Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags - Bayerischer Landkreistag
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Landkreistag kompakt Mitteilungen des Bayerischen Landkreistags Bayerischer Landkreistag Ausgabe Nr. 4/2019 Am ersten Tag der Landrätetagung in Bad Füssing (v.l.n.r.): Geschäftsführer Dr. Johann Keller, Präsident Christian Bernreiter, Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach, MdL, der gastgebende Landrat Franz Meyer, Passau, Erster Bürgermeister Alois Brundobler, Bad Füssing Digitale Handlungsbedarfe und Zukunftsaussichten in den bayerischen Landkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 6 Mehr von allem durch mehr Digitalisierung – 51. Landrätetagung am 23./24. Oktober in Bad Füssing . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18 Präsidium des Bayerischen Landkreistags nimmt IHRA-Definition an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 22
Inhaltsverzeichnis Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Aktuell Digitale Handlungsbedarfe und Zukunftsaussichten in den bayerischen Land- kreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Neue Studie zum IT-Outsourcing für Kommunen veröffentlicht ........ 8 Die pflegerische Versorgung in der Langzeitbetreuung ................ 9 Poolbildung bei Schulbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kommunaler Finanzausgleich 2020: Wenig Spielräume trotz Rekordniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Ergebnisse der Bundeskommission Gleichwertige Lebensverhältnisse Expertengespräch mit Präsident Bernreiter in der Hanns-Seidel-Stiftung . 16 Landrätetagung Mehr von allem durch mehr Digitalisierung – 51. Landrätetagung am 23./24. Oktober in Bad Füssing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kampf gegen Antisemitismus Präsidium des Bayerischen Landkreistags nimmt IHRA-Definition an . . . 22 Direkt aus Brüssel Verbesserte EU-Vergabevorschriften, die Regionalität fördern . . . . . . . . . . 23 Integration und Inklusion Inklusiv, integrativ, innovativ – „Zukunftskonzept Chancengleichheit im Landkreis Kelheim“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Wörth-Wiesent im Landkreis Regensburg ist die erste Grundschule Bayerns mit KIWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Mitarbeiter des Landratsamtes Unterallgäu besonders für Inklusion sensibilisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Klimafreundliche Landkreise Klimaschutz seit jeher Top-Thema der bayerischen Landkreise . . . . . . . . . 30 Der Landkreis Deggendorf forstet Waldgrundstücke fürs Klima auf . . . . . 31 Die Zukunftsaktie des Landkreises München mit einer enkeltauglichen und klimaneutralen Dividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Landkreis Weilheim-Schongau schon seit 2010 mit Klimastrategie auf gutem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2
Inhaltsverzeichnis Achtsamkeit für Natur und Umwelt lernt man im Landkreis Aschaffenburg schon in der Kindergarten- und Schulzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Elektromobilität – Mehrwert für Wirtschaft und Umwelt im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Klimaschutz schmeckt im Landkreis Neu-Ulm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Landkreis Bamberg reduziert CO2-Emmissionen um rund 74 % . . . . . . . 45 Landkreis Schweinfurt erreicht dritten Platz der „Recyclingpapierfreund- lichsten Landkreise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Haus der bayerischen Landkreise Aktuelle Herausforderungen im Fokus beim Parlamentarischen Abend mit der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Stv. Geschäftsführer und Finanzreferent beim Bayerischen Landkreistag in den Ruhestand verabschiedet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Aus den Landkreisen Landkreis München startet erfolgreich seine „Corporate Social Responsibility“ (CSR) – Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Ein Ausrufezeichen in der Kliniken-Landschaft: Sechs Allgäuer Häuser schließen sich zum „Klinikverbund Allgäu“ zusammen . . . . . . . . . . . . . . . 54 „Mit Herz und Hand“ – Landkreis Hof dankt Ehrenamtlichen mit Song . 58 Er rollt und rollt und rollt: 55 Jahre Bücherbus im Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Landkreis Amberg-Sulzbach mit Deutschem lokalen Nachhaltigkeitspreis Impressum: ausgezeichnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Herausgeber: Bayerische Landesausstellung 2020 im Wittelsbacher Land . . . . . . . . . . . . 64 Bayerischer Landkreistag Kardinal-Döpfner-Straße 8 80333 München Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Telefon (089) 286615-0 Telefax (089) 282821 info@bay-landkreistag.de www.bay-landkreistag.de Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Johann Keller Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Landkreistags Sarah Honold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Europa Herstellung: Druckerei Schmerbeck GmbH Gutenbergstraße 12 84184 Tiefenbach 3
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, es ist fast geschafft. Weihnachten naht und damit heißt es für viele, sich für ein paar Tage oder wenigstens Stunden in die Geborgenheit mit seinen Lieben zu- rückziehen zu können. Telefonate, Termine und Nach- richten werden zu Gunsten der Familie an den Weihnachtstagen im idealen Fall zurückgestellt und man kann sich einmal von allem loslösen. Das übrige Jahr ist genau das Gegenteil gefragt. Betei- ligung und Mitwirkung sind das Lebenselixier unserer Demokratie. Intensive Auseinandersetzungen und Dis- kussionen gehören dazu. Zimperlich darf man nicht sein und muss auch etwas aushalten können, wenn viel Leidenschaft für eine Sache mit im Spiel ist und die Interessenlagen verschieden sind. Verrohung und Dro- Landrat Christian Bernreiter hungen haben dabei aber nichts zu suchen. Gewalt, Deggendorf persönliche Angriffe und Beleidigungen haben mit Präsident des Bayerischen Landkreistags Meinungsfreiheit nicht das Geringste zu tun. Für seine Sache zu kämpfen, ist das eine. Ein absolutes Verfolgen eigener Ziele ohne Rücksichtnahme auf die Persönlich- keitsrechte anderer und Hass sind dagegen niemals tolerierbar. Möglicherweise ist einiges, was wir erreicht haben, manchmal zu selbstverständlich. Unsere Wirtschaft und unsere Industrie haben viele gute Jahre hinter sich. Spitzenleistungen sind fast alltäglich. Wir haben uns an viele Dinge gewöhnt. Dadurch werden etliche Fra- gen und Forderungen nur noch in der Maximalform diskutiert. Der Blick ist fokussiert auf das, was einem selbst am Schutzwürdigsten und Förderfähigsten er- scheint. Gräben, Unzufriedenheit und Frustration sind so fast vorprogrammiert. Wie bei allen Themen, die nicht nur einige Einzelne, sondern alle betreffen, sind Schwerpunktsetzungen Dr. Johann Keller unterschiedlich. Für den einen ist es am wichtigsten, Geschäftsführendes Präsidialmitglied wie er für seine Eltern im Alter gut sorgen kann. Der des Bayerischen Landkreistags nächste ist froh, dass er einen verlässlichen Arbeitgeber gefunden hat, der ihm eine sichere Zukunftsplanung ermöglicht. Wieder einem anderen raubt der Klima- wandel schlaflose Nächte. Es gibt Menschen, denen es und wir gehen verschieden mit Dingen um. Das ist nicht gut geht, die Leid (er-)tragen und die ohne nicht als K.o.