LEITLINIE ZUM MANAGEMENT IGE-VERMITTELTER NAHRUNGSMITTELALLERGIEN - AWMF
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Leitlinie Allergo J Int 2015; 24: 256 Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Schlüsselwörter S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie Allergie – Nah- und klinische Immunologie (DGAKI) in Zusammenarbeit mit rungsmittel – Dia- gnostik – T herapie dem Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA), dem – Prävention Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), dem Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), der Deutschen Kontaktallergie- Gruppe (DKG), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), dem BerufsVerband Entwicklungsstufe S2k Oecotrophologie e.V. (VDOE) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF-Leitlinien- Register-Nummer (AWMF) 061–031 Margitta Worm1, Imke Reese2, Barbara Ballmer-Weber3, Kirsten Beyer4, Stephan C. Bischoff5, Martin Classen6, Peter Fertigstellung J. Fischer7, Thomas Fuchs8, Isidor Huttegger9, Uta Jappe10, Ludger Klimek11, Berthold Koletzko12, Lars Lange13, Ute 27. März 2015 Lepp14, Vera Mahler15, Alexander Nast1, Bodo Niggemann4, Ute Rabe16, Martin Raithel17, Joachim Saloga18, Christiane Schäfer19, Sabine Schnadt20, Jens Schreiber21, Zsolt Szépfalusi22, Regina Treudler23, Martin Wagenmann24, Bernhard Gültigkeit Watzl25, Thomas Werfel26, Torsten Zuberbier1, Jörg Kleine-Tebbe27 bis 31. Juni 2018 1Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland; ICD-10-Nummern 2Ernährungsberatung und -therapie, Schwerpunkt Allergologie, München, Deutschland; 3Dermatologische Klinik, T78.1 Universitätsspital Zürich, Schweiz; 4Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland; 5Institut für Ernährungsmedizin und Prävention, Universität Hohenheim, Englische Fassung Stuttgart, Deutschland; 6Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Links der Weser gGmbH, Bremen, http://link.springer. Deutschland; 7Praxis für Kinder- und Jugendmedizin m. S. Allergologie und Kinderpneumologie, Schwäbisch com/journal/40629 Gmünd, Deutschland; 8Hautklinik, Georg-August-Universität, Göttingen, Deutschland; 9Klinik für Kinder- und 38 16.01.2018: Gültigkeit der Leitlinie nach inhaltlicher Überprüfung durch das Leitliniensekretariat verlängert bis 26.02.2021
Allergo J Int 2015; 24: 257 Jugendheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburger Landeskliniken, Salzburg, Österreich; 10Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, Deutschland; 11Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden, Deutschland; 12Abteilung Stoffwechsel und Ernährung, Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland; 13Kinder- und Jugendmedizin, St.-Marien-Hospital, Bonn, Deutschland; 14Praxis für Lungenheilkunde und Allergologie, Buxtehude, Deutschland; 15Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland; 16Abteilung für Asthma und Allergologie, Fachklinik für Pneumologie, Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen gGmbH, Treuenbrietzen, Deutschland; 17Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie, Universität Erlangen, Deutschland; 18Hautklinik, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland; 19Allergologische Schwerpunktpraxis, Ernährungstherapie, Hamburg, Deutschland; 20Deutscher Allergie- und Asthmabund, Mönchengladbach, Deutschland; 21Pneumologie, Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Deutschland; 22Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien, Österreich; 23Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universität Leipzig, Deutschland; 24Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf, Deutschland; 25Max-Rubner-Institut, Physiologie und Biochemie der Ernährung, Karlsruhe, Deutschland; 26Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland; 27Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, Berlin, Deutschland Zitierweise: Worm M, Reese I, Ballmer-Weber B, Sie berücksichtigt die methodischen Vorgaben Beyer K, Bischoff SC, Claßen M, Fischer PJ, Fuchs der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen T, Huttegger I, Jappe U, Klimek L, Koletzko B, Lan- Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur ge L, Lepp U, Mahler V, Nast A, Niggemann B, Rabe Entwicklung von Leitlinien für Diagnostik und U, Raithel M, Saloga J, Schäfer C, Schnadt S, Schrei- Therapie und entspricht nach dem Dreistufenkon- ber J, Szépfalusi Z, Treudler R, Wagenmann M, zept der AWMF einer S2k-Leitlinie [8]. Die DELBI- Watzl B, Werfel T, Zuberbier T, Kleine-Tebbe J. Gui- Kriterien finden Berücksichtigung [9]. delines on the m anagement of IgE-mediated food Die Empfehlungsstärken der einzelnen Emp- allergies. S2K-Guidelines of the German Society for fehlungen werden in dieser Leitlinie durch stan- Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) in dardisierte Formulierungen ausgedrückt (Tab. 1) collaboration with the German Medical Associati- [10]. on of Allergologists (AeDA), the German Professi- Die Leitlinie basiert auf der aktuellen S3-Leitlinie onal Association of Pediatricians (BVKJ), the Ger- zur Diagnose und Therapie der Nahrungsmittel man Allergy and Asthma Association (DAAB), allergie der European Academy of Allergy and Cli- German Dermatological Society (DDG), the Ger- nical Immunology (EAACI) [11] und systemati- man Society for Nutrition (DGE), the German So- schen Reviews der EAACI [12, 13] aus dem Jahr ciety for Gastroenterology, Digestive and Metabolic 2014, für die eine systematische Literatursuche in Diseases (DGVS), the G erman Society for Oto-Rhi- PubMed, Metaanalysen, klinische Studien und an- no-Laryngology, Head and Neck Surgery, the Ger- dere wissenschaftliche Untersuchungen zusammen- man Society for Pediatric and Adolescent Medicine gestellt wurden. Die Konsentierung der vorliegen- (DGKJ), the German S ociety for Pediatric Allergo- den Leitlinie erfolgte unabhängig von der europäi- logy and Environmental Medicine (GPA), the Ger- schen Leitlinie durch ein deutschsprachiges Exper- man Society for Pneumology (DGP), the German tengremium. Society for P ediatric Gastroenterology and Nutriti- on (GPGE), German Contact Allergy Group (DKG), 1. Epidemiologie und häufigste Auslöser der the Austrian Society for A llergology and Immuno- Nahrungsmittelallergie logy (ÖGAI), German Professional Association of Wie werden Nahrungsmittelallergien nach ihrem Nutritional Sciences (VDOE) and the Association Sensibilisierungsweg differenziert? of the Scientific Medical Societies Germany Wie häufig sind Nahrungsmittelallergien? (AWMF). Allergo J Int 2015;24:256–93 Was sind die Risikofaktoren einer Nahrungsmittel DOI: 10.1007/s40629-015-0070-4 allergie? Wie ist die Prognose einer Nahrungsmittelallergie? Präambel Was sind die häufigsten Nahrungsmittelallergien? Die vorliegende Leitlinie aktualisiert und fasst be- reits publizierte AWMF-S1- und S2-Leitlinien zu 1.1. Klassifikation verschiedenen Aspekten der Nahrungsmittelaller- Immunglobulin-E(IgE)-vermittelte Nahrungsmittel gie zusammen [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7]. allergien werden in primäre und sekundäre Nah- 39
