LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB

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LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
Der bessere
                          Forum Lokaljournalismus 2010
                                          in Dortmund

Lokaljournalismus

                    Lo k a l zei t u   ng
              Meine
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
02 EDITORIAL                                                                                                                Forum Lokaljournalismus 2010

                     Kompass in der digitalen Welt
                           Berthold L. Flöper zieht nach dem 18. Forum Lokaljournalismus in Dortmund sein persönliches Fazit
                                                                                                                        ten.” Der Ministerpräsident for-
                                                                                                                        derte deshalb: „Der Lokaljourna-
                                                                                                                        lismus braucht mehr Anerken-
                                                                                                                        nung. Lokaljournalisten brauchen
                                                                                                                        bessere Perspektiven.” (Seite 5)

                                                                                                                        Beim Forum Lokaljournalismus
                                                                                                                        wurde zudem deutlich, wie wich-
    Berthold L.                                                                                                         tig das multimediale Arbeiten ist
  Flöper leitet                                                                                                         und dass Lokal- und Regionalzei-
das Lokaljour-                                                                                                          tungen zu Recht neben der ge-
   nalistenpro-                                                                                                         druckten Tageszeitung auf cross-
gramm der bpb.                                                                                                          mediale Verbreitungskanäle set-
Foto: J. Studnar                                                                                                        zen. Mit einem starken Plädoyer
                                                                                                                        trat die britische Medienberaterin
                                                                                                                        Sarah Schantin-Williams dafür
Lokaljournalist ist ein Beruf                                                                                           ein, „zurück ins Herz der Leser”
                                                                                                                        zu finden. Die Expertin für
mit Zukunft, die Print-Bran-                                                                                            Change Management und mediale
                                                                                                                        Veränderungsprozesse beim Welt-
che muss sich aktiv und of-                                                                                             verband für Zeitungen und Nach-
                                                                                                                        richtenmedien WAN-IFRA sieht
fensiv mit den Herausforde-                                                                                             auch in der Zukunft „wunderbare
rungen des digitalen Zeital-                                                                                            Chancen” für professionellen Lo-

ters auseinandersetzen und                                                                                                  »Erfolgsrezepte
die Tageszeitung zum Kom-                                                                                                     müssen sich
pass machen.                                                                                                                 herausbilden«
                                                                                                                        kaljournalismus. Ihre Studien zei-
Die 150 Chefredakteure und lei-                                                                                         gen, dass gerade Lokal- und Regi-
tenden Redakteure, Wissenschaft-                                                                                        onalzeitungen ein „enormes Po-
ler und Medienexperten aus                                                                                              tenzial” haben. (Interview auf
Deutschland, Österreich und der                                                                                         Seite 8)
Schweiz bekräftigten in Dort-
mund, dass die Lokalzeitung trotz                                                                                       Ein Erfolgsrezept gibt es aller-
starker Konkurrenz durch die                                                                                            dings nicht. Viele Verlagshäuser
elektronischen Medien in der de-                                                                                        beobachten den Markt und fragen
mokratischen Gesellschaft unver-                                                                                        sich: Welche Geschäftsmodelle
zichtbar bleibt – zumindest bis                                                                                         setzen sich durch, welche ver-
auf Weiteres. Denn sie genießt                                                                                          schwinden wieder? Sascha Lobo,
unter allen Medien die höchste                                                                                          einer der bekanntesten Blogger
Glaubwürdigkeit. Deshalb haben                                                                                          Deutschlands, vermisst klare
die lokalen und regionalen Tages-                                                                                       Konzepte und Qualität in der In-
zeitungen eine Zukunft.                                                                                                 ternetpräsenz der regionalen Ta-
                                                                                                                        geszeitungen. Und Professor Ste-
Unter dem Motto „Mutig, multi-                                                                                          phan A. Weichert von der Macro-
medial, meinungsbildend” liefer-                                                                                        media-Hochschule in Hamburg
ten sich die Teilnehmerinnen und                                                                                        urteilt angesichts des rasanten
Teilnehmer beim 18. Forum Lo-                                                                                           Tempos im Internet: „Wir sind
kaljournalismus der Bundeszent-     Lokaljournalismus hat Zukunft, sagen die Experten.         Foto: Knut Vahlensieck   die Neandertaler in der digitalen
rale für politische Bildung/bpb                                                                                         Entwicklung.” Verlagshäuser und
leidenschaftliche Diskussionen      ce, Ideen auszutauschen, neue             „Der Lokaljournalist hat einen            Redaktionen müssten viel stärker
über die Zukunft der Zeitung. Be-   Impulse für die Arbeit in der             Beruf mit Zukunft. Er hat ein Al-         den Dialog suchen und ihr Publi-
sonders die publizistischen He-     heimischen Redaktion zu bekom-            leinstellungsmerkmal, das ihm in          kum ernst nehmen. (Weitere The-
rausforderungen sowie die Aufga-    men und über neue Arbeitsfelder           der gegenwärtigen Umbruchspha-            sen zur Zukunft der Lokalzeitung
                                    nachzudenken.                             se der Medienwelt gute Chancen            auf den Seiten 22/23 und 32).
»Markt der Chancen                  Die Konkurrenz durch die elek-
                                                                              verspricht”, so Bodo Hombach,
                                                                              Geschäftsführer der WAZ Medi-             Das Forum Lokaljournalismus
 und Ideen für die                  tronischen Medien ist für die Lo-         engruppe, in seiner Eröffnungsre-         hat viele Diskussionen angeregt,
 Lokalredaktion«                    kalzeitungen sehr groß. „Der Lo-          de (Auszüge auf den Seiten 6/7).          Kontroversen angefeuert und
                                    kaljournalismus muss sich auf sei-        Außerdem spiele die Lokalzeitung          Stoff für Visionen vermittelt – im
                                    ne Stärken und seine Grundtu-             eine tragende Rolle für die Demo-         Dienste eines besseren Lokaljour-
ben und das Selbstverständnis der   genden besinnen – auf solide Re-          kratie.                                   nalismus. In diesem Magazin wer-
Lokaljournalistinnen und Lokal-     cherche, professionelle Analyse                                                     den Gespräche und Diskussionen
journalisten standen im Fokus des   und kritische Meinung”, betonte           Davon ist auch NRW-Minister-              nachgezeichnet.
größten Kongresses für die Ma-      Thomas Krüger, Präsident der              präsident Jürgen Rüttgers über-
cherinnen und Macher lokaler        bpb (Interview auf Seite 4).              zeugt: „Die Bevölkerung will wis-         Viel Vergnügen beim Lesen, Nach-
und regionaler Tageszeitungen.      Diese Qualitäten erwarte das              sen, was in ihrer Gemeinde pas-           schlagen und Nachdenken.
Beim Forum in Dortmund – in         Publikum von seiner Tageszeitung          siert. Die wichtigste Informations-
Kooperation mit der Journalisten-   und sie sicherten am Ende auch            quelle ist und bleibt die Lokalzei-
schule Ruhr und der WAZ Medi-       deren Erfolg. Das Herzstück und           tung.” Denn: „Im Lokalen ist der                Mehr Infos im Internet
engruppe – nutzten Praktiker,
Forscher und Politiker die Chan-
                                    die Stärke der Tageszeitung liegen
                                    im Lokalen, sagen die Experten.
                                                                              Journalismus unmittelbar. Hier
                                                                              kommt er den Bürgern am nächs-             @    www.bpb.de/
                                                                                                                              lokaljournalistenprogramm
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
Forum Lokaljournalismus 2010                                                                                                       INHALT             03
Mut im medialen Umbruch               Menschen und Bilder                   Kreativ aus der Krise                 Gruppenbild oder Feature?
bpb-Präsident Thomas Krüger           Hans Blossey und Jakob Studnar        Der „European Newspaper               Wem nutzt die beste Story, wenn
über die neuen Anforderungen im       hielten das Forum Lokaljournalis-     Award” zeichnet Zeitungen und         die Optik nicht stimmt. Profis er-
Lokaljournalismus.       Seite 4      mus in Bildern fest. Seite 24/25      ihre Gestaltung aus.    Seite 26      zählen.                   Seite 27

Lokalzeitung unverzichtbar
Grußwort von NRW-Ministerprä-
sident Jürgen Rüttgers. Seite 5
                                                 An die Zeitung, fertig, los!
Marktplatz der Demokratie
WAZ-Geschäftsführer Bodo
Hombach über den Stellenwert
des Lokaljournalismus.  Seite 6

 Newsroom,
 Newsdesk & Co
 Experten und Journalisten
 sprechen über moderne Mög-
 lichkeiten, um Nachrichten
 crossmedial zu verarbeiten.
                   Seiten 8 bis 10
                                                 Die neuen Medien setzen der Zeitung zu.      dere Zeitungsverlage auch – setzt unter an-
                                                 Junge Leser wachsen nur mühsam nach.         derem auf Schulprojekte. Zeus – Zeitung
Innovative Formate                               Die Verlage lassen sich einiges einfallen,   und Schule – ist eines davon und erreicht
Die TU Dortmund erforscht die                    um dem Trend entgegenzuwirken. Die Es-       jährlich zehntausende Schüler. Wie das
Zukunft der Medienwelt. Seite 18                 sener WAZ Mediengruppe – wie viele an-       Projekt aussieht?                  Seite 11

Veränderter Journalismus
Der Wandel der Medienwelt bringt
Veränderungen im Journalismus,
                                                     Renommiertes Branchentreffen
erklärt John Pavlik.    Seite 12                 Ressortleiter und Chefredakteure beim 18. Forum Lokaljournalismus in Dortmund

Drehscheibe startet Blog
Mit vielen Antworten.      Seite 20
                                      D    as Forum Lokaljournalismus
                                           ist die zentrale Veranstaltung
                                      im Journalistenprogramm der Bun-
                                                                              Das Forum Lokaljournalismus
                                                                            hat immer einen Kooperationspart-
                                                                            ner. In diesem Jahr war es die WAZ
                                                                                                                  sagt Berthold L. Flöper, Leiter des
                                                                                                                  Journalistenprogramms der Bun-
                                                                                                                  deszentrale für politische Bildung.
                                      deszentrale für politische Bildung/   Mediengruppe.                         Das Forum bietet eine Plattform,
                                      bpb. Das wohl renommierteste            „Beim Forum stellen wir den Lo-     auf der Zukunftsfragen mit Journa-
Neun Thesen                           Branchentreffen für Chefredakteu-     kaljournalismus auf den Prüfstand     listen, Politikern und Wissenschaft-
Chefredakteur Paul-Josef Raue         re und leitende Redakteure            und analysieren Trends und Ent-       lern diskutiert werden. „Außerdem
zeigt, worauf es im Lokalen an-       deutschsprachiger Lokal- und Re-      wicklungen. Wichtig ist aber auch,    wollen wir dazu beitragen, die Qua-
kommt.                    Seite 29    gionalzeitungen tagte bereits zum     dem Lokaljournalismus immer           lität im Lokaljournalismus zu stei-
                                      18. Mal.                              wieder neue Impulse zu geben”,        gern”, so Flöper.

