MEIN LIEBLINGSVERKÄUFER - 2 Euro - Arge für Obdachlose

Die Seite wird erstellt Isger Brüggemann
 
WEITER LESEN
Arge für Obdachlose                                  Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten

OKTOBER 2021 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis                       2 Euro

                                                        MEIN LIEBLINGSVERKÄUFER
IMPRESSUM                       NACHRUFE

Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur
Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder
                                                         Abschied von Gabi Zehetner (49)
unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich
als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen.       »Red ma Tacheles«, pflegte Gabi oft zu sagen
Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben      und kam – wie versprochen – gleich zur Sa-
dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge-
schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene
                                                         che. Ob es um die Gleichberechtigung von
bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach-    Frauen, die Freiheit der sexuellen Gesinnung
lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion.   oder um Menschenrechte ging, Gabi nahm
                                                         sich kein Blatt vor den Mund und verteidigte
Redaktion
Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020        mutig ihren Standpunkt. Als sie dereinst in
Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob-          Wohnungsnot geriet und über die »Arge Sie«
dachlose.at, www.kupfermuckn.at                          Unterstützung bei der Wohnversorgung er-
Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos:             hielt, kam sie beim Redaktionsbüro der be-
Heinz Zauner (hz), Chefredakteur                         nachbarten Kupfermuckn nicht vorbei, ohne
Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion                   sich die Redaktion einmal anzuschauen. Bald
Daniel Egger (de), Redaktion
Christian Wögerbauer (cw), Redaktion                     schon brachte sie selbstgeschriebene Artikel
Katharina Krizsanits (kk), Layout, Vertrieb              vorbei und wurde ein beliebtes Mitglied der
Walter Hartl (wh), Technik                               Betroffenen-Redaktion der Kupfermuckn.
Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia,      Wobei sich die Frauenrechtlerin und beken-
Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F.,       nende Lesbe, die sich auch bei den Grünen
Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter;           engagierte, ihren Platz erst erkämpfen musste.
Titelfoto: Stammverkäufer Dominic, privat                Auch in der Kupfermuckn sind nicht alle immer frei von Vorurteilen. Bald entstanden jedoch
Auflage: 26.000 Exemplare                                tiefe, langjährige Freundschaften. Mit ihrem Sprachtalent war Gabi auch bei der »Arge Theater-
Bankverbindung und Spendenkonto                          gruppe« und bei unzähligen Lesungen der Kupfermuckn dabei. In den letzten Jahren engagierte
Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz
IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L                sie sich auch bei der Tiertafel von Pfarrer Zeiger am Bindermichl und half beim Aufbau der
                                                         Spallerhoftafel mit, die bedürftige Bürger des Stadtteiles mit Lebensmittel und anderen Gütern
Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck             unterstützt. Leider bist du nach kurzer, schwerer Krankheit am 17. August von uns gegangen.
Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel-
punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis    Liebe Gabi, wir werden dich vermissen.
Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen
melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro-
zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern.
                                                                                        Abschied von Roman aus Wels (63)
Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel.,
0732/770805-19                                                                          Mit großem Bedauern erhielten wir am 7. August 2021 die trau-
Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46,
4600 Wels, Tel. 07242/290663                                                            rige Mitteilung, dass unser langjähriger Welser Kupfermuckn-
Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr,                                   Verkäufer Roman Hager im 63. Lebensjahr von uns gegangen
Tel. 07252/50 211                                                                       ist. Roman verkaufte die Kupfermuckn Zeitung seit 2008. Dies
Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße
102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145                                                 tat er in Wels. Er bezog seine Zeitungen im Tageszentrum des
                                                                                        Sozialen Wohnservice. Herr Hager war durch seine freundliche
Medieninhaber und Herausgeber                                                           und humorvolle Art bei allen sehr beliebt und wird jedem Ein-
Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit-
zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11,
                                                                                        zelnen fehlen. Wir wünschen dir eine gute Reise. Ruhe in Frie-
4020 Linz, www.arge-obdachlose.at                                                       den, lieber Roman! Deine Kolleginnen und Kollegen des »Sozi-
                                                                                        alen Wohnservice Wels«
                       International
                       Die Kupfermuckn ist Mitglied
                       beim »International Network
                       of Street Papers« INSP
                       www.street-papers.com
                                                         Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis
                                                                                                         Liebe Leserinnen und Leser!

                                                                                                         Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ausschließ-
                                                                                                         lich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit
                                                                                                         sichtbar getragenem und aktuellem Ausweis.
                                                                                                         Nur so können Sie sicher sein, dass auch wirk-
                                                                                                         lich die Hälfte des Ertrages der Zielgruppe zu
                                                                                                         Gute kommt: Wohnungslosen und Menschen,
                                                                                                         die in Armut leben und ihren Lebensmittel-
                                                                                                         punkt in Ober­österreich haben.

2                      10/2021
Die seelischen Wunden heilen nie
Sonja (Bild) und andere Opfer von sexueller Gewalt berichten über traumatische Erfahrungen

Sexuelle Übergriffe in der                        schauen wir zwei uns mal die Dusche etwas       musste ich mich in der NOWA mit Fäusten
                                                  genauer an«, oder: »Hast du mal ein paar Mi-    wehren. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon
alten Notschlafstelle                             nuten Zeit für mich im Ruheraum in der Wär-     verheiratet. Mein Mann war noch nicht zu
                                                  mestube?« Auch der eine oder andere Griff       Hause oder wie auch immer man diese Über-
So, ab nun sollte ich in der Notschlafstelle      zwischendurch auf meinen Po war total unan-     gangs-Heimat nennen will. Ich stand in der
(NOWA) leben. Das war im Jahr 1998. Einige        genehm. Die meisten der Männer, die dies ta-    Gemeinschafts-Küche, um mir etwas zum Es-
Jahre kamen später noch dazu. Damals war          ten, waren nicht gerade die saubersten, was     sen zu machen, als ein ziemlich schmieriger
ich knapp zwanzig Jahre alt. Zwar kein Top-       Körperhygiene betrifft. Zu einem sexuellen      Typ zur Tür herein kam. Er dürfte neu hier
Model, jedoch für viele Männer damals wahr-       Missbrauch ließ ich es erst gar nicht kommen,   gewesen sein, nicht der angenehmste Mensch.
scheinlich noch attraktiv genug. Ich wurde so     denn ein Mann musste oder sollte auch ein       »Was kochst du denn Gutes für mich«, begann
erzogen, dass ich mir nicht alles gefallen las-   »Nein« akzeptieren. Ich bekam jedoch auch       er das Gespräch. Meine Antwort war: »Nichts
sen muss, aber in dieser Situation war ich an-    Einladungen in Wohnungen von einigen, die       für dich, das ist für mich.« »Ach geh, komm
fangs überfordert. Auf der Straße lebten und      sich untertags in den Wärmestuben aufhielten.   schon, zuerst essen wir etwas Gutes, danach
leben wahrscheinlich auch heute noch mehr         Ich muss gestehen, dass ich auch mit dem ei-    gehen wir in die Dusche und später werde ich
Männer als Frauen und das führte oftmals          nen oder anderen mitgegangen bin. Aber da       es dir dann ordentlich besorgen«, konnte ich
dazu, dass Frauen gerne mal als »Freiwild«        ging es nie um Sex, sondern um Nächte, in       mir von ihm anhören. Einen Moment lang war
angesehen wurden. Es kam immer wieder zu          denen wir uns mit Karten-Spielen vergnügten     ich sprachlos über die Dreistigkeit, die er an
unangenehmen Sprüchen, wie: »Komm Süße,           und ein wenig amüsierten. Einmal jedoch         den Tag legte. Als ich endlich meine Worte
                                                                                                                      10/2021                 3
das. Zu meinem Entsetzen reichte ihm das
                                                                                                                  dann nicht. Er fing an, mich überall zu strei-
                                                                                                                  cheln. Das wollte ich aber nicht. Also begann
                                                                                                                  ich in meiner Verzweiflung, laut zu rufen:
                                                                                                                  »Lass mich sofort gehen. Pfoten weg!« Er
                                                                                                                  wollte mich gerade ins Gebüsch ziehen, da
                                                                                                                  machte ein Mann, der das beobachtete, das
                                                                                                                  Fenster auf und rief laut zu uns: »Lass die
                                                                                                                  Dame sofort in Ruhe, sonst komm ich runter!«
                                                                                                                  Als Funki das hörte, bekam er dann doch die
                                                                                                                  Panik. Er ließ mich sofort los und rannte da-
                                                                                                                  von. »Vielen Dank«, rief ich meinem Retter
                                                                                                                  zu. Das ist zum Glück auch gut ausgegangen.
                                                                                                                  Beide Male hätte es ziemlich schlimm enden
                                                                                                                  können. Ursula

