Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume

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Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
Magazin für Ländliche Räume

      AUSGABE 2.19
Sommerfrische Schwarzatal _ 38
Innovatives Schlachten _ 40
Den ländlichen Osten aufgeben? _ 44

                                      Zusam
                                      geht's men
                                             besser

      Bürger und Kommune

                                                      Europäischer
                                                      ­Landwirtschaftsfonds
                                                       für die Entwicklung
                                                       des ländlichen Raums:
                                                       Hier investiert Europa
                                                       in die ländlichen
                                                       Gebiete.
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
INHALT

 Inhalt

  Seite 38                                   Seite 40                                   Seite 44
  Sommerfrische Schwarzatal                  Innovativ schlachten: Extrawurst           Den ländlichen Osten aufgeben?

  Für das Netzwerk                                                Im Fokus
  INSIDE                                                          EINFÜHRUNG

  05       DVS-Newsletter                                         10      INTRO

  05       Kooperationsgesuche
                                                                  KOMMUNALE ROLLEN
  05       Landwirte gesucht
                                                                  12      Bürger, Kommunen und Verwaltung:
                                                                          neue Perspektiven?
  DAS WAR
                                                                  14      Bürger beteiligen!
  06       Kirche und LEADER
                                                                  15      Bürgerkredite für Kommunen
  06       LEADER: einfacher in Gegenwart und Zukunft?
                                                                  16      Größe allein ist nicht alles
  07       Zusammenarbeit für die Agrarumwelt
                                                                  17      Gebietsreformen zerschlagen das Ehrenamt –
  07       Stallbau und Tierwohl                                          Interview
  08       EIP in motion

                                                                  WENN BÜRGER MITMISCHEN
  DAS KOMMT
                                                                  18      Lokale Räte, interkommunales Konzept
  09       Schichtwechsel in Braunkohlerevieren                   20      Kommunikation und Selbstbestimmung
                                                                                                                         Fotos: Zukunftswerkstatt Schwarzatal e.V. , WDnet/ iStock, Mattis Kaminer/ iStock

  09       Gemeinsam regionale Demokratie stärken                 22      Wir reden hier über Geld
  09       LEADER für internationale Gäste                        24      Auf Augenhöhe

                                                                  27      Die Zukunft malen

                                                                  28      Zusammenarbeit dank Mitmachamt

                                                                  30      Neue Region: das Ruhner Land

                                                                  33      Vorbild Schweiz? – Interview

2 LandInForm 2/2019
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
ab Seite 10
                                                                                                                     Im Fokus:
                                                                                                                     Viele aktuelle Probleme wie der demografische Wandel
                                                                                                                     sind komplex: Um sie zu lösen, gilt es, unterschiedliche
                                                                                                                     Sichtweisen und Kenntnisse zu berücksichtigen.
                                                                                                                     Häufig arbeiten dazu Kommunen und Bürger zusammen.
                                                                                                                     Wie gelingt das? Und was braucht es dazu?

                                        Aus der Praxis                                             Perspektiven
                                        34   Vor dem Hauptfilm
                                                                                                   POLITIK UND GESELLSCHAFT
                                        35   Zwölf Minuten Licht
                                                                                                   44    Den ländlichen Osten aufgeben? – Zwei Interviews
                                        36   Mobile Demenz- und Sozialberatung                           Das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung
                                                                                                         Halle empfiehlt in seiner Studie „Vereintes Land –
                                        38   Mehr als ein Urlaubsgefühl
                                                                                                         drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall“, die
                                             Das Schwarzatal in der thüringischen LEADER-Region
                                                                                                         ostdeutsche ländliche Wirtschaft nicht länger zu
                                             Saalfeld-Rudolstadt erhält die ortsbildprägende
                                                                                                         fördern. Wie ökonomisch wäre das – und wie sozial?
                                             Sommerfrische-Architektur und stärkt damit die
                                             Identität der Menschen in der Region.                 46    Mehr Umweltschutz durch Digital Farming? – Interview

                                                                                                   PARTNER UND EXPERTEN
                                        Forschung trifft Praxis
                                                                                                   48    Von Landengeln und Dorfkümmerern
                                        40   Extrawurst: Stressfrei schlachten
                                             Das EIP-Projekt „Innovative Schlachtverfahren“
                                             erprobt, welche Fortschritte ein Schlachtmobil für    BILDUNG UND FORSCHUNG
                                             die tiergerechtere Schlachtung, die Fleischqualität
                                                                                                   50    Raus aus der Fläche, rein ins Netz?
                                             und den Arbeitsschutz bringen könnte.
                                                                                                   52    Ökonomie versus Gemeinwohl? – Interview

                                        Prozesse und Methoden
                                                                                                   Service
                                        42   Schwarmintelligenz für gute Projektanträge
                                                                                                   53    Die Position

                                                                                                   54    angelesen

                                                                                                   55    angekündigt
Foto: Adrian Buck / Alamy Stock Photo

                                                                                                   56    Termine

                                                                                                                                               LandInForm 2/2019   3
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
EDITORIAL

                                                                                                                   Impressum
                                                                                                                   LandInForm –
                                                                                                                  Magazin für Ländliche Räume
                                                                                                                  Erscheinungsweise: vierteljährlich
                                                                                                                 Auflage: 10 000 / ISSN: 1866-3176

                                                                                                               Herausgeber:
                                                                                                               Bundesanstalt für Landwirtschaft und
                                                                                                              Ernährung (BLE), Bonn
                                                                                                             Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche
                                                                                                            Räume (DVS),
                                                                                                           Redaktion: Andrea Birrenbach, Dr. Juliane
                                                                                                           Mante, Anja Rath
Liebe Leserinnen und Leser,                                                                               Dr. Jan Swoboda (V.i.S.d.P.)
                                                                                                         Redaktionelle Unterstützung:
aktive Bürger haben meist viele Hüte auf. Wo Nachbarschaftshilfe geleistet wird,                         neues handeln GmbH
freiwillige Feuerwehr, Sportverein und Festkomitees vom selben Personenkreis
getragen werden, wollen viele Menschen nicht noch mehr schultern. Die Selbst­                           Titelbild: David Davies/Alamy Stock Fotos,
organisation im Dorf hat also Grenzen und funktioniert nur dort, wo einigermaßen                       twinsterphoto/iStock
stabile Verhältnisse den Rahmen bilden. Menschen in stark von Abwanderung
betroffenen und wirtschaftsschwachen Regionen haben weniger Möglichkeiten.                            Grafik: MedienMélange: Kommunikation!
Wenn sich dort Gruppen organisieren, kann sich ihr Engagement auch gegen die                          Rückseite: ThomasFluegge/iStock

Situation in ihrer Region richten. Die Politik spricht trotzdem auch dann noch
                                                                                                    Gestaltung: MedienMélange: Kommunikation!
gerne vom umtriebigen und pflichtbewussten Ehrenamt – eine Sichtweise, die
                                                                                                    www.medienmelange.de
für die Leute vor Ort unglaubwürdig wirkt.
                                                                                                  Druck: Bonifatius GmbH
Dorfakteure, die unsere Veranstaltungen besuchen, nennen vor allem in                             Gedruckt auf Recyclingpapier
Abwanderungsgebieten Problemfelder, die auch dieses Heft aufgreift:
„Übersetzt“ sind das mangelnde Finanzausstattung und geringe finanzielle                        Bezugsadresse und Redaktionsanschrift:
Freiräume für bürgerwirksame Projekte, wenig Mitsprache bei der Gestal-                         Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
tung des direkten Lebensumfelds, da politische Entscheidungen weiter                           Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume
weg getroffen werden und zu „ertragen“ sind. Das schwächt auch die                             Deichmanns Aue 29, 53179 Bonn
                                                                                              Telefon: 0228 6845-3435, -3081, -3461
Bereitschaft der Bürger, für ihren Ort einzustehen.
                                                                                             Fax: 030 1810 6845-3361
                                                                                            E-Mail: landinform@ble.de
In den vergangenen Jahren sind viele neue Themenfelder wie die Energie-                     www.netzwerk-laendlicher-raum.de
wende und Projekte zur Integration hinzugekommen: Die potenziellen
„Engagementfelder“ werden dadurch umfangreicher, haben Bezüge                             Bezug: kostenfrei, LandInForm als PDF-Datei unter
zueinander, schaffen aber auch Konflikte. Auch für neue Mitmachformate                    www.land-inform.de
wie Bürgerkredite, Ortsteil- oder Regionalbudgets muss Beteiligung
organisiert werden. Die Kenntnisse und vor allem die Zeit, solche                         Anmerkungen der Redaktion:
Prozesse regional zu verankern und zu organisieren, können nicht ein-                     Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung
fach gefordert werden. Dorfkümmerer, Mitmachamt oder Dorfgesprä-                         der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte
che sind zwar Angebote, die Selbstwirksamkeit schaffen, aber wieder                     und Abbildungen wird keine Haftung übernommen.
                                                                                        Die Urheberrechte liegen beim Herausgeber. Eine Genehmigung
die Qualifikation und die Zeit der Macher vor Ort voraussetzen.
                                                                                       zur Zweitverwertung auch in Auszügen in Wort, Schrift und
                                                                                      Bild erteilt die Redaktion gern gegen Nennung der Quelle und
Wenn Strukturen nicht funktionieren, muss gegengesteuert werden.                     ­Belegexemplar.
Auch wenn es teuer ist: Vor 50 Jahren wurden Bäche begradigt, heute
werden sie renaturiert. Auch in besser ausgestattete Verwaltungen,                 Als Zugeständnis an die Lesbarkeit der Texte verzichten wir auf
neue Kooperationsformen und vielleicht auch die Rücknahme                          Doppelformen bei den Geschlechtern.
von Zusammenlegungen im Zuge von Gebietsreformen könnte
man investieren. In diesem Kontext fände ich den Slogan gut:                       LandInForm wird durch den Bund und die Europäische Union
„Weil es der ländliche Raum wert ist.“                                            im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für
                                                                                 die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) gefördert.
                                                                                Zuständige Verwaltungsbehörde: Bundesministerium für Ernährung
Viele Anregungen beim Lesen wünscht
                                                                               und Landwirtschaft (BMEL)

