MIT FOLGEN LEBEN LERNEN - VERUNSICHERUNG STILLSTAND - Krebsberatungsstelle Osnabrück
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JAHRESBERICHT 2020 VERUNSICHERUNG STILLSTAND NEGATIV-KREISLAUF INFEKTIONSRISIKO MIT FOLGEN LEBEN LERNEN RÜCKSICHTNAHME UND WERTSCHÄTZUNG AUSEINANDERSETZUNG MIT WERTEN/ EIGENEN EINSTELLUNGEN AUSTAUSCH NEUORIENTIERUNG 1
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE INHALT Grußwort Grußwort 3 Liebe Freund*innen und Förderer*innen der Osnabrücker Krebsstiftung, 1. Das Jahr 2020 – eine neue Wirklichkeit 4 1.1 Ähnliche Folgen einer Krebserkrankung und einer Covid-19 Infektion 5 auch für uns war natürlich im Jahr 2020 Corona das Alles beherrschende Thema! Der Lockdown traf Berater*innen wie Klient*innen zunächst wie ein Schlag – von 1.1.1 Verunsicherung – Veränderung der Alltagsstrukturen 5 heute auf morgen kam alles bisher Gewohnte zum Erliegen! 1.1.2 Gefahr durch eine lebensbedrohliche Erkrankung 5 1.1.3 Neben- und Langzeitfolgen 6 In der Folgezeit konnte ich beobachten, wie unser Team – schnellstmöglich aber ohne etwas zu überstürzen – bemüht war, Beratungen trotzdem wieder möglich 1.1.4 (Relative) Isolierung von sozialen Kontakten 6 zu machen. Es galt, die Hygienevorschriften zu beachten, jede Gefährdung der 1.1.5 Exkurs: Bedeutung des Infektionsrisikos für Krebserkrankte 7 Klient*innen zu vermeiden, deren Ängste zu respektieren und dennoch dem grö- ßer gewordenen Beratungsbedarf gerecht zu werden. 1.2 Auswirkungen der Geschehnisse 8 Dies ist, soweit ich das beurteilen kann, in erstaunlich kurzer Zeit mit einer Palette 1.3 Hilfreicher Umgang 9 von Angeboten gelungen, so dass schon nach zwei Wochen der Beratungsalltag 1.4 Konsequenzen 10 wieder beinahe uneingeschränkt ablief und trotz Corona die Zahl der Beratungen im Vergleich zum Vorjahr erneut deutlich angestiegen ist! 1.5 Überlegungen zu Chancen und Notwendigkeiten für die Für die Bewältigung dieser riesigen Herausforderung gilt allen Mitarbeiterinnen gesellschaftliche Entwicklung 11 und Mitarbeitern mein Dank und meine Hochachtung! Aber auch die Menschen in der „2. Reihe“ - Vorstand, Beirat und Ehrenamtliche – 2. Aktionen und Veranstaltungen 2020 13 standen im März 2020 zunächst „unter Schock“. Wie sollten die notwendigen 3. Informationen zur Psychosozialen Krebsberatungsstelle 2020 16 Spendeneinnahmen generiert werden, obwohl nicht nur jede Art von Benefiz- veranstaltung unsererseits verboten, sondern auch unseren Unterstützern die 3.1 Beratungssituation in den Lockdown-Phasen 16 Möglichkeit genommen war, bei Festlichkeiten der verschiedensten Art zu Spenden 3.2 Klinische Liaisondienste, Außensprechstunden für die Krebsstiftung aufzurufen? der Beratungsstelle und Vernetzung 17 Ich nehme das Ergebnis vorweg: Wir haben trotz dieser unvermeidlichen Einnah- meausfälle voraussichtlich die „schwarze Null“ geschafft! 3.2.1 Klinische Liaisondienste 17 3.2.2 Außensprechstunden unserer Beratungsstelle 18 Dies verdanken wir zum einen der einfallsreichen und unermüdlichen Arbeit unser 3.2.3 Vernetzung 18 Fundraiserin Heike Köhler! Vor Allem aber gilt mein großer Dank Ihnen, unseren 3.2.4 Sprechstunde zu sozialrechtlichen Fragen 19 unermüdlichen Förderern! Sie haben uns mit einer unglaublichen Bereitschaft unterstützt durch Aktivitäten bei Corona konformen Spendenaktionen wie z. B. der Aktion im Brustkrebsmonat aber auch ganz besonders durch Geldspenden, die 3.3 Inanspruchnahme 19 uns in einer nicht erwarteten Höhe erreicht haben. 