                                                                                                                  Ich bin ganz knapp einer
                                                                                                                  Vergewaltigung entkommen
                                                                                                                  Ich wuchs mit meinen vier anderen Geschwis-
                                                                                                                  tern bei meiner Mutter und bei meinem Stief-
                                                                                                                  vater, der ein schwerer Alkoholiker war, auf.
                                                                                                                  Meinen echten Vater habe ich leider nie ken-
                                                                                                                  nen gelernt. Unsere Mutter war sehr streng
                                                                                                                  und ziemlich überfordert mit dem Haushalt
                                                                                                                  und der Erziehung. So kam ihr ab und zu die
                                                                                                                  Hand aus. Mein Stiefvater war arbeitslos und
             Gestellte Szene (Foto: dw): Eine Frau, die anonym bleiben möchte, berichtet über ihr Martyrium.
                                                                                                                  hing mehr oder weniger in den Gasthäusern
                                                                                                                  herum. Zum Glück ließ er uns aber in Ruhe.
                                                                                                                  Aufgrund der schlimmen Situation kam ich
wieder fand, stand er schon hinter mir und                    Seit ein paar Jahren hat sich die Situation für     im Alter von zehn Jahren in das Kinderheim in
wollte mir an die Brust fassen. Mit meiner                    die Frauen in der Notschlafstelle verändert, da     Steinbach am Attersee. Dort war es wunder-
Reaktion hatte er jedoch nicht gerechnet, denn                Männer und Frauen räumlich getrennt sind.           schön. Ich konnte mich stabilisieren und
ich drehte mich abrupt um, holte aus und                      Trotzdem möchte ich nie wieder auf diese            durfte in einem gesunden Umfeld erwachsen
schlug ihm mitten ins Gesicht. Etwas verdat-                  Einrichtung angewiesen sein. Sonja                  werden. In aller Ruhe konnte ich dann mei-
tert stand er nun da und meinte noch, dass ich                                                                    nem Schulabschluss machen. Danach kam ich
dies bereuen werde. »Na, was kann mir schon                                                                       nach Gallneukirchen in die Haushaltungs-
passieren«, dachte ich mir, schließlich habe
                                                              Zweimalige sexuelle                                 schule. Auch dort wohnte ich in einem Heim.
ich mich ja nur gewehrt. Er ging ins Büro, um                 Belästigung mit gutem Ende                          Im Alter von zwanzig Jahren zog ich dann je-
sich über mich zu beschweren. Die Betreuer                                                                        doch wieder nach Hause. Mein Ex-Schwager,
kamen danach gleich in die Küche, in der ich                  In meinem früheren Stammlokal lernte ich ei-        meine Schwester und deren beiden Kinder
mittlerweile schon am Tisch saß und meine                     nen Mann kennen, der sich in mich verliebte,        lebten damals mit uns unter einem Dach. Das
zubereitete Mahlzeit genoss. Was hier passiert                allerdings ohne meine Gegenliebe. Als ich           große Problem war mein Ex-Schwager. Er
sei, wurde ich gefragt. Ich erzählte ihnen, dass              mich bedrängt fühlte und ihm klipp und klar         war ebenfalls starker Alkoholiker. Im Gegen-
ich mir Übergriffe dieser Art nicht gefallen                  eine Absage erteilte, ging es erst richtig los.     satz zu meinem Stiefvater war dieser aber so
lassen müsse. Warum ich denn nicht ins Büro                   Zuerst grapschte er an mir herum. Als er es         richtig arg drauf. Er soff, schrie und war meis-
gekommen sei, wurde ich gefragt. Weil ich                     noch bunter trieb, musste die Wirtin eingrei-       tens aggressiv. Und bald musste ich am eige-
mir zuerst meinen Hunger stillen wollte, sagte                fen. Sie verwies ihn vom Platz. Kurz darauf         nen Leib erfahren, dass mit ihm auch sexuell
ich ihnen und erklärte ihnen, dass ich mit der                aber folgte er mir auf die Toilette und fasste      etwas nicht stimmte. Kaum kannte er mich
Zeit gelernt habe, mich zu wehren und mir ein                 mich so brutal an, dass ich vor Schmerzen           etwas besser, begann er mit sexuellen Über-
dickes Fell zugelegt habe. Es wurde später im                 schrie. »Du willst das doch auch«, meinte er.       griffen. Sobald sein Alkoholspiegel stieg, be-
Büro beratschlagt, was passieren sollte. Ich                  Das wurde dann auch der Wirtin zu viel. Sie         gann er mit seiner Grapscherei. Es war total
fürchtete einen Moment lang, dass ich nun                     schmiss ihn raus, und ich hatte endlich Ruhe.       unangenehm. Immer wieder fasste er mich
Hausverbot bekommen würde. Nein, das pas-                     Jahre später war ich dann nochmals in so eine       von hinten an. Mein lautes »Nein« ignorierte
sierte mir Gott sei Dank nicht! Der Mann be-                  unangenehme Situation verwickelt. Es ge-            er. Eines Tages wurde es dann aber zu viel. An
kam seine Strafe. Er musste raus. Es war einer                schah zu jener Zeit, als ich ziemlich viel trank.   jenem Tag zerrte er mich ins Haus und zwang
der wenigen Versuche, mich zu nötigen. Die                    Ich erlaubte Funki – so hieß der Mann -, mich       mich, mit ihm zu schlafen. Er war – wie im-
meiste Zeit war ich dann auch nicht mehr                      damals den kurzen Weg bis vor mein Haus, in         mer – stockbesoffen und aggressiv drauf. Ge-
nüchtern, da ich dieses Leben ohne Alkohol                    welchem ich wohnte, zu begleiten. Und plötz-        waltsam schmiss er mich auf das Bett und zog
nicht ausgehalten hätte. Mittlerweile bin ich                 lich wollte er mir ein »Bussi auf den Bauch«        mir die Hose hinunter. Ich wehrte mich und
froh, das alles nicht mehr erleben zu müssen.                 geben. Betrunken, wie ich war, erlaubte ich         schrie: »Lass mich los, du A…!« Zum Glück
4                   10/2021
war ich damals mental ziemlich stark. Er ließ     nicht.« Es war ein schreckliches Gefühl. Ich    sich zwischen uns und ihren Lover gestellt.
jedoch nicht locker. Im Gegenteil, er wurde       war total durch den Wind und versuchte, mich    Sie blieb leider bei ihm. Und so musste ich
durch meine Schreie noch aggressiver. So          so schnell wie möglich zu befreien. Als ich     lernen, mit dem Schmerz umzugehen. Irgend-
blieb mir nur noch eines, nämlich Notwehr.        mich wieder fassen konnte, stand ich schnell    wann versickerten dann auch meine Tränen.
Ich gab ihm einen heftigen Tritt zwischen die     auf und suchte das Weite. Zum Glück konnte      Mein Stiefvater hasste Tränen. Ich wusste,
Beine und rannte davon. Als ich meiner Mut-       er mir nicht mehr folgen. Ein paar Leute ka-    wenn ich weine, dann schlägt er nur noch fes-
ter von der versuchten Vergewaltigung er-         men mir dann entgegen. Da fühlte ich mich       ter zu. In der Schule hatte ich beim Turnen
zählte, glaubte sie mir nicht. Ich war so der-    endlich wieder in Sicherheit. Als ich zurück-   immer etwas Langes an, damit man meine
maßen enttäuscht von meiner Mutter, dass ich      kam, ging ich gleich in mein Zimmer. Nie        blauen Flecken nicht sehen konnte. Als ich
danach für immer von Zuhause auszog. Meine        wieder suchte ich diesen Ort auf. Margarete     acht Jahre alt war, hat meine Mutter ihn dann
Nichte hatte weniger Glück. Jahre später er-                                                      endlich rausgeworfen. Es war so ein erlösen-
fuhr ich von ihr, dass sie von ihm jahrelang                                                      des Gefühl, das ich damals hatte. Ich war er-
sexuell missbraucht wurde. Mithilfe einer Be-
                                                  Nach körperlicher Gewalt folgte                 löst. Bald schon sollte ich jedoch Opfer eines
treuerin brachte sie die sexuellen Übergriffe     der sexuelle Missbrauch                         neuen Peinigers werden. Er lebte bereits mit
Jahre später zu einer Anzeige. Er wurde verur-                                                    mir unter einem Dach. Es war mein Bruder,
teilt und sitzt nun seine Strafe im Gefängnis     Ich habe Gewalt in jeder nur erdenklichen       der mittlerweile 18 Jahre alt war. Da er keine
ab. Gott sei dank habe ich so einen Übergriff     Form erlebt, nicht nur sexuelle, sondern auch   Arbeit fand und nur zu Hause herumlungerte,
nie wieder erlebt, auch nicht in der Zeit mei-    körperliche und emotionale. Eigentlich be-      konnte er ohne Probleme seine brutalen Triebe
ner Obdachlosigkeit. Helga                        gann mein Leben relativ friedlich. Ich hatte    ausleben. Unsere Mutter ging damals wieder
                                                                                                  einer Arbeit nach. Fünf Jahre lang hat er mich
                                                                                                  mehrmals in der Woche sexuell missbraucht.
»Die sexuellen Übergriffe begannen schleichend.                                                   Er nutzte jede Gelegenheit, sich an meinem
Kaum hatte er seinen Alkoholspiegel, schon fing er damit an.«                                     Körper zu befriedigen. Ich ging durch die
                                                                                                  Hölle. Meiner Mutter konnte ich nichts davon
                                                                                                  erzählen. »Wenn du Mama etwas sagst, bring'
                                                                                                  ich dich um«, mit diesen Worten drohte mir
                                                  als kleines Kind noch einen Vater und eine      mein Bruder jedes Mal. So blieb ich stumm
Ein älterer Herr hat plötzlich                    Mutter, die sich und mich lieb hatten. Doch     und ließ die Übergriffe über mich ergehen. Ich
neben mir masturbiert                             dann, als ich drei Jahre alt war, begann ein    weiß heute nicht mehr, wie ich diese vielen
                                                  Martyrium, das bis heute tiefe und schmerz-     ekligen Übergriffe überleben konnte. Meine
Im Alter von 16 Jahren war ich in Traun als       hafte Narben hinterlassen hat. Meine Eltern     Alpträume wurden schlimmer, auch das Bett-
Küchengehilfin angestellt. Ich bekam dort         ließen sich scheiden, da meine Mutter einen     nässen. Meine Mitschüler machten einen Bo-
eine Dienstwohnung und war von da an auf          anderen Mann kennengelernt hatte. Mein Va-      gen um mich, da ich niemals über ihre Witze
mich alleine gestellt. Nachmittags hatte ich      ter zog weit weg. Wir Kinder – meine beiden     lachen konnte und auch sonst viel zu introver-
immer ein paar Stunden frei, bis ich abends       Brüder und ich – waren dann unserem choleri-    tiert war. Meine seelischen Wunden konnten
wieder zur Arbeit ging. Bei Schönwetter ver-      schen und alkoholkranken Stiefvater hilflos     sie nicht erkennen. Diese Wunden konnte
brachte ich die Freistunden immer in den          ausgeliefert. Wann immer er betrunken heim-     nicht einmal mehr meine Turnlehrerin sehen,
Traunauen. Beim Spazierengehen bemerkte           kam, nahm er sich einen von uns vor. Mich       die ansonsten sehr viel wahrgenommen hat.
ich eines Tages, dass mich ein älterer Herr       schlug er immer gerne mit seinem Gürtel.        Die Spätfolgen, an denen ich heute noch leide,
verfolgte. Ich setzte mich auf einer Wiese nie-   Auch seine Hand und irgendwelche Stecken        sind besonders schlimm: Ich bin beziehungs-
der. Er blieb auch stehen, setzte sich zu mir     prallten auf meinem kindlichen Körper ab.       unfähig, leide an schlimmen Panikattacken,
und wollte mit mir ins Gespräch kommen. Ich       Und wenn ich mich wehrte, schickte er mich      nachts lasse ich das Licht im Zimmer brennen
blockte gleich ab. Und dann geschah das Ab-       meistens ohne Abendessen ins Bett. Meine        und Freunde habe ich noch immer keine. Ich
scheuliche. Er begann neben mir zu mastur-        Mutter war von Natur aus ziemlich schwach.      bin sozusagen »beziehungsunfähig«. Hätte
bieren. Ich dachte mir: »Das gibt es doch gar     Sie war ihm hörig. Kein einziges Mal hat sie    ich nicht meine drei Katzen, wäre ich wohl