-Kriterium und Grund für Gesprächs- Zuversicht sind. Genauso gibt es Menschen, die vom abbrüche zu werten. Unterschiedliche Lebensmodelle Glück erfüllt sind und die viel Kraft haben. Sie alle erfordern unterschiedliche Prioritäten. Jeder kann sind Teil unserer Demokratie. etwas tun, aber nicht jeder wird das Gleiche tun. Die Politik kann lenken, zusammenführen und gestalten. Die Möglichkeiten, die Herausforderungen und die Letztendlich ist aber trotzdem auch jeder Einzelne ver- Lebenslagen sind heterogen. Wir sind anders betroffen antwortlich für die Welt, in der wir leben und für die 4
Editorial Art, wie wir dies miteinander tun. Es ist wichtig, dass Mit den Mitteln und Werkzeugen, die wir haben, das wir uns in die anderen hineinversetzen, dass wir Teil zu bewahren, was wir bis heute geschafft haben und haben, Teil nehmen und Teil haben lassen, auch wenn noch besser zu machen für diejenigen, die wir noch die eigenen Gedanken klar auf ein Ziel fokussiert sind. nicht erreichen, ist immer wieder eine Herausforde- Aus all unseren Taten folgen Konsequenzen. rung. Jede und jeder soll in unseren Landkreisen die gleiche Chance, etwas aus dem eigenen Leben zu Mit absoluten Forderungen werden Fronten aufgebaut machen, haben. Das geht nicht von heute auf morgen und es wird schwierig, aufeinander zuzugehen. Ganz und ist stark von den Umständen in der Welt abhän- zu schweigen davon, sich aufeinander verlassen zu kön- gig. nen. Genau das zählt aber nicht nur in der Politik und in der Wirtschaft, sondern auch im Privaten. Bevor wir uns alle mit hoch gekrempelten Ärmeln ins neue Jahr stürzen, sollten wir auch innehalten, um das Einander genau zuhören, sich mit einer Sache ausei- zu schätzen, was wir haben. Dazu zählen an vorderster nanderzusetzen und miteinander im Gespräch zu blei- Stelle alle Menschen, die uns nahe und das ganze Jahr ben, auch wenn man verschiedene Positionen vertritt, zur Seite stehen. Wir wünschen deswegen all Ihren Lie- ist nicht leicht. Respekt, Mut und Stärke zu zeigen, ist ben, Vertrauten, Wegbegleitern und Ihnen gesegnete anstrengend. Nach unserem ersten Bundespräsidenten Weihnachtstage und einen guten Start in 2020! ist Demokratie nie bequem. Und doch lohnt es sich, für sie aufzustehen. Ihr Ihr Christian Bernreiter Dr. Johann Keller 5
Aktuell Digitale Handlungsbedarfe und Zukunfts- aussichten in den bayerischen Landkreisen Monaten intensiv mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für die Landkreise aus- einandergesetzt. Gemeinsam mit sieben Landkreisen und der T-Systems, die sich u.a. im Rahmen des „Smart City“-Programms des Deutschen Städte- und Von Klaus Geiger, Referent für Or- Gemeindebunds bereits mit kommunalen Anforde- ganisation, Verwaltungsmoderni- rungen auseinandergesetzt hatte, wurden die Hand- sierung und digitale Verwaltung lungsfelder beim Bayerischen Landkreistag – Gesundheit und Soziales, – Innovation und Mittelstand 4.0, – Wohnen und Arbeiten, – Mobilität und Verkehr, – #5G DABEI, Die Digitalisierung bietet ein erhebliches Potenzial, – Grundversorgung und Zusammenhalt sowie um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in – Digitales Bauen Stadt und Land zu sichern und zu fördern. Somit ist näher beleuchtet. Dabei wurden in sieben Workshops sie ein Topthema der bayerischen Landkreise. Entspre- wesentliche Herausforderungen der Landkreise in die- chend stand sie daher auch im Mittelpunkt der dies- sen Handlungsfeldern identifiziert und darauf aufbau- jährigen Landrätetagung am 23./24.10.2019 im ende Handlungsbedarfe bzw. Visionen für zukünftige Landkreis Passau mit dem Motto „Mehr von allem Lösungen entwickelt. Die wesentlichen Handlungsbe- durch mehr Digitalisierung“. Der von Landrat Josef darfe in den Handlungsfeldern „Digitales Bauen“ und Niedermaier, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, „Mobilität und Verkehr“ sind nachfolgend exempla- geleitete Innovationsring hat sich in den letzten risch dargestellt: Abbildung 1: Wesentliche Handlungsbedarfe im Handlungsfeld „Digitales Bauen“ 6
Aktuell Abbildung 2: Wesentliche Handlungsbedarfe im Handlungsfeld „Mobilität und Verkehr“ Die Handlungsbedarfe aus diesen Vor-Ort-Workshops tonnen mit Chip, autonome Busse oder Anwendungen wurden bei der Landrätetagung am 24.10.2019 ge- in der Telemedizin. Neben der aktiven Gestaltung und meinsam diskutiert und priorisiert. Die Landrätinnen Begleitung der gemeinsam identifizierten und priori- und Landräte haben dabei auch die Gelegenheit ge- sierten Handlungsfelder, soll daher auch der gegensei- nutzt, ihre Ideen und Lösungsvorschläge zu den einzel- tige Informations- und Erfahrungsaustausch im nen Handlungsfeldern einzubringen. Die Ergebnisse Bereich der Digitalisierung weiter gestärkt werden. Auf aus der Landrätetagung werden im Innovationsring Initiative des Innovationsrings haben wir daher eine weiterverfolgt. neue Austauschplattform zur Digitalisierung in den Landkreisen eingerichtet: Darüber hinaus gibt es bereits jetzt zahlreiche Digita- lisierungsvorhaben in den Landkreisen, seien es Müll- Abbildung 3: Austauschplattform Digitalisierung 7
Aktuell Die Austauschplattform wurde in das soziale Netzwerk Landkreise sind mit der Austauschplattform herzlich des Bayerischen Landkreistags für die Landratsämter dazu eingeladen, sich dort aktiv einzubringen und sich (Landkreisnetz) integriert, um in diesem „geschützten über Praxisbeispiele, Herausforderungen und Chancen Raum“ einen offenen Informations- und Erfahrungs- der Digitalisierung in den einzelnen Handlungsfeldern austausch zu ermöglichen. Das Landkreisnetz steht zu informieren. den Landkreisen bereits seit Mitte 2017 kostenlos zur Verfügung und wird derzeit von über 3.000 Mitarbei- Wir freuen uns auf einen aktiven Austausch, um die terinnen und Mitarbeitern aus den Landratsämtern ge- Digitalisierung in den Landkreisen gemeinsam voran- nutzt; die Nutzerzahlen haben sich damit seit der zubringen! bayernweiten Einführung nahezu verzehnfacht. Die Neue Studie zum IT-Outsourcing für Kommunen veröffentlicht Cloud Computing steht als Kurzformel für den durch- Die 2. Auflage der Studie samt Praxisleitfaden ist kos- greifenden Trend, IT-Outsourcing an die neuen tech- tenlos