LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV

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LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
LANDTAG                        LANDTAGS
                                    NACHRICHTEN
      Mecklenburg-Vorpommern

                                                                                              22. Mai
                                                                                             4 / 2019
                                                                                   www.landtag-mv.de

                      +++ Zum Tode von Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider +++
+++ Finanzausgleichsgesetz wird neu geregelt +++ Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge +++
         Petitionsausschuss stellt Tätigkeitsbericht 2018 vor +++ Wahlrecht für betreute Menschen +++
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
2                        I n h a l t

                               3-4              Gedenken an
                                            Sylvia Bretschneider                „Eine starke Frau und hervorragende Repräsentantin des Landes“

                                 5                 Nachruf                      Stefan Koslik, Vorsitzender der Landespressekonferenz,
                                                                                zum Tode von Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider

                              6-11               Wirken von
                                            Sylvia Bretschneider                Ihre Präsidentschaft in Bildern

                             12-13   Trauer um Sylvia Bretschneider             Trauerstaatsakt für Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider

                             14-15            Aktuelle Stunde                   Ein besseres FAG führt zu demokratischer Rendite –
                                                                                der Finanzausgleich wird neu geregelt

                             16-25                 Berichte                     Debatte zur Südbahn – geplante Stilllegung zweier Bahnstrecken
                                                                                Endspurt für die beitragsfreie Kita
                                                                                Beitragspflicht wird abgeschafft – Gesetzentwurf zur Abschaffung
                                                                                der Straßenbaubeiträge
                                                                                Müll-Problem im Meer – Tausende Plastikteile verschmutzen Strände und Ostsee
                                                                                Debatte um Einsatz von Jugendoffizieren

                                26          Weitere Beschlüsse                  Mehr Kompromisse angemahnt – Petitionsausschuss stellt Jahresbericht für 2018 vor
                                                                                Betrieb für Bau und Liegenschaften wird umstrukturiert
                                                                                Wahlrecht für betreute Menschen
                                                                                Automatisierte Sachbearbeitung
                                                                                Antisemitismusbeauftragter

                                27             Gesetzgebung                     Laufende und abgeschlossene Gesetzgebung

                             28-30         Aus den Ausschüssen                  Innen- und Europaausschuss:
                                                                                Übungseinsatz im Trainings-Center
                                                                                Wirtschaftsausschuss:
                                                                                Schutz vor Einfluss der Wirtschaft
                                                                                Internationales:
Titelfoto: SPD-Fraktion

                                                                                Delegation berät über Schutz der Meere und Unterwasserwelt
                                                                                Finanzausschuss:
                                                                                Ausschuss informiert sich über Werften und Gesundheit
                                                                                AdR:
                                                                                Die EU nach der Wahl

                                31                  Chronik
                                32          Tag der offenen Tür

                          Impressum
                          Herausgeber:                                        Layout: Uwe Sinnecker,                      Namentlich gekennzeichnete Beiträge
                          Landtag mecklenburg-Vorpommern                      www.uwe-sinnecker.de                        geben nicht in jedem Fall die Meinung des
                          - Öffentlichkeitsarbeit -                                                                       Herausgebers wieder.
                          Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin              Druck: produktionsbüro TINUS                Alle Abbildungen sind urheberrechtlich
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                          Internet: www.landtag-mv.de                         Zugunsten des Leseflusses und aus Platz-
                                                                              gründen haben wir bei der Bezeichnung       Die LANDTAGSNACHRICHTEN können
                          redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit,           von Menschengruppen manchmal nur die        kostenlos bezogen werden. Bestellungen
                          Gerhard Reichert, Anna-Maria Leistner,              männliche Form verwendet. In solchen        sind an den Herausgeber zu richten.
                          Michaela Ludmann                                    Fällen ist die weibliche Form mitgedacht.   Redaktionsschluss 03.05.2019

                          LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
G e d e n k e n                         a n          S y l v i a                  B r e t s c h n e i d e r                                             3

                                                                                                                                                             Fotos: Bernd Lasdin
In der Konzertkirche Neubrandenburg fand zu Ehren der verstorbenen Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider ein Trauerstaatsakt statt.

„Eine starke Frau und hervorragende
Repräsentantin des Landes”
Würdigung der am längsten amtierenden Landtagspräsidentin Deutschlands

    Der Landtag trauert um seine Präsi-                des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
dentin. Am 28. April 2019 ist Sylvia                   der das demokratische Gemeinwesen
Bretschneider nach langer, schwerer                    eine Herzensangelegenheit gewesen sei.
Krankheit gestorben. Sylvia Bretschnei-                Beate Schlupp: „Sylvia Bretschneider hat
der gehörte seit 1994 als Abgeordnete                  sich mit aller Kraft für die Verteidigung
der SPD-Fraktion dem Landtag Meck-                     und Stärkung der mit der politischen
lenburg-Vorpommern an. Seit dem                        Wende 1989 errungenen Werte und Frei-
Jahr 2002 war sie Landtagspräsidentin.                 heiten eingesetzt. Extremistischen Geg-
Das Parlament wählte sie in den ver-                   nern der parlamentarischen Demokratie                  1. Vizepräsidentin Beate Schlupp sprach beim
gangenen Jahren insgesamt viermal                      bot sie entschieden die Stirn.“ Und Dr.                Trauerstaatsakt.
zur Präsidentin. Das Amt übte die So-                  Mignon Schwenke weiter: „Die Förde-                    Landtagsdirektor Armin Tebben betonte
zialdemokratin mehr als 16 Jahre aus.                  rung der grenzüberschreitenden Zusam-                  das außerordentliche Engagement, mit
Mit Sylvia Bretschneider verstarb die                  menarbeit insbesondere im Ostseeraum,                  dem Sylvia Bretschneider das Land ge-
zurzeit am längsten amtierende Präsi-                  ihr Wirken für den Tourismusverband,                   leitet, gestaltet und geprägt habe. In
dentin eines deutschen Parlamentes.                    das persönliche Engagement für die                     besonderer Weise habe sie sich der par-
                                                       Welterbe-Bewerbung des Schweriner                      lamentarischen Bildungsarbeit verpflich-
Beate Schlupp, 1. Vizepräsidentin des                  Residenzensembles wie auch ihr Einsatz                 tet gefühlt. „Begegnungen mit jungen
Landtages, und Dr. Mignon Schwenke,                    für den Bau des neuen Plenarsaals un-                  Menschen waren ihr immer sehr wich-
2. Vizepräsidentin des Landtages, wür-                 seres Landesparlamentes werden unver-                  tig“, so Armin Tebben. „Das Bemühen
digten Sylvia Bretschneider als eine starke            gessen bleiben.“                                       darum, die Erinnerung an die Gescheh-
Frau und hervorragende Repräsentantin                                                                         nisse während der Zeit des Nationalso-

                                                                                                         LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
4   G e d e n k e n                    a n         S y l v i a           B r e t s c h n e i d e r