                                                                                                                      10/2021                 5
sehr einsam. Seit gut zwei Jahren bin ich nun     che später musste ich wieder für meinen

DAS LE                                       in psychotherapeutischer Behandlung. All-         Freund Drogen besorgen. Und da kreuzte die-

      A                                      mählich lerne ich, mit meinem Trauma umzu-        ser nette Typ wieder auf. Er fragte mich, in

 SOZI                                        gehen. Da ich nur die Grundschule abge-           welchem Blumenladen ich denn arbeiten

    ECK
                                             schlossen habe, stehen die Jobchancen             würde. Er hätte in der letzten Woche alle abge-
                                             schlecht. Immer wieder versuche ich es als        klappert, mich aber nicht gefunden. Der Blu-
                                             Abwäscherin oder Putzfrau. Die Panikatta-         menladen, in dem ich arbeitete, war aber et-
                                             cken machen mir jedoch immer einen Strich         was außerhalb von Linz. Wir unterhielten uns
                                             durch die Rechnung. Krankenstände habe ich        eine Weile und dann fragte mich Alex (Name
                                             schon unzählige hinter mir. Wie gerne würde       geändert), ob ich nicht die Nacht mit ihm ver-
                                             ich irgendwann einmal ein normales Leben          bringen wolle. Oh ja, das wollte ich. Wir
                                             führen. Ein Leben mit einem lieben, einfühl-      checkten in ein Hotel ein. Am nächsten Mor-
Sexuelle Gewalt – Was tun?                   samen Mann an meiner Seite und ohne Terror        gen entschied ich mich, bei Alex zu bleiben.
                                             im Kopf. Autorin der Redaktion bekannt            Mein gewalttätiger Ex-Freund unternahm
Beratung und Prozessbegleitung                                                                 noch ein paar Versuche, mich wieder zurück-
für Frauen und Mädchen ab 14 Jahren aus                                                        zugewinnen, was ihm aber nicht gelang. Mein
ganz OÖ in schwierigen Lebenssituatio-
                                             Ich wurde gehalten                                Entschluss stand fest, und nun hatte ich die
nen, beim Bewältigen von problemati-         wie eine Sklavin                                  Unterstützung von Alex. Endlich war ich be-
schen Beziehungen und bei Gewaltbetrof-                                                        freit von dieser gewalttätigen Gefangenschaft.
fenheit.                                     Als ich 18 Jahre alt war, lernte ich einen sehr   Mir war es wichtig, diese Geschichte öffent-
                                             netten und zuvorkommenden Mann beim               lich zu machen. Sie soll Mädchen und Frauen,
Es ist mir etwas passiert?                   Fortgehen in einem Lokal kennen. Er hielt mir     die in einer ähnlichen Situation sind, Mut ma-
Wir wissen, wie schwierig es sein kann,      die Tür auf, rückte mir den Stuhl zum Tisch,      chen und Selbstvertrauen geben, dass sie sich
über Gewalt zu sprechen. Alle Beratungen     nachdem ich mich gesetzt hatte und lud mich       nichts gefallen lassen sollen. Sucht euch so-
sind vertraulich. Wir nehmen uns Zeit und    immer ein. Im ersten halben Jahr gingen wir       fort Hilfe, wenn jemand euch so weh tut! Au-
hören zu. Als Fachberatungsstelle bei se-    öfters ins Restaurant, ins Kino oder verbrach-    torin der Redaktion bekannt
xueller Gewalt unterstützen wir betroffene   ten die Zeit mit schönen Unternehmungen.
Frauen und Mädchen nach sexuellen Über-      Ein halbes Jahr später waren wir dann schon
griffen und im Umgang mit den emotiona-      fix zusammen. Wir suchten uns gleich eine
                                                                                               Mein erster Mann hat mir
len und psychischen Folgen. Zusätzlich       Wohnung, weil das Leben zu zweit wesentlich       schlimme Gewalt angetan
bieten wir rechtliche Informationen, Bera-   billiger war. Innerhalb kürzester Zeit zeigte
tung vor einer polizeilichen Anzeige und     mein Freund dann jedoch sein wahres Ge-           Bei meinem ersten Mann war in seiner Jugend
eine umfassende Begleitung durch den         sicht. Nach ungefähr einem Monat bekam ich        der Alkohol schon sein ständiger Begleiter.
Strafprozess an.                             aufgrund einer kleinen Meinungsverschieden-       Wenn er mit dem Schichtbus zur Arbeit fuhr,
                                             heit schon die erste Ohrfeige. Diese war leider   wurde bereits getrunken. Nach Dienstende er-
Anonyme kostenlose Hilfe                     der Startschuss für weitere Gewalttaten. Und      tränkte er seine Probleme dann im Wirtshaus.
Unser Team besteht aus Juristinnen und       das geschah unabhängig davon, ob er nüch-         Eines Abends kam er – wie so oft – betrunken
psychosozialen Beraterinnen, die eng zu-     tern, betrunken oder auch auf Drogen war.         nach Hause und wollte Sex haben. Ich wollte
sammenarbeiten. Unsere Beratung ist kos-     Wenn das Essen nicht sofort am Tisch stand,       nicht. Seine Fahne widerte mich an. Doch er
tenfrei und kann auch anonym oder per        bekam ich schon die nächste Ohrfeige. Mit         ließ sich nicht abwimmeln. So kam es, wie es
Onlineberatung in Anspruch genommen          der Zeit wurde er immer besitzergreifender. Er    kommen musste: Er nahm sich mit Gewalt,
werden. Alles, was wir in der Beratung er-   wollte über jeden meiner Schritte Bescheid        was er haben wollte. Im Grunde genommen
fahren, unterliegt der Verschwiegenheits-    wissen. Wenn ich beispielsweise nicht sofort      war dies der Anfang einer langen, qualvollen
pflicht.                                     das Handy abhob, dachte er sich gleich die        Zeit. Mein Mann machte mich abhängig von
                                             schlimmsten Dinge aus, etwa, dass ich ihn         ihm. Ich musste die Hausfrau sein und durfte
Als Expertinnen der frauenspezifischen       betrüge. Von Tag zu Tag wurde die Situation       niemanden mehr treffen. Er hatte mich unter
Beratung arbeiten wir nach den Quali-        schlimmer. Ich hatte Angst davor, mir Hilfe zu    Kontrolle. Seine sexuellen Übergriffe waren
tätstandards, die vom Netzwerk österrei-     suchen. Er bedrohte nämlich mich und meine        demütigend. Ich schämte mich dafür, dass ich
chischer Frauen- und Mädchenberatungs-       Familie und schüchterte uns ein. Ich hatte        so schwach war. Und dann kamen noch die
stellen entwickelt wurden.                   große Angst vor ihm. Er sperrte mich in der       ständigen Schläge hinzu. Es war die reinste
                                             Wohnung ein, fesselte mich am Heizkörper          Hölle. Mein Mann wurde dann zusehends ag-
Kontakt                                      und nahm mir das Handy weg, auf welchem           gressiver und hemmungslos. Eines Tages
Autonomes Frauenzentrum Linz                 ohnehin nur seine Nummer gespeichert war.         schlug er so richtig heftig auf meinen Kopf
Starhembergstraße 10, Ecke Mozartstraße,     Nach ungefähr fünf Jahren Gewalt-Beziehung        ein. Von diesem Schlag konnte ich mich nie
2. Stock, 4020 Linz                          sollte ich eines Tages Drogen für ihn auftrei-    wieder erholen, er löste Migräne bei mir aus.
Telefon: 0732/60 22 00                       ben, da keiner seiner Dealer abgehoben hatte.     In meiner Not flüchtete ich in ein Gewalt-
Fax: 0732/60 22 00 60                        Er schickte mich zum Südbahnhofmarkt, um          schutzzentrum in Linz. Dort konnte ich mich
E-Mail: hallo@frauenzentrum.at               dort etwas zu besorgen. Dort lernte ich einen     erstmals erholen. Mit Hilfe eines Anwaltes
www.frauenzentrum.at                         netten Typen kennen, der mich unbedingt auf       gelang es mir, die Scheidung einzureichen und
Unsere Öffnungszeiten:                       ein Eis einladen wollte. Ich hatte aber leider    ein neues Leben zu beginnen. Noch heute
Montag bis Donnerstag 08:00–16:00 Uhr        keine Zeit und erzählte ihm nur, dass ich in      spüre ich die seelischen Wunden, die er mir
Freitag 08:00–13:00 Uhr                      einem Blumenladen arbeiten würde. Eine Wo-        angetan hat. Autorin der Redaktion bekannt
6                10/2021
Wir haben ein massives Männergewalt-Problem
Kupfermuckn im Gespräch mit der Frauenstadträtin Mag.a Eva Schobesberger