abrufbar unter nischen Möglichkeiten in verteilten Netzen und an https://www.bay-innovationsstiftung.de/projekte/. neue maßgeschneiderte Geschäftsmodelle anzupassen. Dieser Trend hat auch die öffentliche Verwaltung er- reicht. Die Innovationsstiftung hat daher bereits 2013 Über die Innovationsstiftung Bayerische die erste Fassung der Studie „Sicheres IT-Outsourcing Kommune: für Kommunen“ unter der Leitung von Professor Dr. Dirk Heckmann erstellt. Gemeinsam mit Wissen- Die Innovationsstiftung Bayerische Kommune schaftlern der Zeppelin Universität Friedrichshafen wurde 2010 als gemeinnützige Stiftung des öf- wurden damals die rechtlichen, technischen, organisa- fentlichen Rechts durch die vier bayerischen torischen und ökonomischen Aspekte des kommuna- Kommunalen Spitzenverbände und die Anstalt len Cloud Computing erforscht. Diese Erkenntnisse für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern sind unmittelbar in eine Begleitstudie und den daraus (AKDB) gegründet und fördert innovative IT- hervorgegangenen Praxisleitfaden eingeflossen. Projekte und Forschungsvorhaben im kommu- nalen Bereich. Durch ihre Arbeit beabsichtigt Ende November 2019 hat die Innovationsstiftung die Stiftung, die Modernisierung der Kommu- Bayerische Kommune die 2. Auflage von Studie und nalverwaltung zu unterstützen und damit auch Praxisleitfaden veröffentlicht. Diese wurde nicht zu- für die Bürger einen Mehrwert zu schaffen. letzt deshalb notwendig, weil mit der Geltung der Da- Sämtliche Projektergebnisse werden den baye- tenschutzgrundverordnung seit dem 25.05.2018 eine rischen Kommunen kostenfrei zur Verfügung neue Rechtslage im Datenschutzrecht zu beachten ist. gestellt und können über Daneben wurden für die Neuauflage viele weitere www.bay-innovationsstiftung.de Neuerungen aus den letzten sechs Jahren berücksich- abgerufen werden. tigt. Der Praxisleitfaden „Sicheres IT-Outsourcing für Kommunen“ dient einer schnellen Orientierung und legt Wert auf eine verständliche Darstellung. Der Pra- (Innovationsstiftung Bayerische Kommune) xisleitfaden wird durch eine stärker juristisch geprägte Begleitstudie ergänzt, die als „Langfassung“ zahlreiche Details und Hinweise für die Kommunen enthält. Bei- des zusammen genommen soll dazu beitragen, dass sich rechtskonforme kommunale Cloud Lösungen etablieren können. 8
Aktuell Die pflegerische Versorgung in der Langzeitbetreuung Stellungnahme des Bayerischen Landkreistags zur Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Pflege am 26. November 2019 im Landtag leisten. Nach § 9 SGB XI schließlich sind die Länder verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähi- gen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Von Dr. Klaus Schulenburg, Der Freistaat Bayern hat seine Regelungskompetenz zu Referent für Soziales, Gesundheit einem Ausführungsgesetz dahingehend genutzt, dass und Krankenhauswesen beim er die kreisfreien Gemeinden und die Landkreise nach Bayerischen Landkreistag den Art. 71 ff. AGSG verpflichtet hat, auf die Vorhal- tung bedarfsgerechter Strukturen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege hinzuwirken. Zu die- Vorbemerkung sem Zweck haben sie nach Art. 69 AGSG eine Pflege- bedarfsplanung im Rahmen eines seniorenpolitischen Der Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Bayeri- Gesamtkonzepts zu erarbeiten. Die Landkreise haben schen Landtag hat am 26. November 2019 eine Sach- jedoch weder rechtliche Instrumentarien noch prakti- verständigenanhörung zur Situation der Langzeitpflege sche Möglichkeiten, um das Marktgeschehen im Pfle- in Bayern durchgeführt. Um ein möglichst breites und gebereich wirksam beeinflussen zu können. Faktisch belastbares Stimmungsbild für seine Mitglieder abge- erschöpfen sich daher ihre Einflussmöglichkeiten im ben zu können, hat der Bayerische Landkreistag den Rahmen ihrer Hinwirkungsverpflichtung auf Informa- Fragenkatalog zur Ausschussanhörung in eine Online- tion und Beratung der Träger sowie ggf. auf finanzielle Umfrage umgewandelt. Aufgrund der Beteiligung aller Anreize. Gleichzeitig sind nicht wenige Landkreise in Landkreise und der weitgehend einheitlichen Antwor- Bayern (25) selbst mittelbar (z.B. über ihr jeweiliges ten kann zusammenfassend festgestellt werden, dass Krankenhausunternehmen) oder unmittelbar Träger die Versorgung in der Langzeitpflege in zahlreichen von Alten- bzw. Pflegeheimen. Daneben sind die Regionen Bayerns nicht mehr sichergestellt werden Landratsämter Vollzugsebene für das Pflege- und kann. Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG). Zuständigkeiten der Landkreise im Bereich der Fragen zu „Ausgangssituation, Analyse und Prog- Langzeitpflege nose“ Die Verantwortlichkeiten sind durch die Bestimmun- Die Entwicklung des Fachkräftemangels in der Pflege gen im Sozialgesetzbuch – Elfter Teil – Soziale Pflege- in Bayern wird von 94,37 % der antwortenden 71 versicherung (SGB XI) vermischt, woraus sich He- Landkreise als sehr oder eher problematisch beurteilt. rausforderungen ergeben. Der Sicherstellungsauftrag Da lediglich 5,63 % mit „neutral“ antworteten, aber zur pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten obliegt kein Landkreis mit eher oder völlig unproblematisch, in erster Linie den Pflegekassen (§§ 12, 69 SGB XI). muss der Fachkräftemangel in der Pflege aus der Sicht Ungeachtet dessen appelliert § 8 SGB XI an die ge- der Landkreise als flächendeckendes Problem angese- samtgesellschaftliche Verantwortung für die pflegeri- hen werden. Aufgrund des altersbedingten Ausschei- sche Versorgung und verpflichtet alle Akteure, eine dens der Fachkräfte gehen zudem 94 % der Landkreise aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre von einer weiteren Zunahme des Fachkräftemangels pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewähr- aus. 9