3.4 Förderschwerpunkt „Psychosoziale Krebsberatungsstellen“ Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich und bin zuversichtlich, auch in Zukunft auf der Deutschen Krebshilfe 21 Ihre Unterstützung rechnen zu können! 3.5 Gesetzliche Finanzierung der ambulanten psychosozialen Und nun wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre unseres Jahresberichts! Krebsberatung 22 Ihr 3.6 Fundraising/Öffentlichkeitsarbeit/Spendenwerbung 23 3.7 Ausblick 24 Osnabrücker Krebsstiftung/Mitarbeiter*innen 25 Klaus Havliza Statistik 2020 26 Vorstandsvorsitzender Osnabrücker Krebsstiftung Dank an alle Spender*innen 28 Vordruck Beitrittserklärung Freundeskreis e.V. der Osnabrücker Krebsstiftung 31 2 3
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE 1. Das Jahr 2020 – eine neue Wirklichkeit Höher (Wirtschaft) – besser (Effektivität) – schneller (Technik), von diesen Ma- 1.1 Ähnliche Folgen einer Krebserkrankung und einer ximen ist die gesellschaftliche Einstellung geprägt und oft auch das eigene Le- Covid-19 Infektion ben. Dann, am 16. März 2020, plötzlich: weitgehender Stillstand. Vermeintliche Selbstverständlichkeiten und alltägliche Strukturen galten nicht mehr. Von ei- 1.1.1 Verunsicherung – Veränderung der Alltagsstrukturen nem Tag auf den anderen waren viele aus dem Arbeitsleben heraus auf eng um- grenzte, den eigenen Haushalt bezogene persönliche soziale Kontakte reduziert und Konsum war auf das lebensnotwenige beschränkt. VERUNSICHERUNG Von einem Tag auf den anderen ist es nicht mehr so wie es war, die gewohnte STILLSTAND Alltagsstruktur gilt nicht mehr, liebgewonnene Gewohnheiten sind häufig nicht mehr anwendbar. Erst wenn dies eintritt, ist spürbar, wie stark das Gefühl der inneren Sicherheit davon abhängt, wieviel Halt dadurch entsteht. Dies in Verbin- liebgewonnene Dies ist die Erfahrung, die die meisten krebserkrankten Menschen machen dung mit einer potenziellen gefährdenden oder schon existierenden körperlichen Gewohnheiten müssen: Mit der häufig schockartig erlebten Diagnosemitteilung des Arztes Gesundheitsbedrohung löst in der Regel hohe Verunsicherung aus. geben Halt werden sie aus ihrem bisherigen Alltag „gekickt“: Sie werden erwerbsunfähig Diese Situation, die wir alle in der ersten Lockdown-Zeit erfahren haben, ken- geschrieben (die Arbeit tritt in den Hintergrund), soziale Begegnungen redu- nen auch krebserkrankte Menschen. Von ärztlicher Seite wird auf eine schnell zu zieren sich und bisher erlebte Alltagsstrukturen geraten aus den Fugen. Sie beginnende Behandlung gedrängt. Viele funktionieren in dieser ersten Phase im Absturz „stürzen aus der normalen Wirklichkeit“. „Autopilot-Modus“, können die Diagnose noch gar nicht im vollen Umfang reali- sieren. Der Arbeitgeber und wichtige nahestehende Menschen werden informiert Dies ist dennoch kein Jahresbericht über Corona. Aber in einem Jahr, das wie kein und eine Kliniktasche wird gepackt. anderes bisher in der Bevölkerung, der politischen Debatte und in den Medien so Ähnlich wie in der Lockdown Phase muss bei minderjährigen Kindern die Betreu- thematisch vorherrschend von dem Diskurs und der Erfahrung Erkrankung ge- ung organisiert werden. Die sozialen Rollen verschieben sich: von der der versor- prägt war, drängt es sich auf, über die Auswirkungen nachzudenken. genden Mutter/des Vaters hin zur/zum Patient*in, die berufliche Rolle tritt häufig Unterschiede bei in den Hintergrund. Eine Krebserkrankung und eine Covid-19 Erkrankung sind nicht gleichzusetzen. einer Krebs- bzw. Ganz im Gegenteil. Es lassen sich bedeutsame Unterschiede