Arbeit, Kinder, Eltern – und all das plötz-
lich und ständig unter einem Dach. Die
CoV-Pandemie stellt viele Menschen vor
herausfordernde Zeiten. Aufgrund der ein-
geschränkten Bewegungsfreiheit durch die
Isolation kam es zu einem deutlichen An-
stieg an Fällen von Missbrauch und häusli-
cher Gewalt. Der Schutz von Frauen ist der
Linzer Frauenstadträtin Eva Schobesber-
ger ein besonders großes Anliegen.

Traurige Serie an Frauenmorden
Gewalt gegen Frauen kennt keine Grenzen
und zeigt sich in immer neuen Facetten. Ganz
oben stehen Frauenmorde, die in Österreich
mittlerweile ein unerträgliches Ausmaß ange-
nommen haben. Bereits 19 Frauen (Stand An-            tensiv auf Informationsoffensive gesetzt. Neu-    Eine wirksame Bekämpfung von Gewalt setzt
fang September) wurden von Männern umge-              erdings hat das Frauenbüro der Stadt Linz ei-     zahlreiche Maßnahmen voraus. So werde bei-
bracht. In der öffentlichen Debatte wird ver-         gens dafür klebstofffreie Sticker mit der Tele-   spielsweise das für Kinder entwickelte Ge-
mehrt über »Femizide« diskutiert. Darunter            fonnummer der Frauenhelpline – 0800/222           waltpräventionskonzept »Faustlos« bereits
fallen Beziehungstaten, Vergewaltigungen mit          555 – entworfen. Diese werden in sämtlichen       effektiv in Linzer Volksschulen eingesetzt.
anschließender Tötung oder die Ermordung              öffentlichen Linzer Orten, etwa in Arztpraxen     Dank dieses Projekts lernen Kinder schon
weiblicher Säuglinge. »Was Frauenmorde be-            oder in städtischen Kindergärten angebracht.      sehr früh den Umgang mit spannungsreichen
trifft, liegt Österreich europaweit im traurigen      Mithilfe dieser speziellen Form von Öffent-       Konflikten, um angemessen mit aggressiven
Spitzenfeld«, bedauert Schobesberger und
stellt klar: »Wir haben ein massives Männer-
gewaltproblem, Männer töten Frauen.« Es               »Was Frauenmorde betrifft, liegt Österreich europaweit
handle sich hierbei um massive Eskalationen,          im traurigen Spitzenfeld. Bei der Täterarbeit muss früh
die von männlichem Dominanzstreben und
Anspruchsdenken gegenüber ihren Frauen ge-            angesetzt werden.«
nährt werden. »Hier gilt es anzusetzen«, be-
tont die Frauenstadträtin. So wird bereits in
Schulen gezielt und verstärkt gegen proble-           lichkeitsarbeit sollen Betroffene ermutigt wer-   Gefühlen umgehen zu können. Auch das im
matische Rollenbilder angekämpft.                     den, Hilfe und Unterstützung wahrzunehmen.        Familienzentrum Pichling angesiedelte, öster-
                                                      Da die Aufkleber elektrostatisch haften, kön-     reichweit einzigartige Projekt zur opferschutz-
Gewaltprävention bereits in Schulen                   nen diese jederzeit entfernt und an anderen       orientierten Täterarbeit investiert in Gewalt-
                                                      Stellen wieder angebracht werden. Neben ei-       schutz und Stärkung der Frauen. Dieses Pilot-
Was das Thema »Gewaltschutz« allgemein be-            ner engagierten Frauenpolitik setzt die Stadt     Projekt, welches im vorigen Jahr zur Offen-
trifft, gibt es in Linz ein dichtes und gut funkti-   Linz auch verstärkt auf eine opferschutzorien-    sive gegen häusliche Gewalt gestartet wurde,
onierendes Netzwerk an Einrichtungen, wie             tierte Täterarbeit und Gewaltprävention.          agiert auf zwei Ebenen: Intervention und Prä-
etwa das Autonome Frauenzentrum, das Fami-                                                              vention. Die finanziellen Mittel wurden be-
lienzentrum Pichling, das Frauenhaus Linz             Linz leistet auch Täterarbeit                     reits aufgestockt. Mit 70.000 Euro mehr pro
oder das Gewaltschutzzentrum OÖ. In ihrer                                                               Jahr kann zusätzliches Personal finanziert
Funktion als Frauenstadträtin ist Eva Schobes-        Man müsse allen voran auch bei jenen anset-       werden, zeigt sich die Frauenstadträtin erfreut.
berger tatkräftig bestrebt, das Präventionsnetz-      zen, von denen die Gewalt ausgeht, ist Scho-      Möge in Linz das bemerkenswerte Engage-
werk zu erweitern. Im Kampf gegen Gewalt an           besberger überzeugt. Nur so könne die Ge-         ment für Opfer von Gewalt auch zukünftig
Frauen und Mädchen wird darüber hinaus in-            waltspirale nachhaltig durchbrochen werden.       bestehen bleiben. Foto: cw, Text: dw
                                                                                                                             10/2021                  7
MEIN
STAMM-VERKÄUFER

Aktion: »Bei uns hat jeder ein Leiberl«
Viele Leser beteiligten sich an der Aktion und erhielten
dafür ein Kupfermuckn-T-Shirt. Der Stammverkäufer
bekam 25 Zeitungen gratis zum Verkauf. Herzlichen
Dank für eure Teilnahme, die vielen herzlichen Glück-
wünsche und Kommentare, wie etwa der von Familie
Speichert (re.i.Bi.).

    Neun Jahre lang Stammverkäufer
    Hiermit übermittle ich euch ein Familienfoto mit
    unserem Lieblingsverkäufer Azad, der seit neun
    Jahren beim Billa Thalheim verkauft. Er ist immer
    freundlich und höflich und vor allem auch ein
    Freund unserer Kinder! Familie Speichert

                                                           Ihr macht eine sehr wichtige
                                                           und tolle Arbeit
                                                           Hallo liebes Kupfermuckn-Team! Ich habe in der aktuellen
                                                           Ausgabe von dieser tollen Aktion gelesen. An sich habe ich
                                                           jetzt nicht den Stammverkäufer, sondern kaufe eure Zei-
                                                           tung, wo und wann immer sie mir begegnet. Außerdem
                                                           finde ich es spannend, mit den verschiedensten Verkäufern
                                                           in Kontakt zu kommen und deren Geschichten zu hören.
                                                            Gestern waren wir in der Linzer-Innenstadt und da ist mir
                                                            dieser nette Herr aufgefallen. Laut Verkäuferausweis han-
                                                            delte es sich um Robert Thanner. Ich fragte ihn, ob er Lust
                                                            hätte, bei der Aktion mitzumachen und ihm damit die
                                                            gratis Zeitungen zu bescheren. Er war anfangs etwas per-
                                                            plex, dass ich ihn deswegen ansprach. Er willigte dann
                                                            jedenfalls schnell ein. Nach einer sehr netten Unterhal-
                                                             tung haben wir ihm eine weitere Juni Ausgabe abgekauft.
                                                             Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn Herr Than-
                                                             ner die Ausgaben bekommt. Und ich würde mich über
                                                              ein T-Shirt in der Größe L freuen. Ich habe euch gerade
                                                              auch noch 25 Euro als Spende überwiesen! Ihr macht
                                                              eine sehr wichtige und tolle Arbeit. Alles Gute zum 25.
                                                              Geburtstag! Liebe Grüße, Christof Stark

8                 10/2021
Tolle Aktion! Danke!
                                                             Ich bin sehr dankbar, Herrn Ift kennen zu dürfen. Er
                                                             ist immer gut gelaunt, genügsam und freut sich über
                                                              ein paar Worte, die Mann/Frau mit ihm wechselt.
                                                              Tolle Aktion! Danke! Maria Baumgartner

Lektüre für Berufspendler
Liebes Kupfermuckn-Team, hier ein Foto mit meinem
Stammverkäufer am Bahnhof. Als Berufspendler und
Bahnvielfahrer treffe ich regelmäßig Ali Imam Khanda-
ker am Linzer Bahnhof. Wir plaudern ein wenig und ich
kaufe dann immer die aktuelle Nummer für mich und
meine Kolleg:innen in der Arbeit. Michael Schmida

