Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN - AWO Unterfranken
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4•2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN 74. Jahrgang des „Helfer“ Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen. DIE AWO IN UNTERFRANKEN Glücklich im Alter Alternative Wohnformen bei der AWO. Bezirksjugendwerk Politische Bildungsreise nach München.
WIR IN BAYERN WIR IN UNTERFRANKEN Aus der AWO 3 Editorial 11 AWO liebt Demokratie + Eine Frau aus Bayern AWO Schwerpunkt Ein Heim, für die Bundesspitze + Plädoyer für in dem man frei sein kann 14 Menschlichkeit + Brigitte Tiator im Ruhestand + AWO Leben 16 Frauenpower im Freistaat Bezirksjugendwerk 21 Unser Thema: AWO Impulse 23 Mehr als ein Dach über dem Kopf. 6 Menschen 28 Gemeinsam statt einsam: Quartiersprojekte Service 32 bringen Menschen zusammen + Frauenhäuser: Kreuzworträtsel 38 Wohnen ist existenziell + Interview: Bauen für Senioren braucht Fingerspitzengefühl Liebe Leserinnen und Leser, ein schwieriges und forderndes Jahr geht dem Ende entgegen. Die Corona-Pandemie hat das Leben in einem Maße beeinträchtigt, das für uns alle undenkbar war und sie hat das öffentliche und gesellschaftliche Leben einschneidend verändert. Die Konferenzen der AWO konnten nicht stattfinden, Veranstaltungen wurden abgesagt und die Ortsvereine mussten die so wichtigen Begegnungen auf ein Minimum beschränken. Die letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass die Arbeiterwohlfahrt in Bayern auch in Zeiten der Krise zusammensteht und das „WIR“ lebt. Ob in unseren Pflegeeinrichtungen, in Kitas oder in den Ortsvereinen: überall haben Haupt- und Ehrenamtliche über die Maßen großen Einsatz gezeigt, um Menschen zu begleiten, um Kinder gut zu versorgen, während die Eltern arbeiten müssen, und um Mitmenschen zu ermuntern, die Lebensfreude trotz der Kontaktbeschränkungen nicht zu verlieren. Das verdient großen Respekt. Auch allen Mitgliedern, die unsere Arbeit mit ihrem Beitrag und ihrem Engagement 2020 maßgeblich unterstützt haben, sage ich ganz herzlich Danke. Mit der letzten Ausgabe des Jahres wagen wir normalerweise einen Ausblick, doch dieser ist in diesen Zeiten schwierig. Ich hoffe sehr, dass 2021 wieder mehr Freiräume und uns allen wieder mehr persönliches Miteinander ermöglichen wird. Vor allem aber wünsche ich uns allen, dass wir gesund bleiben. Nutzen Sie - gerade wegen Corona - die Adventszeit und die Feiertage besonders für den Austausch mit den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, verlieren Sie nicht den Mut und kommen Sie gut ins neue Jahr. Herzlich Ihr Thomas Beyer Landesvorsitzender der AWO in Bayern
Vielfältiges Programm – Kostenlos weiterbilden Die kostenlose Teilnahme an dem bayern- weiten Projekt AWO l(i)ebt Demokratie steht allen hauptamtlichen Mitarbei- ter*innen, ehrenamtlich Engagierten, Mitgliedern sowie auch noch nicht in AUS DER AWO der AWO aktiven Menschen offen. Aufgrund der Corona-Situation finden die meisten der Projektangebote derzeit digital statt. Gemeinsam mit dem Team Abschied von Brigitte Tiator des neuen Aktionsbüro Demokratie des AWO Landesverbandes Bayern e.V. kann In einer kleinen Feierstunde hat Landesgeschäftsführer die digitale Technik kennen gelernt und Andreas Czerny die langjährige Leiterin der Freiwilligen- eingeübt werden. Jeden Dienstag von dienste des AWO Landesverbandes, Brigitte Tiator, in 16 Uhr bis 17 Uhr findet eine telefonische den Ruhestand verabschiedet. Brigitte Tiator hat über Online-Sprechstunde zum Thema „Wie Jahrzehnte tausende junge Freiwillige bei der AWO ver- kann ich an Videokonferenzen teilneh- antwortlich begleitet, anfangs Zivildienstleistende, später men?“ statt. Eine formlose Voranmeldung Freiwillige des Sozialen Jahres (FSJ) und zuletzt vor allem im neuen Aktionsbüro Demokratie ist Menschen im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Landes- erforderlich. (Kontakt siehe unten) vorsitzender Prof. Dr. Thomas Beyer hob das große Enga- gement hervor, mit dem Brigitte Tiator die Belange der Die kommenden AWO l(i)ebt Demokratie Freiwilligendienste mit den Bedürfnissen der Einsatz- Online-Veranstaltungen: stellen der AWO in Bayern in Einklang brachte und würdigte • Jeden Monat: Team Toleranz, Team ihre kompetente Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Erinnerungskultur, Team Umwelt Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS), und Nachhaltigkeit, Team Politischer dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), dem Lesezirkel und Team Demokratiechor Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) • 5.Dezember 2020 „Verschwörungs und dem AWO Bundesverband. Auch die Kolleginnen erzählungen – eine Gefahr für die des Fachbereichs sagten mit sehr persönlichen Worten Demokratie?“ herzlich „Auf Wiedersehen“. • 27.Januar 2021 „Lange Nacht der Zweitzeug*innen“ zum Holocaust gedenktag Eine Frau aus Bayern für Kontakt und Anmeldung: die Bundesspitze AWO Landesverband Bayern e.V. Aktionsbüro Demokratie Kathrin Sonnenholzner, seit 2016 stellvertre- zdt@awo-bayern.de tende Landesvorsitzende der AWO in Bayern, 089 / 54 67 54 - 140 soll ab 2021 die Bundesspitze der AWO als Icon Facebook und Instagram: Co-Vorsitzende des Präsidiums verstärken. Die @awodemokratie 64-jährige Jesenwangerin engagiert sich seit www.awo-bayern.de vielen Jahren für die AWO und bringt als SPD- Mitglied des Bayerischen Landtages von 2003 bis 2018 politische Erfahrung in das Amt ein. Die Wahl findet im Rahmen der für Juni 2021 geplanten Bundeskonferenz statt. Weitere bayerische Kandidaten für das neue Präsidium der AWO in Berlin sind Karin Hirschbeck, Vor- sitzende des Kreisverbandes Fürth, und Stefan Wolfshörndl, Vorsitzender des Bezirksverbands Unterfranken. Beide gehören dem Gremium bereits an und stellen sich erneut zur Wahl. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 3
