Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF

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Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF
Lesebuch
zur Saison
201718
CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER
Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF
Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF
INHALT

4    Vorworte

10   Programm 2017/18
54   RSO Wien International
58   Kammermusik
62   my RSO … Education

70   CD- & DVD-Produktionen 2016/17
72   Freundin des RSO
74   Biografien
88   Aboreihen
89   Veranstalter/Information
Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF
4   VORWORTE

    Liebe Musikfreundinnen und -freunde!            dass in seinem letzten Konzerthauskonzert
                                                    als Chefdirigent die Dritte Symphonie von
    Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien
                                                    Gustav Mahler ergänzt wird von der Urauf-
    leistet Großartiges. Es ist künstlerisch und
                                                    führung eines mit Österreich eng verbunde-
    organisatorisch in bester Verfassung, ge-
                                                    nen Komponisten: Beat Furrer. Ich bin stolz
    nießt international hohes Ansehen, berei-
                                                    auf die Rolle des Orchesters als erfolgrei-
    chert die Kulturszene. Für mich ist das RSO
                                                    cher Kulturbotschafter im In- und Ausland.
    Wien ein unverzichtbarer Bestandteil des
                                                    Diese Rolle wollen wir weiterentwickeln.
    ORF, der »Kultur« als eine der vier Programm-
                                                    Schließlich feiern wir heuer zwei wichtige
    säulen definiert. Bei Musik ist Österreich
                                                    ORF-Jubiläen: 50 Jahre Ö1 und 20 Jahre
    Weltmarktführer. Und die Erfolgsgeschichte
                                                    RadioKulturhaus. Ich lade Sie ein, unser
    des RSO Wien leistet ihren Beitrag dazu.
                                                    Orchester in der Saison 2017/18 intensiv
    Seine hohe Reputation verdankt das RSO
                                                    zu begleiten!
    Wien auch Cornelius Meister, der seine
    letzte Saison als Chefdirigent absolviert.
    Mit ihm und dank seines Einsatzes ist das
    Orchester auf dem Höhepunkt seines musi-
    kalischen Erfindungsreichtums. Auch in der
    kommenden Saison wird Cornelius Meister
    die forderndsten Partituren mit größter Prä-    Alexander Wrabetz
    zision und Gefühl umsetzen. Sehr schön,         ORF-Generaldirektor

    VORWORTE
Lesebuch zur Saison 201718 - CHEFDIRIGENT | CORNELIUS MEISTER - ORF
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Liebe Freundinnen
und Freunde des RSO Wien!
Überraschendes, Unbekanntes, selten
Gespieltes, musikalische Innovationen,
spannende Impulse: Dafür steht das
ORF Radio-Symphonieorchester Wien.
Die Konzerte unseres Orchesters sind
weltofen und aufregend mit einer unge-
wöhnlichen stilistischen Bandbreite – von
der Musik der Gegenwart mit zahlreichen
Ur- und Erstauführungen über Klassiker
aus 300 Jahren Musikgeschichte bis zur
Filmmusik. Diese Programmatik zeichnet
das RSO Wien aus und macht seine Kon-
zerte so einzigartig.
Mit Konzertzyklen im Musikverein und          ORF RadioKulturhauses zu Gast und es
im Konzerthaus, als Opernorchester im         spielt im Herbst zwei ganz besondere
Theater an der Wien – in dieser Saison        Konzerte in »seinem« Saal, dem Großen
etwa mit einer sehr individuellen Fassung     Sendesaal, auf die ich mich sehr freue –
von Wagners »Der Ring des Nibelungen« –,      feiern Sie mit uns die Jubiläen 20 Jahre
mit Auftritten bei Festivals wie den Salz-    RadioKulturhaus und 50 Jahre Ö1. Auf Ö1
burger Festspielen oder Wien Modern, wo       ist das RSO Wien ja mit allen Konzerten
beim Eröfnungskonzert mit Hans Werner         zu hören und ab 1. Oktober noch präsen-
Henzes »Das Floß der Medusa« ein Haupt-       ter: Denn zum 50. Geburtstag von Ö1 hat
werk der europäischen Nachkriegsmusik         Christian Muthspiel neue Signations kom-
zu hören sein wird, und herausragenden        poniert, die vom RSO Wien eingespielt
CD-Produktionen hat sich das RSO Wien         wurden und unsere Hörerinnen und Hörer
als eines der vielseitigsten Orchester Ös-    durch den Tag begleiten.
terreichs profiliert. Um dies noch hörbarer
                                              Ich wünsche Ihnen viel Freude und
zu machen, wird die Konzerttätigkeit in
                                              angenehme Stunden mit unserem
den Bundesländern sukzessive erweitert.
                                              RSO Wien, Ihre
Ab dieser Saison wird es auch jährliche
Gastspiele im Brucknerhaus Linz und
beim burgenländischen Festival »Herbst-
gold« in Eisenstadt geben. Das RSO Wien       Monika Eigensperger
ist auch regelmäßig auf der Bühne des         ORF-Radiodirektorin

                                                                             VORWORTE
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    Liebe Freundinnen und Freunde des            vertreten sind: Cornelius Meister dirigiert
    ORF Radio-Symphonieorchesters Wien,          ein Programm, das von Wagner und Strauss
                                                 bis zu dem Kanadier Claude Vivier eine ein-
    vor 46 Jahren hob das ORF Radio-Symphonie-
                                                 drucksvolle Reise antritt, in der Kollegien-
    orchester Wien ein Werk aus der Taufe, das
                                                 kirche erklingt Gérard Griseys abendfüllen-
    bei der eigentlich geplanten Urauf­führung
                                                 des »Les Espaces acoustiques«, und der
    in Hamburg im Tumult untergegangen war,
                                                 Gewinner des letztjährigen Young Conduc-
    bevor noch ein Ton gespielt werden konnte.
                                                 tors Award, Aziz Shokhakimov, arbeitet
    Die Rede ist von Hans-Werner Henzes Ora-
                                                 erstmals mit dem RSO Wien zusammen.
    torium »Das Floß der Medusa«. Die reale
    Geschichte des 1816 gesunkenen Kriegs-       Der Pulsschlag der Saison wird von den
    schiffes »Medusa« deutete Henze als          Abonnementkonzerten im Wiener Musik-
    Parabel auf das gesellschaftliche Gefälle    verein und Konzerthaus markiert. Eine
    zwischen Gewinnern und Verlierern des        Reihe namhafter Gastdirigenten – darun-
    Kapitalismus. In der aufgeheizten Atmo-      ter Ingo Metzmacher, Gustavo Gimeno,
    sphäre 1968 kam es in Hamburg zum Eklat,     Markus Poschner und John Storgårds –
    und so erfolgte die Uraufführung erst am     und Cornelius Meister kombinieren zahl­
    29. Jänner 1971 im Wiener Musikverein        reiche neu oder zumindest wieder zu ent-
    durch das RSO Wien.                          deckende Musikstücke mit Höhepunkten
                                                 des klassisch-romantischen Repertoires.
    Im Herbst 2017 spielt das RSO Wien erneut
                                                 Neue Werke erwarten wir u. a. von Toshio
    dieses große, abendfüllende und bewe-
                                                 Hosokawa, Lera Auerbach, Bernd Richard
    gende Oratorium – angesichts der aktuel-
                                                 Deutsch und – als Auftragswerk des RSO
    len Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer
                                                 Wien – von Beat Furrer. Zum klassischen
    kann »Das Floß der Medusa« durchaus als
                                                 Kanon zählen u. a. Zemlinskys Sinfonische
    »Werk der Stunde« gelten. Damit dirigiert
                                                 Dichtung »Die Seejungfrau«, Mahlers dritte
    Cornelius Meister zwei Hauptwerke des
                                                 Symphonie als finales Abonnementskon-
    20. Jahrhunderts beim diesjährigen Wien-
                                                 zert von Cornelius Meister in seiner Funk­
    Modern-Festival: Henzes »Floß der Medu-
                                                 tion als Chefdirigent, Dvořáks populäres
    sa« als Eröffnungskonzert im Konzerthaus
                                                 Meisterwerk »Aus der Neuen Welt« und die
    und Messiaens »Turangalîla-Symphonie«
                                                 »Petite messe solenelle« von Gioacchino
    im Musikverein. Wien Modern bleibt in der
                                                 Rossini. Besonders stark bilden sich im
    Saison 2017/18 nicht das einzige Festival:
                                                 Jahr 2018 die runden Geburtstage im Pro-
    Das RSO Wien gastiert, wie auch in den
                                                 gramm ab. Die Komponisten Leonard
    Jahren zuvor, beim »musikprotokoll graz«,
                                                 Bernstein, Bernd Alois Zimmermann und
    beim neuen Eisenstädter Festival »Herbst-
                                                 Gottfried von Einem sind vor 100 Jahren
    gold« und erneut bei den Salzburger Fest-
                                                 ge­boren worden, das RSO Wien nimmt
    spielen, wo wir mit gleich drei Konzerten

