Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag

 
WEITER LESEN
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Landkreistag
                                   kompakt
                               Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags
Bayerischer Landkreistag

                                                                                               Ausgabe Nr. 4/2019

                                   Am ersten Tag der Landrätetagung in Bad Füssing (v.l.n.r.):
                                 Geschäftsführer Dr. Johann Keller, Präsident Christian Bernreiter,
                           Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach, MdL, der gastgebende Landrat
                             Franz Meyer, Passau, Erster Bürgermeister Alois Brundobler, Bad Füssing

                                Digitale Handlungsbedarfe und Zukunftsaussichten
                                in den bayerischen Landkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 6

                            Mehr von allem durch mehr Digitalisierung – 51. Landrätetagung
                            am 23./24. Oktober in Bad Füssing . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18

                                Präsidium des Bayerischen Landkreistags nimmt
                                IHRA-Definition an     . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 22
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Inhaltsverzeichnis

    Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    Aktuell
    Digitale Handlungsbedarfe und Zukunftsaussichten in den bayerischen Land-
    kreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
    Neue Studie zum IT-Outsourcing für Kommunen veröffentlicht                                     ........ 8
    Die pflegerische Versorgung in der Langzeitbetreuung                            ................ 9
    Poolbildung bei Schulbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
    Kommunaler Finanzausgleich 2020: Wenig Spielräume trotz
    Rekordniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
    Ergebnisse der Bundeskommission Gleichwertige Lebensverhältnisse
    Expertengespräch mit Präsident Bernreiter in der Hanns-Seidel-Stiftung                                    . 16

    Landrätetagung
    Mehr von allem durch mehr Digitalisierung – 51. Landrätetagung am
    23./24. Oktober in Bad Füssing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    Kampf gegen Antisemitismus
    Präsidium des Bayerischen Landkreistags nimmt IHRA-Definition an                                      . . . 22

    Direkt aus Brüssel
    Verbesserte EU-Vergabevorschriften, die Regionalität fördern . . . . . . . . . . 23

    Integration und Inklusion
    Inklusiv, integrativ, innovativ – „Zukunftskonzept Chancengleichheit
    im Landkreis Kelheim“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
    Wörth-Wiesent im Landkreis Regensburg ist die erste Grundschule Bayerns
    mit KIWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
    Mitarbeiter des Landratsamtes Unterallgäu besonders für Inklusion
    sensibilisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    Klimafreundliche Landkreise
    Klimaschutz seit jeher Top-Thema der bayerischen Landkreise . . . . . . . . . 30
    Der Landkreis Deggendorf forstet Waldgrundstücke fürs Klima auf                                    . . . . . 31
    Die Zukunftsaktie des Landkreises München mit einer enkeltauglichen
    und klimaneutralen Dividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
    Landkreis Weilheim-Schongau schon seit 2010 mit Klimastrategie auf
    gutem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

2
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Inhaltsverzeichnis

Achtsamkeit für Natur und Umwelt lernt man im Landkreis Aschaffenburg
schon in der Kindergarten- und Schulzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Elektromobilität – Mehrwert für Wirtschaft und Umwelt im Landkreis
Neustadt a.d. Waldnaab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Klimaschutz schmeckt im Landkreis Neu-Ulm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Landkreis Bamberg reduziert CO2-Emmissionen um rund 74 %                                   . . . . . . . 45
Landkreis Schweinfurt erreicht dritten Platz der „Recyclingpapierfreund-
lichsten Landkreise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Haus der bayerischen Landkreise
Aktuelle Herausforderungen im Fokus beim Parlamentarischen Abend
mit der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Stv. Geschäftsführer und Finanzreferent beim Bayerischen Landkreistag
in den Ruhestand verabschiedet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Aus den Landkreisen
Landkreis München startet erfolgreich seine „Corporate Social Responsibility“
(CSR) – Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Ein Ausrufezeichen in der Kliniken-Landschaft: Sechs Allgäuer Häuser
schließen sich zum „Klinikverbund Allgäu“ zusammen . . . . . . . . . . . . . . . 54
„Mit Herz und Hand“ – Landkreis Hof dankt Ehrenamtlichen mit Song . 58
Er rollt und rollt und rollt: 55 Jahre Bücherbus im Landkreis Neustadt
a.d.Aisch-Bad Windsheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Landkreis Amberg-Sulzbach mit Deutschem lokalen Nachhaltigkeitspreis                                           Impressum:
ausgezeichnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
                                                                                                               Herausgeber:
Bayerische Landesausstellung 2020 im Wittelsbacher Land . . . . . . . . . . . . 64                             Bayerischer Landkreistag
                                                                                                               Kardinal-Döpfner-Straße 8
                                                                                                               80333 München
Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66     Telefon (089) 286615-0
                                                                                                               Telefax (089) 282821
                                                                                                               info@bay-landkreistag.de
                                                                                                               www.bay-landkreistag.de
                                                                                                               Für den Inhalt verantwortlich:
                                                                                                               Dr. Johann Keller
                                                                                                               Geschäftsführendes Präsidialmitglied
                                                                                                               des Bayerischen Landkreistags
                                                                                                               Sarah Honold
                                                                                                               Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
                                                                                                               Europa
                                                                                                               Herstellung:
                                                                                                               Druckerei Schmerbeck GmbH
                                                                                                               Gutenbergstraße 12
                                                                                                               84184 Tiefenbach

                                                                                                                                                      3
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Editorial

    Liebe Leserinnen und Leser,
    es ist fast geschafft. Weihnachten naht und damit heißt
    es für viele, sich für ein paar Tage oder wenigstens
    Stunden in die Geborgenheit mit seinen Lieben zu-
    rückziehen zu können. Telefonate, Termine und Nach-
    richten werden zu Gunsten der Familie an den
    Weihnachtstagen im idealen Fall zurückgestellt und
    man kann sich einmal von allem loslösen.

    Das übrige Jahr ist genau das Gegenteil gefragt. Betei-
    ligung und Mitwirkung sind das Lebenselixier unserer
    Demokratie. Intensive Auseinandersetzungen und Dis-
    kussionen gehören dazu. Zimperlich darf man nicht
    sein und muss auch etwas aushalten können, wenn viel
    Leidenschaft für eine Sache mit im Spiel ist und die
    Interessenlagen verschieden sind. Verrohung und Dro-        Landrat Christian Bernreiter
    hungen haben dabei aber nichts zu suchen. Gewalt,           Deggendorf
    persönliche Angriffe und Beleidigungen haben mit            Präsident des Bayerischen Landkreistags
    Meinungsfreiheit nicht das Geringste zu tun. Für seine
    Sache zu kämpfen, ist das eine. Ein absolutes Verfolgen
    eigener Ziele ohne Rücksichtnahme auf die Persönlich-
    keitsrechte anderer und Hass sind dagegen niemals
    tolerierbar.

    Möglicherweise ist einiges, was wir erreicht haben,
    manchmal zu selbstverständlich. Unsere Wirtschaft
    und unsere Industrie haben viele gute Jahre hinter sich.
    Spitzenleistungen sind fast alltäglich. Wir haben uns
    an viele Dinge gewöhnt. Dadurch werden etliche Fra-
    gen und Forderungen nur noch in der Maximalform
    diskutiert. Der Blick ist fokussiert auf das, was einem
    selbst am Schutzwürdigsten und Förderfähigsten er-
    scheint. Gräben, Unzufriedenheit und Frustration sind
    so fast vorprogrammiert.