„Menschlichkeit darf nicht DIE „WIR-REDAKTION“ unter Strafdrohung stehen“ Sie haben Anregungen, Lob oder Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Kritik? Ihre Anmerkungen zum Bayern, Prof. Dr. Thomas Beyer, hat die bayerische aktuellen Heft nehmen wir gerne auf. Staatsregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Sie erreichen uns hier: Trägern von Pflegeheimen sowie den Angehörigen- vertretungen klare Rahmenbedingungen zu finden, AUS DER AWO Arbeiterwohlfahrt um Besuche in Pflegeheimen auch in den Winter- Landesverband Bayern e.V. monaten zu ermöglichen. „Die Abschottung des Edelsbergstraße 10, 80686 München Frühjahres darf sich im Interesse aller Beteiligten Telefon 089 546754–0 nicht wiederholen. Heime sind keine Gefängnisse redaktion@awo-bayern.de und können niemals Hochsicherheitstrakte sein“, ist Beyer überzeugt. Der AWO-Chef verwies nicht nur auf die immensen Belastungen, die eine Iso- lierung für Bewohner*innen und ihre Angehörigen mit sich bringt, sondern auch auf den enormen Druck, der dadurch für die Mitarbeitenden in der Pflege erzeugt wird. Andererseits fühle sich die Praxis zu sehr auf sich allein gestellt. „Wir brauchen jetzt klare Regeln für Besuchsmöglichkeiten in den Einrichtungen in Abhängigkeit vom örtlichen Infektionsgeschehen. Die Politik muss der Praxis hier Rückendeckung geben. Es darf nicht sein, dass die Einrichtungen, die der Menschlichkeit den gebotenen Raum geben, in einer permanenten Grauzone bis hin zur Anzeige bei der Staatsanwalt- schaft stehen“, formulierte Beyer seine Erwar- tungen an die zuständigen Ministerien. Gemeinsam für eine Wende Zu einem intensiven Meinungsaustausch kamen im August der Vorsitzende der SPD-Landtags- fraktion, Horst Arnold, und die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Jugend Nichts gegen Beziehungen und Familie im Landtag, Doris Rauscher, in die Nürnberger Geschäftsstelle des Landesver- Peter Gaymann gehört zu den erfolgreichsten bandes. Neben der Würdigung der großen Cartoonisten Deutschlands. Im neuen Tisch- und Leistungen der Beschäftigten des Sozialbe- Postkartenkalender „Cartoons von der Couch“, reichs während der Corona-Pandemie stand erschienen im Medhochzwei-Verlag, bringt er das gemeinsam mit dem Bund Naturschutz wieder viele Beziehungs- und Therapiesituationen in Bayern erarbeitete AWO-Papier für eine humor- und liebevoll auf den Punkt. WIR verlost sozial-ökologische Wende (WIR berichtete in drei Tischkalender von Peter Gaymann. Einsen- Heft 3/2020) im Mittelpunkt des Gesprächs deschluss ist der 31.Dezember 2020. Senden Sie mit AWO Landesvorsitzenden Prof. Dr. einfach eine Mail mit Name, Anschrift und Telefon- Thomas Beyer. nummer an petra.dreher @awo-bayern.de oder eine Postkarte an den AWO Landesverband, Edelsbergstraße 10, 80686 München. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Stichwort „Beziehungen“. 4 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AWO Frauen und Sozialpolitik 100 Jahre Bayerische AWO - das sind auch 100 Jahre Geschichte bayerischer AWO Frauen, wie die im Oktober auf AUS DER AWO dem Nürnberger Hauptmarkt eröffnete Ausstellung Mache- rinnen. Helferinnen Frauen und die AWO zeigt. WIR hat den Historiker Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, Mitherausgeber der Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, nach seinem Blick auf die AWO gefragt. Interview: Isabel Krieger Herr Prof. Rumschöttel, was macht aus Ihrer Sicht die AWO heute aus? Die schwierige, aber bemerkenswert erfolgreiche Kom- bination von drei Handlungsfeldern: Die traditionelle Aufgabe als sozialpolitische Speerspitze im modernen Staat, die gesellschaftlichen Leistungen einer ehrenamt- lich engagierten Mitgliederorganisation und schließlich die Effektivität und Produktivität eines professionellen Dienstleistungsunternehmens. Im sehr harmonischen Konzert der wohlfahrtspflegerischen Spitzenverbände in unserem Freistaat spielt die AWO als „soziale Stimme“ eines Sozialen Bayern eine unverwechselbare (und un- verzichtbare) tragende Rolle. Die Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, von Prof. Dr. Hermann Rumschöttel und Prof. Dr. Thomas Beyer, Welche Rolle spielten für die Entwicklung des Verbandes in ist unter https://verlag.geiselberger.de erhältlich. Bayern die Frauen? AWO-Geschichte ist Frauengeschichte. Oder umgekehrt: Die Ausstellung „Macherinnen. Helferinnen. Frauen Die gesellschaftliche und politische Emanzipation der und die AWO“ lädt zu einem virtuellen Rundgang auf der Frauen im 20. Jahrhundert mit all ihren Hürden und Er- Homepage unter www.awo-bayern.de ein. folgen kann am Beispiel der AWO deutlich vor Augen ge- führt werden. Die AWO war immer auch eine frauenpo- litische Speerspitze. Ins Leben gerufen von einer mutigen, politisch denkenden und handelnden Frau, bis Die Arbeiterwohlfahrt ist Teil der Sozialgeschichte des Frei- heute in der ehrenamtlichen Wohlfahrtspflege mehr- staats. Täuscht der Eindruck, dass das Soziale Bayern bei der heitlich von Frauen getragen und als Aktionsrahmen für geschichtlichen Darstellung bis heute etwas kurz kommt? nach gesellschaftlicher und politischer gleichberechtigter Das muss man leider zugeben. Bayerische Geschichte Mitwirkung strebender Frauen, kann man die Geschich- des 19. und 20. Jahrhunderts in Forschung, Lehre und te der Arbeiterwohlfahrt als eine Erfolgsgeschichte des Darstellung war sehr lange Zeit vor allem Herrscher- Kampfes um Gleichberechtigung verstehen. Eines und Staatsgeschichte. Seit den 1970er Jahren sind aller- Kampfes freilich, der noch nicht beendet ist. dings in wachsendem Maße gesellschaftsgeschichtliche Themen in den Fokus gerückt. „Gesellschaft“ mit ihren wirkungsmächtigen Aktivitäten und ihren einflussrei- „Die AWO ist bis heute chen Organisationen wird heute als wesentliches, zum Teil als entscheidendes Element der historischen Ent- eine sozialpolitische wicklung erkannt und beschrieben. Ein nicht unwichti- Speerspitze.“ ger Grund für die „Staats- und Kirchenlastigkeit“ der älteren Landesgeschichte ist die Tatsache, dass die Quel- Historiker Prof. Dr. Hermann lenlage ordentlich ist. Ein Hinweis deshalb an die AWO: Rumschöttel. Man muss seine Spuren dokumentieren, wenn man will, dass sie später ein Historiker entdeckt. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 5
Nur ein Dach? Wie wollen wir im Alter leben? Lange stellten sich die Menschen diese Frage LEBEN UND WOHNEN nicht. Der Familienverbund, das Dorf, die Nachbarschaft waren mehr oder weniger verlässliche Garanten dafür, zumindest die rüstigen Jahre gut in den eigenen vier Wänden verbringen zu können. Doch mit zunehmender Mobilität, mit ausblutenden Ortschaften auf dem Land, mit immer weniger bezahlbarem Wohnraum nicht nur in den Ballungsräumen und einer immer älter werdenden Gesellschaft rückt das Thema Wohnen im Alter stärker in den Blick. Die bayerische AWO hat mit dem Projekt „LiA - Leben im Alter“ ???????? eine Bestandausnahme gemacht, welche Wohnformen und Unterstützungs- angebote es für das letzte Lebensdrittel gibt – von Pflegeeinrichtungen bis zum ambulanten Wohnen. „Die häufigste Wohnform im Alter, nämlich das Wohnen in einer normalen Wohnung, spielt in der öffentlichen Diskus- sion um die Versorgung älterer Menschen häufig nur eine untergeordnete Rolle“ , sagt Stefanie Fraaß, die das Projekt für den AWO Landesverband Bayern durchgeführt hat. Dabei wünschten sich die meisten Menschen genau das. „Ziel ist es deshalb, älteren Menschen – sowohl im länd- In vielen Regionen Bayerns hat die AWO bereits Anlauf- lichen Raum, in Stadtrandgebieten als auch in städtischen stellen geschaffen, die sich mit dem Älterwerden im Wohnquartieren – die Unterstützung zukommen zu lassen, eigenen Quartier beschäftigen. So gibt es beispielsweise die sie brauchen, um im Alter so lange wie möglich gut in Augsburg, Landshut, Forchheim und Nürnberg Projekte in den eigenen vier Wänden zu leben.