MEIN LIEBLINGSVERKÄUFER - 2 Euro - Arge für Obdachlose
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Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten OKTOBER 2021 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro MEIN LIEBLINGSVERKÄUFER
IMPRESSUM NACHRUFE Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder Abschied von Gabi Zehetner (49) unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. »Red ma Tacheles«, pflegte Gabi oft zu sagen Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben und kam – wie versprochen – gleich zur Sa- dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene che. Ob es um die Gleichberechtigung von bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- Frauen, die Freiheit der sexuellen Gesinnung lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. oder um Menschenrechte ging, Gabi nahm sich kein Blatt vor den Mund und verteidigte Redaktion Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 mutig ihren Standpunkt. Als sie dereinst in Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- Wohnungsnot geriet und über die »Arge Sie« dachlose.at, www.kupfermuckn.at Unterstützung bei der Wohnversorgung er- Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: hielt, kam sie beim Redaktionsbüro der be- Heinz Zauner (hz), Chefredakteur nachbarten Kupfermuckn nicht vorbei, ohne Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion sich die Redaktion einmal anzuschauen. Bald Daniel Egger (de), Redaktion Christian Wögerbauer (cw), Redaktion schon brachte sie selbstgeschriebene Artikel Katharina Krizsanits (kk), Layout, Vertrieb vorbei und wurde ein beliebtes Mitglied der Walter Hartl (wh), Technik Betroffenen-Redaktion der Kupfermuckn. Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia, Wobei sich die Frauenrechtlerin und beken- Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F., nende Lesbe, die sich auch bei den Grünen Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter; engagierte, ihren Platz erst erkämpfen musste. Titelfoto: Stammverkäufer Dominic, privat Auch in der Kupfermuckn sind nicht alle immer frei von Vorurteilen. Bald entstanden jedoch Auflage: 26.000 Exemplare tiefe, langjährige Freundschaften. Mit ihrem Sprachtalent war Gabi auch bei der »Arge Theater- Bankverbindung und Spendenkonto gruppe« und bei unzähligen Lesungen der Kupfermuckn dabei. In den letzten Jahren engagierte Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L sie sich auch bei der Tiertafel von Pfarrer Zeiger am Bindermichl und half beim Aufbau der Spallerhoftafel mit, die bedürftige Bürger des Stadtteiles mit Lebensmittel und anderen Gütern Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck unterstützt. Leider bist du nach kurzer, schwerer Krankheit am 17. August von uns gegangen. Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis Liebe Gabi, wir werden dich vermissen. Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro- zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern. Abschied von Roman aus Wels (63) Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., 0732/770805-19 Mit großem Bedauern erhielten wir am 7. August 2021 die trau- Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46, 4600 Wels, Tel. 07242/290663 rige Mitteilung, dass unser langjähriger Welser Kupfermuckn- Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr, Verkäufer Roman Hager im 63. Lebensjahr von uns gegangen Tel. 07252/50 211 ist. Roman verkaufte die Kupfermuckn Zeitung seit 2008. Dies Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße 102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145 tat er in Wels. Er bezog seine Zeitungen im Tageszentrum des Sozialen Wohnservice. Herr Hager war durch seine freundliche Medieninhaber und Herausgeber und humorvolle Art bei allen sehr beliebt und wird jedem Ein- Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, zelnen fehlen. Wir wünschen dir eine gute Reise. Ruhe in Frie- 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at den, lieber Roman! Deine Kolleginnen und Kollegen des »Sozi- alen Wohnservice Wels« International Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network of Street Papers« INSP www.street-papers.com Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis Liebe Leserinnen und Leser! Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ausschließ- lich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit sichtbar getragenem und aktuellem Ausweis. Nur so können Sie sicher sein, dass auch wirk- lich die Hälfte des Ertrages der Zielgruppe zu Gute kommt: Wohnungslosen und Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben. 2 10/2021
Die seelischen Wunden heilen nie Sonja (Bild) und andere Opfer von sexueller Gewalt berichten über traumatische Erfahrungen Sexuelle Übergriffe in der schauen wir zwei uns mal die Dusche etwas musste ich mich in der NOWA mit Fäusten genauer an«, oder: »Hast du mal ein paar Mi- wehren. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon alten Notschlafstelle nuten Zeit für mich im Ruheraum in der Wär- verheiratet. Mein Mann war noch nicht zu mestube?« Auch der eine oder andere Griff Hause oder wie auch immer man diese Über- So, ab nun sollte ich in der Notschlafstelle zwischendurch auf meinen Po war total unan- gangs-Heimat nennen will. Ich stand in der (NOWA) leben. Das war im Jahr 1998. Einige genehm. Die meisten der Männer, die dies ta- Gemeinschafts-Küche, um mir etwas zum Es- Jahre kamen später noch dazu. Damals war ten, waren nicht gerade die saubersten, was sen zu machen, als ein ziemlich schmieriger ich knapp zwanzig Jahre alt. Zwar kein Top- Körperhygiene betrifft. Zu einem sexuellen Typ zur Tür herein kam. Er dürfte neu hier Model, jedoch für viele Männer damals wahr- Missbrauch ließ ich es erst gar nicht kommen, gewesen sein, nicht der angenehmste Mensch. scheinlich noch attraktiv genug. Ich wurde so denn ein Mann musste oder sollte auch ein »Was kochst du denn Gutes für mich«, begann erzogen, dass ich mir nicht alles gefallen las- »Nein« akzeptieren. Ich bekam jedoch auch er das Gespräch. Meine Antwort war: »Nichts sen muss, aber in dieser Situation war ich an- Einladungen in Wohnungen von einigen, die für dich, das ist für mich.« »Ach geh, komm fangs überfordert. Auf der Straße lebten und sich untertags in den Wärmestuben aufhielten. schon, zuerst essen wir etwas Gutes, danach leben wahrscheinlich auch heute noch mehr Ich muss gestehen, dass ich auch mit dem ei- gehen wir in die Dusche und später werde ich Männer als Frauen und das führte oftmals nen oder anderen mitgegangen bin. Aber da es dir dann ordentlich besorgen«, konnte ich dazu, dass Frauen gerne mal als »Freiwild« ging es nie um Sex, sondern um Nächte, in mir von ihm anhören. Einen Moment lang war angesehen wurden. Es kam immer wieder zu denen wir uns mit Karten-Spielen vergnügten ich sprachlos über die Dreistigkeit, die er an unangenehmen Sprüchen, wie: »Komm Süße, und ein wenig amüsierten. Einmal jedoch den Tag legte. Als ich endlich meine Worte 10/2021 3