    Wie bei allen Themen, die nicht nur einige Einzelne,
    sondern alle betreffen, sind Schwerpunktsetzungen           Dr. Johann Keller
    unterschiedlich. Für den einen ist es am wichtigsten,       Geschäftsführendes Präsidialmitglied
    wie er für seine Eltern im Alter gut sorgen kann. Der
                                                                des Bayerischen Landkreistags
    nächste ist froh, dass er einen verlässlichen Arbeitgeber
    gefunden hat, der ihm eine sichere Zukunftsplanung
    ermöglicht. Wieder einem anderen raubt der Klima-
    wandel schlaflose Nächte. Es gibt Menschen, denen es        und wir gehen verschieden mit Dingen um. Das ist
    nicht gut geht, die Leid (er-)tragen und die ohne           nicht als K.o.-Kriterium und Grund für Gesprächs-
    Zuversicht sind. Genauso gibt es Menschen, die vom          abbrüche zu werten. Unterschiedliche Lebensmodelle
    Glück erfüllt sind und die viel Kraft haben. Sie alle       erfordern unterschiedliche Prioritäten. Jeder kann
    sind Teil unserer Demokratie.                               etwas tun, aber nicht jeder wird das Gleiche tun. Die
                                                                Politik kann lenken, zusammenführen und gestalten.
    Die Möglichkeiten, die Herausforderungen und die            Letztendlich ist aber trotzdem auch jeder Einzelne ver-
    Lebenslagen sind heterogen. Wir sind anders betroffen       antwortlich für die Welt, in der wir leben und für die

4
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Editorial

Art, wie wir dies miteinander tun. Es ist wichtig, dass    Mit den Mitteln und Werkzeugen, die wir haben, das
wir uns in die anderen hineinversetzen, dass wir Teil      zu bewahren, was wir bis heute geschafft haben und
haben, Teil nehmen und Teil haben lassen, auch wenn        noch besser zu machen für diejenigen, die wir noch
die eigenen Gedanken klar auf ein Ziel fokussiert sind.    nicht erreichen, ist immer wieder eine Herausforde-
Aus all unseren Taten folgen Konsequenzen.                 rung. Jede und jeder soll in unseren Landkreisen die
                                                           gleiche Chance, etwas aus dem eigenen Leben zu
Mit absoluten Forderungen werden Fronten aufgebaut         machen, haben. Das geht nicht von heute auf morgen
und es wird schwierig, aufeinander zuzugehen. Ganz         und ist stark von den Umständen in der Welt abhän-
zu schweigen davon, sich aufeinander verlassen zu kön-     gig.
nen. Genau das zählt aber nicht nur in der Politik und
in der Wirtschaft, sondern auch im Privaten.               Bevor wir uns alle mit hoch gekrempelten Ärmeln ins
                                                           neue Jahr stürzen, sollten wir auch innehalten, um das
Einander genau zuhören, sich mit einer Sache ausei-        zu schätzen, was wir haben. Dazu zählen an vorderster
nanderzusetzen und miteinander im Gespräch zu blei-        Stelle alle Menschen, die uns nahe und das ganze Jahr
ben, auch wenn man verschiedene Positionen vertritt,       zur Seite stehen. Wir wünschen deswegen all Ihren Lie-
ist nicht leicht. Respekt, Mut und Stärke zu zeigen, ist   ben, Vertrauten, Wegbegleitern und Ihnen gesegnete
anstrengend. Nach unserem ersten Bundespräsidenten         Weihnachtstage und einen guten Start in 2020!
ist Demokratie nie bequem. Und doch lohnt es sich,
für sie aufzustehen.

                          Ihr                                                        Ihr

                  Christian Bernreiter                                       Dr. Johann Keller

                                                                                                                    5
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Aktuell

             Digitale Handlungsbedarfe und Zukunfts-
             aussichten in den bayerischen Landkreisen

                                                                Monaten intensiv mit den Herausforderungen und
                                                                Chancen der Digitalisierung für die Landkreise aus-
                                                                einandergesetzt. Gemeinsam mit sieben Landkreisen
                                                                und der T-Systems, die sich u.a. im Rahmen des
                                                                „Smart City“-Programms des Deutschen Städte- und
                           Von Klaus Geiger, Referent für Or-   Gemeindebunds bereits mit kommunalen Anforde-
                           ganisation, Verwaltungsmoderni-      rungen auseinandergesetzt hatte, wurden die Hand-
                           sierung und digitale Verwaltung      lungsfelder
                           beim Bayerischen Landkreistag        – Gesundheit und Soziales,
                                                                – Innovation und Mittelstand 4.0,
                                                                – Wohnen und Arbeiten,
                                                                – Mobilität und Verkehr,
                                                                – #5G DABEI,
    Die Digitalisierung bietet ein erhebliches Potenzial,       – Grundversorgung und Zusammenhalt sowie
    um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in           – Digitales Bauen
    Stadt und Land zu sichern und zu fördern. Somit ist         näher beleuchtet. Dabei wurden in sieben Workshops
    sie ein Topthema der bayerischen Landkreise. Entspre-       wesentliche Herausforderungen der Landkreise in die-
    chend stand sie daher auch im Mittelpunkt der dies-         sen Handlungsfeldern identifiziert und darauf aufbau-
    jährigen Landrätetagung am 23./24.10.2019 im                ende Handlungsbedarfe bzw. Visionen für zukünftige
    Landkreis Passau mit dem Motto „Mehr von allem              Lösungen entwickelt. Die wesentlichen Handlungsbe-
    durch mehr Digitalisierung“. Der von Landrat Josef          darfe in den Handlungsfeldern „Digitales Bauen“ und
    Niedermaier, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen,             „Mobilität und Verkehr“ sind nachfolgend exempla-
    geleitete Innovationsring hat sich in den letzten           risch dargestellt:

    Abbildung 1: Wesentliche Handlungsbedarfe im Handlungsfeld „Digitales Bauen“

6
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Aktuell

Abbildung 2: Wesentliche Handlungsbedarfe im Handlungsfeld „Mobilität und Verkehr“

Die Handlungsbedarfe aus diesen Vor-Ort-Workshops           tonnen mit Chip, autonome Busse oder Anwendungen
wurden bei der Landrätetagung am 24.10.2019 ge-             in der Telemedizin. Neben der aktiven Gestaltung und
meinsam diskutiert und priorisiert. Die Landrätinnen        Begleitung der gemeinsam identifizierten und priori-
und Landräte haben dabei auch die Gelegenheit ge-           sierten Handlungsfelder, soll daher auch der gegensei-
nutzt, ihre Ideen und Lösungsvorschläge zu den einzel-      tige Informations- und Erfahrungsaustausch im
nen Handlungsfeldern einzubringen. Die Ergebnisse           Bereich der Digitalisierung weiter gestärkt werden. Auf
aus der Landrätetagung werden im Innovationsring            Initiative des Innovationsrings haben wir daher eine
weiterverfolgt.                                             neue Austauschplattform zur Digitalisierung in den
                                                            Landkreisen eingerichtet:
Darüber hinaus gibt es bereits jetzt zahlreiche Digita-
lisierungsvorhaben in den Landkreisen, seien es Müll-

                                                                                                      Abbildung 3:
                                                                                                 Austauschplattform
                                                                                                     Digitalisierung

                                                                                                                       7
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Aktuell

    Die Austauschplattform wurde in das soziale Netzwerk       Landkreise sind mit der Austauschplattform herzlich
    des Bayerischen Landkreistags für die Landratsämter        dazu eingeladen, sich dort aktiv einzubringen und sich
    (Landkreisnetz) integriert, um in diesem „geschützten      über Praxisbeispiele, Herausforderungen und Chancen
    Raum“ einen offenen Informations- und Erfahrungs-          der Digitalisierung in den einzelnen Handlungsfeldern
    austausch zu ermöglichen. Das Landkreisnetz steht          zu informieren.
    den Landkreisen bereits seit Mitte 2017 kostenlos zur
    Verfügung und wird derzeit von über 3.000 Mitarbei-        Wir freuen uns auf einen aktiven Austausch, um die
    terinnen und Mitarbeitern aus den Landratsämtern ge-       Digitalisierung in den Landkreisen gemeinsam voran-
    nutzt; die Nutzerzahlen haben sich damit seit der          zubringen!
    bayernweiten Einführung nahezu verzehnfacht. Die