Bilder vom W(ahl)-Award
Acht Auszeichnungen.       Seite 16

                                                                                                                  IMPRESSUM
                                                                                                                  Nachlese des 18. Forums Lokaljourna-
                                                                                                                  lismus vom 27. bis 29. Januar 2010
                                                                                                                  in Dortmund.
                                                                                                                  Herausgeber: WAZ Mediengruppe, Friedrich-
                                                                                                                  straße 34-38, 45128 Essen/Journalistenschule
 Die Schattenspiele                    Print gegen                            Hochgejubelt und                    Ruhr, Schederhofstraße 55, 45145 Essen,
                                                                                                                  Gabriele Bartelt-Kircher
 der Zeitungshäuser                    Online                                 niedergemacht                       Bundeszentrale für politische Bildung / bpb,
                                                                                                                  Fachbereich Multimedia
 Die Zeitungsverlage sind auf          Wie sieht die Zukunft von lo-          BVB-Geschäftsführer Hans Jo-        Lokaljournalistenprogramm der bpb, Berthold
 der Suche nach neuen Ge-              kalen Tageszeitungen aus?              achim Watzke spricht über           L. Floeper, Adenauerallee 86, 53113 Bonn,
 schäftsmodellen. Aber was             Printredakteure und Onliner            das Verhältnis zwischen Fuß-        floeper@bpb.de, www.bpb.de
 wird auch funktionieren?              befragen sich gegenseitig.             ballprofis und Lokalzeitung.        Layout/Gestaltung/Grafik: Jens Ostrowski
                         Seite15                               Seite 22                             Seite 31      Redaktion: Anke Vehmeier (CvD), Petra Bäu-
                                                                                                                  mer, Jessica Buschmann, Monique De Cleur,
                                                                                                                  Linda Fischer, Nikolaos Georgakis, Katja Gohs-
                                                                                                                  mann, Jean-Luc Mette, Robert Reick, Maike
Kindernachrichten                     Alles Twitter, oder was?              Lokalzeitung 2020?                    Rellecke, Christoph Winkel, Kerstin Woerdehoff.
                                                                                                                  Anzeigen: Olav Schulte
Wie Verlage schon bei den Klei-       Beim Forum Lokaljournalismus          Junge und erfahrene Journalisten      Technische Koordination: Frank Knoll
nen punkten wollen.      Seite 10     wurde kräftig getwittert. Seite 21    wagen einen Ausblick.    Seite 32     Titelgestaltung: Verena Hasken
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
04 PERSPEKTIVEN                                                                                                                Forum Lokaljournalismus 2010

                                                Mut im medialen Umbruch
            bpb-Präsident Thomas Krüger über neue Herausforderungen im Lokaljournalismus und den Dialog mit dem Nutzer
Die Bundeszentrale für politi-                                                                                             Orientierung geopfert werden. Da-
                                                                                                                           her hängt bei diesen Umstrukturie-
sche Bildung/bpb hat seit                                                                                                  rungen sehr viel davon ab, ob das
                                                                                                                           unternehmerische Ethos im Be-
mehr als 30 Jahren ein Lo-                                                                                                 reich der Lokalzeitungen Quali-
kaljournalistenprogramm. Ihr                                                                                               tätsstandards setzt. Ohne professi-
                                                                                                                           onellen Journalismus berauben
Präsident Thomas Krüger                                                                                                    sich Zeitungen selbst ihrer wich-
                                                                                                                           tigsten Grundlage, wegen derer sie
spricht über die neuen An-                                                                                                 – noch – gekauft werden. Es geht
                                                                                                                           darum, eine tragfähige Strategie zu
forderungen in der Branche.                                                                                                entwickeln, wie seriöse Berichter-
                                                                                                                           stattung überleben kann, wie jour-
                                                                                                                           nalistische Traditionsmarken ihre
  Hat das Programm nach so lan-                                                                                            Stärken monetarisieren können.
  ger Zeit noch seine Berechtigung?                                                                                        Vielleicht wird Zeitung dadurch
In jedem Fall. Die Berechtigung für                                                                                        teurer, auch für den Rezipienten.
Lokalzeitungen hat ihre Aktualität                                                                                         Aber man darf ruhig mal diskutie-
überhaupt nicht verloren: Über die                                                                                         ren, ob die Lokalzeitung weniger
lokale Entscheidungsfindung zu in-                                                                                         kosten muss als die Tasse Kaffee,
formieren und sie zu kommentie-                                                                                            die man dazu trinkt.
ren ist nach wie vor eine der wich-
tigsten Aufgaben der Lokalzeitung.                                                                                           Bietet die aktuelle Situation im
                                                                                                                             Lokaljournalismus die Chance,
  Aber müsste man heute nicht                                                                                                künftig vermehrt die Leser von
  auch Blogger fördern?                                                                                                      morgen zu erreichen?
Da ist was dran. Gerade den digita-                                                                                        Viele Zeitungen investieren sehr
len Bereich haben manche Lokal-                                                                                            viel in Kinder- und Jugendseiten.
zeitungen vernachlässigt. Heute                                                                                            Sie tun das nicht ohne Grund. Zum
funktioniert eine Zeitung nicht                                                                                            einen muss ich den Kunden von
mehr monomedial, sondern immer                                                                       „Man darf disku-      morgen gewinnen, zum anderen
multimedial, weil viele Leser der                                                                    tieren, ob die        sind gerade junge Rezipienten die-
klassischen Lokalzeitung mittler-                                                                    Zeitung weniger       jenigen, die die Entwicklung zu
                                                                                                     kosten muss als       crossmedialen öffentlichen Räu-
                                                                                                     die Tasse Kaffee,
  »Lokalzeitung                                                                                      die man dazu
                                                                                                                           men anfeuern, weil sie selber als
                                                                                                                           Akteure auf den Plan treten, weil sie
 muss crossmediale                                                                                   trinkt” – Thomas      intervenieren, kommentieren, dis-
 Marke entwickeln«                                                                                   Krüger, Präsi-
                                                                                                     dent der Bundes-
                                                                                                                           kutieren.
                                                                                                                             Und genau das ist die Riesen-
weile crossmedial agieren. Insofern                                                                  zentrale für poli-    chance der Lokalzeitung: mit dem
muss sich jede Lokalzeitung heute                                                                    tische Bildung.       Vorsprung von Glaubwürdigkeit zu
umso mehr zu einer lokalen und                                                                       Foto: bpb             ermöglichen, dass all jene, die be-
gleichzeitig crossmedialen Marke                                                                                           reit sind, sich aktiv in die Debatte
weiterentwickeln, die den Dialog                                                                                           einzumischen, auch ihren Raum
mit dem Nutzer ins Zentrum rückt.         Gerade sie. Im Lokalen radikali-       passgenauen Lösungen, wie man             bekommen.
So gesehen haben Blogger und hat          siert sich sogar der journalistische   die Qualität, die die gedruckte Zei-
freie Kommunikation ihren Platz           Job. Schnell kann man als Nestbe-      tung mit sich bringt – präzise, reflek-   Das Interview führten
auch in den lokalen Medien.               schmutzer oder Meckerer daste-         tiert und glaubwürdig zu sein – in        Petra Bäumer und Robert Reick
                                          hen, nur weil man versucht, präzise    neue Formen gießt. Für die Zukunft
  Manche Leute sehen in der In-           auszuloten, welche Interessen hin-     der Lokalzeitung würde ich mir
  teraktivität der neuen Medien           ter einer Entscheidung stecken. Es     noch mehr Risikobereitschaft wün-
  auch neue Möglichkeiten für den         geht darum, die lokale Politik zu      schen.                                      Zur Person
  Qualitätsjournalismus. Sehen Sie        begleiten. Und dabei darf man sich
  in diesem Zusammenhang Per-             bitteschön auch kritisch äußern.         Die privatwirtschaftlichen Medi-           Thomas Krüger gehörte
  spektiven für die politische Bildung?                                            enunternehmen erleben seit eini-            1989 zu den Gründungs-
Ja, in dieser Hinsicht sind sich Jour-      Wie mutig finden Sie den Lokal-        gen Jahren einen Umbruch mit                mitgliedern der SDP und
nalismus und politische Bildung             journalismus: Hält er zu sehr am       Folgen wie knapperen Zeiten für             war Mitglied der ersten
sehr ähnlich. Politische Entschei-          Printprodukt fest, statt neue Ge-      Recherche oder häufigen Über-               demokratisch gewählten
dungsprozesse legitimieren sich ja          schäftsmodelle zu suchen?              nahmen von Inhalten. Wird die-              Volkskammer in der DDR.
dadurch, dass Bürgerinnen und             Mit dem Mut, Pluralität herzustel-       ser Prozess aufmerksam genug                Nach dem Mauerfall über-
Bürger daran teilhaben und sie mit-       len, verhält es sich im Lokaljourna-     von Politik und Gesellschaft be-            nahm er das Amt des ers-
tragen. Und das geht eben nicht als       lismus wie überall in der Gesell-        gleitet?                                    ten Stellvertreters des
Einbahnstraße. Wir versuchen das          schaft ambivalent. Das hängt mit       Ich glaube, dass die Politik dem              Oberbürgermeisters Ost-
in der politischen Bildung umzuset-       den Kräfteverhältnissen von Lokal-     Thema noch nicht ausreichend                  Berlins, das er von 1990
zen – und Medien tun das natürlich        zeitung, Journalisten und lokalen      Aufmerksamkeit entgegen bringt.               bis 1991 inne hatte.
auch. Schon im Rundfunkaufsatz            Politikern zusammen. Zudem muss        Es geht der Politik um die Organisa-         Von 1991 bis 1994 war
von Bertolt Brecht aus den 30er           man sich mit wirtschaftlichen          tion von Pluralität im demokrati-             er Senator für Jugend
Jahren steht: Die Vision des Rund-        Zwängen auseinandersetzen: Es          schen Sinn. Dazu gehört auch aus-             und Familie in Berlin und
funks ist dann erfüllt, wenn der          gibt deutlich weniger Geld zu ver-     reichend Spielraum für Medienun-              in den folgenden vier Jah-
Empfänger selber Sender wird. Und         dienen als früher. Das heißt: Die      ternehmen. Gleichzeitig sollte man            ren Mitglied des Deut-
das haben wir doch heute mit dem          Lokalzeitung als klassische Print-     sich nicht ökonomischen Entwick-              schen Bundestages.
Internet erreicht.                        marke behält ihre Wirkung weiter-      lungen unterwerfen, sondern sie              Seit Juli 2000 ist Thomas
                                          hin – sie wird sich aber immer weni-   entsprechend kritisch und offensiv            Krüger Präsident der Bun-
  Beim Journalismus ist oft von           ger darauf beschränken können.         begleiten. Qualitätsstandards dür-            deszentrale für politische
  Courage die Rede. Müssen Lo-            Was die neuen Geschäftsmodelle         fen nicht auf dem Altar billiger Ver-         Bildung.
  kaljournalisten mutig sein?             betrifft, so gibt es hier noch keine   schlankung und reiner Rendite-
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
Forum Lokaljournalismus 2010                                                                                         GRUSSWORTE                         05