das. Zu meinem Entsetzen reichte ihm das dann nicht. Er fing an, mich überall zu strei- cheln. Das wollte ich aber nicht. Also begann ich in meiner Verzweiflung, laut zu rufen: »Lass mich sofort gehen. Pfoten weg!« Er wollte mich gerade ins Gebüsch ziehen, da machte ein Mann, der das beobachtete, das Fenster auf und rief laut zu uns: »Lass die Dame sofort in Ruhe, sonst komm ich runter!« Als Funki das hörte, bekam er dann doch die Panik. Er ließ mich sofort los und rannte da- von. »Vielen Dank«, rief ich meinem Retter zu. Das ist zum Glück auch gut ausgegangen. Beide Male hätte es ziemlich schlimm enden können. Ursula Ich bin ganz knapp einer Vergewaltigung entkommen Ich wuchs mit meinen vier anderen Geschwis- tern bei meiner Mutter und bei meinem Stief- vater, der ein schwerer Alkoholiker war, auf. Meinen echten Vater habe ich leider nie ken- nen gelernt. Unsere Mutter war sehr streng und ziemlich überfordert mit dem Haushalt und der Erziehung. So kam ihr ab und zu die Hand aus. Mein Stiefvater war arbeitslos und Gestellte Szene (Foto: dw): Eine Frau, die anonym bleiben möchte, berichtet über ihr Martyrium. hing mehr oder weniger in den Gasthäusern herum. Zum Glück ließ er uns aber in Ruhe. Aufgrund der schlimmen Situation kam ich wieder fand, stand er schon hinter mir und Seit ein paar Jahren hat sich die Situation für im Alter von zehn Jahren in das Kinderheim in wollte mir an die Brust fassen. Mit meiner die Frauen in der Notschlafstelle verändert, da Steinbach am Attersee. Dort war es wunder- Reaktion hatte er jedoch nicht gerechnet, denn Männer und Frauen räumlich getrennt sind. schön. Ich konnte mich stabilisieren und ich drehte mich abrupt um, holte aus und Trotzdem möchte ich nie wieder auf diese durfte in einem gesunden Umfeld erwachsen schlug ihm mitten ins Gesicht. Etwas verdat- Einrichtung angewiesen sein. Sonja werden. In aller Ruhe konnte ich dann mei- tert stand er nun da und meinte noch, dass ich nem Schulabschluss machen. Danach kam ich dies bereuen werde. »Na, was kann mir schon nach Gallneukirchen in die Haushaltungs- passieren«, dachte ich mir, schließlich habe Zweimalige sexuelle schule. Auch dort wohnte ich in einem Heim. ich mich ja nur gewehrt. Er ging ins Büro, um Belästigung mit gutem Ende Im Alter von zwanzig Jahren zog ich dann je- sich über mich zu beschweren. Die Betreuer doch wieder nach Hause. Mein Ex-Schwager, kamen danach gleich in die Küche, in der ich In meinem früheren Stammlokal lernte ich ei- meine Schwester und deren beiden Kinder mittlerweile schon am Tisch saß und meine nen Mann kennen, der sich in mich verliebte, lebten damals mit uns unter einem Dach. Das zubereitete Mahlzeit genoss. Was hier passiert allerdings ohne meine Gegenliebe. Als ich große Problem war mein Ex-Schwager. Er sei, wurde ich gefragt. Ich erzählte ihnen, dass mich bedrängt fühlte und ihm klipp und klar war ebenfalls starker Alkoholiker. Im Gegen- ich mir Übergriffe dieser Art nicht gefallen eine Absage erteilte, ging es erst richtig los. satz zu meinem Stiefvater war dieser aber so lassen müsse. Warum ich denn nicht ins Büro Zuerst grapschte er an mir herum. Als er es richtig arg drauf. Er soff, schrie und war meis- gekommen sei, wurde ich gefragt. Weil ich noch bunter trieb, musste die Wirtin eingrei- tens aggressiv. Und bald musste ich am eige- mir zuerst meinen Hunger stillen wollte, sagte fen. Sie verwies ihn vom Platz. Kurz darauf nen Leib erfahren, dass mit ihm auch sexuell ich ihnen und erklärte ihnen, dass ich mit der aber folgte er mir auf die Toilette und fasste etwas nicht stimmte. Kaum kannte er mich Zeit gelernt habe, mich zu wehren und mir ein mich so brutal an, dass ich vor Schmerzen etwas besser, begann er mit sexuellen Über- dickes Fell zugelegt habe. Es wurde später im schrie. »Du willst das doch auch«, meinte er. griffen. Sobald sein Alkoholspiegel stieg, be- Büro beratschlagt, was passieren sollte. Ich Das wurde dann auch der Wirtin zu viel. Sie gann er mit seiner Grapscherei. Es war total fürchtete einen Moment lang, dass ich nun schmiss ihn raus, und ich hatte endlich Ruhe. unangenehm. Immer wieder fasste er mich Hausverbot bekommen würde. Nein, das pas- Jahre später war ich dann nochmals in so eine von hinten an. Mein lautes »Nein« ignorierte sierte mir Gott sei Dank nicht! Der Mann be- unangenehme Situation verwickelt. Es ge- er. Eines Tages wurde es dann aber zu viel. An kam seine Strafe. Er musste raus. Es war einer schah zu jener Zeit, als ich ziemlich viel trank. jenem Tag zerrte er mich ins Haus und zwang der wenigen Versuche, mich zu nötigen. Die Ich erlaubte Funki – so hieß der Mann -, mich mich, mit ihm zu schlafen. Er war – wie im- meiste Zeit war ich dann auch nicht mehr damals den kurzen Weg bis vor mein Haus, in mer – stockbesoffen und aggressiv drauf. Ge- nüchtern, da ich dieses Leben ohne Alkohol welchem ich wohnte, zu begleiten. Und plötz- waltsam schmiss er mich auf das Bett und zog nicht ausgehalten hätte. Mittlerweile bin ich lich wollte er mir ein »Bussi auf den Bauch« mir die Hose hinunter. Ich wehrte mich und froh, das alles nicht mehr erleben zu müssen. geben. Betrunken, wie ich war, erlaubte ich schrie: »Lass mich los, du A…!« Zum Glück 4 10/2021
war ich damals mental ziemlich stark. Er ließ nicht.« Es war ein schreckliches Gefühl. Ich sich zwischen uns und ihren Lover gestellt. jedoch nicht locker. Im Gegenteil, er wurde war total durch den Wind und versuchte, mich Sie blieb leider bei ihm. Und so musste ich durch meine Schreie noch aggressiver. So so schnell wie möglich zu befreien. Als ich lernen, mit dem Schmerz umzugehen. Irgend- blieb mir nur noch eines, nämlich Notwehr. mich wieder fassen konnte, stand ich schnell wann versickerten dann auch meine Tränen. Ich gab ihm einen heftigen Tritt zwischen die auf und suchte das Weite. Zum Glück konnte Mein Stiefvater hasste Tränen. Ich wusste, Beine und rannte davon. Als ich meiner Mut- er mir nicht mehr folgen. Ein paar Leute ka- wenn ich weine, dann schlägt er nur noch fes- ter von der versuchten Vergewaltigung er- men mir dann entgegen. Da fühlte ich mich ter zu. In der Schule hatte ich beim Turnen zählte, glaubte sie mir nicht. Ich war so der- endlich wieder in Sicherheit. Als ich zurück- immer etwas Langes an, damit man meine maßen enttäuscht von meiner Mutter, dass ich kam, ging ich gleich in mein Zimmer. Nie blauen Flecken nicht sehen konnte. Als ich danach für immer von Zuhause auszog. Meine wieder suchte ich diesen Ort auf. Margarete acht Jahre alt war, hat meine Mutter ihn dann Nichte hatte weniger Glück. Jahre später er- endlich rausgeworfen. Es war so ein erlösen- fuhr ich von ihr, dass sie von ihm jahrelang des Gefühl, das ich damals hatte. Ich war er- sexuell missbraucht wurde. Mithilfe einer Be- Nach körperlicher Gewalt folgte löst. Bald schon sollte ich jedoch Opfer eines treuerin brachte sie die sexuellen Übergriffe der sexuelle Missbrauch neuen Peinigers werden. Er lebte bereits mit Jahre später zu einer Anzeige. Er wurde verur- mir unter einem Dach. Es war mein Bruder, teilt und sitzt nun seine Strafe im Gefängnis Ich habe Gewalt in jeder nur erdenklichen der mittlerweile 18 Jahre alt war. Da er keine ab. Gott sei dank habe ich so einen Übergriff Form erlebt, nicht nur sexuelle, sondern auch Arbeit fand und nur zu Hause herumlungerte, nie wieder erlebt, auch nicht in der Zeit mei- körperliche und emotionale. Eigentlich be- konnte er ohne Probleme seine brutalen Triebe ner Obdachlosigkeit. Helga gann mein Leben relativ friedlich. Ich hatte ausleben. Unsere Mutter ging damals wieder einer Arbeit nach. Fünf Jahre lang hat er mich mehrmals in der Woche sexuell missbraucht. »Die sexuellen Übergriffe begannen schleichend. Er nutzte jede Gelegenheit, sich an meinem Kaum hatte er seinen Alkoholspiegel, schon fing er damit an.