erkennen: Covid-19-Erkrankung • Sie werden sehr unterschiedlich verursacht: die Pandemie durch einen Virus 1.1.2 Gefahr durch eine lebensbedrohliche Erkrankung und somit von Mensch zu Mensch übertragbar, eine Krebserkrankung über Wird zu Beginn der Behandlung ein operativer Eingriff durchgeführt, wechseln sich eine abnorme Zellteilung und damit von einem immanent „normalen“ lebens- im Vorfeld hoffnungsvolle Gefühle, er möge komplikationsfrei/-arm verlaufen, mit notwendigen Prinzip ausgehend. der Angst, er könne nicht gelingen, individuell in unterschiedlichem Ausmaß ab. • Die Pandemie löst eher gesellschaftliche, eine Krebserkrankung mehr indi- Nicht nur die Persönlichkeitsstruktur, sondern auch Vorerfahrungen spielen da- viduelle Angst aus. bei eine zentrale Rolle und auch, welche soziale Unterstützung jemand erfährt. • Eine Covid-19 Infektion kann unter günstigen Umständen auch leicht bzw. Die Erfahrung eines Wechselbads optimistischer und eher angstvoller Gedanken sogar unbemerkt verlaufen und abklingen, eine Selbstheilung bei Krebs ist in kennen durch das Pandemiegeschehen ebenfalls viele Menschen – hier sicherlich der Regel so gut wie ausgeschlossen . auch in Abhängigkeit von aktuellen Pressemeldungen. • Bei einer Infektion wird im politischen Diskurs verhandelt und geforscht, wie ihr Einhalt geboten werden kann, eine Krebserkrankung wird – obwohl Beide Erkrankungen, sowohl eine Covid-19- als auch eine Krebserkrankung, sind inzwischen im Lauf des Lebens jeder Zweite damit in Berührung kommt - als potenziell lebensbedrohlich, beide sind auch abhängig vom Alter und allgemeiner individuelles Schicksal jedes/r Einzelnen wahrgenommen. körperlicher Verfassung. Und beide Arten sind recht wenig „greifbar“: Eine Krebs- erkrankung verläuft häufig zunächst unbemerkt bzw. mit nur sehr unspezifischen • An einer Covid-19 Infektion sind in 2020 deutlich weniger Menschen verstor- Symptomen. Auch eine Covid-19 Infektion verläuft oft nur mit unspezifischen, mil- ben (34.272) als an einer Krebserkrankung (ca. 226.700); allerdings: den Symptomen oder zum Teil auch gar keinen. Ein großer Unterschied besteht • die Covid-Infektion tritt pandemisch auf, d.h. die Menge der schwer betrof- darin, dass eine Krebserkrankung nicht unbehandelt abklingt und – wenn sie fenen Erkrankten/Todesfälle ist direkt und nachprüfbar abhängig von der unerkannt bleibt – lebensbedrohlich werden kann und nicht ansteckend ist. Das Einhaltung der Schutzmaßnahmen bzw. sozialer Regelungen. Tückische an der Covid-19 Infektion besteht darin, dass selbst bei milden oder feh- Trotz dieser erheblichen Unterschiede gibt es einige Aspekte, auf die beide ver- lenden Symptomen der Infizierte andere ansteckt und dadurch bei diesen einen Erkrankungen sind weisen. Über einige dieser Aspekte schreiben wir im diesjährigen Jahresbericht. lebensbedrohlich schweren Verlauf bis hin zum Tode in Gang setzen kann. Zu Beginn der Pandemie war sehr unklar, wie genau die Ansteckung erfolgt und ob es wirksame Vorsorgemaßnahmen gibt bzw. welche das sein könnten. Wurde der Effekt einer Mund-Nasen-Abdeckung zu Beginn eher negiert, stellte sich im 4 5
