Marketing für gebrauchte Möbel Das Beispiel des regionalen Pilotprojekts "ecomoebel"
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Arbeitsbericht Nr. 8....................................................................................Dortmund, August 2003 Laura Faltz Marketing für gebrauchte Möbel Das Beispiel des regionalen Pilotprojekts „ecomoebel“ Bericht über eine Teilaufgabe des vom bmb+f im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Nachhaltiges Wirtschaften“ geförderten Projekts „Wiederverwendung von Möbeln als Beispiel der regionalen Kreislaufwirtschaft“ Dipl.-Kff. Laura Faltz Universität Dortmund Lehrstuhl für Marketing D-44221 Dortmund Tel.: +49-231-755-3270 Fax.: +49-231-755-3231 e-mail: l.faltz@wiso.uni-dortmund.de
Inhalt I Problemstellung.........................................................................................................................1 II Das ecomoebel-Projekt .............................................................................................................2 1 Kurzdarstellung des Netzwerkes............................................................................................2 2 Projektziele.............................................................................................................................4 III Stakeholder................................................................................................................................5 1 Stakeholder-Analyse ..............................................................................................................5 2 Interne Stakeholder ................................................................................................................6 2.1 Netzwerkpartner ..............................................................................................................6 2.2 Kapitalgeber Bmb+f........................................................................................................6 3 Externe Stakeholder - marktlich.............................................................................................7 3.1 Kunden ............................................................................................................................7 3.2 Wettbewerber ..................................................................................................................7 4 Externe Stakeholder - nicht-marktlich ...................................................................................8 4.1 Organisationen ................................................................................................................8 4.2 Stadt Dortmund ...............................................................................................................8 4.3 Öffentlichkeit ..................................................................................................................9 4.4 Presse...............................................................................................................................9 5 Ergebnis der Stakeholder-Analyse .........................................................................................9 IV Ist-Analyse ..............................................................................................................................12 1 Umfeldanalyse......................................................................................................................12 1.1 Gesellschaftlicher Wertewandel....................................................................................12 1.2 Soziodemografische Entwicklungen in Dortmund .......................................................13 1.2.1 Dortmunder Bevölkerungsstruktur....................................................................13 1.2.2 Dortmunder Haushalte ......................................................................................13 1.2.3 Dortmunder Mobilität .......................................................................................14 1.2.4 Dortmunder Kaufkraft.......................................................................................14 1.3 Untersuchung relevanter Märkte...................................................................................15 1.3.1 Kurzcharakteristik von Möbeln.........................................................................15 1.3.2 Der Möbelmarkt ................................................................................................16 1.3.3 Konsumausgaben privater Haushalte ................................................................18 1.3.4 Der Gebrauchtmöbelmarkt................................................................................18 1.3.5 Der virtuelle Möbelmarkt..................................................................................21 1.3.6 Der ökologische Möbelmarkt............................................................................23 1.3.7 Der Dortmunder Möbelmarkt............................................................................25 1.4 Übersicht Chancen und Risiken aus dem Umfeld.........................................................27 2 Unternehmensanalyse...........................................................................................................27 2.1 ecomoebel als Idee ........................................................................................................28 2.2 ecomoebel als Kooperationsnetzwerk...........................................................................28 2.3 ecomoebel als Produkt- und Dienstleistungsangebot....................................................29 2.4 Übersicht Stärken und Schwächen von ecomoebel.......................................................30 3 SWOT-Analyse ....................................................................................................................30