« Körper zu befriedigen. Ich ging durch die Hölle. Meiner Mutter konnte ich nichts davon erzählen. »Wenn du Mama etwas sagst, bring' ich dich um«, mit diesen Worten drohte mir als kleines Kind noch einen Vater und eine mein Bruder jedes Mal. So blieb ich stumm Ein älterer Herr hat plötzlich Mutter, die sich und mich lieb hatten. Doch und ließ die Übergriffe über mich ergehen. Ich neben mir masturbiert dann, als ich drei Jahre alt war, begann ein weiß heute nicht mehr, wie ich diese vielen Martyrium, das bis heute tiefe und schmerz- ekligen Übergriffe überleben konnte. Meine Im Alter von 16 Jahren war ich in Traun als hafte Narben hinterlassen hat. Meine Eltern Alpträume wurden schlimmer, auch das Bett- Küchengehilfin angestellt. Ich bekam dort ließen sich scheiden, da meine Mutter einen nässen. Meine Mitschüler machten einen Bo- eine Dienstwohnung und war von da an auf anderen Mann kennengelernt hatte. Mein Va- gen um mich, da ich niemals über ihre Witze mich alleine gestellt. Nachmittags hatte ich ter zog weit weg. Wir Kinder – meine beiden lachen konnte und auch sonst viel zu introver- immer ein paar Stunden frei, bis ich abends Brüder und ich – waren dann unserem choleri- tiert war. Meine seelischen Wunden konnten wieder zur Arbeit ging. Bei Schönwetter ver- schen und alkoholkranken Stiefvater hilflos sie nicht erkennen. Diese Wunden konnte brachte ich die Freistunden immer in den ausgeliefert. Wann immer er betrunken heim- nicht einmal mehr meine Turnlehrerin sehen, Traunauen. Beim Spazierengehen bemerkte kam, nahm er sich einen von uns vor. Mich die ansonsten sehr viel wahrgenommen hat. ich eines Tages, dass mich ein älterer Herr schlug er immer gerne mit seinem Gürtel. Die Spätfolgen, an denen ich heute noch leide, verfolgte. Ich setzte mich auf einer Wiese nie- Auch seine Hand und irgendwelche Stecken sind besonders schlimm: Ich bin beziehungs- der. Er blieb auch stehen, setzte sich zu mir prallten auf meinem kindlichen Körper ab. unfähig, leide an schlimmen Panikattacken, und wollte mit mir ins Gespräch kommen. Ich Und wenn ich mich wehrte, schickte er mich nachts lasse ich das Licht im Zimmer brennen blockte gleich ab. Und dann geschah das Ab- meistens ohne Abendessen ins Bett. Meine und Freunde habe ich noch immer keine. Ich scheuliche. Er begann neben mir zu mastur- Mutter war von Natur aus ziemlich schwach. bin sozusagen »beziehungsunfähig«. Hätte bieren. Ich dachte mir: »Das gibt es doch gar Sie war ihm hörig. Kein einziges Mal hat sie ich nicht meine drei Katzen, wäre ich wohl 10/2021 5
sehr einsam. Seit gut zwei Jahren bin ich nun che später musste ich wieder für meinen DAS LE in psychotherapeutischer Behandlung. All- Freund Drogen besorgen. Und da kreuzte die- A mählich lerne ich, mit meinem Trauma umzu- ser nette Typ wieder auf. Er fragte mich, in SOZI gehen. Da ich nur die Grundschule abge- welchem Blumenladen ich denn arbeiten ECK schlossen habe, stehen die Jobchancen würde. Er hätte in der letzten Woche alle abge- schlecht. Immer wieder versuche ich es als klappert, mich aber nicht gefunden. Der Blu- Abwäscherin oder Putzfrau. Die Panikatta- menladen, in dem ich arbeitete, war aber et- cken machen mir jedoch immer einen Strich was außerhalb von Linz. Wir unterhielten uns durch die Rechnung. Krankenstände habe ich eine Weile und dann fragte mich Alex (Name schon unzählige hinter mir. Wie gerne würde geändert), ob ich nicht die Nacht mit ihm ver- ich irgendwann einmal ein normales Leben bringen wolle. Oh ja, das wollte ich. Wir führen. Ein Leben mit einem lieben, einfühl- checkten in ein Hotel ein. Am nächsten Mor- Sexuelle Gewalt – Was tun? samen Mann an meiner Seite und ohne Terror gen entschied ich mich, bei Alex zu bleiben. im Kopf. Autorin der Redaktion bekannt Mein gewalttätiger Ex-Freund unternahm Beratung und Prozessbegleitung noch ein paar Versuche, mich wieder zurück- für Frauen und Mädchen ab 14 Jahren aus zugewinnen, was ihm aber nicht gelang. Mein ganz OÖ in schwierigen Lebenssituatio- Ich wurde gehalten Entschluss stand fest, und nun hatte ich die nen, beim Bewältigen von problemati- wie eine Sklavin Unterstützung von Alex. Endlich war ich be- schen Beziehungen und bei Gewaltbetrof- freit von dieser gewalttätigen Gefangenschaft. fenheit. Als ich 18 Jahre alt war, lernte ich einen sehr Mir war es wichtig, diese Geschichte öffent- netten und zuvorkommenden Mann beim lich zu machen. Sie soll Mädchen und Frauen, Es ist mir etwas passiert? Fortgehen in einem Lokal kennen. Er hielt mir die in einer ähnlichen Situation sind, Mut ma- Wir wissen, wie schwierig es sein kann, die Tür auf, rückte mir den Stuhl zum Tisch, chen und Selbstvertrauen geben, dass sie sich über Gewalt zu sprechen. Alle Beratungen nachdem ich mich gesetzt hatte und lud mich nichts gefallen lassen sollen. Sucht euch so- sind vertraulich. Wir nehmen uns Zeit und immer ein. Im ersten halben Jahr gingen wir fort Hilfe, wenn jemand euch so weh tut! Au- hören zu. Als Fachberatungsstelle bei se- öfters ins Restaurant, ins Kino oder verbrach- torin der Redaktion bekannt xueller Gewalt unterstützen wir betroffene ten die Zeit mit schönen Unternehmungen. Frauen und Mädchen nach sexuellen Über- Ein halbes Jahr später waren wir dann schon griffen und im Umgang mit den emotiona- fix zusammen. Wir suchten uns gleich eine Mein erster Mann hat mir len und psychischen Folgen. Zusätzlich Wohnung, weil das Leben zu zweit wesentlich schlimme Gewalt angetan bieten wir rechtliche Informationen, Bera- billiger war. Innerhalb kürzester Zeit zeigte tung vor einer polizeilichen Anzeige und mein Freund dann jedoch sein wahres Ge- Bei meinem ersten Mann war in seiner Jugend eine umfassende Begleitung durch den sicht. Nach ungefähr einem Monat bekam ich der Alkohol schon sein ständiger Begleiter. Strafprozess an. aufgrund einer kleinen Meinungsverschieden- Wenn er mit dem Schichtbus zur Arbeit fuhr, heit schon die erste Ohrfeige. Diese war leider wurde bereits getrunken. Nach Dienstende er- Anonyme kostenlose Hilfe der Startschuss für weitere Gewalttaten. Und tränkte er seine Probleme dann im Wirtshaus. Unser Team besteht aus Juristinnen und das geschah unabhängig davon, ob er nüch- Eines Abends kam er – wie so oft – betrunken psychosozialen Beraterinnen, die eng zu- tern, betrunken oder auch auf Drogen war. nach Hause und wollte Sex haben. Ich wollte sammenarbeiten. Unsere Beratung ist kos- Wenn das Essen nicht sofort am Tisch stand, nicht. Seine Fahne widerte mich an. Doch er tenfrei und kann auch anonym oder per bekam ich schon die nächste Ohrfeige. Mit ließ sich nicht abwimmeln. So kam es, wie es Onlineberatung in Anspruch genommen der Zeit wurde er immer besitzergreifender. Er kommen musste: Er nahm sich mit Gewalt, werden. Alles, was wir in der Beratung er- wollte über jeden meiner Schritte Bescheid was er haben wollte. Im Grunde genommen fahren, unterliegt der Verschwiegenheits- wissen. Wenn ich beispielsweise nicht sofort war dies der Anfang einer langen, qualvollen pflicht. das Handy abhob, dachte er sich gleich die Zeit. Mein Mann machte mich abhängig von schlimmsten Dinge aus, etwa, dass ich ihn ihm. Ich musste die Hausfrau sein und durfte Als Expertinnen der frauenspezifischen betrüge. Von