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE weiteren Verlauf schnell heraus, dass dies eine wirksame und zu empfehlende Auch viele Krebserkrankte kennen Phasen relativer sozialer Isolierung. Immer Form des Schutzes ist. Inwieweit die nun entwickelte Impfung dauerhaft wirkt und dann, wenn eine Chemotherapie das Immunsystem sehr angreift, so dass kaum welche Mutationen mitabgedeckt sind, ist bisher nicht vorhersagbar. Abwehrmechanismen gegen Infektionen zur Verfügung stehen, wird ihnen die Ver- meidung von unnötigen sozialen Kontakten angeraten. Eine absolute Isolierung Auch für Krebserkrankungen gibt es faktisch über individuelle Risikofaktoren erleben Menschen, bei denen aufgrund einer anstehenden oder durchgeführten (Rauchen, Suchtmittel-Abusus, Ernährungsgewohnheiten etc.), aber keinen rela- Transplantation das Immunsystem völlig unterdrückt wird. Die Abwehrfunktion tiv hohen individuellen Schutz . Eine Impfung – wie nun gegen Covid-19 – gibt es des Körpers ist dadurch extrem eingeschränkt, die Betroffenen werden statio- als Schutz gegen HPV (Human Papillom-Viren). Sie gilt als ein wirksamer Schutz när in einem weitgehend keimfreien Zimmer isoliert, da sie in dieser Zeit Krank- gegen Gebärmutterhalskrebs, der am häufigsten durch diese Viren ausgelöst wird. heitserregern praktisch schutzlos ausgeliefert sind. Der hierzu benötigte zeitliche Rahmen beträgt ungefähr drei bis vier Wochen. Besonders wenn die Betroffenen 1.1.3 Neben- und Langzeitfolgen unter Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall leiden, benötigen fehlender Trost und sie eigentlich Trost und Zuversicht vermittelnde Kontakte – doch diese sind nicht Zuversicht vermittelnde Beide Erkrankungen führen nicht selten zu Neben- bzw. Langzeitfolgen. Von dem, möglich. Auch wenn sie Kinder haben, entsteht häufig viel Sehnsucht nach ihnen. Kontakte was bisher über Folgen einer Covid-19 Erkrankung berichtet wird, sind besonders der teils deutliche Geruchs- und Geschmacksverlust, eventuelle Schädigung des Lungengewebes bis hin zur Fibrose, Nierenversagen, chronische Schädigungen 1.1.5 Exkurs: Bedeutung des Infektionsrisikos für Krebserkrankte des Herzens und neurologische Folgen zu verzeichnen. Aber auch psychische Fol- gen werden beobachtet: trotz überstandener Erkrankung leiden Menschen unter körperliche und Angstzuständen, depressiven Phasen bis hin zu Psychosen . Wie lange diese Fol- psychische Folgen gen anhalten, kann man zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorhersagen. INFEKTIONSRISIKO Krebserkrankte Menschen leiden – oft in Abhängigkeit von der Behandlungsform – unter teilweise massiven Langzeitfolgen . Die Lebensqualität vermindert dabei Viele Krebspatient*innen sind stark verunsichert, da sie vom Robert-Koch-Institut besonders das sogenannte Fatigue-Syndrom (anhaltende, nicht durch Schlaf zu als eine von mehreren Risikogruppen für einen schweren Verlauf einer Covid-19 beeinflussende Müdigkeit), neurologische Schädigungen der Nervenenden, be- Erkrankung genannt werden.1 sonders in den Händen und Füßen, und anhaltende Konzentrationsprobleme mit Hier sind die Informationen des Krebsinformationsdienstes sehr hilfreich2: Einschränkungen der Gedächtnisleistungen . Hier weiß man, das einige dieser Symptome nach Monaten bis Jahren abklingen bzw. sich vermindern können, es Statistisch betrachtet haben Krebspatient*innen ein deutlich höheres Risiko für massive Langzeitfolgen aber auch anhaltende Folgen gibt, mit denen die Betroffenen leben lernen müssen. eine Lungenentzündung als Gesunde. Das sagt aber nichts über ein erhöhtes In- fektionsrisiko; darüber gibt es bislang keine aussagekräftigen Daten. Sagen kann man, dass Patient*innen mit einer aktiven, fortschreitenden oder metastasier- MIT FOLGEN LEBEN LERNEN ten Krebserkrankung bei einer Ansteckung eine schlechtere Prognose haben als Patient*innen mit einer stabilen bzw. gut beherrschbaren Erkrankung