V Zielgruppenbestimmung..........................................................................................................33 1 Kaufintensität .......................................................................................................................33 2 Einkaufsstättenwahl .............................................................................................................34 3 Einkaufskriterien ..................................................................................................................35 4 Der Second-Hand-Möbelkäufer ...........................................................................................36 5 Lebensstile............................................................................................................................37 6 Wohnstile .............................................................................................................................40 7 ecomoebel-Zielgruppen........................................................................................................41 VI Strategische Positionierung .....................................................................................................44 1 Marketingziele......................................................................................................................44 2 Positionierung.......................................................................................................................44 3 Präferenz-(Qualitäts-)Strategie.............................................................................................45 4 Corporate Identity ................................................................................................................46 4.1 Corporate Behavior .......................................................................................................47 4.2 Corporate Design...........................................................................................................48 4.3 Corporate Communication ............................................................................................48 5 Intensive Informationspolitik ...............................................................................................48 6 Marktsegmentierung.............................................................................................................49 VII Marketing-Mix ........................................................................................................................50 1 Produkt- und Servicepolitik .................................................................................................50 1.1 Angebotssegmentierung ................................................................................................50 1.2 Angebotsqualität............................................................................................................51 1.3 Angebotserweiterungen.................................................................................................52 2 Preispolitik ...........................................................................................................................53 2.1 Preisbestimmung ...........................................................................................................53 2.1.1 eco-Basics..........................................................................................................54 2.1.2 eco-Design.........................................................................................................54 2.1.3 eco-Antik...........................................................................................................54 2.1.4 eco-Service ........................................................................................................55 2.2 Zahlungs- und Lieferbedingungen ................................................................................55 3 Distributionspolitik...............................................................................................................55 4 Kommunikationspolitik........................................................................................................57 4.1 Nutzung des Corporate Design .....................................................................................58 4.2 Multimedia-Kommunikation.........................................................................................59 4.3 Public Relation ..............................................................................................................61 4.4 Special Events ...............................................................................................................62 4.4.1 Veranstaltungen.................................................................................................62 4.4.2 Messen...............................................................................................................62 4.4.3 Design-Wettbewerb...........................................................................................63 4.4.4 Jährliche Möbel-Prämierung .............................................................................63 4.5 Mund-zu-Mund-Propaganda .........................................................................................64
4.6 Werbeaktivitäten ...........................................................................................................64 4.6.1 ecomoebel-Flyer................................................................................................64 4.6.2 Direktwerbung...................................................................................................65 4.6.3 Szene-Promotion ...............................................................................................66 4.6.4 ecomoebel-Film.................................................................................................66 4.6.5 Virtuelle Werbemaßnahmen .............................................................................67 VIII Zusammenfassung und Ausblick .........................................................................................69 IX Literatur...................................................................................................................................71