Tag zu Tag wurde die Situation niemanden mehr treffen. Er hatte mich unter Beratung arbeiten wir nach den Quali- schlimmer. Ich hatte Angst davor, mir Hilfe zu Kontrolle. Seine sexuellen Übergriffe waren tätstandards, die vom Netzwerk österrei- suchen. Er bedrohte nämlich mich und meine demütigend. Ich schämte mich dafür, dass ich chischer Frauen- und Mädchenberatungs- Familie und schüchterte uns ein. Ich hatte so schwach war. Und dann kamen noch die stellen entwickelt wurden. große Angst vor ihm. Er sperrte mich in der ständigen Schläge hinzu. Es war die reinste Wohnung ein, fesselte mich am Heizkörper Hölle. Mein Mann wurde dann zusehends ag- Kontakt und nahm mir das Handy weg, auf welchem gressiver und hemmungslos. Eines Tages Autonomes Frauenzentrum Linz ohnehin nur seine Nummer gespeichert war. schlug er so richtig heftig auf meinen Kopf Starhembergstraße 10, Ecke Mozartstraße, Nach ungefähr fünf Jahren Gewalt-Beziehung ein. Von diesem Schlag konnte ich mich nie 2. Stock, 4020 Linz sollte ich eines Tages Drogen für ihn auftrei- wieder erholen, er löste Migräne bei mir aus. Telefon: 0732/60 22 00 ben, da keiner seiner Dealer abgehoben hatte. In meiner Not flüchtete ich in ein Gewalt- Fax: 0732/60 22 00 60 Er schickte mich zum Südbahnhofmarkt, um schutzzentrum in Linz. Dort konnte ich mich E-Mail: hallo@frauenzentrum.at dort etwas zu besorgen. Dort lernte ich einen erstmals erholen. Mit Hilfe eines Anwaltes www.frauenzentrum.at netten Typen kennen, der mich unbedingt auf gelang es mir, die Scheidung einzureichen und Unsere Öffnungszeiten: ein Eis einladen wollte. Ich hatte aber leider ein neues Leben zu beginnen. Noch heute Montag bis Donnerstag 08:00–16:00 Uhr keine Zeit und erzählte ihm nur, dass ich in spüre ich die seelischen Wunden, die er mir Freitag 08:00–13:00 Uhr einem Blumenladen arbeiten würde. Eine Wo- angetan hat. Autorin der Redaktion bekannt 6 10/2021
Wir haben ein massives Männergewalt-Problem Kupfermuckn im Gespräch mit der Frauenstadträtin Mag.a Eva Schobesberger Arbeit, Kinder, Eltern – und all das plötz- lich und ständig unter einem Dach. Die CoV-Pandemie stellt viele Menschen vor herausfordernde Zeiten. Aufgrund der ein- geschränkten Bewegungsfreiheit durch die Isolation kam es zu einem deutlichen An- stieg an Fällen von Missbrauch und häusli- cher Gewalt. Der Schutz von Frauen ist der Linzer Frauenstadträtin Eva Schobesber- ger ein besonders großes Anliegen. Traurige Serie an Frauenmorden Gewalt gegen Frauen kennt keine Grenzen und zeigt sich in immer neuen Facetten. Ganz oben stehen Frauenmorde, die in Österreich mittlerweile ein unerträgliches Ausmaß ange- nommen haben. Bereits 19 Frauen (Stand An- tensiv auf Informationsoffensive gesetzt. Neu- Eine wirksame Bekämpfung von Gewalt setzt fang September) wurden von Männern umge- erdings hat das Frauenbüro der Stadt Linz ei- zahlreiche Maßnahmen voraus. So werde bei- bracht. In der öffentlichen Debatte wird ver- gens dafür klebstofffreie Sticker mit der Tele- spielsweise das für Kinder entwickelte Ge- mehrt über »Femizide« diskutiert. Darunter fonnummer der Frauenhelpline – 0800/222 waltpräventionskonzept »Faustlos« bereits fallen Beziehungstaten, Vergewaltigungen mit 555 – entworfen. Diese werden in sämtlichen effektiv in Linzer Volksschulen eingesetzt. anschließender Tötung oder die Ermordung öffentlichen Linzer Orten, etwa in Arztpraxen Dank dieses Projekts lernen Kinder schon weiblicher Säuglinge. »Was Frauenmorde be- oder in städtischen Kindergärten angebracht. sehr früh den Umgang mit spannungsreichen trifft, liegt Österreich europaweit im traurigen Mithilfe dieser speziellen Form von Öffent- Konflikten, um angemessen mit aggressiven Spitzenfeld«, bedauert Schobesberger und stellt klar: »Wir haben ein massives Männer- gewaltproblem, Männer töten Frauen.« Es »Was Frauenmorde betrifft, liegt Österreich europaweit handle sich hierbei um massive Eskalationen, im traurigen Spitzenfeld. Bei der Täterarbeit muss früh die von männlichem Dominanzstreben und Anspruchsdenken gegenüber ihren Frauen ge- angesetzt werden.« nährt werden. »Hier gilt es anzusetzen«, be- tont die Frauenstadträtin. So wird bereits in Schulen gezielt und verstärkt gegen proble- lichkeitsarbeit sollen Betroffene ermutigt wer- Gefühlen umgehen zu können. Auch das im matische Rollenbilder angekämpft. den, Hilfe und Unterstützung wahrzunehmen. Familienzentrum Pichling angesiedelte, öster- Da die Aufkleber elektrostatisch haften, kön- reichweit einzigartige Projekt zur opferschutz- Gewaltprävention bereits in Schulen nen diese jederzeit entfernt und an anderen orientierten Täterarbeit investiert in Gewalt- Stellen wieder angebracht werden. Neben ei- schutz und Stärkung der Frauen. Dieses Pilot- Was das Thema »Gewaltschutz« allgemein be- ner engagierten Frauenpolitik setzt die Stadt Projekt, welches im vorigen Jahr zur Offen- trifft, gibt es in Linz ein dichtes und gut funkti- Linz auch verstärkt auf eine opferschutzorien- sive gegen häusliche Gewalt gestartet wurde, onierendes Netzwerk an Einrichtungen, wie tierte Täterarbeit und Gewaltprävention. agiert auf zwei Ebenen: Intervention und Prä- etwa das Autonome Frauenzentrum, das Fami- vention. Die finanziellen Mittel wurden be- lienzentrum Pichling, das Frauenhaus Linz Linz leistet auch Täterarbeit reits aufgestockt. Mit 70.000 Euro mehr pro oder das Gewaltschutzzentrum OÖ. In ihrer Jahr kann zusätzliches Personal finanziert Funktion als Frauenstadträtin ist Eva Schobes- Man müsse allen voran auch bei jenen anset- werden, zeigt sich die Frauenstadträtin erfreut. berger tatkräftig bestrebt, das Präventionsnetz- zen, von denen die Gewalt ausgeht, ist Scho- Möge in Linz das bemerkenswerte Engage- werk zu erweitern. Im Kampf gegen Gewalt an besberger überzeugt. Nur so könne die Ge- ment für Opfer von Gewalt auch zukünftig Frauen und Mädchen wird darüber hinaus in- waltspirale nachhaltig durchbrochen werden. bestehen bleiben. Foto: cw, Text: dw 10/2021 7
MEIN STAMM-VERKÄUFER Aktion: »Bei uns hat jeder ein Leiberl« Viele Leser beteiligten sich an der Aktion und erhielten dafür ein Kupfermuckn-T-Shirt. Der Stammverkäufer bekam 25 Zeitungen gratis zum Verkauf. Herzlichen Dank für eure Teilnahme, die vielen herzlichen Glück- wünsche und Kommentare, wie etwa der von Familie Speichert (re.i.Bi.). Neun Jahre lang Stammverkäufer Hiermit übermittle ich euch ein Familienfoto mit unserem Lieblingsverkäufer Azad, der seit neun Jahren beim Billa Thalheim verkauft. Er ist immer freundlich und höflich und vor allem auch ein Freund unserer Kinder! Familie Speichert Ihr macht eine sehr wichtige und tolle Arbeit Hallo liebes Kupfermuckn-Team! Ich habe in der aktuellen Ausgabe von dieser tollen Aktion gelesen. An sich habe ich jetzt nicht den Stammverkäufer, sondern kaufe eure Zei- tung, wo und wann immer sie mir begegnet. Außerdem finde ich es spannend, mit den verschiedensten Verkäufern in Kontakt zu kommen und deren Geschichten zu hören. Gestern waren wir in der Linzer-Innenstadt und da ist mir dieser nette Herr aufgefallen. Laut Verkäuferausweis han- delte es sich um Robert Thanner. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte, bei der Aktion mitzumachen und ihm damit die gratis Zeitungen zu bescheren. Er war anfangs etwas per- plex, dass ich ihn deswegen ansprach. Er willigte dann jedenfalls schnell ein. Nach einer sehr netten Unterhal- tung haben wir ihm eine weitere Juni Ausgabe abgekauft. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn Herr Than- ner die Ausgaben bekommt. Und ich würde mich über ein T-Shirt in der Größe L freuen. Ich habe euch gerade auch noch 25 Euro als Spende überwiesen! Ihr macht eine sehr wichtige und tolle Arbeit. Alles Gute zum 25. Geburtstag! Liebe Grüße, Christof Stark 8 10/2021