“ für Betreutes Wohnen und Quartiersmanagement. Ein besonderes Projekt hat die AWO im oberfränkischen Coburg Die Vernetzung und das Zusammenspiel von Dienstleis- initiiert. Unter dem Dach eines eigenen Trägervereins, tern, An- und Zugehörigen, Nachbar*innen und Ehren- der am Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist, eröffnete amtlichen sind dabei ein Schlüsselfaktor. Sie ermöglichen 2009 das alternative Wohnprojekt Wilna. Die Abkürzung den Aufbau von Versorgungsnetzwerken. Die Angebote steht für „Wir leben nicht allein“. 15 abgeschlossene müssen sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren: barrierefreie Wohnungen sowie eine Gemeinschaftswoh- Vielleicht braucht es einem Viertel zum Beispiel keinen nung stehen hier Menschen allen Alters in einem altein- Supermarkt, aber dringend einen Hausarzt. In einem gesessenen Wohnquartier der gut 40.000 Einwohner anderen hingegen eine funktionierende Nachbarschafts- zählenden Stadt als Mietwohnungen zur Verfügung. hilfe als Ergänzung bereits bestehender Infrastruktur. „Im Rahmen von lokalen Verantwortungsgemeinschaf- Die Bewohner*innen des Mehrfamilienhauses unter- ten können die Akteure vor Ort die Konzepte entwickeln, stützen sich gegenseitig im Alltag und organisieren auch die passgenau sind“, fasst Fraaß zusammen. gemeinsame Aktivitäten. Mehr als zehn Jahre sind seit der Eröffnung vergangen und Johanna Thomack vom Trägerverein zieht eine positive Bilanz. „Es war ein langer „Wer im Alter nicht Prozess, bis wir das Haus eröffnen konnten. Wir mussten allein sein will, die Idee erst zu den Menschen bringen. Doch heute sind alle Wohnungen vermietet. Wir haben sogar eine Warte- muss auf Menschen liste und Interessenten für weitere Häuser“, sagt sie. „Was zugehen.“ uns fehlt, sind brauchbare Immobilien und Investoren für ein weiteres Quartiersprojekt“, sagt Thomack. Ursula Schmitt
Zusammen Leben Ursula Schmidt ist eine der Bewohnerinnen. Vor drei Jahren zog die rüstige 75-Jährige aus ihrem Haus in Im Landkreis Coburg hat die AWO vor gut fünf eine 85 Quadratmeterwohnung im Erdgeschoss und hat Jahren ein innovatives Projekt auf den Weg gebracht: ihren Entschluss nicht bereut. „Nach dem Tod meines „Zusammen Leben“ soll ältere Menschen mit Familien LEBEN UND WOHNEN Mannes war ich alleine in einem großen Haus. Hier zusammenbringen. Das Projekt ist am Coburger habe ich Menschen und Geselligkeit, kann aber auch Mehrgenerationenhaus angesiedelt. WIR hat bei die Türe zu machen, wenn ich mag“, sagt sie. Projektleiterin Kristin Herbst nachgefragt. Doch nicht nur im Haus, auch mit der Nachbarschaft gibt Frau Herbst, was müssen Menschen mitbringen, es mittlerweile einen guten Austausch. Zum Beispiel beim die sich auf ein gemeinsames Wohnprojekt wie gemeinsamen Mittagessen, zu dem regelmäßig Menschen „Zusammen Leben“ einlassen? ???????? zusammenkommen und von ehrenamtlichen Mitarbei- Auf jeden Fall Offenheit und klare Vorstellungen. ter*innen bekocht werden. Die Wohnung kann auch Zusammen zu leben, bedeutet immer auch, sich auf privat von den Bewohnern genutzt werden. „Die Mieter einen anderen Menschen einzustellen. Das geht nur, beherbergen hier beispielsweise Gäste“ sagt Johanna wenn ich selbst genau weiß, wie ich leben möchte. Thomack. Die Sozialpädagogin steht als Ansprechpartnerin bereit, vermittelt, organisiert und unterstützt, wo nötig, Wer kommt zu Ihnen? die Hausgemeinschaft. „Es gibt natürlich auch immer Das sind meist ältere Menschen, die nicht mehr mal was zu klären. Alles in allem kann man aber sagen, alleine leben wollen und Anschluss suchen. Wir dass es ziemlich gut klappt“. Das Nachbarschaftsnetz, sprechen aber auch gezielt Menschen an, die über das zunächst nur für den Stadtteil konzipiert war, hat leerstehenden Wohnraum verfügen und vielleicht mittlerweile viele Äste, von denen auch das Coburger Mehr- einen älteren Menschen oder eine Familie bei generationenhaus profitiert. „Wir haben heute über sich aufnehmen wollen. 300 Ehrenamtliche, die sich in der gesamten Stadt enga- gieren“, sagt Thomack. „Das ist ein riesen Gewinn“. Sie empfehlen, das Zusammenleben klar zu regeln, etwa Hilfen vertraglich festzuhalten. Widerspricht Für Stefanie Fraaß vom AWO Landesverband ein Beispiel, das nicht der Idee des gemeinschaftlichen Lebens wie das Zusammenspiel der Akteure zugunsten eines und Wohnens? Miteinanders der Generationen gelingen kann. 2021 Im Gegenteil. Je genauer die jeweiligen Erwartungs- soll der Abschlussbericht des Projekts LiA erscheinen, haltungen und Vorstellungen schon im Vorfeld aus- mit einem Fazit, welche Aufgaben nicht nur auf die AWO gesprochen und schriftlich fixiert werden, desto in den nächsten Jahren zukommen. „Wenn wir als Ge- mehr Freiräume entstehen im Alltag, weil jeder sellschaft den Vorstellungen von Senior*innen gerecht weiß, was er vom anderen erwarten kann und darf. werden wollen, müsse wir uns mit dem Thema Leben und Wohnen mehr beschäftigen“, ist sie sich sicher. Was leisten Sie als Projektleiterin? Wir bringen die Interessenten zusammen und schauen, ob es passt. Dazu braucht es oft vieler „In unseren Wohnprojekten Gespräche. Manchmal hakt es an Kleinigkeiten, beispielsweise, dass jemand eine Katze hat, der unterstützen sich Menschen potenzielle künftige Mitbewohner aber eine Haus- gegenseitig im Alltag. Das hilft tierallergie. So etwas kann man schon zu Beginn allen, die dort leben.“ klären. Und natürlich begleiten wir die Projekte. Manchmal gibt es auch Krisen. Dann bieten Johanna Thomack und Kristin Herbst, wir Mediation an. Oder aber die Lebensumstände Mehrgenerationenhaus Coburg verändern sich, weil jemand erkrankt. Dann können wir als Fachstelle für pflegende Angehö- rige zum Beispiel Unterstützung organisieren. Infos unter www.awo-mgh-coburg.de/ ueber-uns/leben-in-gemeinschaft WIR • Das Magazin der AWO Bayern 7