                                                                               Kürzel der DVS-Autoren:
                                                                              Andrea Birrenbach: abb, Jan Freese: jaf, Isabell Friess: isf, Nina Jürges: nkj,
                                                                             Stefan Kämper: stk, Simon Keelan: sik, Moritz Kirchesch: mok, Irene Lange:
                                                                            ila, Isabella Mahler: ima, Juliane Mante: jum, Stephanie Müller: stm, Dagmar
                                                                            Nitsch: dan, Natascha Orthen: nao, Sofia Oxencroog: soo, Jost Pütz: jop,
                                                                           Anja Rath: arh, Bettina Rocha: ber, Susanne Schniete: sus, Jan Swoboda: jas,
                                                                           Anke Wehmeyer: awr

            4 LandInForm 2/2019
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
FÜR DAS NETZWERK Inside

                                                                                        Für das Netzwerk

                                                                                                                         KENNEN SIE SCHON
                                                                                                                         DEN DVS-NEWSLETTER?                                   Service:
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                                                                                                                                                                               Die DVS ist auch bei Twitter und Facebook
                                                                                                                         sechs bis acht Mal im Jahr und kann kostenlos
                                                                                                                                                                               https://twitter.com/dvs_land
                                                                                                                         abonniert werden. [jop]
                                                                                                                                                                               www.facebook.com/dvs.laendlicher.raum

                                                                                                                               KOOPERATION BEI
                                                                                                                               KULTURFESTIVAL
                                                                                                                               Die österreichische LAG Mühlviertler
                                                                                                                               Kernland sucht zum nächstmöglichen
                                                                                                                               Zeitpunkt einen Kooperationspartner
                                                                                                                               aus dem LEADER-Bereich für die Kunst-
                                                                                                                               und Kulturfestivalwoche „Vivid Frei-
                                                                                                                               stadt“. Ziel ist es, das Festival internatio­
                                                                                                                               naler zu machen. Es soll Ende Juli oder
                                                                                                                               im August 2020 statt­finden. Das Projekt
                                                                                                                               wurde beim Programm „LEADER trans-
                                                                                                                               national Kunst“ eingereicht und ist
                                                                                         KONTAKT:
                                                                                                                               von der Agrarmarkt Austria und dem
                                                                                         LAG Mühlviertler Kernland
                                                                                         Telefon: 0043 7942 75111
                                                                                                                               Bundeskanzleramt Österreich bereits                      LANDWIRTE GESUCHT!
                                                                                                                               genehmigt. [awr]
                                                                                         office@leader-kernland.at
                                                                                                                                                                                         In der kommenden LandInForm-Ausgabe
                                                                                                                                                                                         wollen wir das Verhältnis von Landwirten
                                                                                                                                                                                         und Dörfern in den Fokus nehmen. Dabei
                                                                                                                                                                                         möchten wir auch Landwirte und Land-
                                                                                                                                                                                         wirtinnen porträtieren, die sich in ihrer
                                                                                         NEUER NACHBAR: WOLF                                                                             Dorfgemeinschaft für die Entwicklung
                                                                                                                                                                                         vor Ort einsetzen. Sie sind aktiv oder
                                                                                          Die französische LAG Belledonne nahe                                                           haben eine Geschichte zu erzählen? Die
                                                                                          Grenoble ist umgeben von Naturparken,                                                          LandInForm-Redaktion freut sich auf
                                                                                          in denen der Wolf ein neues Zuhause                                                            Rückmeldungen. [arh]
                                                                                          gefunden hat. Jetzt sucht sie nach Part-
                                                                                          nern zum Erfahrungsaustausch, die sich
                                                                                          mit den Folgen der Ansiedlung beschäf-
Fotos: DVS, Gunther_Krausz / Photocase, nicolasberlin / photocase, betyarlaca/ iStock

                                                                                          tigen und dabei Anwohner, Tourismus        KONTAKT:                                           SERVICE:
                                                                                          und alles, was die Region ausmacht,        Marion Chaumontet                                  Einen etwas ausführlicheren
                                                                                          berücksichtigen. [awr]                     GAL Belledonne                                     Aufruf gibt’s auch als Video auf dem
                                                                                                                                     marion.chaumontet@                                 DVS-Facebook-Kanal (s.o.).
                                                                                                                                     espacebelledonne.fr
                                                                                                                                     https://enrd.ec.europa.eu
                                                                                                                                     > Suche: GAL Belledonne                            KONTAKT:
                                                                                                                                                                                        Redaktion LandInForm
                                                                                                                                                                                        Telefon: 0228 6845-3461
                                                                                                                                     SERVICE:                                           landinform@ble.de
                                                                                                                                     Weitere Kooperationsgesuche
                                                                                                                                     finden Sie auf der DVS-Website:
                                                                                                                                     www.netzwerk-laendlicher-raum.
                                                                                                                                     de/kooperationen

                                                                                                                                                                                                  LandInForm 2/2019   5
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
FÜR DAS NETZWERK Rückblick

Das war
                                                                       Gemeinsam auf dem
                                                                       Weg zum Exkursionsziel

KIRCHE UND LEADER – WELTEN
VERBINDEN UND KRÄFTE BÜNDELN
Wie aktiv sind Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände als Akteure in LEADER-
Aktionsgruppen? Wie kann die Zusammenarbeit in Zukunft gestärkt werden?

Diese Fragen stellten sich über 120 Vertreter    Bürger im ländlichen Raum zu aktivieren,       über Netzwerkthemen hin zu regionalpoliti-
von LEADER-Aktionsgruppen und kirchlichen        denn nur die praktische Beteiligung vor Ort    schen Forderungen, Kirche und LEADER-
Institutionen, die vom 6. bis 8. März in den     könne die Menschen von Europa überzeugen.      Gruppen mögen doch (noch) aktiver aufein-
Westerwald kamen. Mit der Evangelischen                                                         ander zugehen.
Kirche in Deutschland, dem Deutschen Cari-       Kurzvorträge, Praxisforen, Exkursionen und
tasverband, der Diakonie Deutschland, der        Projekte der Kirchen: Die Teilnehmer lernten   Hartmut Berndt von der Bundesarbeitsge-
Deutschen Bischofskonferenz und weiteren         beispielsweise ein Kirchen-Netzwerk und        meinschaft der LEADER-Aktionsgruppen
Kooperationspartnern hatte die DVS die Ak-       touristische Projekte kennen, sowie solche,    betonte, dass soziale Themen stärker in den
teure eingeladen, sich besser kennenzuler-       deren Fokus auf Jugendengagement oder          Fokus der ländlichen Entwicklung gehörten
nen, Praxiserfahrungen auszutauschen und         in der Gemeinwesenarbeit liegt. Für wichtig    inklusive passgenauer Förderung. Superin-
zu überlegen, wie die Zusammenarbeit inten-      hielten die Diskussionsteilnehmer, dass zwi-   tendent Stefan Berk vom Kirchenkreis Witt-
siviert werden sollte.                           schen kirchlichen Akteuren und den LEADER-     genstein verwies darauf, dass LEADER jedoch
                                                 Regionen ein Austausch stattfindet, denn die   nicht Ersatz für fehlende Mittel der
Sich einmischen, Spielräume nutzen und Kir-      Kirche könne nicht nur ihr Engagement ein-     Kirchen sein könne. [stk]
che im Gemeinwesen verankern, um in Zeiten       bringen, sondern auch ihre Strukturen, die
des Wandels relevant zu sein, forderte Ralf      anderen, kleinen Trägern zugutekommen.
Kötter vom Institut für Aus-, Fort- und Wei-
terbildung in der Evangelischen Kirche von       An Thementischen spannte sich der Bogen
Westfalen. Susanne Melior, Mitglied des Eu-      von Projektthemen wie Umgang mit Leer-         SERVICE:
ropäischen Parlaments, betonte, dass LEA-        ständen, Nachhaltigkeit konkret, neuen         Dokumentation unter:
DER auch zukünftig wichtig bleibe, um die        Wohnformen in der alternden Gesellschaft       www.netzwerk-laendlicher-
                                                                                                raum.de/kircheundleader