Tolle Aktion! Danke! Ich bin sehr dankbar, Herrn Ift kennen zu dürfen. Er ist immer gut gelaunt, genügsam und freut sich über ein paar Worte, die Mann/Frau mit ihm wechselt. Tolle Aktion! Danke! Maria Baumgartner Lektüre für Berufspendler Liebes Kupfermuckn-Team, hier ein Foto mit meinem Stammverkäufer am Bahnhof. Als Berufspendler und Bahnvielfahrer treffe ich regelmäßig Ali Imam Khanda- ker am Linzer Bahnhof. Wir plaudern ein wenig und ich kaufe dann immer die aktuelle Nummer für mich und meine Kolleg:innen in der Arbeit. Michael Schmida Davids Deutsch wird immer besser! Sehr geschätzte Kupfermuckn-Redaktion, Gratulation zum 25-jährigen Jubiläum und zu der super Idee mit den Leiberln! Ich sende euch anbei das Foto meines Stamm- verkäufers David, der mir seit Jahren mit seiner netten und immer freundlichen Art beim Einkauf im Hofer- markt Haag/Leonding Freude bereitet. Sein Deutsch wird immer besser und damit auch unsere (zu kurzen) Unterhaltungen. Liebe Grüße, euer Stammleser und »Gerneförderer« Robert Limberger 10/2021 9
JAHRE 1996–2021 KUPFERMUCKN Eine Freundschaft ist entstanden Hallo liebes Kupfermucknteam! Über die Jahre ist mit meinem Stammkupfermuckn-Verkäufer Gerald Winkler eine Freundschaft entstanden. Wir sehen uns regelmäßig beim »Infra-Center« und telefonieren zwischendurch auch mal. Es freut mich, Gerald unterstützen zu können! Freundliche Grüße, Markus Binder Danke für die immer lesenswerte Zeitung Verkäufer John steht seit Jahren beim Spar in der Poststraße. Er begrüßt mich und mein Lastenfahrrad schon von Weitem. John ist selbst auch mit dem Fahr- rad dort. Dieser Spar hat die Eigenheit, dass Ein- kaufswagen in verschiedenen Größen beim Abholen und Zurückbringen nicht zusammenpassen, das lässt die Leute manchmal verzweifeln. John hilft geduldig dabei, die richtigen zu finden. Danke auch für die So ein schönes Paar immer lesenswerte Zeitung. Unglaublich, wie ihr im- Ich kaufe die Zeitung jedes Mal bei Dani und Tina, mer wieder auf neue, spannende Themen kommt. wenn ich sie sehe, denn sie sind so ein schönes Liebe Grüße, Sven Schwerer Paar. Die beiden haben mehr verdient! Sie sind eine der nettesten Verkäufer, die ich kenne. Liebe Grüße, Rene Strassmair 10 10/2021
Hoffentlich darf Dominic hier bleiben Ich kenne Dominic schon einige Jahre und mittlerweile ist er ein guter Freund geworden. Wir freuen uns, ihn immer vor dem Spar zu sehen und wir hoffen inständig, dass endlich sein Visum durchgeht, damit er hierblei- ben kann. Er ist ein sehr anständiger, netter und herzli- cher Mensch. Beinahe jeder kennt ihn schon in Gall- neukirchen. Und eigentlich gehört er bereits zu Gall- neukirchen. Er kennt viele Menschen beim Namen und fast jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe, spricht er mit Leuten. Danke Dominic für deine Freund- schaft! Wolfgang Kern Er ist Mensch mit Leib und Seele Hermann hat eine der reinsten Seelen, die mir je im Leben begegnet sind. Er hat auch ein enormes Herz und Leidenschaft. Ich weiß nicht viel von ihm, wie sein Leben früher war, aber eins weiß ich, dass sein Lächeln und die herzhafte Be- grüßung, jedes Mal, wenn er uns sieht, ein Lächeln auf unsere Gesichter zau- bert. Er ist nicht nur ein »Kupfermuckn-Verkäufer«, er ist ein Mensch mit Leib und Seele und er lässt uns den Glauben nicht verlieren, dass alles wieder gut wird! Hermann, mach so weiter, bleib', so wie du bist. Wir möchten noch ein paar Jahrzehnte deine Stammkunden bleiben. Liebe Grüße, Batic Alisa Eine Freude, ihn zu treffen! Auf dem Selfie sind mein liebster Stammverkäufer Ukemezie Ony- inyechi und ich vor dem Spar in der Ziegeleistraße in Linz abgebil- det. Ich freue mich jedes Mal, wenn wir aufeinander treffen! Ich bin ein großer Fan der Kupfermuckn. Danke für die tolle Aktion! Freundliche Grüße, Kerstin Huber 10/2021 11
Schandtaten, die ich nicht mehr machen würde Erinnerungen an kleinere und größere Boshaftigkeiten in der Kindheit und Jugend Wir schnüffelten Benzin, wir logen ten ihnen, wir wären Heimkinder, und dass uns so nahe vor, die Aussicht war ein Wahn- unsere Eltern uns schlecht behandelt hatten. sinn. Na ja, das war meiner Meinung nach die und verbrannten Zeug im Wald Oft bekamen wir von den Frauen aus Mitleid tollste meiner Jugendsünden. Auch das viel Geld. Einmal schliefen ein paar Freunde Schnüffeln von Benzin probierten wir aus. Es hat bei mir mit circa zwölf Jahren begon- bei mir. Wir beschlossen, über das Gerüst auf Heute denke ich anders darüber, weil ich klü- nen. Einiges von meinen Taten würde ich das Dach zu steigen. Ich stieg zuerst hinaus. ger geworden bin. Mit diesem ganzen Scheiß heute auf keinen Fall mehr machen. Damals Vor meinem Fenster lag ein Brett, über wel- habe ich sicher einiges ruiniert. Ich war schon waren wir eine Clique, meine zwei Freundin- ches wir leicht hinausklettern konnten. Wir sehr dumm als Teenager! Einmal lag meine nen und ich. Wir trafen uns fast jeden Tag nahmen eine Decke, ein Feuerzeug, Zigaret- Mutter mit gebrochener Schulter im Kranken- nach der Schule. Wir gingen in irgendeinen ten, Gras und die »Bong« mit. Wir mussten haus. Mir wurde wegen Drogen am Steuer der Wohnblock und nahmen uns wahllos Schuhe, ein paar Meter geradeaus bis zu einer Betoner- Führerschein abgenommen. Zu dieser Zeit ar- die in den Stiegenhäusern vor den Wohnungs- höhung gehen, die auf das Dach führte. Oben beitete ich in der Pizzeria meines Vaters. Da türen standen. Dann gingen wir zum Wald- angelangt, machten wir es uns gemütlich. Wir ich Tag- und Abenddienste hatte, kam ich oft spielplatz und verbrannten unsere Beute. breiteten die Decke aus, dann machte einer sehr spät nach Hause. Und so spät abends fah- Wenn wir mit dem Bus unterwegs waren, von uns eine Mischung zum Bong-Rauchen. ren keine Öffis mehr. Ein Taxi wollte ich mir sprachen wir oft mit Pensionisten. Wir erzähl- Es war herrlich und chillig. Der Mond kam nicht leisten, da die Fahrten mit Taxis ja nicht 12 10/2021