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 258 rungsmittelallergien eingeteilt, die unterschiedlich — aktuellen Entwicklungen, schwer verlaufen können. — potenziellen Risiken sowie — Primäre Nahrungsmittelallergien entstehen pri- — prognostischen Faktoren ... mär in Folge (am ehesten) gastrointestinaler Sen- zur Nahrungsmittelallergie in Europa abzuschät- sibilisierungen auf vorwiegend stabile Nahrungs- zen, wurden im Zeitraum von 2000 bis 2012 publi- mittelallergene (Glykoproteine). zierte Studien zu dieser Frage im Sinn einer Meta- — Eine sekundäre Nahrungsmittelallergie entsteht analyse ausgewertet [16]. Die Punktprävalenz von infolge einer Sensibilisierung gegenüber Aeroal- selbst berichteter Nahrungsmittelallergie war unge- lergenen (z. B. Pollenallergenen) mit anschlie- fähr sechsmal höher als bei einer durch Provokati- ßenden Reaktionen (sog. Kreuzallergien) auf onstestung überprüften Nahrungsmittelallergie. strukturverwandte, häufig instabile Allergene in Die Prävalenz der primären Nahrungsmittelallergie (pflanzlichen) Lebensmitteln. war grundsätzlich bei Kindern höher als bei Er- wachsenen. Die Zunahme der Häufigkeit s ekundärer 1.2. Prävalenz von Nahrungsmittelallergien Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen infolge Die Prävalenz von Nahrungsmittelallergien ist von Kreuzreaktionen mit Inhalationsallergenen ist regional unterschiedlich und in einigen Ländern in auch auf ein erhöhtes Bewusstsein und verbesserte den letzten Jahren angestiegen. So hat sich die Häu- Diagnostik zurückzuführen. figkeit der Erdnuss- und Baumnussallergie in den Studien zur Epidemiologie der Nahrungsmittel letzten Jahrzehnten in den USA verdreifacht [14]. allergien in Deutschland liegen begrenzt vor. Eine Eine Nahrungsmittelallergie führt zu einer Ein- Untersuchung von 2004 ergab eine Prävalenz der schränkung der Lebensqualität der Betroffenen und Nahrungsmittelallergie, gesichert durch doppel kann in seltenen Fällen tödlich verlaufen [15]. Um blinde, placebokontrollierte Nahrungsmittelprovo- die ... kation, von 3,7 % bei Erwachsenen [17] und von — Inzidenz, 4,2 % bei Kindern [18]. Eine aktuelle Studie zur — Prävalenz, Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DGES), Abkürzungen AAAAI American Academy of Allergy, Asthma & KI Konfidenzinterval Immunology KU Kontakturtikaria AGATE Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie – LJ Lebensjahr Training und Edukation LMIV Lebensmittelinformationsverordnung ASS Acetylsalicylsäure LoQ Limit of quantation BAT Basophilenaktivierungstest LTP Lipidtransferprotein BK Berufskrankheit MdE Minderung der Erwerbsfähigkeit CCD Cross-reactive carbohydrate determinants NPV Negative predictive value CSACI Canadian Society of Allergy and Clinical Immunology NSAID Nichtsteroidale Entzündungshemmer DBPCFC Double-blind placebo-controlled food nsLTP Non-specific lipid transfer protein challenge OAS Orales Allergiesyndrom DGES Studie zur Gesundheit Erwachsener in OIT Orale Immuntherapie Deutschland PKD Proteinkontaktdermatitis EAACI European Academy of Allergy and Clinical Immunology PPI Protonenpumpeninhibitor EGID Eosinophilic gastrointestinal disorders PPV Positive predictive value FPIES Food protein-induced enterocolitis PR-10 Pathogenesis-related protein family 10 syndrom SCIT Subkutane Immuntherapie HMW High molecular weight SIT Spezifische Immuntherapie IgE Immunglobulin E SLIT Sublinguale Immuntherapie IgG Immunglobulin G WDEIA Wheat-dependent, exercise-induced GÖR Gastroösophagealer Reflux anaphylaxis 40
Allergo J Int 2015; 24: 259 durchgeführt im Zeitraum 2008 bis 2012, ergab eine Lebenszeitprävalenz der Nahrungsmittelallergie Tab. 1: Empfehlungsstärken von 6,4 % bei Frauen und 2,9 % bei Männern sowie Empfehlungsstärke Syntax für die Gesamtkohorte der Erwachsenen von 4,7 % (95 %-Konfidenzintervall 4,1–5,4) [19]. starke Empfehlung soll Zusammenfassend ergibt sich für die Prävalenz Empfehlung sollte der Nahrungsmittelallergie in Deutschland folgen- Empfehlung offen kann des: — vermutet: ~20 %, — durch Provokation bestätigt (2004): — Kinder: 4,2 %, Toleranzentwicklung hat, während Erdnuss- und — Erwachsene: 3,7 %. Baumnussallergien oft bis in das Erwachsenenalter persistieren. Weitere Studien sind notwendig, um 1.3. Risikofaktoren die Langzeitprognose einer Nahrungsmittelaller- Gegenwärtig gibt es keine konsistenten Risiko- oder gie zukünftig besser zu definieren. prognostischen Faktoren für die Entwicklung oder den Verlauf einer Nahrungsmittelallergie. Die Häu- 1.5. Hauptauslöser einer Nahrungsmittelallergie figkeit einer Nahrungsmittelallergie wird durch fol- je nach Lebensalter genden Variablen beeinflusst: Die häufigsten Auslöser einer Nahrungsmittelall — Geschlecht, ergie sind bei Kindern und Jugendlichen Milch- — Alter, und Hühnereiweiß, Soja, Weizen, Erdnuss und — Wohnort/geografische Lage, Baumnüsse, bei Erwachsenen pollenassoziierte — familiäre Atopieanamnese, Nahrungsmittelallergene (Apfel und anderes Kern- — Vorhandensein anderer allergischer Erkrankungen. und Steinobst inkl. Hartschalenobst (siehe auch Geografisch betrachtet lag die höchste Prävalenz Tab. 6), Gemüse (Sellerie, Möhre) sowie Weizen, der Nahrungsmittelallergie bei Kindern im Ver- Krusten- und Schalentiere. Das Profil von Nah- gleich zu Erwachsenen in Nord-West-Europa. Eine rungsmittelallergenen als Auslöser schwerer