     VORMERKEN
      12.+13.      Bundesweites LEADER-Treffen
      NOV
                   Merseburg bei Halle              LEADER: EINFACHER IN
      2019
                                                    GEGENWART UND ZUKUNFT?
                   www.netzwerk-laendlicher-raum.
                   de/leadertreffen                 Unterschiedliche Perspektiven anerken-      der Entwicklungsstrategien, eine Öffnung
                                                    nen, voneinander lernen, die Umsetzung      in Richtung Experiment, harmonisierte
                                                    von LEADER erleichtern: Etwa 50 Teil­       Regeln für Kooperationsprojekte, Verein-
                                                    nehmer aus dem Kreis der LEADER-Ver-        fachungen für (Klein-)Projekte und eine
                                                    waltungen, Zahl- und Bewilligungsstellen    Kontinuität im Regionalentwicklungspro-
                                                    sowie Regionalmanagements kamen zu          zess über das Ende der Förderperiode
                                                    einem DVS-Workshop am 26. und 27. März      hinaus oder zwischen den Förderperioden.
                   KONTAKT:                         2019 in Göttingen.                          Die LEADER-Referenten verabredeten,
                   Stefan Kämper, DVS                                                           gemeinsam aktiv die für LEADER relevanten
                   Telefon: 0228 6845-3722          Für die aktuelle Förderperiode ging es um   Passagen des nationalen Strategieplans
                   stefan.kaemper@ble.de            verbesserte Umsetzungsbedingungen: die      der Gemeinsamen Agrarpolitik zu entwi-
                                                                                                                                              Fotos: DVS/Helpap, danabeth555/ iStock

                                                    Bewertung angemessener Kosten durch         ckeln und neue Ideen mit den Zahlstellen
                                                    Ausschüsse, standardisierte Einheitskos-    abzustimmen. Dass LEADER in der ländli-
                   SERVICE:                         ten sowie Erleichterungen für kleine Pro-   chen Entwicklungspolitik gestärkt werden
                   Dokumentation unter:             jekte und Kooperationsprojekte. Für die     muss, darüber waren sich alle Teilnehmer
                   www.netzwerk-laendlicher-        Zukunft wurde klar: Aktionsgruppen wün-     einig. [stk]
                   raum.de/umsetzung                schen sich eine stärkere Verbindlichkeit

                6 LandInForm 2/2019
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
ZUSAMMENARBEIT
                                                FÜR DIE AGRARUMWELT
                                                Über den Agrarumweltschutz tauschten sich       der Agrarlandschaft effektiv zu schützen,
                                                Vertreter von Bund, Ländern und Verbänden       müssten 20 Prozent der Flächen extensiv ge-
                                                auf Einladung der DVS Mitte Mai in Bonn aus.    nutzt werden und weitere zehn Prozent für
                                                Zunächst stellte Wolfgang Löhe vom Bundes-      Biodiversitätsmaßnahmen zur Verfügung
                                                landwirtschaftsministerium den derzeitigen      stehen. Die wirksamsten Schutzmaßnahmen
                                                Prozess vor, mit dem die Gemeinsame Agrar-      im Acker seien Brachen, Blühstreifen und
                                                politik reformiert werden soll und der auch     Extensivgetreide; im Grünland der Schutz von
                                                den Europäischen Landwirtschaftsfonds für       Natura-2000-Gebieten, ebenso die extensive          SERVICE:
                                                die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)     Bewirtschaftung und Streuobst­flächen. Im           Dokumentation unter:
                                                betrifft: Anders als bisher wird es nur noch    zweiten Teil berichteten die Teilnehmer             www.netzwerk-laendlicher-
                                                einen Nationalen Strategieplan geben, der       jeweils für ihr Bundesland oder ihren Verband,      raum.de/aukm
                                                die erste und zweite Säule sowie die Entwick-   was sie tun, um die Umsetzung der Agrarum-
                                                lungsprogramme der Länder zusammenfasst.        weltmaßnahmen zu verbessern. Sie waren
                                                                                                sich einig, dass begleitende Maßnahmen, wie         KONTAKT:
                                                Anschließend präsentierte Rainer Oppermann      Beratung und Management, sowie die regio-           Dr. Jan Freese und
                                                vom Institut für Agrarökologie und Biodiver­    nale Unterstützung der Umsetzung von Agrar­         Simon Keelan, DVS
                                                sität eine Untersuchung zum Agrarumwelt-        umweltmaßnahmen förderlich und auch zur             Telefon: 0228 6845-3477, -3091
                                                schutz: Um auf Landschaftsebene die Zielarten   Zielerreichung nötig sind. [jaf]                    jan.freese@ble.de
                                                                                                                                                    simon.keelan@ble.de

                                                                                                STALLBAU UND TIERWOHL
                                                                                                Ein Transferbesuch führte rund 60 Vertreter aus Beratung, Verwaltung
                                                                                                und Forschung sowie vom Verbraucherschutz im März 2019 zu drei
                                                                                                hessischen landwirtschaftlichen Betrieben. Dabei ging es um die Frage:
                                                                                                Wie lässt sich eine besonders tiergerechte Haltung in Wert setzen?

                                                Der dritte Halt beim Transferbesuch:            Der Betrieb Sippel in Weilmünster hält rund         auf der Weide sind. Bei einigen Kühen sind
                                                der Betrieb Jung in Fronhausen mit rund         680 Mastschweine und setzt auf Transparenz.         leichte Verletzungen, die Spuren der in einer
                                                4 000 Legehennen in Mobilställen.               Er mästet mit hofeigenem Futter, verzichtet         Herde üblichen Rangkämpfe erkennbar,
                                                                                                auf Gentechnik und Antibiotika. Vom Hofladen        die Herde ist aber ruhig. Unter dem Label
                                                                                                können Kunden zum Schweinestall hinüber-            „Landmarkt“ beliefert der Betrieb zwei REWE-
                                                                                                gehen und sich durch ein Fenster im Stall           Filialen, die meisten Produkte vermarktet er
                                                                                                einen eigenen Eindruck von der Haltung der          aber über einen eigenen Kundenstamm von
                                                                                                Tiere machen. Die Kunden überzeuge vor              rund 2 000 Privathaushalten, die die hofeigene
                                                                                                allem die Nähe zum Schlachthaus, sagt der           Molkerei per Lieferservice bedient. Dabei
                                                                                                Betriebsleiter. Es liegt direkt an der Hofstelle.   setzt die Domäne erfolgreich auf ihren Eigen-
                                                                  SERVICE:                      Auf ein Tierwohl-Label könne er daher ver-          namen, das Bioland-Logo ist nur relativ klein
                                                                  Dokumentation zur             zichten. Neben dem Hofladen betreibt die            abgebildet.
                                                                  Veranstaltung online unter    Familie eine Filiale im Nachbarort, die Kom-
                                                                  www.netzwerk-laendlicher-     munikation dazu, wie sie ihre Tiere hält und        Der Transferbesuch fand im Rahmen der
                                                                  raum.de/stallbau
Grafik: Natala Krechetova / iStock, Foto: DVS

                                                                                                schlachtet, übernimmt sie komplett selbst.          Veranstaltungsreihe „Stallbau und Tierwohl“
                                                                                                                                                    statt, die die DVS in Kooperation mit dem
                                                                                                Die hessische Staatsdomäne Selgenhof, ein           Bundesverband der gemeinnützigen Landge-
                                                                  KONTAKT:                      Bioland-Hof, hält rund 190 Milchkühe – und          sellschaften anbietet. Die Exkursion ergänz-
                                                                  Bettina Rocha, DVS            zwar horntragende. Das ist insbesondere             ten Vorträge, beispielsweise zur Wirkung von
                                                                  Telefon: 0228 6845-3882       deshalb möglich, weil die Tiere im Sommer           Stallbauarchitektur auf Konsumenten. [ber]
                                                                  bettina.rocha@ble.de

                                                                                                                                                              LandInForm 2/2019    7
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
FÜR DAS NETZWERK Rückblick

Das war
                               Geflügel im Blick: die mobilen
                               Hühnerställe des Betriebs
                               „An der Biopforte“ beim Trans-
                               ferbesuch der Innovations-
                               dienstleister

EIP IN MOTION
Die DVS vernetzt Akteure aus den Europäischen
Innovationspartnerschaften „Landwirtschaftliche
Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-Agri).
Was war, ist und kommt.