    zialismus wachzuhalten und gleichzeitig         und Bildung bereits wichtig. Im neuen        schichte ein Stück weit sinnbildlich für
    für die parlamentarische Demokratie zu          Amt machte sie diese zu Schwerpunk-          das politische Vermächtnis von Sylvia
    werben, wird mit ihrem Namen verbun-            ten ihrer Präsidentschaft. Ob „Jugend        Bretschneider. Denn ihr Credo, das was
    den bleiben.“                                   im Landtag“, Projekttage in Schulen, das     ihrer Überzeugung nach Politikerinnen
    Bei einem Trauerstaatsakt zum Geden-            Format „Landtag vor Ort“, Jugendbegeg-       und Politiker ausmachen sollte - und hier
    ken an Sylvia Bretschneider am 13. Mai in       nungstage im ehemaligen KZ Ravens-           zitiere ich aus ihrer Antrittsrede als Land-
    Neubrandenburg (siehe Seite 12-13) erin-        brück mit Überlebenden des Holocaust:        tagspräsidentin im Jahr 2002 – also „das
    nerte die 1. Vizepräsidentin an die Verstor-    sie hat jungen Leuten Politik – und auch     Vermögen, einander zuzuhören und Ar-
    bene und ihr vielfältiges Engagement.           Geschichte - nahegebracht.                   gumente und Fakten in der Sache hart,
    Beate Schlupp wörtlich:                         Sylvia Bretschneider lebte im Wortsinn       aber ohne persönlich zu verletzen, aus-
    „Es war mir eine Ehre als Abgeord-              die parlamentarische Demokratie. Vor         zutragen“ – Zitat Ende, das kann in dem
    nete und Vizepräsidentin mit Sylvia             großen Auditorien und auf internationa-      neuen runden Plenarsaal hervorragend
    Bretschneider zusammenarbeiten zu               len Bühnen, ebenso wie vor Schulklassen      stattfinden und bereichert unsere poli-
    dürfen. Als ich Mitglied des Landtages          und im direkten Dialog mit den Men-          tische Kultur im Lande.
    wurde, war Sylvia Bretschneider bereits         schen etwa beim „Tag der offenen Tür“:       Auch mit dem Bemühen, das Residen-
    acht Jahre Abgeordnete und wurde                immer hatte Sylvia Bretschneider ein of-     zensemble Schwerin zum UNESCO-Welt-
    damals zur Präsidentin des Landtages            fenes Ohr für Sorgen und Nöte oder auch      kulturerbe zu machen, wird ihr Name
    Mecklenburg-Vorpommern gewählt –                Anregungen. Sie war für viele Menschen       verknüpft bleiben.
    als erste Frau. Dreimal 2006, 2011 und          das Gesicht unseres Landesparlamentes.
    2016 hat der Landtag das Vertrauen in           Auch weit über die Landesgrenzen             Sylvia Bretschneider hat den Landtag
    ihre Person und in ihre Amtsführung ein-        hinaus warb sie für Mecklenburg-Vor-         Mecklenburg-Vorpommern nach außen
    drucksvoll bestätigt. [...]                     pommern, indem sie sich leidenschaft-        hervorragend repräsentiert und hat nach
                                                    lich für den Tourismus engagierte. Als       innen viel bewegt. Ihre Rolle als Präsi-
    Ihre klare Haltung bei der Sitzungsleitung      Präsidentin und im Vorstand des Touris-      dentin füllte sie souverän, entschlossen
    gegenüber den Gegnern der parlamen-             musverbandes hat sie diesen wichtigen        und bestimmt aus. [...] Als Landtagspräsi-
    tarischen Demokratie ist unvergessen.           Wirtschaftsfaktor unseres Landes weit        denten vertrat sie mit Nachdruck die ver-
    Mit der Gründung der landesweiten De-           vorangebracht. [...]                         fassungsgemäße Rolle des Landtages: als
    mokratie-Initiative „WIR. Erfolg braucht                                                     höchste politische Gewalt, die die Arbeit
    Vielfalt“ im Jahr 2008 bündelte Sylvia          Immer mit ihrem Namen verbunden              der Landesregierung kontrolliert.
    Bretschneider verschiedenste politische         bleiben wird der neue Plenarsaal im
    und zivilgesellschaftliche Akteure unter        Schweriner Schloss. Dessen Neubau            Wir nehmen heute nicht nur Abschied
    einem Dach, die sich seither gemeinsam          hätte es in dieser Form ohne Sylvia          von einer Politikerin. Wir verabschieden
    für ein demokratisches, freiheitliches und      Bretschneider nicht gegeben. Wenn            uns auch von dem Menschen Sylvia
    weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern              ich dies hier erwähne, geht es mir um        Bretschneider. Ich selbst habe sie als sehr
    einsetzen.                                      mehr als lediglich einen Raum in einem       warmherzig und als einen ausgeprägten
    Als aufrechte Demokratin und engagier-          Schloss. Denn dieses Bauvorhaben steht       Familienmenschen kennen gelernt. Ne-
    te wie streitbare Parlamentspräsidentin         sinnbildlich für das politische Gespür und   ben der gemeinsamen Arbeit haben wir
    hatte sie einen klaren Kompass für die          die Durchsetzungsfähigkeit, die sie als      uns auch immer über unsere Familien
    Kategorien richtig und falsch. Dabei fühl-      Politikerin ausmachte und er steht für die   ausgetauscht, stolz Fotos gezeigt und
    te sie sich stets den in der Verfassung         demokratische Kultur, deren Einhaltung       über den Wunsch nach weiteren Enkel-
    verankerten Aufträgen verpflichtet. Sie         sie stets anmahnte.                          kindern philosophiert. [...]
    beförderte die grenzüberschreitende
    Zusammenarbeit im Ostseeraum. Im                Sylvia Bretschneider hatte früh erkannt,     Sylvia Bretschneider war ein lebenslu-
    Jahr 2015 hat sie die Jahreskonferenz           dass die parlamentarische Demokratie         stiger Mensch. Voller Leidenschaft konn-
    der Ostseeparlamentarier nach Rostock-          in unserem Land ein neues Herzstück          te sie sich in die Arbeit stürzen, aber
    Warnemünde geholt – mit einem lan-              braucht. Sie hat die Widerstände, die je-    genauso genoss sie die ruhigeren Mo-
    despolitischen Schwerpunktthema, der            dem öffentlichen Großprojekt heute von       mente im Leben.
    Gesundheitswirtschaft. Die zweite große         innen und außen entgegenschlagen, als
    Parlamentskooperation des Landtages,            Herausforderung begriffen und diese Wi-      Wir erinnern uns gerne an die zahl-
    das Parlamentsforum Südliche Ostsee,            derstände mit Energie, Überzeugungs-         reichen Sommerfeste des Landtages, bei
    hat sie gemeinsam mit den damaligen             kraft und auch Durchsetzungsfähigkeit        denen sie auf die Bühne stieg und spon-
    Parlamentspräsidenten aus Schleswig-            überwunden. Ihre Rede zur Einweihung         tan Musikstücke zum Besten gab. „Ich
    Holstein sowie der Woiwodschaften               des neuen Plenarsaales, der neuen Herz-      mach mein Ding“ – auch das war Sylvia
    Westpommern und Pommern ins Leben               kammer unserer parlamentarischen De-         Bretschneider. [...]
    gerufen, übrigens nach einer Konferenz          mokratie in Mecklenburg-Vorpommern,          Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern
    hier in Neubrandenburg.                         war am 27. September 2017 ihre letzte        wird seiner verstorbenen Präsidentin ein
                                                    Rede vor unserem Parlament.                  ehrendes Andenken bewahren.“
    Vor ihrer Wahl zur Präsidentin waren Syl-       Ohne Übertreibung stehen der neue
    via Bretschneider die Politikfelder Jugend      Plenarsaal und seine Entstehungsge-

    LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
N a c h r u f                                     5

Eine aufrechte Demokratin

                                                                                                                                                 Foto: Ecki Raff
Deutschlands am längsten amtierende Parlamentspräsidentin
starb nach schwerer Krankheit – Ein Nachruf

                                                                                          Max-Stefan Koslik ist Vorsitzender der Landespresse-
                                                                                          konferenz Mecklenburg-Vorpommern.

   Gekämpft hat sie bis zum Schluss.          des Landes. Mitglied im Kreistag, in der    ordnete in ihren Reden die parlamen-
Und sie war so optimistisch gewesen.          Stadtvertretung. In Förder- und Sport-      tarischen Grenzen überschritten. Sylvia
Nun hat sie der Krebs doch besiegt.           vereinen zeigte sie sich aktiv.             Bretschneider hat den „Schweriner Weg“
Noch vor einem Jahr war Landtagspräsi-        Insgesamt viermal wählte das Parla-         maßgeblich geprägt, eine Vereinbarung
dentin Sylvia Bretschneider (SPD) fest        ment die frühere Lehrerin zur Präsiden-     der demokratischen Landtagsfraktionen
davon überzeugt, dass sie „Bald wieder        tin. Ihr hervorgehobenes Amt nutzte         zum Umgang mit der NPD im Landtag.
an Bord“ sein werde. Sie nahm im Som-         sie auch, um sich in der von ihr 2008       Im September 2017 – da war die NPD
mer bereits wieder erste Termine wahr.        mitbegründeten Initiative „WIR. Erfolg      im Landtag längst Vergangenheit, aber
Nach einem schweren Jahr mit vielen           braucht Vielfalt“ für Toleranz und De-      noch lange nicht der eine oder ande-
Behandlungen besuchte sie im Juli in          mokratie einzusetzen. „Wir haben da         re Rechtsabbieger in der AfD - hielt sie
Los Angeles ein Treffen der deutsch-          ja richtig was hingekriegt“, erzählte sie   zur Eröffnung des neuen Plenarsaales