    VORWORTE
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u. a. Bernsteins »Chichester Psalms«
ins Programm, Zimmermanns Frühwerk
»Alagoana« und sein Trompetenkonzert
(mit Håkan Hardenberger) sowie die Kan-
tate »An die Nachgeborenen« und die Oper
»Der Besuch der alten Dame« von Gottfried
von Einem. Der Komponist, Dirigent und
Chansonier HK Gruber feiert seinen 75. Ge-
burtstag und Thomas Daniel Schlee seinen
Sechzigsten. Weitere Feierlichkeiten erwar-
ten uns im Funkhaus, unserer täglichen
Arbeitsstätte: Ö1 feiert seinen 50., das
RadioKulturhaus seinen 20. Geburtstag.
Wir freuen uns, dass wir hier wie dort ge-
beten wurden, in den Jubiläumskonzerten
zu spielen; Ehrensache, dass wir der Ein-
                                              Von den Salzburger Festspielen bis hin zu
ladung nachkommen.
                                              Mahlers Symphonie Nr. 3: Dies wird eine
Besonders spannend wird es im Theater         ereignisreiche Saison. Wir danken unseren
an der Wien. Neben der Dürrenmatt-Oper        verlässlichen und kreativen Partnern, allen
»Der Besuch der alten Dame« und »Maria        voran Musikverein, Konzerthaus und The-
Stuarda« findet Ende 2017 das wohl ehr-       ater an der Wien, den vielen Kolleginnen
geizigste Projekt der Intendanz von Roland    und Kollegen von Ö1 und im ORF, die unse-
Geyer unter Mitwirkung des RSO Wien statt:    re Arbeit unterstützen und uns voller Neu-
die »Ring-Trilogie«, mit Wagners Musik in     gier und mit großer Zuneigung begleiten,
leicht reduzierter Besetzung, aber völlig     und ganz besonders Ihnen, unserem Pub-
neu an drei (!) Abenden erzählt.              likum. Bleiben Sie uns treu, lesen Sie sich
                                              durch dieses »Lesebuch«, fangen Sie Feuer
Zwei Einladungen krönen die Saison:
                                              und abonnieren Sie unsere Zyklen im Kon-
zum einen in die Kölner Philharmonie,
                                              zerthaus und im Musikverein. Dort wollen
zum anderen nach Hamburg, wo wir vom
                                              wir uns auch 2017/18 wiedersehen.
Hamburger Musikfest eingeladen wurden,
Karlheinz Stockhausens epochales Orches-      Darauf freuen sich
terwerk »Gruppen« zu spielen. Beide Kon-
zerte spiegeln den Stellenwert, den das
RSO Wien auch über die Grenzen Öster-         Cornelius Meister
reichs einnimmt.                              Chefdirigent und         Christoph Becher
                                              Künstlerischer Leiter    Orchesterintendant

                                                                              VORWORTE
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8

    DAVID FRAY

           KHATIA BUNIATISHVILI
    INGO METZMACHER

                                  GUSTAVO GIMENO
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                          MATTHIAS GOERNE

JOHN STORGÅRDS
     HÅKAN HARDENBERGER

     MARLIS PETERSEN
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RSO WIEN
PROGRAMM
201718

RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
AUGUST 17                                                                                 11

Sa., 05.08.17 →                            Preisträger
20.00 Uhr                                  Ein Cellokonzert, entstanden in Friedens-
Salzburg, Felsenreitschule                 zeiten in den USA, und eine Symphonie,
Salzburger Festspiele                      ein halbes Jahrhundert später in der
Young Conductors Award                     UdSSR komponiert, während des Zweiten
                                           Weltkrieges; geschrieben von zwei Kom­
ANTONÍN DVOŘÁK
                                           ponisten, die für ihre Kunst die Heimat
Konzert für Violoncello und Orchester
                                           brauchten und in der Fremde an Heimweh
in h-Moll op. 104 (1894–1895)
                                           litten: Gegensätze ebenso wie Gemeinsam-
SERGEJ SERGEJEWITSCH PROKOFJEW
Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100 (1944)       keiten bestimmen das Programm dieses
                                           Festspielabends, an dem das RSO Wien
Andrei Ioniță               Violoncello   mit zwei Stars von morgen musiziert. Aziz
Aziz Shokhakimov               Dirigent   Shokhakimov ist noch keine 30 und doch
    Live in Ö1                             schon ein erfahrener Dirigent. Mit 14 gab
                                           er sein Debüt in der Usbekischen National­
                                           oper und gewann 2016 den Young Conduc-
                                           tors Award der Salzburger Festspiele.
                                           So wie der 1994 geborene Cellist Andrei
                                           Ioniță zählt er zu den größten Talenten
                                           der jungen Generation.
                                           Merkwürdig, dass Antonín Dvořák das Vio-
                                           loncello als Soloinstrument lange Zeit nicht
                                           sonderlich geschätzt hatte. Erst seine ame-
                                           rikanischen Jahre 1892 bis 1895 brachten
                                           die Wende. Er war als Direktor des New
                                           Yorker Konservatoriums engagiert worden,
                                           um »dem Kontinent, den Kolumbus ent-
                                           deckte, eine Neue Welt der Musik hinzu­
                                           zufügen«. Neben großer Kammermusik
                                           und etwa der Symphonie »Aus der Neuen
                                           Welt« schrieb er dort als eines seiner be-
                                           deutendsten, beliebtesten Werke auch
                                           ein Cellokonzert, als wollte er alle früheren
                                           Einwände Lügen strafen. Die »amerikani-
                                           schen« Einflüsse treten hier zurück und
                                           machen einer elegischen, stellenweise →

                                                         RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
12                                                   AUGUST 17

     → fast nostalgischen Grundhaltung              Sa., 12.08.17 →
     Platz, die allerdings zum Klangcharakter       20.30 Uhr
     des Soloinstruments perfekt passt und          Salzburg, Felsenreitschule
     durch energisch strahlende Höhepunkte          Salzburger Festspiele
     ausbalanciert wird.
                                                    RICHARD WAGNER
     Glänzt Sergej Prokofjews populäre 5. Sym-      Vorspiel und Isoldens Liebestod
     phonie ähnlich selbstsicher und triumphie-     aus »Tristan und Isolde« (1857)
     rend? Oder macht sie, zumindest im Finale,     CLAUDE VIVIER
     nicht eher Angst mit dem Stampfen einer        Siddhartha für großes Orchester
     unaufhaltsam wirkenden Maschinerie?            in 8 Gruppen (1976)
     1918 hatte Prokofjew wegen Revolution und      GIACINTO SCELSI
     Bürgerkrieg Russland den Rücken gekehrt,       Hymnos für Orgel
     dann in den USA und in Frankreich Erfolge      und zwei Orchester (1963)
     gefeiert, aber auch Krankheiten und Rück-      RICHARD STRAUSS
     schläge erlebt. »Ich muss wieder russische     Tod und Verklärung/
     Laute in meinen Ohren hören und mit Leu-       Tondichtung für großes Orchester
                                                    op. 24 (1889)
     ten von meinem Fleisch und Blut reden, da-
     mit sie mir zurückgeben, was mir hier fehlt:   Cornelius Meister                   Dirigent
     ihre und meine Lieder«, wurde ihm schließ-
                                                        Ö1, Fr., 18. 08. 17, 19.30 Uhr
     lich klar. 1936 ging er mit Frau und Söhnen
     für immer zurück – eine Entscheidung, an
     der die Familie zerbrechen sollte. Außerdem
     hatte sie auch künstlerisch einschneiden-
     de Folgen: Anfangs wurden ihm Rosen ge-
     streut, später musste sich Prokofjew für
     seine Musik maßregeln lassen. »Mit der
     Fünften Sinfonie wollte ich ein Lied auf den
     freien und glücklichen Menschen anstim-
     men, seine schöpferischen Kräfte, seinen
     Adel, seine innere Reinheit«, gab er an –
     eine Hymne auf den Kommunismus? Nein.
     Denn jenseits der vielfach blechgepanzer-
     ten Klänge, die sich scheinbar erhaben und
     unantastbar durch die Tonarten winden,
     reißen die Gräben von Zwang, Diktatur und
     Krieg auf: Diese Musik ist nicht gealtert.
     Walter Weidringer