gerade billig sind. Also hatte ich wieder ein- Die Zigarettenstummel versteckte Fahrräder plötzlich eine andere Farbe. Oder mal eine geniale Idee. Ich suchte den Auto- wir stellten in der Wohnung Möbel an andere schlüssel meiner Mutter. Wer suchet, der fin- ich im Nachtkästchen Plätze. Das machten wir so leise wie möglich, det auch. Und so hatte ich während des Kran- damit niemand etwas mitbekam. Ansonsten kenhausaufenthaltes meiner Mutter einen Was Jugendsünden betrifft, begann ich damit hatte ich eine schöne Kindheit und möchte fahrbaren Untersatz. Zum Glück wurde ich schon mit acht Jahren. Zum Rauchen kam ich diese nicht missen. Trotzdem bin ich froh, während diesen Fahrten nie von der Polizei damals, weil ich einem Nachbarn immer Ziga- dass ich nicht mehr so jung bin. Sonja kontrolliert. Das hätte nämlich fatale Folgen retten holen musste. Er gab mir zehn Schilling gehabt. Heute würde ich das nicht mehr tun. und ich musste ihm ein Packerl »Smart« ho- Ich habe dazu gelernt, habe Erfahrungen ge- len. Die haben neun Schilling gekostet, den In der Rauhnacht ließen wir uns sammelt und bin reifer geworden. Ich denke, Rest durfte ich behalten. Bald schon hatte ich immer ein paar Streiche einfallen jeder von uns hat schon einmal oder öfter in das Geld für eine Packung »Smart« selbst zu- seinem Leben Blödsinn gemacht. Wichtig ist, sammengespart. Da kam ich auf die smarte Meine Jugend verbrachte ich in Steyregg, wo dass man daraus gelernt hat. Passt auf euch Idee, dass ich mir selbst auch eine Packung wir um die Weihnachtszeit die Rauhnacht fei- auf! Sandra kaufen könnte. Jedenfalls fing ich damals an, erten. Dabei spielten wir den ein oder anderen heimlich zu rauchen. Das war ziemlich stres- lustigen Streich. Es gab zum Beispiel einen sig. So wusste ich oftmals nicht, wo ich meine pensionierten Bewohner im Ort, den niemand So brannte manch einem dann Tschick-Stummel verstecken sollte. Ich wurde so richtig leiden konnte, weil er immer grantig ordentlich der Hintern sehr schnell süchtig nach den Glimmstängeln. war und wahllos Menschen schikaniert hat. So rauchte ich dann auch heimlich in meinem Natürlich war er ein perfektes Opfer für die Es war an einem Sonntag im Sommer. Es war Zimmer, wenn alle schliefen. Als Versteck Rauhnacht. Wir nahmen sein Rad, das sein ziemlich fad und so ging unter uns Kindern wählte ich mein Nachtkästchen, in der Hoff- Heiligtum war. Zuerst ließen wir die Luft aus wieder mal die entscheidende Frage durch die nung, dass Mama diese nicht findet. Ich hatte den Reifen und danach hantelten wir uns ge- Runde: »Was kimma denn heute tun«, oder Glück. Erst als ich ins Kinderheim nach meinsam eine Laterne hinauf. Der Unterste besser gesagt, »anstellen«. Unsere Väter wa- Gleink kam, hat sie die Zigarettenstummeln gab das Rad dann einfach zum nächsten wei- ren fast alle am »Schichteln« (Schichtarbeit, gefunden. Da war es mir dann egal. Helmut ter, bis das Rad ganz oben angekommen war. Anm.). Wir waren unbeaufsichtigt. Das Erste Wir fädelten den Rahmen des Rades beim war, uns Zugang zu diversen Werkzeugen, Zi- Laternenmast ein und gaben das Rad wieder garetten und Streichhölzern zu verschaffen. Die Feuerwehr musste auch langsam bis zum Boden hinunter. Dann lag An so einem Tag dachten wir, wenn uns schon beinahe einmal ausrücken das Rad auf dem Boden und konnte ohne so fad ist, müsste es doch den Arbeitern im fremde Hilfe nicht wieder befreit werden. Am »Kohlekraftwerk« der OKA ebenso ergehen. In der Siedlung, in der ich aufgewachsen bin, nächsten Tag platzierten wir uns gegenüber Zudem kursierte unter den Leuten auch der ging es immer rund. Wir hatten nicht nur Gu- seines Hauses und beobachteten das Gesche- Spruch, die Abkürzung OKA stammt aus der Kurzbezeichnung für: »Oft Keine Arbeit«. Eine Idee war schnell geboren, um dieser Fad- »Wir zündeten im Wald das trockene Gestrüpp an und flüchte- heit Abhilfe zu verschaffen. So zündeten wir ten auf eine Anhöhe, um die Löscharbeiten zu beobachten.« im Wald das trockene Gestrüpp an und flüch- teten auf eine Anhöhe, um in aller Ruhe die Löscharbeiten beobachten zu können. Es dau- tes im Sinn. Dinge, die verboten waren, inter- hen. Als er sein Rad sah, fluchte und schimpfte erte auch nicht lange, schon waren die ersten essierten uns am meisten. Zu Hause setzte es er. Nachdem ihn aber niemand leiden konnte, Helfer mit Schaufeln da, um den Brandherd dann immer Strafen, wenn wir erwischt wur- eilte ihm auch keiner zu Hilfe. Deshalb musste einzudämmen. Es dauerte aber auch nicht den. In unserem Ort gab es einige Leute, die er die Feuerwehr rufen, die sein Rad schluss- lange, um die Zündler ausfindig zu machen. uns nicht sehr mochten und uns dementspre- endlich befreien konnte. Ein anderes Mal nah- Die Befragungen unserer Väter waren sehr chend schlecht behandelten. So rächten wir men wir uns den Fußballverein vor. Wir waren streng. Irgendeiner hielt meistens nicht dicht. uns an ihnen. Wir stahlen deren Fahrräder, ei- ungefähr zehn Leute, die sich alle mitten in Außerdem gab es für die Eltern so etwas wie gentlich haben wir sie nicht gestohlen, son- der Nacht aus den Häusern schlichen. Dann einige »Hauptverdächtige«, denen alles zuzu- dern nur versteckt. Alles beruhte im Grunde trafen wir uns am Sportplatz und schnappten trauen war und die auch meistens die Rädels- genommen auf Gegenseitigkeit. Wir läuteten uns jeweils zu fünft ein Tor, das wir dann auf führer waren. Wer bei diesem Brandanschlag an deren Eingangstüren und liefen davon. Ei- dem Marktplatz platzierten. Natürlich legten alles dabei war, sah man dann auch in der nem lästigen, jüngeren Mädchen erklärten wir wir auch einen Fußball dazu. Leider war am Schule, da man sich mit dem Sitzen noch glaubwürdig, sie würde schwanger werden, nächsten Tag kein Markttag, aber wir beob- schwertat. So brannte manch einem ordentlich wenn sie mit ihrem Freund knutscht. Die achteten trotzdem, wie die Gemeindemitar- der Hintern. Wir hatten aber auch unsere gu- Kleine war damals acht Jahre alt und hatte beiter die Tore wieder auf den Sportplatz ten Seiten und haben unseren Nachbarn viel Angst vor einer Schwangerschaft und der Re- brachten. Diese hatten allerdings mehr Spaß Arbeit erspart mit der Ernte von guten Früch- aktion ihrer Mutter. Beinahe musste einmal daran, als der ältere pensionierte Herr und ten, die wir zumeist schon vor ihnen abgeern- die Feuerwehr ausrücken, da ein Gebüsch nahmen die ganze Sache mit Humor. Auch tet haben, sodass sie es nicht mehr selber zu plötzlich zu brennen begann. Meine Mutter den Streich, bei dem man Hundekot in ein tun brauchten. Dies ist nur ein kleiner Auszug und eine Nachbarin konnten dieses noch Papiersackerl gibt, anzündet, vor einer Haus- aus dem Strafregister des kleinen »Hans« und rechtzeitig löschen. Wer weiß, was sonst pas- türe abstellt, klingelt und wegläuft, haben wir das ist gut so. Schön war die Kindheit trotz- siert wäre. An Sonntagen war meinem Bruder natürlich gemacht. Auf diesen Streich bin ich dem, manchmal eben schmerzhaft! Hans und mir meistens fad. So bekamen unsere heute allerdings nicht unbedingt stolz. Danijel 10/2021 13
Ein Grätzel wird bunt und gesellig Visionäre Franckviertler erschaffen ein einzigartiges »Nachbarschaftscafé am Kiosk« Linz über kreative Ideen für eine weitere Raumnutzung diskutiert. Denn, gelebte Nach- barschaft fördert die Gesundheit. Gegen die Einsamkeit »Sich Zeit nehmen für Gespräche, ein paar wertvolle Stunden miteinander verbringen, Freunde gewinnen oder einfach nur der Ein- samkeit vorbeugen, ist das Ziel dieser Begeg- nungsstätte«, sagt Anita König. Die Gäste sind sichtlich zufrieden. Selbst gebackene Ku- chen und Mehlspeisen, ein guter Kaffee und ein liebevolles Ambiente laden zum Verbleib, zu Gesprächen mit Gleichgesinnten oder An- dersdenkenden ein. Frau F. ist bereits Stamm- Das engagierte Team des »Nachbarschaftscafes am Kisok« bemüht sich um ein geselliges Miteinander. gast. »Dieser Nachmittag ist für mich ein Fix- termin«, sagt sie. »Ohne diesem Café wäre ich ziemlich einsam. Als Pensionistin tut man sich Dienstagnachmittag im Nachbarschafts- bereits entstanden. So verwandelte etwa eine nicht so leicht mit Kontakten«. Und Herr S. café am Kiosk«: Die Tische sind gedeckt, kreative Gruppe im Rahmen der Aktion hofft, in naher Zukunft ganzjährig das Nach- Kaffeetassen stehen griffbereit, selbstge- »Franckviertel