In Deutschland setzen zwölf Bundesländer         gut angenommen wird“, sagt Natascha                und zum Projekt „Nachhaltige Biomassenut-
EIP-Agri um: In Operationellen Gruppen (OGs)     Orthen. Etwa 80 Projekte stellten sich auf         zung“, das die Pflege der sogenannten Knicks
erarbeiten Landwirte, Berater und Forscher       dem „Marktplatz“ vor und die Teilnehmer            in Schleswig-Holstein ökonomischer macht,
gemeinsam Antworten auf praxisnahe For-          konnten drei Schulungsangebote wahrneh-            schon online.
schungsfragen – zu unterschiedlichen Themen-     men. Kernanliegen war aber der Austausch.
feldern. Die DVS veranstaltet thematische        „Die Diskussion zu EIP-Agri in der neuen För-      Das kommt
Workshops, bei denen sich die Akteure aus-       derperiode war kontrovers, beispielsweise          In Kooperation mit der Tierärztlichen Hoch-
tauschen können. Im Februar 2019 drehte sich     darüber, ob es eine 100-Prozent-Förderung          schule Hannover und der Landwirtschafts-
zwei Tage lang alles um die Eiweißpflanzen.      geben soll“, sagt Bettina Rocha, die zweite        kammer Niedersachsen lädt die DVS für den
                                                 EIP-Vernetzerin in der DVS. „Der Austausch         2. und 3. Juli 2019 OGs zum Thema Geflügel-
Wenn der Rahmen stimmt                           hilft dabei, die eigene Rolle zu definieren.“ So   haltung ein. Neben dem Austausch stehen
Rund 30 Mitglieder von OGs trafen sich dazu      habe die Diskussion einen Verwaltungsrefe-         Vorträge zu aktuellen Entwicklungen mit kon-
im sächsischen Vogtland auf dem Hofgut           renten zum Grübeln gebracht: Er wolle seine        kreten Beispielen auf dem Programm – sowie
Eichigt, das Eiweißpflanzen anbaut. Sieben       Haltung nochmals überdenken, sagte er.             ein genauerer Blick auf den Tagungsort:
Projekte präsentierten sich dort. Dabei wurde    Auch Evaluatoren und Vertreter von Zahlstel-       Die Veranstaltung findet auf dem Lehr- und
deutlich, wie aktuell manche EIP-Agri-Fragen     len nahmen an dem bundesweiten Workshop            Forschungsgut Ruthe in Sarsted statt. [arh]
sind, beispielsweise inwieweit einheimische      dabei. „Die Stärke des Formats ist, dass alle
Eiweißpflanzen den Ackerbau und die Tier-        an EIP-Agri Beteiligten zusammenkommen“,
mast verändern können. Ergänzend hielten         findet Bettina Rocha. Dazu gehören auch die
Experten Vorträge und es stellten sich die       Innovationsdienstleister: Einige Länder ha-
Netzwerke DemoNet Erbse Bohne, OK NET            ben diese Berater etabliert, um ihre OGs zu        SERVICE:
ecofeet und Legumes Translated vor. „Bei         unterstützen. Speziell für die IDLs bietet die     Alle Informationen zu EIP gibt es
dem Thema passiert auch auf europäischer         DVS eigene Workshops an, die sie oft mit           online unter: www.netzwerk-laendlicher-
Ebene sehr viel“, sagt Natascha Orthen, die      Transferbesuchen auf Betrieben verknüpft.          raum.de/eip
in der DVS für die EIP-Agri-Vernetzung zu-       Im April 2019 hat der neunte stattgefunden.
ständig ist. Sie findet es gut, wenn möglichst
viele Akteure, die in einem Themen­bereich       Film ab!                                           TIPP:
aktiv sind, zusammenkommen.                      Rund 200 Forschungs-Praxis-Projekte sind           Sowie mindestens vier OGs
                                                 bisher in der Online-Datenbank zu EIP in           aus zwei Ländern Bedarf anmelden,
Alle Beteiligten zusammen                        Deutschland, die die DVS betreut, einge-           organisiert die DVS einen thematischen
Im März 2019 fand der dritte bundesweite         speist. Zahlreiche davon sind bereits abge-        Workshop.
Workshop für OGs und Innovationsdienst-          schlossen: Einige stellen ihre Ergebnisse auf
leister (IDLs) statt. Etwa 120 Teilnehmer ka-    thematisch passenden Portalen vor, bei-
men in der Stadtbrauerei im thüringischen        spielsweise dem Bundeszentrum für Land-            KONTAKT:
Arnstadt zusammen, darunter auch Vertreter       wirtschaft – zu anderen dreht die DVS aktuell      Natascha Orthen und Bettina Rocha, DVS
von Verwaltungsbehörden sowie europäische        Kurzfilme: Beispielsweise sind die über den        Telefon: 0228 6845-3268, -3882
Gäste. „Wir freuen uns, dass das Format so       mobilen Schlachthof der OG „Extrawurst“            natascha.orthen@ble.de,
                                                                                                    bettina.rocha@ble.de
                                                                                                                                                   Foto: DVS

             8 LandInForm 2/2019
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
Von der Braunkohle zu                                FÜR DAS NETZWERK Rückblick
                                                                                                                 erneuerbaren Energien:
                                                                                                                 ein Beispiel, was aus
                                                                                                                 einer Braunkohleregion
                                                       Das kommt                                                 werden kann.

                                                       SCHICHTWECHSEL IN BRAUNKOHLEREVIEREN!
                                                       Impulse, Austausch, Ideenschmiede und Exkursion
                                                       am 17. und 18. September 2019 im Helmstedter Revier

                                                       Was kommt, wenn die Kohle unter der Erde            reits in den Revieren passiert. Auf einer Exkursi-
                                                       bleibt? Diese Frage beschäftigt derzeit nicht nur   on erfahren wir zudem, welche Konflikte und
                                                       die Landes- und Bundespolitik, sondern insbe-       Perspektiven es im Braunkohlerevier Helmstedt
                                                       sondere die Menschen, die in einem der vier         gibt und was die Region bereits tut. Am zweiten
                                                       deutschen Braunkohlegebiete leben. Nicht nur        Tag wollen wir in einem kreativen Prozess kon-
                                                       landschaftlich werden sich diese massiv verän-      krete Projektideen und Ansätze der Teilnehmer
                                                       dern – auch ein großer Arbeitgeber bricht weg.      zur Gestaltung des Strukturwandels in Teams
                                                                                                           weiterentwickeln.
                                                       Die DVS und die LEADER-Region Grünes Band                                                                  KONTAKT:
                                                       im Landkreis Helmstedt wollen den Blick nach        Willkommen sind auch Vertreter aus anderen             Stephanie Müller, DVS
                                                       vorne lenken. Gemeinsam mit LEADER-Akteuren,        sich stark wirtschaftlich wandelnden Regionen          Telefon: 0228 6845-3998
                                                       Regionalpartnern und anderen Gestaltern des         – denn ein Austausch über die Braunkohlerevie-         stephanie.mueller@ble.de
                                                       Strukturwandels wollen wir beleuchten, was be-      re hinaus könnte das Treffen bereichern. [stm]         www.netzwerk-laendlicher-
                                                                                                                                                                  raum.de/schichtwechsel