                                                                                                                      Alle Foren
                                                                                                                      auf einen Blick
                                                                                                                       1993: „Ein Forum im Verbundsystem”
                                                                                                                       oder „Ein Marktplatz für den Austausch
                                                                                                                       unter Lokaljournalisten", 13. bis 15. Ja-
                                                                                                                       nuar in Mainz

                                  „Lokalzeitung ist
                                                                                                                       1994: Wahlen, 19. bis 21. Januar in
                                                                                                                       Freising
                                                                                                                       1995: Geschichte 1945 – 50 Jahre
                                                                                                                       danach, 25. bis 27. Januar in Bad

                                    auch weiterhin
                                                                                                                       Urach
                                                                                                                       1996: Voneinander lernen – Journa-
                                                                                                                       lismus in Ost und West, 24. bis 26.
                                                                                                                       Januar in Schmochtitz

                                    unverzichtbar”
                                                                                                                       1997: Jeden Tag aufs Neue: die Qua-
                                                                                                                       litätszeitung, 29. bis 31. Januar in
                                                                                                                       Bergisch Gladbach
                                                                                                                       1998: Politikberichterstattung im Lo-
                                                                                                                       kalen, 28. bis 30. Januar in Augsburg
                                  Grußwort von NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers                               1999: Mehr Bürger- und mehr Leser-
                                                                                                                       nähe, 27. bis 29. Januar in Passau
                               Zum Auftakt des 18. Forums                                                              2000: Modelle für Morgen – 25 Jahre
                                                                                                                       Lokaljournalistenprogramm, 26. bis 28.
                               Lokaljournalismus bezog                                                                 Januar in Berlin
                                                                                                                       2001: Lebenslänglich für den Kopf –
                               NRW-Ministerpräsident Jür-                                                              weiter denken, weiter bilden. Lokaljour-
                                                                                                                       nalisten und ihre Zukunft, 24. bis 26.
                               gen Rüttgers Stellung                                                                   Januar in München

                               zum Thema Lokaljournalis-                                                               2002: Machthaber und Meinungsma-
                                                                                                                       cher – Wer bringt die Demokratie vo-
                                                                                                                       ran? 23. bis 25. Januar in Essen
                               mus.
                                                                                                                       2003: Schlechte Zeiten, gute Zeiten –
                               „Die Zeitungsbranche befindet sich                                                      Konzepte für Redaktionen in der Krise,
                                                                                                                       22. bis 24. Januar in Freiburg
                               im Wandel. Eine regionale Zeitung
                               ist heute im besten Falle schon ein                                                     2004: Suchst du noch oder liest du
                               Medienhaus. Es zeigt alles, was es                                                      schon? 21. bis 23. Januar in Leipzig
                               zu bieten hat. Und zeigt gleichzei-
                                                                                                                       2005: Zukunft der Vergangenheit. Wie
                               tig, worauf es immer angewiesen                                                         Geschichte in der Tageszeitung leben-
                               bleibt: auf guten Journalismus”, ist    Jürgen Rüttgers hob die Bedeutung des           dig wird, 26. bis 28. Januar in Bre-
                               Rüttgers überzeugt. Die Bevölke-        Lokaljournalismus hervor. Foto: J. Studnar      merhaven
                               rung wolle wissen, was in ihrer Ge-                                                     2006: Qualität ist das beste Rezept.
                               meinde passiere. „Die wichtigste        giger Journalismus sei einer der                Die stille Revolution oder Konzepte,
                               Informationsquelle ist und bleibt       wichtigsten Garanten für die Zu-                Strategien und Best-Practice-Beispiele
                               die Lokalzeitung”, so der Minister-     kunft der Zeitung. „Was kann die                für erfolgreiche Medienmacher, 25. bis
                                                                                                                       27. Januar 2006 in Pforzheim
                               präsident. Denn: „Im Lokalen ist        Politik tun?”, fragt er und antwortet
                               der Journalismus unmittelbar. Hier      selbst: „Wir wollen Vielfalt und                2007: Die Macht des Lokalen – Zwi-
                               kommt er den Bürgern am nächs-          Qualität sichern.”                              schen Quote und Qualität. Internationa-
                               ten.” Rüttgers beschreibt die schwe-       Zwar sei es nicht Aufgabe des                le Konzepte für die crossmediale Zu-
                                                                                                                       kunft der Tageszeitung, 17. bis 19. Ja-
                               re Situation für Lokaljournalisten      Staates, neue und erfolgverspre-                nuar 2007 in Osnabrück
                               in wirtschaftlich schwierigen Zei-      chende Geschäftsmodelle zu schaf-
                               ten mit fehlenden Geschäftsmodel-       fen, die die Talfahrt der Tageszei-             2008: Lesen, Hören, Sehen – Die Zu-
                                                                                                                       kunft des Lokaljournalismus ist cross-
                               len und Entlassungen in Redaktio-       tung beenden können. Politik kön-               medial, 23. bis 25. Januar 2008 in
                               nen und Verlagen. Er ist aber über-     ne aber beim Lösen des Problems                 Konstanz
                               zeugt, dass die Lokalzeitung unver-     helfend zur Seite stehen, indem sie
                               zichtbar ist. „76 Prozent aller Bür-    Bedingungen schafft, neue Ge-
                                                                                                                       2009: Zeitung macht Zukunft – Print x
                                                                                                                       Online = Qualität2, 21. bis 23. Januar
                               ger lesen eine Lokalzeitung”. Und       schäftsmodelle zu ermöglichen.                  2009 in Schwerin
                               er fordert: „Der Lokaljournalismus      „Wir werden sehen, welche Ideen
                               braucht mehr Anerkennung.”              sich als lukrativ erweisen. Wir ha-             2010: Mutig, Multimedial, meinungs-
                                                                                                                       bildend. Keine Demokratie ohne die lo-
                                  Jürgen Rüttgers spricht sich vehe-   ben uns vorgenommen, den Erfin-                 kale Tageszeitung, 27. bis 29. Januar
                               ment gegen eine Staatsfinanzierung      dergeist der Medien zu unterstüt-               2010 in Dortmund
                               von Tageszeitungen aus. Unabhän-        zen”, so Rüttgers.