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
13

Eros und Thanatos                             erinnert an das berüchtigte Typhus-Kapitel
»Das ist keine Musik … Dies ist das Chaos!    in »Buddenbrooks«, das gerade durch sei-
Dies ist Demagogie, Blasphemie und Wahn-      ne distanzierte Schilderung des Krankheits-
witz! Dies ist ein parfümierter Qualm, in     verlaufs so beklemmend wirkt. Fast 60 Jah-
dem es blitzt!« So zürnt in Thomas Manns      re später soll Strauss auf dem Totenbett ge-
»Buddenbrooks« der brave Organist und         sagt haben, es verhalte sich mit dem Ster-
Bach-Verehrer Edmund Pfühl über Richard       ben genau so, wie damals komponiert …
Wagners »Tristan und Isolde«, und so ent-
                                              Es fällt schwer, das tragisch frühe Ende
rüsteten sich seinerzeit viele rechtschaf­
                                              Claude Viviers mit knapp 35 Jahren nicht
fene Musiker über das unerhörte Werk.
                                              im Widerstreit von Eros und Thanatos zu
Die Vereinigung von Eros und Thanatos,
                                              sehen: Der kanadische Komponist wurde
von Liebe und Tod, sie blieb noch lange
                                              1983 in Paris von einem jungen Prostituier-
skandalös – obwohl oder gerade weil der
                                              ten ermordet. Seine Musik gilt als Spiegel-
»Tristan« und sein geheimnisvoller Akkord,
                                              bild seines Lebens: Adoption mit drei Jah-
der nach Auflösung strebt und doch sehn-
                                              ren, eine schwierige Kindheit, die Suche
suchtsvoll in sich ruht, das Tor zu öffnen
                                              nach den unbekannten Eltern, religiöses
schienen in eine harmonisch ungewisse
                                              Empfinden und Homosexualität, die ambi-
Zukunft, in die Moderne. Denn die Unge-
                                              valente Beziehung zum katholischen Pries-
wissheit wirkte stärker als die Erfüllung
                                              terseminar, das ihm Wege zur Musik eröff-
im verklärt leuchtenden H-Dur am Ende
                                              nete, bis er hinausgeworfen wurde – all
des »Liebestodes«. Dabei stammt diese
                                              das brannte in diesem leidenschaftlichen,
Bezeichnung für den Schlussgesang der
                                              aber zugleich humorvollen Menschen,
Isolde vom Verleger, Wagner selbst sprach
                                              dem wenig Zeit vergönnt war. Das passt
lieber von Isoldes »Verklärung«. Und so
                                              zur Selbstfindung in Hermann Hesses
wirkt es umso logischer, dass Cornelius
                                              »Siddhartha«, die Vivier 1976 in seinem
Meister und das RSO Wien zum Finale
                                              ersten großen Orchesterwerk nachvollzog.
dieses Festspielkonzerts ein anderes
                                              Walter Boudreau, der Dirigent der Urauf-
musikalisches Sterben zelebrieren, jenes
                                              führung, nannte es »selbstreflektierende
von Richard Strauss’ Tondichtung »Tod
                                              Musik«, einen »lebenden Organismus,
und Verklärung«. Was viele Zeitgenossen
                                              ein kosmisches Kind, das von der Idee
sowohl bewunderten als auch befremdlich
                                              des Todes und des Unendlichen getrieben
fanden, war jedenfalls der klinisch kühle,
                                              wird«. Dazu tritt Giacinto Scelsis »Hym-
scharfe Blick, den der bei der Uraufführung
                                              nos«: eine Suche, die im Inneren der
1890 gerade 26-jährige Strauss auf den
                                              Klänge wie der Psyche brodelt.
imaginären Sterbenden und seine Todes-
                                              Walter Weidringer
qualen warf – und die Genauigkeit, mit der
er diese musikalisch zu schildern wusste,

                                                              RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
14    AUGUST 17

     Mi., 16.08.17 →                                 Hauptwerk der Spektralmusik
     19.30 Uhr                                       »Les Espaces acoustiques« (Die akus­
     Salzburg, Kollegienkirche                       tischen Räume) gilt als Hauptwerk des
     Salzburger Festspiele                           französischen Komponisten Gérard Grisey
                                                     (1946–1998): Der zwischen 1974 und 1985
     GÉRARD GRISEY
                                                     geschriebene sechsteilige Zyklus erlaubt
     Les Espaces acoustiques
                                                     eine umfassende Begegnung mit der
     Prologue pour alto seul (1976)
     Périodes (1974)                                 »Spektralmusik«, die Grisey gemeinsam
     Partiels (1975)                                 mit Tristan Murail entwickelte. Ausgehend
     Modulations (1976–1977)                         von einem knapp 20-minütigen Bratschen-
     Transitoires (1980–1981)                        solo fächert Grisey die Töne, ihre Oberton-
     Épilogue (1985)                                 reihen und Klangspektren auf, was in den
                                                     »Espaces acoustiques« zu einem Anwach-
     Mario Gheorghiu                        Viola
     N. N.                               Dirigent   sen des Orchesters führt; erst in den letz-
                                                     ten beiden Stücken, »Transitoires« und
         Ö1, Mo., 28. 08. 17, 23.03 Uhr              »Epilogue«, tritt das gesamte Orchester
                                                     aus über 80 Musikerinnen und Musikern
                                                     in Erscheinung. Grisey sprach von einem
                                                     »großen Laboratorium«: »Manche Stücke
                                                     haben sogar einen demonstrativen, fast
                                                     didaktischen Aspekt, als wäre ich bestrebt
                                                     gewesen, in der Euphorie dieser Entde-
                                                     ckung die Aspekte einer neuen Musik­
                                                     sprache, die ich nach und nach erfand,
                                                     so klar wie möglich herauszustellen.«
                                                     Vor allem aber ist der abendfüllende Zyklus
                                                     ein eindrucksvolles Hörerlebnis, da Grisey
                                                     die akustischen Räume in der Vorstellungs-
                                                     kraft der Zuhörer auffächert.

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
15

MARIANNA OCZKOWSKA
2. Stimmführerin 2. Violine

                              RIRIKO SONNLEITNER
                              1. Stimmführerin 2. Violine

                                                            RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
16     SEPTEMBER 17                                            SEPTEMBER 17

     Fr., 08.09.17                                           Sa., 16.09.17 →
     19.30 Uhr                                               19.30 Uhr
     Schloss Esterházy                                       ORF RadioKulturhaus
     Herbstgold Festival in Eisenstadt                       20 Jahre ORF RadioKulturhaus
     DAVID PHILIP HEFTI                                      1. Teil
     Moments lucides (2012)                                  Ein Chamber-Jazz Trio in ungewöhnlicher
                                                             Besetzung, dessen Basis eine Verbindung
     CARL PHILLIP STAMITZ
                                                             von Cool Jazz mit europäischer Moderne ist.
     Konzert für Klarinette und
                                                             Das Repertoire umfasst neben Eigenkompo­
     Orchester Nr. 7 Es-Dur                                  sitionen italienische Filmmusiken sowie
     »Darmstädter Konzert«                                   Bearbeitungen von Werken Ch. W. Glucks.
     LUDWIG VAN BEETHOVEN
     Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55                           Trio Koglmann
     »Eroica« (1803–1804)                                    Franz Koglmann             Trompete, Flügelhorn
                                                             Mario Arcari                 Oboe, Englischhorn
     Andreas Ottensamer                        Klarinette   Attila Pasztor                             Cello
     Cornelius Meister                           Dirigent
                                                             2. Teil
           Live in Ö1, Fr., 08. 09. 17, 19.30 Uhr            ANNA CLYNE
                                                             This Midnight Hour (2015) ÖA
     col legno                                               FRANZ KOGLMANN
                           CD-TIPP                           »Liebe Sophie« –
                                                             für Trio, Orchester und Sprecher
                                                             (2017) UA
                                                             Trio Koglmann
                                                             N. N.                     Schauspieler/Sprecher
                                                             Carsten Paap                            Dirigent
                                                             In Kooperation mit den Vereinigten Bühnen Wien
     David Philip Hefti
                                                                  Ö1, Do., 26. 10. 17, 18.15 Uhr
     Changements
     David Philip Hefti             (D)

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
SEPTEMBER 17                                  17

20 Jahre ORF RadioKulturhaus                   Do., 28./Fr., 29.09.17 →
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat        19.30 Uhr
sich das RadioKulturhaus mit all seinen un-    Wiener Konzerthaus
terschiedlichen Programmen – von Klassik-      Hollywood in Vienna
konzerten, Lesungen, Jazz- & Weltmusik­        Fairytales
ausflügen bis hin zu Pop- und Rock- und        A Tribute To Danny Elfman
Elektronikkonzerten im Rahmen der Live
                                               Danny Elfmann                      Stargast
@RKH-Reihe einen Namen in der Wiener           John Mauceri                       Dirigent
Kulturlandschaft gemacht und sich als
Garant für Vielfalt und Qualität erwiesen.        Ö1, Fr., 06. 10. 17, 19.30 Uhr
2017 feiert das ORF RadioKulturhaus sein
20-jähriges Bestehen!
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien
wird gemeinsam mit Franz Koglmann, Cars-
ten Paap und Nicholas Ofczarek die High-
light-Veranstaltung des Jubiläumsjahres
bestreiten. Das RSO ist als wichtiger Klang-
körper des Landes im RadioKulturhaus be-
heimatet, wo es probt und arbeitet und seit
vielen Jahren auch die Reihe »Klassische
Verführung« gestaltet. Umso mehr freut es
die Verantwortlichen des Hauses, dass im
September die Jubiläumsveranstaltung
mit dem RSO Wien stattfindet.
David Schalko und Franz Koglmann wurden
vom RadioKulturhaus beauftragt, ein neues
Werk für Musik und Text zu schaffen. Franz
Koglmann, seines Zeichens einer der re-
nommiertesten österreichischen Jazzmusi-
ker der Gegenwart, hat zur Kurzgeschichte
»Liebe Sophie« von David Schalko die Mu-
sik komponiert. David Schalko, österreichi-
scher Regisseur, Autor und Entwickler von
Fernsehserien (»Braunschlag«), hat eigens
für die Jubiläumsveranstaltung eine un-
heimliche Geister­geschichte geschrieben.