wird bunt« bereits vor einem barschaftscafé nutzen zu dürfen. »Wenn es machte Kuchen sind aufgeschnitten: Für Jahr graue Stromkästen in bunte Kunstwerke. draußen kalt wird, möchte ich erst recht nicht die Gäste, die allmählich eintrudeln, eine auf das wärmende Miteinander verzichten willkommene Auszeit. Das bis dato verru- Ein Café der Begegnung müssen«, meint er. fene Franckviertel zwischen Mühlkreisau- tobahn und Westbahntraße macht zuneh- Die Grätzelheldinnen und -helden bringen Belebte Bühne mend positiv von sich reden. neuerdings auch Nachbarn zusammen. Beim leerstehenden Kiosk in der Stiegelbauern- Auf der hinteren Seite des Kiosks sorgt ein Früher oft abschätzig als »Glasscherbenvier- straße wurde ein Nachbarschaftscafé vom weiteres soziales und kulturelles Projekt für tel« bezeichnet, hatte das Franckviertel immer Team »Friends of Franckviertel« als Begeg- positives Aufsehen. Im vorigen Jahr erhielt schon Arbeitertradition und Sinn für Soziales. nungs- und Experimentierstätte ins Leben ge- das Gemeinschaftsprojekt »Bingo-Bingo« Seit ein paar Jahren wird dieser Stadtteil zu- rufen. Ein Treffpunkt, der nicht nur von altein- den mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis nehmend bunter und geselliger. gesessenen Franckviertlern zum regelmäßi- »LinzKultur/4«. »Die Schaufenster werden gen Austausch genutzt wird. Hier kommen seither regelmäßig bespielt«, erzählt Bernhard Positives Image Jung und Alt, Menschen mit und ohne Migra- Hummer, einer der Initiatoren des Projekts. tionshintergrund sowie Menschen aus allen Das Schaufenster, eine »Schatzkammer« von »Wir schaffen schon seit Längerem ein positi- gesellschaftlichen Schichten zusammen. Die ideellem Wert, fungiert als Bühne und Aus- ves Image«, sagt Anita König, die 46-jährige Treffen finden jeden Dienstagnachmittag im stellungsstätte für Sammlerstücke mit eigenen Franckviertlerin und Vorstandsmitglied des Freien auf dem Gehsteig unter dem Dach des Geschichten, welche bereits einem interes- Vereins »Friends of Franckviertel«. Gemein- Kiosks statt. »Unser Ziel ist es, das Gebäude sierten Publikum offenbart wurden. Möge sam mit engagierten Teams und Bürgern küm- zu erhalten, zu sanieren und langfristig für sich der leerstehende Pavillon in der Stiegl- mert sie sich seit Jahren um eine Neubelebung diese gemeinschaftlichen Zusammenkünfte bauernstraße auch zukünftig in dieser Schön- ihres »Grätzels«. Mehrere kommunikative zur Verfügung zu stellen«, betont König. Hin- heit und Lebendigkeit entfalten und weiterent- und innovative Nachbarschaftsinitiativen sind ter den Kulissen werde bereits mit der Stadt wickeln. Foto: de, Text: dw 14 10/2021
16.11.21 11 - 17 Uhr FH OÖ - Campus Linz Garnisonstraße 21 über 50 Informationsstellen Beratung & Service Eintritt frei! Vorträge & Workshops Designkonzept: www.schlor.at Connectsozialwirtschaft Sozialplattform OÖ, Schillerstraße 9, 4020 Linz, connect@sozialplattform.at, 0732-66 75 94
Zu gut für diese Welt Ursulas poetische und philosophische Weltsicht Du Spiegelbilder der Seelen Momente des Glücks Tausend Gedanken, ich bin mein Spiegelbild Lichter flirren Das Mädchen alt geworden im magischen Wald. im Geäst des Baumes. und doch immer noch Leuchtkäferngleich, Kraft und Lieblingsplatz, Schmetterlinge im Bauch. tausend Nuancen und Farben. der Weltraum Was wäre ich Spiegelbilder der Seelen, in seiner Unendlichkeit. ohne deine Gegenwart? ein kleiner Waldschratt schnitzt Manchmal eine Sternschnuppe. Du – ein Teil von mir geworden. ein Einhorn aus Holz. Wünsch dir was! Für immer, Der Wind flüstert Der Mond schenkt Licht bis dass der Tod ein Lied aus Blättern. zum Träumen und Lesen. uns scheidet. Faszination. Momente des Glücks. Ich danke dir Die Sonne bricht durch. Dir sei Dank, von Herzen. Ich grüße den neuen Tag. oh Herr! 16 10/2021
Ewigkeiten ziehen vorbei wolkengleich Zeitraffer des Lebens Sternenstaub So lebe ich und Sichelmond Zuhause lesen Sternenstaub und Sichelmond, ist Kino im Kopf Sucht die Träumerin erwacht. »Sie lesen viel«, Ein Herbstblatt, sagte die Frau, Von den Fesseln so bunt wie die Liebe selbst. deren Körper der Sucht befreit. Long time ago. zusammengeflickt war. Wäre das schön. Ein Märchen wird wahr, In fast jedem Knochen Nur ein Wunsch. unendliche Weiten. Schrauben und Nägel. Stehe auf, So lebe ich, sobald du kannst. nach einem Unfall Noch liegst du Wish you were here und kann mich nicht bewegen. am Boden. Morphium hilft. Bist du bereit? Ewigkeiten ziehen vorbei Irgendwann Wir lasen dasselbe Buch, Wolkengleich. der Wille im Herzen irgendwie seelenverwandt. Zeitraffer des Lebens. aufzustehen. Ich wünsche ihr Auch ich war einmal Kind, Und alles wird gut. alles Gute! ein offenes Herz, freundlich, hilfreich. »Zu gut für diese Welt«, Unendliche Gnade meinte mein Geliebter. Zwischen Mensch Träume wehen im Wind. und Mensch Der Baum der Träumerin. Wish you were here! In der Krone Rosenblätter säumten den Weg eine goldene Frucht. und Schmetterlinge tanzten im Flug. Blätter und Blüten Alptraum Ein Kuss voll Liebe. für die Sterbende. Trunken vor Glück, Seele, Gefesselt die Melodie einer Hochzeit. flieg davon, auf einer Bahre. Das Herz pocht heftig, ins Licht und in die Dunkelheit Leuchten ich nehme deine Hand Möge Gott mit kaltem Licht. und bin Zeuge einer Vermählung sich erbarmen Die Räder surren zwischen Mensch und Mensch. in seiner unendlichen Gnade! im Nichts. Ich wünsche euch Friede und Licht Ein Monitor ein Leben lang. auf der Brust, Wiedersehen im Jenseits schwer und atemberaubend. Unendliche Liebe Trauer um meinen Geliebten, Kein Mensch hier. Tränen streben nach innen, Ausgeliefert, Ein Kuss voll Wärme und Licht kein Lachen von Herzen ohne Chance auf Befreiung. darf dich berühren. innerlich leer, Leid und Einsamkeit Künstlerhände so schmal, so schön. vermisst umgeben mich. Die Saiten deiner Gitarre der einzige Trost, Die höchstpersönliche Hölle. berühren die Seele. ein Wiedersehen Du darfst erwachen, Spiel auch für mich im Jenseits. im Zyklus der Zeit. unendliche Liebe. Foto: hz, Gedichte: Ursula 10/2021 17
Ein hoffnungsloses Leben voller Gewalt Eine Frau berichtet über ihr Schicksal Ich bin 28 Jahre alt und wurde Mein ganzes Leben ist irgendwie ner Wahrheit nie umgehen. Im ter, der mir fortan das Leben zur jahrelang von meinem Stiefva- verpfuscht. So etwas wie Liebe Alter von fünf Jahren ließen sich Hölle machte. Schon von Anfang ter sexuell missbraucht. Die und Geborgenheit habe ich nie er- meine Eltern scheiden. Ein halbes an war er mir gegenüber gewalttä- Wunden werden wohl nie wie- fahren. Meine Mutter schuftete Jahr später zog der Stiefvater ins tig. Er übte jede Form von Gewalt der heilen. Dennoch spüre ich, bis zum Umfallen. Mit ihren drei Haus. aus. Anfangs waren es nur dass ein wenig Druck von mir Jobs war ihr Tag gut ausgefüllt: Schläge. Dann, als ich neun Jahre fällt, wenn ich meine Geschichte Taxifahren, putzen und die Arbeit Gewalttätiger Stiefvater alt war, begannen die sexuellen anderen Menschen erzähle. an einer Tankstelle – da blieb für Übergriffe. Meine Mutter ging je- Endlich kann ich all meinen mich keine Zeit mehr übrig. Der Und hier beginnt die dunkle Zeit den Tag bis spät abends arbeiten. Mut zusammenfassen und einer Schein nach außen musste ge- meines Lebens. Von diesem Au- Er war arbeitslos. So hatte er ein breiteren Öffentlichkeit erzäh- wahrt bleiben. Ihr war immer genblick an war mein Leben auf leichtes Spiel. Kaum kam ich von len, was mir angetan wurde. wichtig, was die Leute sagen – so den Kopf gestellt. Meine Schwes- der Schule nach Hause, begannen Vielleicht hilft das anderen Op- wurde leider vieles unter die De- ter hatte Glück. Sie zog zum leib- dann die fürchterlichen Über- fern, ihr Schweigen zu brechen. cke gekehrt. Sie konnte mit mei- lichen Vater. Es war der Stiefva- griffe. Ich stand regelmäßig unter 18 10/2021