Mit einer Schmink- aktion mitten in der Stadt wies das Würzburger Frauen- haus auf das Problem LEBEN UND WOHNEN von Gewalt gegen Frauen hin. ???????? Von allem zu wenig In den letzten Jahren suchten jährlich etwa 1.700 Frauen in Bayern mit Wohnen ist existenziell mehr als 1.700 Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Bayernweit gibt es 39 staatlich geförderte Frauenhäuser, darunter sieben in Trägerschaft der Für Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung in ein Frauenhaus geflüchtet AWO, die 362 Plätze für Frauen und sind, womöglich mit Kindern, ist Wohnen weit mehr als ein Dach über dem 437 Plätze für Kinder bereitstellen. Kopf – es ist existenziell. In den vergangenen Jahren war die Situation der Gemäß der von Deutschland ratifizierten Frauenhäuser im Freistaat jedoch finanziell angespannt. Die AWO hat darauf Istanbulkonvention müsste wenigstens über Jahre hinweg immer wieder hingewiesen. Nun gibt es seit 2019 mehr ein „Family place“ (=2,59 Betten) pro Geld für die Frauenhäuser, die damit zusätzliche Plätze schaffen können. 10.000 Einwohner*innen vorgehalten Doch noch immer nicht gelöst ist das drängendste Problem: der fehlende werden. Nach Empfehlung des Europa- Wohnraum im Anschluss. Weil sie vor allem in Ballungsräumen keine bezahlbare rates wäre sogar ein Frauenhausplatz Wohnung finden, in die sie nach der Obhut des Frauenhauses ziehen können, pro 7.500 Einwohner*innen angemes- bleibe viele Frauen dort länger, als sie selbst eigentlich wollen. Das führt dazu, sen. Eine Bedarfsermittlungsstudie von dass die Plätze in den Frauenhäusern weiterhin knapp bleiben, auch wenn 2016 zeigte: Der Freistaat ist bislang Einrichtungen wie das Würzburger Frauenhaus durch die höhere Förderung davon weit entfernt. Anfang 2021 vier zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen können. Die AWO ist an dem Modellprojekt Etwas Entspannung bringt seit 2020 ein vom Sozialministerium gefördertes Second-Stage an folgenden Stand Projekt mit dem Namen „Second - Stage“. Es macht den Frauenhäusern mög- orten beteiligt: lich, die Frauen bei der Wohnungssuche zu unterstützen und sie auch während • AWO Frauenhaus Dachau gGmbH, der ersten Zeit in der neuen Bleibe zu betreuen und zu begleiten. „Das sind Frauenhaus Dachau Frauen, die haben kein soziales Netz und vielfach auch keine Familie und keinen • AWO Bezirksverband Unterfranken e.V., Beruf“, sagt Brita Richl, Leiterin des Würzburger Frauenhauses, „ohne Unter- Frauenhaus Würzburg AWO stützung ist es für sie fast unmöglich, eine Wohnung zu bekommen“. Seit Januar • AWO Kreisverband Mittelfranken Süd 2020 ist am Würzburger Frauenhaus, das eines von bayernweit 17 Second- e.V., Frauenhaus Schwabach Stage Projekthäusern ist, eine Mitarbeiterin angesiedelt, die sich um Kontakte • AWO Kreisverband Wunsiedel e.V., mit Wohnungsbauunternehmen und Vermietern kümmert. Obwohl Corona den Frauenhaus Selb Mietmarkt im Frühjahr komplett lahm legte, gibt es erste Erfolge: Im August • AWO Betriebsträger und Projektent- konnte eine Frau mit vier Kindern, die zuvor eineinhalb Jahre im Frauenhaus wicklungsgesellschaft mbH Augsburg, lebte, eine Second-Stage Wohnung beziehen. Weitere Gespräche laufen. Frauenhaus Augsburg • AWO Ortsverein e.V. Neu-Ulm, „Wohnungssuchen sind sehr zeitintensiv“, sagt Frank Alibegovic, Fachbereichs- Frauenhaus Neu-Ulm. leiter Kinder, Jugend und Familie beim Bezirksverband Unterfranken „es gibt wenige, die finanziell überhaupt in Frage kommen“. Doch auch nach einem Umzug ist Unterstützung nötig: „Diese Frauen brauchen bei vielen Themen Hilfe. Das fängt bei der Korrespondenz mit Behörden an und geht bis zur Suche nach einem Kinderarzt“, berichtet Brita Richl. „Das Übergangsmanagement ist ganz entscheidend. Nur so kann der Weg in ein eigenständiges Leben gelingen.“ 8 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
INTERVIEW Leonhard Höss, Jahrgang 1963, studierte Architektur und betreibt Bauen mit Finger- zusammen mit zwei Partnern das Büro Höss Amberg + Partner LEBEN UND WOHNEN Architekten in München, das spitzengefühl sich auf das Planen und Bauen barrierefreier Architektur vor allem für die ältere Generation Interview: Isabel Krieger spezialisiert hat. Infos unter www.hap-architekten.de Herr Höss, die meisten Architekten angeschlossen. Wir versuchen, ???????? bauen für junge und gesunde Men- Grundrisse zu entwickeln, die schen. Schicke Lofts, Offices, Kitas. Ihr unterschiedliche Nutzungsszenarien Büro hat sich auf den Bau von Pflege- ermöglichen, damit das Heim nicht heimen spezialisiert. Wie baut man schon nach wenigen Jahren wieder für hochbetagte Menschen? komplett umgebaut werden muss. Unser erstes neugebautes Heim ent- Damit man aus zwei Einzelzimmern stand Ende der 1980er Jahre in ein Appartement machen oder in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium einem Gebäudeflügel ohne großen für Altenhilfe. Es war ein Modellpro- Aufwand eine Demenzwohngruppe jekt, in dem ein Wohngruppenkon- oder Pflegeoase einrichten könnte. zept umgesetzt wurde, was damals noch ungewöhnlich war. Seither Früher waren Heime meist zweigeteilt: hat sich viel verändert. Es gibt immer Es gab einen Bereich für die „Rüstigen“, nicht riesige Fassaden bauen, wieder Stimmen, die meinen, Heime und einen Bereich für Menschen mit man kann auch Flure und Eingangs- werden nicht mehr gebraucht. Das Pflegebedarf. Heute sind Heime fast bereiche nutzen, indem man dort glaube ich nicht. Es wird immer ausschließlich Orte für Menschen, die Lichthöfe schafft, die Tageslicht Heime geben, denn das Pflegethema am Ende des Lebens Pflege benötigen. hereinlassen. In den Wohngruppen bleibt. Man versucht heute mehr als Was bedeutet das für die Gestaltung wiederum darf es nicht überall hell früher, in Heimen das Leben abzu- der Räume? sein, da muss das Lichtkonzept den bilden. Durch Hausgemeinschaften, Die Bewegungsflächen sind in den Tag -Nacht-Rhythmus der Bewohner durch kleinere Wohneinheiten mit vergangenen Jahren etwas größer berücksichtigen. Ein Pflegeheim ist Küche und Gemeinschaftsbereich, geworden, der einzelne Mensch hat kein Krankenhaus light. Die Wohnlich- durch Einzelzimmer, die auch in der einen größeren Radius zugesprochen keit muss im Vordergrund stehen. letzten Phase des Lebens eine ge- bekommen. Zudem ist es seit einigen wisse Privatheit ermöglichen. Darüber Jahren Vorschrift, dass mindestens Alte Menschen sind verletzlich. Sie hinaus spielt Teilhabe eine große ein Viertel der Zimmer rollstuhl- hören und sehen oft schlecht, sind Rolle. Wir haben neulich ein Heim gerecht ist. Das ist für die Betreiber sturzgefährdet. Demente Menschen aus den 1970er Jahren abgerissen, nicht immer leicht, denn auch verlieren häufig die Orientierung. Wie das hatte noch zehn steile Stufen bestehende Bauten müssen nach- kann die Architektur dagegen wirken? bis zum Eingang. Und igendwo gerüstet werden, was mit hohen Man kann man Räume schon versteckt einen Aufzug. Das gibt es Kosten und viel Aufwand verbunden so gestalten, dass sie Sicherheit heute nicht mehr. ist. Nicht selten ist da ein Neubau, und Orientierung geben. Indem