bzw. ge- heilte Patient*innen. Auch ist das Risiko eines schweren Verlaufs von der Art der schlechtere Prognose Erkrankung abhängig (z.B. Lungen- u. Blutkrebs). Ein geschwächtes Immunsys- für Krebspatienten bei 1.1.4 (Relative) Isolierung von sozialen Kontakten einer Infektion tem erhöht zusätzlich das Infektionsrisiko. Als im März 2020 die erste Lockdown Phase begann, gab es neben der Schließung Eine weitere Frage, die Krebsbetroffene bewegt, ist, ob die neue Corona-Impfung der meisten Geschäfte auch die klare Vorgabe, sich nicht mit anderen Menschen zu für sie sicher und wirksam ist. Auch hier gibt es Angst und Verunsicherung, da treffen. Dies war eine völlig neue Erfahrung, plötzlich nicht mehr die Großeltern man zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zurzeit keine sicheren Aussagen tref- über 60 Jahren besuchen zu sollen – die folglich auch in der Betreuung der Kinder fen kann. Hinzu kommt, dass z.B. immungeschwächte Menschen nicht unter den ausfielen. Das stellte die Eltern nicht selten vor erhebliche logistische Probleme. Probanden der Zulassungsstudien vertreten waren . Experten vermuten, dass die Aber nicht nur das: Die Kinder und Großeltern vermissten einander, besonders Wirksamkeit eingeschränkt sein könnte. Sinnvoll ist es in jedem Fall, die Frage der kleinere Kinder konnten nicht verstehen, warum Oma und Opa plötzlich nicht Impfung mit dem/der behandelnden Onkolog*in zu erörtern. mehr kamen. Auch entspanntes Treffen mit Freunden und Bekannten fiel aus, Durch das Erreichen der Belastungsgrenze vieler Kliniken und ihres Pflegeperso- eingeschränkte ebenso kurz „auf einen Kaffee“ bei Nachbarn reinzuschauen. Alleinlebende Men- kein persönlicher nals in der zweiten Infektionswelle ist die Versorgung für Menschen mit schwer- Behandlung und schen waren völlig auf sich gestellt, haben oft tage- und wochenlang keinen per- Kontakt wiegenden Erkrankungen wie Krebs zum Teil deutlich beeinträchtigt. Die Grenze Versorgung sönlichen Kontakt gehabt. führt dazu, dass onkologische Eingriffe und/oder diagnostische Untersuchungen Menschen in Alteneinrichtungen, besonders diejenigen, die unter demenziellen ebenso wie die Nachsorge verschoben werden müssen. Dies erleben die Betrof- Erkrankungen litten, waren stark verunsichert, weil der gewohnte Besuch aus- fenen als massive Bedrohung ihrer Gesundheit bzw. ihres Behandlungserfolgs. blieb. Ihnen war es auch nicht möglich, per Videotelefonie Kontakt zu halten, da Ebenso finden ambulante und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen zum Teil nur fehlende diese Form der Kommunikation sie in der Regel noch mehr verwirrt hätte. Auch sehr eingeschränkt oder gar nicht statt – aber gerade diese sind besonders für Kommunikation außerhalb von Heimeinrichtungen war es vielen älteren Menschen nicht möglich, die Wiedererlangung bzw. Stabilisierung des psychischen Gleichgewichts häufig diese Form zu nutzen, da sie dafür nicht ausgestattet waren. 1. https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/coronavirus-krebs-haeufige-fragen.php (Download 04.01.2020) 2. Das folgende bezieht sich ebenso auf die Informationen des Krebsinformationsdienstes unter der obengenannten online-Seite 6 7