                   Neue Studie zum IT-Outsourcing für
                        Kommunen veröffentlicht
    Cloud Computing steht als Kurzformel für den durch-        Die 2. Auflage der Studie samt Praxisleitfaden ist kos-
    greifenden Trend, IT-Outsourcing an die neuen tech-        tenlos abrufbar unter
    nischen Möglichkeiten in verteilten Netzen und an          https://www.bay-innovationsstiftung.de/projekte/.
    neue maßgeschneiderte Geschäftsmodelle anzupassen.
    Dieser Trend hat auch die öffentliche Verwaltung er-
    reicht. Die Innovationsstiftung hat daher bereits 2013
                                                                    Über die Innovationsstiftung Bayerische
    die erste Fassung der Studie „Sicheres IT-Outsourcing
                                                                                 Kommune:
    für Kommunen“ unter der Leitung von Professor Dr.
    Dirk Heckmann erstellt. Gemeinsam mit Wissen-
                                                                  Die Innovationsstiftung Bayerische Kommune
    schaftlern der Zeppelin Universität Friedrichshafen
                                                                  wurde 2010 als gemeinnützige Stiftung des öf-
    wurden damals die rechtlichen, technischen, organisa-
                                                                  fentlichen Rechts durch die vier bayerischen
    torischen und ökonomischen Aspekte des kommuna-
                                                                  Kommunalen Spitzenverbände und die Anstalt
    len Cloud Computing erforscht. Diese Erkenntnisse
                                                                  für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern
    sind unmittelbar in eine Begleitstudie und den daraus
                                                                  (AKDB) gegründet und fördert innovative IT-
    hervorgegangenen Praxisleitfaden eingeflossen.
                                                                  Projekte und Forschungsvorhaben im kommu-
                                                                  nalen Bereich. Durch ihre Arbeit beabsichtigt
    Ende November 2019 hat die Innovationsstiftung
                                                                  die Stiftung, die Modernisierung der Kommu-
    Bayerische Kommune die 2. Auflage von Studie und
                                                                  nalverwaltung zu unterstützen und damit auch
    Praxisleitfaden veröffentlicht. Diese wurde nicht zu-
                                                                  für die Bürger einen Mehrwert zu schaffen.
    letzt deshalb notwendig, weil mit der Geltung der Da-
                                                                  Sämtliche Projektergebnisse werden den baye-
    tenschutzgrundverordnung seit dem 25.05.2018 eine
                                                                  rischen Kommunen kostenfrei zur Verfügung
    neue Rechtslage im Datenschutzrecht zu beachten ist.
                                                                  gestellt und können über
    Daneben wurden für die Neuauflage viele weitere
                                                                  www.bay-innovationsstiftung.de
    Neuerungen aus den letzten sechs Jahren berücksich-
                                                                  abgerufen werden.
    tigt. Der Praxisleitfaden „Sicheres IT-Outsourcing für
    Kommunen“ dient einer schnellen Orientierung und
    legt Wert auf eine verständliche Darstellung. Der Pra-     (Innovationsstiftung Bayerische Kommune)
    xisleitfaden wird durch eine stärker juristisch geprägte
    Begleitstudie ergänzt, die als „Langfassung“ zahlreiche
    Details und Hinweise für die Kommunen enthält. Bei-
    des zusammen genommen soll dazu beitragen, dass
    sich rechtskonforme kommunale Cloud Lösungen
    etablieren können.

8
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Aktuell

                  Die pflegerische Versorgung in der
                          Langzeitbetreuung
   Stellungnahme des Bayerischen Landkreistags zur Anhörung
des Ausschusses für Gesundheit und Pflege am 26. November 2019
                          im Landtag

                                                           leisten. Nach § 9 SGB XI schließlich sind die Länder
                                                           verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähi-
                                                           gen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen
                                                           pflegerischen Versorgungsstruktur.

                       Von Dr. Klaus Schulenburg,          Der Freistaat Bayern hat seine Regelungskompetenz zu
                       Referent für Soziales, Gesundheit   einem Ausführungsgesetz dahingehend genutzt, dass
                       und Krankenhauswesen beim           er die kreisfreien Gemeinden und die Landkreise nach
                       Bayerischen Landkreistag            den Art. 71 ff. AGSG verpflichtet hat, auf die Vorhal-
                                                           tung bedarfsgerechter Strukturen in der ambulanten
                                                           und stationären Langzeitpflege hinzuwirken. Zu die-
Vorbemerkung                                               sem Zweck haben sie nach Art. 69 AGSG eine Pflege-
                                                           bedarfsplanung im Rahmen eines seniorenpolitischen
Der Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Bayeri-         Gesamtkonzepts zu erarbeiten. Die Landkreise haben
schen Landtag hat am 26. November 2019 eine Sach-          jedoch weder rechtliche Instrumentarien noch prakti-
verständigenanhörung zur Situation der Langzeitpflege      sche Möglichkeiten, um das Marktgeschehen im Pfle-
in Bayern durchgeführt. Um ein möglichst breites und       gebereich wirksam beeinflussen zu können. Faktisch
belastbares Stimmungsbild für seine Mitglieder abge-       erschöpfen sich daher ihre Einflussmöglichkeiten im
ben zu können, hat der Bayerische Landkreistag den         Rahmen ihrer Hinwirkungsverpflichtung auf Informa-
Fragenkatalog zur Ausschussanhörung in eine Online-        tion und Beratung der Träger sowie ggf. auf finanzielle
Umfrage umgewandelt. Aufgrund der Beteiligung aller        Anreize. Gleichzeitig sind nicht wenige Landkreise in
Landkreise und der weitgehend einheitlichen Antwor-        Bayern (25) selbst mittelbar (z.B. über ihr jeweiliges
ten kann zusammenfassend festgestellt werden, dass         Krankenhausunternehmen) oder unmittelbar Träger
die Versorgung in der Langzeitpflege in zahlreichen        von Alten- bzw. Pflegeheimen. Daneben sind die
Regionen Bayerns nicht mehr sichergestellt werden          Landratsämter Vollzugsebene für das Pflege- und
kann.                                                      Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG).

Zuständigkeiten der Landkreise im Bereich der              Fragen zu „Ausgangssituation, Analyse und Prog-
Langzeitpflege                                             nose“

Die Verantwortlichkeiten sind durch die Bestimmun-         Die Entwicklung des Fachkräftemangels in der Pflege
gen im Sozialgesetzbuch – Elfter Teil – Soziale Pflege-    in Bayern wird von 94,37 % der antwortenden 71
versicherung (SGB XI) vermischt, woraus sich He-           Landkreise als sehr oder eher problematisch beurteilt.
rausforderungen ergeben. Der Sicherstellungsauftrag        Da lediglich 5,63 % mit „neutral“ antworteten, aber
zur pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten obliegt    kein Landkreis mit eher oder völlig unproblematisch,
in erster Linie den Pflegekassen (§§ 12, 69 SGB XI).       muss der Fachkräftemangel in der Pflege aus der Sicht
Ungeachtet dessen appelliert § 8 SGB XI an die ge-         der Landkreise als flächendeckendes Problem angese-
samtgesellschaftliche Verantwortung für die pflegeri-      hen werden. Aufgrund des altersbedingten Ausschei-
sche Versorgung und verpflichtet alle Akteure, eine        dens der Fachkräfte gehen zudem 94 % der Landkreise
aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre           von einer weiteren Zunahme des Fachkräftemangels
pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewähr-         aus.

                                                                                                                     9
Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
Aktuell

     Nach Einschätzung der Landkreise wird die bereits            Werbemaßnahmen in Schulen sowie auf Ausbildungs-
     entstandene Fachkräftelücke kurzfristig auch nicht           messen zur strukturierten Anbahnung von Fachkräf-
     durch Zuwanderung oder Ausbildung geschlossen                teausbildung über Girls/Boys Day, Freiwilliges Soziales
     werden können, trotz aller entsprechenden Bemühun-           Jahr, Schnupperpraktika und Stärkung der Helferbe-
     gen. Teilweise werden auf die generalistische Pflegeaus-     rufe (ggf. auch über stärkere integrationsmäßige oder
     bildung ab 01.01.2020 große Hoffnungen gesetzt;              jugendsozialarbeiterische Begleitung von schwächeren
     teilweise wird ein stärkeres Abwandern von generalis-        Auszubildenden).
     tisch ausgebildeten Fachkräften aus dem Bereich der
     Langzeitpflege in den Krankenhausbereich befürchtet.         Fragen zu einem drohenden oder existierenden Pfle-
                                                                  genotstand
     Als beispielhafte Maßnahmen zur Bekämpfung des
     Fachkräftemangels in der Langzeitpflege können ge-           Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels verwun-
     nannt werden: Gründung von Netzwerken, Runden                dert es nicht, dass die Versorgungssituation sowohl im
     Tischen bzw. Koordinierungsstellen zur Fachkräfte-           ambulanten als auch im stationären Pflegesektor so-
     bzw. Ausbildungsgewinnung (häufig im Zusammen-               wohl für die allgemeine Langzeitpflege als auch für
     hang mit der Gesundheitsregionplus), Erarbeitung von         Menschen mit Demenz im Besonderen (vgl. Tabelle)
     Imagekampagnen für die Pflege, Fokussierung auf              eher bzw. sehr problematisch eingeschätzt wird.