der auch energietechnisch auf dem man sie klar strukturiert, in dem Wie wird stattdessen gebaut? neuesten Stand ist, besser. man Farben verwendet, die positiv Wenn ein Heim neu entsteht, dann wirken, in dem man Fluchttüren natürlich barrierefrei und vom Viele Menschen in Heimen sind bett- dezent verkleidet, indem man Grundriss her so gestaltet, dass es lägerig, viele haben Demenz. Kann die Übergänge im Boden schafft, die ins Quartier passt. Dem geht meist Architektur da einen positiven Beitrag ein Signal aussenden, wenn ein ein langer Abstimmungsprozess, mit leisten? dementer Mensch die Einrichtung der Kommune, mit den Anwohnern Ich denke schon. Licht etwa spielt verlassen will. Hinter dem was und natürlich mit dem Betreiber, eine große Rolle. Man weiß heute, machbar ist, stehen oft natürlich voraus. Einige Heime haben heute dass Tageslicht die Stimmung positiv ethische Fragen. Wie viel Sicher- auch eine Tagespflege oder eine beeinflusst, gerade dann, wenn heit braucht es, wie viel Freiheit Cafeteria, die auch von externen Menschen an Demenz leiden. Um muss sein? Das ist eine Debatte, Besuchern gerne genutzt wird, Licht ins Haus zu holen, muss man der sich die Pflege stellen muss. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 9
Gut gedacht und gemacht LEBEN UND WOHNEN HalliHallo Viele gute Ideen haben Menschen Damit Seniorinnen und Senioren Klein, aber fein: Der Kerwa-Baum 2020 während der letzten Monate entwickelt, auch in Zeiten von sozialem Abstand um die Folgen der Corona-Krise für andere Menschen unterstützen kön- Alte, Arme und Familien mit Kindern nen, hat Sonja Block während des abzumildern. Die Bertold Kamm Stif- Lockdowns ein Projekt zum Austausch tung will dieses Engagement würdi- gestartet. Die Idee: Senior*innen gen: Mehr als ein Dutzend Zuschriften sprechen online mit Menschen, die mit Ideen aus allen Teilen des Landes ihr Deutsch verbessern wollen. Sie gingen ein. Fünf besonders gelungene bieten den Deutsch-Lernenden in Projekte hat die Jury des Stiftungsvor- Video-Gesprächen einen geschützten standes daraus nun ausgewählt. Sie Raum, in dem diese ihre Sprach- werden mit 200 Euro ausgezeichnet. Alle kenntnisse in Ruhe anwenden können anderen Projekte erhalten als Aner- und sie dadurch verbessern. Ein tolles kennung 50 Euro. Die Stiftung sagt Danke Einzelengagement, das gewürdigt ge- Handpuppe Purzelbaum geht YouTube für so viel Engagement. hört. Infos unter www.hallihallo.org Ein Hauch von Kerwa Lebensmittel für Alte und Arme Traditionell startet mit der Kerwa im Gleich zu Beginn der Pandemie hatte Erlanger Ortsteil Büchenbach jedes Jahr die AWO Nachbarschaftshilfe Otto die Kirchweih des AWO Sozialzentrums brunn- Hohenbrunn- Neubiberg in Büchenbach, das neben seinen eine Lebensmittelaktion ins Leben Bewohner*innen auch die Menschen gerufen, um bedürftige Menschen im Stadtteil einlädt. Wegen Corona zu unterstützen. Anfangs gaben die HalliHallo schafft Begegnungen konnte die Büchenbacher Kerwa 2020 Aktiven weiter, was gespendet wurde, nicht stattfinden. Umso stolzer ist das bald unterstützten auch Betriebe Sozialzentrum darauf, dass es seinen aus der Region das Projekt, das sich Bewohner*innen eine zwar etwas schnell so etablierte, dass die „Aktion kleinere und hausinterne, aber den- Mensch“ darauf aufmerksam wurde noch gelungene Kerwawoche ermög- und es finanziell einmalig unter- lichen konnte. Dabei gab es fränkische stützte. Nun ist es Winter geworden, Schmankerl, Musik und viele Aktionen die Pandemie hält an und die Nach- und die Wohnbereiche waren ge- barschaftshilfe würde die Initiative schmückt. Und natürlich durfte auch gerne fortführen. Auch dafür gibt es ein Kerwabaum nicht fehlen. 200 Euro von der Kamm Stiftung. Lebensmittelspenden in der Krise Purzelbaum auf YouTube Eisrallye durch Füssen Damit ihre Krippenkinder während Der Lockdown in der Corona-Krise des Lockdowns ihre geliebte Hand- stellte insbesondere Familien vor puppe, das Zwerglein Purzelbaum, große Herausforderungen. Gegen nicht vergessen, hatte sich Krippen- Frust, Langeweile und Lagerkoller mitarbeiterin Conny Reichert von der entwickelten die Leiterinnen des AWO Kinderkrippe Zauberwald in Burg- AWO FamilienForums in Füssen die hausen etwas Besonderes ausgedacht. 1. Füssener AWO-Eisrallye. Über Sie richtete kurzerhand in ihrer Woh- einen Zeitraum von drei Wochen nung ein kleines Aufnahmestudio konnten Familien mit Kindern ein - und dann wurde gefilmt. Pur- an einer Schnitzeljagd durch die zelbaum bekam auf Youtube dann Stadt teilnehmen. Die Lösungs sogar einen eigenen Kanal. Dort buchstaben waren an öffentlichen sind mittlerweile eine ganze Reihe Plätzen versteckt. Am Ende gab es Videos zu sehen. Die Jury ist der für alle 77 Teilnehmer*innen ein Eisrallye quer druch Füssen Meinung: Das ist tolles Engagement! leckeres Eis. 10 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
WIR Inhalt 12 AWO Leben IN UNTERFRANKEN Wussten sie schon, dass … • AWO macht Schlagzeilen • SPD Marktbreit spendet Rosen • Spende für Gerbrunner EDITORIAL / INHALT Waldkindergarten Liebe Leser*innen, im Herbst hat uns die Corona-Pandemie nochmals voll erwischt. Wer dachte, das Frühjahr war schon schlimm und damit sei alles überstanden, sieht sich nun ge- täuscht. Im Sommer fielen viele uns lieb Foto: Pat Christ gewordene Traditionen, wie Volksfeste, Jahrmärkte, Kirchweih oder Weinfeste 14 einfach ersatzlos aus. Das gesellschaftliche AWO leistet Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Leben wurde fast auf Null heruntergefah- Vereinten Nationen. ren. Nun im Herbst und wahrscheinlich auch im Winter wird es nicht besser. Die 14 Thema: AWO Schwerpunkt Im AWO-Seniorenzentrum Knetzgau wird kein Weihnachtsmärkte werden fast überall Bewohner bevormundet oder gegängelt abgesagt oder finden nur in veränderter Form statt. Kein gemütliches Beieinander, 17 AWO Leben selbst die Kontakte bei Familienfeiern sind Tagespflege Werntal bietet regelmäßig Fahrten an • eingeschränkt. Wie will man denn einen 40 Jahre Arbeiterwohlfahrt in Gerbrunn • Haus Sonnen- blick bekam neues Auto • Partensteiner Einrichtungs Geburtstag oder ein anderes Jubiläum mit leiterin geht in Ruhestand • Jugendwerk on Tour • nur wenigen Personen feiern? Da geht Waldbande in Volkach • Weiterbildung erfolgreich abge- ganz viel menschliche Nähe verloren. schlossen Die Herzlichkeit der ganzen AWO-Familie wird auf eine harte Probe gestellt. Auch Foto: Tagespflege Werntal beruflich sind die Einschränkungen spür- bar, wenn man mal in die Seniorenheime schaut oder sich die Betreuung unserer Kleinsten im Kindergarten betrachtet. 17 Kuscheln mit Maske, das geht doch über- AWO Tagespflege Werntal: Ausflüge in Zeiten von Corona. haupt nicht. Aber verlieren Sie nicht den Mut, es kommen 23 AWO Impulse auch wieder bessere Zeiten und die werden Johanna-Kirchner-Haus wird umfassend saniert • AWO-Internetcafe für Senioren Ochsenfurt • Pflegekräfte wir dann noch intensiver genießen. demonstrieren für bessere Rahmenbedingungen in der Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe Pflege • Reisetipp: Geschichte und Genüsse neu entde- ist der 2. Januar 2021. cken Herzlichst Ihr 28 Menschen Matthias Ernst Ungewöhnlicher Besuch im Bernhard-Junker-Haus • Redakteur Ingrid Schinagl feierte 65. Geburtstag • Leitungswechsel im Parkwohnstift • Ehrungen • Seniorentreff unter freiem Himmel Kontakt: Tel: 0931 29938-247 (Di. und Do., 9–15 Uhr) 32 Service Mobil: 0176 38740644 Fördererwerbung in Zeiten von Corona • Gewinnspiel • E-Mail: matthias.ernst@ Veranstaltungen • Mitgliedervorteile • Rechtstipp awo-unterfranken.de WIR • Das Magazin der AWO Bayern 11