aller geringere Häufigkeit der selbst berichteten und be- gischer Reaktionen ist exemplarisch in Abb. 1 dar- stätigten Nahrungsmittela llergie wurde in Südeu- gestellt. ropa gefunden. Die Autoren der Metaanalyse emp- fehlen eine vorsichtige Interpretation der Daten Kernaussagen zur Häufigkeit der Nahrungsmittelallergie auf- grund der Heterogenität der Studien bzgl. metho- Die Prävalenz der Nahrungsmittelallergie ist starker altersabhängig. Eine Studie zur Prävalenz der Konsens discher oder diagnostischer Unterschiede inner- Nahrungsmittelallergie in Deutschland zeigt halb einer und zwischen (unterschiedlichen) geo- eine Häufigkeit von 4,2 % bei Kindern und 3,7 % grafischen Region(en) Europas. bei Erwachsenen. Aus verschiedenen Gründen lässt sich die Häufig- Bei der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie Konsens keit von Nahrungsmittelallergien schwer ermitteln. gibt es primäre (vorwiegend frühkindliche) und Hierzu gehören: sekundäre (vorwiegend pollenassoziierte) — Vorhandensein von Augmentationsfaktoren (Fak- Allergien, die in ihrer Schwere unterschiedlich toren, die das Auftreten von Symptomen einer verlaufen. Nahrungsmittelallergie begünstigen), Eine Nahrungsmittelallergie kann die Konsens — z. T. mangelhafte Reproduzierbarkeit von glaub- Lebensqualität stark einschränken und in haft beschriebenen Symptomen, seltenen Fällen tödlich verlaufen. — Vorkommen versteckter Allergene und neuarti- ger Lebensmittel, — unzureichende Kenntnis von Schwellenwerten, — mangelnde Berücksichtigung individueller Sen- Worm, Jappe sibilisierungsprofile, — natürliche Toleranzentwicklung und Neuentste- hung von Allergien in unterschiedlichen Lebens 2. Prävention von Nahrungsmittelallergien altern. Mit welchen Maßnahmen kann das Entstehen einer Nahrungsmittelallergie beeinflusst/verringert wer- 1.4. Prognose den? Daten zum Verlauf einer Nahrungsmittelallergie Primärprävention hat zum Ziel, das Risiko für zeigen, dass die frühkindliche Milcheiweißaller- das Auftreten von allergischen Sensibilisierungen gie eine gute Prognose im Sinn einer spontanen und allergischen Erkrankungen zu vermindern. 41
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 260 200 Kinder/Jugendliche (0–17 Jahre) 180 Erwachsene (>18 Jahre) 160 Anzahl (95-%-Konfidenzintervall) 140 120 100 80 60 40 20 0 Erdnuss Haselnuss Weizen Kuhmilch Hühnerei Soja Fisch Sellerie Schalen- Walnuss Krustentiere Abb. 1: Nahrungsmittelallergene als Auslöser in verschiedenen Altersgruppen [20] (n = 665, Kinder und Jugendliche 0–17 Jahre, Erwachsene ab 18 Jahre); Fälle aus dem Anaphylaxie-Register (1. Januar 2006 bis 31. März 2013) Dazu werden entweder ursächliche oder prädispo- — keine Verzögerung der Beikost (A), nierende Faktoren verändert oder die Toleranz des — Verzehr von Fisch durch Mutter und Kind (B), Einzelnen erhöht. Bei der Prävention allergischer — Vermeidung von Übergewicht/Fettleibigkeit (A), Erkrankungen betreffen einige wenige Empfehlun- — keine spezifischen Maßnahmen zur Hausstaub- gen ausschließlich Risikopersonen, bei denen Vater, milbenallergenreduktion im Rahmen der Primär Mutter und/oder Geschwister bereits von einer all- prävention (B), ergischen Erkrankung betroffen sind. Die meisten — keine Einschränkung der Haustierhaltung bei Empfehlungen sind auch für Nichtrisikopersonen Nichtrisikokindern, keine Anschaffung von Kat- geeignet. zen bei Risikokindern (B), Seit 2004 gibt es eine deutsche evidenzbasierte — Vermeidung eines Innenraumklimas, das Schim- und konsentierte S3-Leitlinie in Deutschland zur melpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtig- Allergieprävention, die 2009 [21] und 2014 aktuali- keit, mangelnde Ventilation) sowie Minimierung siert wurde [22]. Die Empfehlungen umfassen die der Exposition von Innenraumluftschadstoffen Bereiche: (B), a) Stillen, — Minimierung der Exposition gegenüber kraft- b) Ernährung von Mutter und Kind, fahrzeugbedingten Emissionen (B), c) Exposition gegenüber Inhalationsallergenen oder — Vermeidung aktiver und passiver Exposition ge- Luftschadstoffen im Innen- und Außenraum inkl. genüber Tabakrauch – bereits während der Tabakrauch, Schwangerschaft (A), d)Tierhaltung, — Impfen nach STIKO-Empfehlungen für alle Kin- e) Impfen und der, unabhängig vom Allergierisiko empfohlen f) Geburtsverfahren. (A). Die hier unterstützten Empfehlungen (Empfeh- — Bei der Wahl des Geburtsverfahrens sollte be- lungsgrad: A bis C) lauten im Einzelnen: rücksichtigt werden, dass Kinder, die durch Kai- — voll Stillen über die ersten vier Monate (A), serschnitt auf die Welt kommen, ein erhöhtes All — Gabe hydrolysierter Säuglingsnahrung an Risi- ergierisiko haben (B). kokinder in den ersten vier Lebensmonaten, — Darüber hinaus wurden folgende Stellungnah- wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt wer- men verabschiedet: den kann (A), — Es gibt Hinweise, dass der Konsum von Gemü- — keine diätetische Restriktion bei Mutter (Schwan- se und Früchten, einer sog. mediterranen Kost, gerschaft/Stillzeit) (A) und Kind (B) aus Gründen von ω-3-Fettsäuren (bzw. ein günstiges ω-3- zu der Primärprävention, ω-6-Verhältnis) sowie von Milchfett einen prä- 42
Allergo J Int 2015; 24: 261 ventiven Effekt bezüglich atopischer Erkran- Der Kontakt von Nahrungsmittelproteinen mit kungen hat. dem Immunsystem erfolgt am häufigsten oral/ — Ein präventiver Effekt von Probiotika konnte gastrointestinal, kann aber auch ... bislang nur für das atopische Ekzem darge- — perkutan (über die Haut, z. B. Kontakturtikaria), stellt werden. Eine Empfehlung hinsichtlich — inhalativ (über die Atemwege, z. B. B äckerasthma, konkreter Präparate, Applikationsformen s. unter 7.) oder und Dauer und Zeitpunkt der Gabe kann auf- — parenteral (über das Gefäßsystem, z. B. bei Kon- grund der Heterogenität der Bakterienstäm- tamination einer Injektionslösung mit Nahrungs- me und der Studiendesigns nicht gegeben proteinen) werden. erfolgen. — Ein präventiver Effekt von Präbiotika konnte Der Expositionsweg spielt für die klinischen Symp- bislang nur für das atopische Ekzem dargestellt tome eine wichtige Rolle. Je nach beteiligtem Or- werden. Eine Empfehlung kann aufgrund der gansystem können diverse Symptome – oft in Kom- geringen Anzahl und der Heterogenität