                                                       GEMEINSAM REGIONALE                                      LEADER IN DEUTSCHLAND
                                                       DEMOKRATIE STÄRKEN                                       FÜR INTERNATIONALE GÄSTE
                                                       Für Mitte Oktober 2019 plant die DVS zusam-              Kultur, Handwerk und regionale Produkte aus dem
                                                       men mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaft­
                                                                                                                ehemaligen Grenzgebiet zwischen Thüringen und Bayern:
                                                       liches Engagement (BBE) zum dritten Mal eine
                                                       Veranstaltung: Es soll darum gehen, wie das              Das bietet die internationale LEADER-Exkursion im Herbst mit
                                                       gesellschaftliche Miteinander und die demo-              Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
                                                       kratischen Werte in ländlichen Gebieten ge-
                                                       stärkt werden können. Dazu schauen wir uns               Die DVS lädt gemeinsam mit dem Netz-            Außerdem besuchen wir die Arnikastadt
                                                       zunächst an, wer bereits im Bereich „Demo-               werk Zukunftsraum Land aus Österreich           Teuschnitz und probieren lokal produ-
                                                       kratiestärkung“ aktiv ist. Außerdem widmen               und der Netzwerkstelle für den ländli-          zierte Schokolade. [awe]
                                                       wir uns der Frage, wie regionale Netzwerke –             chen Raum aus Luxemburg zur Exkursion
                                                       etwa LEADER-Aktionsgruppen und Partner-                  vom 30. September bis 2. Oktober 2019
                                                       schaften für Demokratie (PfDs) – gemeinsam               ein. Wie im Vorjahr in Österreich geht es
                                                       an dem Thema und Projekten arbeiten kön-                 um beispielhafte LEADER-Projekte und
                                                       nen. Die Veranstaltung richtet sich an Aktive            den internationalen Austausch.                  SERVICE:
                                                       in der ländlichen Entwicklung. [stk/ima]                                                                 Die Teilnehmerzahl ist auf
                                                                                                                Starten werden wir in der Region Saale-         50 Personen begrenzt. Die An-
                                                                                                                Orla mit Kultur. Bei einer Rundreise            meldung ist ab Mitte Juni 2019
                                                                                                                erleben wir eine besondere Bahnfahrt,           möglich unter:
                                                                                                                Geschichte, regionale Fisch- und Käse-          www.netzwerk-laendlicher-
                                                       SERVICE:                                                 Spezialitäten sowie traditionelles Hand-
                                                       Termin und Programminfos ab                                                                              raum.de/leader-international
                                                                                                                werk. Auch innovative Ideen zum Umgang
Fotos: ArminStautBerlin, GreenTana , unipict/ iStock

                                                       Mitte Juli: www.netzwerk-laendlicher-                    mit Ehrenamt und alten Menschen sind
                                                       raum.de/demokratie                                       Teil des Programms. Nach einer Über-
                                                                                                                nachtung in der Festung im Landkreis            KONTAKT:
                                                                                                                Kronach, der zweiten LEADER-Region,             Anke Wehmeyer und
                                                       KONTAKT:                                                 geht es tropisch weiter: Bananen und            Isabell Friess, DVS
                                                       Stefan Kämper, DVS                                       Kakaofrüchte in Bio-Qualität – die bietet       Telefon: 0228 6845-3841, -3459
                                                       Telefon: 0228 6845-3722                                  das Tropenhaus Klein Eden an.                   anke.wehmeyer@ble.de
                                                       stefan.kaemper@ble.de                                                                                    isabell.friess@ble.de

                                                                                                                                                                      LandInForm 2/2019   9
Geht's besser - Netzwerk Ländliche Räume
IM FOKUS Bürger und Kommune

IM FOKUS

Bürger und
Kommune:
Zusammen
geht’s besser
Viele aktuelle Probleme wie der demografische Wandel
sind komplex: Um sie zu lösen, gilt es, unterschiedliche
Sichtweisen und Kenntnisse zu berücksichtigen.
Häufig arbeiten dazu Kommunen und Bürger zusammen.
Wie gelingt das? Und was braucht es dazu?
Fotos: Inimma /iStock, IrynaDanyliuk /iStock, alvarez /iStock, TommL /iStock, Zeichnung: Meike Gerstenberg, Montage: MedienMelange

     LandInForm 2/2019
                                                                                                                                     IM FOKUS Bürger und Kommune

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IM FOKUS Bürger und Kommune

Bürger, Kommunen
und Verwaltung:
neue Perspektiven?
Für die Zusammenarbeit von Bürgern und Kommunen ist
entscheidend, wie die Verwaltungen aufgestellt sind.
Denn überlastete Verwaltungsmitarbeiter in überholten
Strukturen haben keine Kapazitäten, um Bürgerinitiativen
zu unterstützen. [VON JÜRGEN STEMBER]

              Die ländlichen Räume müssen sich heute demografischen      Arbeitszeiten, werden zunehmend relativiert. Es gibt
              und technologischen Entwicklungen stellen. Diese           jedoch dennoch Strategien für den ländlichen Raum,
              Wandlungsprozesse wirken sich auf das politisch-admi-      um Bürgernähe herzustellen und dem Gefühl der staat-
              nistrative System und damit das Verhältnis zwischen        lichen Ab- oder gar Ausgrenzung entgegenzuwirken.
              Bürgern, Politik und Verwaltung aus. Dabei stehen nicht
              nur Fragen der Gestaltung und des Zusammenhalts,           Kommune als Ordnungs- und Leistungsverwaltung
              sondern auch der zukünftigen Rolle der Verwaltung auf      Auf der Ebene der Kommunalverwaltung als Dienstleis-
              dem Plan. Welche Rolle kann die Kommune als Ord-           ter könnten bislang nicht ausgeschöpfte Kooperations-
              nungs- und Leistungsverwaltung einnehmen? Wie fun-         potenziale erschlossen werden. Wer hierbei instinktiv
              gieren Verwaltung und Politik als Gestalter? Und wie       an Gebietsreformen denkt, liegt grundlegend falsch
              ermöglichen sie Teilhabe?                                  (siehe dazu auch Beitrag auf Seite 16). Denn dadurch
                                                                         wurden keine entscheidenden Veränderungen bewirkt,
              In den öffentlichen Verwaltungen und besonders den         nur Änderungen der räumlichen Skalierung. Oder um
              Kommunalverwaltungen der ländlichen Regionen               es konkreter zu formulieren: Die Städte, Gemeinden
              sorgen die demografischen Entwicklungen für eine           oder Kreise sind räumlich und institutionell größer
              Verschärfung der bereits bestehenden Strukturproble-       geworden, ihre Dienstleistungsangebote haben sich
              me. Die Folgen sind drastisch. Es gibt erhebliche Nach-    jedoch in den meisten Fällen nicht oder nur marginal
              wuchsprobleme, einen hohen und weiter steigenden           verändert, wodurch sich letztlich die Erreichbarkeit
              Bedarf an qualifizierten Fachkräften und einen deutlich    noch verschlechtert hat.
              erhöhten Weiterbildungsbedarf. In ländlichen Räumen
              bieten Verwaltungen ihren Mitarbeitern nicht so viele      Wesentlich Erfolg versprechender sind organisatorische
              Anreize wie in Ballungsräumen, so dass nicht mehr alle     Basisveränderungen, wie eine Differenzierung zwischen
              offenen Stellen besetzt werden können. Aufgaben müs-       Front- und Backoffice-Tätigkeiten: Dieses Organisations­
              sen deshalb angepasst oder können in Zukunft gar nicht     prinzip ermöglicht die verstärkte Kooperation bei den
              mehr erledigt werden. Die horizontale und vertikale        Arbeiten, die in einer Verwaltung in den Fachabteilungen
              Konkurrenzsituation zwischen den Verwaltungen um           erfolgen und denjenigen Tätigkeiten, die dem Service,
              die Fachkräfte ist voll entbrannt und die traditionellen   etwa dem Kontakt mit dem Bürger dienen. Und die
              Vorteile einer Verwaltungsbeschäftigung, wie unbefris-     verstärkte Kooperation von Städten, Gemeinden und
              tete Arbeitsverhältnisse und familienfreundliche           Kreisen im Backoffice-Bereich erzeugt Effizienzgewinne