Abbildungen Abb. 1. ecomoebel = Gebrauchtmöbel?.......................................................................................3 Abb. 2. Allgemeine Projektziele ..................................................................................................4 Abb. 3. ecomoebel-Stakeholder ...................................................................................................5 Abb. 4. Übersicht Stakeholder-Interessen..................................................................................10 Abb. 5. Umsatz- und Marktanteile im Möbelmarkt ...................................................................17 Abb. 6. Polarisierung des Möbelangebots..................................................................................18 Abb. 7. Konsumausgaben privater Haushalte für Möbel und Einrichtungsgegenstände in % ..18 Abb. 8. Charakteristika Neu- und Gebrauchgütermärkte...........................................................21 Abb. 9. Internetnutzung vor Möbelkauf.....................................................................................22 Abb. 10. Haben Sie bereits einmal vor dem Möbelkauf Informationen im Internet eingeholt?..22 Abb. 11. Gründe für den Nichtkauf von ökologischen Möbeln...................................................24 Abb. 12. Dortmunder Wettbewerbsumfeld ..................................................................................26 Abb. 13. Möbelkauf in den letzten 2 Jahren nach Altersklassen .................................................34 Abb. 14. Einkaufsstätten für Möbelkauf ......................................................................................34 Abb. 15. Ansprüche an aufgearbeitete Second-Hand-Möbel.......................................................35 Abb. 16. Bereitschaft zum Second-Hand-Möbelkauf nach Berufsgruppen.................................37 Abb. 17. Sinus-Milieus 2001 .......................................................................................................37 Abb. 18. Beschreibung der Sinus-Milieus ...................................................................................38 Abb. 19. Wohntypen ....................................................................................................................40 Abb. 20. Corporate Identity und Corporate Image ......................................................................47 Abb. 21. Zusammenhang Preis und Produktnutzen .....................................................................53 Abb. 22. Konzeptionspyramide....................................................................................................69
Marketing für gebrauchte Möbel I Problemstellung „ecomoebel“ ist ein für zweieinhalb Jahre vom Bmb+f im Rahmen des Programms „Nachhaltiges Wirtschaften“ gefördertes Forschungsprojekt. Über die Wiederverwendung von gebrauchten Möbeln soll die Kreislaufwirtschaft gestärkt werden, die Umwelt entlastet werden und darüber hinaus neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Projekt wird in Form eines Pilotprojektes im Raum Dortmund auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit hin geprüft. Im Rahmen des Projektes soll ein regionales Netzwerk etabliert werden, bestehend aus verschiedenen Akteuren der Dortmunder Region, die den Möbelkreislauf betreffen: Möbelentsorger, -aufarbei- ter, -transporteure und -händler. Langfristig soll sich das Netzwerk privatwirtschaftlich tragen können. Aufgabenstellung für den Lehrstuhl für Marketing in diesem Projekt war es, eine wissenschaftlich-konzeptionelle Basis für das Marketing des Netzwerks zu entwickeln. Die Marketingforschung hat sich bisher mit dem Thema gebrauchte Produkte kaum auseinander gesetzt, so dass Studien, Modelle und Konzeptionen zu diesem Bereich nicht existieren. Um sich diesem Themengebiet zu nähern, sind einerseits auf durchgeführte Studien innerhalb des Projekts und Studien aus anderen Projekten sowie der Praxis und Politik Bezug genommen und andererseits klassische Marketingmodelle auf den spezifischen Bereich hin geprüft und angewandt worden. Begonnen mit der Stakeholderanalyse über die SWOT-Analyse sowie Modelle der Zielgruppenanalyse und abschließend das 4-P-System im Marketing-Mix sind eingesetzt worden. Da das Projekt zudem einen ökologischen Inhalt hat, konnte diesbezüglich auf die Arbeiten von Belz und Wirth Bezug genommen werden. Innerhalb der Ausarbeitung ist bewusst auf Praxisorientierung fokussiert worden, da dieses Papier auch als Grundlage bzw. Leitfaden für die Umsetzung von Marketingaktivitäten im Netzwerk dienen soll. Es galt für eine völlig neuartige Produktart und neuartige Kooperationsform zunächst Charakteristika festzulegen, die relevanten Märkte abzugrenzen und zu analysieren, mögliche Zielgruppen für ein derartiges Angebot ausfindig zu machen und aus diesen Erkenntnissen geeignete Marketingstrategien abzuleiten. 1
Marketing für gebrauchte Möbel II Das ecomoebel-Projekt 1 Kurzdarstellung des Netzwerkes Das Netzwerk besteht während der Projektphase einerseits aus universitären Partnern und privaten Planungsunternehmen, die den theoretischen Background zu Logistik, Beschäftigungseffekten, Umwelt, Qualitätsstandards etc. sichern sollen und andererseits aus Praxispartnern, die langfristig im Sinne der Projektzielsetzung kooperieren wollen. Die beiden bereits im geförderten Projekt beteiligten Praxispartner das Christliche Jugenddorf (CJD) und die Entsorgung Dortmund (EDG) führen Haushaltsauflösungen durch und verfügen jeweils über einen eigenen Gebrauchtmöbelhandel. Das CJD beschäftigt zudem eine Reihe an unterschiedlichen Handwerkern, u.a. Tischler und Antikmöbelspezialisten, die eine fachgerechte Möbelaufarbeitung gewährleisten können. Als weitere Praxispartner nach Projektgenehmigung konnten Neu- und Antikmöbelhändler sowie weitere Möbelfachrestaurateure gewonnen werden. Möbelbeschaffung: Die gebrauchten Möbel werden in erster Linie über Haushaltsauflösungen beschafft. Dazu existieren bereits die genannten Praxispartner, die im Dortmunder Raum einen großen Anteil der Haushaltsauflösungen und Möbelentsorgung vornehmen. Weitere Altmöbelbeschaffungswege sind zum einen über Neumöbelhändler, die die mit neuen Möbel ersetzten Altmöbel über ecomoebel-Partner entsorgen und/oder als ein ecomoebel wiederverkaufen lassen und zum anderen über Privatpersonen, die gebrauchte Möbel abgeben möchten. Das Angebot: Gebrauchte Möbel werden auf Schadstoffe getestet und werden bei Unterschreiten bestimmter Höchstmengen als „ecomoebel“ qualifiziert. Das Institut für Umweltforschung (INFU) hat dazu ein Schnelltestverfahren entwickelt, so dass langfristig jeder Netzwerkpartner diesen Schadstofftest selbst durchführen kann. Jedes „ecomoebel“ wird nach bestandener Schadstoffprüfung mit einem Holzsiegel versehen, das an der Stelle der Schadstofftestung angebracht wird. Zusätzlich wird jedem Kunden ein separates ecomoebel-Zertifikat ausgehändigt, das die Schadstoffprüfung und eine einjährige Qualitätsleistung garantiert. Um das Angebot umfassender zu gestalten, werden Gebrauchtmöbel auf Kundenwunsch oder aus Eigenmotivation der Partner fachgerecht aufgearbeitet. Die Aufarbeitung erfolgt ausschließlich mit umweltfreundlichen Materialien. Zu diesem Zweck sind verschiedene Handwerksbetriebe mit unterschiedlichen Spezialisierungen in dem Netzwerk vertreten. Zur Verdeutlichung des Ablaufes: 2