Schock, war wie gelähmt. Da ich Mutter schaute nur weg Hut. Wir brauchten dringend ein Polizei fand mich besoffen am ein wehrloses, junges Mädchen Zimmer. Ich stellte Anträge für Bahnsteig. Ich wollte gerade mit war, ließ ich das alles mit mir ma- Erst mit 15, als ich schon ziem- eine Wohnung bei der Caritas und einem Zug heimfahren. Es sah so chen. Irgendwann wusste ich lich betrunken war, erzählte ich am Land. Wir wurden unterstützt. aus, als wollte ich mich vor den nicht mehr, was richtig und falsch meiner Mutter von den Übergrif- Zug werfen. Das jedenfalls er- war. Mit Mutter konnte ich vor- fen. Ihre Reaktion war ernüch- Eine eigene Familie zählte mein Freund der Polizei. erst nicht darüber reden. Sie war ternd und deprimierend zugleich. ja noch so verliebt in diesen Kin- Sie tat so, als wären die Worte ih- Wir bekamen die Kaution und Ich verlor meine Kinder derschänder. rer betrunkenen Tochter nur ein eine kleine Wohnung. Unsere Märchen. Außerdem meinte sie: Tochter kam zur Welt. Wir lebten Da ich das alleinige Sorgerecht Alkohol und Schulschwänzen »Mein Freund macht nicht so dort zwei Jahre. Mein Freund ent- habe, war ich schuld. Drei Tage schlimme Sachen.« Viele Jahre puppte sich dann mit der Zeit als später mussten wir zum Jugend- Im Alter von zwölf Jahren habe amt. An diesem Tag wurden mir ich Schule geschwänzt und ange- die Kinder genommen. Fünf Mo- fangen zu trinken. Ich trank da- »Ich stand regelmäßig unter Schock, war nate lang durfte ich sie nicht se- mals schon so viel, dass ich mich wie gelähmt. Ich war ein wehrloses, junges hen. Heute darf ich sie einmal im selbst nicht mehr spürte. Zwei Monat unter Aufsicht für einein- bis vier Dopplerflaschen Wein Mädchen und ließ alles mit mir machen.« halb Stunden sehen. Das ist pro Tag. Dann war ich nicht mehr schlimm! Für mich fühlt es sich ansprechbar und in einer anderen an, als wäre ich nur ein Spielball Welt. Eines Tages wurde ich be- hüllte ich mich dann ins Schwei- gewalttätiger Choleriker. Auch er zwischen ihnen und der Pflegefa- wusstlos auf der Straße mitten gen. Nüchtern konnte ich darüber hatte eine schwierige Kindheit. milie. Sie sind zum Glück bei ei- am Tag aufgefunden. Ich hatte ohnehin nicht reden, im betrunke- Alles endete in einer Katastrophe. ner lieben Familie gelandet und mehrere Promille im Blut und nen Zustand wurde mir nicht ge- Wir waren überfordert mit unse- wurden nicht getrennt. Ich habe kam vorerst in das Wagner-Jau- glaubt. ren unbearbeiteten Traumata. Die vor ein paar Monaten wieder ei- regg-Krankenhaus. Es sollte seelischen Wunden kamen nach nen Mann kennengelernt. Er tut nicht das einzige Mal sein, dass Weg in die Obdachlosigkeit der ersten Phase der Verliebtheit mir gut. Ich habe momentan kein ich dort stationär behandelt zum Vorschein. Oftmals eskalierte Verlangen nach Alkohol. wurde. Insgesamt kam ich an die Mit 17 starb mein leiblicher Vater, die Situation. Weil er so viel Lärm 30-mal auf diese Station. Wäh- der sich in all den Jahren immer machte, riefen die Nachbarn die Das Leben neu strukturieren rend meiner Pubertät begannen wieder liebevoll um mich küm- Polizei. Der Vermieter wurde in- dann auch die Selbstverletzun- merte, an einem Schlaganfall. formiert. Es folgte die Kündigung. Seit vielen Jahren bin ich arbeits- gen durch Ritzen. Das war einer der schlimmsten Da ich zu jener Zeit ein zweites los. Im BACKUP, das ist ein Ar- Tage. Dieser Verlust steigerte Mal schwanger wurde, bekamen beitsprogramm der PROMENTE Erste Suizidversuche meinen Alkoholkonsum merk- wir beide eine andere Wohnung. versuche ich meinen Tag zu struk- lich. Es war alles so sinnlos. Am Ich war emotional von ihm abhän- turieren. In der Werkstatt kann ich Mit 13 wollte ich mir zum ersten Hauptbahnhof in Linz lernte ich gig. Das gleiche Spiel begann von basteln, malen und meine Vergan- Mal das Leben nehmen. Ich stand meinen ersten Freund kennen. Er vorne. Es hörte nicht auf. genheit vergessen. Das tut mir auf der Autobahnbrücke in war obdachlos. In seiner Gegen- gut. Endlich wieder ein kleines Traun, zückte das Messer, ritzte wart fühlte ich mich jedoch wohl. Polizei und Jugendamt Ziel, ein wenig Normalität – ab- mich und wollte springen. Ein Wir lebten beide auf der Straße, seits vom Trinken und Nichtstun. Mann und zwei Frauen eilten mir vorerst in unserer Wohnanlage im Er schlug alles nieder. Und er Ich werde erwachsen. Schließlich zur Hilfe. Sie riefen die Rettung. Radkeller, dann in einem Zelt an schlug mich. Ich trank zu jener bin ich nun 28. Es wird Zeit. Und Und so kam ich wieder in die der Traun. Erst, als es so richtig Zeit, jedoch war ich nie stock- ich habe mir fest vorgenommen, Nervenklinik. Es folgten dann kalt wurde, übersiedelten wir in besoffen. Die Polizei kam mehr- eine Psychotherapie zu beginnen. noch zahlreiche Suizidversuche: die Notschlafstelle. Von dort be- mals bei uns vorbei, ebenso das Ich bin schon beim »Anton Immer wieder suchte ich Brü- kamen wir eine betreute Über- Jugendamt. Wir bekamen eine Progsch Institut« in Wien ange- cken auf und wollte nach dem gangswohnung des Vereins B37 Betreuung. Eine Familienhelferin meldet. Ein Platz für sieben Mo- Ritzen springen. Einmal sollten in der Schumannstraße. Zwei Mo- und ein Familienhelfer kamen nate, mit der Aussicht auf eine mich Tabletten ins Jenseits be- nate lebten wir dort. Eine meiner zwei Mal in der Woche vorbei. Neustart-Wohnung nach der The- fördern. Da kam Mutter dazu. Freundinnen meinte dann, wir Nach gut einem halben Jahr rapie. Es kann jeder Zeit losge- Sie sah die leere Schachtel in der könnten zu ihr ziehen. Wir niste- wurde die Familienhilfe beendet. hen. Ich warte schon sehnsüchtig Hand, steckte ihren Finger in ten uns bei ihr ein. Einen Monat Ich ging mit seiner Schwester fort auf den Anruf. Einmal in der Wo- meinen Hals, bis ich erbrechen später jedoch schmiss sie uns wie- und trank wieder einmal zu viel. che melde ich mich dort, damit musste. Sie rief jedoch keine der raus. So waren wir wieder ob- Die Kinder waren allein zu Hause, sie sehen, dass ich bereit bin, an Rettung, da sie nicht wollte, dass dachlos. Dann traf ich eine Freun- bereits schlafend. Er hätte auf sie meinen Problemen zu arbeiten. irgendwer erfuhr, wie es um din aus meinen Kindheitstagen. aufpassen sollen. So war es abge- Ich habe das alte Leben satt. Mein mein seelisches Befinden stand. Auch sie bot uns einen Schlaf- macht. Es war eine Falle. Er ging größter Wunsch ist es, endlich ein Damals konnte ich jedenfalls platz in ihrer Wohnung an. Zu je- an diesem Abend nämlich weg normales Leben zu führen und noch nicht über die Missbrauch- ner Zeit erfuhr ich, dass ich und meldete der Polizei, dass ich meine Kinder bei mir zu haben. serfahrungen sprechen. schwanger war. Es brannte der die Aufsichtspflicht verletze. Die Foto: dw, Text: anonym 10/2021 19
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