der bination – beobachtet werden (modifiziert nach Studien nicht gegeben werden. [26]) (Tab. 2, Tab. 3). — Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Antibiotika, Paracetamol (Acetaminophen) und atopischen Erkrankun- gen sind aufgrund potenziell verzerrender Ein- flussfaktoren nicht sicher zu interpretieren. Bis- Tab. 2: Symptome einer Nahrungsmittelallergie lang fehlt der Nachweis eines ursächlichen Zu- sammenhangs zwischen entsprechender Medi- Zielorgan Symptome kamenteneinnahme und der Entwicklung ato- Kreislauf Schock pischer Erkrankungen. Hypotension — Es gibt Hinweise, dass ungünstige psychosoziale Tachykardie (selten Bradykardie bei Anaphylaxie) Faktoren (z. B. schwerwiegende Lebensereig- Benommenheit, Schwindel nisse) während der Schwangerschaft und Kind- Synkope heit zur Manifestation atopischer Erkrankun- Haut (flüchtiges) Erythem ( „flush“) gen beitragen können. Ekzem(-verschlechterung) Zusätzlich zur S3-Leitlinie gibt es Hinweise, dass Urtikaria die Einnahme von Antacida die Sensibilisierung Juckreiz und Ausprägung einer Nahrungsmittelallergie Angioödem fördern kann [23]. Exanthem Augen Juckreiz Rötung (konjunktivale Injektionen) Gesamtes Kapitel starker Konsens Tränenfluss periorbitales Ödem Oberer Respirationstrakt nasale Kongestion Beyer, Reese Juckreiz Schnupfen (Rhinorrhö) 3. Klinik und Differenzialdiagnostik der Larynxödem, Stridor Nahrungsmittelallergie Heiserkeit 3.1. Klinische Symptome trockener Husten Was sind die (häufigsten) Symptome einer Nah- Unterer Respirationstrakt Husten rungsmittelallergie? thorakales Engegefühl Die Symptome einer IgE-vermittelten Nahrungs- Schweratmigkeit, Atemnot (Dyspnoe) mittelallergie sind abhängig von ... pfeifende Atemgeräusche (Giemen) — der Aufnahme (Expositionsort) des Nahrungs- Zyanose mittelproteins, Oropharynx Schwellungen der Lippen, Zunge und/oder des Gaumens — der zugrunde liegenden Erkrankung, (Angioödeme) — der Häufigkeit der Exposition sowie oraler und/oder pharyngealer Juckreiz (Pruritus) Zungenschwellung — der Dosis Sie können unterschiedliche Symptome hervorru- Gastrointestinaltrakt Übelkeit fen [24, 25]. Die meisten Symptome werden nicht Erbrechen ausschließlich bei einer Nahrungsmittelallergie be- kolikartige Bauchschmerzen obachtet und können auch bei anderen Erkrankun- gastroösophagealer Reflux (GÖR) gen vorkommen. Diarrhö 43
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 262 Nicht allergische Mechanismen: Nahrungsmittel- zusatzstoffe und natürliche Aromastoffe können Kernaussagen/Empfehlungen möglicherweise ebenfalls Mastzellen aktivieren und Symptome IgE-vermittelter Nahrungsmittelall- starker das klinische Bild einer IgE-vermittelten Nahrungs- ergien sind vielgestaltig und b etreffen verschie- Konsens mittelallergie imitieren (postuliert werden u. a. Ak- dene Organsysteme (vor allem Haut und tivierung G-Protein-gekoppelter Rezeptoren, Ver- Schleimhaut, weniger häufig Magen-Darm- Trakt, Atemwege und Herz-Kreislauf-System). änderungen im Eicosanoidstoffwechsel, verstärkte Mediatorenbildung/-ausschüttung). Natürliche Für die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie starker Aromastoffe, Schwefelverbindungen, Verbindungen sollte eine klare und reproduzierbare Assoziati- Konsens der Benzoesäure, histaminhaltige Nahrungsmittel on der Beschwerden zur Aufnahme definierter und Glutamat sind vereinzelt als Auslöser nicht al- Nahrungsmittel und eine Besserung der Symp- tome bei Karenz in Verbindung mit einer IgE- lergischer Nahrungsmittelunverträglichkeitsreak- Sensibilisierung vorliegen. tionen beschrieben worden. Zusätzlich können Augmentationsfaktoren erforderlich sein, sodass Bei intermittierender Verträglichkeit gegenüber Konsens orale Provokationen negativ ausfallen, wenn diese Nahrungsmitteln sollten u. a. auch augmentati- nicht berücksichtigt werden. onsfaktorenabhängige Allergien wie die nah- Die Bedeutung von salicylathaltigen Nahrungsmit- rungsabhängige anstrengungsinduzierte Ana- phylaxie e rwogen werden. teln bei Acetylsalicylsäure(ASS)-Intoleranz ist auf- grund eines geringen Vorkommens der Salicylsäure in Nahrungsmitteln unwahrscheinlich [28], aber nicht hinreichend erforscht. Classen, Lange, Rabe, Koletzko 3.2. Manifestationen und Kernaussagen Differenzialdiagnosen Differenzialdiagnostisch sollten bei V. a. Nah- starker Welche anderen Erkrankungen können die Symp- rungsmittelallergie vor allem Infektionen, chro- Konsens tome einer Nahrungsmittelallergie verursachen? nisch entzündliche Erkrankungen, Kohlenhyd- ratmalabsorptionen oder funktionelle bzw. Welche klinischen Manifestationen einer Nah- somatoforme Störungen in Betracht gezogen rungsmittelallergie gibt es? werden. Nahrungsmittel können zahlreiche Erkrankun- gen hervorrufen. Diese beruhen auf unterschied Für die Differenzialdiagnostik bei V. a. Nah- starker lichen pathophysiologischen Mechanismen mit Be- rungsmittelallergie sollten in Abhängigkeit der Konsens Symptome und des Alters des Patienten andere teiligung verschiedener, z. T. mehrerer Organsys Erkrankungen berücksichtigt werden. teme (s. auch bei 7.; Tab. 17). Eine Übersicht über die Manifestationen von Bei Verdacht auf nicht-IgE-vermittelte gastroin- Konsens Nahrungsallergien und Differenzialdiagnosen fin- testinale Unverträglichkeitsreaktionen sollte ein det sich in Tab. 4. Gastroenterologe (bzw. pädiatrischer Gastroen- terologe) in die Diagnostik miteinbezogen wer- den. Tab. 3: S ymptome bei verzögerter Reaktion oder chronischer Exposition Classen, Lange, Rabe, Koletzko Übelkeit 4. Diagnostik der Nahrungsmittelallergie Erbrechen Wie kann eine Nahrungsmittelallergie zuverlässig Bauchschmerz diagnostiziert werden? Gastroösophagealer Reflux (GÖR), Dysphagie und Bolusereignisse Vorgehen bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie: Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmit- Inappetenz und Nahrungsverweigerung telallergie beruht die Diagnostik auf mehreren Diarrhö, Malassimilation Komponenten (Abb. 2): — Anamnese (ggf. mit Ernährungs- und Symp- Hämatochezie (Blut im Stuhl) tomprotokoll) (4.1.), Gedeihstörung und Gewichtsverlust — Sensibilisierungstest (umgangssprachlich „Allergietest“) Empfehlung offen — IgE-Bestimmung (4.2.) und/oder 44