Marketing für gebrauchte Möbel Gebrauchtes Möbel qualitativ hochwertig? ja nein Schadstofftest Entsorgung bestanden? ja nein ecomoebel „gewöhnlicher“ Gebrauchtmöbelverkauf Ausstellung im Internetkatalog und Raum der NW-Partner Abb. 1. ecomoebel = Gebrauchtmöbel? Kommunikation: Eine ecomoebel-Internetplattform soll sowohl zur internen Kommunikation zwischen den Netzwerkpartnern dienen als auch als primäre Kommunikationsplattform zwischen potenziellen Kunden und den Netzwerkpartnern. Für den internen Bereich ist die Nutzung eines Passwortes erforderlich. Der externe Bereich ist frei zugänglich und dient dem potenziellen Kunden sowohl zur Information als auch zur Kontaktaufnahme mit den ecomoebel-Partnern. Möbeldistribution: Alle zertifizierten Möbel werden mit Foto und Kurzbeschreibung in den Online-Katalog eingestellt. Der Interessent kann über den Internetkatalog in Erfahrung bringen, bei welchem Händler das Möbelstück ausgestellt ist. Es sind zum jetzigen zwei Ausstellungsräume 60-100m² bei den Praxispartnern errichtet worden. Jeder einzelne Projektpartner, dessen Kerngeschäft, der Altmöbelverkauf ist, ist befugt als ecomoebel qualifizierte Möbelstücke zu verkaufen. In diesen Fällen wird es i.d.R. keinen separaten ecomoebel-Verkaufsraum geben. Das Produkt „ecomoebel“ ist zum einen die Bezeichnung für das zu etablierende Praxisnetzwerk selbst, eine Art Dachname oder -marke, und zum anderen die Bezeichnung eines Einzelnen als „ecomoebel“ qualifizierten Möbelstücks. Dem materiellen Produkt „ecomoebel“ sind zudem noch immaterielle Leistungsangebote wie Möbelentsorgung, Restauration oder Schadstoffprüfung zuzuordnen, die im Rahmen des Netzwerkes, unabhängig von dem physischen ecomoebel, angeboten werden. Damit ergeben sich für das Produkt „ecomoebel“ drei Ebenen: Das Netzwerk, das Möbelstück und die Dienstleistungen. 3
Marketing für gebrauchte Möbel 2 Projektziele Aus dem Projekthintergrund des Nachhaltigen Wirtschaftens heraus, lassen sich die Projektziele ableiten. Nachhaltiges Wirtschaften beinhaltet die Verfolgung ökologischer, ökonomischer und sozialer Zielsetzungen. Damit ergeben sich für ecomoebel folgende Projektziele: ökologisch ökonomisch sozial Stärkung des Etablierung eines Netzwerkes, Positive Beschäftigungseffekte Nachhaltigkeitsgedankens das sich finanziell selbst tragen kann Erhöhung Wiederverwendungsquote Zumindest eine Kostendeckung für Gesellschaftliche Akzeptanz Netzwerkpartner von wiederverwendeten Altmöbeln zu steigern Abb. 2. Allgemeine Projektziele 4
Marketing für gebrauchte Möbel III Stakeholder Im Rahmen der Zielformulierung und deren Erreichung gilt es, die Interessen von Anspruchsgruppen bzw. Stakeholdern zu berücksichtigen und mit ihnen in Einklang zu bringen. 1 Stakeholder-Analyse Ziel der Stakeholder-Analyse ist es zu untersuchen, inwieweit die Interessenlagen der Stakeholder mit den Projektzielen vereinbar sind. Als Anspruchsgruppen oder Stakeholder werden alle Interessengruppen bezeichnet, die durch die Zielsetzung einer Unternehmung berührt werden bzw. diese beeinflussen können. Als Stakeholder kommen demnach zunächst alle Personenkreise in Frage, die mit dem Projekt in Berührung sind oder kommen könnten. Es gilt diejenigen Stakeholder zu identifizieren, die für den Projekterfolg die größte Relevanz besitzen. Die Relevanz lässt sich nach der Ziel- und Machtstruktur sowie des Risikoeinsatzes der einzelnen Interessengruppen bestimmen.1 Die für das Projekt „ecomoebel“ möglicher- weise relevanten internen und externen Anspruchsgruppen sind in Abbildung 3 dargestellt: Stakeholder INTERN EXTERN Netzwerk-Partner Mitarbeiter marktbezogen nicht- marktbezogen Möbeleinzelhandel in den einzelnen als Altmöbellieferant Partnerorganisa- Kunden Gesellschaft tionen Geschäftspartner Presse Logistikdienstleister der ecomoebel-Partner, die nicht im Netzwerk sind Umweltorganisationen Schadstofftester Kapitalgeber Konkurrenten einzelner Stadt Dortmund bmb+f ecomoebel-Partner Entsorger sonstige Partner Aufarbeiter (z.B. Möbelhersteller als Informationslieferant über Inhaltsstoffe) Verkaufsstellen Nicht-Praxispartner INFU, IML, KVA, VTI, LM Abb. 3. ecomoebel-Stakeholder 1 Vgl. zu diesem Kapitel z.B. Janisch, M.: Das strategische Anspruchsgruppenmanagement, Bern u.a. 1993, S.121ff. und Gausemeier, J.; Fink, A.: Führung im Wandel, München, Wien 1999, S. 219ff. 5
Marketing für gebrauchte Möbel 2 Interne Stakeholder 2.1 Netzwerkpartner Die Netzwerkpartner aus der Praxis verfolgen Interessen/Ziele wie: Imageverbesserung im Sinne eines umwelt- und sozialengagierten Handelns Gewinnerzielung, zumindest Kostendeckung, über das Leistungsangebot im Rahmen des Netzwerkes (NW) Nutzung von Synergieeffekten, jeder NW-Partner kann über das Netzwerk dem Kunden ein höheres Serviceangebot unterbreiten, als es ohne Kooperation möglich wäre Know-how-Transfer innerhalb des NW Erschließung neuer Kundensegmente Macht: Ausstieg aus Projekt, negative Propaganda, Projektabbruch Die Interessen der einzelnen Praxis-Netzwerkpartner, insbesondere bezüglich der Ausgestaltung des konkreten Leistungsangebots, können sehr unterschiedlich sein. Dies ist zum einen abhängig von der Unternehmensgröße und zum anderen von dem aktuellen Leistungsspektrum der Partner. So ist der Antikmöbelhändler, an einer Fokussierung des Antikmöbelangebots interessiert, der Tischler an einer Fokussierung des Aufarbeitungsangebots interessiert und der Gebrauchtmöbelhändler, an der Fokussierung des Angebots von schadstoffarmen nicht- aufgearbeiteten Gebrauchtmöbeln. Zudem ist die Machtstruktur abhängig von dem Einsatz finanzieller Mittel in das Projekt. Finanzielle Mittel sind derzeit lediglich von den Gründer- Praxispartnern eingesetzt worden. Je nach Rolle der Partner innerhalb des Netzwerkes werden unterschiedliche Ansprüche an das Projekt gestellt. Um interne Zielkonflikte zu vermeiden, die sicherlich unmittelbar den Projekterfolg beeinflussen, gilt es, ein kooperatives Verhalten zwischen den einzelnen Partnern zu fördern. 2.2 Kapitalgeber Bmb+f Bmb+f (Bundesministerium für Bildung und Forschung) als Kapitalgeber verfolgt in erster Linie das Interesse, dass die Projektziele erreicht werden. Macht: keine Projektunterstützung in der Zukunft, Geldsperrung Die Interessen von Bmb+f stehen mit den Projektzielen in Einklang. Die Fördergelder werden gerade wegen der Verfolgung der Projektziele im Sinne der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft gezahlt. Um nicht in einen Interessenkonflikt mit dem Bmb+f zu geraten, ist es wichtig, bei der 6