                                                              RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
18

     Hollywood in Vienna 2017
     Fairytales                                    A Tribute To Danny Elfman
     Zum 10-jährigen Jubiläum lädt »Hollywood      Im zweiten Teil des Konzerts wird der Kom-
     in Vienna« ein in das Reich des Fantasti-     ponist zahlloser fantastisch-skurriler Lein-
     schen und Märchenhaften.                      wand-Märchen, der vielfach ausgezeich­
                                                   nete und für vier Oscars nominierte Danny
     Es war einmal … Nicht alle Märchen begin-
                                                   Elfman mit dem Max Steiner Film Music
     nen mit dieser Formel, doch allen Märchen
                                                   Achievement Award geehrt. Als kongenia-
     ist eines gemeinsam: Sie berühren uns
                                                   ler Partner des Regisseurs Tim Burton hat
     mit der Macht ihrer Fantasie, in der Schö-
                                                   er dessen morbid-verspielten Bildwelten
     nes und Schauriges zu einer magischen
                                                   von »Edward Scissorhands«, »Nightmare
     Welt zwischen Traum und Wirklichkeit ver-
                                                   Before Christmas« oder »Corps Bride«
     schmelzen. Hollywood und Märchen –
                                                   seine unverwechselbar stimmungsvollen
     eine ganz besondere Freundschaft, die uns
                                                   Klangfantasien hinzugefügt. Und mit »Bat-
     dieses Jahr ein fantastisches Konzerterleb-
                                                   man«, »Batman Returns« und der ameri­
     nis im Land der Fabelwesen bereitet:
                                                   kanischen Kultfamilie in Gelb, den »Simp-
     »Beauty« Belle lassen wir entdecken, dass     sons«, zwei so legendären wie gegensätz­
     sich hinter dem angsteinflößenden »Beast«     lichen Heldengeschichten Hollywoods
     vielleicht gar ein verwunschener Prinz ver-   musikalische Denkmäler gesetzt. Vielleicht
     birgt. Hinter geheimnisvollen Türen berei-    wird Danny Elfman an diesem besonderen
     sen wir in »The Chronicles of Narnia« ein     Abend sogar einen seiner vielen Film-Songs
     sagenhaftes Paralleluniversum im Kampf        auf seine ganz eigene originelle Art höchst-
     gegen finstere Mächte. Wir begleiten die      selbst und live zum Besten geben.
     tapfere Mulan auf ihrem abenteuerlichen
     Weg durch das mittelalterliche China und
     schauen in »Finding Neverland« dem Autor
     von Peter Pan bei der Erschaffung seines
     Märchenhelden über die Schulter. Wir lau-
     schen der Geschichte des schiffbrüchigen
     Pi und eines bengalischen Tigers in »Life
     of Pi« und nehmen schließlich die musi­
     kalische Fährte weiterer Raubtiere auf,
     um dem »Lion King« Simba zu huldigen.

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
19

CORNELIUS MEISTER
Chefdirigent

                    RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
20    OKTOBER 17

     So., 01.10.17 →                                         50 Jahre Ö1
     11.00 Uhr                                               Der Tag, es war ein Sonntag, begann um
     ORF RadioKulturhaus                                     sechs Uhr morgens mit einer »Begrüßung«
     50 Jahre Ö1                                             durch die Glocken der Stiftskirche Kloster-
                                                             neuburg, gefolgt vom »Spruch des Tages«.
     FRIEDRICH CERHA
                                                             Um sechs Uhr fünf standen »Frohe Melo­
     Eine blassblaue Vision (2013–2014)
                                                             dien« auf dem Programm, dann das Zeit-
     DAVID PHILIP HEFTI
                                                             zeichen, die Nachrichten, das Wetter.
     Moments lucides
                                                             Es folgten die »Schlagerfavoriten von ges-
     LUDWIG VAN BEETHOVEN
                                                             tern«, die »Holde Kunst«, der »Watschen-
     Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55
     »Eroica« (1803–1804)                                    mann« und die »Heilige Messe aus der
                                                             Pfarrkirche Sankt Jakob in Krieglach«.
     Cornelius Meister                           Dirigent
                                                             Auch wenn dieses Programmangebot
         Live in Ö1, So., 01. 10. 17, 11.03 Uhr              heute ein wenig bieder wirkt – es markiert
                                                             dennoch den Beginn einer Radiorevolu­
                                                             tion. Denn an jenem Sonntag, es war der
                                                             1. Oktober 1967, erblickten der Klassik- und
                                                             Informationssender Ö1 und der »Jugend­
                                                             sender« Ö3 das Licht der Welt. Der damali-
                                                             ge Generalintendant des ORF, Gerd Bacher,
                                                             hatte die Zeichen der Zeit erkannt und aus
                                                             einem Mischprogramm zwei sogenannte
                                                             Spartensender gemacht. Eine wegweisen-
                                                             de Entscheidung, wie sich zeigen sollte.
                                                             Und da man Feste feiern soll wie sie fallen,
                                                             nutzt Ö1 seinen 50. Geburtstag, um sich
                                                             sanft aber erkennbar zu erneuern.
                                                             Bereits zum 1. Mai reformiert der Sender
                                                             sein Programmangebot behutsam, zeit-
                                                             gleich wird das grafisch-visuelle Outfit,
                                                             inklusive Logo, einem Relaunch unterzo-
                                                             gen. Ein Großprojekt, das seinesgleichen
                                                             sucht, wird ab 1. Oktober die Hörgewohn-
                                                             heiten unseres Publikums nachhaltig ver-
                                                             ändern. Der Musiker, Komponist und Diri-
                                                             gent Christian Muthspiel steht vor der

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
OKTOBER 17                                      21

herausfordernden Aufgabe, dem Kultur­       Fr., 06.10.17 →
sender ein völlig neues akustisches Kleid   19.30 Uhr
zu schneidern. Die neuen Signations,        Graz, Helmut List Halle
es sind an die 100, werden großteils von    musikprotokoll im
einem der wichtigsten Partner von Ö1        steirischen herbst
eingespielt – dem RSO Wien.                 »Tanzmusik für Fortgeschrittene«
Im Übrigen wird der 1. Oktober 2017,        Uraufführungen von
wie auch der Gründungstag des Senders       Peter Herbert, Gabriele Proy,
                                            Johannes Maria Staud, Judit Varga,
vor exakt 50 Jahren, ein Sonntag sein.
                                            Jorge Sánchez-Chiong, Clemens Gaden­s tätter,
Wir werden ihn, hoffentlich, gemeinsam      Bernd Richard Deutsch und Johannes Kalitzke
genießen und uns im Festkonzert mit
dem RSO Wien begegnen.                      Johannes Kalitzke                    Dirigent

Das wünscht sich zumindest                      Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
Ihr Ö1 Programmchef
Peter Klein