                                                        Davids Deutsch wird immer besser!
                                                        Sehr geschätzte Kupfermuckn-Redaktion, Gratulation
                                                        zum 25-jährigen Jubiläum und zu der super Idee mit den
                                                        Leiberln! Ich sende euch anbei das Foto meines Stamm-
                                                        verkäufers David, der mir seit Jahren mit seiner netten
                                                        und immer freundlichen Art beim Einkauf im Hofer-
                                                         markt Haag/Leonding Freude bereitet. Sein Deutsch
                                                         wird immer besser und damit auch unsere (zu kurzen)
                                                         Unterhaltungen. Liebe Grüße, euer Stammleser und
                                                         »Gerneförderer« Robert Limberger

                                                                                            10/2021                 9
JAHRE 1996–2021
KUPFERMUCKN

                                                            Eine Freundschaft ist entstanden
                                                            Hallo liebes Kupfermucknteam! Über die Jahre
                                                            ist mit meinem Stammkupfermuckn-Verkäufer
                                                            Gerald Winkler eine Freundschaft entstanden.
                                                            Wir sehen uns regelmäßig beim »Infra-Center«
                                                            und telefonieren zwischendurch auch mal. Es
                                                            freut mich, Gerald unterstützen zu können!
                                                            Freundliche Grüße, Markus Binder

     Danke für die immer
     lesenswerte Zeitung
     Verkäufer John steht seit Jahren beim Spar in der
     Poststraße. Er begrüßt mich und mein Lastenfahrrad
     schon von Weitem. John ist selbst auch mit dem Fahr-
     rad dort. Dieser Spar hat die Eigenheit, dass Ein-
     kaufswagen in verschiedenen Größen beim Abholen
     und Zurückbringen nicht zusammenpassen, das lässt
     die Leute manchmal verzweifeln. John hilft geduldig
     dabei, die richtigen zu finden. Danke auch für die
                                                            So ein schönes Paar
     immer lesenswerte Zeitung. Unglaublich, wie ihr im-
                                                            Ich kaufe die Zeitung jedes Mal bei Dani und Tina,
     mer wieder auf neue, spannende Themen kommt.
                                                            wenn ich sie sehe, denn sie sind so ein schönes
     Liebe Grüße, Sven Schwerer
                                                            Paar. Die beiden haben mehr verdient! Sie sind eine
                                                            der nettesten Verkäufer, die ich kenne. Liebe Grüße,
                                                            Rene Strassmair

10                 10/2021
Hoffentlich darf Dominic hier bleiben
                                                                                  Ich kenne Dominic schon einige Jahre und mittlerweile
                                                                                  ist er ein guter Freund geworden. Wir freuen uns, ihn
                                                                                   immer vor dem Spar zu sehen und wir hoffen inständig,
                                                                                   dass endlich sein Visum durchgeht, damit er hierblei-
                                                                                    ben kann. Er ist ein sehr anständiger, netter und herzli-
                                                                                    cher Mensch. Beinahe jeder kennt ihn schon in Gall-
                                                                                     neukirchen. Und eigentlich gehört er bereits zu Gall-
                                                                                     neukirchen. Er kennt viele Menschen beim Namen
                                                                                     und fast jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe, spricht
                                                                                      er mit Leuten. Danke Dominic für deine Freund-
                                                                                      schaft! Wolfgang Kern

Er ist Mensch mit Leib und Seele
Hermann hat eine der reinsten Seelen, die mir je im Leben begegnet sind. Er hat
auch ein enormes Herz und Leidenschaft. Ich weiß nicht viel von ihm, wie sein
Leben früher war, aber eins weiß ich, dass sein Lächeln und die herzhafte Be-
grüßung, jedes Mal, wenn er uns sieht, ein Lächeln auf unsere Gesichter zau-
bert. Er ist nicht nur ein »Kupfermuckn-Verkäufer«, er ist ein Mensch mit Leib
und Seele und er lässt uns den Glauben nicht verlieren, dass alles wieder gut
wird! Hermann, mach so weiter, bleib', so wie du bist. Wir möchten noch ein
paar Jahrzehnte deine Stammkunden bleiben. Liebe Grüße, Batic Alisa

                                                                    Eine Freude, ihn zu treffen!
                                                                    Auf dem Selfie sind mein liebster Stammverkäufer Ukemezie Ony-
                                                                    inyechi und ich vor dem Spar in der Ziegeleistraße in Linz abgebil-
                                                                    det. Ich freue mich jedes Mal, wenn wir aufeinander treffen! Ich bin
                                                                    ein großer Fan der Kupfermuckn. Danke für die tolle Aktion!
                                                                     Freundliche Grüße, Kerstin Huber

                                                                                                                     10/2021                    11
Schandtaten, die ich nicht mehr machen würde
Erinnerungen an kleinere und größere Boshaftigkeiten in der Kindheit und Jugend