Allergo J Int 2015; 24: 263 Tab. 4: Manifestationen und Differenzialdiagnosen der Nahrungsmittelallergie (modifiziert nach [25]) Immunpathologie Erkrankung Klinische Charakteristika Typische Altersgruppe Prognose IgE-vermittelt akute Urtikaria/Angioödem ausgelöst durch Ingestion oder Kinder > Erwachsene abhängig vom auslösen- direkten Hautkontakt den Nahrungsmittel Rhinokonjunktivitis/Asthma begleitet nahrungsproteinbedingte Säugling > Erwachsener, abhängig vom bronchiale allergische Reaktionen, selten außer bei berufsbedingten auslösenden isolierte Atemwegssymptome (Aus- Erkrankungen Nahrungsmittel nahme: inhalative Exposition gegen Aerosol des Nahrungsproteins, oft berufsbedingt) Anaphylaxie rasch progrediente Multisystem jedes Alter abhängig vom auslösen- reaktion den Nahrungsmittel und Grunderkrankung verzögerte nahrungsmittel Anaphylaxie drei bis sechs Stunden Erwachsene > Kinder unklar induzierte Anaphylaxie gegen nach Ingestion; ausgelöst durch Säugetierfleisch [27] Antikörper gegen Galactose-α-1,3- Galactose nahrungsabhängige, risiko Nahrungsmittel löst Anaphylaxie nur Beginn im späten Kindes vermutlich dauerhaft faktorabhängige Anaphylaxie dann aus, wenn Augmentations alter/Erwachsenenalter faktoren wie Anstrengung, aber auch Alkohol oder Acetylsalicylsäure (ASS) vor oder nach Nahrungsauf- nahme vorhanden sind sekundäre Kreuzallergie (vor oropharyngealer Juckreiz; mildes, Beginn nach der kann persistieren; kann wiegend pollenassoziierte auf die Mundhöhle beschränktes Manifestation der mit den Jahreszeiten Nahrungsmittelallergien) Ödem, seltener Urtikaria perioral Pollenallergie variieren oder generalisiert, (Erwachsener > junges Kind) Atemwegssymptome (Husten); – selten systemische Reaktionen (inkl. Anaphylaxie) bei manchen pollenassoziierten Allergien gastrointestinale allergische rasch nach Ingestion auftretendes jedes Alter abhängig vom Sofortreaktion Erbrechen, später abdominelle auslösenden Koliken und Diarrhö Nahrungsmittel gemischt IgE- und atopisches Ekzem/Dermatitis mit Nahrungsmittel assoziiert bei Säugling > Kind > Erwachsene in der Regel Toleranz zellvermittelt 30 bis 40% der Kinder mit modera- entwicklung tem/schwerem Ekzem eosinophilenassoziierte Erkran- Symptome variieren; abhängig jedes Alter wahrscheinlich kungen des Gastrointestinal vom betroffenen Teil des persistierend traktes (EGID) Gastrointestinaltraktes und dem Grad der eosinophilen Entzündung zellvermittelt nahrungsproteininduzierte schleimige, blutige Stühle bei Säuglinge in der Regel Proktitis/Proktokolitis Säuglingen Toleranzentwicklung nahrungsproteininduziertes akute Exposition: schwere Manifes- Säuglinge – Kleinkinder in der Regel Enterokolitis-Syndrom (FPIES) tation mit Erbrechen, (blutiger) Toleranzentwicklung Diarrhö und Exsikkose bis Schock; chronische Exposition: Erbrechen, Diarrhö, Gedeihstörung, Lethargie, Reexposition nach Karenz: Erbre- chen, Diarrhö, Hypotension ein bis drei Stunden nach Ingestion nahrungsproteininduzierte Diarrhö, Erbrechen, Gedeihstörung, Säuglinge – Kleinkinder > Er- in der Regel Toleranz Enteropathie Ödeme; keine Kolitis wachsene entwicklung bei Kindern Zöliakie multiple Manifestationen, mono-, jedes Lebensalter persistierend (lebenslange oligo- und polysymptomatisch, strenge Glutenmeidung ausgelöst durch Gluten bei notwendig) genetischer Prädisposition nicht allergisch (nicht Kohlenhydratmalassimilation/- Diarrhö (osmotisch), Meteorismus, Laktasemangel typischerweise meist persistierend immunologische absorption (Laktose, Fruktose, Bauchschmerz ein bis vier Stunden ab Schulalter, sonst jedes (Laktose, Glukose- Intoleranz) Sorbit, selten: Saccharose, nach Aufnahme, auch Obstipation Alter Fruktosemalabsorption/ Galaktose); Fruktose, Glukose-Galaktose) möglich Sorbit: jedes Alter, sehr selten: Sorbit kongenitaler Laktasemangel, Glukose-Galaktose-Intoleranz, Saccharose-Isomaltase- Malabsorption 45
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 264 — Haut-Pricktest (4.3.), Der Begriff „Allergietest“ (für Haut- oder IgE- — Ermittlung der klinischen Relevanz (Inter Tests) ist in diesem Zusammenhang missver- pretation) ständlich und birgt die größte Quelle für Fehl — Plausibilität anhand der (anamnestischen) klini- interpretationen diagnostischer Ergebnisse: Ein schen Angaben, positives Ergebnis z. B. gegenüber Nahrungsmit- — ggf. diagnostische Eliminationsdiät und teln (d. h. Sensibilisierung) kann nur bei Kenntnis — Provokationstest (4.4.). der klinischen Reaktion erfolgreich interpretiert Die Testreihenfolge und die Auswahl der Testrea- werden. genzien orientieren sich an Als Faustregel gilt, dass nur die Hälfte der in der a) der Anamnese Bevölkerung nachweisbaren atopischen Sensibili- b) dem Alter des Patienten und sierungen wirklich mit Symptomen assoziiert und c) den verfügbaren Testungen (Darstellung in den damit klinisch relevant sind. Dadurch zeigen sämt- Unterabschnitten). liche Sensibilisierungstests eine unbefriedigende Die diagnostischen Tests ermitteln eine erhöhte All diagnostische Spezifität (etwa 50 %) und begrenzte ergiebereitschaft (d. h. Sensibilisierung). Das gelingt positive Vorhersagekraft („positive predictive va- durch: lue“, PPV), die stark von der jeweiligen Allergen- — direkten Nachweis von allergenspezifischem IgE quelle und der Prävalenz einer Nahrungsmittel gegen Nahrungsmittelextrakte-/allergene im Se- allergie bei den untersuchten Kohorten abhängt. rum (4.2.) oder durch Bei gastrointestinaler Allergiemanifestation kön- — positive Hauttests (Pricktest) (4.3.) mit nen spezielle lokale Diagnostikmaßnahmen in Be- Nahrungsmittel(extrakte)n als indirekter Hin- tracht gezogen werden, wie zum Beispiel mukosale weis auf funktionelles, d. h. zur Kreuzvernet- oder endoskopische Provokation und endoskopi- zung fähiges, allergenspezifisches IgE auf Mast- sche Lavage. zellen in der Haut. Grundsätzlich sind die qualitativen Aussagen (po- sitiv vs. negativ) von IgE-Tests und Pricktest eben- bürtig: Empfehlungen/Kernaussagen — Ein negatives Ergebnis dient dem Ausschluss ei- Spezifische Tests auf IgE-Sensibilisierungen sol- starker ner Sensibilisierung. len durch die Anamnese gelenkt werden Konsens — Ein positives Ergebnis entspricht einer Sensibili- sierung, die allerdings nur bei korrespondieren- den Symptomen