                                                           RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
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     Tanzmusik für Fortgeschrittene                 Wolfgang Rihm einen Sehnsuchtswalzer,
     Was seltsam klingen mag, ist tat­sächlich      Kurt Schwertsik eine Wien-1848-Polka-
     so gemeint: Beim ORF-musik­protokoll im        Reminiszenz und HK Gruber äugt mit
     steirischen herbst wird getanzt, und zwar      einem »Manhattan Broadcasts«-Foxtrott
     nicht von einer Tanzkom­pagnie, sondern        über den Atlantik.
     vom Publikum selbst. Das musikprotokoll
                                                    Das RSO Wien spielt auf und das musik­
     übersiedelt daher für diesen Abend mit
                                                    protokoll bittet zum Tanz. Ehrwürdige
     dem RSO Wien ganz bewusst wieder ein-
                                                    Geburtstage gehören gefeiert und wie
     mal in den alt­ehrwürdigen Stefaniensaal,
                                                    könnte das schöner gehen als mit Ur­
     nicht zuletzt der tra­ditionsreichste Grazer
                                                    aufführungen, Sekt und Tanz?
     Ort für Bälle aller Art. Vorfinden wird das
                                                    Christian Scheib
     Publikum an diesem Abend dort keine
     Sesselreihen, sondern ein leeres Parkett,
     einige Stehtische und eine Sektbar. Wir
     meinen es nämlich ernst: Das musikpro­
     tokoll feiert seine 50. Ausgabe und das
     RSO Wien spielt dabei mit Uraufführungen
     (meist) österreichischer Komponistinnen
     und Komponisten zum Tanz auf.
     Während dieser kurze Text geschrieben
     wird, sind einige Komponistinnen und
     Komponisten schon am Skizzieren ihrer
     Tänze: Peter Herbert, Gabriele Proy,
     Johannes Maria Staud, Judit Varga, Jorge
     Sánchez-Chiong, Clemens Gaden­stätter,
     Bernd Richard Deutsch und Johannes
     Kalitzke, der den Abend auch dirigieren
     wird. Aus einem Vorläuferprojekt hat
     das RSO Wien schon weitere orchestrale
     Tänze im Fundus: eine Polka von Gerhard
     Winkler, einen Walzer von Johanna Doderer,
     eine Bossa Nova von Gerald Resch, einen
     Mambo von Arturo Fuentes und vieles mehr.
     Und auch aus der Historie lässt sich die
     eine oder andere Tanzpreziose heben:
     Friedrich Cerha schrieb mal einen Galopp,

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
OKTOBER 17                                                                                     23

Sa., 14.10.17 →                                  Sturm macht Arbeit
19.30 Uhr                                        Es muss wahrlich nicht leicht gewesen
Musikverein Wien              > 1. Abokonzert   sein, zur Jahrhundertwende ein Werk in die
                                                 Welt zu setzen, ohne sich damit selbst einen
LUIGI CHERUBINI
                                                 Stempel aufzudrücken. Zu groß waren die
Overture zu »Anakreon« (1803)
                                                 Gräben zwischen den Traditionalisten und
LERA AUERBACH
                                                 den »Neu-Tönern«, deren unterschiedliche
NYx: Fractured Dreams.
Konzert Nr. 4 für Violine                        Auffassungen durchaus zu Streitigkeiten
und Orchester (2017) ÖA                          führen konnten. Hielt man es nun mit den
ALEXANDER ZEMLINSKY                              Anhängern formaler Tradition oder mit je-
Die Seejungfrau.                                 nen der programmatischen Erzählkunst?
Symphonische Dichtung nach einem                 Alexander Zemlinsky entschied sich, keinen
Märchen von Hans Christian Andersen              der Wege einzuschlagen und doch beide zu
(revidierte Fassung) (1902–1903)
                                                 berücksichtigen. Als Untertitel seines 1903
Leonidas Kavakos                     Violine    entstandenen Werks »Die Seejungfrau«
Cornelius Meister                   Dirigent    wählte er eine Bezeichnung, die die Sache
    Ö1, Di., 17. 10. 17, 19.30 Uhr
                                                 im Dunkeln ließ: eine »Phantasie für Orches-
    Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
                                                 ter« war weder Symphonie noch Symphoni-
                                                 sche Dichtung. Und hatte trotz allem ein
                                                 literarisches Werk zur Grundlage, nämlich
                                                 ein Märchen Hans Christian Andersens.
                                                 Die Geschichte rund um die junge Seejung-
                                                 frau, die einen Prinzen vor dem Ertrinken
                                                 rettet und aus Liebe zu ihm menschliche
                                                 Gestalt annimmt, würde sich förmlich an-
                                                 bieten für eine programmatisch-lautmale­
                                                 rische Gestaltung. Wenn sich die Seejung-
                                                 frau am Ende wegen der enttäuschten Liebe
                                                 in Schaum verwandelt und vom Wind in die
                                                 Lüfte getragen wird, wird die Sache jedoch
                                                 bereits komplexer. Eine »Sauarbeit« sei
                                                 es, den Sturm am Meer zu komponieren,
                                                 »wenn man nicht billig und gemein sein
                                                 will«, schrieb Zemlinsky an seinen Kollegen
                                                 Arnold Schönberg in Hinblick auf die Ge-
                                                 fahr, in seiner Musik allzu banal zu →

                                                               RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
24                                                  OKTOBER 17

     → werden und lediglich eine musikali-         Do., 19.10.17
     sche Schilderung der Handlung auszufüh-       19.30 Uhr
     ren. In der Tat gelingt dem Komponisten       Wiener Konzerthaus             > 1. Abokonzert
     diese Abwehr der Banalität, indem er zum
                                                   THOMAS DANIEL SCHLEE
     Schluss mehr sphärisch als erzählerisch
                                                   Spes unica op. 72 (2009)
     das verklärte Glück der glücklosen See-
                                                   SERGEJ SERGEJEWITSCH PROKOFJEW
     jungfrau zum Ausdruck bringt.
                                                   Konzert für Klavier und Orchester
     Alles andere als banal sind auch jene         Nr. 2 g-Moll op. 16 (1912–13/1923)
     Assoziationen, die die russisch-amerika­      DMITRIJ DMITRIJEWITSCH
     nische Komponistin Lera Auerbach zum          SCHOSTAKOWITSCH
     Entwurf ihres 4. Violinkonzerts »NYx:         Symphonie Nr. 12 d-Moll op. 112
     Fractured Dreams« führten. Im Zentrum         »Das Jahr 1917« (1959–1961)
     steht der Gedanke des Träumens – eine         Khatia Buniatishvili                   Klavier
     Annäherung an die Zeit, wenn im Traum         Cornelius Meister                     Dirigent
     Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
                                                      Ö1, Mitschnitt, Di., 24. 10. 17, 19.30 Uhr
     verfließen. In kompositorischer Hinsicht
                                                      Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
     schuf Lera Auerbach dies durch die Anei­
                                                   →	Einführungsvortrag von Christian Heindl,
     nanderreihung mehrerer Sequenzen, die
                                                      18.45 Uhr, Schönberg-Saal
     in Summe eine von Träumen durchsetzte
                                                      Information und Zählkarten:
     Nacht entstehen ließen – mit all den Visio-
                                                      www.jeunesse.at
     nen und Abgründen, die diesem Zustand
     nahestehen. Der Titel bezieht sich auf die
     griechische Göttin der Nacht Nyx, deren
     erste zwei Buchstaben gleichzeitig die
     Stadt New York bezeichnen – die »Stadt
     der Träumer«, wie die Komponistin ihre
     Wahlheimat bezeichnet.
     Zur griechischen Göttin der Nacht führt
     zum Auftakt der griechische Gott der Liebe
     in Luigi Cherubinis Oper »Anacreon«. Wenn
     Amor seine Finger im Spiel hat, kann sich
     auch der von der Zeit gezeichnete Lyriker
     Anacreon der Liebe seiner jungen Muse
     Corine sicher sein.
     Eva Teimel

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
25

PETER KESERŰ
Solohorn

               RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
26    NOVEMBER 17

     Do., 02.11.17 →                                Das Werk der Stunde
     19.30 Uhr                                      Der Schiffbruch der »Medusa« war für viele
     Wiener Konzerthaus                             Künstler ein symbolträchtiges Zeugnis:
     Wien Modern                                    für den Maler Théodore Géricault, der die
     Eröffnungskonzert 2017 > 2. Abokonzert        Rettung einer Handvoll Überlebender auf
                                                    einem monumentalen Gemälde festhielt;
     HANS WERNER HENZE
                                                    für den Schriftsteller Peter Weiss, der seine
     Das Floß der Medusa.
                                                    Begegnung mit Géricaults Gemälde in dem
     Oratorio volgare e militare
     in due parti (1968)                            Roman »Die Ästhetik des Widerstands«
                                                    schilderte; für den Österreicher Franzobel,
     Sarah Wegener                      Sopran     der 2017 einen »Medusa«-Roman veröf-
     Matthias Goerne                    Bariton    fentlicht hat; und für den Komponisten
     Sven-Eric Bechtolf                Sprecher
                                                    Hans Werner Henze, der den Vorfall 1967/
     Arnold Schoenberg Chor
                                                    68 in einem Oratorium dramatisierte.
     Wiener Sängerknaben
     Cornelius Meister                  Dirigent   Die »Medusa« war das Flaggschiff eines
        Live in Ö1, Do., 02. 11. 17, 19.30 Uhr      französischen Geschwaders, das 1816 von
        Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung      La Rochelle aus in See stieß, um die eng­
                                                    lische Kolonie Senegal wieder in franzö­
                                                    sischen Besitz zu nehmen. Kurz vor dem
                                                    Ziel erlitt die »Medusa« Schiffbruch. Rasch
                                                    waren die Rettungsboote von ranghohen
                                                    Besatzungsmitgliedern und Beamten der
                                                    Grande Nation besetzt; für die Mehrzahl
                                                    der Seeleute und Passagiere blieb nur ein
                                                    Floß. 154 drängten sich darauf, als man das
                                                    Schiff verließ. Zunächst wollte man das Floß
                                                    im Schlepptau mit an Land nehmen, doch
                                                    da es sich als nicht manövrierbar erwies,
                                                    kappten die Offiziere die Taue und über­
                                                    ließen die Schiffbrüchigen der offenen See.
                                                    Die Offiziere erreichten nach einem Tag das
                                                    rettende Land, veranlassten dort aber nicht
                                                    die Suche nach dem Floß; als es 13 Tage
                                                    später durch bloßen Zufall gesichtet wurde,
                                                    waren nur noch 15 der Schiffbrüchigen am
                                                    Leben. Deren Martyrium schilderten