Aktuell Nach Einschätzung der Landkreise wird die bereits Werbemaßnahmen in Schulen sowie auf Ausbildungs- entstandene Fachkräftelücke kurzfristig auch nicht messen zur strukturierten Anbahnung von Fachkräf- durch Zuwanderung oder Ausbildung geschlossen teausbildung über Girls/Boys Day, Freiwilliges Soziales werden können, trotz aller entsprechenden Bemühun- Jahr, Schnupperpraktika und Stärkung der Helferbe- gen. Teilweise werden auf die generalistische Pflegeaus- rufe (ggf. auch über stärkere integrationsmäßige oder bildung ab 01.01.2020 große Hoffnungen gesetzt; jugendsozialarbeiterische Begleitung von schwächeren teilweise wird ein stärkeres Abwandern von generalis- Auszubildenden). tisch ausgebildeten Fachkräften aus dem Bereich der Langzeitpflege in den Krankenhausbereich befürchtet. Fragen zu einem drohenden oder existierenden Pfle- genotstand Als beispielhafte Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Langzeitpflege können ge- Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels verwun- nannt werden: Gründung von Netzwerken, Runden dert es nicht, dass die Versorgungssituation sowohl im Tischen bzw. Koordinierungsstellen zur Fachkräfte- ambulanten als auch im stationären Pflegesektor so- bzw. Ausbildungsgewinnung (häufig im Zusammen- wohl für die allgemeine Langzeitpflege als auch für hang mit der Gesundheitsregionplus), Erarbeitung von Menschen mit Demenz im Besonderen (vgl. Tabelle) Imagekampagnen für die Pflege, Fokussierung auf eher bzw. sehr problematisch eingeschätzt wird. Tabelle: Einschätzung der Versorgungssituation in der Langzeitpflege und bei Menschen mit Demenz Versorgungssituation Versorgungssituation für insgesamt Menschen mit Demenz Antwort Anzahl Prozent Anzahl Prozent völlig unproblematisch 0 0% 0 0% eher unproblematisch 2 2.82 % 4 5.63 % neutral 9 12.68 % 9 12.68 % eher problematisch 45 63.38 % 42 59.15 % sehr problematisch 15 21.13 % 12 16.90 % keine Antwort 0 0% 4 5.63 % Gesamt 71 100.00 % 71 100,00 % Quelle: Eigene Datenerhebung, eigene Berechnung. Von den 71 Landkreisen kommen 63 (88,73 %) zu Als Ursachen genannt wurden häufig vor Ort kaum der Gesamteinschätzung, dass für ihren Landkreis in oder gar nicht beeinflussbare Faktoren wie die demo- jedem Fall oder in Teilen von einem drohenden bzw. grafische Entwicklung und die in vielen Regionen fak- existierenden Pflegenotstand gesprochen werden muss. tische Vollbeschäftigung mit der damit verbundenen Dieser Pflegenotstand drückt sich nach den Antworten Konkurrenz der Pflege- und Gesundheitsberufe mit auf die offene Nachfrage nicht nur durch den allge- anderen Berufsfeldern. Der daraus resultierende Fach- genwärtigen Fachkräfte- und Auszubildendenmangel kräftemangel wird vielfach auch auf das schlechte aus, sondern auch konkret durch Stilllegung von Pfle- Image der Pflege bzw. des Berufs zurückgeführt. Die geplätzen und Schließung ganzer Pflegeabteilungen im immer häufiger entstehenden Lücken in der Personal- stationären Bereich sowie des Aufnahmestopps weite- deckung führen zu einem Teufelskreislauf, bei dem die rer Pflegebedürftiger oder Schließung ganzer Touren Dienstpläne immer seltener eingehalten werden kön- durch ambulante Pflegedienste. nen, was wiederum zu einer höheren Frustration bzw. 10
Aktuell der bereits genannten Unattraktivität führt. Die ver- nehmender Vollerwerbstätigkeit (insbesondere von gleichsweise schlechte Bezahlung von Pflegekräften Frauen). wird nur insoweit als Argument angeführt, als Zusatz- dienste schlecht vergütet werden (können). Als ins- Eine wesentliche Ursache für diese pessimistische Ein- gesamt problematisch wird auch die Innovations- schätzung dürfte das von den Landkreisen zu 80,28 % feindlichkeit des Pflegesystems insgesamt angespro- als eher oder völlig unzureichende Angebot an Kurz- chen. zeit-, Tages- bzw. Nachtpflegeplätzen zur Entlastung pflegender Angehöriger anzusehen sein. Als wichtigste Auf die Führungskräfte kommt es an! Unterstützungsangebote wurde neben dem Ausbau dieser Plätze Informations-, Beratungs- und Schu- In der Umfrage wurde auch nach den Anforderungen lungsangebote für pflegende Angehörige, verbesserte an die Führungskräfte in der Langzeitpflege gefragt Maßnahmen zur Vereinbarung von Angehörigenpflege und wie diese erfolgreich gemeistert werden können. und Beruf (Anrechnung von Pflegezeiten, flexible Die Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen. Arbeitszeiten usw.), die Unterstützung, Betreuung und Entlastung in der Pflegesituation durch mehr Ehren- Wie in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt stellen amt (Besuchsdienste usw.) und professionelle haus- die gesellschaftlichen Entwicklungen wie Demografie, haltsnahe Dienstleistungen, der weitere Ausbau von Digitalisierung und Wertewandel (Stichwort Arbeits- alternativen Wohn- und Betreuungsformen (ambulant welt 4.0) die Führungskräfte von Pflegediensten und betreute Wohngemeinschaften, unterstütztes Senioren- -heimen vor neue Herausforderungen. Mit Blick auf wohnen usw.) sowie besondere Unterstützung bei der den immer stärker werdenden Fachkräfte- und Auszu- aufopfernden Pflege von demenzkranken Angehörigen bildendenmangel wird es für die Einrichtungen in genannt. hohem Maße auf die Steigerung der Arbeitgeberattrak- tivität (in einem schwierigen Umfeld) ankommen, um Stationäre Versorgung am Markt bestehen zu können. Die Arbeitgeberattrak- tivität hängt in hohem Maße von der Mitarbeiter- Auf die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetz- motivation und diese wiederum von der Führungs- lichen Vorgabe zur Sicherung der Qualität in der qualität der Leitungen ab. Das notwendige Maß an stationären Versorgung wurde diese von den antwor- Führungskompetenz kann nicht allein über eine tenden Landkreisen dem Grunde nach geteilt. Die Akademisierung neuer Führungskräfte gewonnen wer- Sinnhaftigkeit der Vorgabe einer letztlich willkürlichen den, sondern muss auch in einem deutlichen Ausbau Zahl von Fachkräften nach einem festen Anteilswert der Fort- und Weiterbildung der bereits tätigen Lei- wird allerdings stark bezweifelt bzw. der schlichte Zu- tungen bestehen. Dazu fehlt es aber häufig an den sammenhang zwischen Fachkraftquote als allein aus- notwendigen Rahmenbedingungen bzw. auch der Ein- schlaggebender Faktor für die Pflegequalität kritisiert. sicht der Träger. Gefordert wird vor allem eine Flexibilisierung der Quote insbesondere in Abhängigkeit von fachlichen Ambulante Versorgung Konzeptionen zur Sicherung der Ergebnisqualität und/oder einer weitergehenden Differenzierung der Bei der ambulanten Versorgung gehen die Landkreise verschiedenen Gruppen von Pflegefach- und -hilfskräf- davon aus, dass sich der bislang hohe Anteil der Ange- ten sowie weiteren pflegenahen Berufsgruppen (z.B. hörigenpflege von derzeit etwas mehr als 70 % in den Therapeuten, Qualitätsbeauftragte) und der interdis- kommenden Jahren deutlich verschlechtern wird. ziplinären Zusammenarbeit. Zwar hält eine Gruppe von antwortenden Landkreisen eine zunehmende Sicherstellungsverantwortung der Auf die Frage nach der im Koalitionsvertrag von CSU Angehörigen aufgrund des Fachkräftemangels für un- und Freien Wählern versprochenen Pflegeplatzgarantie ausweichlich und fordert einen weiteren Ausbau sowie ist darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Landkreis- eine Stärkung der Angehörigenpflege bzw. der Ange- tag bereits Anfang des Jahres eine Heranziehung der hörigen selbst für unausweichlich. Jedoch sieht eine Landkreise und kreisfreien Städte zu einer Sicherstel- andere Gruppe diese Notwendigkeit, verweist aber lungsverpflichtung für Pflegeplätze strikt abgelehnt gleichzeitig darauf, dass die Angehörigenpflege immer hat. In der aktuellen Situation, in der aufgrund des schwerer zu leisten sein wird angesichts veränderter Mangels an Pflegefachkräften bereits in einigen Regio- Familienstrukturen, zunehmender Mobilität und zu- nen von einem Pflegenotstand gesprochen werden 11