     Tabelle: Einschätzung der Versorgungssituation in der Langzeitpflege und bei Menschen mit Demenz

                                           Versorgungssituation                   Versorgungssituation für
                                           insgesamt                              Menschen mit Demenz
      Antwort                              Anzahl               Prozent           Anzahl              Prozent
      völlig unproblematisch               0                    0%                0                   0%
      eher unproblematisch                 2                    2.82 %            4                   5.63 %
      neutral                              9                    12.68 %           9                   12.68 %
      eher problematisch                   45                   63.38 %           42                  59.15 %
      sehr problematisch                   15                   21.13 %           12                  16.90 %
      keine Antwort                        0                    0%                4                   5.63 %
      Gesamt                               71                   100.00 %          71                  100,00 %

     Quelle: Eigene Datenerhebung, eigene Berechnung.

     Von den 71 Landkreisen kommen 63 (88,73 %) zu                Als Ursachen genannt wurden häufig vor Ort kaum
     der Gesamteinschätzung, dass für ihren Landkreis in          oder gar nicht beeinflussbare Faktoren wie die demo-
     jedem Fall oder in Teilen von einem drohenden bzw.           grafische Entwicklung und die in vielen Regionen fak-
     existierenden Pflegenotstand gesprochen werden muss.         tische Vollbeschäftigung mit der damit verbundenen
     Dieser Pflegenotstand drückt sich nach den Antworten         Konkurrenz der Pflege- und Gesundheitsberufe mit
     auf die offene Nachfrage nicht nur durch den allge-          anderen Berufsfeldern. Der daraus resultierende Fach-
     genwärtigen Fachkräfte- und Auszubildendenmangel             kräftemangel wird vielfach auch auf das schlechte
     aus, sondern auch konkret durch Stilllegung von Pfle-        Image der Pflege bzw. des Berufs zurückgeführt. Die
     geplätzen und Schließung ganzer Pflegeabteilungen im         immer häufiger entstehenden Lücken in der Personal-
     stationären Bereich sowie des Aufnahmestopps weite-          deckung führen zu einem Teufelskreislauf, bei dem die
     rer Pflegebedürftiger oder Schließung ganzer Touren          Dienstpläne immer seltener eingehalten werden kön-
     durch ambulante Pflegedienste.                               nen, was wiederum zu einer höheren Frustration bzw.

10
Aktuell

der bereits genannten Unattraktivität führt. Die ver-     nehmender Vollerwerbstätigkeit (insbesondere von
gleichsweise schlechte Bezahlung von Pflegekräften        Frauen).
wird nur insoweit als Argument angeführt, als Zusatz-
dienste schlecht vergütet werden (können). Als ins-       Eine wesentliche Ursache für diese pessimistische Ein-
gesamt problematisch wird auch die Innovations-           schätzung dürfte das von den Landkreisen zu 80,28 %
feindlichkeit des Pflegesystems insgesamt angespro-       als eher oder völlig unzureichende Angebot an Kurz-
chen.                                                     zeit-, Tages- bzw. Nachtpflegeplätzen zur Entlastung
                                                          pflegender Angehöriger anzusehen sein. Als wichtigste
Auf die Führungskräfte kommt es an!                       Unterstützungsangebote wurde neben dem Ausbau
                                                          dieser Plätze Informations-, Beratungs- und Schu-
In der Umfrage wurde auch nach den Anforderungen          lungsangebote für pflegende Angehörige, verbesserte
an die Führungskräfte in der Langzeitpflege gefragt       Maßnahmen zur Vereinbarung von Angehörigenpflege
und wie diese erfolgreich gemeistert werden können.       und Beruf (Anrechnung von Pflegezeiten, flexible
Die Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen.       Arbeitszeiten usw.), die Unterstützung, Betreuung und
                                                          Entlastung in der Pflegesituation durch mehr Ehren-
Wie in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt stellen   amt (Besuchsdienste usw.) und professionelle haus-
die gesellschaftlichen Entwicklungen wie Demografie,      haltsnahe Dienstleistungen, der weitere Ausbau von
Digitalisierung und Wertewandel (Stichwort Arbeits-       alternativen Wohn- und Betreuungsformen (ambulant
welt 4.0) die Führungskräfte von Pflegediensten und       betreute Wohngemeinschaften, unterstütztes Senioren-
-heimen vor neue Herausforderungen. Mit Blick auf         wohnen usw.) sowie besondere Unterstützung bei der
den immer stärker werdenden Fachkräfte- und Auszu-        aufopfernden Pflege von demenzkranken Angehörigen
bildendenmangel wird es für die Einrichtungen in          genannt.
hohem Maße auf die Steigerung der Arbeitgeberattrak-
tivität (in einem schwierigen Umfeld) ankommen, um        Stationäre Versorgung
am Markt bestehen zu können. Die Arbeitgeberattrak-
tivität hängt in hohem Maße von der Mitarbeiter-          Auf die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetz-
motivation und diese wiederum von der Führungs-           lichen Vorgabe zur Sicherung der Qualität in der
qualität der Leitungen ab. Das notwendige Maß an          stationären Versorgung wurde diese von den antwor-
Führungskompetenz kann nicht allein über eine             tenden Landkreisen dem Grunde nach geteilt. Die
Akademisierung neuer Führungskräfte gewonnen wer-         Sinnhaftigkeit der Vorgabe einer letztlich willkürlichen
den, sondern muss auch in einem deutlichen Ausbau         Zahl von Fachkräften nach einem festen Anteilswert
der Fort- und Weiterbildung der bereits tätigen Lei-      wird allerdings stark bezweifelt bzw. der schlichte Zu-
tungen bestehen. Dazu fehlt es aber häufig an den         sammenhang zwischen Fachkraftquote als allein aus-
notwendigen Rahmenbedingungen bzw. auch der Ein-          schlaggebender Faktor für die Pflegequalität kritisiert.
sicht der Träger.                                         Gefordert wird vor allem eine Flexibilisierung der
                                                          Quote insbesondere in Abhängigkeit von fachlichen
Ambulante Versorgung                                      Konzeptionen zur Sicherung der Ergebnisqualität
                                                          und/oder einer weitergehenden Differenzierung der
Bei der ambulanten Versorgung gehen die Landkreise        verschiedenen Gruppen von Pflegefach- und -hilfskräf-
davon aus, dass sich der bislang hohe Anteil der Ange-    ten sowie weiteren pflegenahen Berufsgruppen (z.B.
hörigenpflege von derzeit etwas mehr als 70 % in den      Therapeuten, Qualitätsbeauftragte) und der interdis-
kommenden Jahren deutlich verschlechtern wird.            ziplinären Zusammenarbeit.
Zwar hält eine Gruppe von antwortenden Landkreisen
eine zunehmende Sicherstellungsverantwortung der          Auf die Frage nach der im Koalitionsvertrag von CSU
Angehörigen aufgrund des Fachkräftemangels für un-        und Freien Wählern versprochenen Pflegeplatzgarantie
ausweichlich und fordert einen weiteren Ausbau sowie      ist darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Landkreis-
eine Stärkung der Angehörigenpflege bzw. der Ange-        tag bereits Anfang des Jahres eine Heranziehung der
hörigen selbst für unausweichlich. Jedoch sieht eine      Landkreise und kreisfreien Städte zu einer Sicherstel-
andere Gruppe diese Notwendigkeit, verweist aber          lungsverpflichtung für Pflegeplätze strikt abgelehnt
gleichzeitig darauf, dass die Angehörigenpflege immer     hat. In der aktuellen Situation, in der aufgrund des
schwerer zu leisten sein wird angesichts veränderter      Mangels an Pflegefachkräften bereits in einigen Regio-
Familienstrukturen, zunehmender Mobilität und zu-         nen von einem Pflegenotstand gesprochen werden