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
27

zwei der Überlebenden in einem auf­           Tod, »la mort«. Chor und Knabenchor
wühlenden Tagebuch. Historiker gehen          werden szenisch eingesetzt: Auf der linken
davon aus, dass die haarsträubende Er­        Bühnenhälfte steht der »Chor der Leben-
zählung vom selbstsüchtigen und unver-        den«, der sich im Laufe des Abends zu-
antwortlichen Verhalten der Befehlshaber      gunsten des rechts positionierten »Chor
zur Be­feuerung der Julirevolution beitrug,   der Toten« verkleinert. Auch diese Anord-
die 1830 die Bourbonendynastie in             nung sorgt dafür, dass man eine Auffüh-
Schutt und Asche legte.                       rung von »Das Floß der Medusa« nie wie-
                                              der vergisst.
Hans Werner Henze hat den Skandal um
die »Medusa« in einem abendfüllenden          Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien
und bewegenden Oratorium verewigt.            unter der Leitung von Chefdirigent Cornelius
Der Komponist und sein Librettist Ernst       Meister spielen »Das Floß der Medusa«
Schnabel deuteten die Begebenheit als         zur Eröffnung von Wien Modern.
Parabel auf das gesellschaftliche Gefälle     Christoph Becher
zwischen Gewinnern und Verlierern des
Kapitalismus. »Das Floß der Medusa« traf
bei der geplanten Uraufführung 1968 in
Hamburg auf eine politisch derart aufge-
heizte Atmosphäre, dass es zum Eklat kam:
Zwei Stunden lang lieferten sich Publikum,
Chormitglieder und Komponist Schreiduel-
le, bis die Polizei kam. Die Uraufführung
im Konzertsaal erfolgte erst am 29. Jänner
1971 im Wiener Musikverein durch das
damalige ORF-Symphonieorchester.
Heute darf »Das Floß der Medusa« ange-
sichts der Flüchtlingskatastrophen im Mit-
telmeer als »Werk der Stunde« gelten. Das
Orchester umfasst seltene Instrumente wie
Ofiklëiden, Heckelphon und Oboe d’amore,
die eine ungemein vielfarbige und schil-
lernde Musik mit anklagenden, aber auch
mit poetischen Momenten hervorbringen.
Ein Sprecher erzählt die Geschichte, ein
Bariton singt den Part des Überlebenden
Jean-Charles, der Sopran verkörpert den

                                                             RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
28    NOVEMBER 17

     Do., 09.11.17
     19.30 Uhr
     Musikverein Wien
     Wien Modern                  > 2. Abokonzert

     OLIVIER MESSIAEN
     Turangalîla-Symphonie für Klavier,
     Ondes Martenot und Orchester
     (1946–1948)
     Nathalie Forget             Ondes Martenot
     Steven Osborne                      Klavier
     Cornelius Meister                  Dirigent
         Ö1, Do., 16. 11. 17, 19.30 Uhr
         Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
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CORNELIUS MEISTER
Chefdirigent

                    RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
30    DEZEMBER 17                                    DEZEMBER 17

     Fr., 01.12.17 Premiere       →                 Sa., 02.12.2017 Premiere           →
     07./17./29.12.17                               09./18./30.12.17
     19.00 Uhr                                      18.30 Uhr
     Theater an der Wien                            Theater an der Wien
     RICHARD WAGNER                                 RICHARD WAGNER
     Die Ring-Trilogie                              Die Ring-Trilogie
     Hagen                                          Siegfried
     Samuel Youn                         Hagen     Daniel Brenna                     Siegfried
     Daniel Brenna                    Siegfried    Liene Kinča                       Sieglinde
     Ingela Brimberg                Brünnhilde     Daniel Johansson                 Siegmund
     Aris Argiris                        Wotan     Ingela Brimberg                 Brünnhilde
     Martin Winkler                    Alberich    Aris Argiris                         Wotan
     Marcel Beekman                       Mime     Stefan Kocan                       Hunding
     Michael J. Scott                      Loge    Marcel Beekman                        Mime
     Liene Kinča                       Gutrune     Stefan Kocan                         Fafner
     Karoly Szemeredy                  Gunther     Mirella Hagen                    Waldvogel
     Mirella Hagen                    Woglinde     Tatjana Gürbaca                       Regie
     Raehann Bryce-Davis             Wellgunde     Henrik Ahr                           Bühne
     Ann-Beth Solvang                Flosshilde    Barbara Drosihn                    Kostüme
     Tatjana Gürbaca                      Regie    Stefan Bolliger                        Licht
     Henrik Ahr                          Bühne     Bettina Auer                   Dramaturgie
     Barbara Drosihn                   Kostüme     Constantin Trinks                  Dirigent
     Stefan Bolliger                       Licht
                                                        Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
     Bettina Auer                  Dramaturgie
     Arnold Schoenberg Chor
     Constantin Trinks                 Dirigent
       Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
     → Einführungsmatinee:
       So., 19. 11. 17, 11.00 Uhr
       Pausenraum Hölle, Theater an der Wien

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
DEZEMBER 17                                                                                   31

So., 03.12.17 Premiere         →               Die Ring-Trilogie
10./19./31.12.17                               Ein Ring – drei Perspektiven
18.30 Uhr                                      Hagen – Siegfried – Brünnhilde
Theater an der Wien                            Musik und Text von Richard Wagner
RICHARD WAGNER                                 In einer Fassung von Tatjana Gürbaca,
Die Ring-Trilogie                              Bettina Auer und Constantin Trinks
                                               In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Brünnhilde
Ingela Brimberg                Brünnhilde     In Richard Wagners epochaler Tetralogie
Aris Argiris                        Wotan     »Der Ring des Nibelungen« wird die ur-
Daniel Brenna                    Siegfried    sprüngliche, harmonische Weltordnung
Samuel Youn                         Hagen     auf verhängnisvolle und nicht revidierbare
Liene Kinča                       Gutrune     Weise zerstört: Als der Nibelung Alberich
Karoly Szemeredy                  Gunther     aus Wut über die Abweisung durch die
Ann-Beth Solvang                 Waltraute    Rheintöchter ihnen das Rheingold raubt,
Mirella Hagen                    Woglinde     gelingt ihm das nur um den Preis, niemals
Raehann Bryce-Davis             Wellgunde     zu lieben und niemals geliebt zu werden.
Ann-Beth Solvang                Flosshilde    Nun kann er sich aus dem Gold einen Ring
Tatjana Gürbaca                      Regie    schmieden, der ihm maßlose Macht ver-
Henrik Ahr                          Bühne
                                               leiht. Mit Alberichs Tat kommt die Gier nach
Barbara Drosihn                   Kostüme
                                               Gold und Macht in die Welt, die ab nun
Stefan Bolliger                       Licht
Bettina Auer                  Dramaturgie
                                               stets über die Sehnsucht nach Liebe siegt.
Arnold Schoenberg Chor                         Er bleibt nicht lange im Besitz von Gold und
Constantin Trinks                  Dirigent   Macht, der Ring wechselt gewaltsam den
                                               Besitzer und bringt nur immer mehr Unheil.
   Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung      Göttervater Wotan, selbst in die Weitergabe
                                               des Ringes verstrickt, will den Kreislauf von
                                               Gier und Mord durchbrechen, aber er selbst
                                               kann nicht mehr eingreifen, zu tief ist auch
                                               er in Schuld geraten. Nur ein von ihm und
                                               jeder Verbindung zur Macht des Ringes frei-
                                               er Mensch könnte die Welt erneuern, doch
                                               Wotans Nachfahren scheitern ebenfalls an
                                               dieser Aufgabe, die ihnen unwillentlich auf-
                                               erlegt wird. Wotans Tochter Brünnhilde,
                                               sein Enkel Siegfried und Alberichs Sohn
                                               Hagen ver­längern und vollenden nur die
                                               tragischen Entwicklungen. →

                                                             RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
32                                                    DEZEMBER 17

