu bebildern, irritiert gleichfalls nicht, denn der Schubertiade am Lisztflügel. Klavierduo Glemser. Orga‐ nophon 90154 Ruf aus Bayreuth musste einen Mann, der in Wien den Frank Piontek
NAIS VOM HEINER Parsifal begleiten sollte, so reizen wie Wotans Zauber die alte Erda. Den Parsifal hat Nitsch dann selbst 2004 Irgendwo als OMT „gestaltet“: auf seinem niederösterreichi‐ schen Regierungssitz Schloss Prinzendorf. OMT? Das Orgien Mysterien Theater, das Nitsch zum ersten Mal vor 50 Jahren realisierte, bezieht sich in seinem An‐ F rooch Irgendwo auf dera Welt wo´s an manchmol werkli gfällt liecht im Tool a klaana Stodt spruch wie in seiner Monumentalität auf Wagner, ob‐ die fei gscheide Bürger hot. wohl man bei den Prinzendorfer Eingeweidewühlakti‐ Für gscheide Bürger, so is ebn, onen nicht gleich an das Festspielhaus denkt. „Wagner muss an gscheidn Stodtrot gebn hat mich“, schrieb Nitsch, „mein ganzes Leben faszi‐ wos der soocht, des is aa Gsetz niert. Wegen dieser wunderbaren, schwelgerischen, und des sichtma grodna etz. sinnlichen Musik, die den Klang über die Melodie hin‐ aus zum Blühen bringt. Die Kunst war schon in ihren Es steht a alts Deoder doo ersten Auftrittsformen mit dem Kult, der Religion und Erinnerungen hänga droo dem Gesamtkunstwerk verbunden. Und Wagner ist seit 20 Johr ghörts renoviert der Freileger des Gesamtkunstwerks.“ Seine Kunstakti‐ bis heit is do nu nix passiert. onen haben durchaus etwas Wagnerisches: die einen verstört‘s, die anderen huldigen dem Zeremonienmeis‐ Aaner soocht, des reißma weg, ter der blutigen performances. Das Leben erscheint als wos wollma mid den aldn Dregg Passion, das im orgiastischen Gesamtkunstwerk aus annara, die schreia laut, Malerei, Architektur und Musik, aber auch aus Opfer‐ des werd widder aufgebaut. ritual und Messliturgie besteht. In Bayreuth wird er Also berotns, des is klor also eine OMT-Malaktion mit 10 Akteuren und Statis‐ nuchamol ball zwanzig Johr ten durchführen, der Rest ist konzertant: „Durch die bevorsa uns dann wos derzelln Farben werde ich die Möglichkeit haben, auf die Musik spontan eine Entscheidung fälln. einzugehen. “Sorgten Nitschs Aktionen früher regel‐ mäßig für Skandale, so wurde der Schöpfer des OMT Zuerst stelltma die Plänla vor, längst ins Burgtheater, in die Albertina, sogar ins Mu‐ dass des schee werd, des is klor seum geholt. „Diese Kunst“, so eine Prinzendorfer Be‐ wenns fertig is, dann gibds a Feier, sucherin, „hat ihre Radikalität verloren, es ist, als wür‐ ober erst amol werds deier. de ich einem Klassiker zuschauen und nicht wissen, Vo außn is es ja nuch schee warum er zu einem solchen geworden ist.“ Die Frage drum lossnsa die Mauern steh bleibt, ob in Bayreuth ein Geamtkunstwerk entstehen und reißn drinna allas raus wird. Wie auch immer die Antwort lauten mag – eines aus dem werkli aldn Haus. ist sicher: „So blühe denn Wälsungen-Blut!“ Frank Piontek