                                                                                                                     11
Aktuell

     muss, würde hier von den Kommunen praktisch Un-            Möglichkeiten der Umsetzung eines neuen Geschäfts-
     mögliches verlangt. Zudem würde die Umsetzung              modells der ambulanten Leistungserbringung durch
     einer solchen Sicherstellungsverpflichtung wegen der       dezentrale Pflegeteams diskutiert – angelehnt an das
     beschränkten örtlichen Zuständigkeit der Landkreise        Modell Buurtzorg aus den Niederlanden (vgl. etwa
     und der geringen Steuerbarkeit des teilliberalisierten     Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 12/2018,
     Pflegemarktes einen erheblichen Verwaltungsmehrauf-        S. 595-602; 1/2019, S. 31-37). In diesem Modell wer-
     wand auslösen.                                             den häusliche Krankenpflege und häusliche Pflege, Be-
                                                                treuung und Beratung, Fallmanagement und
     Vorschläge für Gegenmaßnahmen                              Entwicklung der sorgenden Gemeinschaft von selb-
                                                                ständig organisierten Teams von zehn bis zwölf Pfle-
     Für eine Verhinderung der Unterversorgung in der           gefachkräften aus einer Hand geleistet, als Prozess
     Pflege wurde eine grundlegende Reform der sozialen         dauerhaft begleitet und über einen einheitlichen Stun-
     Pflegeversicherung am häufigsten genannt. Insbeson-        densatz abgerechnet. Das Modell ist wegen der ande-
     dere die bessere Finanzierung der Langzeitpflege ins-      ren Fachkraftausbildung und den getrennten
     gesamt und der Ausbau der sozialen Pflegeversicherung      Leistungsgesetzen SGB V und XI nicht 1:1 auf
     als Vollversicherung bzw. der sog. Sockel-Spitze-Tausch    Deutschland übertragbar. Verschiedene Akteure bemü-
     wurden als unausweichlich angesehen. Nicht gemeint         hen sich jedoch darum, zumindest vergleichbare Struk-
     ist damit aber der mit dem Angehörigen-Entlastungs-        turen im Rahmen der geltenden Bestimmungen zu
     gesetz verfolgte Ansatz der Aufgabe des Nachrang-          entwickeln.
     grundsatzes in der Sozialhilfe bei der Hilfe zur Pflege.
     Dieser stellt zwar die Angehörigen von Pflegebedürf-
     tigen mit weniger als 100.000 Euro Einkommen
     finanziell besser – was für sich genommen sicher zu be-
     grüßen wäre –, belässt es aber bei der Unterfinanzie-
     rung der Pflegeleistungen. Statt das System der
     Langzeitpflege zu verbessern, beschreitet die Politik
     den vermeintlich einfacheren Weg der Kompensation
     der Belastungen bei den von den Unterhaltspflichtigen
     zu übernehmenden Eigenanteilen, was zu Lasten der
     kommunalen Haushalte geht, zu sozialen Ungerech-
     tigkeiten führt sowie den Einweisungsdruck auf die
     Pflegeheime verstärkt und das bei bestehendem Fach-
     kräftemangel.

     Daneben wurde die Aufgabe der Sektorengrenzen zwi-
     schen ambulant und stationär sowie die bessere Ver-
     zahnung zwischen häuslicher Krankenpflege (§ 37
     SGB V) und häuslicher Pflegehilfe (§ 36 SGB XI) bei
     der Leistungserbringung und -vergütung gefordert.
     Für geradezu unausweichlich mit Blick auf die Attrak-
     tivität des Pflegeberufes wird die Zusammenführung
     der Pflege nach SGB V und XI sowie die Delegation
     ärztlicher Leistungen auf Pflegefachkräfte angesehen
     (Stichwort „Gemeindeschwester“). Das neue Verständ-
     nis von insbesondere ambulanter Pflege müsse sich
     auch in neuen Geschäftsmodellen und Organisations-
     formen ausdrücken.
     Die Antworten bestätigen die Notwendigkeit, Pflege
     insgesamt, aber besonders im ländlichen Raum neu zu
     denken. Zwischen verschiedenen Kassenverbänden,
     dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
     sowie dem Landkreistag wird seit geraumer Zeit über

12
Aktuell

                   Poolbildung bei Schulbegleitung

                                                         Als Gründe für die Steigerungen werden der gesell-
                                                         schaftliche Wandel von immer auffälligeren Kindern
                                                         und überforderten Eltern, Lehrkräften sowie Schulen
                                                         allgemein genannt.

                      Von Sabine Ahlers-Reimann,         Früher waren es überwiegend Kinder und Jugendliche
                      Referentin für Kinder- und         mit Autismus, die eine Schulbegleitung erhielten.
                      Jugendhilfe, Ausländer und         Heute sind es zusätzlich Kinder mit einer ADHS-
                      Integration                        Diagnose oder Kinder mit diversen psychosozialen
                                                         Auffälligkeiten.

                                                         Gleichzeitig werden betroffene Eltern durch unsere
                                                         Gesellschaft häufig so beeinflusst, dass sie zunehmend
Die Anzahl von Anträgen und Bewilligungen für            meinen, ihr Kind sei nur in einer Regelschule „inklu-
Schulbegleitungen in der Kinder- und Jugendhilfe ist     diert“. Das auch für Deutschland verbindliche Ziel des
in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.      Art. 24 Behindertenrechtskonvention der Vereinten
Nicht immer erschließt sich die Sinnhaftigkeit von       Nationen (UN-BRK), wonach alle Schüler – unabhän-
mehreren Schulbegleitern innerhalb einer Klasse oder     gig von ihren Fähigkeiten – am Unterricht teilnehmen
Schule, nur weil Eltern fest erwarten, dass sie einen    können und der Schulbesuch in der Regelschule der
Rechtsanspruch auf einen Einzelschulbegleiter für ihr    Normalfall sein sollte, bestärkt sie darin. Das Ziel ist
Kind hätten. Die Jugendämter hinterfragen häufig ihre    absolut erstrebenswert; es wird aber allzu oft in der Pra-
Steuerungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Mit dem       xis vergessen, dass das System Schule an sich diesen
Inkrafttreten von § 112 Abs. 4 SGB IX zum 1.1.2020       inklusiven Bildungsauftrag erhalten hat. Eingliede-
wird ihnen ganz konkret die Möglichkeit der Poolbil-     rungshilfe würde in einem funktionierenden inklusi-
dung, also der Bündelung und personellen Zusam-          ven Bildungssystem die Ausnahme sein. Zu diesem
menführung dieses individuellen Leistungsanspruchs,      inklusiven Verständnis gehören aber auch Förderschu-
zur Verfügung gestellt. Der Ausschuss für Gesundheit     len. Durch eine spezifische Förderung im jungen Alter
und Soziales beim Bayerischen Landkreistag hat zu die-   sollten die Förderschulen gerade auf ein inklusives
ser Thematik informiert.                                 Leben des Betroffenen am besten vorbereiten können.
                                                         Doppelt überraschend ist daher auch die Steigerungs-
Schulbegleitung als ambulante Form der Eingliede-        rate von Schulbegleitungen an Förderschulen; diese
rungshilfe erfolgt auf Grundlage des § 35a SGB VIII      wird häufig mit Personalüberforderungen und -mangel
in der jugendhilferechtlichen Zuständigkeit bzw. auf     erklärt.
Grundlage des § 54 SGB XII in der sozialrechtlichen
Zuständigkeit, um eine angemessene Schulausbildung       Einhergehend sind erhebliche Kostensteigerungen für
für jedes Kind zu erreichen.                             Schulbegleitungen nach § 35a SGB VIII (bzw. §§ 27
                                                         ff. SGB VIII) auf kommunaler Seite.
Die Zahl der Schulbegleitungen nach § 35a SGB VIII
für Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert       1. Schulbegleitungspools
bzw. von einer solchen Behinderung bedroht sind,
nehmen gemäß den Auswertungen einer zuletzt im           Eine Idee, mit der die Anzahl der tatsächlich eingesetz-
Frühjahr 2018 vom Bayerischen Landkreistag und           ten Schulbegleiter reduziert werden könnte, ist die
Städtetag durchgeführten Umfrage kontinuierlich zu       Bildung von Pools. Bereits nach dem aktuellen Leis-
(siehe Tabelle). Von stetig steigenden Unterstützungs-   tungsrecht ist dies möglich, denn der Anspruch auf
bedarfen durch Schulbegleiter berichten auch die Be-     Schulbegleitung besteht nur nach den Erfordernissen
zirke für die geistig und/oder körperlich behinderten    der Teilhabebeeinträchtigung. Gemäß dem Wunsch-
Kinder und Jugendlichen.                                 und Wahlrecht der Leistungsberechtigten wird der An-