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE besonders wichtig. Auf der anderen Seite fragen sich einige, ob sie sich einem wei- in externalisierter Form als verbale und auch körperliche Aggression gegen die teren Risiko aussetzen, wenn sie in einer Reha-Einrichtung mit mehreren fremden anderen. Besonders letztere richtet sich in der Mehrzahl der Fälle gegen Frauen Menschen zusammentreffen. und Kinder, die ihrerseits wenig Möglichkeit haben, in solchen Zeiten Hilfe zu akti- verbale und körperliche Agression vieren oder auch nur, sich außerhalb der Familie aufzuhalten. 1.2 Auswirkungen der Geschehnisse Die Auswirkungen sowohl der Pandemie als auch einer Krebserkrankung sind 1.3 Hilfreicher Umgang massiv. Sowohl die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen als auch viele Krebs- Beide Situationen stellen also massive Herausforderungen dar, die unterschied- behandlungen (Immunsystem beeinträchtigende, d.h. fast alle Behandlungen mit lich gestaltet werden können. Wir stellen im Folgenden angestrebte Verhaltens- Chemotherapie) reduzieren soziale Kontakte auf ein Minimum . Hinzu kommt, muster dar. Wie die dazu benötigten Fähigkeiten und Motive in uns gestärkt werden Kontakte bleiben nicht dass viele Freunde, Bekannte und Arbeitskolleg*innen mit Bekanntwerden einer können, beruht auf der jahrelangen Erfahrung mit Beratungsprozessen. Dadurch über die Dauer der Krebsdiagnose zwar Kontakt aufnehmen, dies aber häufig über die lange Dauer wissen wir, dass es im Allgemeinen nicht reicht, an bestimmte Verhaltensweisen Behandlung aufrecht der Behandlung nicht aufrechterhalten bleibt. zu appellieren. Die Kernfamilie bzw. die häusliche Lebensgemeinschaft rückt so in ihrer Bedeu- tung in den Vordergrund – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen Gefahr der (= Risiken). Zum einen wird der Wert einer solchen Gemeinschaft stärker gespürt, RÜCKSICHTNAHME UND WERTSCHÄTZUNG Überforderung der im besten Fall mit einem Gefühl der Dankbarkeit. Zum anderen entsteht aber die Kernfamilie Gefahr, genau diese Gemeinschaft zu überfordern, da sie implizit plötzlich alle Be- Hier ist es unterstützend, sowohl während der Maßnahmen zum Schutz vor ei- dürfnisse der Mitglieder erfüllen soll bzw. muss. Dieser Punkt ist vor allem vor ner Ansteckung mit dem Covid-19 Erreger (und allen noch auftretenden Varianten dem Hintergrund der strukturellen hohen Anforderungen an die moderne Klein- davon) als auch der Zeit einer Krebserkrankung bzw. ihrer Behandlung, sich um familie nicht zu unterschätzen. einen wertschätzenden Umgang zu bemühen . Dazu gehört zu versuchen, den/die Besonders für krebsbetroffene Familien ist es schwierig, da die nicht erkrankten jeweils andere*n in seinen/ihren Eigenheiten anzunehmen und auf vorkommen- Angehörigen den Wunsch verspüren, die Bedürfnisse des/der Betroffenen vorran- de Gefühlsausbrüche und -durchbrüche eher mit Ruhe zu reagieren . Auch diese gig zu sehen und nach Möglichkeit zu erfüllen. Eigenen Aktivitäten wird nachran- nicht persönlich zu nehmen, sondern der angespannten Stimmung der agierenden Person zuzuordnen, kann eine eigene, dann eventuell ebenfalls heftige Reaktion mit Ruhe gig bzw. gar nicht nachgegangen, die Versorgung des/der Erkrankten und die fast verhindern. So wird Eskalation frühzeitig vermieden. reagieren immer vorhandene Berufstätigkeit und häufig auch die (notdürftige) Versorgung minderjähriger Kinder benötigt alle vorhandene Energie. Daraus entsteht nicht Das heißt nicht, persönliche Angriffe oder Beschimpfungen klaglos hinzunehmen. selten ein negativer Kreislauf: die eigenen Energiespeicher werden extrem be- Bei solchen verbalen Angriffen ist es sinnvoll, diese zurückzuweisen und als nicht ansprucht, aber die Energiequellen (Erfüllung eigener Bedürfnisse und Wünsche) akzeptabel zu markieren. Hören sie daraufhin nicht auf, ist