Aktuell muss, würde hier von den Kommunen praktisch Un- Möglichkeiten der Umsetzung eines neuen Geschäfts- mögliches verlangt. Zudem würde die Umsetzung modells der ambulanten Leistungserbringung durch einer solchen Sicherstellungsverpflichtung wegen der dezentrale Pflegeteams diskutiert – angelehnt an das beschränkten örtlichen Zuständigkeit der Landkreise Modell Buurtzorg aus den Niederlanden (vgl. etwa und der geringen Steuerbarkeit des teilliberalisierten Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 12/2018, Pflegemarktes einen erheblichen Verwaltungsmehrauf- S. 595-602; 1/2019, S. 31-37). In diesem Modell wer- wand auslösen. den häusliche Krankenpflege und häusliche Pflege, Be- treuung und Beratung, Fallmanagement und Vorschläge für Gegenmaßnahmen Entwicklung der sorgenden Gemeinschaft von selb- ständig organisierten Teams von zehn bis zwölf Pfle- Für eine Verhinderung der Unterversorgung in der gefachkräften aus einer Hand geleistet, als Prozess Pflege wurde eine grundlegende Reform der sozialen dauerhaft begleitet und über einen einheitlichen Stun- Pflegeversicherung am häufigsten genannt. Insbeson- densatz abgerechnet. Das Modell ist wegen der ande- dere die bessere Finanzierung der Langzeitpflege ins- ren Fachkraftausbildung und den getrennten gesamt und der Ausbau der sozialen Pflegeversicherung Leistungsgesetzen SGB V und XI nicht 1:1 auf als Vollversicherung bzw. der sog. Sockel-Spitze-Tausch Deutschland übertragbar. Verschiedene Akteure bemü- wurden als unausweichlich angesehen. Nicht gemeint hen sich jedoch darum, zumindest vergleichbare Struk- ist damit aber der mit dem Angehörigen-Entlastungs- turen im Rahmen der geltenden Bestimmungen zu gesetz verfolgte Ansatz der Aufgabe des Nachrang- entwickeln. grundsatzes in der Sozialhilfe bei der Hilfe zur Pflege. Dieser stellt zwar die Angehörigen von Pflegebedürf- tigen mit weniger als 100.000 Euro Einkommen finanziell besser – was für sich genommen sicher zu be- grüßen wäre –, belässt es aber bei der Unterfinanzie- rung der Pflegeleistungen. Statt das System der Langzeitpflege zu verbessern, beschreitet die Politik den vermeintlich einfacheren Weg der Kompensation der Belastungen bei den von den Unterhaltspflichtigen zu übernehmenden Eigenanteilen, was zu Lasten der kommunalen Haushalte geht, zu sozialen Ungerech- tigkeiten führt sowie den Einweisungsdruck auf die Pflegeheime verstärkt und das bei bestehendem Fach- kräftemangel. Daneben wurde die Aufgabe der Sektorengrenzen zwi- schen ambulant und stationär sowie die bessere Ver- zahnung zwischen häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V) und häuslicher Pflegehilfe (§ 36 SGB XI) bei der Leistungserbringung und -vergütung gefordert. Für geradezu unausweichlich mit Blick auf die Attrak- tivität des Pflegeberufes wird die Zusammenführung der Pflege nach SGB V und XI sowie die Delegation ärztlicher Leistungen auf Pflegefachkräfte angesehen (Stichwort „Gemeindeschwester“). Das neue Verständ- nis von insbesondere ambulanter Pflege müsse sich auch in neuen Geschäftsmodellen und Organisations- formen ausdrücken. Die Antworten bestätigen die Notwendigkeit, Pflege insgesamt, aber besonders im ländlichen Raum neu zu denken. Zwischen verschiedenen Kassenverbänden, dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie dem Landkreistag wird seit geraumer Zeit über 12
Aktuell Poolbildung bei Schulbegleitung Als Gründe für die Steigerungen werden der gesell- schaftliche Wandel von immer auffälligeren Kindern und überforderten Eltern, Lehrkräften sowie Schulen allgemein genannt. Von Sabine Ahlers-Reimann, Früher waren es überwiegend Kinder und Jugendliche Referentin für Kinder- und mit Autismus, die eine Schulbegleitung erhielten. Jugendhilfe, Ausländer und Heute sind es zusätzlich Kinder mit einer ADHS- Integration Diagnose oder Kinder mit diversen psychosozialen Auffälligkeiten. Gleichzeitig werden betroffene Eltern durch unsere Gesellschaft häufig so beeinflusst, dass sie zunehmend Die Anzahl von Anträgen und Bewilligungen für meinen, ihr Kind sei nur in einer Regelschule „inklu- Schulbegleitungen in der Kinder- und Jugendhilfe ist diert“. Das auch für Deutschland verbindliche Ziel des in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Art. 24 Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nicht immer erschließt sich die Sinnhaftigkeit von Nationen (UN-BRK), wonach alle Schüler – unabhän- mehreren Schulbegleitern innerhalb einer Klasse oder gig von ihren Fähigkeiten – am Unterricht teilnehmen Schule, nur weil Eltern fest erwarten, dass sie einen können und der Schulbesuch in der Regelschule der Rechtsanspruch auf einen Einzelschulbegleiter für ihr Normalfall sein sollte, bestärkt sie darin. Das Ziel ist Kind hätten. Die Jugendämter hinterfragen häufig ihre absolut erstrebenswert; es wird aber allzu oft in der Pra- Steuerungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Mit dem xis vergessen, dass das System Schule an sich diesen Inkrafttreten von § 112 Abs. 4 SGB IX zum 1.1.2020 inklusiven Bildungsauftrag erhalten hat. Eingliede- wird ihnen ganz konkret die Möglichkeit der Poolbil- rungshilfe würde in einem funktionierenden inklusi- dung, also der Bündelung und personellen Zusam- ven Bildungssystem die Ausnahme sein. Zu diesem menführung dieses individuellen Leistungsanspruchs, inklusiven Verständnis gehören aber auch Förderschu- zur Verfügung gestellt. Der Ausschuss für Gesundheit len. Durch eine spezifische Förderung im jungen Alter und Soziales beim Bayerischen Landkreistag hat zu die- sollten die Förderschulen gerade auf ein inklusives ser Thematik informiert. Leben des Betroffenen am besten vorbereiten können. Doppelt überraschend ist daher auch die Steigerungs- Schulbegleitung als ambulante Form der Eingliede- rate von Schulbegleitungen an Förderschulen; diese rungshilfe erfolgt auf Grundlage des § 35a SGB VIII wird häufig mit Personalüberforderungen und -mangel in der jugendhilferechtlichen Zuständigkeit bzw. auf erklärt. Grundlage des § 54 SGB XII in der sozialrechtlichen Zuständigkeit, um eine angemessene Schulausbildung Einhergehend sind erhebliche Kostensteigerungen für für jedes Kind zu erreichen. Schulbegleitungen nach § 35a SGB VIII (bzw. §§ 27 ff. SGB VIII) auf kommunaler Seite. Die Zahl der Schulbegleitungen nach § 35a SGB VIII für Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert 1. Schulbegleitungspools bzw. von einer solchen Behinderung bedroht sind, nehmen gemäß den Auswertungen einer zuletzt im Eine Idee, mit der die Anzahl der tatsächlich eingesetz- Frühjahr 2018 vom Bayerischen Landkreistag und ten Schulbegleiter reduziert werden könnte, ist die Städtetag durchgeführten Umfrage kontinuierlich zu Bildung von Pools. Bereits nach dem aktuellen Leis- (siehe Tabelle). Von stetig steigenden Unterstützungs- tungsrecht ist dies möglich, denn der Anspruch auf bedarfen durch Schulbegleiter berichten auch die Be- Schulbegleitung besteht nur nach den Erfordernissen zirke für die geistig und/oder körperlich behinderten der Teilhabebeeinträchtigung. Gemäß dem Wunsch- Kinder und Jugendlichen. und Wahlrecht der Leistungsberechtigten wird der An- 13