BAUWERKE Alla forzlong kummas her, song, des kostert aweng mehr wenns fertich werd, do kumma fei alla großn Künstler rei. Die reissn sich drum, do zu singa, odder sunst wos vorzubringa und des is fei werkli wohr, der Stodtrot soochts und scho is klor. Bloß die Schauspieler und Sänger, die sich in die Hall neidränga habn bis etz nuch nix verlorn Das Schloss in St. Johannis die meistn sin nuch net geborn. Berlin und Hamburg habns bewiesn wenn die Stodträt wos beschließn des dann aamol fertich wär E s ist neben dem Schlossturm das bedeutendste Ge‐ bäude der Renaissance, das heute auf dem Stadtge‐ biet steht: das Schloss in Bayreuth - St. Johannis. Im Por‐ wos sin scho zehn Johr hie und her. tal kann man zwar die Jahreszahl „1617“ lesen, doch ist die Geschichte des Anwesens wesentlich älter. Die meistn vo uns werrns derlebn In „Altentrebengast“, wie der Ort bis ins 16. Jahrhundert des werd eine Eröffnung gebn vielleicht genannt wurde, ist schon seit 1308 ein Ministe‐ a Bärchermaasder häld a Red rialensitz, also eine Beamtenresidenz, bezeugt. Seit 1557 wo etz nuch in Kinnergaddn geht. besaß die reiche Nürnberger Patrizierfamilie Imhof als So is des wohl in dera Stodt, Lehen der Markgrafen einen sog. Edelhof. Als die Imhofs wo jeder wos zu mauln hod 1598 ausstarben, fielen Schloss und Rittergut an Mark‐ obber selber mol wos doo graf Christian von Brandenburg-Bayreuth, der es 1603 dafür gibt’s an annern Moo. an einen seiner Minister, den Freiherrn von Varell, ver‐ kaufte. 13 Jahre später kaufte der Markgraf es zurück – Zuerst amol werd tichtich gschimpft, ein Jahr später entstand der westliche Flügel, den man do werdma scho als Kind drauf gimpft noch heute von der Straße aus bewundern kann. Der obber dann, nooch a boor Johr, Baumeister ist bekannt: es war der renommierte Hofbau‐ sochtma des is wunderboor. meister Abraham Schade (geb. um 1583 in Meißen, gest. Waaß etz irgend aaner 1657 in Kulmbach), der seit 1605 in den Diensten des wos für Stodt werr iech wohl maana Markgrafen stand, am Bau des Alten Schlosses beteiligt a Frooch oo Gscheida und oo Dumma war und den Renaissancebau der Kanzlei entwarf. Von aaner werd do scho drauf kumma. diesem Werk ist so gut wie nichts mehr übrig, doch zeugt das Schloss zu St. Johannis – bei aller stilistischen Zu‐ Reinhold Hartmann rückhaltung – glücklicherweise noch von Schades inno‐
vativer Ästhetik. An der rechten Seite des asymmetri‐ Sprenggiebel versehen; „gebrochener Giebel“ heißt er, schen, breit dahingelagerten Flügels erhebt sich ein im‐ weil seine Mitte ausgespart und in unserem Fall mit dem posantes Torhaus, dessen einzelne Elemente selbst dann besitzanzeigenden Wappen der Hohenzollern und ihrem eine Datierung möglich machten, wenn es nicht mit der roten Adler versehen wurde. Im sichtbaren Schlossbau Jahreszahl versehen worden wäre. Denn der aus zwei Ge‐ zeigen sich also gleichermaßen traditionelle wie moderne schossen bestehende, verputze Bau wird von einem und sogar avantgardistische Elemente, die die Fassade Zwerchdach gekrönt, das quer, also „zwerch“ am Sat‐ zum Übergangsbereich zwischen Renaissance und Ba‐ teldach angesetzt wurde und um 1600 in der Baukunst rock machen, denn richtig populär wurde der scheinbar der deutschen Lande angekommen war: zumindest, so‐ gesprengte Giebel – nach seiner Karriere in der Antike – weit es repräsentative Gebäude betraf. In der Flucht der erst ein paar Jahre später. Danach, nämlich Mitte des 18. Außenwand des Gebäudes stehend, wird es durch einen Jahrhunderts, kam das Schloss in Privatbesitz, ab 1845 Schweifgiebel mit dem gleichnamigen -werk akzentuiert. wurde es als „Schiedelsches Brauereigut“ genutzt, und Im Schweifwerk entlädt sich in St. Johannis die maßvolle seit 1957 dient es als landwirtschaftlicher Betrieb der Dekoration von C- und S-Schwüngen, die im Beschlag‐ Bayreuther Justizvollzugsanstalt. Was man von der