                                      Kein Arbeitstag ohne Lokalzeitung
                                               „Turmherr” Knut Zschiedrich stärkte in seiner Rede den Wert der lokalen Presse

                               G    anz oben, in der 21. Etage des
                                    RWE-Towers, mit schönem
                               Blick über Dortmund, begrüßte
                                                                       tende Redakteure sowie Gäste aus
                                                                       Politik und Wissenschaft, die aus
                                                                       ganz Deutschland zum Forum an-
                               Knut Zschiedrich die Gäste des Fo-      gereist waren.
                               rums Lokaljournalismus 2010.              Knut Zschiedrich betonte in sei-
                                 Der Vorstandsvorsitzende der          ner Begrüßungsrede unter ande-
                               RWE-Vertriebsgesellschaft war der       rem die Bedeutung der lokalen Me-
                               Gastgeber – Turmherr, wie er sich       dien für die Wirtschaft und den
                               schmunzelnd selbstbezeichnete –         Konzern. Er beginne keinen Ar-               Knut Zschiedrich begrüßte die Gäste
                               für rund 150 Chefredakteure, lei-       beitstag ohne Lokalzeitung.                  des 18. Forums.     Foto: Jakob Studnar
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
06 PERSPEKTIVEN                                                                Forum Lokaljournalismus 2010

               Marktplatz
          der Demokratie
       WAZ-Chef Bodo Hombach über den Lokaljournalismus
In seiner Eröffnungsrede                tägliche, kurze und lebenswichtige
                                        Moment der Freiheit. Und unter-
zum 18. Forum Lokaljourna-              haltsam war es auch.
lismus beschreibt Bodo                     Der alltägliche Gang zum Brun-
                                        nen war Ort und Anlass der alltägli-
Hombach, Geschäftsführer                chen Kommunikation. Die hat be-
                                        kanntlich ihre eigene Peristaltik.
der WAZ Mediengruppe, die               Gestaute Nachrichten blähen sich
                                        auf und vergiften die Luft. Wer über
Symbiose von Lokaljournalis-            die Dinge mit anderen reden kann,
                                        hat sie schon fast im Griff. (…)
mus und lebendiger Demo-                   Und was ist mit der Linde? Auch
kratie. Wir dokumentieren               sie war Meetingpoint des Dorfes.
                                        Der Baum spendete Schatten, er
die Rede in Auszügen:                   wurde zum beschützenden Blätter-
                                        dach und erreichte oft ein hohes
                                        Alter. Hier versammelten sich eher
„Am Brunnen vor dem Tore, da            die Männer zum Palaver. Hier wur-
steht ein Lindenbaum” – Keine Sor-      den Geschäfte getätigt, Töchter und
ge! Ich werde jetzt nicht den un-       Söhne verkuppelt, Felder zusam-
glücklich verliebten Romantiker         mengelegt und natürlich das Auf
nachsummen, den Franz Schubert          und Ab der weiten Welt diskutiert,
so trefflich in Töne setzte. Mich in-   kommentiert und einsortiert. Am
teressieren ganz sachlich zwei Din-     Wochenende wurde hier manch-
ge: Der Brunnen und der Linden-         mal getanzt und gesungen.
baum als Ausdruck für Sammel-              „Wann kommt er nun endlich
platz, Marktplatz, Platz des Mei-       zum Lokaljournalismus und dessen
nungsaustausches und der Mei-           Symbiose mit der Demokratie?”
nungsbildung. Das wissen nämlich
die Sozialhistoriker: Brunnen wa-
ren schon immer die wichtigsten
                                            »Das Interesse
Treffpunkte. Zunächst aus einem             richtet sich vor
ganz elementaren Grund: Dort gab          allem aufs Lokale«
es sauberes Wasser, und das war die
Lebensader der Siedlungsgemein-         fragen Sie sich nun. Ich bin längst
schaft. Und da das Waschen und          schon dabei. Die Lokalzeitung hat
Kochen Sache der Frauen war, war        in der größeren und komplexeren
der Brunnen ihr ganz eigener Treff-     Gesellschaft der Gegenwart auch
punkt. Dort waren sie unter sich,       die Funktion, die weiland Brunnen
tauschten Leid und Freud, erzähl-       und Lindenbaum hatten. Und das
ten und tratschten. Es ging um          umso mehr, da es für uns kaum
Ängste und Hoffnungen. Es ging          noch Linden und Brunnen – also
um Moden, Spleens und das „Wer-         Versammlungsplätze – gibt. Sie
mit-wem,-wenn-nicht,-warum?”.           macht aus Menschen Leute und
   Man erfuhr das Nötige und –          versammelt sie an einem vertrauten
spannender noch – das Unnötige.         Platz. Sie verdichtet den Meinungs-
Große Ereignisse wurden erörtert        austausch und transportiert die
und auf ihre Bedeutsamkeit abge-        Neuigkeiten der nahen Umgebung,
klopft, kleine rasch abgehandelt        und diese ist der Raum, in dem sich
oder wichtig gemacht. Es war der        der größte Teil des Lebens abspielt.
                                        (…)                                                 „Die Lokalzei-
                                           Außenpolitik ist Weltinnenpoli-                  tung hat in der
                                        tik, aber Europa oder die UNO sind                  größeren und
                                        fern, abstrakt und unübersichtlich.                 komplexeren
                                        Das gesellschaftliche und damit po-                 Gesellschaft
                                        litische Interesse der meisten Leute                der Gegenwart
                                        richtet sich wieder vor allem auf                   auch die Funk-
                                        den regionalen und lokalen Be-                      tion, die wei-
                                        reich. Dort verbringt man den größ-                 land Brunnen
                                        ten Teil seines Lebens. Man kennt                   und Linden-
                                        die Traditionen, man versteht die                   baum hatten.
                                        Witze, man kocht nach den ver-                      Sie macht aus
                                        trauten Rezepten. Was „die da in                    Menschen Leu-
                                        Brüssel” treiben, treibt nur die we-                te und versam-
                                        nigsten um.                                         melt sie an ei-
                                           (Ich wette: Noch nicht 1 Prozent                 nem vertrauten
                                        der Deutschen hat den Lissabonner                   Platz”, sagt Bo-
                                        Vertrag gelesen.) Wichtig sind aber                 do Hombach,
                                        die geplante Umgehungsstraße, die                   Geschäftsführer
Im RWE-Tower verfolgten die Teil-       gefällten Pappeln in der Parkallee,                 der WAZ Medi-
nehmer des Forums Lokaljourna-          der Krieg am Gartenzaun und die                     engruppe.
lismus Bodo Hombachs Rede.              Wartezeit im Einwohnermeldeamt.                     Fotos: J. Studnar
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
Forum Lokaljournalismus 2010                                                                                           PERSPEKTIVEN                07
Wichtig ist der korrupte Bürger-
meister oder der sichere Schulweg.
Wichtig sind die Todesanzeigen,
weil sie einen für heute verschont
haben. (…)
  Was so wichtig ist, so konstitutiv
für das Lebens- und Wohlgefühl der
Leute, ist kostbar. Man muss es
pflegen, schützen und entwickeln.
Man darf es nicht vergeuden oder
aufs Spiel setzen. Es ermöglicht ei-
ne ganz elementare Form von Teil-
habe und ist damit Voraussetzung
und Grundlage der Demokratie.
Diese ist die bisher intelligenteste     Journalismus
Methode, Macht zu legitimieren            werde im lo-
und ihre gefährlichen Neigungen in     kalen Bereich
relativ unschädlichen Grenzen zu       nicht etwa ge-
halten. Wer politische Machtaus-       ringfügig oder
übung durch andere hinzunehmen            gar entbehr-
hat, soll die Entscheidungsträger          lich. Er sei
selbst gewählt haben, und zwar auf     hier wichtiger
Widerruf, so dass er einen Irrtum         denn je, be-
nach vier oder fünf Jahren korrigie-        tont Bodo
ren kann. Der Machtwechsel ist ein          Hombach.
ganz normaler Vorgang. Die De-         Fotos: J. Studnar
mokratie ist unaufgeregt und glanz-
los, aber sie erhöht die Lebenser-     fassung das Papier nicht wert ist,     des einzelnen Bürgers und gleich-        daneben greifen und krächzende