Aktuell spruch aus § 35a SGB III häufig aber als Einzelan- Schulbegleiter wirkt sich eine Stundenänderung oder spruch realisiert. Hilfebeendigung bezüglich eines Kindes z.B. nicht mehr „existenzbedrohend“ aus; der betroffene Schüler Ab dem 1.1.2020 wird die gemeinsame Inanspruch- und die Eltern sollten es als Chance einer schnelleren nahme von Leistungen zur Teilhabe an Bildung in Selbststärkung und Verselbständigung sehen; Schullei- § 112 Abs. 4 SGB IX gesetzlich verankert. Die Vor- tung und Lehrer müssen dadurch verstärkt aufgefor- schrift lautet: „Die in der Schule oder Hochschule dert sein, eine alltagstaugliche inklusive Konzeption wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und der Schule und der jeweiligen Klassen aufzustellen; das Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte Jugendamt passt damit regelmäßig seinen Hilfeplan gemeinsam erbracht werden, soweit dies für die Leis- ggf. Teilhabeplan auf die erforderlichen Bedürfnisse an. tungsberechtigten zumutbar ist und mit den Leis- tungserbringern entsprechende Vereinbarungen beste- In dieselbe Richtung geht die kürzlich erschiene Ori- hen. Die Leistungen nach Satz 1 sind auf Wunsch der entierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen.“ § 35a Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools, Abs. 3 SGB VIII wird mit Wirkung ab 1.1.2020 einen beschlossen von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Verweis auf diese Vorschrift enthalten. Erstmalig gilt überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie Deutscher aber nicht nur, dass die Wünsche des Leistungsberech- Städtetag und Deutscher Landkreistag, Juni 2019. tigten bei der Gestaltung der Leistung ausschlag- gebend sind, sondern über einen Verweis in den ab 2. Steuerung durch eigenes Schulbegleitungs- 1.1.2020 geltenden § 104 Abs. 2 Satz 2 SGB IX darf personal der Leistungsträger eine gewünschte Maßnahme wegen Mehrkostenbelastung ablehnen, wenn der Be- Zu einer weiteren Art der Steuerung haben sich dieje- darf nach der Besonderheit des Einzelfalls auch durch nigen Jugendämter entschieden, die (auch) eigenes eine vergleichbare Leistung gedeckt werden kann. Hier Personal für die Aufgabe der Schulbegleitung einstel- werden die Ausführungen im Hilfeplan bzw. Teilhabe- len. Dabei wird regelmäßig keine besondere pädago- plan sowie die schulische Situation vor Ort entschei- gische Berufsausrichtung für notwendig erachtet; dende Aussagen treffen müssen. vielmehr ist eine allgemein erfahrene Persönlichkeit be- deutsam. Durch Schulungen und Fortbildungen kön- Auch die Fachebene der Kinder- und Jugendhilfe steht nen sich die Schulbegleiter weitere Spezialkenntnisse der Poolbildung positiv gegenüber: Ein Schulbegleiter (z.B. im sonderpädagogischen oder medizinischen Be- ist für den betroffenen Schüler oftmals weniger stig- reich) aneignen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass matisierend. Für die restliche Klasse ist die Anwesen- diese Schulbegleiter im Vergleich zu anderen Leis- heit eines einzigen Schulbegleiters weniger auffällig tungserbringern ihre Aufgabe stärker in Richtung und behindert daher nicht das effektive Lernen. Auch Selbststärkung des seelisch behinderten Schülers wahr- arbeitstechnisch ist für den Schulbegleiter ein sinnvol- nehmen und damit die Eingliederungshilfe mit dem lerer Einsatz möglich: z.B. wenn ein Kind in der ersten vornehmlichen Charakter der Rehabilitation eher be- Stunde (Sport) und in der vierten Stunde (Handarbeit) endet werden kann. Unterstützung benötigt, kann sich der Schulbegleiter in der Zwischenzeit um ein weiteres Kind kümmern. 3. Systemische Lösung in der Finanzierungsverant- Die Mehrzahl der behinderten Schüler benötigt keine wortung des Freistaates Bayern Vollzeitbegleitung. Poolings könnten u.U. auch ein all- mähliches Reduzieren von Stunden bis zu einem Aus- Auch wenn sich in Zukunft u.U. breitere Gestaltungs- schleichen aus der Hilfe bei einer eingetretenen möglichkeiten beim Einsatz von Schulbegleitern für Besserung in Bezug auf einen einzelnen Schüler er- die Kinder- und Jugendhilfe ergeben, muss unsere leichtern. vorrangige Forderung weiterhin sein, ein inklusives Schulsystem möglichst ohne den Einsatz von Einglie- Voraussetzung ist eine gut funktionierende Koordina- derungshilfen zu realisieren. Die gesetzliche und vor- tion aller beteiligten Akteure, angefangen vom Schul- rangige Aufgabe der Schule dazu steht in prominenten begleiter, dem Schüler, den Eltern, den Lehrkräften, Vorschriften wie Art. 24 UN-BRK, Art. 131 der Baye- der Schulleitung, des Jugendamtes sowie des ggf. rischen Verfassung und Art. 1 des Bayerischen Gesetzes externen Leistungserbringers. Wichtig ist, dass alle über Erziehung- und Unterrichtswesen (BayEUG). Akteure das Pooling als Chance begreifen: Für den 14
Aktuell Auf mittlere Sicht werden die fachlich sinnvollsten und Der Ausschuss für Gesundheit und Soziales beim zugleich realistischen Lösungen in multiprofessionellen Bayerischen Landkreistag hat daher in seiner Sitzung Teams (Lehrer, Sonderpädagoge, Schulbegleiter, bei vom 14.10.2019 bekräftigt, dass ein inklusives Bil- Ganztag zusätzlich Erzieher) liegen; diese sollten aber dungssystem in der inhaltlichen und finanziellen Ver- von vornherein in der Schule verortet sein und auf- antwortung des Systems Schule liegt und eine grund ihres Verantwortungsbereichs auch dort finan- Beschulung im Idealfall ohne Schulbegleiter gewähr- ziert werden. Einer entsprechenden Resolution des leistet sein sollte. Solange der Eingliederungsbedarf Bayerischen Bezirketags hatten sich Bayerischer Land- eines behinderten (oder von Behinderung bedrohten) kreistag und Städtetag bereits im Jahre 2014 ange- Kindes oder Jugendlichen nur mit Hilfe eines Schul- schlossen. Bisher sind die Kommunalen Spitzenver- begleiters gedeckt werden kann, sollten sich alle am bände bei den Kosten der Schulbegleitung nur auf die Teilplanungsprozess Beteiligten nach Möglichkeit für Verhandlungen des kommunalen Finanzausgleichs eine Poollösung einsetzen; dies allein schon im inte- verwiesen worden. grativen Interesse des Betroffenen. Anzahl