 12 LandInForm 2/2019
IM FOKUS Bürger und Kommune

                         und neue Kapazitäten, die wiederum in den erweiterten       Verwaltung und Politik als Ort der Teilhabe
                         Service, das Frontoffice, fließen können.                   Und nicht zuletzt wird dadurch die Ebene der Verwal-
                                                                                     tung und Politik als Ort der Teilhabe und Partizipation
                         Diese spezielle Form von interkommunaler Kooperation        berührt, auf der ebenfalls wichtige und notwendige Im-
                         ist unter dem Begriff der „Shared Services“ im Sinne von    pulse gesetzt werden können. Vorhandene Bürgernetz-
                         „gemeinsamen Diensten“ bekannt – und funktioniert           werke, Ehrenämter oder Vereine einzubinden und zu
                         auch für die öffentliche Verwaltung. Zwei oder mehrere      stärken und neue Initiativen zu gründen, sind keine
                         Verwaltungen greifen dazu auf einen gemeinsam neu           Herausforderungen für das politisch-administrative
                         gebildeten, einen bestehenden oder einen ausgelager-        System: Die engagierten Bürger sind wichtige Verbünde-
                         ten Organisationsbereich zurück. Durch ein Shared-Ser-      te, um Gestaltungswille und -möglichkeiten im Sinne
                         vice-Center werden Ressourcen gemeinsam genutzt,            einer demokratischen Festigung insgesamt zu stärken.
                         die vorher auf eine größere Anzahl von Einheiten oder       Das klassische Rollenverhältnis zwischen Bürger, Politik
                         Verwaltungen verteilt waren. Dies könnte im Personal-       und Verwaltung würde neu definiert, wenn politische
                         bereich, der Beschaffung und den zentralen Diensten         Anstöße durch Initiativen oder den Bürgern selbst erfol-
                         funktionieren, kurzum in jedem Bereich, der nicht un-       gen. Nicht selten gab es sowohl seitens der Verwaltung
                         mittelbar mit der direkten Bearbeitung der Bürgeranlie-     als auch der Politik gegenüber derartigen Initiativen
                         gen zu tun hat.                                             Vorbehalte bezüglich der Professionalität und der de-
                                                                                     mokratischen Legitimation. Doch sieht man in einem
                         Eine grundlegende Aufgabenneuordnung sowie der              solchen Paradigmenwechsel diese Initiativen nicht als
                         Einsatz von IT, dem E-Government, würde im ländlichen       Störung des kommunalpolitischen Alltags, sondern als
                         Raum darüber hinaus neue Service-Qualitäten erschlie-       eine wichtige Bereicherung – im Sinne von innovativem
                         ßen. So könnten etwa mobile Verwaltungsmitarbeiter          und neuem Denken –, so können sich daraus neue
                         Dienstleistungen in die Dörfer bringen. In multifunktio-    Chancen für den ländlichen Raum entwickeln. Die Füh-
                         nalen Service-Läden, die Verwaltungsdienstleistungen        rungskräfte der Verwaltung, aber vor allem die Bürger-
                         gemeinsam mit anderen, durchaus auch privaten               meister und Landräte könnten und sollten die Initiative
                         Dienstleistungen – wie Post oder Einkaufsmöglichkeiten      übernehmen, um diesen Prozess anzustoßen.
                         – ortsnah anbieten, wären vorbereitende Aktivitäten für
                         die Verwaltung möglich. Es ist letztlich wichtig, Verwal-   Die neuen Möglichkeiten der Teilhabe, wie Online-Parti-
                         tungsdienstleistungen auf unterschiedlichen Wegen und       zipationen und -Abstimmungen, verdeutlichen, dass
                         in innovativen Formen als Multi-Channel-Management          sich regionale Demokratie neu erfinden kann. Nicht zu-
                         im ländlichen Raum neu zu strukturieren. In der Kombi-      letzt zeigen Pilotprojekte, wie das Projekt „Open-
                         nation wären dies neue Qualitäts- und Service-Gewinne       Government-Modellkommunen“ des Bundesinnenmi-
                         für alle Bürger auf dem Land, die durch die Kooperatio-     nisteriums, dass es nicht nur wichtig, sondern vor allem
                         nen im Back-Office-Bereich finanziert und ermöglicht        auch möglich ist, das Handeln von Politik und Verwal-
                         werden könnten.                                             tungen im ländlichen Raum zu öffnen und transparenter
                                                                                     zu machen. Die ländlichen Räume haben zwar gewichti-
                         Verwaltung und Politik als Gestalter                        ge Entwicklungsnachteile, verfügen jedoch über wesent-
                         Auf Ebene der Verwaltung und der Politik als Gestalter      liche Optionen, die eigene Entwicklung in die Hand zu
                         kommt es entscheidend darauf an, spezifische und auf        nehmen. Verwaltungen und Politik können dazu einen
                         den jeweiligen Standort bezogene Entwicklungskonzep-        wichtigen, wenn nicht sogar entscheidenden Beitrag
                         te zu entwerfen. Denn nur durch nachholende Entwick-        leisten, indem sie als Innovationsvorreiter vorangehen
                         lungen können die ländlichen Räume keinen Attraktivi-       und wesentliche Gestaltungsfunktionen
                         tätsgewinn gegenüber den Zentren erzielen. Deshalb          nicht nur für, sondern vor allem mit
                         gilt es für Politik und Verwaltung, gemeinsam Aktivitä-     den Bürgern wahrnehmen.
                         ten und Initiativen zu entwickeln, die auf eigenständige
                         Innovationen im Bereich der Wirtschaft, der Mobilität,                                                 SERVICE:
                         der Förderung der lokalen Wirtschaft und der Schaffung
                                                                                                                               Zum Weiterlesen: Joachim Beck und
                         neuer Bildungs- und Kulturangebote abzielen. Denkbar
                                                                                                                              Jürgen Stember: Wie Open Government
Grafik: mtitus /istock

                         wären Innovationskonzepte für Existenzgründungen im
                                                                                                                              auf kommunaler Ebene gelingt. In:
                         ländlichen Raum, die frühzeitig mit geeigneten Partnern
                                                                                                                             Innovative Verwaltung, H. 10/2018
                         aus Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt werden und
                         so endogene Potenziale erschließen könnten.
                                                                                                                                KONTAKT:
                                                                                                                                Prof. Dr. Jürgen Stember
                                                                                                                               Hochschule Harz
                                                                                                                              Fachbereich Verwaltungswissenschaften
                                                                                                                              Telefon: 03943 659-419
                                                                                                                             jstember@hs-harz.de
                                                                                                                             www.hs-harz.de

                                                                                                                                     LandInForm 2/2019   13
IM FOKUS Bürger und Kommune

Bürger
beteiligen!
Kommunen können davon profitieren, wenn sich Bürger
einbringen. Denn das Engagement und das Wissen
vieler hilft, mit den aktuellen gesellschaftlichen
Herausforderungen besser umzugehen. [VON MICHÈLE MORNER]

Für Kommunen wird es aus zwei Gründen wichtiger, ihre Bürger zu          fördern. Wichtige Voraussetzungen dafür sind, dass prinzipiell alle
beteiligen: Zum einen sind die Herausforderungen unserer Zeit wie        mitmachen dürfen, die möchten, und die Beteiligten den Prozess als
der demografische Wandel, der Klimawandel und die Migration vor          fair wahrnehmen. Des Weiteren bedarf es bestimmter Regeln und
Ort komplexe Probleme. Sie können nur dadurch gehandhabt wer-            vor allem deren Einhaltung sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung.
den, dass verschiedene Expertisen, Denkweisen und Perspektiven,          Darüber hinaus müssen die Beteiligten eine Sinnhaftigkeit und Nach-
etwa der betroffenen Bürger, einfließen. Zum anderen fühlen sich         haltigkeit in den Prozessen sehen und sich wertgeschätzt fühlen.
Bürger, die sich in Entscheidungsprozesse einbringen können, wahr-
genommen und sind von sich aus stärker motiviert, sich in die            Wichtig: Austauschmöglichkeiten
Weiterentwicklung der Kommune einzubringen.                              Verständnis für die Werte und Ziele anderer entsteht am ehesten
                                                                         durch häufige Interaktion und Kommunikation. Dafür müssen in
Damit in Beteiligungsprozessen die Perspektiven aller Beteiligter zu-    Kommunen Räume geschaffen werden, wie etwa Bürgerforen, in
sammengebracht werden können, müssen die Bürger allerdings auch          denen sich die Teilnehmer austauschen, Kontakte knüpfen und
fähig sein, unterschiedliche Argumente zu verstehen. Dies setzt nicht    Vertrauen aufbauen. So können sie voneinander oder von Experten
nur die Bereitschaft der Kommune voraus, ihnen Handlungs- und            lernen und gemeinsame Lösungsansätze entwickeln. Dabei ist es im
Entscheidungsspielräume zu geben, sondern erfordert auch, sie dar-       Grunde eine gute Ausgangsposition, wenn keiner der Beteiligten
auf vorzubereiten, dabei zu begleiten und zu unterstützen. Während       allein über genügend Wissen zur Problemlösung verfügt, da sich

                                                                                                                                                 Foto: 123RF / lauradibiase
die Bürger so die Gelegenheit erhalten, Wissen und Meinungen aus-        dann der Abstimmungsbedarf von alleine ergibt. Im Idealfall verfügen
zutauschen und weiterzugeben, erhalten die Behördenvertreter die         die Akteure über gleichwertige Kompetenzen aus verschiedenen
Möglichkeit, fachliche und örtliche Expertisen aufzugreifen, Verständ-   Bereichen, denn dies ist Voraussetzung dafür, dass sie sich als eben-
nis für den rechtlichen Rahmen zu wecken und die Komplexität von         bürtige Interaktionspartner verstehen.
Abwägungsprozessen darzustellen. So wird Bürgerbeteiligung zu
einem Sozialisationsprozess.