wartung. (…)                           auf dem sie steht.                     gesinnter Gruppen. (...) Aufgabe         Töne produzieren. Schlecht re-
  Teilhabe und Mitwirkung sind           Ein zweiter Grund: Die moderne       der Presse und eines wohlverstan-        cherchierte Berichte vernebeln, an-
nicht möglich ohne die Einübung        Gesellschaft ist ein hochkomplexes     denen Journalismus ist es, die Kom-      statt aufzuklären. Miserabel formu-
demokratischer Techniken. Sie er-      Gebilde. Zahlreiche Systeme aus        plexität der Probleme und Prozesse       lierte Artikel verbarrikadieren den
                                       unzählbaren Fakten und Faktoren        zu verringern, nicht in schreckli-       Zugang zu ihrem Inhalt, und lang-
    »Kontrolle der                     vernetzen sich zu einer Gleichung
                                       mit verwirrend vielen Unbekann-
                                                                              cher Vereinfachung, sondern mit
                                                                              der Gabe der Unterscheidung des
                                                                                                                       weilige Geschwätzigkeit stiehlt
                                                                                                                       kostbare Lebenszeit. Nicht nur der
     Macht ist die                     ten. Das Gespräch am Brunnen           Wesentlichen vom Unwesentli-             demokratische Bürger, sondern
  zentrale Aufgabe«                    oder unter der Linde reicht bei wei-   chen. (...) Eine Zeitung, der es nicht   ebenso der Journalist bedarf gewis-
                                       tem nicht mehr aus, einen adäqua-      gelingt, im Lokalteil mitvollziehbar     ser Fähigkeiten, Fertigkeiten und
möglichen Kommunikation, eine          ten Überblick, geschweige denn         und hilfreich zu berichten, darf sich    der Bereitschaft, sie einzusetzen.
Kultur des Streitens und der Ver-      Durchblick zu finden. Dies ist aber    nicht wundern, wenn man ihr auch         Ein Journalismus, der nicht dient,
ständigung. Sie artikulieren politi-   in der Demokratie die Vorausset-       auf Seite 1 nicht mehr traut.            dient zu nichts. Übrigens: Der Lo-
sche Ziele, organisieren Mehrhei-      zung für Teilhabe und Mitwirkung          Und der dritte Grund: Presse und      kaljournalist hat einen Beruf mit
ten und Koalitionen und machen                                                Journalismus haben die öffentlich-       Zukunft. Er hat ein Alleinstellungs-
aus Programmen, auch Parteipro-                                               rechtliche Aufgabe (auch wenn sie
grammen, politische Realität. (…)
Muss ich noch betonen, dass Jour-
                                                                              sich kommerziell organisieren), das
                                                                              Selbstgespräch der Gesellschaft
                                                                                                                            »Qualität hängt
nalismus und Presse bei alledem ei-                                           umfassend zu ermöglichen und zu               vom einzelnen
ne wesentliche Rolle spielen? Drei                                            befeuern. Das bedeutet: Sie müssen              Spieler ab«
Gründe sollen mir hier genügen,                                               vor allem auch denjenigen eine
und sie sind so selbstverständlich,                                           Stimme geben, die sich aus eigener       merkmal, das ihm in der gegenwär-
dass es sich fast um Gemeinplätze                                             Kraft nicht artikulieren können. Sie     tigen Umbruchsphase der Medien-
handelt. Handeln würde, wenn sie                                              müssen Ideen ans Licht verhelfen,        welt gute Chancen verspricht. (…)
denn schon überall verwirklicht        Ressortleiter und Chefredakteure der   die noch zu neu sind, um schon              Im scharfen und kalten Wind der
wären:                                 Regionalzeitungen wollen das Lokale    nicht mehr verlacht oder be-             Globalisierung streben viele nach
   Zentrale Aufgabe von Presse und     weiter stärken.                        schimpft zu werden. Sie müssen die       stärkerer Verwurzelung und Bin-
Journalismus ist die Kontrolle der                                            kalten Lötstellen und Brachen der        dung in ihrer Nahwelt. Aber eine
Macht. Sie ist dem einzelnen Bür-                                             Gesellschaft ausfindig machen und        reale Entsprechung in Kompetenz-
ger nicht oder nur in begrenztem         Zur Person                           wiederbeleben. Damit korrespon-          zuweisung und politischer Struktur
Umfang möglich. Er verfügt häufig                                             diert auch ihre Aufgabe, das Ver-        hat das nicht. Im Gegenteil: Kom-
nicht über die Mittel, in die Verlo-       Bodo Hombach war ab               trocknete, Muffige und Überlebte         munen und Regionen werden tat-
gen- und Verlegenheitszonen der             1990 acht Jahre SPD-              zu entsorgen und ins allgemeine          sächlich politisch und finanziell
sogenannten „Eliten” hineinzu-              Landtagsabgeordneter in           Vergessen zu schreddern. Und wie-        entkernt. Die Lokalzeitung hat
leuchten, die Teppiche zu lüften            NRW und 1998 Minister             derum können das nur Journalis-          auch hier eine Mission. Sie berich-
und die Leichen in den Kellern auf-         für Wirtschaft und Mit-           ten, die sich in täglicher Übung da-     tet das Lokale, aber sie muss auch
zuspüren. Er hat auch nicht das             telstand, Technologie und         für sensibilisieren. Und wiederum        sein Fürsprecher sein. Sie muss die
„Backing”, um die damit verbunde-           Verkehr. Danach leitete           ist die lokale Sphäre dafür der rich-    regionale und kommunale Selbst-
nen Konflikte durchzustehen. Er             er bis 1999 als Chef das          tige und ergiebige Ort. (...) Wo ver-    ständigkeit, Gestaltungskraft pro-
bedarf also der Kompetenz, der Be-          Bundeskanzleramt. Bis             lässliche Lokalberichte schwinden,       pagieren. Und mehr. Sie sollte auch
harrlichkeit und der Unbestech-             2001 war er Sonderkoor-           überlassen sie den Gerüchten das         stärker als zuvor dabei sein, wenn
lichkeit professioneller Journalis-         dinator des Stabilitäts-          Feld, und dann entsteht nicht Ge-        es gilt, das kommunale und regio-
ten. Er bedarf ebenso der Existenz          pakts für Südosteuropa.           staltung, sondern zerfallene Masse.      nale Ereignis zu organisieren, Platt-
von Medienunternehmen, die ihre            Als Geschäftsführer leite-           Dies alles – Sie ahnen es längst –    form, Forum und Treffpunkt sein.
Verantwortung ernst nehmen, ihre            te er von 1991 bis 1998           ist nicht allein eine Frage des Woll-       Hans Fallada sagte einmal: „Das
Mitarbeiter     qualifizieren   und         die Preussag (Salzgitter)         ens, sondern vor allem auch eine         schweinischste Handwerk auf der
mächtigen Pressuregroups stand-             Handel GmbH und die               des Könnens. Journalismus, ob im         Welt: Lokalredakteur sein in der
halten können. Dieser Job wird im           Preussag (Salzgitter) In-         Lokal- oder Mantelteil, ist zunächst     Provinz.” – Ich bin überzeugt: Er
lokalen Bereich nicht etwa gering-          ternational GmbH in Düs-          nur ein Instrument. Vom Spieler          hat sich geirrt. Wenn nicht, Sie und
fügig oder gar entbehrlich. Er ist          seldorf.                          hängt es ab, welche Stücke er spielt     ich können das ändern.
hier wichtiger denn je. Hier näm-          Seit 2002 ist Bodo Hom-           und wie sie klingen. Wer seine Etü-
lich, in der unmittelbaren Erlebnis-        bach Geschäftsführer der          den geübt hat und vielleicht sogar
sphäre der Leute, entscheidet sich,         Essener WAZ Medien-               kreativen Schwung in den Fingern               Die komplette Rede
ob sie den gewählten Institutionen
vertrauen können oder ob die Ver-
                                            gruppe.                           hat, bringt ein tolles Konzert zu-
                                                                              stande. Der eitle Dilettant wird nur      @    finden Sie im Internet auf
                                                                                                                             www.waz-mediengruppe.de
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
08 PERSPEKTIVEN                                                                                                                   Forum Lokaljournalismus 2010