Marketing für gebrauchte Möbel Projektdurchführung die ökologischen und sozialen Ziele zu fokussieren und die ökonomischen Ziele als dafür notwendige Konsequenz zu artikulieren. Mit Blick auf zukünftige Forschungsprojekte und dessen finanziellen Förderung durch das Bmb+f, ist gerade für die Nicht-Praxispartner das Erreichen aller gesetzten Ziele sehr wichtig. 3 Externe Stakeholder - marktlich 3.1 Kunden Die Kunden verfolgen Interessen/Ziele wie: garantierte Umweltfreundlichkeit garantierte Schadstoffarmut möglichst hohe Produktqualität faires/günstiges Preis-Leistungsverhältnis adäquate Serviceleistungen Macht: Nicht-Kauf, Anbieterwechsel, negative Mund-zu-Mund-Propaganda Die Kunden sind für den Projekterfolg eine äußerst wichtige Interessengruppe. Die Erfüllung ihrer Erwartungen hat höchste Priorität. Die Kundeninteressen beeinflussen vor allen Dingen die ökonomischen Zielsetzungen. Die Kunden- und Projektinteressen können nicht als konfliktär bezeichnet werden. Die eigentliche Förderung des Projektes ist zwar aus sozialen und ökologischen Gründen bewilligt worden, aber diese Ziele können nur über ein entsprechendes Kundeninteresse erfüllt werden. 3.2 Wettbewerber Die Wettbewerber verfolgen Interessen/Ziele wie Einhaltung fairer Grundsätze/Spielregeln im Wettbewerb Kooperation auf branchenpolitischer Ebene Macht: Angebot gleicher Leistungen, Verdrängung Die regionalen Wettbewerber möchten keine finanziellen Einbußen aufgrund des neu zu etablierenden ecomoebel-Netzwerkes erfahren. Bei Projekterfolg könnte dies selbstverständlich eintreten. Die wettbewerbsrelevanten regionalen Möbelhändler insb. Gebrauchtmöbelhändler und Tischlereien verfügen derzeit über eine relativ geringe Marktmacht, da sie kaum untereinander organisiert sind. Eine weitere Abschwächung wird darüber erreicht, dass vermeintliche Konkurrenten, solange sie den ecomoebel-Standards entsprechen, sich als 7
Marketing für gebrauchte Möbel Netzwerkpartner bewerben können. Der Einfluss der Konkurrenz- interessen auf die Projektinteressen wird daher derzeit als gering eingestuft. 4 Externe Stakeholder - nicht-marktlich 4.1 Organisationen Interessen von Umwelt- Verbraucherorganisationen liegen vornehmlich in der: Sicherstellung der ökologischen Wirkungen und ökologischen Korrektheit. Macht: Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Presse Umwelt- und Verbraucherorganisationen vertreten die Interessen der Umwelt und Verbraucher. Es ist damit zu rechnen, dass anonym überprüft wird, inwieweit die Schadstoffangaben korrekt sind, über welche Wege Möbel beschafft werden und ob Materialien der Aufarbeitung umweltgerecht sind. Die Zielsetzungen des Projektes entsprechen den Interessenlagen solcher Organisationen, so dass der Projekterfolg von ihnen nicht negativ beeinflusst wird, solange die entsprechenden Standards eingehalten werden. Eine Information/ Kontaktaufnahme seitens des Projektes ist trotzdem als sehr sinnvoll einzustufen. 4.2 Stadt Dortmund Stadt Dortmund verfolgt Ziele wie Steuereinnahmen Umweltschutz und Gesundheitsschutz der Bürger Arbeitsplatzschaffung Image der Stadt Profilierung der Stadt Dortmund im Dienstleistungssektor Macht: Verbote, geringe Unterstützung z.B. Standortwahl, Baugenehmigung etc. Die Interessen der Stadt Dortmund sind ebenfalls nicht als konfliktär mit den Projektzielen einzustufen. Die Stadt kann sowohl bei dem Erreichen der ökologischen, der sozialen als auch ökonomischen Projektziele nur profitieren. 8
Marketing für gebrauchte Möbel 4.3 Öffentlichkeit Interessen der Gesellschaft/Öffentlichkeit liegen in der: ökologisch und sozialen Korrektheit. Macht: Druckausübung, gesellschaftliche Akzeptanz Die Öffentlichkeit nimmt für den Projekterfolg eine wichtige Stellung ein. Bekanntheitsgrad, Image etc. werden nicht nur über die tatsächlichen Kunden determiniert. Die Interessen der Öffentlichkeit sind als komplementär mit den Projektinteressen zu sehen, solange die ökologische und soziale Korrektheit gewährleistet bleibt. 4.4 Presse Hauptinteresse der Presse ist die Information der Leser über gesellschaftlich relevante Themen, sowohl positiv als auch negativ. Macht: Verbreitung negativer Informationen in der Öffentlichkeit Die Medien tragen als Stakeholder eine Sonderrolle. Sie dienen als Informationsquelle und Sprachrohr für Öffentlichkeit und Gesellschaft. Die Erreichung der Projektziele ist u.a. von dem Good-will der regionalen Medien abhängig. So lange innerhalb des Projektes die Projektziele gewissenhaft im Sinne von Kunden, Öffentlichkeit und Organisationen verfolgt werden, und das Projekt die Medien stets mit interessanten Informationen versorgen kann, sollten die Interessen der Medien positiv mit den Projektinteressen korrelieren. Die Medien verstehen sich allerdings in erster Linie als neutraler Berichterstatter, d.h. Negativmeldungen werden ebenso veröffentlicht und können die Projektziele negativ beeinflussen. 5 Ergebnis der Stakeholder-Analyse Es sind keine bedeutenden Zielkonflikte zwischen den Projekt- und den einzelnen Stakeholderinteressen erkennbar. Dies mag in der Natur des Projektes liegen, da der Grundzweck in einem politisch und gesellschaftlich gewünschten Bereich liegt. Das Risiko der einzelnen Stakeholder ist als mittelmäßig bis teils nicht vorhanden einzustufen. Dennoch sind zwei als besonders relevante Bereiche identifizierbar: Die Macht der nicht-marktbezogenen Stakeholder bezieht sich in erster Linie auf Sanktionsmöglichkeiten über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Die nicht- marktbezogenen Stakeholder tragen für den Projekterfolg eine erhöhte Relevanz, da die Informationsverbreitung und ggf. Negativbeeinflussung der Bevölkerung in einem regionalen 9
Marketing für gebrauchte Möbel abgegrenzten Raum (Dortmund und Umgebung) unschwer realisierbar ist. Folglich ist der ökologischen Zielsetzung und damit in der Umsetzung ökologisch einwandfreien Verhaltens besondere Beachtung zu schenken. Macht/ Einfluss auf Stakeholder Ziele Projekterfolg interne Netzwerkpartner Imageverbesserung im Sinne eines umwelt- Ausstieg aus Projekt und sozialengagierten Handelns Gewinnerzielung, zumindest negative Propaganda Kostendeckung, über das Leistungsangebot im Rahmen des Netzwerkes Nutzung von Synergieeffekten Projektabbruch Know-how-Transfer innerhalb des NW Erschließung neuer Kundensegmente Bmb+f Erreichung der Projektziele keine Projektunterstützung in der Zukunft, Geldsperrung extern Kunden garantierte Umweltfreundlichkeit Nicht-Kauf garantierte Schadstoffarmut Anbieterwechsel möglichst hohe Produktqualität negative Mund-zu- faires/ günstiges Preis-Leistungsverhältnis Mund-Propaganda adäquate Serviceleistungen Stadt Umweltschutz und Gesundheitsschutz der Verbote Bürger wenig Unterstützung Arbeitsplatzschaffung z.B. Standortwahl Image der Stadt Baugenehmigung etc. Profilierung der Stadt Dortmund im Dienstleistungssektor Interessen der Ökologische und soziale Korrektheit Druckausübung, Gesellschaft/Öffentlichkeit gesellschaftliche (Verbände) Akzeptanz Presse Information der Leser über gesellschaftlich Verbreitung negativer relevante Themen, sowohl positiv als auch Informationen in der negativ. Öffentlichkeit Abb. 4. Übersicht Stakeholder-Interessen Der zweite besonders relevante Bereich liegt intern. Mögliche Zielkonflikte zwischen den einzelnen Praxis-Projektpartnern, können bei größeren Differenzen, den Projekterfolg und damit 10