     → Für das Theater an der Wien haben             Fr., 08.12.17
     Regisseurin Tatjana Gürbaca, Dramaturgin        11.00 Uhr
     Bet­tina Auer und Dirigent Constantin Trinks    Palais Ferstel
     die Perspektiven auf die Geschichte neu         Benefizkonzert Concordia
     fokussiert und aus den ursprünglich vier
                                                     WOLFGANG AMADEUS MOZART
     Abenden drei gestaltet. Wir erleben die
                                                     Ouvertüre aus Don Giovanni
     Geschehnisse nun im Rückblick jeweils
                                                     KV 527 (1787)
     gebündelt aus der Sicht von Hagen, Sieg-
                                                     JOSEPH HAYDN
     fried und Brünnhilde, deren Erlebnisse          3. Satz aus dem Konzert für Trompete
     und Gedanken sonst über die ursprüng­           und Orchester Es-Dur Hob. VIIe/1
     lichen vier Abende verteilt sind. Dafür ist     LUDWIG VAN BEETHOVEN
     die Musik großräumig neu zusammenge-            Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21 (1806)
     stellt worden, das Geflecht der Bezüge
     soll erkennbar bleiben. Durch die so kon-       Johann Plank                 Trompete
                                                     Rudolf Streicher              Dirigent
     zentrierten Blickwinkel kann eine indi­
     viduelle Wahrnehmung der Schicksale
     dieser drei Figuren ermöglicht werden,
     das Publikum leichter ihr Erleben in grö­
     ßerem Bogen mitvollziehen: Wie wirken
     sich die Sünden der Väter an den Kindern
     und Kindeskindern aus? Wie erleben die
     drei die schicksalhaften Momente der welt-
     verändernden Ereignisse? Was geschieht
     dabei in ihnen? Wie sehen sie sich gegen-
     seitig? Diese spezielle Ring-Trilogie gibt
     den drei Figuren eine größere Wichtigkeit
     und Intensität, bewirkt quasi einen Gene­
     rationenwechsel in der Beurteilung der
     Wagner’schen Weltgeschichte. Wotan, der
     prinzi­piell die oberste Autorität darstellen
     will, gerät an den Rand: Das Wichtige wird
     der Blick zurück von der Zukunft aus, von
     den Kindern auf die Vergangenheit.
     Karin Bohnert

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
DEZEMBER 17                                                                33

Fr., 15./Sa., 16.12.17
19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus
Christmas in Vienna
Olga Peretyatko                     Sopran
Anne Sofie von Otter           Mezzosopran
Juan Diego Floréz                    Tenor
Günter Haumer                       Bariton
Wiener Singakademie
Wiener Sängerknaben
Stefan Gottfried                    Dirigent
    Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung

                                                RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
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     RAIMUND WEICHENBERGER
     Soloflöte

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
JÄNNER 18                                                                                     35

Fr., 12.01.18 →                                 Geburtstag mit Weggefährten
19.30 Uhr                                       »Jedes Orchester bietet einem Dirigenten
Wiener Konzerthaus           > 3. Abokonzert   etwas an, und wenn Dirigenten vernünftig
                                                sind, dann hören sie zu.« Dieser Ausspruch
GOTTFRIED VON EINEM
                                                HK Grubers steht für die Herangehensweise
Capriccio op. 2 (1942–1943)
                                                des Universalkünstlers an seine künstleri-
BERND RICHARD DEUTSCH
                                                sche Arbeit – sei es als Dirigent, als Musi-
subliminal (2010)
                                                ker oder als Komponist.
KURT SCHWERTSIK
Zeit-Wind/Stern-Zeit.                           Seinen 75. Geburtstag feiert Heinz Karl
Eine Taschenkosmogonie op. 83 (2000)            Gruber am Pult des RSO Wien mit zahlrei-
KARL HEINZ GRUBER                               chen Weggefährten an seiner Seite. Das
Konzert für Trompete und Orchester              Dreigespann Gruber-Schwertsik-Cerha,
»Aerial« (1998–1999)                            das sowohl mit dem Ensemble »die reihe«
FRIEDRICH CERHA                                 als auch mit der Entwicklung des »MOB-
Impulse für Orchester (1992–1993)               Stils« ein entscheidendes Kapitel der Wie-
Håkan Hardenberger                Trompete     ner Musikgeschichte schrieb, spannt auch
Heinz Karl Gruber                  Dirigent    den programmatischen Bogen des Geburts-
                                                tagskonzerts. Dass HK Gruber dieses ge-
    Live in Ö1, Fr., 12. 01. 18, 19.30 Uhr
                                                meinsam mit dem ORF Radio-Symphonie­
    Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
                                                orchester Wien bestreitet, ist nicht verwun-
                                                derlich – schließlich verbindet ihn viel mit
                                                dem Orchester, war er doch als Kontrabas-
                                                sist knapp 30 Jahre selbst Mitglied des
                                                RSO Wien.
                                                Eine Tätigkeit, die auch den Komponisten
                                                Gruber maßgeblich beeinflusste. Nicht nur
                                                ermöglichte ihm dieses Engagement finan-
                                                zielle Unabhängigkeit und daraus resultie-
                                                rend einen freieren Zugang zum Komponie-
                                                ren, auch profitierte er von der unmittel­
                                                baren Nachbarschaft seiner Kolleginnen
                                                und Kollegen. Als Komponist lerne man
                                                nirgends mehr als im Orchester – davon
                                                ist er überzeugt. →

                                                              RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
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     → Als Komponist entwickelte HK Gruber         Geprägt von starken Gegensätzen ist auch
     schließlich auch eine eigene musikalische     Friedrich Cerhas 1992 entstandenes Werk
     Sprache, ohne sich daran zu stören, dass      »Impulse«. Formal vielfältig und emotional
     außer ihm niemand diese Sprache spricht.      kontrastreich, lässt Cerha dem Titel ent-
     Eine Generation jünger als Friedrich Cerha    sprechend Anstöße entstehen, deren
     und Kurt Schwertsik, bezeichnet er sich       Entwicklung jedoch stets in andere Rich-
     augenzwinkernd als »Avantgardist aus          tungen geht.
     zweiter Hand«. Mit seiner Erfahrung als       Eva Teimel
     Musiker und Chansonnier etablierte er
     einen Stil, der ihm eigen ist – geprägt und
     inspiriert durch die Musik Hanns Eislers
     und Kurt Weills.
     Für sein 1998 entstandenes Trompeten­
     konzert »Aerial« arbeitete Gruber eng mit
     Håkan Hardenberger zusammen. Die Vir­
     tuosität und Flexibilität des schwedischen
     Trompeters scheint auch den Komponisten
     in der Anlage des Werks beflügelt zu haben
     – Gesangspassagen finden sich ebenso
     wie der Einsatz unterschiedlicher Trompe-
     ten, wovon das Kuhhorn das wohl traditi-
     onsreichste und gleichzeitig exotischste
     Exemplar ist. Hardenberger hat es eigens
     für HK Grubers Trompetenkonzert erlernt.
     In eine metaphysisch-transzendentale
     Gedankenwelt entführt HK Grubers »MOB-
     Stil«-Kollege Kurt Schwertsik in seiner
     »Taschenkosmogonie« »Zeit-Wind Stern-
     Zeit«. »Nur die Phantasielosen flüchten in
     die Realität«, zitiert Schwertsik den deut-
     schen Schriftsteller Arno Schmidt, wenn er
     das Publikum mit Fragen nach dem Wesen
     der Zeit, der Tiefe des Weltalls und der
     Dualität von Gut und Böse konfrontiert.

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
JÄNNER 18                                                                                         37

Fr., 19.01.18 Premiere →                            Prügelnde Operndiven
21./23./26./28./30.01.18                            Gaetano Donizetti schuf »Maria Stuarda«
19.00 Uhr                                           1834 im Auftrag des Teatro San Carlo in
Theater an der Wien                                 Neapel. Heute ist diese Oper um die Rivali-
                                                    tät der historischen Königinnen Elisabeth I.
GAETANO DONIZETTI
                                                    von England und Maria Stuart von Schott-
Maria Stuarda (1835)
                                                    land bekannt und beliebt als Feuerwerk
Tragedia lirica in zwei Akten
Musik von Gaetano Donizetti                         des Bel­canto, worin die Konfrontation der
Libretto von Giuseppe Bardari                       Königinnen sowie die ergreifenden letzten
nach Maria Stuart von Friedrich Schiller            Szenen, die Maria Stuarda kurz vor der
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln   Hinrichtung zeigen, die Höhepunkte sind.
Marlis Petersen                 Maria Stuarda
                                                    Allerdings stand die Oper während ihrer
Alexandra Deshorties                Elisabetta     Entstehung unter keinem guten Stern:
Norman Reinhardt                      Roberto,     Zuerst gab es Probleme mit der Zensur,
                             Conte di Leicester    dann prügelten sich die Hauptdarsteller/
Stefan Cerny                    Giorgio Talbot     innen bei einer Probe. Wirklich fatal für
Cecil Tobias Greenhalgh        Lord Guglielmo      die Oper war aber, dass Königin Maria
Natalia Kawalek                 Anna Kennedy       Christina, eine Nachfahrin von Maria Stu-
Christof Loy                     Inszenierung      art, der Generalprobe beiwohnte und bei
Katrin Lea Tag                    Ausstattung      der Beichtszene der Maria ohnmächtig
Bernd Purkrabek                           Licht    wurde. Daraufhin musste die Oper kurz­
Yvonne Gebauer                    Dramaturgie
                                                    fristig eine ganz andere Geschichte erhal-
Arnold Schoenberg Chor
                                                    ten. Mühsam flickte Donizetti die Musik
Paolo Arrivabeni                       Dirigent
                                                    mit verändertem Text neu zusammen, die
    Ö1, Sa., 27. 01. 18, 19.30 Uhr                  Oper kam unter dem Titel »Buondelmonte«
    Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung          heraus, die Notlösung fiel durch. Ein Wie-
                                                    derbelebungsversuch durch die berühmte
                                                    Sängerin Maria Malibran ein Jahr später
                                                    in Mailand scheiterte an einem Virus, der
                                                    beide Hauptdarstellerinnen befallen hatte
                                                    – »Maria Stuarda« versank bis 1958 in der
                                                    Vergessenheit. Da sie gleich zwei Glanzpar-
                                                    tien sowohl in vokaler wie darstellerischer
                                                    Hinsicht für Koloratursopranistinnen bietet,
                                                    ist Maria Stuarda aus dem Opernrepertoire
                                                    inzwischen nicht mehr wegzudenken.
                                                    Karin Bohnert