Wir schnüffelten Benzin, wir logen               ten ihnen, wir wären Heimkinder, und dass        uns so nahe vor, die Aussicht war ein Wahn-
                                                 unsere Eltern uns schlecht behandelt hatten.     sinn. Na ja, das war meiner Meinung nach die
und verbrannten Zeug im Wald                     Oft bekamen wir von den Frauen aus Mitleid       tollste meiner Jugendsünden. Auch das
                                                 viel Geld. Einmal schliefen ein paar Freunde     Schnüffeln von Benzin probierten wir aus.
Es hat bei mir mit circa zwölf Jahren begon-     bei mir. Wir beschlossen, über das Gerüst auf    Heute denke ich anders darüber, weil ich klü-
nen. Einiges von meinen Taten würde ich          das Dach zu steigen. Ich stieg zuerst hinaus.    ger geworden bin. Mit diesem ganzen Scheiß
heute auf keinen Fall mehr machen. Damals        Vor meinem Fenster lag ein Brett, über wel-      habe ich sicher einiges ruiniert. Ich war schon
waren wir eine Clique, meine zwei Freundin-      ches wir leicht hinausklettern konnten. Wir      sehr dumm als Teenager! Einmal lag meine
nen und ich. Wir trafen uns fast jeden Tag       nahmen eine Decke, ein Feuerzeug, Zigaret-       Mutter mit gebrochener Schulter im Kranken-
nach der Schule. Wir gingen in irgendeinen       ten, Gras und die »Bong« mit. Wir mussten        haus. Mir wurde wegen Drogen am Steuer der
Wohnblock und nahmen uns wahllos Schuhe,         ein paar Meter geradeaus bis zu einer Betoner-   Führerschein abgenommen. Zu dieser Zeit ar-
die in den Stiegenhäusern vor den Wohnungs-      höhung gehen, die auf das Dach führte. Oben      beitete ich in der Pizzeria meines Vaters. Da
türen standen. Dann gingen wir zum Wald-         angelangt, machten wir es uns gemütlich. Wir     ich Tag- und Abenddienste hatte, kam ich oft
spielplatz und verbrannten unsere Beute.         breiteten die Decke aus, dann machte einer       sehr spät nach Hause. Und so spät abends fah-
Wenn wir mit dem Bus unterwegs waren,            von uns eine Mischung zum Bong-Rauchen.          ren keine Öffis mehr. Ein Taxi wollte ich mir
sprachen wir oft mit Pensionisten. Wir erzähl-   Es war herrlich und chillig. Der Mond kam        nicht leisten, da die Fahrten mit Taxis ja nicht
12                 10/2021
gerade billig sind. Also hatte ich wieder ein-    Die Zigarettenstummel versteckte                 Fahrräder plötzlich eine andere Farbe. Oder
mal eine geniale Idee. Ich suchte den Auto-                                                        wir stellten in der Wohnung Möbel an andere
schlüssel meiner Mutter. Wer suchet, der fin-     ich im Nachtkästchen                             Plätze. Das machten wir so leise wie möglich,
det auch. Und so hatte ich während des Kran-                                                       damit niemand etwas mitbekam. Ansonsten
kenhausaufenthaltes meiner Mutter einen           Was Jugendsünden betrifft, begann ich damit      hatte ich eine schöne Kindheit und möchte
fahrbaren Untersatz. Zum Glück wurde ich          schon mit acht Jahren. Zum Rauchen kam ich       diese nicht missen. Trotzdem bin ich froh,
während diesen Fahrten nie von der Polizei        damals, weil ich einem Nachbarn immer Ziga-      dass ich nicht mehr so jung bin. Sonja
kontrolliert. Das hätte nämlich fatale Folgen     retten holen musste. Er gab mir zehn Schilling
gehabt. Heute würde ich das nicht mehr tun.       und ich musste ihm ein Packerl »Smart« ho-
Ich habe dazu gelernt, habe Erfahrungen ge-       len. Die haben neun Schilling gekostet, den
                                                                                                   In der Rauhnacht ließen wir uns
sammelt und bin reifer geworden. Ich denke,       Rest durfte ich behalten. Bald schon hatte ich   immer ein paar Streiche einfallen
jeder von uns hat schon einmal oder öfter in      das Geld für eine Packung »Smart« selbst zu-
seinem Leben Blödsinn gemacht. Wichtig ist,       sammengespart. Da kam ich auf die smarte         Meine Jugend verbrachte ich in Steyregg, wo
dass man daraus gelernt hat. Passt auf euch       Idee, dass ich mir selbst auch eine Packung      wir um die Weihnachtszeit die Rauhnacht fei-
auf! Sandra                                       kaufen könnte. Jedenfalls fing ich damals an,    erten. Dabei spielten wir den ein oder anderen
                                                  heimlich zu rauchen. Das war ziemlich stres-     lustigen Streich. Es gab zum Beispiel einen
                                                  sig. So wusste ich oftmals nicht, wo ich meine   pensionierten Bewohner im Ort, den niemand
So brannte manch einem dann                       Tschick-Stummel verstecken sollte. Ich wurde     so richtig leiden konnte, weil er immer grantig
ordentlich der Hintern                            sehr schnell süchtig nach den Glimmstängeln.     war und wahllos Menschen schikaniert hat.
                                                  So rauchte ich dann auch heimlich in meinem      Natürlich war er ein perfektes Opfer für die
Es war an einem Sonntag im Sommer. Es war         Zimmer, wenn alle schliefen. Als Versteck        Rauhnacht. Wir nahmen sein Rad, das sein
ziemlich fad und so ging unter uns Kindern        wählte ich mein Nachtkästchen, in der Hoff-      Heiligtum war. Zuerst ließen wir die Luft aus
wieder mal die entscheidende Frage durch die      nung, dass Mama diese nicht findet. Ich hatte    den Reifen und danach hantelten wir uns ge-
Runde: »Was kimma denn heute tun«, oder           Glück. Erst als ich ins Kinderheim nach          meinsam eine Laterne hinauf. Der Unterste
besser gesagt, »anstellen«. Unsere Väter wa-      Gleink kam, hat sie die Zigarettenstummeln       gab das Rad dann einfach zum nächsten wei-
ren fast alle am »Schichteln« (Schichtarbeit,     gefunden. Da war es mir dann egal. Helmut        ter, bis das Rad ganz oben angekommen war.
Anm.). Wir waren unbeaufsichtigt. Das Erste                                                        Wir fädelten den Rahmen des Rades beim
war, uns Zugang zu diversen Werkzeugen, Zi-                                                        Laternenmast ein und gaben das Rad wieder
garetten und Streichhölzern zu verschaffen.
                                                  Die Feuerwehr musste auch                        langsam bis zum Boden hinunter. Dann lag
An so einem Tag dachten wir, wenn uns schon       beinahe einmal ausrücken                         das Rad auf dem Boden und konnte ohne
so fad ist, müsste es doch den Arbeitern im                                                        fremde Hilfe nicht wieder befreit werden. Am
»Kohlekraftwerk« der OKA ebenso ergehen.          In der Siedlung, in der ich aufgewachsen bin,    nächsten Tag platzierten wir uns gegenüber
Zudem kursierte unter den Leuten auch der         ging es immer rund. Wir hatten nicht nur Gu-     seines Hauses und beobachteten das Gesche-
Spruch, die Abkürzung OKA stammt aus der
Kurzbezeichnung für: »Oft Keine Arbeit«.
Eine Idee war schnell geboren, um dieser Fad-
                                                  »Wir zündeten im Wald das trockene Gestrüpp an und flüchte-
heit Abhilfe zu verschaffen. So zündeten wir      ten auf eine Anhöhe, um die Löscharbeiten zu beobachten.«
im Wald das trockene Gestrüpp an und flüch-
teten auf eine Anhöhe, um in aller Ruhe die
Löscharbeiten beobachten zu können. Es dau-       tes im Sinn. Dinge, die verboten waren, inter-   hen. Als er sein Rad sah, fluchte und schimpfte
erte auch nicht lange, schon waren die ersten     essierten uns am meisten. Zu Hause setzte es     er. Nachdem ihn aber niemand leiden konnte,
Helfer mit Schaufeln da, um den Brandherd         dann immer Strafen, wenn wir erwischt wur-       eilte ihm auch keiner zu Hilfe. Deshalb musste
einzudämmen. Es dauerte aber auch nicht           den. In unserem Ort gab es einige Leute, die     er die Feuerwehr rufen, die sein Rad schluss-
lange, um die Zündler ausfindig zu machen.        uns nicht sehr mochten und uns dementspre-       endlich befreien konnte. Ein anderes Mal nah-
Die Befragungen unserer Väter waren sehr          chend schlecht behandelten. So rächten wir       men wir uns den Fußballverein vor. Wir waren
streng. Irgendeiner hielt meistens nicht dicht.   uns an ihnen. Wir stahlen deren Fahrräder, ei-   ungefähr zehn Leute, die sich alle mitten in
Außerdem gab es für die Eltern so etwas wie       gentlich haben wir sie nicht gestohlen, son-     der Nacht aus den Häusern schlichen. Dann
einige »Hauptverdächtige«, denen alles zuzu-      dern nur versteckt. Alles beruhte im Grunde      trafen wir uns am Sportplatz und schnappten
trauen war und die auch meistens die Rädels-      genommen auf Gegenseitigkeit. Wir läuteten       uns jeweils zu fünft ein Tor, das wir dann auf
führer waren. Wer bei diesem Brandanschlag        an deren Eingangstüren und liefen davon. Ei-     dem Marktplatz platzierten. Natürlich legten
alles dabei war, sah man dann auch in der         nem lästigen, jüngeren Mädchen erklärten wir     wir auch einen Fußball dazu. Leider war am
Schule, da man sich mit dem Sitzen noch           glaubwürdig, sie würde schwanger werden,         nächsten Tag kein Markttag, aber wir beob-
schwertat. So brannte manch einem ordentlich      wenn sie mit ihrem Freund knutscht. Die          achteten trotzdem, wie die Gemeindemitar-
der Hintern. Wir hatten aber auch unsere gu-      Kleine war damals acht Jahre alt und hatte       beiter die Tore wieder auf den Sportplatz
ten Seiten und haben unseren Nachbarn viel        Angst vor einer Schwangerschaft und der Re-      brachten. Diese hatten allerdings mehr Spaß
Arbeit erspart mit der Ernte von guten Früch-     aktion ihrer Mutter. Beinahe musste einmal       daran, als der ältere pensionierte Herr und
ten, die wir zumeist schon vor ihnen abgeern-     die Feuerwehr ausrücken, da ein Gebüsch          nahmen die ganze Sache mit Humor. Auch
tet haben, sodass sie es nicht mehr selber zu     plötzlich zu brennen begann. Meine Mutter        den Streich, bei dem man Hundekot in ein
tun brauchten. Dies ist nur ein kleiner Auszug    und eine Nachbarin konnten dieses noch           Papiersackerl gibt, anzündet, vor einer Haus-
aus dem Strafregister des kleinen »Hans« und      rechtzeitig löschen. Wer weiß, was sonst pas-    türe abstellt, klingelt und wegläuft, haben wir
das ist gut so. Schön war die Kindheit trotz-     siert wäre. An Sonntagen war meinem Bruder       natürlich gemacht. Auf diesen Streich bin ich
dem, manchmal eben schmerzhaft! Hans              und mir meistens fad. So bekamen unsere          heute allerdings nicht unbedingt stolz. Danijel
                                                                                                                      10/2021                  13
Ein Grätzel wird bunt und gesellig
Visionäre Franckviertler erschaffen ein einzigartiges »Nachbarschaftscafé am Kiosk«

                                                                                                               Linz über kreative Ideen für eine weitere
                                                                                                               Raumnutzung diskutiert. Denn, gelebte Nach-
                                                                                                               barschaft fördert die Gesundheit.