Wider die Politikverdrossenheit
Probleme nicht nur den Verantwortlichen der Kommune zu überlas-                                SERVICE:
sen, sondern stärker zu vergesellschaften, erscheint auch vor dem
                                                                                              Zum Weiterlesen: Michèle Morner, Manuel Misgeld:
Hintergrund des aktuellen Wertewandels ein Muss. Viele Menschen
                                                                                              Governing Public Value. How to Foster Knowledge-
verspüren heute einen Wunsch nach Selbstentfaltung und sind
                                                                                             Intensive Collaboration in the Public Sector, in:
ausreichend gebildet, um sich gewinnbringend zu engagieren; gleich-
                                                                                            Studies in Public and Non-Profit Governance, Vol. 2,
zeitig hat die Pflicht an Wert verloren. Können Bürger Einfluss auf
                                                                                            2014, Emerald Group Publishing: Bingley, S. 41-57
kommunale Entscheidungen nehmen, steigt ihr Verantwortungsge-
fühl für das große Ganze: Im besten Fall sinkt damit auch die Politik-
verdrossenheit und sie sind dazu bereit, ihre individuellen Ziele de-                          KONTAKT:
nen der Kommune unterzuordnen. Vor diesem Hintergrund stellt
                                                                                             Prof. Dr. Michèle Morner
der Sozialwissenschaftler Siegfried Mauch die These auf, dass sich
                                                                                             Deutsche Universität für
eine bürgerdemokratische Gemeinschaft nur dann entwickeln kann,
                                                                                            Verwaltungswissenschaften Speyer
wenn Verwaltungen beteiligungsoffen sind und die Bürger gleich-
                                                                                            Telefon: 06232 654-276
zeitig von sich aus Interesse an freiwilliger Beteiligung haben.
                                                                                           morner@uni-speyer.de
                                                                                           www.uni-speyer.de
Die Motivationstheorie hat einige Faktoren identifiziert, die solch
eine intrinsische Motivation, also ein Handeln aus eigenem Antrieb

           14 LandInForm 2/2019
IM FOKUS Bürger und Kommune

                        Bürgerkredite
                        für Kommunen
                        Kommunen können oft nicht selbst entscheiden, wofür sie Geld ausgeben.
                        Das kann sich negativ auf das Demokratieverständnis ihrer Bürger auswirken.
                        Ein Ansatz: Crowdfunding. So könnten Bürger in kommunale Projekte investieren,
                        die sie sinnvoll finden. [VON FLORIAN SCHILLING]

                        8,7 Milliarden Euro. Mit diesem Über-        Kommunale Finanzautonomie sichern              gerade auch finanzschwächere Kommu-
                        schuss haben Kommunen statistisch            Wie können Kommunen also finanziell            nen im ländlichen Raum stärken.
                        das Jahr 2018 abgeschlossen. Das bedeu-      stärker werden? Aus Sicht des Deutschen
                        tet aber nicht, dass alle auch tatsächlich   Städte- und Gemeindebundes sind vor al-        Bürger könnten investieren
                        einen Überschuss erwirtschaften konnten.     lem zwei Dinge erforderlich: Zum einen         Ein ergänzendes Finanzierungsinstrument
                        Trotz sprudelnder Steuereinnahmen und        müsste der Bund mehr kommunale Sozi-           für kommunale Investitionen kann in
                        Rekordbeschäftigung gelingt es etlichen                                                     Zukunft, gerade auch in kleineren Gemein-
                        Städten und Gemeinden nicht oder nur                                                        den, das Crowdfunding darstellen. Im Mit-
                        schwer, ausgeglichene Haushalte zu erzie-                                                   telpunkt stünde weniger die Wirtschaft-
                        len. Die über viele Jahre mangelhafte und                                                   lichkeit aus Sicht der Kommune. Vielmehr
                        wenig aufgabengerechte Finanzausstat-                                                       wäre es eine Möglichkeit, Bürger direkt
                        tung hat zu hohen kommunalen Altschul-                                                      mit einzubeziehen. Durch ihr Engagement
                        den und einem massiven Investitionsrück-                                                    würden sie sich stärker mit dem Infrastruk-
                        stand von zuletzt rund 159 Milliarden Euro                                                  turprojekt identifizieren. So ließe sich auch
                        geführt. Die Schere zwischen finanzstar-                                                    sicherstellen, dass nicht am Bedarf vor-
                        ken und -schwachen Kommunen wird                                                            beigebaut wird. Am bekanntesten ist der
                        größer.                                                                                     Bürgerkredit. Dabei erhält der Bürger –

                        Gerade finanzschwache Städte und Ge-
                        meinden sind in ihrer Handlungsfähigkeit                                                    anders als beim spenden- oder gegenleis-
                        stark eingeschränkt. Zweckgebundene                                                         tungsbasierten Crowdfunding – seinen
                        Ausgaben – vor allem Transferleistungen      alkosten übernehmen, zum anderen ist           finanziellen Beitrag vollständig und ver-
                        im Sozialbereich – steigen. Ihre Höhe        die gemeindliche Steuerbasis zu stärken.       zinst zurück. Diese schwarmfinanzierten
                        können die Kommunen nicht selbst be-         Hierzu gilt es zunächst, die konjunkturun-     kommunalen Projekte müssen für die
                        stimmen. Dadurch wird der Spielraum          abhängige Grundsteuer zu sichern: Das          Bürger einen unmittelbaren Nutzen und
                        für freiwillige Aufgaben kleiner. Spiel-     Gesetzgebungsverfahren muss binnen             sichtbaren Mehrwert haben. Bei Schulen,
                        plätze, Bäder oder kulturelle Einrichtun-    Jahresfrist abgeschlossen sein, ansonsten      Bädern und der Feuerwehr trifft das auf
                        gen können nicht mehr errichtet, unter-      kann die Grundsteuer bereits ab dem Jahr       jeden Fall zu.
                        halten oder bespielt werden. Notwendige      2020 nicht mehr erhoben werden. Weiter-
                        Investitionen in Schulen und Straßen         hin ist die Gewerbesteuerpflicht auch auf
                        mussten und müssen teilweise immer           Selbstständige auszuweiten. Um die kom-
                        noch aufgeschoben werden. Das wirkt          munale Steuerautonomie zu stärken, soll-                          KONTAKT:
                        sich unmittelbar auf die Lebensqualität      te der gemeindliche Umsatzsteueranteil                           Florian Schilling
                        der Bürger vor Ort aus. Eine mangel-         zu Lasten des Bundes beziehungsweise                            Deutscher Städte- und
                        hafte Finanzautonomie schränkt die           der Länder erhöht werden. Dabei sollten                         Gemeindebund
Fotos: ribkhan/iStock

                        kommunale Selbstverwaltung derart ein,       die zusätzlichen Umsatzsteuermittel allein                     Telefon: 030 77307-205
                        dass eine lebendige Demokratie in den        nach der Einwohnerzahl verteilt werden,                       florian.schilling@dstgb.de
                        Städten und Gemeinden vor Ort massiv         auf wirtschaftskraftbezogene Kennzahlen                       www.dstgb.de
                        gefährdet ist.                               sollte dabei verzichtet werden. Das würde

                                                                                                                             LandInForm 2/2019   15
IM FOKUS Bürger und Kommune

Größe allein
ist nicht alles
Gebietsreformen sind ein Thema, das Politik, Wissenschaft
und Bevölkerung schon seit Jahrzehnten beschäftigt. Was
bringen sie? Und wie wirken sie sich auf die Beteiligung aus?
[VON GISELA FÄRBER UND KARIN GLASHAUSER]

                        In den 1970er-Jahren ging es los: Während zu Beginn        Negative Folgen für die Partizipation
                        dieses Jahrzehnts in den westdeutschen Bundesländern       Neueste Studien zeigen zudem, dass sich Gebietsrefor-
                        Gebietsfusionen auf Gemeinde- und Kreisebene statt-        men negativ auf das aktive und passive Wahlrecht aus-
                        fanden, schlossen nach der deutschen Vereinigung die       wirken. Die Wege für Ehrenamtliche verlängern sich und
                        ostdeutschen Länder zunächst viele ihrer Landkreise        das politische Geschehen erscheint ferner, was sich
                        zusammen. Später führten einige von ihnen Territorial-     wiederum in Nicht- und Protestwahl äußert. Geringere
                        reformen durch, fusionierten Kreise und kreisten zuvor     Zahlen an ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, die sich
                        kreisfreie Städte ein. Mecklenburg-Vorpommern weist        vor Ort engagieren und die Politikinhalte in die Bevölke-
                        heute die größten Flächenlandkreise der Bundesrepub-       rung tragen, führen zu einem geringeren Interesse der
                        lik auf. Seit zehn Jahren werden auch in Rheinland-Pfalz   Bevölkerung für die öffentlichen Belange vor Ort. Mit
                        Orts- und Verbandsgemeinden fusioniert. Zumeist wur-       dem Gefühl, immer weniger Einfluss zu haben, verrin-
                        den und werden die neuen Gebietskörperschaften tech-       gert sich die Identifikation der Menschen mit ihrem Ort.
                        nokratisch über Mindesteinwohnerzahlen und -flächen
                        definiert, die häufig wenig Rücksicht auf gewachsene       Insgesamt fehlt es an Forschung, wie sich die Gebietsre-
                        Identitäten vor Ort nehmen.                                formen auf die regionale und lokale Bevölkerungsent-
                                                                                   wicklung und die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort
                        Die Folgen des demografischen Wandels, prekäre kom-        tatsächlich ausgewirkt haben. Letztlich scheinen aber
                        munale Haushaltslagen und der Wunsch nach einer ge-        die Nachteile die sich kaum einstellenden Vorteile zu