Wussten Sie schon, dass ... … die Bundesregierung bis 2025 über eine Millionen Ganztagsbe- treuungsplätze schaffen und einen Rechtsanspruch auf eine ganz- tägige Betreuung für alle Grundschulkinder einführen will. Klingt erst mal gut, aber ein hastiges Verfahren, diesen einzuführen, birgt AWO LEBEN auch die Gefahr, dass der qualitative Anspruch daran verloren geht. Denn das schadet den Kindern und der Chancengleichheit. Gute Ganztagsbetreuungen dürfen keine Verwahranstalten aus einem Eilverfahren heraus sein. Daher fordern wir gemeinsam mit dem AWO Bundesverband und weiteren Verbänden die Qualität beim Ausbau des Ganztages als oberstes Ziel anzusetzen. … die AWO sich an der Aktion: „Eine gute Zukunft für alle? Daran arbeiten wir!“ beteiligt? Nachhaltigkeit bedeutet, so zu leben, dass es eine gute Zukunft für alle gibt. In den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen finden sich auch unsere AWO-Werte: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz wieder. Wir wollen jetzt zeigen, wie man sie ganz praktisch im Alltag mit Leben füllen kann: Deshalb startet die AWO-Kampagne für eine nachhaltige Wohl- fahrt, mit Praxistipps, Erfahrungsberichten und Ideen für eine nachhaltige Zukunft von Sozialer Arbeit und Ehrenamt. 18 000 Einrichtungen und Dienste der Arbeiterwohlfahrt sind schon dabei - auch wir, die AWO Unterfranken! Auf der Kampagnenseite finden sich be- reits viele Projekte aus der AWO-Welt: www.wirarbeitendran.awo.org ... der AWO Garten- und Landschaftsbetrieb MainGar- ten umgezogen ist? Für zu- künftigen Schriftverkehr bitte nur noch die neue Adresse benutzen: MainGarten, AWO Integrations gGmbH, Michelfelder Str. 7, 97340 Marktbreit Auch die E-Mail Adresse hat sich geändert. Ab sofort ist nur noch nachfolgende E-Mail Adresse verfügbar: Post@main-garten.de Foto: MainGarten Sie erreichen uns auch telefonisch unter: 09332 5902380 12 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AWO MACHT SCHLAGZEILEN Foto: SPD Marktbreit Essen für Senioren AWO LEBEN Unter dem Titel: „Genussvoll es- sen in Senioreneinrichtungen“ berichtet die Main-Post am 11. SPD Marktbreit spendet Rosen an das Haus der Senioren Oktober über eine Fortbildung für schmackhaftes Essen für Senioren, Normalerweise gibt es jedes Jahr für die Mütter und Großmütter, welche an der auch das AWO Senioren- die Schulanfänger*innen auf ihrem ersten Tag in die Schule begleiten, zentrum in Mömlingen teilnahm. eine Rose, berichtet der Vorsitzende der SPD Marktbreit Werner Hund. Dies Weiter heißt es: „Neben einer sei schon seit 40 Jahren bei der SPD Tradition. guten Pflege ist eine gute Verpfle- Da die Rosenaktion dieses Jahr der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen gung die Grundlage dafür, dass war, wollte der Verein trotzdem eine Freude machen und entschied sich sich die Menschen in den Einrich- dafür, die Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen des Haus der Senioren tungen wohl und zu Hause fühlen Marktbreit zu beschenken. Die Rosen nahm stellvertretend für alle Bewoh- können. Die sieben unterfrän- ner*innen Frau Sylvia Geenen als Vorsitzende des Heimbeirates entgegen. kischen Coaching-Einrichtungen haben dies erkannt und sich im Spende für den Waldkindergarten Coaching Seniorenverpflegung auf den Weg gemacht“. Anfangs stan- den die Themen Essatmosphäre Mitten im Wald in Gerbrunn fand Der AWO Waldkindergarten wird vo- und Speiseplanung im Mittel- vor kurzem eine Geldübergabe der raussichtlich auch auf das Gelände punkt. Die Teilnehmenden ent- besonderen Art statt. Unter den Au- Roman Hill ziehen und freut sich wickelten Ideen für Ihre Einrich- gen von Gerbrunns Bürgermeister jetzt schon auf diese spannende tungen und setzten diese in ihren Stefan Wolfshörndl, Sozialdemokrat Nachbarschaft: Nachhaltigkeit, Res- Küchen um, wie zum Beispiel und Vorstand AWO Unterfranken, sourcen schonend, Eins mit der Na- Menülinien ausgewogen gestalten, übergaben Sabrina Lohmann und tur, Low-Waste-Mentalität, Strom- mehr Gemüse und Hülsenfrüchte Christoph Henneberger einen Scheck versorgung über Solar-Zellen – es im Speiseplan, neue Rezepte aus- in Höhe von 500 Euro an den AWO gibt viele Gemeinsamkeiten der probieren , sich um neues Geschirr Waldkindergarten. „Die Gemeinde beiden Projekte. kümmern, die Essatmosphäre zeigt sich stets kooperativ und ent- gemütlicher gestalten. Zum Ab- „Wir sagen Danke zu dieser tollen gegenkommend, wir wollen etwas schluss gab es für die Teilnehmer Spende und freuen uns auf unsere zurückgeben,“ so Sabrina Lohmann, ein Zertifikat. neuen Nachbarn“, so Wolfshörndl. die im Moment in Gerbrunn das Tiny House Henry vermietet. Demonstration gegen Rassismus Unter der Überschrift: „Demonst- ration für Demokratie und gegen Intoleranz und Rassismus“ berich- tet InFranken am 4. Oktober über eine vielbeachtete Demonstration in Kitzingen. Weiter heißt es: „Für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Foto: OV Gerbrunn sprach Gerald Möhrlein. Er unter- strich, dass rechtsradikalen Ten- denzen entgegengearbeitet und die Sensibilität in der Bevölkerung Willkommene Spende für den Gerbrunner AWO-Waldkindergarten von gestärkt werden müsse, um fried- Sabrina Lohmann und Christoph Henneberger. lich und in Solidarität zusammen- Die Spende nahm AWO-Vorsitzender Stefan Wolfshörndl (links) entgegen. leben zu können.“ WIR • Das Magazin der AWO Bayern 13