                                                      Lanze für den Newsroom
                  Multiplattform, Workflow und Integration. Und das alles in einem Raum – Sarah Schantin-Williams erklärt wie
Integration statt Scheuklap-
pen-Denken: Ein Grundprob-
lem von Redaktionen ist die
Aufteilung der Ressorts, die
in der täglichen Produktion
aneinander vorbeiarbeiten.
                                                                                                                              Medienexpertin Sa-
Laut Sarah Schantin-Williams                                                                                                  rah Schantin-Wil-
                                                                                                                              liams schlägt moder-
bringt der Newsroom Abhilfe.                                                                                                  ne Newsrooms vor,
                                                                                                                              um Synergieeffekte
Bislang sind in den meisten Zei-                                                                                              in den Redaktio-
tungsredaktionen nicht nur die                                                                                                nen von Tageszei-
Aufgabengebiete klar aufgeteilt,                                                                                              tungen zu erzeu-
sondern auch die Arbeitsplätze. Je-                                                                                           gen. Fotos: J. Studnar
dem Ressort sein eigenes Büro.
Räumliche Trennung führt dabei je-
doch leicht auch zu geistiger, nach
dem Motto: „Was hat die Wirt-
schaft mit der Kultur zu tun?” So
gehen Synergieeffekte verloren.
Die Lösung sollen moderne News-
desks und Newsrooms sein, in de-
nen transparent, ressort- und medi-
enübergreifend gearbeitet wird. Sa-
rah Schantin-Williams, „Associate
Consultant WAN-IFRA”, und „n-           indem sie Arbeitsabläufe und                 schaft gelangen, ohne die Ressour-       vertreten – besonders in sehr großen
able consulting”, Österreich, berät     Strukturen neu ausrichten, um die            cen der Redaktion übermäßig zu           Organisationen, die meist Tisch an
Zeitungshäuser in Großbritannien,       Koordination zu verbessern. Jour-            beanspruchen.                            Tisch strukturiert sind. In kleineren
Europa und Kanada bei der Um-           nalisten und der Content Desk ha-                                                     Newsrooms besteht eine Tendenz
strukturierung der Redaktionen.         ben mehr Einfluss auf die Präsenta-            Wie schätzen Sie das Prinzip           zum horizontalen Journalismus –
Ein Gespräch über die Chancen des       tion ihrer Artikel. Gleichzeitig ha-           „Online first” ein?                    also ein Thema auf allen Kanälen zu
Wandels, die Umsetzung im Loka-         ben Print- und Online-Produktion             Gut, wenn das Thema die Leser in-        spielen, um die Ressourcen effektiv
len und halbherzige Kompromisse.        mehr Gespür für die Geschichte               teressiert und auch zur Art des In-      zu nutzen. Jeder Newsroom arbei-
                                        und die beste Art der Darstellung.           halts und des jeweiligen Titels passt.   tet unterschiedlich, daher gibt es
                                                                                     Die Entscheidung „Online first”          nicht den einen idealen Mix.
  Wie definieren Sie den News-            Ist der integrierende Newsroom             sollte aber kein genereller An-
  room der Zukunft?                       auch ein Konzept für den Lokal-            spruch sein, sondern bei jeder Story       Welche Probleme können bei der
Im integrierenden Newsroom soll-          journalismus?                              neu getroffen werden.                      Restrukturierung von Zeitungen
ten alle Ressorts Seite an Seite ar-    Integration hat in vielen Lokalre-                                                      entstehen?
beiten und eine Vielfalt an Produk-     daktionen funktioniert, da sie die             Was ist der ideale Mix aus hori-       Eins der Hauptprobleme entsteht
ten und Diensten über mehrere Ka-       Kontrolle wieder an die Journalis-             zontalem (ein Thema, alle Kanä-        durch Mitarbeiter, die sich gegen
näle kreieren, die die Bedürfnisse      ten und Deskleiter dort zurückgibt.            le) und vertikalem (ein Kanal, al-     diesen Wandel sträuben – meist als
ihrer speziellen Leserschaft abde-      So können sie entscheiden, wie ihre            le Themen) Journalismus?               eine Folge von mangelndem strate-
cken. Genau das sollte das Ziel         Geschichte auf mehreren Kanälen              Beide Modelle können sehr erfolg-        gischen Denken und Planen von
sein: Rezipient, Titel und Content      erzählt werden soll. Der Lokaljour-          reich sein. In einigen Fällen sind       Beginn an – sowie schwachem
bewusst ins Zentrum der täglichen       nalist hat einen starken Bezug zu            beide Ansätze in einem Newsroom          Change Management während der
Entscheidungen und langfristigen        seiner Kommune. Mit der richtigen                                                     Einführung. Das ist ein Symptom
Planungen zu rücken.                    Technik und Ausbildung sowie ef-                                                      eines größeren Problems innerhalb
                                        fektiven Strukturen und Routine
                                                                                            Mehr Infos im Internet
                                                                                                                              dieser Branche. Einige der ernsten
  Was ist der Vorteil eines moder-
  nen Newsrooms im Vergleich zu
                                        kann dieser Inhalt auf dem best-
                                        möglichen Weg zur lokalen Leser-
                                                                                      @     www.drehscheibe.org/
                                                                                            weblog/dortmund2010/
                                                                                                                              Probleme betreffen das Senior Ma-
                                                                                                                              nagement. So ein Wandel erfordert,
  traditionellen Redaktionen?                                                                                                 dass über einen längeren Zeitraum
Redaktionen arbeiten weiterhin in                                                                                             genau überprüft werden sollte, ob
ihren Ressorts mit nur wenig Kom-                                                                                             die Bedürfnisse der Leser getroffen
munikation und Koordination zwi-                                                                                              werden oder nicht. Tun sie es nicht,
schen den Desks, während die Ge-                                                                                              müssen die Verantwortlichen ak-
schichten entstehen. Das ist vor al-                                                                                          zeptieren, dass ein Problem besteht
lem ein Problem in Redaktionen, in                                                                                            – und effektive Entscheidungen
denen Content-Desk, Print-Pro-                                                                                                treffen. Sie sollten investieren und
duktion und Online-Desk isoliert                                                                                              so das Geschäft stärken, weiterent-
von einander arbeiten. Wenn Jour-                                                                                             wickeln und die Abläufe verbessern
nalisten dort kaum Kontakt mit den                                                                                            – allerdings ohne die Qualität zu
anderen Abteilungen haben, hat                                                                                                gefährden. Leider ist das noch im-
das zur Folge, dass sie nicht wissen,                                                                                         mer die Domäne einiger Weniger.
wie und wo ihre Geschichten prä-                                                                                              Viele Verleger reagieren nicht auf
sentiert werden. Fehler passieren,                                                                                            diese Herausforderungen. Einige
Chancen gehen verloren und die                                                                                                tun es halbherzig und verursachen
Qualität der Geschichte und ihrer                                                                                             so noch mehr Probleme.
Darstellung kann leiden. Modelle
integrierender Newsrooms versu-           Newsroom einer überregionalen Tageszeitung: Von hier aus verteilen die „Welt”-      Das Interview führten
chen diese Problematik zu lösen,          Redakteure Nachrichten auf mehrere Kanäle.             Foto: Axel Springer Verlag   Linda Fischer und Katja Gohsmann
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
Forum Lokaljournalismus 2010                                                                                                  PERSPEKTIVEN                   09
Das Konzept des lokalen
Newsdesk wurde beim Fo-
rum Lokaljournalismus heftig
                                                Lokales zentral
diskutiert. Dr. Wolfram Kiwit,                                             Newsdesks auf dem Vormarsch
Chefredakteur der Ruhr
Nachrichten, und Horst Sei-                                                                                                                           Dr. Wolfram
                                                                                                                                                      Kiwit, Chefre-
denfaden, Chefredakteur der                                                                                                                           dakteur der
                                                                                                                                                      Ruhr Nach-
Hessischen/Niedersächsi-                                                                                                                              richten in
                                                                                                                                                      Dortmund.
schen Allgemeinen, stellten
ihre Konzepte dem kriti-
                                                                                                                                                      Horst Seiden-
schen Publikum vor.                                                                                                                                   faden, Chef-
                                                                                                                                                      redakteur
                                                                                                                                                      der Hessi-
Über die Zukunft des lokalen News-                                                                                                                    schen/Nieder-
desks diskutierten Horst Seidenfa-                                                                                                                    sächsischen
den, Chefredakteur der Hessischen                                                                                                                     Allgemeinen.
/Niedersächsischen Allgemeinen                                                                                                                        Fotos: J. Studnar
(HNA) und Dr. Wolfram Kiwit,
Chefredakteur der Dortmunder
Ruhr Nachrichten (RN). Beide Zei-
tungen haben in den vergangenen
Jahren ihre Redaktionsstrukturen
umgebaut: Bei den Ruhr Nachrich-
ten traten lokale Reporter-Pools an                                                                                                  Oft gehörte
                                                                                                                                    Kritikpunkte
die Stelle weitgehend autonom ar-
beitender Lokalredaktionen. Ihre
Aufgabe ist es, Inhalte an den loka-
len Desk zu schicken. Bei der HNA                                                                                                Und dazu passende Antworten
dagegen ist die Online-Redaktion
der zentrale Knotenpunkt.                                                                                                       »Die wenigsten Lo-
                                                                                                                              kalredakteure wollen
   »Der Drang nach                                                                                                             entweder nur Editor
                                        Immer öfter greifen Verlagshäuser (hier die WR Lüdenscheid) auch im Lokalen auf
       Hause ist                        Newsdesks zurück. Sie wollen Synergien bündeln, neue Medien bedienen und               oder Reporter sein«
   erlernt und drin«                    nicht zuletzt die Qualität der Zeitung steigern.                 Foto: Guido Raith      Kiwit: „Wir haben mit Einführung des
                                                                                                                                  Desks klare Jobprofile ausgeschrie-
  Konkret bedeutet das etwa für die       Bei der HNA geht es dezentraler            alle Kanäle allein bedienen müss-         ben, auf die sich die Kollegen bewer-
RN: Ein Reporter besucht einen          zu: „Wie sind eine Zeitung in einem          ten, ändere nichts am modernen             ben konnten. Es kommt in der Regel
Termin, um dort zu fotografieren,       großen Flächenkreis, in der zwei             Berufsprofil, denn „jeder Redak-         gut an, wenn man den Leuten endlich
mit der Flip-Kamera zu filmen so-       Lokalausgaben erscheinen. Beide              teur, der bei einer lokalen Tageszei-       mal sagt, was man von ihnen will.”
wie Notizen in den Block zu schrei-     produzieren je 16 Seiten. Da reicht          tung arbeitet, muss Multimediare-
ben. „Wir müssen die Reporter da-
zu kriegen, mehr unterwegs zu sein.
                                        es, wenn die Redakteure uns die
                                        großen Themen mitteilen“, erklärt
                                                                                     dakteur sein“.                             »Desks ziehen Ar-
Das ist oft ein Problem, denn der       Horst Seidenfaden. Aber, ob Jour-            Zusammengefasst von                        beitskräfte aus den
Drang nach Hause, in die Redakti-       nalisten dem Desk zuarbeiten oder            Maike Rellecke und Linda Fischer          meist unterbesetzten
on, ist erlernt und drin”, so Kiwit.
Die Inhalte, die die Lokalen liefern,                                                                                           Lokalredaktionen«
„können natürlich nur eine gewisse                                                                                             Kiwit: „Wenn jede Redaktion für sich
Fertigungstiefe erreichen“. Den
Rest erledigten Editoren am Desk.
                                          Das Modell der Ruhr Nachrichten                                                         arbeitet, machen die nur Zeitung.
                                                                                                                              Aber das Verteilen der Inhalte kriegen
  „Der Reporter muss sich am En-                                                                                                sie nicht kanalaffin hin. Man MUSS
de nicht darum kümmern, ob sein                                                                                                    sie dafür an die Hand nehmen.”
Vorspann teaserfähig ist, ob noch
ein Bild mehr zum Online-Artikel
dazugestellt wird oder ein Hinweis
                                                                                                                               »Durch telefonische
auf Google-Maps“, erklärt Kiwit.                                                                                               Absprachen entsteht
Am Desk entscheide sich auch,                                                                                                 viel verbrannte Zeit«
welche Themen der sechs Lokalre-          Die Blattplanung von sechs Lokalre-       Ein Redakteur und ein Assistent be-         Ronald Pfaff, stellv. Regiodesk-Leiter
daktionen am nächsten Tag er-             daktionen wird zentral am Desk ge-        treuen jeweils eine Lokalredaktion. Sie    der Westfälischen Rundschau Lüden-
scheinen. Die Redakteure vor Ort          steuert. Die Redakteure vor Ort liefern   geben Themen vor und übernehmen           scheid: „Das tritt in der Anfangsphase
haben Mitspracherecht: „Wir wä-           die Themen zu. Fotos: Ruhr Nachrichten    u.a. Layout und Meldungen.                 auf und kann durch die Erstellung ei-
ren ja blöd, wenn wir nicht auf die                                                                                            nes Produktionsplans, den die Lokal-
Reporter hören, was gerade Stadt-                                                                                                  redaktion morgens zur Verfügung
gespräch ist“, betont Philipp Os-                                                                                                           stellt, reduziert werden.“
trop, Chef des RN-Desks. „Es ist ein
klassisches Reporter-Editoren-Mo-
dell. Die Editoren führen die Aus-
                                                                                                                                  »Die Kompetenzen
gabe, es gibt keine Lokalchefs                                                                                                       müssen bei den
mehr, sondern vor Ort Chefrepor-                                                                                                   Lokalen bleiben«
ter”, so Kiwit über das Modell. „Wir      Am Desk wird der Content für Print        Der Spätdienst hat alle sechs Lokalre-      Ronald Pfaff: „Die inhaltliche Kompe-
haben eine stärkere Kontrolle über        verarbeitet, für Online und andere Ka-    daktionen im Blick, übernimmt noch         tenz bleibt natürlich vor Ort. Im Zwei-
die Qualität. Die Lokalausgaben           näle aufbereitet. Die Lokalredakteure     offene Aufgaben und aktualisiert –         felsfall muss der Desk aber entschei-
sind vergleichbarer geworden. Wir         sind von diesen Aufgaben befreit.         wenn’s brennt – die Ausgaben.             den. Nur so kann eine flächendecken-
sind heute im Print besser.“                                                                                                       de Qualität gewährleistet werden.”
LOKALJOURNALISMUS DER BESSERE - FORUM LOKALJOURNALISMUS 2010 IN DORTMUND - BPB
10 JUNGE LESER                                                                                                                 Forum Lokaljournalismus 2010