                                                                                                               Gegen die Einsamkeit
                                                                                                               »Sich Zeit nehmen für Gespräche, ein paar
                                                                                                               wertvolle Stunden miteinander verbringen,
                                                                                                               Freunde gewinnen oder einfach nur der Ein-
                                                                                                               samkeit vorbeugen, ist das Ziel dieser Begeg-
                                                                                                               nungsstätte«, sagt Anita König. Die Gäste
                                                                                                               sind sichtlich zufrieden. Selbst gebackene Ku-
                                                                                                               chen und Mehlspeisen, ein guter Kaffee und
                                                                                                               ein liebevolles Ambiente laden zum Verbleib,
                                                                                                               zu Gesprächen mit Gleichgesinnten oder An-
                                                                                                               dersdenkenden ein. Frau F. ist bereits Stamm-
          Das engagierte Team des »Nachbarschaftscafes am Kisok« bemüht sich um ein geselliges Miteinander.
                                                                                                               gast. »Dieser Nachmittag ist für mich ein Fix-
                                                                                                               termin«, sagt sie. »Ohne diesem Café wäre ich
                                                                                                               ziemlich einsam. Als Pensionistin tut man sich
Dienstagnachmittag im Nachbarschafts-                       bereits entstanden. So verwandelte etwa eine       nicht so leicht mit Kontakten«. Und Herr S.
café am Kiosk«: Die Tische sind gedeckt,                    kreative Gruppe im Rahmen der Aktion               hofft, in naher Zukunft ganzjährig das Nach-
Kaffeetassen stehen griffbereit, selbstge-                  »Franckviertel wird bunt« bereits vor einem        barschaftscafé nutzen zu dürfen. »Wenn es
machte Kuchen sind aufgeschnitten: Für                      Jahr graue Stromkästen in bunte Kunstwerke.        draußen kalt wird, möchte ich erst recht nicht
die Gäste, die allmählich eintrudeln, eine                                                                     auf das wärmende Miteinander verzichten
willkommene Auszeit. Das bis dato verru-                    Ein Café der Begegnung                             müssen«, meint er.
fene Franckviertel zwischen Mühlkreisau-
tobahn und Westbahntraße macht zuneh-                       Die Grätzelheldinnen und -helden bringen           Belebte Bühne
mend positiv von sich reden.                                neuerdings auch Nachbarn zusammen. Beim
                                                            leerstehenden Kiosk in der Stiegelbauern-          Auf der hinteren Seite des Kiosks sorgt ein
Früher oft abschätzig als »Glasscherbenvier-                straße wurde ein Nachbarschaftscafé vom            weiteres soziales und kulturelles Projekt für
tel« bezeichnet, hatte das Franckviertel immer              Team »Friends of Franckviertel« als Begeg-         positives Aufsehen. Im vorigen Jahr erhielt
schon Arbeitertradition und Sinn für Soziales.              nungs- und Experimentierstätte ins Leben ge-       das Gemeinschaftsprojekt »Bingo-Bingo«
Seit ein paar Jahren wird dieser Stadtteil zu-              rufen. Ein Treffpunkt, der nicht nur von altein-   den mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis
nehmend bunter und geselliger.                              gesessenen Franckviertlern zum regelmäßi-          »LinzKultur/4«. »Die Schaufenster werden
                                                            gen Austausch genutzt wird. Hier kommen            seither regelmäßig bespielt«, erzählt Bernhard
Positives Image                                             Jung und Alt, Menschen mit und ohne Migra-         Hummer, einer der Initiatoren des Projekts.
                                                            tionshintergrund sowie Menschen aus allen          Das Schaufenster, eine »Schatzkammer« von
»Wir schaffen schon seit Längerem ein positi-               gesellschaftlichen Schichten zusammen. Die         ideellem Wert, fungiert als Bühne und Aus-
ves Image«, sagt Anita König, die 46-jährige                Treffen finden jeden Dienstagnachmittag im         stellungsstätte für Sammlerstücke mit eigenen
Franckviertlerin und Vorstandsmitglied des                  Freien auf dem Gehsteig unter dem Dach des         Geschichten, welche bereits einem interes-
Vereins »Friends of Franckviertel«. Gemein-                 Kiosks statt. »Unser Ziel ist es, das Gebäude      sierten Publikum offenbart wurden. Möge
sam mit engagierten Teams und Bürgern küm-                  zu erhalten, zu sanieren und langfristig für       sich der leerstehende Pavillon in der Stiegl-
mert sie sich seit Jahren um eine Neubelebung               diese gemeinschaftlichen Zusammenkünfte            bauernstraße auch zukünftig in dieser Schön-
ihres »Grätzels«. Mehrere kommunikative                     zur Verfügung zu stellen«, betont König. Hin-      heit und Lebendigkeit entfalten und weiterent-
und innovative Nachbarschaftsinitiativen sind               ter den Kulissen werde bereits mit der Stadt       wickeln. Foto: de, Text: dw
14                   10/2021
16.11.21
                                                                                                                                     11 - 17 Uhr
                                                                                                                                 FH OÖ - Campus Linz
                                                                                                                                     Garnisonstraße 21

                                                                                                                                   über 50
                                                                                                                             Informationsstellen

                                                                                                                             Beratung & Service

                                                                                        Eintritt
                                                                                         frei!                              Vorträge & Workshops
Designkonzept: www.schlor.at

                                                Connectsozialwirtschaft

                               Sozialplattform OÖ, Schillerstraße 9, 4020 Linz, connect@sozialplattform.at, 0732-66 75 94
Zu gut für diese Welt
Ursulas poetische und philosophische Weltsicht

Du
                                  Spiegelbilder der Seelen           Momente des Glücks
Tausend Gedanken,
ich bin mein Spiegelbild          Lichter flirren                    Das Mädchen
alt geworden                      im magischen Wald.                 im Geäst des Baumes.
und doch immer noch               Leuchtkäferngleich,                Kraft und Lieblingsplatz,
Schmetterlinge im Bauch.          tausend Nuancen und Farben.        der Weltraum
Was wäre ich                      Spiegelbilder der Seelen,          in seiner Unendlichkeit.
ohne deine Gegenwart?             ein kleiner Waldschratt schnitzt   Manchmal eine Sternschnuppe.
Du – ein Teil von mir geworden.   ein Einhorn aus Holz.              Wünsch dir was!
Für immer,                        Der Wind flüstert                  Der Mond schenkt Licht
bis dass der Tod                  ein Lied aus Blättern.             zum Träumen und Lesen.
uns scheidet.                     Faszination.                       Momente des Glücks.
Ich danke dir                     Die Sonne bricht durch.            Dir sei Dank,
von Herzen.                       Ich grüße den neuen Tag.           oh Herr!
16                    10/2021
Ewigkeiten ziehen vorbei wolkengleich
                                          Zeitraffer des Lebens
Sternenstaub
                                    So lebe ich
und Sichelmond
                                    Zuhause lesen
Sternenstaub und Sichelmond,        ist Kino im Kopf                      Sucht
die Träumerin erwacht.              »Sie lesen viel«,
Ein Herbstblatt,                    sagte die Frau,                       Von den Fesseln
so bunt wie die Liebe selbst.       deren Körper                          der Sucht befreit.
Long time ago.                      zusammengeflickt war.                 Wäre das schön.
Ein Märchen wird wahr,              In fast jedem Knochen                 Nur ein Wunsch.
unendliche Weiten.                  Schrauben und Nägel.                  Stehe auf,
                                    So lebe ich,                          sobald du kannst.
                                    nach einem Unfall                     Noch liegst du
Wish you were here                  und kann mich nicht bewegen.          am Boden.
                                    Morphium hilft.                       Bist du bereit?
Ewigkeiten ziehen vorbei                                                  Irgendwann
                                    Wir lasen dasselbe Buch,
Wolkengleich.                                                             der Wille im Herzen
                                    irgendwie seelenverwandt.
Zeitraffer des Lebens.                                                    aufzustehen.
                                    Ich wünsche ihr
Auch ich war einmal Kind,                                                 Und alles wird gut.
                                    alles Gute!
ein offenes Herz,
freundlich, hilfreich.
»Zu gut für diese Welt«,                                                  Unendliche Gnade
meinte mein Geliebter.              Zwischen Mensch
Träume wehen im Wind.               und Mensch                            Der Baum der Träumerin.
Wish you were here!                                                       In der Krone
                                    Rosenblätter säumten den Weg          eine goldene Frucht.
                                    und Schmetterlinge tanzten im Flug.   Blätter und Blüten
Alptraum                            Ein Kuss voll Liebe.                  für die Sterbende.
                                    Trunken vor Glück,                    Seele,
Gefesselt                           die Melodie einer Hochzeit.           flieg davon,
auf einer Bahre.                    Das Herz pocht heftig,                ins Licht und in die Dunkelheit
Leuchten                            ich nehme deine Hand                  Möge Gott
mit kaltem Licht.                   und bin Zeuge einer Vermählung        sich erbarmen
Die Räder surren                    zwischen Mensch und Mensch.           in seiner unendlichen Gnade!
im Nichts.                          Ich wünsche euch Friede und Licht
Ein Monitor                         ein Leben lang.
auf der Brust,                                                            Wiedersehen im Jenseits
schwer
und atemberaubend.                  Unendliche Liebe                      Trauer um meinen Geliebten,
Kein Mensch hier.                                                         Tränen streben nach innen,
Ausgeliefert,                       Ein Kuss voll Wärme und Licht         kein Lachen von Herzen
ohne Chance auf Befreiung.          darf dich berühren.                   innerlich leer,
Leid und Einsamkeit                 Künstlerhände so schmal, so schön.    vermisst
umgeben mich.                       Die Saiten deiner Gitarre             der einzige Trost,
Die höchstpersönliche Hölle.        berühren die Seele.                   ein Wiedersehen
Du darfst erwachen,                 Spiel auch für mich                   im Jenseits.
im Zyklus der Zeit.                 unendliche Liebe.                     Foto: hz, Gedichte: Ursula
                                                                                                  10/2021   17
Ein hoffnungsloses Leben voller Gewalt
Eine Frau berichtet über ihr Schicksal