„ Lautstark                           „
                                                                                          eine Rede mit zitternder Stimme. Ein
                                                                                          Plädoyer für die Demokratie. Gegen
            und mitunter provozierend                                                     Antidemokraten. Ihre letzte Rede. Der
       gegen Rechtsextremismus                                                            neue Plenarsaal im Schweriner Her-
                                                                                          zogsschloss als Hort der Demokratie,
                                                                                          das ist ihr politisches Vermächtnis. Für
amerikanischen Vereinigung der Län-           bei ihrem letzten Besuch im Landtag         ihn hat sie sich eingesetzt.
derparlamentarier „Partnerschaft der          im Dezember stolz. „Es ging ja nie nur
Parlamente“. Nein, sie wollte nicht loslas-   darum, gegen die NPD zu sein, sondern       Sylvia Bretschneider wusste, wie viel Ar-
sen. Vielleicht war es auch ein bisschen      gemeinsam etwas für Demokratie und          beit sie ihren Vizepräsidentinnen Beate
das Amt, das sie immer wieder aufste-         Toleranz, Streit in der Sache und Kom-      Schlupp und Mignon Schwenke über-
hen ließ.                                     promissfähigkeit zu unternehmen.“ Be-       lassen musste. „Die beiden machen das
                                              gegnungen mit jungen Menschen wa-           großartig“, sagte sie noch im Dezember.
Und doch kam der Rückschlag. Uner-            ren ihr immer wichtig. Die Erinnerung an    Während sie darüber redete, war sie
wartet. Unberechenbar. Sie kämpfte,           die Geschehnisse während der Zeit des       sichtlich ergriffen von der Loyalität und
wie sie immer kämpfte. Und mischte            Nationalsozialismus wachzuhalten und        Unterstützung, mit der ihr Mitarbeiter
sich ein, wie sie sich immer einmischte.      gleichzeitig für die parlamentarische       wie Parlamentskollegen den Rücken
Bis zum letzten Augenblick unbeugsam.         Demokratie zu werben, damit wird ihr        stärken. „Ein bisschen ist das vielleicht
Ungebeugt. Ihr Fenster zur Welt: der          Namen verbunden bleiben. Die Förde-         auch der Lohn unseres weiblichen Füh-
Kurznachrichtendienst Twitter. Sie kom-       rung der Zusammenarbeit im Ostsee-          rungsstils. Ich habe immer gesagt, im
mentierte, kommunizierte, attackierte.        raum und ihr persönliches Engagement        Präsidium geht es nicht um uns oder um
                                              für die Weltkulturerbe-Bewerbung des        Parteipolitik, sondern darum, das Parla-
Ihr Amt als Landtagspräsidentin hatte         Schweriner Residenzensembles werden         ment würdig zu vertreten.“
Sylvia Bretschneider am 22. Oktober           vielen Wegbegleitern unvergessen blei-
2002 angetreten. Sie war damit bis zu         ben.                                        Mecklenburg-Vorpommern hat eine
ihrem Tod die aktuell am längsten am-                                                     aufrechte Demokratin verloren, ihr Mann
tierende Präsidentin eines deutschen          Lautstark und mitunter provozierend         und ihre Kinder und Enkel verloren eine
Parlaments. Dem Landtag in Schwerin           artikulierte sie sich gegen Rechtsextre-    Ehefrau, Mutter und Großmutter.
gehörte sie seit 1994 an. Sie war Landes-     misten. Im Parlament schritt sie beherzt
vorsitzende des Tourismusverbandes            und entschieden ein, wenn NPD-Abge-                                      Max-Stefan Koslik

                                                                                      LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
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    Foto: Cornelius Kettler

                                                                                                                                                                                                     Foto: Uwe Balewski
                              Landtags-Abgeordnete Sylvia Bretschneider, 1997
    Foto: Jens Büttner

                              Wahl zur Landtagspräsidentin, 2016                15 Jahre Landtag M-V am 26.10.2005, hier v.l.: 2. Ehemaliger Landtagspräsident Hinrich Kuessner (SPD);
                                                                                Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) und ehemaliger Landtagspräsident Rainer Prachtl (CDU)
    Foto: Jens Büttner

                                                                                                                                                                                                     Foto: Cornelius Kettler
                              Im Gespräch mit Bundestagspräsident
                              Norbert Lammert, 2015

                                                                                Sylvia Bretschneider bei ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin 2006

                              Erste Schritte im Landtag                                                                                                                                             Foto: Uwe Balewski
                                                                                                                                   Foto: Jens Büttner

                              M-V bis zur Präsidentschaft
                                  Sylvia Bretschneider war seit 1994
                              Abgeordnete des Landtages und ge-
                              hörte der SPD-Fraktion an. Im Jahr 2002
                              wurde sie zum ersten Mal zur Landtags-
                              präsidentin gewählt. Es folgten dreiein-
                              halb Legislaturperioden, in denen sie             Mit Beate Schlupp und Dr. Mignon Schwenke, 2016                         v.l. 3. Vizepräsidentin Silke Gajek,
                                                                                                                                                        Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider,
                              dem Landtag als Präsidentin vorsaß. Zu-                                                                                   1. Vizepräsidentin Beate Schlupp,
                              letzt wurde sie am 4. Oktober 2016 er-                                                                                    2. Vizepräsidentin Regine Lück, 2011
                              neut gewählt. Sylvia Bretschneider war
                              fast 17 Jahre Präsidentin des Landtages
                              Mecklenburg-Vorpommern. Als letzte
                              offizielle Amtshandlung eröffnete sie im
                              September 2017 die erste Landtagssit-
                              zung im neuen Plenarsaal.

                                                                                Landtags-Sitzung vom 03.06.2015

                              LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
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W i r k e n                   v o n              S y l v i a          B r e t s c h n e i d e r                                                    7

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                          Sylvia Bretschneider mit der Holocaust-Überlebenden Batsheva Dagan bei den Jugendbegnungstagen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 2013

                                                                                                                                                                                 Foto: Angelika Lindenbeck
Foto: Cornelius Kettler

                                                                                                                                 Einer der ersten Termine im Jahr:
                                                                                                                                 Sternsingerempfang im Landtag M-V, 2005

                                                                                                                                                                                 Foto: Anett Agarius
                          Sylvia Bretschneider mit Teilnehmern des Wettbewerbs „Jugend debattiert“, 2010                         Zusammenarbeit im Rahmen des regelmäßigen
                                                                                                                                 Dialog-Projekts "Jugend im Landtag"
Foto: Landtag M-V

                                                                                                                                 Jugendprojekte
                                                                                                                                     Sie begegnete Kindern und Jugend-
                                                                                                                                 lichen auf Augenhöhe ohne sich zu ver-
                                                                                                                                 stellen. Ob bei Projekten wie „Jugend im
                                                                                                                                 Landtag" und „Jugend debattiert" oder
                                                                                                                                 bei Zeitzeugenabeit im Frauen-Konzen-
                                                                                                                                 trationslager Ravensbrück. Sie war die
                                                                                                                                 Verbindung zwischen jungen Menschen
                                                                                                                                 und denjenigen, die Krieg und Verfol-
                                                                                                                                 gung erleben mussten. Erinnerungen
                                                                                                                                 wachhalten, Erfahrungen weitergeben
                                                                                                                                 und aus dem Vergangenen für die Zu-
                                                                                                                                 kunft lernen war ihr Credo. Die Holo-
                                                                                                                                 caust-Überlebende Batsheva Dagan aus
                                                                                                                                 Israel ist ihr dabei zur Freundin gewor-
                                                                                                                                 den.
                          Auf Augenhöhe mit Groß und Klein, 2003

                                                                                                                             LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
8                        W i r k e n                       v o n              S y l v i a             B r e t s c h n e i d e r

    Foto: Danny Gohlke

                            Der Erlös der Weihnachtsfeier der Landtagsverwaltung ging im Februar 2015 an die Kicker des FSV Nord-Ost Rostock.
       Fotos: Landtag M-V

                            Jamel rockt den Förster 2015, u.a. mit Birgit Hesse
                            (3. v. li.) und Regine Lück (re.)

                         Demokratie und Toleranz
                             Nichts prägte ihre langjährige Präsi-
                         dentschaft so sehr wie ihr Engagement
                         für Demokratie und Toleranz. Sie sah                     Landtag vor Ort in Anklam, 2016
                         sich dabei nicht so sehr als Kämpferin
                         gegen Rechtsextremismus als vielmehr
                         als Botschafterin für Vielfalt, Weltoffen-
                         heit und Demokratie. Als Mitbegründe-
                         rin der Initiative „WIR: Erfolg braucht
                         Vielfalt” bündelte sie das demokratische
                         Engagement im Land und fand zahlrei-
                         che Unterstützerinnen und Unterstützer.

                                                                                  Besuch des THW-Standes auf der WIR-Meile               Ein Gläschen mit der Weinkönigin auf der WIR-Meile
                                                                                  beim Tag der offenen Tür des Landtags 2017             beim Tag der offenen Tür des Landtags 2017

                         LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
W i r k e n                 v o n            S y l v i a     B r e t s c h n e i d e r                                                 9
Foto: Landtag M-V

                                                                                                                                                                         Foto: Landtag M-V
                                                                                                                     Sylvia Bretschneider und Beate Schlupp begrüßen
                                                                                                                     Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 2017

                                                                                                                                                                         Foto: Landtag M-V
                      Vor der Orangerie des Schweriner Schlosses, 2004                                               Schlagkräftig mit den Boxern von Boxclub Traktor
                                                                                                                     Schwerin beim Tag der offenen Tür 2017
Foto: Landtag M-V

                                                                                                                                                                         Foto: Landtag M-V
                                                                                                                     Sylvia Bretschneider und Landesrabbiner William
                                                                                                                     Wolff beim Filmkunstfest 2016

                                                                                                                     Tourismus, Welterbe
                                                                                                                     und Buntes
                                                                                                                         Als Präsidentin und Vorstandsmit-
                      Name ist Programm: Aktion Rote Hände beim Tag der offenen Tür des Landtags, 2012               glied prägte Sylvia Bretschneider viele
                                                                                                                     Jahre den Tourismusverband M-V. Ihre
Foto: Rainer Cordes

                                                                                                                     starke Verbundenheit zu ihrem Heimat-
                                                                                                                     land bezog sich dabei auf das gesamte
                                                                                                                     Land. Bei ihren vielen Begegnungen mit
                                                                                                                     den unterschiedlichsten Menschen zu
                                                                                                                     den unterschiedlichsten Anlässen mach-
                                                                                                                     te sie stets auch immer Werbung für die
                                                                                                                     Schönheit und die Vielfältigkeit Meck-
                                                                                                                     lenburg-Vorpommerns.
                                                                                                                     Ein Projekt, das sie mit aller Kraft un-
                                                                                                                     terstützte, lag ihr dabei besonders am
                                                                                                                     Herzen: die Bewerbung des Schweriner
                                                                                                                     Residenzensembles als Weltkulturerbe.