Stein‐ werk – der symmetrischen Anordnung aufgenieteter me‐ achstrasse aus nicht betrachten kann, ist der dreigeschos‐ tallener Beschläge – ihren Ursprung hat, und deren En‐ sige Sandsteinquaderbau mit Satteldach und Treppen‐ den, sich teilweise überschneidend, in den sog. turm, der 1531 im inneren Bereich errichtet wurde – Keulenschwüngen verdickt sind. Maßvoll ist dieses Or‐ aber das ist schon eine andere, nicht minder interessante nament, weil es aus nichts als Kurven besteht; andernorts (Bau-)Geschichte. wurden diese Schwünge reich verziert. Beim Schweif‐ werk des Schlosses befinden wir uns in der Hochzeit die‐ Frank Piontek ser Formgebung, die weniger in Italien und Frankreich als in den deutschsprachigen Ländern Triumphe feierte. An ihr sehen wir bereits erste Vorzeichen des sog. Barock, während das Beschlagwerk nur noch wenige Jahre nach der Erbauung des Schlosses in Gebrauch blieb. Das Tor selbst ist rustiziert, und auch dies war um 1600 noch mo‐ dern, indem die Fugen zwischen den sichtbaren Steinen betont wurden, wobei die Handwerker jede zweite Reihe mit charakteristischen Kerben versahen. Dies war nur eine Möglichkeit, die „bäurische“ (= rustikale) Grobheit anzudeuten, die man vorher den Bruch- und Buckelstei‐ nen im Sichtmauerwerk der mittelalterlichen Burgen an‐ gesehen hatte. In St. Johannis entschied man sich dafür, die bearbeiteten und unbearbeiteten Steine nicht, wie etwa beim Palazzo Pitti der Medici in Florenz, übereinan‐ der, sondern abwechselnd zu platzieren. Über dem Durchgang wurde schließlich das Portal mit einem
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GESCHICHTEN AUS DEM WALD Schelmenstücke. Nach Tische, als ein wenig Salat in der Schüssel übrig geblieben war, betrachtete ich einige Split‐ terchen die sich daran befanden, Sogleich ergriff ich sie und brachte sie ans helle Fenster; ich erinnerte mich, in‐ dem ich sie betrachtete, wie außerordentlich die Speisen geknirscht hatten, und soviel meine Augen urteilen konnten, glaubte ich schnell, es sei gestossener Diamant. Ich hielt mich nun entschieden für ein Kind des Todes und wendete mich schmerzlich zu dem besseren Reiche, das ich mit der Gnade Gottes erlangt zu haben hoffte, und in diesen Gedanken rieb ich einige feine Körner zwi‐ Der Wassermann vom Fichtelsee schen den Fingern, die ich gewiss für Diamant hielt. Wie nun die Hoffnung nimmer stirbt, so regten sich auch wieder einige eitle Lebensgedanken. Ich legte die gedach‐ ten Körnchen auf eine Fensterstange und drückte stark I m Fichtelsee lebte ein Wassermann, der war schon alt und krumm, und die ständige Kontrolle des Sicker‐ wassers setzte ihm zu. Denn der Fichtelsee war eiskalt. mit dem flachen Messer darauf. Da fühlte ich, daß der Oft seufzte der arme Wassermann über seine krum‐ Stein sich zerrieb und als ich recht drauf sah, fand ich men Finger und wünschte sich eine warme Quelle, die auch, das es sich so verhielt, und sogleich erquickte ich in seinen See fließen würde: „Nur eine kleine heiße mich in neuer Hoffnung. Aber ich hatte vor allen Dingen Quelle, dass ich mal meine Finger warm kriegen Gott zu loben, und die Armut zu segnen, die, wie sie öf‐ könnte!