Ich bin 28 Jahre alt und wurde     Mein ganzes Leben ist irgendwie      ner Wahrheit nie umgehen. Im         ter, der mir fortan das Leben zur
jahrelang von meinem Stiefva-      verpfuscht. So etwas wie Liebe       Alter von fünf Jahren ließen sich    Hölle machte. Schon von Anfang
ter sexuell missbraucht. Die       und Geborgenheit habe ich nie er-    meine Eltern scheiden. Ein halbes    an war er mir gegenüber gewalttä-
Wunden werden wohl nie wie-        fahren. Meine Mutter schuftete       Jahr später zog der Stiefvater ins   tig. Er übte jede Form von Gewalt
der heilen. Dennoch spüre ich,     bis zum Umfallen. Mit ihren drei     Haus.                                aus. Anfangs waren es nur
dass ein wenig Druck von mir       Jobs war ihr Tag gut ausgefüllt:                                          Schläge. Dann, als ich neun Jahre
fällt, wenn ich meine Geschichte   Taxifahren, putzen und die Arbeit    Gewalttätiger Stiefvater             alt war, begannen die sexuellen
anderen Menschen erzähle.          an einer Tankstelle – da blieb für                                        Übergriffe. Meine Mutter ging je-
Endlich kann ich all meinen        mich keine Zeit mehr übrig. Der      Und hier beginnt die dunkle Zeit     den Tag bis spät abends arbeiten.
Mut zusammenfassen und einer       Schein nach außen musste ge-         meines Lebens. Von diesem Au-        Er war arbeitslos. So hatte er ein
breiteren Öffentlichkeit erzäh-    wahrt bleiben. Ihr war immer         genblick an war mein Leben auf       leichtes Spiel. Kaum kam ich von
len, was mir angetan wurde.        wichtig, was die Leute sagen – so    den Kopf gestellt. Meine Schwes-     der Schule nach Hause, begannen
Vielleicht hilft das anderen Op-   wurde leider vieles unter die De-    ter hatte Glück. Sie zog zum leib-   dann die fürchterlichen Über-
fern, ihr Schweigen zu brechen.    cke gekehrt. Sie konnte mit mei-     lichen Vater. Es war der Stiefva-    griffe. Ich stand regelmäßig unter
18                10/2021
Schock, war wie gelähmt. Da ich       Mutter schaute nur weg                Hut. Wir brauchten dringend ein       Polizei fand mich besoffen am
ein wehrloses, junges Mädchen                                               Zimmer. Ich stellte Anträge für       Bahnsteig. Ich wollte gerade mit
war, ließ ich das alles mit mir ma-   Erst mit 15, als ich schon ziem-      eine Wohnung bei der Caritas und      einem Zug heimfahren. Es sah so
chen. Irgendwann wusste ich           lich betrunken war, erzählte ich      am Land. Wir wurden unterstützt.      aus, als wollte ich mich vor den
nicht mehr, was richtig und falsch    meiner Mutter von den Übergrif-                                             Zug werfen. Das jedenfalls er-
war. Mit Mutter konnte ich vor-       fen. Ihre Reaktion war ernüch-        Eine eigene Familie                   zählte mein Freund der Polizei.
erst nicht darüber reden. Sie war     ternd und deprimierend zugleich.
ja noch so verliebt in diesen Kin-    Sie tat so, als wären die Worte ih-   Wir bekamen die Kaution und           Ich verlor meine Kinder
derschänder.                          rer betrunkenen Tochter nur ein       eine kleine Wohnung. Unsere
                                      Märchen. Außerdem meinte sie:         Tochter kam zur Welt. Wir lebten      Da ich das alleinige Sorgerecht
Alkohol und Schulschwänzen            »Mein Freund macht nicht so           dort zwei Jahre. Mein Freund ent-     habe, war ich schuld. Drei Tage
                                      schlimme Sachen.« Viele Jahre         puppte sich dann mit der Zeit als     später mussten wir zum Jugend-
Im Alter von zwölf Jahren habe                                                                                    amt. An diesem Tag wurden mir
ich Schule geschwänzt und ange-                                                                                   die Kinder genommen. Fünf Mo-
fangen zu trinken. Ich trank da-      »Ich stand regelmäßig unter Schock, war                                     nate lang durfte ich sie nicht se-
mals schon so viel, dass ich mich     wie gelähmt. Ich war ein wehrloses, junges                                  hen. Heute darf ich sie einmal im
selbst nicht mehr spürte. Zwei                                                                                    Monat unter Aufsicht für einein-
bis vier Dopplerflaschen Wein         Mädchen und ließ alles mit mir machen.«                                     halb Stunden sehen. Das ist
pro Tag. Dann war ich nicht mehr                                                                                  schlimm! Für mich fühlt es sich
ansprechbar und in einer anderen                                                                                  an, als wäre ich nur ein Spielball
Welt. Eines Tages wurde ich be-       hüllte ich mich dann ins Schwei-      gewalttätiger Choleriker. Auch er     zwischen ihnen und der Pflegefa-
wusstlos auf der Straße mitten        gen. Nüchtern konnte ich darüber      hatte eine schwierige Kindheit.       milie. Sie sind zum Glück bei ei-
am Tag aufgefunden. Ich hatte         ohnehin nicht reden, im betrunke-     Alles endete in einer Katastrophe.    ner lieben Familie gelandet und
mehrere Promille im Blut und          nen Zustand wurde mir nicht ge-       Wir waren überfordert mit unse-       wurden nicht getrennt. Ich habe
kam vorerst in das Wagner-Jau-        glaubt.                               ren unbearbeiteten Traumata. Die      vor ein paar Monaten wieder ei-
regg-Krankenhaus. Es sollte                                                 seelischen Wunden kamen nach          nen Mann kennengelernt. Er tut
nicht das einzige Mal sein, dass      Weg in die Obdachlosigkeit            der ersten Phase der Verliebtheit     mir gut. Ich habe momentan kein
ich dort stationär behandelt                                                zum Vorschein. Oftmals eskalierte     Verlangen nach Alkohol.
wurde. Insgesamt kam ich an die       Mit 17 starb mein leiblicher Vater,   die Situation. Weil er so viel Lärm
30-mal auf diese Station. Wäh-        der sich in all den Jahren immer      machte, riefen die Nachbarn die       Das Leben neu strukturieren
rend meiner Pubertät begannen         wieder liebevoll um mich küm-         Polizei. Der Vermieter wurde in-
dann auch die Selbstverletzun-        merte, an einem Schlaganfall.         formiert. Es folgte die Kündigung.    Seit vielen Jahren bin ich arbeits-
gen durch Ritzen.                     Das war einer der schlimmsten         Da ich zu jener Zeit ein zweites      los. Im BACKUP, das ist ein Ar-
                                      Tage. Dieser Verlust steigerte        Mal schwanger wurde, bekamen          beitsprogramm der PROMENTE
Erste Suizidversuche                  meinen Alkoholkonsum merk-            wir beide eine andere Wohnung.        versuche ich meinen Tag zu struk-
                                      lich. Es war alles so sinnlos. Am     Ich war emotional von ihm abhän-      turieren. In der Werkstatt kann ich
Mit 13 wollte ich mir zum ersten      Hauptbahnhof in Linz lernte ich       gig. Das gleiche Spiel begann von     basteln, malen und meine Vergan-
Mal das Leben nehmen. Ich stand       meinen ersten Freund kennen. Er       vorne. Es hörte nicht auf.            genheit vergessen. Das tut mir
auf der Autobahnbrücke in             war obdachlos. In seiner Gegen-                                             gut. Endlich wieder ein kleines
Traun, zückte das Messer, ritzte      wart fühlte ich mich jedoch wohl.     Polizei und Jugendamt                 Ziel, ein wenig Normalität – ab-
mich und wollte springen. Ein         Wir lebten beide auf der Straße,                                            seits vom Trinken und Nichtstun.
Mann und zwei Frauen eilten mir       vorerst in unserer Wohnanlage im      Er schlug alles nieder. Und er        Ich werde erwachsen. Schließlich
zur Hilfe. Sie riefen die Rettung.    Radkeller, dann in einem Zelt an      schlug mich. Ich trank zu jener       bin ich nun 28. Es wird Zeit. Und
Und so kam ich wieder in die          der Traun. Erst, als es so richtig    Zeit, jedoch war ich nie stock-       ich habe mir fest vorgenommen,
Nervenklinik. Es folgten dann         kalt wurde, übersiedelten wir in      besoffen. Die Polizei kam mehr-       eine Psychotherapie zu beginnen.
noch zahlreiche Suizidversuche:       die Notschlafstelle. Von dort be-     mals bei uns vorbei, ebenso das       Ich bin schon beim »Anton
Immer wieder suchte ich Brü-          kamen wir eine betreute Über-         Jugendamt. Wir bekamen eine           Progsch Institut« in Wien ange-
cken auf und wollte nach dem          gangswohnung des Vereins B37          Betreuung. Eine Familienhelferin      meldet. Ein Platz für sieben Mo-
Ritzen springen. Einmal sollten       in der Schumannstraße. Zwei Mo-       und ein Familienhelfer kamen          nate, mit der Aussicht auf eine
mich Tabletten ins Jenseits be-       nate lebten wir dort. Eine meiner     zwei Mal in der Woche vorbei.         Neustart-Wohnung nach der The-
fördern. Da kam Mutter dazu.          Freundinnen meinte dann, wir          Nach gut einem halben Jahr            rapie. Es kann jeder Zeit losge-
Sie sah die leere Schachtel in der    könnten zu ihr ziehen. Wir niste-     wurde die Familienhilfe beendet.      hen. Ich warte schon sehnsüchtig
Hand, steckte ihren Finger in         ten uns bei ihr ein. Einen Monat      Ich ging mit seiner Schwester fort    auf den Anruf. Einmal in der Wo-
meinen Hals, bis ich erbrechen        später jedoch schmiss sie uns wie-    und trank wieder einmal zu viel.      che melde ich mich dort, damit
musste. Sie rief jedoch keine         der raus. So waren wir wieder ob-     Die Kinder waren allein zu Hause,     sie sehen, dass ich bereit bin, an
Rettung, da sie nicht wollte, dass    dachlos. Dann traf ich eine Freun-    bereits schlafend. Er hätte auf sie   meinen Problemen zu arbeiten.
irgendwer erfuhr, wie es um           din aus meinen Kindheitstagen.        aufpassen sollen. So war es abge-     Ich habe das alte Leben satt. Mein
mein seelisches Befinden stand.       Auch sie bot uns einen Schlaf-        macht. Es war eine Falle. Er ging     größter Wunsch ist es, endlich ein
Damals konnte ich jedenfalls          platz in ihrer Wohnung an. Zu je-     an diesem Abend nämlich weg           normales Leben zu führen und
noch nicht über die Missbrauch-       ner Zeit erfuhr ich, dass ich         und meldete der Polizei, dass ich     meine Kinder bei mir zu haben.
serfahrungen sprechen.                schwanger war. Es brannte der         die Aufsichtspflicht verletze. Die    Foto: dw, Text: anonym
                                                                                                                         10/2021                  19
Sie können auch lesen