                                                                                                                     Am 7. September 2010 haben Landtagspräsidentin
                                                                                                                     Sylvia Bretschneider, der damalige Kultusminister
                                                                                                                     Henry Tesch und Schwerins damalige Oberbürger-
                                                                                                                     meisterin Angelika Gramkow die Vereinbarung des
                                                                                                                     Landes mit der Landeshauptstadt Schwerin zur
                                                                                                                     Bewerbung des Schweriner Schlossensembles als
                                                                                                                     Welterbe der UNESCO unterzeichnet.

                                                                                                                 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
10   W i r k e n                   v o n             S y l v i a                 B r e t s c h n e i d e r

                                                                                                                                                                         Foto: Marcus Drobny
     Parlamentsforum Südliche Ostsee 2008 , Kolberg
                                   Foto: Uwe Balewski

                                                            An der Präsidenten-Konferenz in Rostock nahmen die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und öster-
                                                            reichischen Landtage, des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und des Südtiroler Landtages teil. 2015

                                                                                                                                                                          Fotos: Landtag M-V
     Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der da-
     malige Landtagspräsident Hans Penz überreichen
     Sylvia Bretschneider das „Goldene Komturkreuz mit
     dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das
     Bundesland Niederösterreich“, die höchste nieder-
     österreichische Auszeichnung.
                                       Foto: NLK/Pfeiffer

     Ostseeparlament
     und Internationales
         Sylvia Bretschneider war eine über-                Reise des Ältestenrats in das Konzentrationslager Ausschwitz, 2015
     zeugte Europäerin. Vor allem für die Zu-
     sammenarbeit mit den Ostsee-Anrai-
     ner-Staaten setzte sie sich ein. Auf der
     24. Ostseeparlamentarier-Konferenz in
     Warnemünde 2015 sprach sie sich für
     eine starke in die Zukunft gerichtete Zu-
     sammenarbeit basierend auf gegensei-
     tigem Vertrauen aus.
     Auf Sylvia Bretschneiders Initiative wurde
     zudem das Parlamentsforum Südliche
     Ostsee ins Leben gerufen. Aber auch in
     Niederösterreich hatte sie Spuren hinter-
     lassen: der dortige Landtag verlieh Sylvia
     Bretschneider das „Goldene Komtur-
     kreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens
     für Verdienste um das Bundesland Nie-
     derösterreich“, die höchste Auszeichnung
     des Landes.

                                                            2015 fand in Warnemünde die 24. Ostseeparlamentarier-Konferenz statt.

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
W i r k e n                    v o n             S y l v i a        B r e t s c h n e i d e r                                             11
Fotos: Uwe Sinnecker

                                                                                                                                                                            Foto: Landtag M-V
                                                                                                                              Zur Eröffnung des neuen Plenarsaals war das
                                                                                                                              Medieninteresse besonders groß.

                       Einen Tag vor der feierlichen Eröffnung des neuen Plenarsaals empfing Sylvia Bretschneider...          Bauer Korl sorgte für gute Stimmung.

                                                                                                                                                                              Foto: Landtag M-V
                                                                                                                              Festrede zur Eröffnungsfeier des neuen
                                                                                                                              Plenarsaals, 2017

                                                                                                                              Eröffnung neuer Plenarsaal
                                                                                                                                  Unter Sylvia Bretschneiders Präsi-
                       … interessierte Bürgerinnen und Bürger im Schloss und zeigte ihnen den neuen Saal.                     dentschaft hat der Landtag Mecklen-
                                                                                                                              burg-Vorpommern ein Projekt in Angriff
                                                                                                                              genommen, das viele am Anfang zum
                                                                                                                              Scheitern verurteilt sahen – den Bau des
                                                                                                                              neuen Planarsaals. Sie haben nicht Recht
                                                                                                                              behalten. Am 26. September 2017 wurde
                                                                                                                              der neue Plenarsaal in einem großen
                                                                                                                              Festakt eingeweiht. Einen Tag zuvor
                                                                                                                              konnten die Bürgerinnen und Bürger
                                                                                                                              den Saal kennenlernen – „auf meinen
                                                                                                                              ausdrücklichen Wunsch“ hatte Sylvia
                                                                                                                              Bretschneider bei der Eröffnung gesagt.
                                                                                                                              „Sie haben uns hierhergerschickt, ihnen
                                                                                                                              gehört dieser Saal.“ Einen Tag nach dem
                                                                                                                              Festakt eröffnete Sylvia Bretschneider die
                                                                                                                              erste Landtagssitzung im neuen Plenar-
                                                                                                                              saal. Es war die letzte Landtagssitzung,
                                                                                                                              die sie eröffnete.

                       Damit durften die Bürgerinnen und Bürger noch vor der feierlichen Eröffnung den neuen Plenarsaal
                       besichtigen.

                                                                                                                          LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
12   T r a u e r                 u m          S y l v i a                B r e t s c h n e i d e r

     Hunderte Trauergäste nahmen in der Konzertkirche Neubrandenburg Abschied von Sylvia Bretschneider.                             Foto: Bernd Lasdin

     Trauerstaatsakt für Landtagspräsidentin
     Sylvia Bretschneider
     Rund 500 Gäste nehmen in der Konzertkirche Neubrandenburg Abschied

         Mit einem Trauerstaatsakt haben                  Niederösterreich, Hans Penz. Begleitet          Entschlossenheit und mit großer Ener-
     Politiker, Weggefährten, Angehörige                  wurde die Zeremonie von der Neu-                gie. „Gemeinsam mit vielen Mitstreitern
     sowie Bürgerinnen und Bürger des                     brandenburger Philharmonie, deren               hat sie sich engagiert für Demokratie
     Landes von Landtagspräsidentin Syl-                  Konzerte Sylvia Bretschneider oft be-           und Freiheit, Weltoffenheit und Tole-
     via Bretschneider Abschied genom-                    suchte. Es war der erste Trauerstaats-          ranz“, sagte die Ministerpräsidentin. Sie
     men. Rund 500 Trauergäste aus Poli-                  akt in Mecklenburg-Vorpommern. Mi-              habe zu jener Generation gehört, die
     tik, Wirtschaft, Sport und Kultur sowie              nisterpräsidentin Manuela Schwesig              mit dem Umbruch 1989/90 begonnen
     aus ihrem Freundeskreis und ihrer Fa-                hatte den Staatsakt angeordnet und              habe, sich politisch zu engagieren. Ma-
     milie waren dazu am 13. Mai in die                   würdigte damit die Leistungen der               nuela Schwesig: „1994 zog sie erstmals
     Konzertkirche Neubrandenburg ge-                     dienstältesten Parlamentspräsidentin            in den Landtag ein. Und sie brachte
     kommen. Zum Gedenken an die lang-                    in Deutschland in besonderer Weise.             sich mit ihrem Sachverstand, mit ihrer
     jährige Landtagspräsidentin Sylvia                   Fast 17 Jahre hatte Sylvia Bretschneider        Leidenschaft für das Thema ein, das ihr
     Bretschneider sprachen Vizepräsiden-                 das Amt inne.                                   besonders am Herzen lag: Engagiert
     tin Beate Schlupp (siehe Seite 3-4), Mi-                                                             hat sie sich für Bildungsfragen, für gute
     nisterpräsidentin Manuela Schwesig,                  Ministerpräsidentin Manuela Schwesig            Chancen der nachwachsenden Genera-
     die Präsidentin der Hamburgischen                    bezeichnete ihre politische Weggefähr-          tion starkgemacht." Als engagierte und
     Bürgerschaft, Carola Veit, sowie der                 tin „als eine Kämpferin für Demokratie          streitbare Präsidentin habe sie sich für
     ehemalige Präsident des Landtages                    und Vielfalt“, als eine Frau voller Stärke,     eine lebendige parlamentarische De-

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
T r a u e r            u m        S y l v i a             B r e t s c h n e i d e r                                                13