AWO SCHWERPUNKT Foto: Pat Christ Selbst in Corona-Zeiten fühlen sie sich im AWO-Seniorenzentrum Knetzgau frei, sagen (von links) Renate Köntop, Horst und Felicitas Meißner im Gespräch mit Ulrike Hahn, Bereichsleiterin bei der AWO in Unterfranken. AWO leistet Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen Ein Heim, in dem man frei sein kann Er möchte sein Leben niederschreiben, schon lange arbeitet nicht hätte weitergehen können. „Beide meiner Beine Horst Meißner daran. „120 Seiten umfasst meine Biografie sind spastisch gelähmt“, berichtet die Rollstuhlfahrerin. inzwischen“, sagt der 83-Jährige. Fast täglich nimmt sich Felicitas Meißner kann auf eine spannende Berufslauf- Meißner vor, was er bisher geschrieben hat. Er ergänzt. bahn zurückblicken. Die 88-Jährige studierte an der Streicht aus. Korrigiert. Dies tut der aus Nürnberg stam- Dresdner Kunstakademie. Sie malte in allen Techniken. mende Senior im AWO-Seniorenzentrum Knetzgau, wo er Porträts waren ihre Spezialität. Als Dozentin bildete sie seit vier Jahren mit seiner Frau Felicitas lebt. Hier hat er in Nürnberg viele Künstlerinnen und Künstler aus. Dem, die Muße, die Zeit und vor allem die Freiheit, den eigenen womit sie sich ihr ganzes Leben lang beschäftigt hat, Lebensspuren nachzuforschen. kann sie auch im Knetzgauer Seniorenzentrum nach- Horst Meißner ist kein Mensch, der gern stundenlang gehen. Ebenso wie ihr Mann Horst genießt es Felicitas auf der Couch liegt. Er möchte kreativ sein. Etwas Meißner, die Ruhe und die Freiheit zu haben, ihrer Lei- schaffen. „Ich lese, schreibe und male“, berichtet der denschaft, dem Malen, zu frönen. Hermann Hesse-Fan. Selbst im Alter, beweist Meißner, Welche Erlebnisse einen Senior geformt haben, was der ist es möglich, sich Neues anzueignen: „Im Moment neue Bewohner gern mag und was er gar nicht leiden beschäftige ich mich mit Meditation.“ Weil in Knetzgau kann, wie sein Tagesablauf aussah und was er gerne großer Wert auf die persönliche Freiheit der Bewohner gelegt wird, kann der gelernte Krankenpfleger seinen Interessen ungestört nachgehen. Er wird nicht gezwun- gen, sich an irgendetwas zu beteiligen, wozu er keine Lust hat. Viele Ältere können sich nur schwer entscheiden, in eine stationäre Einrichtung zu ziehen, weiß Meißner: „Doch mir war früh schon klar, dass wir in ein Pflegeheim Foto: AWO Bezirksverband gehen werden, wenn wir Unterstützung brauchen.“ Als er in der Zeitung von der Neueröffnung des Knetzgau- er Seniorenzentrums las, waren die Würfel gefallen: „Wir haben uns sofort angemeldet.“ Meißner selbst verkraftete den Wechsel gut. Seine Frau Felicitas emp- fand den Umzug anfangs allerdings schon als „radikale So viel Freiheit wie möglich haben die Bewohner im Umstellung“. Doch auch sie wusste, dass es „draußen“ Seniorenzentrum Knetzgau. 14 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
isst – all das wird vor einem Umzug ins AWO-Senioren INFO: Ziele für nachhaltige Entwicklung zentrum erfragt. Nur so, erklärt Einrichtungsleiterin Annika Kuhbandner, kann das Team jedem Bewohner 2015 verabschiedeten die in seinen Vorlieben und Abneigungen gerecht werden. Vereinten Nationen die „Bei uns steht der Bewohner an erster Stelle, nicht die Agenda 2030 mit 17 Zielen AWO SCHWERPUNKT Pflege, nicht die Hauswirtschaft, nicht die Abläufe“, un- für Nachhaltige Entwicklung terstreicht die Sozialpädagogin. So müssen zum Beispiel (eng. Sustainable Develop- nicht alle zu einem bestimmten Zeitpunkt essen: „Und ment Goals, kurz “SDGs“), welche bis 2030 umgesetzt niemand wird um sieben Uhr aus dem Bett geholt, werden sollen. Auch Deutschland hat sich diesen Zie- wenn er das nicht will.“ len verschrieben. Viele der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung ha- „Doch, mir war früh schon klar, dass wir in ein ben direkten Bezug zu täglichen Arbeit bei der AWO Pflegeheim gehen werden, wenn wir Unterstützung und ihren Grundwerten. Tag für Tag leistet die AWO brauchen.“ (Horst Meißner) vielfältige Beiträge, damit Ziele wie „kein Hunger“, „hochwertige Bildung“ oder „weniger Ungleichhei- ten“ endlich Wirklichkeit werden. Gleichzeitig zeigen Für die AWO ist der Wert „Freiheit“ äußerst wichtig. Zu- die Nachhaltigkeitsziele aber auch, wo die AWO noch sammen mit den Werten „Gerechtigkeit“, „Toleranz“, Nachholbedarfe hat. „Solidarität“ und „Gleichheit“ prägt er die Arbeit des Mit der Kampagne baut die AWO auf dieser spannen- Verbands seit über 100 Jahren. Auftrieb gibt der AWO den Ausgangslage auf und regt seit dem 20. Septem- die Tatsache, dass das, wofür sie steht, gerade der Wert ber eine verbandsweite Auseinandersetzung mit den „Freiheit“, auch in den globalen Nachhaltigkeitszielen Zielen für nachhaltige Entwicklung an. Alle AWO-Glie- der Vereinten Nationen, die bis 2030 verwirklicht wer- derungen, vom Ortsverein bis zum Landesverband und den sollen, fest verankert ist. Frieden und Freiheit in alle Haupt- und Ehrenamtlichen der AWO sind dazu einer intakten Umwelt zu fördern, gehört zu den Haupt- eingeladen, sich an der Kampagne zu beteiligen und zielen des „Weltzukunftsvertrags“. Diesen Zielen hat durch kreative Ideen und Aktionen Ihren Beitrag zu sich auch die AWO verschrieben und verleiht in diesen einer Nachhaltigen Entwicklung darzustellen. Monaten im Rahmen einer bundesweiten Kampagne den Nachhaltigkeitszielen Nachdruck. Oft denkt man bei www.wirarbeitendran.awo.org Nachhaltigkeit an den Umweltschutz. Aber dazu gehört www.17ziele.de z. B. auch hochwertige Bildung, die Abschaffung von Armut oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Denn auch für die AWO in Unterfranken ist Nachhal- Es geht also um die Frage, wie wir gemeinsam in Zu- tigkeit ein wichtiges Thema. Als Arbeitgeber will sie kunft leben wollen. mit Menschen und Ressourcen sorgsam umgehen. Foto: Ronald Grunert-Held Gemeinsam etwas zusammen tun, auch das kann Freiheit sein. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 15
SCHWERPUNKT Foto: Ronald Grunert-Held Gemeinsam kochen ist eine willkommene Abwechslung im Tagesablauf. eswegen behandelt die AWO Unterfranken ihre Mitar- D Köntop, die im April nach Knetzgau kam. Zuvor wohnte beiter*innen achtsam und nachhaltig. Ermöglicht wer- die Witwe jahrelang alleine in einer Wohnung in Lands- den Fort- und Weiterbildungen, Mitarbeitende werden berg am Lech. Den Haushalt zu führen, bereitete der unterstützt, unabhängig vom Geschlecht, in ihrer beruf- 79-Jährigen jedoch immer größere Mühe. „Ich habe lichen Laufbahn und insbesondere Frauen werden hier Osteoporose“, erzählt sie. Auch kam sie kaum noch aus Möglichkeiten geboten. „Wir konnten durch nachhalti- ihrer Wohnung, die im oberen Geschoss gelegen war. ges Wirtschaften die Gehälter unserer Mitarbeiter*innen So entschloss sie sich, ins AWO-Seniorenzentrum einzu- in den letzten Jahren deutlich erhöhen. Zudem wollen ziehen. Die ersten Wochen seien bitter gewesen: „Doch wir die Umwelt schützen. Das tun wir z. B. durch die jetzt bin ich endlich angekommen.