Ausgaben Anzahl Ausgaben Anzahl Ausgaben Name Schulbegleitungen Schulbegleitung Schulbegleitunge Schulbegleitung Schulbegleitung Schulbegleitung Landkreis/Stadt 2015 2015 n 2016 2016 2017 2017 in Regelschulen in Förderschulen in Regelschulen in Förderschulen in Regelschulen in Förderschulen Oberbayern 684 203 10.515.761 783 257 13.984.299 889 284 16.192.871 Niederbayern 81 47 1.642.121 109 59 2.694.515 126 69 2.925.123 Oberpfalz 180 92 5.091.511 218 106 5.965.653 240 118 6.494.792 Oberfranken 70 16 1.323.372 75 20 1.575.831 31 36 1.650.120 Mittelfranken 153 51 3.606.032 185 54 4.792.619 248 65 5.815.071 Unterfranken 96 42 1.765.025 115 54 2.139.787 127 67 2.539.950 Schwaben 160 70 3.306.226 193 82 4.098.317 237 94 5.142.737 gesamt 1.424 521 27.250.047 1.678 632 35.251.021 1.898 733 40.760.664 Kommunaler Finanzausgleich 2020: Wenig Spielräume trotz Rekordniveau genden Monaten wenige Spielräume für brennende Themen der Kommunen vorhanden. Die darin enthaltenen reinen Landesleistungen steigen um 5,9 % bzw. 553,9 Mio. € auf 9,93 Mrd. €. Der höhere Anstieg bei den Landesleistungen im Verhältnis Von Emil Schneider, Referent für zu den Finanzausgleichsleistungen insgesamt ist u.a. Finanzen und Haushaltsrecht beim dadurch bedingt, dass ehemalige Entflechtungsmittel Bayerischen Landkreistag des Bundes in Höhe von 196,135 Mio. € nach Aus- laufen der Bundesregelung nun vom Freistaat Bayern aus Landesmitteln finanziert werden (vgl. unten beim Die vier Kommunalen Spitzenverbände haben sich am Kfz-Steuerersatzverbund). 21. November mit dem Bayerischen Staatsminister der Finanzen und für Heimat Albert Füracker, MdL, auf Positiv hervorzuheben ist die Erhöhung der Schlüssel- den kommunalen Finanzausgleich 2020 geeinigt. Zwar zuweisungen um 150,3 Mio. €. Dieser Anstieg um wurde mit 10,29 Mrd. € (+3,2 %) ein neues erfreuli- 3,85 % kommt insbesondere Gemeinden und Land- ches Rekordniveau erreicht. Trotzdem waren anderer- kreisen mit unterdurchschnittlicher Steuerkraft zugute. seits wegen der sich tendenziell verschlechternden Daneben ist es trotz herausfordernder Verhandlungs- Finanzlage der Haushalte, wenig optimistischen Steu- umstände gelungen, Schwerpunkte zu setzen. Dies gilt erschätzungen des Finanzministeriums und den insbesondere für kommunale Baumaßnahmen und die großen Investitionen des Freistaates in den zurücklie- Aufstockung der Hochbaufördermittel (Art. 10 FAG) 15
Aktuell von 550 auf 600 Mio. €, die jedoch nicht aus staat- lich bekannt, dass die Landkreise aus ihren Haushalten lichen Haushaltsmitteln, sondern durch die Um- zu Lasten der Kreisumlage etwa 1.450 Stellen für die schichtung kommunaler Mittel finanziert werden. Die Erfüllung staatlicher Aufgaben finanzieren. Der Frei- Kommunen gehen hier in Vorleistung und stärken staat hatte darauf in einem ersten Schritt mit 70 neuen damit die erforderlichen Investitionen in Schulen und Stellen in den Fachabteilungen in 2019 geantwortet Kindergärten. und für 2020 weitere 70 Stellen zugesagt. Auch in den Jahren 2021 und 2022 muss eine Fortsetzung folgen. Positiv ist auch, dass im Bereich des ÖPNV und der Kommunalstraßenförderung über 2019 hinaus trotz Dem Rekordniveau des kommunalen Finanzausgleichs weggefallener Zweckbindung der Bundesmittel an der 2020 stehen Rekordausgaben im Sozialbereich gegen- Förderung der Kommunen in gleichem Umfang fest- über. Durch das Bundesteilhabegesetz und das Ange- gehalten wird. Die Förderung der Verkehrsverbünde hörigenentlastungsgesetz kommen auf die kommunale muss aber außerhalb des kommunalen Finanzaus- Familie erhebliche Mehrbelastungen von mindestens gleichs erfolgen. Daneben ist für den Bereich ÖPNV- 150 Mio. € pro Jahr zu. Das Prinzip ‚Wer anschafft, und Straßenbauförderung ebenso wie bei der Kran- der zahlt‘ muss auch hier gelten. Die Kommunen dür- kenhausförderung eine verlässliche Mittelfristplanung fen mit diesen Mehrbelastungen nicht alleine gelassen notwendig. werden! Eine der wichtigsten Forderungen des Bayerischen Die Einigung steht unter dem Vorbehalt der Beschluss- Landkreistags außerhalb des kommunalen Finanzaus- fassung durch den Ministerrat und den Bayerischen gleichs 2020 war die Aufstockung der Personalausstat- Landtag. tung der Landratsämter. 2018 wurde erstmals öffent- Ergebnisse der Bundeskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ Expertengespräch mit Präsident Bernreiter in der Hanns-Seidel-Stiftung Rd. 10 Monate hat die von der Bundesregierung 2018 tische Grundsatzfragen, Bayerisches Staatsministerium eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhält- für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie deut- nisse“ regionale Entwicklungen in ganz Deutschland lich. Moderiert wurde die Runde von Prof. Dr.-Ing. analysiert, bis sie im Juli 2019 ihren Abschlussbericht Holger Magel, Mitglied der Bayerischen Enquete- vorgelegt hat. Die Ergebnisse wurden Mitte November Kommission. in einem Expertengespräch bei der Hanns-Seidel-Stif- tung in München bewertet. Die Positionen der Land- Die Arbeit der Bundeskommission „Gleichwertige kreise vertrat der Präsident des Bayerischen Land- Lebensverhältnisse“ kreistags, Landrat Christian Bernreiter, im Namen des Deutschen Landkreistags gegenüber Dr. Michael Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, hatte die Bun- Frehse, Leiter der Abteilung Heimat, Bundesministe- desregierung die Kommission mit dem Ziel, Vor- rium des Innern, für Bau und Heimat, Dr. Stefan Köh- schläge zur Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse ler, Erster Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen, Dr. zu machen, ins Leben gerufen. In sechs Arbeitsgrup- Stefan Neumeier, stv. Vorsitzender Beirat für Thünen- pen wurden unter dem Vorsitz des Bundesministeri- Institut für Ländliche Räume, Raumentwicklung beim ums des Innern, für Bau und Heimat und unter dem BMI, und Bernhard Klein vom Referat Strukturpoli- Co-Vorsitz des Bundesministeriums für Ernährung 16