                                                                                                                      13
Aktuell

     spruch aus § 35a SGB III häufig aber als Einzelan-         Schulbegleiter wirkt sich eine Stundenänderung oder
     spruch realisiert.                                         Hilfebeendigung bezüglich eines Kindes z.B. nicht
                                                                mehr „existenzbedrohend“ aus; der betroffene Schüler
     Ab dem 1.1.2020 wird die gemeinsame Inanspruch-            und die Eltern sollten es als Chance einer schnelleren
     nahme von Leistungen zur Teilhabe an Bildung in            Selbststärkung und Verselbständigung sehen; Schullei-
     § 112 Abs. 4 SGB IX gesetzlich verankert. Die Vor-         tung und Lehrer müssen dadurch verstärkt aufgefor-
     schrift lautet: „Die in der Schule oder Hochschule         dert sein, eine alltagstaugliche inklusive Konzeption
     wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und          der Schule und der jeweiligen Klassen aufzustellen; das
     Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte          Jugendamt passt damit regelmäßig seinen Hilfeplan
     gemeinsam erbracht werden, soweit dies für die Leis-       ggf. Teilhabeplan auf die erforderlichen Bedürfnisse an.
     tungsberechtigten zumutbar ist und mit den Leis-
     tungserbringern entsprechende Vereinbarungen beste-        In dieselbe Richtung geht die kürzlich erschiene Ori-
     hen. Die Leistungen nach Satz 1 sind auf Wunsch der        entierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer
     Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen.“ § 35a       Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools,
     Abs. 3 SGB VIII wird mit Wirkung ab 1.1.2020 einen         beschlossen von der Bundesarbeitsgemeinschaft der
     Verweis auf diese Vorschrift enthalten. Erstmalig gilt     überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie Deutscher
     aber nicht nur, dass die Wünsche des Leistungsberech-      Städtetag und Deutscher Landkreistag, Juni 2019.
     tigten bei der Gestaltung der Leistung ausschlag-
     gebend sind, sondern über einen Verweis in den ab          2. Steuerung durch eigenes Schulbegleitungs-
     1.1.2020 geltenden § 104 Abs. 2 Satz 2 SGB IX darf         personal
     der Leistungsträger eine gewünschte Maßnahme
     wegen Mehrkostenbelastung ablehnen, wenn der Be-           Zu einer weiteren Art der Steuerung haben sich dieje-
     darf nach der Besonderheit des Einzelfalls auch durch      nigen Jugendämter entschieden, die (auch) eigenes
     eine vergleichbare Leistung gedeckt werden kann. Hier      Personal für die Aufgabe der Schulbegleitung einstel-
     werden die Ausführungen im Hilfeplan bzw. Teilhabe-        len. Dabei wird regelmäßig keine besondere pädago-
     plan sowie die schulische Situation vor Ort entschei-      gische Berufsausrichtung für notwendig erachtet;
     dende Aussagen treffen müssen.                             vielmehr ist eine allgemein erfahrene Persönlichkeit be-
                                                                deutsam. Durch Schulungen und Fortbildungen kön-
     Auch die Fachebene der Kinder- und Jugendhilfe steht       nen sich die Schulbegleiter weitere Spezialkenntnisse
     der Poolbildung positiv gegenüber: Ein Schulbegleiter      (z.B. im sonderpädagogischen oder medizinischen Be-
     ist für den betroffenen Schüler oftmals weniger stig-      reich) aneignen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass
     matisierend. Für die restliche Klasse ist die Anwesen-     diese Schulbegleiter im Vergleich zu anderen Leis-
     heit eines einzigen Schulbegleiters weniger auffällig      tungserbringern ihre Aufgabe stärker in Richtung
     und behindert daher nicht das effektive Lernen. Auch       Selbststärkung des seelisch behinderten Schülers wahr-
     arbeitstechnisch ist für den Schulbegleiter ein sinnvol-   nehmen und damit die Eingliederungshilfe mit dem
     lerer Einsatz möglich: z.B. wenn ein Kind in der ersten    vornehmlichen Charakter der Rehabilitation eher be-
     Stunde (Sport) und in der vierten Stunde (Handarbeit)      endet werden kann.
     Unterstützung benötigt, kann sich der Schulbegleiter
     in der Zwischenzeit um ein weiteres Kind kümmern.          3. Systemische Lösung in der Finanzierungsverant-
     Die Mehrzahl der behinderten Schüler benötigt keine        wortung des Freistaates Bayern
     Vollzeitbegleitung. Poolings könnten u.U. auch ein all-
     mähliches Reduzieren von Stunden bis zu einem Aus-         Auch wenn sich in Zukunft u.U. breitere Gestaltungs-
     schleichen aus der Hilfe bei einer eingetretenen           möglichkeiten beim Einsatz von Schulbegleitern für
     Besserung in Bezug auf einen einzelnen Schüler er-         die Kinder- und Jugendhilfe ergeben, muss unsere
     leichtern.                                                 vorrangige Forderung weiterhin sein, ein inklusives
                                                                Schulsystem möglichst ohne den Einsatz von Einglie-
     Voraussetzung ist eine gut funktionierende Koordina-       derungshilfen zu realisieren. Die gesetzliche und vor-
     tion aller beteiligten Akteure, angefangen vom Schul-      rangige Aufgabe der Schule dazu steht in prominenten
     begleiter, dem Schüler, den Eltern, den Lehrkräften,       Vorschriften wie Art. 24 UN-BRK, Art. 131 der Baye-
     der Schulleitung, des Jugendamtes sowie des ggf.           rischen Verfassung und Art. 1 des Bayerischen Gesetzes
     externen Leistungserbringers. Wichtig ist, dass alle       über Erziehung- und Unterrichtswesen (BayEUG).
     Akteure das Pooling als Chance begreifen: Für den

14
Aktuell

Auf mittlere Sicht werden die fachlich sinnvollsten und                                          Der Ausschuss für Gesundheit und Soziales beim
zugleich realistischen Lösungen in multiprofessionellen                                          Bayerischen Landkreistag hat daher in seiner Sitzung
Teams (Lehrer, Sonderpädagoge, Schulbegleiter, bei                                               vom 14.10.2019 bekräftigt, dass ein inklusives Bil-
Ganztag zusätzlich Erzieher) liegen; diese sollten aber                                          dungssystem in der inhaltlichen und finanziellen Ver-
von vornherein in der Schule verortet sein und auf-                                              antwortung des Systems Schule liegt und eine
grund ihres Verantwortungsbereichs auch dort finan-                                              Beschulung im Idealfall ohne Schulbegleiter gewähr-
ziert werden. Einer entsprechenden Resolution des                                                leistet sein sollte. Solange der Eingliederungsbedarf
Bayerischen Bezirketags hatten sich Bayerischer Land-                                            eines behinderten (oder von Behinderung bedrohten)
kreistag und Städtetag bereits im Jahre 2014 ange-                                               Kindes oder Jugendlichen nur mit Hilfe eines Schul-
schlossen. Bisher sind die Kommunalen Spitzenver-                                                begleiters gedeckt werden kann, sollten sich alle am
bände bei den Kosten der Schulbegleitung nur auf die                                             Teilplanungsprozess Beteiligten nach Möglichkeit für
Verhandlungen des kommunalen Finanzausgleichs                                                    eine Poollösung einsetzen; dies allein schon im inte-
verwiesen worden.                                                                                grativen Interesse des Betroffenen.