“ durchdachte Bestellung von Arbeitsmaterial und Le- Weil die AWO Senioren so viel Autonomie wie nur irgend bensmitteln“, so Martin Ulses der Geschäftsführer der möglich zubilligen möchte, entwickelte der Verband ein AWO Unterfranken. völlig neues Wohnkonzept für ältere Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. „Wir wollen Senioren „Bei uns wurde und wird kein Bewohner isoliert“ den Horror vor dem Pflegeheim nehmen“, betont Ulrike (Annika Kuhbandner) Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha bei der AWO in Unterfranken. Das neue, offene Konzept gegenüber „Aber wir sind noch nicht am Ziel. Wir strengen uns je- den Behörden durchzusetzen, sei freilich alles andere den Tag an, noch besser zu werden und deshalb heißt als einfach gewesen. Dominiert doch in der Altenhilfe die Kampagne #wirarbeitendran“, so Ulses. Diese Kam- der Gedanke „Sicherheit“ weit vor dem der „Freiheit“. pagne bringt die globalen Ziele der Nachhaltigkeit und die AWO Werte zusammen. Doch wenn die Hauptsorge der Frage gilt, ob Senioren so untergebracht sind, dass bloß nichts „passiert“, droht In Knetzgau bedeutet dies ganz konkret, selbst in Coro- die Gefahr einer massiven Freiheitsbeschneidung. Die na-Zeiten so viel Freiheit wie möglich zu garantieren. AWO versucht mit ihren Häusern der jüngsten Genera- „Bei uns wurde und wird kein Bewohner isoliert“, be- tion, das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit so tont Kuhbandner. auszutarieren, dass sich kein Bewohner bevormundet, Dass Senioren direkt nach dem Umzug ins Senioren- getriezt und gegängelt fühlt. Wie gut das in Knetzgau heim in eine Krise geraten, lässt sich in vielen Fällen gelungen ist, bestätigt Horst Meißner: „Ich fühle mich nicht vermeiden. Es ist nun mal traurig, das bisherige hier völlig frei, sicher und geborgen.“ Zuhause aufgeben zu müssen. Das erfuhr auch Renate 16 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ausflüge in Zeiten von Corona Tagespflege Werntal bietet regelmäßig Fahrten an Um den Alltag für die Tagesgäste der AWO Tagespflege AWO LEBEN Werntal so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, bieten die Mitarbeitenden regelmäßig Ausflüge in die Um- gebung an. Die wurden schon vor der Corona-Pandemie sehr gerne wahrgenommen und viele Gäste freuen sich besonders auf die Zeit außerhalb des festen Betreuungs- ortes. „Meist machen wir diese jetzt an verschiedenen Tagen, sodass die Gruppen nicht zu groß sind und der Mindestabstand gewahrt werden kann“, beschreibt Leiterin Helga Vierether die derzeitige Situation. Das entlastet die Mitarbeitenden in der Tagespflege und in den Kleingruppen kann man besser auf jeden Gast eingehen. Der letzte Ausflug ging in die Wallfahrtskirche nach Fährbrück. Die beeindruckende Kirche löste sofort Er- innerungen bei einzelnen Teilnehmenden aus, die von ihren Erlebnissen in früheren Jahren berichteten. „Das macht die Ausflüge so lebendig“, sagt Vierether, die im- mer wieder begeistert ist, wie die Menschen aufblühen, Das Organisationsteam hinter den Ausflügen. wenn sie an Orte zurückkehren, an die sie besondere Erinnerungen haben. Sie dankte Pater Jakob, der eine sehr intensive Andacht speziell für die Teilnehmenden Mit dem Angebot der Ausflüge leistet man wertvolle hielt und auch der Köchin der Tagespflege, Birgit Ham- Unterstützung und schafft besondere Erlebnisse für die mer-Eichelbrönner, die ein „fantastisches“ Picknick ge- Gäste der AWO Tagespflege Werntal. Nicht nur deshalb zaubert hatte, das allen wunderbar schmeckte. fühlen sich viele Gäste sehr wohl. Fotos: Tagespflege Werntal Ein Picknick gehört bei den Ausflügen der AWO Tagespflege Werntal, wie hier neben der Wallfahrtskirche Fährbrück, immer mit dazu. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 17
40 Jahre Arbeiterwohlfahrt in Gerbrunn Es war im Jahr 1980, genau am 18.Januar, als ein Ortsver- ein der Arbeiterwohlfahrt in Gerbrunn gegründet wurde. Mit Richard Brückner als Vorsitzendem und gleich zirka 50 AWO LEBEN Mitgliedern begann der Ortsverein seine im Sinn der Ar- beiterwohlfahrt soziale Tätigkeit, die bis heute anhält und die aus dem Gemeindegeschehen Gerbrunns nicht mehr wegzudenken ist. Von Anfang an standen und stehen bis heute Angebo- Foto: Günter Zettl te für Senioren im Mittelpunkt der Ortsvereinsarbeit: regelmäßige Seniorennachmittage mit Kaffee und selbst gebackenen Kuchen und mit Vorträgen zu Ge- sundheit und anderen Themen und Aktivitäten, wie Singen, Spielen, Gymnastik, Vorlesen; dann Besuche Die Vorsitzenden der AWO Gerbrunn in den letzten bei Mitbürgern bei Geburtstagen oder Krankheit, zum Jahren: Manfred Zink (2015-2019) und Hildegunde Muttertag und im Advent; weiterhin Ausflüge, Tages- Hofmann (seit 2019). daran teil. Inzwischen ist diese Mittagsbetreuung eine Willy Lang †, Vor- Pflichtaufgabe der Gemeinden; 2016 bekam sie die sitzender der AWO Form der „offenen Ganztagsschule“; der AWO-Ortsver- Gerbrunn von ein übernahm die Trägerschaft. Heute werden zirka 125 1988 bis 2000, Kinder betreut. Ehrenvorsitzender, Ehrenbürger der Im Jahr 2000 übergab Willy Lang den Ortsvereinsvor- Gemeinde Ger- sitz an Elke Hauck-Göbel. Willy Lang wurde für seine brunn, Träger des hervorragenden Verdienste um den Ortsverein, die Ge- Bundesverdienst- meinde und seine Mitmenschen zum Ehrenvorsitzenden kreuzes. des Ortsvereins ernannt. Den Vorsitz des Ortsvereins übernahm im Jahr 2015 Manfred Zink, im Jahr 2019 Foto: Ingrid Wolf Hildegunde Hofmann. Aktuell können etliche Aktivitäten des AWO-Ortsvereins wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt wer- den, insbesondere die Veranstaltungen für Senioren. und Halbtagesfahrten mit geführten Besichtigungen Hoffen wir, dass es bald wieder die von vielen sehr ver- von Denkmälern, Kirchen, Burgen, Städten; geführte missten Angebote der AWO Gerbrunn geben wird, so die Museumsbesuche; Besuch von Konzerten. Höhepunkte Vorsitzende in einer Stellungnahme zum Jubiläum. waren stets das jährliche Sommer- oder Herbstfest und Weihnachtsfeier. Im Jahr 1988 übernahm Willy Lang den Vorsitz des Ortsvereins. Im Jahr 1999 wurde der Ortsverein eingetragener Verein (e.V.). Der Verein hatte zu diesem Zeitpunkt 180 Mitglieder. Heute sind es zirka 160 Mit- glieder. 1993 übernahm der Ortsverein auf Foto: Wolfgang Pavel Initiative von Willy Lang, Ralf Dieter Wolf und Elke Hauck-Göbel die Durchführung der Mittagsbetreuung für Schüler*innen der Gerbrunner Eichendorff-Schule. Diese war vorher eine freiwillige Leistung von Schule Alt und Jung in der AWO Gerbrunn: hier Kinder der Mittagsbetreuung und Gemeinde. Anfangs nahmen 20 Kinder und Senioren in der jährlichen Weihnachtsfeier (2016). 18 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
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