klinisch relevant ist. Der Nachweis einer IgE-Sensibilisierung gegen- Konsens über Nahrungsmitteln und Aeroallergenen soll Ein einzelner Test (IgE-Test oder Hauttest) kann aus- mittels spezifischer IgE-Bestimmung und/oder reichen, um die Sensibilisierung gegen ein Nahrungs- Haut-Pricktest erfolgen mittel zu prüfen. Häufig werden mehrere Tests zum Sensibilisierungsnachweis eingesetzt (Abb. 2). Ihre Ergebnisse stimmen qualitativ nicht immer überein; Spezifische IgE-Bestimmung und Haut-Pricktest starker in dem Fall ist das positive Ergebnis eher richtig als unterstützen die Diagnose einer Nahrungsmit- Konsens das (falsch-)negative. Bei gleichgerichteten Ergebnis- telallergie im Zusammenhang mit der Anamne- sen (konkordant positiv oder negativ) erhöht sich die se und/oder Nahrungsmittelprovokation. diagnostische Treffsicherheit, zumal meist unter- schiedliche Reagenzien eines Nahrungsmittels (Na- tivzubereitungen, Extrakte, Einzelallergene) im Haut- Der Nachweis einer Sensibilisierung mittels spe- starker zifischer IgE-Bestimmung oder Haut-Pricktest Konsens bzw. IgE-Test eingesetzt werden. beweist nicht die klinische Relevanz des getes- teten Nahrungsmittels und soll allein nicht zu Interpretation der Testungen: Bei der I nterpretation einer therapeutischen Elimination führen. von Sensibilisierungstests hat die Vorgeschichte/ Anamnese/Klinik eine zentrale Bedeutung: Nur bei eindeutiger Übereinstimmung zwischen den klini- Der fehlende Nachweis einer Sensibilisierung Konsens schen Angaben des Patienten und dem Testergebnis (negatives spezifisches IgE/Haut-Pricktest) schließt eine klinisch relevante IgE-vermittelte (Pricktest/IgE-Bestimmung) kann eine Nahrungs- Nahrungsmittelallergie häufig, aber nicht sicher mittelallergie diagnostiziert bzw. ausgeschlossen aus. werden. Ist eine solche Übereinstimmung (z. B. durch unklare oder unergiebige Anamnese) nicht oder nicht eindeutig gegeben, soll die klinische Relevanz mithilfe einer oralen Provokation überprüft werden (Abb. 2; 4.4.). Kleine-Tebbe 46
Allergo J Int 2015; 24: 265 4.1. Anamnese und Ernährungs- und Symptomprotokoll Anamnese Welche Bedeutung hat die Anamnese bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie? evtl. mit Symptom- u. Nahrungsmittelprotokoll Welche Aspekte sind bei der Anamnese bei Ver- bzw. Karenzversuch dacht auf eine Nahrungsmittelallergie zu berück- In-vitro- Hauttests sichtigen? Diagnostik z. B. Pricktests mit nativen spez. Serum-IgE- 4.1.1. Praktisches Vorgehen bei der Erhebung der Nahrungsmitteln (oder Bestimmung kommerziellen Extrakten) Anamnese Kontrollierte orale Die allergologische Anamnese bei Verdacht auf eine Provokation/ Nahrungsmittelallergie folgt allgemeinen Grund- Überprüfen der sätzen der Gesprächsführung. Hilfreich ist es, Pati- klin. Relevanz enten bereits vor dem ersten Termin einen speziel- Übereinstimmung von len Fragebogen auszuhändigen, der zum ersten diagn. Parametern und klinischen Symptomen anamnestischen Gespräch mitgebracht oder wäh- rend der Wartezeit ausgefüllt werden kann. Abb. 2: Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Nahrungs Die Anamneseerhebung (Tab. 5) umfasst: mittelallergie: im Erwachsenenalter Sensibilisierungsnachweis — die Familienanamnese, häufig mit Hauttests (linke Hälfte), im Kindesalter bevorzugt — die Eigenanamnese und mithilfe der spezifischen IgE-Bestimmung (rechte Hälfte, — die spezielle Ernährungsanamnese. zusätzliche Erläuterung s. Text) Berichtete Symptome sollten mit ihrem örtlichen, zeitlichen und situativen Auftreten erfasst werden. Besonders wichtig ist es zu erfahren, ob Zeiten völ- liger Beschwerdefreiheit vorkommen. Tab. 5: Vorgehen bei der Erhebung der Anamnese 4.1.2. Unterstützende Maßnahmen Ein Ernährungs- und Symptomtagebuch ist sinn- Anamnese voll, damit Patienten ihre Gewohnheiten und Be- Eigenanamnese bekannte allergische schwerden gezielter selbst beobachten. Vor allem Erkrankungen bei chronischen Beschwerden sind Aufzeichnun- Medikamente gen des Patienten bzw. dessen Eltern über zwei bis körperliche Anstrengung drei Wochen mithilfe eines Ernährungs- und akute Infektionserkrankungen psychische Belastung Symptomtagebuchs hilfreich. Ein solches Tage- buch berücksichtigt die Aufnahme von Speisen, Familienanamnese allergische Erkrankungen bei Getränken, aber auch Süßigkeiten, Kaugummis Verwandten ersten Grades etc. sowie in zeitl ichem Zusammenhang auftreten- Symptome bzw. wann de Beschwerden. Die Aufzeichnungen werden spezifische Auslöser wo a nschließend durch eine allergologisch erfahrene wodurch Ernährungsfachkraft oder einen Allergologen aus- wie lange gewertet. wie oft Im Tagebuch sollte auch der Medikamenten wiederholt verbrauch aufgezeichnet werden. Symptomart und Ernährungsanamnese Karenzmaßnahmen und -intensität sollten mit Datum, ggf. Uhrzeit, Dauer Umfang der Beschwerden sowie Besonderheiten (z. B. Essen Ernährungs- und Dokumentation von im Restaurant) aufgelistet werden. Nach erfolgter Symptomtagebuch Ernährung und Beschwerden Diagnostik wird mithilfe einer Nachanamnese das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen geplant. So können die Bedeutung vorliegender (oder fehlender) Sensibilisierungen relativiert oder 4.1.3. Berücksichtigung von Augmentationsfaktoren bestätigt und die Entscheidung für spezifische Pro- In der Anamnese sollten auch Augmentationsfak- vokationstestungen oder andere Maßnahmen er- toren berücksichtigt werden. Diese können eine all leichtert werden. Weiterhin sollte berücksichtigt ergische Reaktion verstärken und sind in einigen werden, dass bestimmte Medikamente (z. B. Proto- Fällen sogar obligatorisch für die Auslösung von nenpumpeninhibitoren [PPI]) oder alkalisierende Symptomen (z. B. bei der weizenabhängigen an- Medikamente] die Entstehung einer Sensibilisie- strengungsinduzierten Anaphylaxie). Die bekann- rung begünstigen können [29]. testen Augmentationsfaktoren sind: 47