                                                                                                                                           Fotos: Bernd Lasdin
                                                                                        Beate Schlupp, Vizepräsidentin des Landtages M-V

                                                                                        Ministerpräsidentin Manuela Schwesig

                                                                                        Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen
                                                                                        Bürgerschaft

mokratie eingesetzt. Manuela Schwesig:       der europäischen Integration beson-
„Es ist wichtig, dass wir uns alle gemein-   ders wichtig und – ja – eine Herzensan-
sam die vielen positiven Erinnerungen        gelegenheit“, sagte Carola Veit. Gerade
an Sylvia Bretschneider bewahren. Dass       bei der Ostseeparlamentarierkonferenz
                                                                                        Hans Penz, ehemaliger Präsident des Landtages
wir das Bild dieser klugen, starken und      habe sie inhaltlich Verantwortung über-    Niederösterreich
entschlossenen Frau weiter in uns tra-       nommen. Carola Veit: „Hier zeigte sich –
gen. Einer Frau, die für unser Land, für     wie ich finde – eine besondere Charak-
die demokratische Kultur in der Öffent-      tereigenschaft von Sylvia Bretschneider.   immer, was Du denkst, und tue immer,
lichkeit sehr viel getan hat. Und die uns    Nicht allein die Pflicht zu erfüllen und   was Du sagst.“ In den zahlreichen Be-
allen fehlt.“                                das Notwendige zu tun, sondern darü-       gegnungen und Gesprächen mit Sylvia
                                             ber hinaus zu denken und zu gestalten.“    Bretschneider habe sie sich sehr über-
Die Präsidentin der Hamburgischen            Ebenfalls als Kollege und Freund sprach    zeugend für den Tourismus, für ihr Land
Bürgerschaft, Carola Veit, sagte, der Tod    vor der Trauergemeinde der ehemalige       Mecklenburg-Vorpommern und für Eu-
ihrer Kollegin und Freundin erschüttere      Präsident des Landtages Niederösterrei-    ropa stark gemacht. Hans Penz:
sie. „Wir waren als Landtagspräsiden-        ch, Hans Penz. Noch im Dezember 2017       „Ich verneige mich vor einer großen Eu-
tinnen nicht nur Kolleginnen und nord-       wurde Sylvia Bretschneider im nieder-      ropäerin.“
deutsche Nachbarinnen, sondern poli-         österreichischen Landtag durch Landes-
tisch und menschlich eng verbunden.“         hauptfrau Johanna Mikl-Leitner und
Zum Beispiel auf den Konferenzen der         Landtagspräsident Hans Penz das „Gol-      Sylvia Bretschneider verstarb am 28. April
Ostseeparlamentarier, im Parlamentsfo-       dene Komturkreuz mit dem Stern des         im Alter von 58 Jahren nach langer,
rum Südliche Ostsee oder in der Runde        Ehrenzeichens für Verdienste um das        schwerer Krankheit. Sie hinterlässt ihren
der Landtagspräsidentinnen und -präsi-       Bundesland Niederösterreich“, die höchs-   Mann, drei Töchter und drei Enkelkinder.
denten. „Für meine tief verehrte Kollegin    te niederösterreichische Auszeichnung,
war gerade die grenzüberschreitende          verliehen. Hans Penz sagte, er verbinde
Zusammenarbeit im Ostseeraum als Teil        mit Sylvia Bretschneider die Maxime „Sag

                                                                                    LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
14   A u s           d e m          P l e n u m / A k t u e l l e                               S t u n d e

     Vincent Kokert (CDU)                                Ministerpräsidentin Manuela Schwesig                       Nikolaus Kramer (AfD)

     Mehr Geld für Investitionen                                                                    nämlich genau dort. Wer sich engagiere,
                                                                                                    brauche jedoch Gestaltungsmöglich-
                                                                                                    keiten. Getragen von diesem Gedanken
     CDU und SPD loben Einigung zum Finanzausgleich für                                             sei ein guter Pakt für Kommunen ent-
     Kommunen / Opposition bleibt skeptisch bis zum Gesetzentwurf                                   standen. Über die neue Infrastrukturpau-
                                                                                                    schale würden Gelder solidarischer als
                                                                                                    bisher verteilt. In den ersten drei Jahren
                                                                                                    stünden für Investitionen in Straßen, Ki-
         Land und Kommunen haben ihre finanziellen Beziehungen neu geregelt. Die                    tas und Schulen jeweils 150 Millionen
     jährlichen Zuweisungen des Landes an Kreise, Städte und Gemeinden sollen im                    Euro zur Verfügung, danach fortschrei-
     nächsten Jahr von 1,2 Milliarden auf mehr als 1,4 Milliarden Euro steigen. Der Lö-             bend 100 Million Euro. Das bringe den
     wenanteil der Erhöhung basiert auf einer neuen Infrastrukturpauschale in Höhe                  Kommunen mehr Planungssicherheit
     von 150 Millionen Euro. Für hoch verschuldete Gemeinden stellt das Land zusätz-                und Entscheidungsfreiheit und trage
     lich 50 Millionen Euro bereit. Ebenso für Feuerwehren. Ursprünglich wollten die                dazu bei, Investitionsstaus abzubauen.
     Koalitionsfraktionen die ausgehandelte Einigung zwischen Land und kommu-                       Zur Wahrheit gehöre jedoch auch, dass
     nalen Spitzenverbänden schon in der März-Sitzung per Dringlichkeitsantrag als                  diese Pauschale nicht in jeder Kommune
     Aussprache in den Landtag holen. Das scheiterte jedoch an der notwendigen                      ausreichen werde. Ihnen werde das Land
     Zustimmung aus den Reihen der Opposition. Nun machte die CDU-Fraktion den                      zusätzlich 50 Millionen für Haushalts-
     Kommunalen Finanzausgleich (FAG) zum Thema der Aktuellen Stunde.                               sanierung und Schuldenabbau bereit-
                                                                                                    stellen. „Wir wollen keine Kommune im
     Kommunale Selbstverwaltung – für viele          pauschale. Für deren Berechnung spiel-         Stich lassen.“ Schwesig dankte allen, die
     Gemeinden sei das angesichts ihrer Kas-         ten nicht nur Einwohnerzahlen, sondern         an dem Finanzausgleich mitgearbeitet
     senlage schon lange nicht mehr mög-             auch Steuerstärke und Steuerschwäche           haben. Neben Theaterpakt, Mobilfunk-
     lich gewesen, führte CDU-Fraktionschef          der Kommunen eine Rolle. „Wenn Sie das         programm, Schulsanierungsprogramm
     Vincent Kokert an. „Deshalb haben die           mal auf das Land runterbrechen, werden         und Kitagebührenfreiheit sei er Teil einer
     beiden kommunalen Spitzenverbän-                wir rund 700 Kommunen haben, die               großen Landesoffensive zur Stärkung
     de immer wieder eingefordert, bei der           davon profitieren.“ Gemeinden, die we-         der kommunalen Ebene. Und ein klares
     kommunalen Finanzierung etwas zu                niger erhielten, hätten auch jetzt schon       Signal an alle, die mit den Kommunal-
     ändern.“ Das bisherige Modell, „ein Zwit-       aufgrund hoher Steuereinnahmen so              wahlen im Mai Verantwortung in Städ-
     ter“ aus gesetzlichen Regelungen von            gut wie gar nicht vom FAG profitiert. Un-      ten, Gemeinden und Kreisen überneh-
     Schleswig-Holstein und Niedersachsen,           term Strich sei eine gute Lösung für alle      men würden.
     habe nach drei Jahrzehnten einfach              herausgekommen, so Kokert. „Und dafür
     nicht mehr gepasst. „Deshalb führen             darf man sich heute auch mal ein biss-         Mit Spaß habe kommunalpolitische
     wir neue Elemente ein.“ Am Ende stün-           chen auf die Schulter klopfen und sagen:       Arbeit nur noch selten zu tun, meinte
     den der kommunalen Ebene rund 200               ‚Ja, das haben wir gut gemacht‘.“              Nikolaus Kramer, Fraktionsvorsitzender
     Millionen Euro mehr zur Verfügung als                                                          der AfD. Bei vielen Entscheidungen gehe
     bisher. Das sei wichtig, um Städte und          Ministerpräsidentin Manuela Schwesig           es nur noch darum, den kommunalen
     Gemeinden als „Hort der Demokratie“             hob die 7500 Menschen hervor, die sich         Haushalt zu verwalten und Einsparungen
     in ihrer Selbstverwaltung zu stärken. „In       in Städten, Gemeinden und Kreisen kom-         zu prüfen. Freiwillige Leistungen seien
     jeder kleinen Gemeinde macht Demo-              munalpolitisch engagierten. „Wir brau-         vielfach unbezahlbar geworden. „Das ist
     kratie doch erst richtig Spaß, wenn du          chen diese engagierten Bürgerinnen             ein nicht tragbarer Zustand. Aus diesem
     auch was entscheiden kannst. Und ent-           und Bürger, die nicht auf dem Sofa sitzen      Grund begrüßt meine Fraktion dieses Fi-
     scheiden kannst du, wenn du finanzielle         und meckern, sondern sagen, ich ma-            nanzausgleichsgesetz ausdrücklich.“ Ma-
     Spielräume hast.“ So gesehen sei jeder          che mit in meiner Gemeinde, in meinem          rode Schulen, Kindergärten, Straßen, Brü-
     Euro an die kommunale Ebene am Ende             Kreistag.“ Ob Kita, Schule, Straßen, Dorfla-   cken – die Landesregierung habe Kom-
     ein Demokratie-Euro. Die tragende Säule         den oder Gemeinschaftszentren – viele          munen viel zu lange „am finanziellen
     der Novelle bilde die globale Investitions-     Facetten des Alltags entschieden sich          Gängelband“ gehalten. Bislang liege zum