                       Anzahl                                Ausgaben              Anzahl                              Ausgaben            Anzahl                               Ausgaben
Name
                  Schulbegleitungen                       Schulbegleitung     Schulbegleitunge                      Schulbegleitung    Schulbegleitung                       Schulbegleitung
Landkreis/Stadt
                        2015                                   2015                n 2016                                2016               2017                                  2017
                     in Regelschulen   in Förderschulen                        in Regelschulen   in Förderschulen                       in Regelschulen   in Förderschulen
Oberbayern                       684                203         10.515.761                 783                257         13.984.299                889                284        16.192.871
Niederbayern                      81                 47          1.642.121                 109                 59          2.694.515                126                 69         2.925.123
Oberpfalz                        180                 92          5.091.511                 218                106          5.965.653                240                118         6.494.792
Oberfranken                       70                 16          1.323.372                  75                 20          1.575.831                 31                 36         1.650.120
Mittelfranken                    153                 51          3.606.032                 185                 54          4.792.619                248                 65         5.815.071
Unterfranken                      96                 42          1.765.025                 115                 54          2.139.787                127                 67         2.539.950
Schwaben                         160                 70          3.306.226                 193                 82          4.098.317                237                 94         5.142.737
gesamt                         1.424               521           27.250.047              1.678               632          35.251.021              1.898               733          40.760.664

                    Kommunaler Finanzausgleich 2020:
                    Wenig Spielräume trotz Rekordniveau
                                                                                                 genden Monaten wenige Spielräume für brennende
                                                                                                 Themen der Kommunen vorhanden.

                                                                                                 Die darin enthaltenen reinen Landesleistungen steigen
                                                                                                 um 5,9 % bzw. 553,9 Mio. € auf 9,93 Mrd. €. Der
                                                                                                 höhere Anstieg bei den Landesleistungen im Verhältnis
                                  Von Emil Schneider, Referent für                               zu den Finanzausgleichsleistungen insgesamt ist u.a.
                                  Finanzen und Haushaltsrecht beim                               dadurch bedingt, dass ehemalige Entflechtungsmittel
                                  Bayerischen Landkreistag                                       des Bundes in Höhe von 196,135 Mio. € nach Aus-
                                                                                                 laufen der Bundesregelung nun vom Freistaat Bayern
                                                                                                 aus Landesmitteln finanziert werden (vgl. unten beim
Die vier Kommunalen Spitzenverbände haben sich am                                                Kfz-Steuerersatzverbund).
21. November mit dem Bayerischen Staatsminister der
Finanzen und für Heimat Albert Füracker, MdL, auf                                                Positiv hervorzuheben ist die Erhöhung der Schlüssel-
den kommunalen Finanzausgleich 2020 geeinigt. Zwar                                               zuweisungen um 150,3 Mio. €. Dieser Anstieg um
wurde mit 10,29 Mrd. € (+3,2 %) ein neues erfreuli-                                              3,85 % kommt insbesondere Gemeinden und Land-
ches Rekordniveau erreicht. Trotzdem waren anderer-                                              kreisen mit unterdurchschnittlicher Steuerkraft zugute.
seits wegen der sich tendenziell verschlechternden                                               Daneben ist es trotz herausfordernder Verhandlungs-
Finanzlage der Haushalte, wenig optimistischen Steu-                                             umstände gelungen, Schwerpunkte zu setzen. Dies gilt
erschätzungen des Finanzministeriums und den                                                     insbesondere für kommunale Baumaßnahmen und die
großen Investitionen des Freistaates in den zurücklie-                                           Aufstockung der Hochbaufördermittel (Art. 10 FAG)

                                                                                                                                                                                                15
Aktuell

     von 550 auf 600 Mio. €, die jedoch nicht aus staat-        lich bekannt, dass die Landkreise aus ihren Haushalten
     lichen Haushaltsmitteln, sondern durch die Um-             zu Lasten der Kreisumlage etwa 1.450 Stellen für die
     schichtung kommunaler Mittel finanziert werden. Die        Erfüllung staatlicher Aufgaben finanzieren. Der Frei-
     Kommunen gehen hier in Vorleistung und stärken             staat hatte darauf in einem ersten Schritt mit 70 neuen
     damit die erforderlichen Investitionen in Schulen und      Stellen in den Fachabteilungen in 2019 geantwortet
     Kindergärten.                                              und für 2020 weitere 70 Stellen zugesagt. Auch in den
                                                                Jahren 2021 und 2022 muss eine Fortsetzung folgen.
     Positiv ist auch, dass im Bereich des ÖPNV und der
     Kommunalstraßenförderung über 2019 hinaus trotz            Dem Rekordniveau des kommunalen Finanzausgleichs
     weggefallener Zweckbindung der Bundesmittel an der         2020 stehen Rekordausgaben im Sozialbereich gegen-
     Förderung der Kommunen in gleichem Umfang fest-            über. Durch das Bundesteilhabegesetz und das Ange-
     gehalten wird. Die Förderung der Verkehrsverbünde          hörigenentlastungsgesetz kommen auf die kommunale
     muss aber außerhalb des kommunalen Finanzaus-              Familie erhebliche Mehrbelastungen von mindestens
     gleichs erfolgen. Daneben ist für den Bereich ÖPNV-        150 Mio. € pro Jahr zu. Das Prinzip ‚Wer anschafft,
     und Straßenbauförderung ebenso wie bei der Kran-           der zahlt‘ muss auch hier gelten. Die Kommunen dür-
     kenhausförderung eine verlässliche Mittelfristplanung      fen mit diesen Mehrbelastungen nicht alleine gelassen
     notwendig.                                                 werden!

     Eine der wichtigsten Forderungen des Bayerischen           Die Einigung steht unter dem Vorbehalt der Beschluss-
     Landkreistags außerhalb des kommunalen Finanzaus-          fassung durch den Ministerrat und den Bayerischen
     gleichs 2020 war die Aufstockung der Personalausstat-      Landtag.
     tung der Landratsämter. 2018 wurde erstmals öffent-

                      Ergebnisse der Bundeskommission
                      „Gleichwertige Lebensverhältnisse“
                       Expertengespräch mit Präsident Bernreiter in der
                                   Hanns-Seidel-Stiftung

     Rd. 10 Monate hat die von der Bundesregierung 2018         tische Grundsatzfragen, Bayerisches Staatsministerium
     eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhält-       für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie deut-
     nisse“ regionale Entwicklungen in ganz Deutschland         lich. Moderiert wurde die Runde von Prof. Dr.-Ing.
     analysiert, bis sie im Juli 2019 ihren Abschlussbericht    Holger Magel, Mitglied der Bayerischen Enquete-
     vorgelegt hat. Die Ergebnisse wurden Mitte November        Kommission.
     in einem Expertengespräch bei der Hanns-Seidel-Stif-
     tung in München bewertet. Die Positionen der Land-         Die Arbeit der Bundeskommission „Gleichwertige
     kreise vertrat der Präsident des Bayerischen Land-         Lebensverhältnisse“
     kreistags, Landrat Christian Bernreiter, im Namen des
     Deutschen Landkreistags gegenüber Dr. Michael              Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, hatte die Bun-
     Frehse, Leiter der Abteilung Heimat, Bundesministe-        desregierung die Kommission mit dem Ziel, Vor-
     rium des Innern, für Bau und Heimat, Dr. Stefan Köh-       schläge zur Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse
     ler, Erster Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen, Dr.   zu machen, ins Leben gerufen. In sechs Arbeitsgrup-
     Stefan Neumeier, stv. Vorsitzender Beirat für Thünen-      pen wurden unter dem Vorsitz des Bundesministeri-
     Institut für Ländliche Räume, Raumentwicklung beim         ums des Innern, für Bau und Heimat und unter dem
     BMI, und Bernhard Klein vom Referat Strukturpoli-          Co-Vorsitz des Bundesministeriums für Ernährung