Aktuell und Landwirtschaft und des Bundesministeriums für Regionen wird, weswegen man sie nicht abschalten Familie, Senioren, Frauen und Jugend Handlungsemp- darf. Wieder anschalten ist deutlich teurer.“ fehlungen mit Blick auf unterschiedliche regionale Entwicklungen und den demografischen Wandel in Geld zielgerichtet nach vorne Deutschland entwickelt. Schwerpunkte waren: „Kom- munale Altschulden“, „Wirtschaft und Innovation“, Dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags, „Raumordnung und Statistik“, „Technische Infrastruk- Landrat Christian Bernreiter, war in der Diskussion tur“, „Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit“ sowie „Teil- eines ganz besonders wichtig: „Die Mittel, die wir habe und Zusammenhalt der Gesellschaft“. haben, müssen nach vorne gerichtet und nicht für die Tilgung von Altschulden anderer verwendet werden. Leben, wo man leben will Wir sind solidarisch, aber nicht blöd.“ Bernreiter sprach damit ein Thema an, das trotz einstimmiger Be- Dr. Michael Frehse, Leiter der Abteilung Heimat, Bun- schlüsse auf der Ebene des Deutschen Landkreistags desministerium des Innern, für Bau und Heimat, gab jüngst bundesweit Kontroversen ausgelöst hat, nach- im Rahmen der Podiumsdiskussion bei der Hanns-Sei- dem drei Bundesländer von den getroffenen Vereinba- del-Stiftung Einblicke in die Arbeit der Bundeskom- rungen abgerückt sind. Das Präsidium des Deutschen mission. So habe man sich nicht mit philosophischen Landkreistags, in dem alle Spitzen der Landkreistage Grundlagen beschäftigt, sondern der Staat habe dafür aus den jeweiligen Bundesländern vertreten sind, hatte Sorge zu tragen, dass die Menschen dort leben könn- sich geschlossen gegen die Übernahme kommunaler ten, wo sie leben wollten. „Menschen sollen da leben, Kassenkredite durch den Bund gestellt. „Das Thema wo sie leben wollen. Das ist ihre Heimat. So ist der Altschulden und überhöhte Kassenkredite muss von Heimatbegriff. Daseinsvorsorge muss in der gesamten den jeweiligen Ländern selbst bereinigt werden. Die Bandbreite gesichert werden. Niemand darf abgehängt Aufgabe ist klipp und klar. Verfassungsrechtlich sind werden“, so Frehse. Am Beispiel des Emslandes erläu- dafür die Länder zuständig. Zwischen Bund und Kom- terte er, warum die Politik keine Entscheidungen über munen gibt es keine Finanzbeziehung. Wenn der Bund Standorte fällen sollte. Entgegen ungünstiger Rahmen- die kommunalen Kassenkredite Einzelner übernimmt, bedingungen in den 80ern habe sich der Landkreis zu fehlt dieses Geld an anderer Stelle für Zukunftsinves- einer heute blühenden Region in Niedersachsen ent- titionen. Wenn eine Kommune gezwungen ist, sich wickelt. „Man kann nicht genau wissen, was aus jahrelang über Kassenkredite zu finanzieren, zeigt das, V.l.n.r.: Wolfgang-Günther Ewald, Bayerisches Agrarministerium, Präsident Christian Bernreiter, Bayerischer Landkreistag, Prof. Dr.-Ing. Holger Magel, Mitglied der Bayerischen Enquete-Kommission, Dr. Michael Frehse, Bundesministerium des In- nern, für Bau und Heimat, Dr. Stefan Köhler, Erster Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen, Dr. Stefan Neumeier, stv. Vor- sitzender Beirat für Thünen-Institut für Ländliche Räume, Raumentwicklung beim BMI 17
Aktuell / Landrätetagung dass das jeweilige Bundesland den Kommunen dauer- ßen ein Muss. Die Programme für den Breitbandaus- haft zu wenig Geld gegeben hat“, so Bernreiter. Auch bau sollten verlängert werden. Ortskerne müssen revi- die Einforderung der Konnexität ist für den Bayeri- talisiert werden, wenn wir schon überall vom schen Landkreistag zwingend. „Natürlich begrüßen Flächenverbrauch sprechen. Und lassen Sie uns bei der wir jeden Vorstoß, der das Leben unserer Bürger ver- Landwirtschaft ehrlich sein: Wir brauchen die Land- bessert. In Berlin werden aber immer wieder Wohl- wirtschaft gerade auch beim Artenschutz und klat- taten beschlossen, für die die Kommunen dann schen sie aktuell an die Wand. Was Europa nicht mehr aufkommen sollen. Dabei gilt nach der Konnexität fördert, muss der Bund ausgleichen. Behördenverlage- klar: Wer anschafft, der hat auch zu bezahlen. Wenn rungen sind auch für die Stimmung vor Ort wichtig. die Bundespolitik Beschlüsse trifft, welche unsere Leute siedeln sich an. Wenn ich lesen muss, dass die Kommunen finanziell belasten, müssen sie auch für Pendlerpauschale erst ab dem 21. Kilometer gilt, ist den finanziellen Ausgleich einstehen“, so Bernreiter, das klar gegen die Menschen im ländlichen Raum ge- der sich dabei unter anderem auf das sogenannte richtet. Bei uns ist man flexibel und fährt teilweise 100 Angehörigen-Entlastungsgesetz bezog. Kilometer zur Arbeit. Infrastrukturprojekte und die bisherige Hardware brauchen eine weitere Förderung. Geld für Zukunftsinvestitionen Das sind die Investitionen der Zukunft.“ Für den Präsidenten des Bayerischen Landkreistags ist Im weiteren Verlauf wurden Themen wie die Woh- das Ausgeben von Geld für Zukunftsinvestitionen ent- nungsnot, die Bodenbesteuerung, nicht-elektrifizierte scheidend. „Wir benötigen 5G bis zur letzten Milch- Bahnstrecken, die Bedeutung von Regionalflughäfen kanne. Wenn wir autonom fahren wollen, sind diese für die Wirtschaft vor Ort und viele weitere Fragen in ganzen Einrichtungen auch in unseren Dörfern drau- die Diskussion um die Gleichwertigkeit eingebracht. Mehr von allem durch mehr Digitalisierung Am 23./24. Oktober fand die 51. Landrätetagung des erspart, wenn Amtssachen vollständig elektronisch ein- Bayerischen Landkreistags in Bad Füssing statt. Im gereicht und digital unterschrieben werden können. Mittelpunkt stand die Digitalisierung der kommuna- Hier gibt es in der digitalen Welt nach wie vor erheb- len Daseinsvorsorge und damit die enormen Potenziale liche Hürden. Denn der Gesetzgeber lässt nur ganz für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von bestimmte technische Verfahren zu, mit denen die Stadt und Land. „Die Digitalisierung kann gute Ant- eigenhändige Unterschrift elektronisch ersetzt werden worten auf viele kommunale Herausforderungen kann. Im Fachjargon wird das Schriftformersatz ge- geben und sie kann – was entscheidend ist – die nannt. Diese sind derzeit der neue Personalausweis und Lebensqualität in allen Landkreisen verbessern, sodass De-Mail. Das Problem bei beiden Verfahren ist, dass jedermann profitiert“, so Landkreistagspräsident Chris- sie auch Jahre nach ihrer Einführung noch weit davon tian Bernreiter, Landrat von Deggendorf, bei der entfernt sind, von einer breiten Mehrheit genutzt bzw. Eröffnung. akzeptiert zu werden. Schriftformerfordernisse stellen damit eine wesentliche Hürde für die digitale Verwal- Neben der Bayerischen Staatsministerin für Digitales, tung dar. Alleine im Verwaltungsrecht des Bundes wur- Judith Gerlach, MdL, die zu den Chancen und He- den Anfang 2014 knapp 3.000 Schriftformerfor- rausforderungen des Digitalstandortes Bayern refe- dernisse identifiziert, wovon nur 20 % als verzichtbar rierte, standen die digitale Bildung, die Digitalisierung eingestuft worden sind. Für die Schaffung der entspre- der Medizin und des ÖPNV im Vordergrund. chenden Voraussetzungen ist der Bund zuständig. Der Bayerische Landkreistag will deswegen endlich seine Die Digitalisierung der Kommunalverwaltungen ist Forderung umgesetzt sehen, neue Rechtsvorschriften bereits auf dem richtigen Weg, allerdings bleibt Unter- gleich mit der Online-Brille zu gestalten. „Wir fordern nehmen und Bürgern der Weg zum Amt nur dann deswegen einen wirksamen E-Gov-TÜV, der neue 18
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