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
A u s          d e m          P l e n u m / A k t u e l l e                                S t u n d e                     15

Thomas Krüger (SPD)                                        Jeannine Rösler (DIE LINKE)              Bernhard Wildt (Freie Wähler/BMV)   Fotos: Uwe Sinnecker

neuen Finanzausgleich jedoch nicht             munale Wohnungsbaualtschulden und              punkten werde erst nach der Kommu-
mehr vor als ein 10-Punkte-Papier. Ge-         aufgelaufene Altfehlbeträge stünden            nalwahl vorliegen. „Erst dann wird man
meindescharfe Zahlen und ein Gesetz-           deshalb jährlich 50 Millionen Euro be-         sehen, was von diesen Versprechungen
entwurf stünden noch aus. „Die CDU             reit. „Unser Ziel ist es, innerhalb von zehn   übrigbleibt – und das werden wir uns
schmückt sich hier mit Federn, die noch        Jahren alle Schulden, die mit Ende 2018        auch ganz genau anschauen.“ Seine
nicht gewachsen sind.“ Das habe seiner         bestanden haben, zu tilgen.“                   Fraktion möchte darin nicht nur Pflicht-
Ansicht nach nur einen Grund: die an-                                                         aufgaben abgesichert sehen, sondern
stehenden Kommunalwahlen. Er warf              „Niemand braucht die Selbstbeweihräu-          auch freiwillige Leistungen. „Das gehört
beiden Vorrednern vor, von der ersten          cherung der Koalition“, erwiderte Jean-        zur kommunalen Selbstverwaltung
bis zur letzten Minute Wahlkampf be-           nine Rösler. (DIE LINKE). Die Eckpunkte        dazu.“ Besorgt habe ihn, dass sich erst
trieben zu haben. Das gehöre sich nicht.       der Novelle seien bereits rauf- und run-       die Ministerpräsidentin persönlich in die
„Wahlkampf findet draußen auf der Stras-       terkommuniziert worden. Demokratische          Verhandlungen habe einmischen müs-
se statt. Wahlkampf findet beim Bürger         Rendite, mehr Selbstverwaltung: „Das           sen, damit den Kommunen offenbar
statt. Wahlkampf findet in der Kommune         sind hehre Worte und Ziele. Entschei-          bereits zugesagte Zuschüsse nicht redu-
statt und nicht hier im Landtag!“              dend ist aber, ob und wie viel mehr            ziert werden.
                                               Spielraum tatsächlich vor Ort ankommt.“
„Sie haben keinen einzigen Vorschlag           Die zurückliegenden Jahre hätten in den
hier gemacht, wie Dinge hätten anders          Kommunen tiefe Spuren hinterlassen.
                                                                                               Kommunaler Finanzausgleich
laufen müssen“, konterte SPD-Fraktions-        Ihre Fraktion fordere daher seit Langem
chef Thomas Krüger. „Offenbar ist uns          eine Infrastrukturpauschale. „Sie aller-
                                                                                              Der kommunale Finanzausgleich re-
da etwas gelungen, was auch die Oppo-          dings sind arrogant darüber hinwegge-
                                                                                              gelt, wie die Kommunen an den Steu-
sition für einen vernünftigen Schritt hält.“   gangen. Heute ist der Druck der kommu-
                                                                                              ereinnahmen des Landes beteiligt
Die Reform sende eine klare Botschaft an       nalen Familie so groß, dass Sie handeln
                                                                                              werden und wie dieses Geld unter den
die vielen Tausend Kandidaten der anste-       müssen.“ Der nun geplante Betrag werde
                                                                                              Städten, Gemeinden und Landkreisen
henden Kommunalwahlen: „Sie werden             den Investitionsstau in den Kommunen
                                                                                              aufgeteilt wird. Die Zuweisungen sol-
die Mittel zum Gestalten bekommen. Sie         jedoch nicht so schnell auflösen. „Der
                                                                                              len den Kommunen die finanziellen
werden vor Ort die Kommunen gestal-            FAG-Gutachter hat einen Bedarf in Höhe
                                                                                              Grundlagen ihrer Selbstverwaltung si-
ten können.“ Im Zusammenspiel mit den          von 166 Euro pro Einwohner festgestellt,
                                                                                              chern. Wie die Gelder verteilt werden,
Mitteln für den Breitbandausbau könnten        um die Lücke zum Durchschnitt aller Flä-
                                                                                              ist von Bundesland zu Bundesland un-
in den kommenden drei Jahren zwei Mil-         chenländer zu schließen.“ Vorgesehen
                                                                                              terschiedlich und wird über Landesge-
liarden Euro verbaut werden. Solch eine        seien aber nur 93 Euro. In die Landesmit-
                                                                                              setze geregelt.
Investitionsphase habe das Land noch           tel dürften die versprochenen 30 Millio-
                                                                                              Für M-V geht das Innenministerium da-
nie erlebt. „Das sichert Wohlstand, das        nen Euro, die Kommunen für die weg-
                                                                                              von aus, dass die kommunale Finanz-
sichert Arbeit, das sichert Zukunft.“ Um       fallenden Straßenbaubeiträge erhalten
                                                                                              ausstattung im Vergleich zu 2018 um
die Gestaltungs- und Entscheidungsfrei-        sollen, auf keinen Fall mit eingerechnet
                                                                                              rund 200 Mio. Euro ansteigen wird.
heit vor Ort zu stärken, werde das Land        werden, so Rösler.
                                                                                              Die Schlüsselmasse umfasse im Jahr
Aufgaben abgeben. „Das ist etwas, was
                                                                                              2020 nun rund 945 Mio. Euro. Hiervon
die Kommunen ausdrücklich gewollt ha-          Bernhard Wildt, Fraktionsvorsitzender
                                                                                              entfielen 588 Mio. Euro auf die Gemein-
ben.“ Mögliche Krisenzeiten nehme die          Freie Wähler/BMV, machte für seine Frak-
                                                                                              deebene und 357 Mio. Euro auf die
FAG-Reform über eine Konjunkturrück-           tion ebenfalls geltend, immer wieder
                                                                                              Kreisebene. Zusätzlich stünden knapp
lage in den Blick. „Die Vorsorge soll sich     mehr Geld für die Kommunen ange-
                                                                                              70 Mio. Euro aus Abrechnungsbeträgen
auf 500 Millionen Euro belaufen.“ Die Re-      mahnt zu haben. „Insofern könnte ich
                                                                                              aus Vorjahren zur Verfügung, die über-
gelungen dafür sollen bis zur Sommer-          mich jetzt mit Ihnen gemeinsam freuen
                                                                                              gangsweise auf die kreisangehörigen
pause stehen. „Eine Vorsorge vor finan-        und sagen, wir sind auf jeden Fall in die
                                                                                              Zentren entsprechend der Einwohner-
ziellen Ausfällen macht aber nur dann          richtige Richtung weitergekommen. Al-
                                                                                              zahl ihrer Nahbereiche verteilt werden
Sinn, wenn man gleichzeitig auch daran         lerdings tue ich das nur eingeschränkt.“
                                                                                              sollen.
arbeitet, Schulden abzubauen.“ Für kom-        Denn: Der Gesetzentwurf zu den Eck-

                                                                                          LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
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     Foto: Jens Büttner

                      Zwei Streckenabschnitte der Bahn im Süden M-V sollen stillgelegt werden.