                                                                                                                                               Grafik: rbiedermann/iStock.com
                        steigerten Leistungsfähigkeit der Verwaltungen sind Be-    überwiegen. Deshalb sollten alternative Lösungen wie
                        gründungen für Gebietsreformen. Man erhoffte sich von      Kooperationen zwischen den Kommunen vorangetrie-
                        den Reformen eine Reduzierung der hohen Schulden-          ben werden. Eine Trennung in Backoffice und Frontoffice
                        stände einiger Kommunen und ging davon aus, dass           wäre denkbar: Administrative, übergeordnete Aufgaben
                        eine vergrößerte Verwaltung leistungsfähiger ist, insbe-   könnten von denjenigen getrennt werden, die den Kon-
                        sondere, weil größere Kommunen mehr höher dotierte         takt zu den Bürgern erfordern.
                        Stellen für qualifizierteres Personal anbieten können.

                        Keine Einsparungen                                                  SERVICE:
                        Die erhofften Einsparungen stellten sich jedoch, wie                Hintergrund: Im Rahmen der Bund-Länder-
                        neuere Studien belegen, kaum ein. Das liegt vor allem              Initiative „Innovative Hochschule“ des Bundes­
                        daran, dass ein Großteil der kommunalen Ausgaben                  forschungsministeriums betrachtet die Universität
                        Transferleistungen für den Sozialbereich, also zumeist           Speyer den „Wissens- und Ideentransfer für Inno-
                        Pflichtaufgaben sind, die sich nicht einsparen lassen.           vationen in der Verwaltung“ sowie im Teilprojekt
                        Außerdem ändern sich durch die Fusion vorher selbst-            „Kooperation Vorderpfalz“ den Einfluss von
                        ständiger Kommunen nicht die Siedlungsstrukturen, die           Gemeindegrößen.
                        die Kosten für die kommunale Infrastruktur langfristig
                        bestimmen. Um bei Abstimmungen Mehrheiten für den
                        kommunalen Haushalt zu gewinnen, müssen zudem alle                  KONTAKT:
                        neuen Ortsteile bedient werden. Das führte häufig sogar            Prof. Dr. Gisela Färber, Karin Glashauser
                        zu höheren Ausgaben. Gleichzeitig bedeuten Gebietsre-             Deutsche Universität für
                        formen, dass Gebäude und Liegenschaften sowie Inves-              Verwaltungswissenschaften Speyer
                        titionsschulden von den neuen Kommunen übernom-                  glashauser@uni-speyer.de
                        men werden müssen.                                               www.uni-speyer.de

          16 LandInForm 2/2019
IM FOKUS Bürger und Kommune

               Gebietsreformen
               zerschlagen
               das Ehrenamt
               Werden kleine Gemeinden durch Gebietsreformen
               zusammengeschlossen, verlieren sie einen Teil
               ihrer Mitbestimmungsrechte. Die Dorfbewegung
               Brandenburg will dies ändern.

               Frank Schütz ist ehrenamtlicher Bürgermeister der         Wie können eingemeindete Ortsteile wieder
               Gemeinde Golzow und Vorstand der Dorfbewegung             mehr Handlungsspielraum erhalten?
               Brandenburg e. V. – Netzwerk Lebendige Dörfer.            Wir brauchen mehr Beteiligungsrechte, um in den
                                                                                                                                    Wir brauchen
               www.lebendige-doerfer.de                                  Ortsteilen und selbstständigen kleinen Gemeinden
                                                                         Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Ortsbeiräte     mehr Beteiligungs-
                                                                         müssen ein Mitglieds- und Vetorecht in den Gemeinde-
                                                                         räten bekommen. Die ganze Zusammenlegeritis ent-
                                                                                                                                    rechte für
               Herr Schütz, der Druck von kommunaler Ebene               steht ja aus Demografieangst. Dabei sollte man die         die Ortsteile.“
               hat dafür gesorgt, dass eine Gemeindegebietsre-           Infrastrukturen stärken, um die Ortschaften attraktiv
               form in Brandenburg im Jahr 2017 abgesagt wurde.          für Einwohner und Zuzügler zu machen. Vor allem im
               Was wären aus Ihrer Sicht die Konsequenzen                Umkreis von Ballungszentren böte das den Gemeinden
               einer solchen Reform gewesen?                             Chancen, die auch die Städte entlasten würden, etwa
               Die Frage ist: Was könnten die entstandenen Ortsteile     in Bezug auf knappen Wohnraum. Ortsteilbudgets sind
               einer Gemeinde dann noch entscheiden? Sie hätten          ein weiteres wichtiges Instrument, das zum Beispiel in
               noch nicht einmal bei der Flächennutzungsplanung          der brandenburgischen Gemeinde Storkow sehr gut
               Vetorecht, geschweige denn bei der Bauleitplanung.        funktioniert, da sie je nach Bedarf der Ortsteile und
               Das Recht auf Trägerschaft für Schulen und Kinder-        nach Haushaltslage der Kommune festgelegt werden
               gärten ginge verloren. Auch Golzow hätte die Träger-      (siehe Seiten 20 – 21). So können schnell und unbürokra-
               schaft für seine Schule abgeben müssen. Die einge-        tisch Mängel beseitigt werden. Auch Dorfmoderatoren
               meindeten Ortsteile werden quasi handlungsunfähig         sind als Schnittstelle zwischen Ehrenamtlern und Kom-
               und würden womöglich innerhalb der Politik einer          munalpolitikern wichtig, sie verschaffen den Belangen
               größeren Gemeinde untergehen, denn die Ortsvorsteher      der Ortsteile Gehör. Um den dafür notwendigen Rahmen
               haben kein Stimmrecht in den Gemeinderäten. Auch der      zu schaffen, sind unter anderem die vorhandenen
               Amtsausschuss besteht in der Regel aus den hauptamt-      LEADER-Strukturen gut geeignet.
               lichen Bürgermeistern der Gemeinden, sie werden nicht
               in den Ausschuss gewählt, sondern abgeordnet. Eine        Wie verschafft die Dorfbewegung Brandenburg
               zentrale Folge wäre die Zerschlagung des Ehrenamts        den Ortsteilen mehr Gehör?
               in den Ortsteilen, denn die Ortsvorsteher arbeiten        Wir bringen uns in die Politik auf Landesebene ein.
               ehrenamtlich. Wenn sich durch Gebietsreformen immer       Kürzlich haben wir eine Stellungnahme zum Abschluss-
               mehr Handlungsspielraum von der ehrenamtlichen            bericht der Enquetekommission zur Zukunft der ländli-
               auf die Verwaltungsseite verlagert, wird der Bedarf       chen Regionen abgegeben und verfolgen genau, was
               direkt vor Ort nicht mehr erkannt oder zu langsam         damit passiert. An der Bildungsstätte Schloss Trebnitz
               reagiert. Das fördert Politikverdrossenheit.              haben wir eine „Akademie der Dorfhelden“ ins Leben
                                                                         gerufen, bei der ehrenamtlich Engagierte zusammen-
               Können Sie auch einigen Argumenten pro                    kommen können, nützliche Informationen und Hinweise
               Gebietsreformen etwas abgewinnen?                         erhalten, für ihre Arbeit Wertschätzung erfahren und
               Dass die kommunalen Verwaltungsstrukturen moderni-        ihr Wissen weitergeben. Wir kommunizieren außerdem
               siert werden müssen, ist unumstritten. Unsere Schluss-    eng mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund,
               folgerung für Golzow ist aber, dass wir die Zusammen-     ich selbst bin Mitglied in der Arbeitsgruppe „Ehrenamt-
               arbeit zwischen den einzelnen kommunalen Ämtern           liche Bürgermeister“, um wichtige politische Akzente
               verbessern müssen und zielgerichtet moderne Medien        für selbstständige Kommunen setzen zu können.
               nutzen wollen, um die Verwaltung effizienter zu machen.
Foto: privat

               Daran arbeiten wir gerade.                                Vielen Dank für das Gespräch.
                                                                         Das Interview führte Juliane Mante.

                                                                                                                         LandInForm 2/2019   17
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