16
Aktuell

und Landwirtschaft und des Bundesministeriums für                Regionen wird, weswegen man sie nicht abschalten
Familie, Senioren, Frauen und Jugend Handlungsemp-               darf. Wieder anschalten ist deutlich teurer.“
fehlungen mit Blick auf unterschiedliche regionale
Entwicklungen und den demografischen Wandel in                   Geld zielgerichtet nach vorne
Deutschland entwickelt. Schwerpunkte waren: „Kom-
munale Altschulden“, „Wirtschaft und Innovation“,               Dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags,
„Raumordnung und Statistik“, „Technische Infrastruk-            Landrat Christian Bernreiter, war in der Diskussion
tur“, „Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit“ sowie „Teil-         eines ganz besonders wichtig: „Die Mittel, die wir
habe und Zusammenhalt der Gesellschaft“.                        haben, müssen nach vorne gerichtet und nicht für die
                                                                Tilgung von Altschulden anderer verwendet werden.
Leben, wo man leben will                                        Wir sind solidarisch, aber nicht blöd.“ Bernreiter
                                                                sprach damit ein Thema an, das trotz einstimmiger Be-
Dr. Michael Frehse, Leiter der Abteilung Heimat, Bun-           schlüsse auf der Ebene des Deutschen Landkreistags
desministerium des Innern, für Bau und Heimat, gab              jüngst bundesweit Kontroversen ausgelöst hat, nach-
im Rahmen der Podiumsdiskussion bei der Hanns-Sei-              dem drei Bundesländer von den getroffenen Vereinba-
del-Stiftung Einblicke in die Arbeit der Bundeskom-             rungen abgerückt sind. Das Präsidium des Deutschen
mission. So habe man sich nicht mit philosophischen             Landkreistags, in dem alle Spitzen der Landkreistage
Grundlagen beschäftigt, sondern der Staat habe dafür            aus den jeweiligen Bundesländern vertreten sind, hatte
Sorge zu tragen, dass die Menschen dort leben könn-             sich geschlossen gegen die Übernahme kommunaler
ten, wo sie leben wollten. „Menschen sollen da leben,           Kassenkredite durch den Bund gestellt. „Das Thema
wo sie leben wollen. Das ist ihre Heimat. So ist der            Altschulden und überhöhte Kassenkredite muss von
Heimatbegriff. Daseinsvorsorge muss in der gesamten             den jeweiligen Ländern selbst bereinigt werden. Die
Bandbreite gesichert werden. Niemand darf abgehängt             Aufgabe ist klipp und klar. Verfassungsrechtlich sind
werden“, so Frehse. Am Beispiel des Emslandes erläu-            dafür die Länder zuständig. Zwischen Bund und Kom-
terte er, warum die Politik keine Entscheidungen über           munen gibt es keine Finanzbeziehung. Wenn der Bund
Standorte fällen sollte. Entgegen ungünstiger Rahmen-           die kommunalen Kassenkredite Einzelner übernimmt,
bedingungen in den 80ern habe sich der Landkreis zu             fehlt dieses Geld an anderer Stelle für Zukunftsinves-
einer heute blühenden Region in Niedersachsen ent-              titionen. Wenn eine Kommune gezwungen ist, sich
wickelt. „Man kann nicht genau wissen, was aus                  jahrelang über Kassenkredite zu finanzieren, zeigt das,

V.l.n.r.: Wolfgang-Günther Ewald, Bayerisches Agrarministerium, Präsident Christian Bernreiter, Bayerischer Landkreistag,
Prof. Dr.-Ing. Holger Magel, Mitglied der Bayerischen Enquete-Kommission, Dr. Michael Frehse, Bundesministerium des In-
nern, für Bau und Heimat, Dr. Stefan Köhler, Erster Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen, Dr. Stefan Neumeier, stv. Vor-
sitzender Beirat für Thünen-Institut für Ländliche Räume, Raumentwicklung beim BMI

                                                                                                                              17
Aktuell / Landrätetagung

     dass das jeweilige Bundesland den Kommunen dauer-           ßen ein Muss. Die Programme für den Breitbandaus-
     haft zu wenig Geld gegeben hat“, so Bernreiter. Auch        bau sollten verlängert werden. Ortskerne müssen revi-
     die Einforderung der Konnexität ist für den Bayeri-         talisiert werden, wenn wir schon überall vom
     schen Landkreistag zwingend. „Natürlich begrüßen            Flächenverbrauch sprechen. Und lassen Sie uns bei der
     wir jeden Vorstoß, der das Leben unserer Bürger ver-        Landwirtschaft ehrlich sein: Wir brauchen die Land-
     bessert. In Berlin werden aber immer wieder Wohl-           wirtschaft gerade auch beim Artenschutz und klat-
     taten beschlossen, für die die Kommunen dann                schen sie aktuell an die Wand. Was Europa nicht mehr
     aufkommen sollen. Dabei gilt nach der Konnexität            fördert, muss der Bund ausgleichen. Behördenverlage-
     klar: Wer anschafft, der hat auch zu bezahlen. Wenn         rungen sind auch für die Stimmung vor Ort wichtig.
     die Bundespolitik Beschlüsse trifft, welche unsere          Leute siedeln sich an. Wenn ich lesen muss, dass die
     Kommunen finanziell belasten, müssen sie auch für           Pendlerpauschale erst ab dem 21. Kilometer gilt, ist
     den finanziellen Ausgleich einstehen“, so Bernreiter,       das klar gegen die Menschen im ländlichen Raum ge-
     der sich dabei unter anderem auf das sogenannte             richtet. Bei uns ist man flexibel und fährt teilweise 100
     Angehörigen-Entlastungsgesetz bezog.                        Kilometer zur Arbeit. Infrastrukturprojekte und die
                                                                 bisherige Hardware brauchen eine weitere Förderung.
     Geld für Zukunftsinvestitionen                              Das sind die Investitionen der Zukunft.“

     Für den Präsidenten des Bayerischen Landkreistags ist       Im weiteren Verlauf wurden Themen wie die Woh-
     das Ausgeben von Geld für Zukunftsinvestitionen ent-        nungsnot, die Bodenbesteuerung, nicht-elektrifizierte
     scheidend. „Wir benötigen 5G bis zur letzten Milch-         Bahnstrecken, die Bedeutung von Regionalflughäfen
     kanne. Wenn wir autonom fahren wollen, sind diese           für die Wirtschaft vor Ort und viele weitere Fragen in
     ganzen Einrichtungen auch in unseren Dörfern drau-          die Diskussion um die Gleichwertigkeit eingebracht.

            Mehr von allem durch mehr Digitalisierung
     Am 23./24. Oktober fand die 51. Landrätetagung des          erspart, wenn Amtssachen vollständig elektronisch ein-
     Bayerischen Landkreistags in Bad Füssing statt. Im          gereicht und digital unterschrieben werden können.
     Mittelpunkt stand die Digitalisierung der kommuna-          Hier gibt es in der digitalen Welt nach wie vor erheb-
     len Daseinsvorsorge und damit die enormen Potenziale        liche Hürden. Denn der Gesetzgeber lässt nur ganz
     für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von         bestimmte technische Verfahren zu, mit denen die
     Stadt und Land. „Die Digitalisierung kann gute Ant-         eigenhändige Unterschrift elektronisch ersetzt werden
     worten auf viele kommunale Herausforderungen                kann. Im Fachjargon wird das Schriftformersatz ge-
     geben und sie kann – was entscheidend ist – die             nannt. Diese sind derzeit der neue Personalausweis und
     Lebensqualität in allen Landkreisen verbessern, sodass      De-Mail. Das Problem bei beiden Verfahren ist, dass
     jedermann profitiert“, so Landkreistagspräsident Chris-     sie auch Jahre nach ihrer Einführung noch weit davon
     tian Bernreiter, Landrat von Deggendorf, bei der            entfernt sind, von einer breiten Mehrheit genutzt bzw.
     Eröffnung.                                                  akzeptiert zu werden. Schriftformerfordernisse stellen
                                                                 damit eine wesentliche Hürde für die digitale Verwal-
     Neben der Bayerischen Staatsministerin für Digitales,       tung dar. Alleine im Verwaltungsrecht des Bundes wur-
     Judith Gerlach, MdL, die zu den Chancen und He-             den Anfang 2014 knapp 3.000 Schriftformerfor-
     rausforderungen des Digitalstandortes Bayern refe-          dernisse identifiziert, wovon nur 20 % als verzichtbar
     rierte, standen die digitale Bildung, die Digitalisierung   eingestuft worden sind. Für die Schaffung der entspre-
     der Medizin und des ÖPNV im Vordergrund.                    chenden Voraussetzungen ist der Bund zuständig. Der
                                                                 Bayerische Landkreistag will deswegen endlich seine
     Die Digitalisierung der Kommunalverwaltungen ist            Forderung umgesetzt sehen, neue Rechtsvorschriften
     bereits auf dem richtigen Weg, allerdings bleibt Unter-     gleich mit der Online-Brille zu gestalten. „Wir fordern
     nehmen und Bürgern der Weg zum Amt nur dann                 deswegen einen wirksamen E-Gov-TÜV, der neue

18
Sie können auch lesen