                      Debatte zur Südbahn                                                                                 Landesregierung jedoch eine Viertel-
                                                                                                                          milliarde Euro in einem Sondervermö-
                                                                                                                          gen. Um die Bahn zwischen Parchim
                      Opposition macht geplante Stilllegung zweier Bahnstrecken                                           und Malchow wieder fahren zu lassen,
                      zum Thema im Landtag                                                                                wäre jährlich eine Million Euro vom
                                                                                                                          Land nötig. „Das muss drin sein!“ Sie
                          Das Bahnnetz von M-V verliert zwei weitere Bahnstrecken: Regio Infra hat                        frage sich, warum es für dieses Teil-
                      angekündigt, die Abschnitte Parchim-Malchow und Plau am See-Güstrow still-                          stück keine Lösung nach Vorbild des
                      zulegen. Die Betreibergesellschaft begründet diesen Schritt mit dem 2013 vom                        Abschnitts Malchow-Waren gebe, für
                      Land abbestellten Personenverkehr und einer fehlenden Grundfinanzierung                             den inzwischen der Landkreis Meck-
                      für den Streckenerhalt. AfD und DIE LINKE befürchten, dass diese Entscheidung                       lenburgische Seenplatte zuständig sei.
                      den ländlichen Raum weiter abkoppele. Beide Oppositionsfraktionen brachten
                      deshalb Dringlichkeitsanträge in die April-Sitzung ein. Darin forderten sie von                     Er könne die Wünsche nachvollziehen,
                      der Landesregierung, eine Stilllegung zu verhindern und wieder regulär Perso-                       so Verkehrsminister Christian Pegel.
                      nenzüge fahren zu lassen. Für die Koalitionsfraktionen kam eine Reaktivierung                       Am Ende des Tages müsse man sie aber
                      der Südbahn jedoch nicht infrage.                                                                   auch bezahlen können. Aufgrund einer
                                                                                                                          Neuverteilung der Regionalisierungs-
                      Die Bahnstrecken zeitlich durchgängig                  müsse darin einen gebührenden Platz          mittel bekomme das Land ab 2022 we-
                      zu erhalten, sei immens wichtig: Eine ein-             einnehmen. „Wir sollten diese Chance         niger vom Kuchen. „Das Geld, das wir
                      mal erfolgte Stilllegung lasse sich kaum               nicht verspielen.“ Für ihn stehe fest: „Wo   zurzeit zurücklegen, ist der Versuch, die
                      rückgängig machen, argumentierte                       ein Wille ist, da ist ein Weg.“              entstehende Lücke in den Jahren 2022
                      Jörg Kröger (AfD). „Die jetzt noch lau-                                                             bis 2031 zu decken“, um das bestehende
                      fende Technik hat nur solange die Stre-                „Heute ist Gelegenheit, statt vollmun-       Angebot langfristig zu erhalten. Dabei
                      cke nicht stillgelegt ist Bestandsschutz.“             diger Ankündigungen einen konkreten          gehe es um hohe Millionenbeträge. Al-
                      Anstatt die Strecken aufzugeben, sollte                Beitrag dafür zu leisten, dass sich Men-     lein in diesem Jahr wende das Land 200
                      die Südbahn mit fahrplangerechten                      schen im ländlichen Raum nicht abge-         Millionen Euro für bestellte Zugverbin-
                      Taktungen und kurzen Umstiegszeiten                    hängt und von der Politik vergessen          dungen auf. „Diese Kosten steigern sich
                      für Fahrgäste wieder attraktiv gemacht                 fühlen“, so untermauerte Dr. Mignon          jährlich um Beträge zwischen zwei und
                      werden. „Das bringt dann steigende                     Schwenke den Antrag der Linken. Ihre         drei Prozent.“ Deshalb sei es wichtig,
                      Einnahmen. Damit einhergehend ist                      Fraktion kämpfe seit 2013 mit parla-         Rücklagen zu bilden. Dass der ländliche
                      eine wichtige Grundlage für einen lang-                mentarischen Initiativen für die Süd-        Raum abgehängt werde, wies er zurück.
                      fristigen Streckenerhalt gelegt.“ Länd-                bahn. „Die einzige Verbindung von            Die Landesregierung lasse die beiden
                      liche Mobilitätsbedürfnisse mit dem                    Ost nach West im Süden des Landes            Landkreise nach der Abbestellung der
                      öffentlichen Nahverkehr zu befriedigen,                muss erhalten werden“ – und zwar als         Bahn nicht im Regen stehen, sondern
                      sei ein wichtiger Baustein im Bemühen                  durchgehende Südbahn in Landesver-           beteilige sich an der Finanzierung des
                      um ein klima-, umwelt- und sozialver-                  antwortung. Anstatt attraktive Bahn-         Busersatzverkehrs. Nach anfänglichen
                      trägliches Verkehrssystem. Die Schiene                 verbindungen zu schaffen, horte die          Startschwierigkeiten werde dieser in-

                      LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
A u s        d e m          P l e n u m / B e r i c h t e                            17

                                                                                                         nicht um Eisenbahnromantik.“ Der in
Foto: Jens Büttner

                                                                                                         den Raum gestellte Investitionsbedarf
                                                                                                         von 9,2 Millionen Euro sei letztlich die
                                                                                                         Folge jahrzehntelang verschleppter In-
                                                                                                         vestitionen. Einmal aufgewendet, fielen
                                                                                                         diese Kosten nicht jedes Jahr wieder an.
                                                                                                         Er warb noch einmal darum, die Stre-
                                                                                                         cke für Fahrgäste wieder attraktiv zu
                                                                                                         gestalten. „Wenn man die Sache richtig
                                                                                                         angeht und dann noch mal neu berech-
                                                                                                         net, kommt man, denke ich, auch zu an-
                                                                                                         deren Zahlen.“ Was hier zähle, sei der
                                                                                                         Wille. „Den vermag ich hier aber nicht zu
                                                                                                         erkennen. Und ohne Willen ist natürlich
                                                                                                         diese Strecke verloren.“

                                                                                                         „Bisher sind sämtliche Bemühungen
                                                                                                         zur Reaktivierung des Bahnbetriebs
                 Die Südbahn gibt es so nicht mehr.                                                      am Unwillen des Verkehrsministeriums
                                                                                                         gescheitert“, befand auch Dr. Mignon
                 zwischen auch angenommen. Die                Forderung, den Schienenpersonen-           Schwenke (DIE LINKE). Sie empfahl ei-
                 Nutzerzahlen entsprächen jetzt in etwa       nahverkehr in die Verantwortung des        nen Blick über den Tellerrand hinaus.
                 denen der einstigen Südbahn.                 Landkreises zu legen, stehe er offen ge-   „Andere Bundesländer, auch Flächen-
                                                              genüber. Aus seiner Sicht bestehe kein     länder, gehen seit langem einen an-
                 Dietmar Eifler (CDU) erinnerte an den        Problem, zwischen dem Landkreis Lud-       deren Weg. Sie reaktivieren Bahnstre-
                 Abwägungsprozess, der 2013 zu der            wigslust-Parchim, dem Land und der         cken, bilden Verkehrsverbünde. Und
                 Entscheidung geführt habe, die Strecke       VMV eine Übernahmevereinbarung ab-         die Entwicklung gibt ihnen Recht: Die
                 zwischen Parchim und Malchow nicht           zuschließen und das Engagement des         Nutzerzahlen steigen.“ Das Umden-
                 weiter zu bestellen: Auf der einen Seite     Kreises auch finanziell zu unterstützen.   ken der Bevölkerung, bewusst auf ein
                 10,5 Millionen Euro für den Bahnbetrieb,     Behauptungen von Bundestagsabge-           Auto zu verzichten, sei in vollem Gan-
                 auf der anderen 1,5 Millionen Euro, um       ordneten, das Land halte zielgerichtet     ge. Hinzu komme, dass die stillgelegte
                 den Bus fahren zu lassen. „Es ist also von   für den Nahverkehr gedachte Gelder         Bahnverbindung zwischen Mirow und
                 einem auf ein anderes Verkehrssystem         zurück, bezeichnete er als „Mär“. Solch    Wittstock in die Reaktivierungsliste des
                 umgeschwenkt worden.“ Der Entschluss         klare Ansagen von Bundespolitikern         Verbands Deutscher Verkehrsunter-
                 des Betreibers, die Strecke stillzulegen,    hätte er sich auch Anfang der 1990er-      nehmen aufgenommen wurde. „Wenn
                 „ist letzten Endes eine Bestätigung          Jahre gewünscht, als der Bund den re-      die Bahn also wieder bis ins branden-
                 dessen, was uns 2013/2014 als Entschei-      gionalen Bahnverkehr auf die Länder        burgische Wittstock fährt, machen die
                 dungsgrundlage diente: die Wirtschaft-       übertragen und dabei um jeden Cent         Ost-West-Anbindung – die durchge-
                 lichkeit“. Das dürfe nun aber weder zu       gefeilscht habe.                           hende Südbahn – und die Nord-Süd-
                 einem Rückbau der Infrastruktur noch                                                    Verbindung Güstrow-Plau wieder rich-
                 zu einer Entwidmung führen. „Wir ste-        „Es ist bedauerlich, was wir hier zu hö-   tig Sinn.“
                 hen vor gravierenden Veränderungen           ren gekriegt haben“, sagte Jörg Kröger
                 in der Verkehrstechnologie. In den Tech-     (AfD). Er hätte ein klares Bekenntnis      Dringlichkeitsantrag AfD
                 nologien der Verkehrsmittel insgesamt,       zum Erhalt des Schienenverkehrs auf        Drucksache 7/3442
                 aber auch in der Inanspruchnahme der         der Strecke erwartet, und nicht zum        Dringlichkeitsantrag DIE LINKE
                 unterschiedlichen Verkehrsinfrastruk-        Schienenersatzverkehr. „Es geht hier       Drucksache 7/3445
                 turen.“ Niemand könne vorhersehen,
                 wie sich das in den kommenden zehn                    Dringlichkeitsantrag
                 Jahren entwickeln werde.                     Welche Themen die Fraktionen in den        können sie Dringlichkeitsanträge stel-
                                                              Landtagssitzungen beraten möchten,         len. Die betreffende Fraktion hat dann
                 In der Sache könne er die Befürworter        müssen sie spätestens zwei Wochen          die Möglichkeit, die Dringlichkeit zu
                 der Südbahn verstehen, bekundete             vorher der Landtagspräsidentin mit-        begründen. Stimmen mindestens
                 Jochen Schulte (SPD). „Wir haben aber        teilen. Ausgehend davon wird dann          zwei Drittel der Landtagsmitglieder
                 ein grundlegendes Problem in diesem          die vorläufige Tagesordnung für die        dem zu, kann der Antrag zusätzlich
                 Land“: die begrenzten Finanzmittel für       Sitzungstage erstellt. Ergeben sich        auf die Tagesordnung gesetzt werden.
                 den öffentlichen Personennahverkehr.         aus dem aktuellen Geschehen heraus         Geregelt ist das in der Geschäftsord-
                 Wenn das Land Geld für eine Bestel-          weitere Sachverhalte, die Abgeordne-       nung des Landtags (§74, Absatz 1).
                 lung der Südbahn ausgebe, müsse an           te im Landtag diskutieren möchten,
                 anderer Stelle gespart werden. Der