Marketing für gebrauchte Möbel die Zielereichung stark beeinflussen. Im Rahmen des Netzwerk-Marketing sollten solche Zielkonflikte besondere Beachtung finden und für alle Partner akzeptable Lösungen ggf. Kompromisslösungen gefunden werden. In der ecomoebel-Satzung oder über Verhaltensgrundsätze könnten gewisse Regeln zur Problemlösung schriftlich fixiert werden. Ziel sollte es sein, einen Interessenausgleich zu gewährleisten. 11
Marketing für gebrauchte Möbel IV Ist-Analyse Innerhalb der Ist-Analyse wird die gegenwärtige Situation des Marktes bezüglich der relevanten Einflussfelder und der damit verbundenen potenziellen Erfolgsaussichten des ecomoebel- Projekts analysiert. Sie bildet die Grundlage für alle marketingrelevanten strategischen Entscheidungen.2 Daher wird im Folgenden einerseits die Umfeld- und Marktsituation beschrieben und andererseits im Rahmen der Unternehmensanalyse, Wettbewerbsvorteile und Kompetenzen von ecomoebel untersucht. Auf diesen Erkenntnissen fußend, werden erfolgsversprechende Strategien zur ecomoebel-Etablierung abgeleitet. Die Zielgruppen- bestimmung basiert ebenso auf der Ist-Analyse wie die Strategieableitung. 1 Umfeldanalyse Die Umfeldanalyse umfasst generelle Bedingungen, die für eine größere Anzahl von Unternehmen gelten und deren Handlungsspielraum direkt oder indirekt beeinflussen. 1.1 Gesellschaftlicher Wertewandel Gesellschaftliche Werte und Einstellungen verändern sich im Zeitverlauf und wirken auf die verschiedensten Lebensbereiche und beeinflussen darüber das Konsumverhalten. Im Folgendem werden die wichtigsten Entwicklungen genannt, die den Möbelmarkt betreffen: Trend zur Individualisierung: Individualiät und Selbstverwirklichung werden von über 50% der Bevölkerung als Lebensziele genannt. Die Wohngestaltung unterliegt in zunehmendem Maße der persönlichen Selbstdarstellung und Lebensstilaspekten.3 Als Cocooning wird ein Trend bezeichnet, der insbesondere die Großstädter betrifft. Personen hüllen sich in einen Kokon, sie kapseln sich ein und nutzen die eigene Wohnung vermehrt als Lebens-, Einkaufs- und Arbeitswelt. Dieses Verhalten fördert die Informationsbeschaffung und den Konsum über elektronische Medien und steigert zudem die Wertigkeit der eigenen Wohnraumausstattung.4 Das gesteigerte Gesundheits- und Umweltbewusstsein in der Bevölkerung bewirkt eine verstärkte Nachfrage nach Produkten, die als ökologisch oder gesundheitlich unbedenklich gekennzeichnet sind. Von Branchenexperten wird das Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten 2 Vgl. zu diesem Kapitel z.B. Diller, H.: Marketingplanung, 2. Aufl., München 1998, S. 38-64. 3 Vgl. Focus-Studie: Der Markt der modernen Wohnkultur, 2001. 4 Vgl. www.marketing-lexikon-online.de 12
Marketing für gebrauchte Möbel beim Möbelkauf als hoch eingestuft (43% der Befragten), das Umweltbewusstsein in derselben Studie allerdings nur als mittelmäßig eingestuft (59% der Befragten).5 Der Trend zur Polarisierung im Konsumentenverhalten bezeichnet eine parallele Entwicklung von verstärkter Preisorientierung und verstärkter Erlebnisorientierung. Diese Parallelentwicklung begründen Beyer/Micheel über das Zusammenwirken folgender Aspekte:6 - Subjektiver Werte- und Verhaltenswandel (smart shopper vs. erlebnisorientierter Konsument) - Objektiv gesellschaftliche Polarisierungstendenzen (zunehmende Arbeitslosenzahlen vs. zunehmende kaufkräftige Gruppen) - Hybrides Kaufverhalten: Ein einzelner Konsument verhält sich je nach Situation und Produkt völlig unterschiedlich, so werden einige Produkte nach Preisgünstigkeit und andere nach Erlebnis/Marke ausgesucht, d.h. dass ein „Rolf Benz“-Kunde gleichzeitig ein „Roller“-Kunde sein kann. 1.2 Soziodemografische Entwicklungen in Dortmund7 1.2.1 Dortmunder Bevölkerungsstruktur In Dortmund lebten in 2001 ca. 586.000 Menschen, Tendenz seit Anfang der 1990er Jahre rückläufig. Ein weiterer Rückgang wird auch für die Zukunft prognostiziert, im Jahr 2015 soll die Einwohnerzahl auf 530.000 gesunken sein. Hauptgründe dafür liegen in etwa gleichen Teilen in einem negativen Wanderungssaldo und höheren Sterbe- als Geburtenraten. Die viel diskutierte Überalterung der BRD-Gesamtbevölkerung betrifft auch Dortmund: ca. 150.000 Dortmunder sind über 60 Jahre alt, ca. 110.000 zwischen 45 und 60, ca. 205.000 zwischen 21 und 45 Jahren und knapp 120.000 Dortmunder unter 21 Jahre alt. 1.2.2 Dortmunder Haushalte Gemäß der gesamtdeutschen Entwicklung, nimmt auch die durchschnittliche Anzahl der Mitglieder pro Haushalt in Dortmund ab. Dies hängt mit dem wachsendem Anteil der älteren Bevölkerung zusammen, mit einer erhöhten Scheidungsquote und den geänderten Lebensplanungen von jüngeren Leuten, sprich das Elternhaus wird früher verlassen, es wird später geheiratet und die Kinderzahl pro Haushalt sinkt. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Dortmund beträgt derzeit 2 Personen, 1990 waren es noch 2,2 Personen. 5 Vgl. BBE-Spezialreport: Ökologisches Wohnen, Jahrgang 2002, www.bbeberatung.com 6 Vgl. Beyer, L.; Micheel, B.: Kundennutzen: Suchfelder für den Wandel im Handel, in: Institut Arbeit und Technik: Jahrbuch 1998/99. Gelsenkirchen, S. 76-96. 7 Vgl. zu diesem Kapitel: Drenk, D.: Sozioökonomische Rahmenbediongungen, AP 12 im Rahmen des ecomoebel-Projekts, 2002. 13