Neue Zielgruppen zu erschließen: Die Mädchen
und Jungen von heute sind das Publikum von
morgen. Auch neue oder andere Wege der Kom-
munikation mit der Zielgruppe
sind denkbar.

Leserbeteiligung und Meinungs-
austausch mit den Leserinnen und              sie
Lesern werden bei der Braun-                  sich für etwas
schweiger Zeitung groß geschrie-              interessieren. „Es reicht
ben. Dabei gehen die Redakteurin-            aber nicht, nur die Zeitung in die
nen und Redakteure auf Augenhö-              Kitas zu liefern, sondern die Re-
he mit ihrem Publikum – auch mit             daktionen müssen sich Mühe mit
den kleinsten Lesern. Taki (Tages-           ihrem Publikum geben. Kinder
zeitung im Kindergarten) heißt ein           müssen auch in der Zeitung etwas
besonderes Projekt. „Das hat Stirn-          finden, was sie interessiert, wie                                                     Mit dem KinderEcho will
runzeln in der Redaktion und Ge-             zum Beispiel Kindernachrichten”,                                                      Chefredakteur Jörg Rie-
lächter in der Branche ausgelöst:            so Kläsener. Bei den regelmäßigen                                                     bartsch Kinder begeistern.
Was wollen Kinder, die nicht lesen           Kinderpressekonferenzen schlüp-
können, mit der Tageszeitung?”,              fen die Mädchen und                                                           schaftsEcho. „Wir haben – völlig
sagt Chefredakteur Stefan Kläse-             Jungen in die Rol-                                                            bekloppt – ein lokales Wirtschafts-
ner. Redaktionen würden unter-               le der Reporter                                 sere                          magazin auf den Markt gebracht,
schätzen, mit welcher Qualität Er-           und befragen                              Redakteure                          als alle anderen ihre Ausgaben zu-
ziehung in den Kitas stattfindet. Er-        Politiker.                             müssen sehr kritikfä-                  rückgefahren haben”, sagt der
zieherinnen und Kinder sind sehr                Die Interak-                        hig sein, wenn Leser über              Chefredakteur. Wer ein großes Ho-
kreativ im Umgang mit der Tages-             tion mit den                           ihre Texte meckern. Das ist ein        tel im Odenwald zur Hundepensi-
zeitung. Kinder lernen gerne, wenn           Lesern ist auch                        schwieriger Lernprozess”, so der       on umbaut, findet sich hier wieder.
                                             das Fundament                          Fachmann.                              „So entsteht eine Geschichte, von
                                             der „Bürgerzeitung”, für die die         Das KinderEcho setzt wie Taki        der man weiß, ohne dass es einer ins
                                             Braunschweiger Zeitung mit dem         bei den ganz Kleinen an: „Wir ver-     Facebook rein geschrieben hat.”
                                             Deutschen Lokaljournalistenpreis       suchen, das Medium Zeitung bei            Auch die Westfälische Rund-
                                             der      Konrad-Adenauer-Stiftung      Kindern bekannt zu machen”, er-        schau setzt künftig auf mehr Kin-
                                             ausgezeichnet wurde: „Die Leser-       klärt Jörg Riebartsch, Chefredak-      dernachrichten. „Unser Ziel ist es,
                                             redaktion bestimmt die Inhalte mit,    teur der EchoZeitungen. „Wir wol-      dass jede Lokalausgabe jeden Tag
                                             Leser üben Blattkritik, jede Woche     len Kindern nicht die Atompolitik      eine Kinder-Meldung veröffent-
                                             gibt’s ein Leser-Interview einer be-   des Iran erklären. Sondern wir wol-    licht”, sagt der stellvertretende
                                             kannten Persönlichkeit”, sagt Klä-     len Kindern die Welt erklären.”        Chefredakteur Frank Fligge. Die
Nachwuchsleser locken: Stefan Kläse-         sener, der statt auf Forums-Einträ-    Zum KinderEcho kommen noch             WR wird den Projektstart auf der
ner und Jörg Riebartsch. Fotos: J. Studnar   gen auf lebendige Leser setzt. „Un-    das MittagsEcho und das Wirt-          Titelseite ankündigen.

           Mit dem „Superdesk” zurück                                                      „Wozu noch Journalismus?” –
             zum Geschichten erzählen                                                      Wie bisher geht’s nicht weiter
           Bruno Ingemann erklärt, wie die dänische „Nordjyske” arbeitet              Stephan Weichert und Leif Kramp stoßen im Internet einen Diskurs an

D    er „Superdesk” ist bei mitteleu-
     ropäischen Verlagen ein bis-
lang unbekanntes Instrument für
                                                                                    S   chieben wir alle Bedenken bei-
                                                                                        seite, hören auf, zu zaudern und
                                                                                    vergessen die Panikattacken der
die Nachrichtenaufbereitung. Die                                                    letzten Monate. Ignorieren wir die
norddänische Lokalzeitung „Nord-                                                    Krise, die all das zu bedrohen
jyske” nutzt ihn. Und Bruno Inge-                                                   scheint, wofür in Deutschland rund
mann stellt ihn vor.                                                                50 000 hauptberufliche Journalis-
   Dabei handelt es sich um einen            Bruno Ingemann.                        ten stehen: professionelle Recher-     Leif Kramp und Stephan Weichert.
runden Tisch im Zentrum der Re-                                                     che, Aufbereitung und Vermittlung
daktion, der alle medialen Formen            zu vermitteln. „Das war nicht ein-     von Informationen. Stellen wir uns     Kramp. Sie wollen mit ihrer Serie
vereint. 90 Prozent der Bevölke-             fach”, gibt Ingemann zu. „Es musste    vor, wir seien die Bewohner einer      „Wozu noch Journalismus?“ einen
rung des Verbreitungsgebiets er-             ein Umdenken in den Köpfen der         neuen Steinzeit, die mit der Erfin-    medienübergreifenden Diskurs an-
reicht die Zeitung seitdem. Bei der          Redakteure stattfinden.“ Der Desk      dung des Internet begann: Gemes-       regen und lassen Journalisten, Wis-
„Nordjyske” gibt es keine reinen             diskutiere zuerst die Aufbereitung.    sen daran, wie wenig die Potenziale    senschaftler und Blogger zu Wort
Print-, Radio-, TV- oder Online-             Dann schwärmen Reporter aus            der Netzkommunikation heute ge-        kommen. Sie sind überzeugt: Ohne
journalisten. Alle Redakteure seien          Print, TV, Radio oder Online aus,      nutzt werden, sind Journalisten die    versierte und vorbehaltlose Journa-
mit Einrichtung des „Superdesks”             um für deren Umsetzung zu sorgen.      Neandertaler der digitalen Ära.        listen löst sich der Urgedanke der
vielmehr in allen medialen Berei-            „Wir wollen zurück zum Geschich-          Journalisten müssen über ihren      Presse in Nichts auf. Mehr unter
chen geschult worden, um ihnen               tenerzähler“, sagt Ingemann.           Job nachdenken. So wie bisher          www.sueddeutsche.de/medien.
ein Gespür für die zahlreichen Auf-                                                 kann es nicht weitergehen, meinen
bereitungswege einer Geschichte              Katrin Wördehoff                       Stephan A. Weichert und Leif           Leif Kramp, Stephan Weichert
Forum Lokaljournalismus 2010                                                                                                JUNGE LESER   11

      Drei Fragen an den
      Zeus-Projekt-Grün-
      der Harald Heuer.