                                                                    RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
38

                                 KRISTINA ŠUKLAR
                                 2. Konzertmeisterin

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
FEBRUAR 18                                         FEBRUAR 18                                     39

Do., 15.02.18                                      Fr., 23.02.18 →
19.30 Uhr                                          19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus              > 4. Abokonzert   Musikverein Wien             > 3. Abokonzert

JOSEPH HAYDN                                       ANTON BRUCKNER
Symphonie A-Dur Hob. I/59                          Symphonie d-Moll WAB 100
»Feuer-Symphonie« (1768)                           »Die Nullte« (1863–1864)
TOSHIO HOSOKAWA                                    GOTTFRIED VON EINEM
Umarmung –                                         An die Nachgeborenen.
Licht und Schatten für                             Kantate op. 42 (1973)
Orgel und Orchester (2017) ÖA
                                                   Camilla Nylund                      Sopran
IGOR STRAWINSKY                                    Michael Nagy                        Bariton
Chant funèbre op. 5 (1908) ÖA                      Wiener Singverein
L'oiseau de feu.                                   Markus Poschner                     Dirigent
Symphonische Suite
(Fassung von 1919) (1911/1919)                         Ö1, So., 04. 03. 18, 11.03 Uhr
                                                       Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
Christian Schmitt                        Orgel
Cornelius Meister                     Dirigent

    Ö1, Di., 20. 02. 18, 19.30 Uhr
    Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung

                                                                 RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
40

     An die Nachgeborenen                           von Einems expressiver, unmittelbar ver-
     »Was sind das für Zeiten, wo/ein Gespräch      ständlicher Tonsprache ineinander.
     über Bäume fast ein Verbrechen ist/weil
                                                    Ein Jahrhundert zuvor schrieb Anton Bruck-
     es ein Schweigen über so viele Untaten
                                                    ner eine Symphonie in d-Moll, von der man
     einschließt«: Bertolt Brechts Gedicht »An
                                                    lange glaubte, sie wäre vor seiner offiziel-
     die Nachgeborenen«, entstanden im Exil
                                                    len Ersten, der »Linzer«, entstanden: Denn
     in Dänemark und 1939 veröffentlicht, zählt
                                                    als er das Werk 1895 unter alten Manu-
     zu den wichtigsten poetischen Reaktionen
                                                    skriptstößen wieder entdeckt hatte, fügte
     auf die ersten Jahre des Nationalsozialis-
                                                    er der Partitur Kommentare hinzu wie »un-
     mus. Gottfried von Einem, eine prägende,
                                                    giltig«, »nur ein Versuch«, »ganz nichtig«,
     weil streitbare und auch umstrittene Figur
                                                    »annulirt« – und vor allem die berühmt
     der Musikgeschichte Österreichs nach 1945,
                                                    gewordene Ordnungszahl, eine durchge-
     bezeichnete sich selbst als »Componist«,
                                                    strichene Null auf gleich drei Seiten. Als
     weil er das lateinische »componere« für
                                                    »Nullte« ist sie seither in der Wissenschaft
     »zusammenstellen« als Wurzel des Wortes
                                                    bekannt und selten auch im Konzertsaal
     betonen wollte. 1950 scheiterte von Einem
                                                    anzutreffen – unverdient selten. Denn die
     dabei, Brecht als Dichter der Salzburger
                                                    in Wahrheit zwischen »Linzer« und Zweiter
     Festspiele zu installieren: Dessen Tätigkeit
                                                    komponierte Symphonie verdient Beach-
     in Ostberlin wurde zum Skandal erklärt,
                                                    tung. In vielen Belangen zeigt sie einen
     von Einem aus der Festspieldirektion aus-
                                                    jungen, noch stärker in der Tradition wur-
     geschlossen. Was waren das für Zeiten …
                                                    zelnden Bruckner, der dennoch bereits sei-
     Jahrzehnte später hat Gottfried von Einem      ne unverwechselbaren Züge trägt: Quinten
     Brechts Text als zentralen Satz seiner Kan-    und Quarten gebären das Hauptthema, das
     tate »An die Nachgeborenen« vertont;           Gesangsthema lassen Synkopen schweben;
     sechs weitere Sätze und zwei Zwischen-         das Material wird kontrapunktisch gedreht
     spiele, komponiert auf Auszüge aus den         und gewendet, im Scherzo tobt Dämonie,
     Psalmen, von Sophokles und Hölderlin,          eine triumphale Themenvereinigung in Dur
     umgeben ihn in bogenförmiger Symmetrie.        markiert den Schluss des Finales. Was dem
     1975 in New York zum 30. Jahrestag der         alten Komponisten als »nur ein Versuch«
     Gründung der Vereinten Nationen urauf­         galt, schenkt uns unschätzbare Einblicke
     geführt, vereint dieses großformatige Be-      in seine Entwicklung in Gestalt eines im
     kenntniswerk prägnant skandierende Chor-       besten Sinne eigenartigen Werks. Markus
     sätze und solistische Gesänge in tonaler       Poschner, der neue Chef des Bruckner
     Harmonik, spätromantischen Klangfarben         Orchesters Linz, feiert mit diesem Abend
     oder auch dodekaphoner Strenge: Harsche        sein RSO Wien-Debüt.
     Akzente und tröstende Sanftheit greifen in     Walter Weidringer

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
41

SOLVEIG NORDMEYER
stv. Stimmführerin Cello

                           RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
42    MÄRZ 18                                        MÄRZ 18

     Do., 01.03.18                                  Fr., 16.03.18 Premiere →
     19.30 Uhr                                      18./20./23./26./28.03.18
     Wiener Konzerthaus                             19.00 Uhr
     Abonnement »VokalKlang«                        Theater an der Wien
     GIOACHINO ROSSINI                              GOTTFRIED VON EINEM
     Petite Messe solennelle (1866/67)              Der Besuch der alten Dame (1971)
                                                    Oper in drei Akten
     Aleksandra Kurzak                  Sopran
                                                    Libretto von Friedrich Dürrenmatt
     Sara Mingardo                           Alt   In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
     Kenneth Tarver                      Tenor
     Luca Pisaroni                  Bassbariton    Katarina Karnéus      Claire Zachanassian
     Wiener Singakademie                            Erik Årman                      Ihr Gatte IX
     Gustavo Gimeno                     Dirigent   Mark Milhofer                    Der Butler
                                                    Russell Braun                      Alfred Ill
        Ö1, So., 01. 04. 18, 11.03 Uhr              Cornelia Horak                   Seine Frau
        Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung      Anna Marshania               Seine Tochter
                                                    Julian Henao Gonzalez            Sein Sohn
                                                    Raymond Very                Bürgermeister
                                                    Markus Butter                     Prediger
                                                    Adrian Eröd                          Lehrer
                                                    Martin Achrainer                     Doktor
                                                    Florian Köfler                      Polizist
                                                    Anna Gillingham                  Erste Frau
                                                    Carolina Lippo                  Zweite Frau
                                                    Matteo Loi              Stationsvorsteher
                                                    Keith Warner                  Inszenierung
                                                    David Fielding                 Ausstattung
                                                    John Bishop                            Licht
                                                    Arnold Schoenberg Chor
                                                    Michael Boder                      Dirigent
                                                        Ö1, Sa., 17. 03. 18, 19.30 Uhr
                                                        Freund in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung

     RSO WIEN PROGRAMM 2017/18
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