Marketing für gebrauchte Möbel Wohnungen in Dortmund: In Dortmund gab es im Jahr 2000 knapp 300.000 Wohnungen inkl. Wohnheimwohnungen. Seit 1990 ist dies ein Plus von lediglich 1%, der Wohnungszuwachs ist demnach stagnierend. 1.2.3 Dortmunder Mobilität Dortmund verzeichnet jährlich ca. 20.000 Fortzüge und ca. 18.000 Zuzüge. Das negative Wanderungssaldo geht mit einem positiven Wanderungssaldo im Umfeld von Dortmund einher. Diese Suburbanisierung wirkt sich zwar negativ auf die Dortmunder Statistik aus, die Wegzügler ins Dortmunder Umland sind allerdings als potenzielle ecomoebel-Zielgruppe einzubeziehen, da für den Möbeleinkauf die Bereitschaft besteht, in naheliegende Orte zu fahren. Wegzügler in das Dortmunder Umland sind vor allem 30-45-Jährige, die als Beamte oder Angestellte tätig sind, sich in der Familiengründungsphase befinden und ein höheres Einkommen beziehen. Dortmunder Zuzügler sind größtenteils 18-30-Jährige, häufig Studenten oder Auszubildende, die in Einpersonen-Haushalte oder Wohngemeinschaften ziehen. Innerhalb Dortmunds werden jährlich etwa 50.000 Umzüge getätigt. Die Umzugshäufigkeit korreliert stark mit einzelnen Stadtbezirken und deren Altersstruktur. Auch bei den innerstädtischen Umzügen bilden die 18-45-Jährigen die mobilste Bevölkerungsgruppe. Die Mobilität der Dortmunder Bevölkerung ist interessant, da über 1/3 aller Möbelkäufe in Verbindung mit einem Umzug getätigt werden. Von diesen können sich leicht überdurchschnittlich viele Personen vorstellen, Second Hand-Möbel zu kaufen.8 1.2.4 Dortmunder Kaufkraft Die Kaufkraft der Dortmunder liegt leicht über dem Bundesdurchschnitt, jedoch unter der durchschnittlichen Kaufkraft in Nordrhein-Westfalen. Betrachtet man die Kaufkraft bezüglich Einrichtungsbedarf, so liegen die Dortmunder sogar unter dem Bundesdurchschnitt und der negative Abstand zur durchschnittlichen Kaufkraft in Nordrhein-Westfalen ist größer als bei der Betrachtung der Gesamtkaufkraft. Die relativ geringe Dortmunder Kaufkraft, könnte durch eine erhöhte Kaufkraft im Dortmunder Umland ausgeglichen werden. Zudem ist es nennenswert, dass die Dortmunder Kaufkraft in den letzten Jahren leicht gestiegen ist, obwohl der Anteil der Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen gestiegen ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass in Dortmund (gemäß gesamtdeutscher Entwicklung) eine Polarisierung der Einkommensverteilung stattfindet. 8 Vgl. Drenk, D.: Dortmunder Konsumentenbefragung, AP 12 im Rahmen des ecomoebel-Projekts, 2002. 14
Marketing für gebrauchte Möbel 1.3 Untersuchung relevanter Märkte Für die Bestimmung des ecomoebel-Marktes, sind solche Märkte zu identifizieren, die für ecomoebel relevant sind. Eine Marktabgrenzung kann z.B. geografisch oder sachlich vorgenommen werden. Eine grobe geografische Abgrenzung ist im Rahmen des Pilotprojektes unproblematisch, da als Region bereits der Dortmunder Raum bestimmt ist. Eine sachliche Abgrenzung birgt größere Schwierigkeiten, da das Produkt „ecomoebel“ völlig neuartig ist und das Produkt- und Dienstleistungsangebot unterschiedliche Märkte betrifft. Es existiert eine Vielzahl an möglichen Abgrenzungskriterien, so kann beispielsweise ein Schwerpunkt auf das Produkt oder den Konsumenten gelegt werden.9 Zu einer ersten groben Marktabgrenzung steht hier das Produkt im Vordergrund, bei der näheren Zielgruppenbestimmung der Konsument (siehe Kapitel IV Zielgruppenbestimmung). Das Kernprodukt sowie die Dienstleistungen des ecomoebel-Netzwerkes sind Möbel, also ist der Möbelmarkt für ecomoebel von Interesse. Aber nicht der Gesamtmöbelmarkt, z.B. ist der Markt für Markenmöbel wie Rolf Benz sicherlich kein relevanter ecomoebel-Markt. Interessanter sind Märkte mit ähnlicher Preisstruktur, Qualität, Vertriebstypen etc. Ein weiterer Schritt ist die Unterscheidung von Neu- und Gebrauchtmöbeln. ecomoebel sind größtenteils Gebrauchtmöbel und müssen daher mit anderen Gebrauchtmöbeln in den Wettbewerb treten. Im Weiteren erhebt ecomoebel in zweierlei Hinsicht einen ökologischen Anspruch: Einerseits bezüglich der Wiederverwendung von Möbeln und damit der Ressourcenschonung und andererseits auf Grund der Schadstoffarmut. Daher ist auch der Markt für ökologische Güter bzw. ökologische Aspekte als Kaufkriterien zu untersuchen. Analysiert werden im Folgenden der Möbelmarkt, der regionale Markt, der Second-Hand-Markt und der Internetmarkt. Vorab werden die wichtigsten Eigenschaften von Möbeln als Kaufobjekt kurz skizziert. 1.3.1 Kurzcharakteristik von Möbeln Möbel sind langlebige Gebrauchsgüter, d.h. sie erfüllen über mehrere Jahre hinweg ihre Funktion. Möbel können entweder einen gewerblichen Zweck erfüllen wie bspw. Büroeinrichtung oder einem privaten Zweck dienen. Im Weiteren wird aufgrund des Gesamtmarktvolumens und der Altmöbelbeschaffung der private Bereich fokussiert. Möbel stellen i.d.R. Kaufobjekte dar, die einen relativ hohen Geldbetrag erfordern (im Vergleich zu anderen Konsumgütern). Das bedeutet, dass Kaufentscheidungen seltenst ad hoc getroffen werden, ein relativ hoher Suchaufwand betrieben wird und in Mehrpersonen-Haushalten Möbelentscheidungen gemeinschaftlich getroffen werden. Zudem verfügt der Möbelkauf in 9 Vgl. zu diesem Kapitel z.B. Meffert, H.: Marketing, 9. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 181-195. 15
Marketing für gebrauchte Möbel zweierlei Hinsicht über eine persönliche/ soziale Komponente. Zum einen verbleibt das Möbel in einem sehr privaten emotionalen Bereich des Käufers und zum anderen gilt die persönliche Einrichtung i.d.R. als Ausdruck des persönlichen Lebensstils und kann daher auch ein Prestigeobjekt darstellen. Die objektive Vergleichbarkeit von Möbeln ist nur unzureichend gegeben. Qualität kann bspw. nur über Ersatzkriterien wie eigene Erfahrung, Preis oder Marke beurteilt werden. Diese grundlegenden Möbelcharakteristika zeigen an, dass gerade die Vorkaufphase besondere Relevanz besitzt. Der potenzielle Möbelkäufer sollte in dieser Suchphase über objektive Informationen und weitere kommunikative Maßnahmen angesprochen werden. 1.3.2 Der Möbelmarkt Auf dem deutschen Möbelmarkt herrscht ein reger Preis- und Verdrängungswettbewerb, Ausdruck eines weitestgehend gesättigten Marktes. Die Umsatzentwicklung im Möbelhandel ist seit Mitte der 1990er Jahre rückläufig, im Jahr 2002 verzeichnete der Möbelhandel einen Umsatzrückgang von knapp 10%.10 1.3.2.1 Klassische Akteure im Möbelmarkt Die wichtigsten Akteure im Möbelmarkt sind Möbelhersteller, Möbelhändler und Endkunden. Möbelhersteller sind einerseits in- und ausländische Produzenten und andererseits Tischlereien. Im klassischen Fall haben die Möbelproduzenten keinen direkten Kontakt zu den Endabnehmern, sie verkaufen die Möbel an die Möbelhändler. Tischlereien hingegen besitzen sowohl Hersteller- als auch Händlerstatus. Möbelhändler verkaufen ihre Produkte direkt an den Endabnehmer. Hier kann nach verschiedenen Betriebstypen untergliedert werden: Möbelfachhändler, Einrichtungshäuser, Abholmärkte, Spezialgeschäfte, Studios mit gehobenen Niveau, Tischlereien, Antik- und Gebrauchtmöbelhändler sowie Versand- und Internethandel. Der klassische Distributionsweg im Möbelmarkt läuft vom Hersteller über Händler an den Endkunden. Sowohl Hersteller als auch Händler sind sehr stark in Verbänden organisiert, so dass Vertragsabschlüsse i.d.R. von Verband zu Verband geschlossen werden. ecomoebel ist in dieser Distributionsgliederung als Möbelhändler einzuordnen. Der Möbel- hersteller nimmt hier allerdings nicht die Rolle des Möbellieferanten ein. Möbelhersteller könnten für ecomoebel beispielsweise als Informationslieferanten über Inhaltsstoffe der Möbel, als Lieferant von für deren Produktion nicht verwendbaren Hölzern oder in anderer Kooperationsform in Erscheinung treten. 10 Vgl. www.bbeberatung.com 16