“ Nichts da, der See blieb kalt. Und so be‐ ters den Menschen den Tod bringt, nun die Ursache mei‐ schloss der Wassermann zu verreisen. nes Lebens war: denn Herr Durante, mein Feind, hat sei‐ Natürlich reiste er zu Wasser, suchte sich einen Kurort nen Endzweck nicht erreicht, Lione hat den Stein nicht in der Nähe und badete seine rheumatischen Glieder gestoßen, sondern ihn aus Armut für sich behalten. Für im heißen Quellwasser. Es ging ihm dabei gut; er traf mich aber zerrieb er einen geringen Beryll von wenigem sich mit anderen Wassermännern, die auch zur Kur ge‐ Wert; vielleicht dachte er weil es ein Stein sei, tue er die‐ kommen waren, trank brav sein warmes Quellwasser selbigen Dienste. aus einem Schnabeltäßchen und vergaß seinen eiskal‐ ten Fichtelsee. Aber schließlich packte ihn das Heim‐ Auszug aus: „Leben des Benvenuto Cellini florentinischen Goldschmieds und Bildhauers .Von ihm selbst geschrieben. Übersetzt und mit einem weh, er war lange weg geblieben. – Und so reiste er Anhange versehen von Johann Wolfgang von Goethe. Benvenuto Cellini wieder zurück. Aber o Schreck – wo war sein Fichtel‐ (1500-1571) war, wie Leonardo da Vinci, ein „uomo universale“ der Re‐ see? Menschen hatten ihn verlegt, das Wasser abgelei‐ naissance. Er führte ein streitbares, bewegtes Leben als Goldschmied, tet, um an die tieferen Torfschichten heranzukommen, Bildhauer, Medailleur, Festungsingenieur, Musiker und Schriftsteller; war aber auch dreifacher Mörder. Die Konkurrenz war gross. Das er un‐ die sie für ihre Herdfeuer trockneten und damit ihren geschoren davon kam, ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, daß Lebensunterhalt bestritten. Der Wassermann stand er für Päpste, den italienischen Adel und Franz, 1. von Frankreich arbei‐ ratlos im Wald, sein großer See war weg, und die vielen tete. Sein bekanntestes Werk ist die übergrosse Bronzestatue des Perseus, die in Florenz zu besichtigen ist. Etliche bekannte Schriftsteller und Menschen, die an seiner Umgestaltung arbeiteten, Komponisten haben sein Leben in dramatischen Werken verewigt. störten den armen kleinen Kerl. Tiefer hinein in den Textauswahl: Stephan Jöris Wald ging er, und siehe da, er fand etwas: der See war
DENKAUFGABE immer noch da. Ein rundes Moor, grün bewachsen, schwappte leise und verlockend; dunklerer Bewuchs zeigte die alten Ufer an, und ein leichter Duft nach würzigem Moder lag in der Luft. Hier will ich bleiben, beschloss der Wassermann – und er wurde plötzlich sehr vergnügt. Ein dichtes Moor war nicht kalt – er setzte mal vorsichtig einen Fuß auf die Fläche – noch einen – und leise gluckerte das Moorwasser in seinen Schuh, gerade nass genug, dass ein Wassermann sich Matt in zwei Zügen / Weiß am Zug wohl fühlen konnte. Als er untersank, um sich eine gemütliche Bleibe zu suchen – vielleicht unter einer vergessenen Wurzel – wurde ihm wohlig warm: das Moor umhüllte seine schmerzenden Rheumafinger‐ chen weich und heilend, und still wars da unten, denn die Menschen bauten das Moor nicht mehr ab. Und so hatte der kleine Wassermann sein privates Heilbad ent‐ Lösung aus dem Kulturbrief Februar: Matt in einem Zug / Weiß am Zug: 1. Dame auf a7. deckt – ein Moor ganz für ihn allein, und er musste nicht mehr verreisen zu den heißen Quellen. Sicher ist er noch da im Alten Fichtelsee, unter der grünen Moosdecke, die leise schwappt, wenn man drauftritt, und daran erinnert, dass hier einst eine klare Wasser‐ fläche lag. Matt in drei Zügen / Schwarz am Zug Irmintraut Jasorka Matt in zwei Zügen / Weiß am Zug: 1. Dame auf e4.
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