  Schüler einbeziehen
     Welche Ziele verfolgen Sie
     mit dem Zeus-Projekt?
  Wir verstehen Zeus als ein
  journalistisches Projekt mit
  pädagogischem Anspruch

                                                                  Zeus: Lokales
  und betreiben effiziente Lese-,
  Schreib und Medienkompe-
  tenzförderung. Dies erreichen
  wir, indem wir Kinder und

                                                                  macht Schule
  Jugendliche aktiv in die re-
  daktionelle Arbeit einbezie-
  hen. Zeitungssozialisation ist
  in Familien heutzutage leider
  kaum noch ein Thema. Mit                         WAZ-Projekt punktet crossmedial mit Bildungsthemen
  Zeus sprechen wir Schüler an
  und bringen darüber die Zei-
  tung in Nichtleser- und Mi-                Kinder und Jugendliche aktiv            und das Internetportal www.zei-
  grantenhaushalte. Jugendliche                                                      tungszeit.de redaktionell in den
  fühlen sich bei Zeus ernst ge-             am Zeitungsgeschehen be-                Händen von Zeus – Zeitung und
  nommen. Sie bestimmen die                  teiligen – das ist das Ziel             Schule. Initiiert vom Zeitungsverle-
  Themen, schreiben Artikel,                                                         gerverband NRW, vom Ministeri-
  machen Bilder, die wir veröf-              der Zeitungsschulprojekte               um für Schule und Weiterbildung
  fentlichen.                                                                        NRW und der Landesanstalt für
                                             der WAZ Mediengruppe.                   Medien, nehmen an dem landes-
     Inwieweit stärkt das Projekt                                                    weiten Projekt zur Leseförderung
     das politische Interesse?               Auch die Redaktionen profi-             in den 9. Hauptschulklassen jähr-
  Durch eigene Themen und                                                            lich mehr als 20 000 Schüler in
  Beiträge erfahren die Schüler,             tieren. Die starke Einbindung           NRW teil. Infos: www.zeusteam.de.
  dass Zeitung politisches Han-              der Schüler sorgt für Aktua-
  deln beeinflussen kann.                                                            Zusammengefasst von Dr. Andrea Dahms
                                             lität im Lokalen.
     14 Jahre gibt es das Projekt.
     Sind Veränderungen geplant?
  Die Zeus-Seiten werden fort-               Wenn montags um acht in der 9b
  an zentral geplant und am                  der Heinrich-Lübke-Schule in Bri-
  Produktionsdesk in Essen                   lon absolute Ruhe herrscht, steht
  umgesetzt. Zudem setzen wir                nicht unbedingt eine Klassenarbeit
  künftig noch stärker auf                   an. 30 Schüler lesen konzentriert
  Crossmedialität. Doch die                  Zeitung. Artikel, die auf der Zeus-
  Lokalredaktionen sind weiter               Seite der Westfalenpost stehen. Es
  gefordert. Zeus braucht die                sind ihre eigenen Artikel und Fotos.
  Verankerung vor Ort.                          Mehr als 93 000 Schüler in NRW
                                             haben im vergangenen Jahr an Zeus
                                             oder ZeusKids, dem Grundschul-
                                             projekt, teilgenommen und erlebt,
                                             wie Zeitung funktioniert. Und er-
                                             fahren, dass auch sie an journalisti-        Mehr
                                             schen Inhalten partizipieren kön-       als 1200
                                             nen. Für WAZ, NRZ, WR, WP oder           Zeus-Sei-
                                             IKZ waren sie als Zeus-Reporter            ten fül-
                                             unterwegs, recherchierten, führten      len Schü-
                                             Interviews, schrieben Berichte, Re-      ler jedes
                                             portagen und Kommentare, die in          Jahr wie-
                                             den Zeitungen und auf dem Nach-              der in
Redakteure erzählen in den Schulen aus       richtenportal DerWesten.de veröf-        den Blät-
ihrem Alltag.        Foto: Ulrich von Born   fentlicht wurden. Unter der Dach-         tern der
                                             marke „ZeusMedienwelten” sind             WAZ Me-
                                             die medienpädagogischen Projekte         diengrup-
                                             digital verortet, als komplementäre      pe. Dabei
                                             Onlineprodukte zur Printvariante.            lernen
                                             Beiderseitige Vernetzung heißt das          sie, wie
                                             Prinzip, das junge Leser vom Inter-         Zeitung
                                             net in die Tageszeitung zieht – und         funktio-
                                             andersherum.                              niert und
                                                Erfolgreich erprobt übrigens          wie Nach-
                                             auch bei „ZeitungsZeit – Nachrich-           richten
Schüler greifen selbst zu Block und Fo-      ten für die Schule”. Seit vier Jahren        wirken.
toapparat.            Foto: Jens Ostrowski   liegen die Unterrichtsmaterialien
12 PERSPEKTIVEN                                                                                                                       Forum Lokaljournalismus 2010

Die neuen Medien machen der Lokalzeitung zu schaffen. Wie sieht die Zukunft der Lokalnachrichten aus?                                                           Foto: WAZ

                                                             Mediale Welt im Wandel
                                         Wie sieht die Mediennutzung der Zukunft aus? – Der New Yorker Prof. John Pavlik im Interview
Die mediale Welt ist im                                                                                                           einige können schief gehen. Aber:
                                                                                                                                  Die Kosten dieses Experimentie-
Wandel. Was diese entschei-                                                                                                       rens können sehr gering sein, denn
denen Veränderungen für                                                                                                           das Ausprobieren digitaler Techno-
                                                                                                                                  logien ist nicht teuer. Zum Beispiel
den Journalismus bedeuten,                                                                                                        wäre es ein sehr interessantes Expe-
                                                                                                                                  riment, mehr Geschichten durch
erklärt Prof. Dr. John V. Pav-                                                                                                    Geotagging zu erzählen.

lik, Professor und Depart-                                                                                                          Wenn Mediennutzer nicht mehr
                                                                                                                                    länger passive Empfänger, son-
ment Chair, „Journalism and                                                                                                         dern aktive Teilhaber an der
Media Studies” der Rutgers                                                                                                          Nachrichtenproduktion sind, in-
                                                                                                                                    dem sie Berichte auf den Web-
University in New Jersey.                                                                                                           seiten von Zeitungen kommentie-
                                                                                                                                    ren, bloggen oder podcasten –
                                                                                                                                    wird dann der professionelle
  Welche Entwicklungen, die digi-                                                       Links: „Mobile Medien werden allge-         Journalist trotzdem in der Zu-
  tale Medien derzeit zu bieten ha-                                                     genwärtig sein und eindringliche            kunft weiterhin von großer Wich-
  ben, sind für Sie die besten?                                                         Medienerfahrungen alltäglich wer-           tigkeit sein?
Das ist schwierig zu sagen und ehr-                                                     den.” Prof. Dr. John Pavlik über die      Der professionelle Journalist wird
lich, ich denke, das Beste wird erst                                                    Mediennutzung der Zukunft.                mehr denn je von großer Bedeu-
noch kommen. Allerdings, einige                                                         Oben: Interessierte Zuhörer lauschen      tung sein. Er wird ein Lenker oder
der besten Entwicklungen, die den                                                       Pavliks Vortrag.    Foto: Jakob Studnar   Sinnstifter sein, wenn es darum
Journalismus heute verändern, sind                                                                                                geht, wichtige Ereignisse wiederzu-
erstens: digitales Video und digitale                                                                                             geben. Und er wird Trends und Ent-
Fotografie. Sie ermöglichen es Bür-         beinhalten das Ausmaß, in dem               und Twitter . Eine zweite Stufe soll-     wicklungen durchschauen, die für
gerjournalisten, an jedem Ort               sich neue Formen der digitalen Ge-          te sich auf das Experimentieren           die Bürger schwerer ersichtlich sein
Nachrichten zu verfassen. Zwei-             schichtserzählung entwickelt ha-            konzentrieren, die Gelegenheiten          könnten.
tens: Mobile Medien, die Journalis-         ben wie vergrößerte Wirklichkeits-          zu nutzen, bis an die Grenzen zu
ten und Bürgern erlauben, den gan-          darstellungen – durch Geotagging            gehen. Hier können sich einige              Was macht die digitale Medien-
zen Tag über an jedem Ort wichtige          von Inhalten – und 3D-Abbildun-             Versuche als gut herausstellen und          welt besser als die „alte Form”
Nachrichten zu erhalten. Und drit-          gen. Auch die ökonomischen Mo-                                                          des Journalismus?
tens: Google Earth, das für alle            delle digitaler Medien haben sich in                                                  Nicht alles Digitale ist besser als die
Nachrichtenorganisationen        und        verschiedenen Stufen entwickelt.                                                      analoge Welt. Aber es gibt heute
Bürger frei zugänglich ist und zeigt,                                                      Zur Person                             keinen Weg zurück. Damit meine
wie wir Nachrichten visualisieren             Wie sollten Journalisten und Me-                                                    ich: Eine der großen Leistungen ist
und verorten können.                          dienkonzerne mit dem raschen                  Prof. Dr. John Pavlik                es, dass es eine größere Einfluss-
                                              Wandel des Medienkonsums um-                   ist ein amerikanischer               nahme der Bürger auf ihre ganz ei-
  Verwenden europäische Medien-               gehen?                                         Medienwissenschaftler.               gene Medienerfahrung gibt. Dies
  konzerne bereits alle zur Verfü-          Sie sollten in zwei Stufen vorgehen.            Er veröffentlichte u.a.              zeigen auch elektronische Bücher.
  gung stehenden Möglichkeiten              Die erste Stufe sollte auf das fokus-            „Media in the Digital                Konsumenten können einfach zu
  der digitalen Medien?                     siert sein, was heute weit verbreitet            Age”. Sein neuestes Werk             jeder Zeit an jedem Ort jedes Buch
Nein, nirgends gibt es Medienkon-           und relativ einfach anzuwenden ist,              „Converging Media: A                 in eBook-Form erhalten. Und dies
zepte, die vollständig die Möglich-         wie das Bereitstellen von Inhalten               New Introduction to Mass             gewöhnlich für einen sehr viel
keiten der digitalen Technologie            für mobile Geräte in einem konven-               Communication” ist im                günstigeren Preis als im Buchge-
ausschöpfen. Es gibt verschiedene           tionellen Format, darunter opti-                 Januar 2010 erschienen.              schäft. Manchmal gibt es sie sogar
interessante Unterschiede, und sie          mierte Websites für Mobilgeräte                                                       kostenlos.
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