Marketing für gebrauchte Möbel 1.3.2.1 Volumen und Struktur im Möbelhandel Der Möbelmarkt befindet sich in einer Umstrukturierungsphase. Die Umsatzanteile der verbandsunabhängigen Möbelhändler sind steigend, während die verbandsorganisierten Händler Umsatzeinbußen verzeichnen müssen. Das Umsatzvolumen von Möbeln betrug 2001 34,1 Mrd. Euro, dies verteilte sich zu 88,3% auf Privatkunden und zu 11,7% auf gewerbliche Kunden. Wie die nachfolgende Tabelle zur Umsatz- und Marktanteilsentwicklung der Jahre 1994 und 1999- 2001 zeigt, sind unterschiedliche Möbelanbietertypen in unterschiedlichem Maße von den gesamtmarktlichen Umsatzeinbußen betroffen. Auffallend ist, dass gerade die nicht-klassischen Vertriebswege im Möbelmarkt wie der Versandhandel und der Direktabsatz Wachstumsraten verzeichnen können. Umsatzanteil (in Mrd. Euro) Marktanteil (in %) Vgl. 01/00* Betriebstyp 1994 1999 2000 2001 1994 1999 2000 2001 Kooperierender 22,59 21,47 22,19 21,30 64,5 63,1 63,0 62,5 -4,0 Möbelfacheinzelhandel1) Verbandsunabhängiger 4,19 3,63 4,32 4,34 11,9 10,7 12,3 12,7 +0,5 Möbelfachhandel Fachhandel insgesamt 26,78 25,10 26,51 25,64 76,4 73,8 75,3 75,2 -3,3 Möbelgroßhandel 1,23 1,10 1,06 0,95 3,5 3,2 3,0 2,8 -10,4 BBO-/PBS-Fachhandel 2,14 2,51 2,58 2,30 6,1 7,4 7,3 6,7 -10,9 Technischer Fachhandel 0,86 0,49 0,49 0,39 2,5 1,4 1,4 1,1 -20,4 Kauf- und Warenhäuser 0,15 0,08 0,08 0,06 0,4 0,2 0,2 0,2 -25,0 SB-Warenhäuser/ 0,38 0,35 0,32 0,32 1,1 1,0 0,9 0,9 ±0,0 Verbrauchermärkte Bau-, Heimwerker-, 0,68 0,90 0,83 0,96 2,0 2,6 2,4 2,8 +15,7 Gartenmärkte Versandhandel 1,43 1,90 1,99 2,02 4,1 5,6 5,7 5,9 +1,5 Direktabsatz/Handwerk 1,13 1,40 1,18 1,26 3,2 4,1 3,3 3,7 +6,8 Sonstige branchenfremde 0,21 0,18 0,17 0,20 0,6 0,5 0,5 0,6 +17,7 Anbieter Insgesamt 35,00 34,00 35,2 34,1 100 100 100 100 -3,1 davon gewerbliche Kunden 4,26 4,1 4,1 4,0 12,2 12,0 11,6 11,7 -2,4 private Kunden 30,74 29,9 31,0 30,1 87,8 88,0 88,4 88,3 -2,9 *Veränderung in 2001 zu 2000 Abb. 5. Umsatz- und Marktanteile im Möbelmarkt11 Die Umstrukturierung im Möbelmarkt wird zudem unmittelbar von der Polarisierung der Nachfrage betroffen. So wird von Fachleuten prognostiziert, dass auch im Möbelmarkt langfristig einerseits spezialisierte und qualitativ hochwertige Möbelanbieter und andererseits besonders preisgünstige Möbelanbieter Bestand haben werden und das sog. mittlere 11 Entnommen aus: Möbelmarkt 08/2002 17
Marketing für gebrauchte Möbel Marktsegment, mit durchschnittlicher Leistung zu einem durchschnittlichen Preis, sich deutlich reduzieren wird. Abb. 6. Polarisierung des Möbelangebots12 1.3.3 Konsumausgaben privater Haushalte Die Konsumausgaben privater Haushalte bezifferten sich im Jahr 2001 auf 1.162,56 Mrd. Euro, davon wurden 2,9% für Möbel und Einrichtungsgegenstände ausgegeben. Dies ist der niedrigste Stand innerhalb der letzten 10 Jahre. Der Entwicklung der gesamten Möbelbranche entsprechend, sind seit Mitte der 1990er Jahre rückläufige Daten zu verzeichnen. 3,40 3,36 3,33 3,27 3,30 3,19 3,20 3,11 3,10 3,04 3,00 3,00 2,96 2,96 2,94 2,90 2,90 2,80 2,70 2,60 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Abb. 7. Anteil Konsumausgaben privater Haushalte für Möbel und Einrichtungsgegenstände in %13 1.3.4 Der Gebrauchtmöbelmarkt14 Zur Charakterisierung des Marktes für gebrauchte Möbel liegt es Nahe ihn einerseits zu dem Markt für Neumöbel abzugrenzen und andererseits im Rahmen des Marktes für andere 12 Entnommen aus: holzmann.de 13 Entnommen aus: Statistisches Bundesamt, Auskunft Januar 2003. 14 Vgl. zu diesem Kapitel Stroeker, N.E.: Second-hand markets for consumer durables, Amsterdam 1995. 18
Marketing für gebrauchte Möbel Gebrauchtgüter einzuordnen. Es interessiert hier vor allem, wie die Beziehung vom Verkäufer zum Käufer gestaltet ist, welche Eigenschaften gebrauchte Güter aufweisen und aus welchen Motiven der Konsument sich für ein gebrauchtes Produkt entscheidet oder eben nicht entscheidet. 1.3.4.1 Eignung von Möbeln für den Gebrauchtgütermarkt Möbel sind langlebige Gebrauchsgüter. I.d.R. trennt sich der Eigentümer von einem Möbel obwohl es noch seinen Zweck erfüllen kann. Es kann in eine technisch-ökonomische und eine sozial-psychologische Lebensdauer von Produkten unterschieden werden. Im Möbelbereich ist die technisch-ökonomische Lebensdauer als sehr hoch einzustufen, dennoch wird die durchschnittliche Lebensdauer von Möbeln in einem Haushalt auf nur 5-8 Jahre geschätzt. Größeres Gewicht scheint demnach die sozial-psychologische Lebensdauer zu haben. Möbel werden also i.d.R. aus geschmacklichen Gründen abgestoßen, obwohl sie noch funktionstüchtig sind und für eine zweite oder dritte Person nutzbar wären. Der zweite wichtige Punkt für die Eignung von Möbeln für den Gebrauchtmarkt ist seine Wertigkeit. Die Preisdifferenz zwischen gebrauchten und neuen Möbeln kann je nach Möbelart und -qualität beachtlich sein. 1.3.4.1 Anbieter-Nachfrager-Beziehung Der Markt für gebrauchte Güter ist umsatzstatistisch, aber auch in der Marketingliteratur, kaum erfasst. Dies mag daran liegen, dass der Handel von Gebrauchtgütern eher informal abgewickelt wird. Der Großteil gebrauchter Produkte wird über Auktionen, Trödel- und Flohmärkte sowie Zeitungsanzeigen vermarktet. Zu einer ersten Charakterisierung ist daher der Verkäufer-/ Käuferstatus zu unterscheiden: Anbieter Nachfrager Organisation Konsument Organisation B2B C2B Business-to-Business Consumer-to-Business Kauf gebrauchter Computer, Verkauf gebrauchter Produkte Büroeinrichtungen von öff. an Gebrauchtwarenhändler Hand, Start-Up’s Konsument B2C C2C Business-to-Consumer Consumer-to-Consumer - gewerbliche Anzeigen - private Kleinanzeigen - Gebrauchtmöbelhändler! - Trödel-/Flohmarkt - Auktionen FORMAL INFORMAL 19
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