                                                                                                     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
18   A u s          d e m           P l e n u m / B e r i c h t e

     Endspurt
     für die beitragsfreie Kita
     Landesregierung bringt Gesetzesänderung in den Landtag ein

         Seit fast einem Jahr wird über die beitragsfreie Betreuung von Kindern in                 Jacqueline Bernhardt (DIE LINKE). Es
     Krippe, Kindergarten, Hort und Tagespflege diskutiert. Damit Eltern aber wie                  sei ein gutes Zeichen an die Familien im
     geplant zum 1.1.2020 von den Kosten befreit werden können, müssen die ge-                     Land, denen so endlich gezeigt werde,
     nauen Bestimmungen dazu ins Kindertagesförderungsgesetz (KiföG) aufge-                        dass sie in M-V willkommen seien. Sie
     nommen werden. Den Entwurf dazu brachte die Landesregierung in der 61.                        müssten jetzt nicht mehr in benachbar-
     Sitzung in den Landtag ein. Größter Kritikpunkt der Opposition: mangelnde                     te Bundesländer schauen. Die kosten-
     Verbesserungen bei der Betreuungsqualität.                                                    freie Betreuung eröffne Familien neue
                                                                                                   finanzielle Spielräume und sorge für
     „Nachdem wir zum 1. Januar dieses Jah-          gestellt. „Wieso sollen Eltern den Mehr-      chancengleiche Bildungsmöglichkeiten
     res die Gebühren für Geschwisterkinder          bedarf tragen, wenn die Kita kostenfrei       von der Kita an. Bei aller Euphorie dür-
     abgeschafft haben, soll jetzt der end-          ist?“ Überhaupt keine Rolle spielten in       fe aber auch die Qualität der Betreuung
     gültige Schritt erfolgen für alle Kinder in     dem Gesetzentwurf zudem Familien-             nicht aus den Augen verloren werden.
     unserem Land“, sagte Ministerpräsiden-          modelle, in denen Mütter nicht arbeiten       Die Anforderungen an Erzieher seien
     tin Manuela Schwesig. Damit nehme               gingen. „Wo bleibt der finanzielle Aus-       mit den Jahren immer umfangreicher
     M-V eine Vorreiterstellung in Deutsch-          gleich für Eltern, die ihre Kinder nicht in   geworden. „Wir geben ihnen immer
     land ein. Nirgendwo sonst schließe              den Kindergarten schicken möchten?“           mehr Aufgaben, aber nicht die entspre-
     die Gebührenfreiheit alle Förderarten           Das Land erwarte einfach, dass alle Müt-      chende Zeit und dementsprechend
     und auch die Ganztagsbetreuung mit              ter arbeiten gehen.                           kleinere Gruppen.“ Denn: Um Qualitäts-
     ein. „Wir sorgen damit nicht nur für die                                                      standards wie diese zu erhöhen, fehle
     größte Entlastung von Familien in un-           „Die Abschaffung der Elternbeiträge           es schlichtweg an Personal. Da helfe es
     serem Land, sondern auch für die größ-          ist eine große Leistung“, entgegnete          auch nicht, immer neue Berufsfelder in
     te Lohnerhöhung.“ Die Abschaffung               Maika Friemann-Jennert (CDU). „Be-            die Fachkraftdefinition einzuschließen.
     der Elternbeiträge nicht als Form von           sonders für Familien mit niedrigem            Sie forderte, einen Stufenplan für die
     Qualitätsverbesserung zu betrachten,            Einkommen bedeutet das eine enorme            Absenkung des Betreuungsschlüssels
     halte sie für falsch: „Wir erreichen da-        Entlastung.“ 321 Millionen Euro pro Jahr      zu entwickeln und dem entsprechend
     mit, dass Spielräume entstehen in den           für die Kindertagesförderung auszuge-         Fachkräfte auszubilden.
     Verhandlungen, Erzieher und Tagespfle-          ben, sei für ein Land wie M-V eine ganz
     gepersonen besser zu bezahlen.“ Darü-           schöne Hausnummer - aber auch das             Sozialministerin Stefanie Drese sprach
     ber hinaus soll mit der Gesetzesnovelle         beste Rezept gegen Kinderarmut. Auf           von einem der wichtigsten Gesetzent-
     zusätzliches Geld in die Vor- und Nach-         Druck ihrer Fraktion bringe die Geset-        würfe der Landesregierung in dieser
     bereitungszeit der Erzieher fließen. „Wir       zesnovelle aber auch mehr Geld für viel-      Legislaturperiode. „Unsere Vision einer
     investieren also auch mit diesem Gesetz         fach geforderte Qualitätssteigerungen         kostenlosen Bildung von Anfang an,
     in Qualität.“                                   mit sich: insgesamt 6,8 Millionen Euro.       unsere Vision einer historisch einma-
                                                     Geld, das vor allem der mittelbaren           ligen Entlastung für junge Familien ist
     Thomas de Jesus Fernandes (AfD)                 pädagogischen Arbeit, der Fach- und           kurz davor, Wirklichkeit zu werden.“ Die
     bezeichnete den Gesetzentwurf als               Praxisberatung und Verbesserungen             Abschaffung der Elternbeiträge zum 1.
     „Schlag ins Gesicht“ vieler Erzieher.           in der Kindertagespflege zugutekom-           Januar 2020 gehe weit über die Verein-
     „Schöne Verpackung, zweifelhafter In-           men solle. „Das ist ein Anfang.“ Letztlich    barungen im Koalitionsvertrag hinaus.
     halt.“ An der Qualität der Betreuung            werde auch die kommunale Ebene von            „Mit Landesmitteln wurde und wird viel
     werde sich damit nichts verbessern.             den gesetzlichen Änderungen profitie-         bewegt.“ Im Bereich der Kindertagesför-
     Gute Kita habe auch etwas mit einem             ren. Für sie bedeute das neue Finan-          derung seien diese in den vergangenen
     vernünftigen Betreuungsschlüssel, ei-           zierungssystem deutlich weniger Büro-         acht Jahren von 118 Millionen Euro auf
     ner guten Bezahlung der Fachkräfte              kratie. „Unterschiedliche Förderstränge       mehr als 320 Millionen Euro gestiegen.
     und einer vorausschauenden Personal-            werden zusammengefasst und dann als           „Das Land wird pro Jahr zirka 145 Mil-
     planung zu tun. „30 Prozent der Erzieher        einzige Förderung weitergegeben.“             lionen Euro in die Hand nehmen, um
     werden demnächst in Rente gehen.“ Ein                                                         die komplette Beitragsfreiheit zu finan-
     weiterer Kritikpunkt: Reichen Betreu-           „Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf           zieren. Vom Bund kommen in der End-
     ungszeiten – zum Beispiel während der           gehen wir einen riesigen Meilenstein,         stufe etwa 37,5 Millionen Euro hinzu.“
     Schulferien – nicht aus, würden die zu-         den meine Fraktion seit Jahren für die        Fachkräftebedarf, Fachkraft-Kind-Rela-
     sätzlichen Stunden Eltern in Rechnung           Menschen in M-V gefordert hat“, lobte         tion, Vergütung, Arbeitszeiten – ihr sei

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2019
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