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 266 — körperliche Anstrengung und Zur IgE-Testung werden — die Anwendung nicht steroidaler Entzündungs- — einzelne Nahrungsmittel (Allergenquellen, Tab. hemmer (NSAID). 6), Aber auch Alkohol, Fieber, akute Infektionen und — eine Kombination diverser Nahrungsmittel a llergische Beschwerden während der Pollensaison (Such- oder Panel-Test) und zunehmend wurden als Augmentationsfaktoren beschrieben — Einzelallergene (Tab. 7, Tab. 8, Tab. 9, weitere In- [30]. formationsquellen in Tab. 10) verwendet [32]. Die diagnostische Tauglichkeit wird getrennt je Empfehlungen nach Allergenquelle, Allergen und Testverfahren bewertet. Eine detaillierte Anamnese soll Grundlage für starker 4.2.1.1. Indikation zur IgE-Bestimmung die Diagnostik der Nahrungsmittelallergie sein. Konsens Abhängig vom — Alter, Die strukturierte Anamnese soll Auslöser, den starker — den Symptomen und Zeitverlauf, Symptome, Schweregrad, Reprodu- Konsens zierbarkeit, Risiko- und Augmentationsfaktoren, — verdächtigten Allergenquellen (Tab. 6) die Familienanamnese, Begleiterkrankungen ergeben sich verschiedene Indikationen für die In- und andere allergische Erkrankungen vitro-Diagnostik [33]: berücksichtigen. Verdacht/Ausschluss einer Nahrungsmittelallergie: Bei chronischen Symptomen kann ein starker Bei begründetem Verdacht oder zum gezielten Aus- Ernährungs- und Symptomprotokoll geführt Konsens schluss einer Nahrungsmittelallergie ist die spezifi- werden. sche IgE-Bestimmung sinnvoll. Diese Indikation setzt allerdings voraus, dass die im Test verwende- ten Allergenquellen bzw. Allergene vollständig re- Worm, Reese, Klimek präsentiert und in der Lage sind, sämtliche poten- ziell vorhandenen IgE-Antikörper zu erfassen. Gruppentests für spezifisches IgE (z. B. gegen Erd- 4.2. Auslösende Allergene und In-vitro- nuss, Fisch, Hühnereiweiß, Kuhmilcheiweiß, Soja Diagnostik und Weizen) gestatten einen rationellen Ausschluss Wie kann der Schweregrad einer nahrungsabhän- oder Nachweis einer Sensibilisierung im Sinn einer gigen allergischen Reaktion bestimmt werden? erhöhten Allergiebereitschaft. Sie dienen so als Ba- Was sind sinnvolle Indikationen für eine sIgE-Be- sis für die Aufschlüsselung nach Einzelallergen- stimmung? quellen. Ein ungezieltes Screening ohne begründe- Wie ist die Bedeutung der Diagnostik mit Einzel ten Verdacht einer Nahrungsmittelallergie wird allergenen einzustufen? nicht empfohlen. Welche Bedeutung haben Sensibilisierungen gegen- über bestimmten Einzelallergenen? Welches sind die wichtigsten Allergene bei einer Nahrungsmittelallergie? Tab. 6: W ichtige Allergenquellen bei Was muss bei der Interpretation der serologischen Nahrungsmittelallergien im Kindes- Diagnostik beachtet werden? und Erwachsenenalter 4.2.1. Serologische IgE-Bestimmung zum Sensibilisierungsnachweis Kinder Jugendliche und Erwachsene Allergenspezifisches IgE im Serum gegen Nah- Kuhmilch, Hühnerei, pollenassoziierte Nahrungs- rungsmittelallergene entspricht einer Sensibilisie- Erdnuss, Weizen, Soja, mittelallergene (z. B. Apfel, rung (erhöhte Allergiebereitschaft). Fehlendes spe- Nüsse, Fisch Nüsse, Soja, Sellerie, Karotte, zifisches IgE schließt sie (meistens) aus, sofern es Paprika, Gewürze), Nüsse und sich um stabile Allergene handelt [31] und diese Ölsaaten (z. B. Sesam), Erdnuss, Fisch und Krustentiere, komplett im Test vorhanden sind. Kuhmilch, Hühnerei, Abhängig von Hersteller, Testdesign, Reagenzien latexassoziierte Nahrungs und von den verwendeten Allergenen können die mittelallergene (z. B. Banane, Ergebnisse der logarithmisch verteilten spezifi- Avocado, Kiwi, Feige), Säugetierfleisch schen IgE-Konzentrationen voneinander abwei- chen. 48
Allergo J Int 2015; 24: 267 Bedrohliche Reaktionen auf Nahrungsmittel: Bei schweren anaphylaktischen Reaktionen ist die spe- Tab. 7: Liste mit Definitionen und Abkürzungen zifische IgE-Bestimmung gegen das verdächtige Allergen Molekül (Protein, z. B. Hauptallergen Gad c 1 aus Kabeljau, selten bzw. auszuschließende Nahrungsmittel vorzuzie- Kohlenhydratanteil), das eine allergische Immunreaktion auslösen kann. hen und ein Hauttest nach individueller Risiko- Nutzen-Erwägung durchzuführen. Allergenextrakt Mischung allergener und nicht allergener Komponenten, extrahiert aus Allergenquelle (z. B. Fischallergenextrakt) Verdacht auf Sensibilisierung auf hauttestun Allergenquelle/ Herkunft/Ausgangsmaterial der Allergene (z. B. Fisch) -träger geeignete Nahrungsmittel: Ist der Hauttest als Sensibilisierungsnachweis nicht geeignet, wird α-Gal Galactose-α-1,3-Galactose, ein Disaccharid als Ursache für schwere Anaphylaxien gegen Säugetierfleisch, Gelatine und Biologika eine spezifische IgE-Bestimmung empfohlen (z. B. bei hautirritierenden Nahrungsmitteln wie Ge- Ara h 2 2S-Albumin, ein Speicherprotein der Erdnuss, assoziiert mit schweren systemischen Reaktionen bei Erdnussallergie würzen). Api g 1 Sellerieallergen mit Homologie zu Bet v 1, verantwortlich für birkenpollenassoziierte Kreuzreaktionen Bedingungen, die eine Hauttestung bzw. deren Auswertung nicht zulassen: Spezifische IgE-Be- Bet v 1 immundominantes Majorallergen in Pollen der Birke (Betula verrucosa) stimmungen sind bei unzureichender Hauttest fähigkeit sinnvoll. Dazu gehören urtikarieller Der- Bet v 2 Birkenpollenprofilin, Minorallergen, das als Panallergen in zahlreichen Pollen und pflanzlichen Nahrungsmitteln für Kreuzreaktionen mographismus, Hauterkrankungen im Testareal verantwortlich sein kann und dadurch die Diagnostik erschwert. und Medikamente mit Einfluss auf den Hauttest. CCD kreuzreaktive Kohlenhydratepitope („cross-reactive carbohydrate Bei Säuglingen und Kleinkindern wird statt eines eterminants“). Sie stellen Epitope von N-Glykanen dar und sind als d Hauttests häufig spezifisches IgE im Serum gegen Panallergene verantwortlich für eine ausgeprägte Kreuzreagibilität. allergene Nahrungsmittel bestimmt. Cor a 1.04 Haselnussallergen mit Homologie zu Bet v 1, verantwortlich für birkenpollenassoziierte Kreuzreaktionen Häufige Nahrungsmittelallergenquellen mit ge- Dau c 1 Karottenallergen mit Homologie zu Bet v 1, verantwortlich für ringem Gefährdungspotenzial: Klinisch leichte birkenpollenassoziierte Kreuzreaktionen Reaktionen (z. B. oropharyngeale Symptome bei Gad c 1 Majorallergen des Kabeljaus (Ca2+-Transportprotein, Parvalbumin, pollenassoziierter Nahrungsmittela llergie) sollten wichtigstes Fischallergen) mit vertretbarem Aufwand und in der üblichen di- Gly m 4 Sojaallergen mit Homologie zu Bet v 1, verantwortlich für agnostischen Reihenfolge (Anamnese, Hauttest, In- birkenpollenassoziierte, z. T. schwere Kreuzreaktionen vitro-Diagnostik) geklärt werden. Sensibilisierun- kreuzreaktiv ähnlichkeitsbedingte immunologische Reaktion mit gen bei birkenpollenassoziierter Nahrungsmittelal- Molekülstrukturen, die nicht für die ursprüngliche Sensibilisierung lergie werden häufig nativ an der Haut getestet verantwortlich waren (Prick-Pricktest), da die handelsüblichen Extrakte LTP Lipidtransferproteine; thermo- und verdauungsstabile Allergene meist ungeeignet sind. Ein ungezieltes Screening pflanzlicher Herkunft (auch serologisch) z. B. sämtlicher Obst- und Gemü- Mal d 1 Apfelallergen mit Homologie zu Bet v 1, verantwortlich für häufige sesorten oder der verfügbaren E inzelallergene bei birkenpollenassoziierte, meist oropharyngeale Kreuzreaktionen birkenpollenassoziierter Kreuzsensibilisierung MUXF3 Bezeichnung der Struktur einer Kohlenhydratseitenkette von wird nicht empfohlen [3]. flanzlichen Glykoproteinen und Allergenen, die potenziell von p IgE-Antikörpern gebunden werden können, entspricht einem bestimmten Typ der CCD (s. oben) 4.2.1.2. Definitionen und Konzepte zur Allergenauswahl Oleosine lipophile und thermostabile Allergene in Nüssen und Ölsaaten Potenzielle Vor- und Nachteile einer In-vitro-Dia- Pen a 1 Tropomyosin (Muskelstrukturprotein) der Garnele mit homologen gnostik mit Extrakten oder Einzelallergenen sind Proteinen in anderen Arthropoden und Ursache von Kreuzreaktionen für jede Allergenquelle oder jedes Einzelallergen ge- PR-10 „pathogenesis-related protein family 10“; Bet-v-1-homologe Proteine trennt zu definieren [35] (Informationen in Tab. 10). mit Abwehrfunktion in Pflanzen (u. a. in Baumpollen, Nahrungs mitteln) Folgende Argumente sprechen für den Einsatz von Einzelallergenen (Tab. 11): Pru p 3 Pfirsich-LTP, das für systemische Reaktionen bei Patienten im Mittelmeerraum verantwortlich ist — erhöhte Testempfindlichkeit (niedrigere Quanti- fizierungsgrenze („limit of quantitation“, LoQ) Rekombinant mithilfe von gentechnisch veränderten (Mikro)Organismen hergestellt [36] durch bestimmte Einzelallergene, insbeson- dere wenn sie im (Nahrungsmittel-)Extrakt rekombinantes häufig in Escherichia coli hergestelltes allergenes Protein ohne die Allergen bei nativen Allergenen vorkommenden Kohlenhydratseitenketten unterrepräsentiert sind oder fehlen [Beispiele: Gly m 4 [37] als Sojaprotein, Tri a 19 als Weizen- Sensibilisierung Allergiebereitschaft (nur bei korrespondierenden Symptomen relevant) gluten, Mal d 1 als Apfelprotein, Galactose-α- 1,3-Galactose als Zuckerepitop von Säugetier- Tri a 19 ω-5-Gliadin im Weizen, verantwortlich für systemische Reaktionen und anstrengungsabhängige Anaphylaxie bei Weizenallergie fleisch]), 49
Leitlinie Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien Allergo J Int 2015; 24: 268 Tab. 8*: Ausgewählte Nahrungsmittelallergene und ihre Quellen pflanzlicher Herkunfta,b Proteinfamilien Speicherproteine (Proteinfamilien, Struktur) Prolamine Cupine Bet-v-1- LTP Profiline Thaumatine Oleosine 2S Albumine 7/8S-Globulin 11S-Globulin Homologe (Vicilin) (Legumin) Apfel Mal d 1 Mal d 3 Mal d 4 Mal d 2 Erdnuss Ara h 8 Ara h 9 Ara h 5 Ara h 10 (16 kD) Ara h 2 Ara h 1 Ara h 3 Ara h 11 (14 kD) Ara h 6 Ara h 7 Gewürze Paprika Cap a 2 Cap a 1 Petersilie Pet c 1 Pet c 3 Pet c 2 Haselnuss Cor a 1 Cor a 8 Cor a 2 Cor a 12 (17 kD) Cor a 14 Cor a 11 Cor a 9 Cor a 13 (14/16 kD) Karotte Dau c 1 Dau c 3 Dau c 4 Kirsche Pru av 1 Pru av 3 Pru av 4 Pru av 2 Kiwi Act d 8 Act d 9 Act d 2 Pfirsich Pru p 1 Pru p 3 Pru p 4 Sellerie Api g 1 Api g 4 Sesam Ses i 4 Ses i 1 Ses i 3 Ses i 6 Ses i 5 Ses i 2 Ses i 7 Sojabohne Gly m 4 Gly m 1 Gly m 3 Gly m 5 Gly m 6 Weizen Tri a 14 Tri a 12 Tri a 19 (ω-5-Gliadin) aAllergenquellen (linke Spalte) mit Einzelallergenen (Tabellenspalten) und ihren Proteinfamilien (Kopfzeile) bFett gedruckt: bereits verfügbar zur In-vitro-Diagnostik, normal gedruckt: noch nicht verfügbar für eine differenzierende Diagnostik *Dies ist eine aktualisierte Tabelle, die nicht exakt mit der im Allergo Journal 8/2015 abgedruckten Tabelle 8 übereinstimmt. — erhöhte Testtrennschärfe (analytische Spezifität gnostik muss nicht zwangsläufig die diagnostische oder Selektivität) bei Einzelallergenen von All- Sensitivität erhöhen. Sollte dies der Fall sein, ge- ergenquellen, die aus komplexen Mischungen schieht das in klinischen Studien häufig auf Kosten zahlreicher Allergene bestehen und mit einem der diagnostischen Spezifität (Tab. 11). erhöhten klinischen Risiko assoziiert sind (Bei- Beide Parameter, diagnostische Sensitivität und spiele: Ara h 2 der Erdnuss, Pru p 3 vom Pfir- Spezifität, können missverständlich für die Bewer sich, Cor a 9 und 14 der Haselnuss, Act d 1 der tung der spezifischen IgE-Diagnostik sein: Ein po- Kiwi), sitiver IgE-Befund kann als Sensibilisierungs- — bei mangelnder analytischer Spezifität von Ex- nachweis ohne Kenntnis der Vorgeschichte per se trakten (Kreuzreaktivität) erleichtert der IgE- nicht die klinische Reaktion betroffener Nah- Nachweis gegen typische kreuzreaktive Allergen- rungsmittelallergiker vorhersagen. Die Angabe moleküle die Interpretation (Beispiele: Bet v 1 der diagnostischen Sensitivität und Spezifität wird oder homologer Vertreter, Phl p 12 oder Pru p 4 daher in einer internationalen Leitlinie zu aller- als Profilin, Pru p 3 als Lipidtransferprotein genspezifischen IgE-Testverfahren [38] grund- [LTP], CCD[„cross-reactive carbohydrate deter sätzlich nicht mehr gefordert und durch analyti- minants“]-Komponente MUXF3). sche Parameter ersetzt. Die Verwendung von Ein- Die derzeitige Mengenbegrenzung bei der Vergü- zelallergenen für die IgE-Bestimmung ist somit tung der IgE-Diagnostik kann in unklaren Fällen vor allem durch ihre gesteigerte Testempfindlich- einer Nahrungsmittelallergie zu einer inakzeptab- keit (niedrigere LoQ) und analytische Spezifität len Beschränkung eines notwendigen umfangrei- begründet: Sind Einzelallergene dadurch in der cheren Screenings führen. Lage, die In-vitro-Diagnostik zu verbessern, ist ihr Eine niedrigere Quantifizierungsgrenze (LoQ) Einsatz aus allergologischer Sicht sinnvoll und bei Verwendung von Einzelallergenen zur IgE-Dia empfehlenswert. 50
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