es eine Möglichkeit, nicht mehr „aufgetankt“. Der Körper und die Psyche laufen dann im Notfall-Re- z.B. Kinder in ihr Zimmer zu schicken – oder in den Arm zu nehmen, und sie zu fra- serve-Modus, immer in der Gefahr, ganz zu versiegen – bzw. eines von beiden zu gen, was sie drückt – das führt häufig zur Beendigung des aggressiven Ausbruchs. Notfall-Reserve-Modus schädigen (wie einen Motor, der nicht genügend Öl zur Verfügung hat). An seine Stelle tritt dann oft Schluchzen und ein Gefühl der Überforderung kann benannt werden. NEGATIVER KREISLAUF Geschehen solche verbalen Angriffe durch den/die Partner*in, ist es möglich, selbst den Raum zu verlassen. So kann die Situation ebenfalls deeskaliert werden. Kommt es hier wiederholt zu solchen Momenten, ist es ebenfalls sinnvoll, in einer Unterdrückte Aggressionen dem/der Erkrankten gegenüber können daraus ent- (wieder) weniger emotionalen Stimmung gemeinsam zu versuchen, die dahinter- das Gespräch stehen, gleichzeitig verbunden mit Schuldgefühlen, da der/die Betroffene ja schon liegenden Gründe zu eruieren und nach Lösungen zu suchen. Schon alleine das suchen die Behandlung durchstehen muss und sich die Erkrankung nicht ausgesucht hat. Sprechen darüber wirkt in der Regel entlastend . Beziehungskonflikte aus Beziehungskonflikte, die aus Rücksicht in dieser belasteten Zeit nicht angespro- Rücksichtnahme In der Beratung wird als erstes versucht, die hinter einem solchen Verhalten lie- chen werden, sind die Folge, zum Teil mit deutlichen langfristigen Auswirkungen. genden Gründe zu hinterfragen und damit ein grundsätzliches Verständnis für den Auch in den Zeiten eines mehr oder weniger rigiden Lockdowns wird die Kernfami- anderen zu fördern. Es wird dazu ermuntert, das Gespräch mit dem Handelnden lie bzw. Lebensgemeinschaft stark beansprucht. Bei beengten Wohnverhältnissen darüber zu versuchen. Ist dies nicht möglich bzw. wird dazu professionelle Unter- ist ein Rückzug der einzelnen Mitglieder nicht möglich . Andere Ausgleichsmög- stützung angefragt, wird bei Bereitschaft auf beiden Seiten ein gemeinsames Ge- lichkeiten, wie sportliche Aktivitäten im Verein, entfallen. Ebenso fallen entlas- spräch vereinbart. Schon alleine die Anwesenheit einer neutralen Person schützt tende Kontakte mit Außenstehenden weg bzw. können nur telefonisch oder digital häufig vor verbalen Ausbrüchen in einem solchen Gespräch und beugt so Eskala- durch professionelle geführt werden. Die psychischen Belastungen führten und führen nicht selten zu tion vor. Die Moderation eines Konfliktgesprächs richtet sich nach der Notwendig- Unterstützung Eskalation subklinischen bis hin zu manifesten psychischen Störungen, je nach Persönlich- keit einer unterstützenden Steuerung. vorbeugen keitstyp mehr aus dem internalisierenden Formenkreis (Depressionen etc.) oder 8 9
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE Ist eine gemeinsame Klärung nicht oder nur unzureichend möglich, steht die Vor- Besonders leiden Kinder und Jugendliche. Ist ein Elternteil an Krebs erkrankt, stellung der oben genannten Strategien im Vordergrund , anschließend das Ein- haben die allermeisten einen Anspruch an sich, Rücksicht zu nehmen. Sie spü- verbale Abgrenzung üben z.B. einer verbalen Abgrenzung mittels Rollenspiel zur Erprobung, welche ren oft sehr feinfühlig, ob der/die Erkrankte Ruhe benötigt, so dass besonders üben Wortwahl hilfreich und individuell passend ist. ältere Kinder und Jugendliche keine Freunde zu sich nach Hause einladen, um Lärm zu vermeiden. Andere entwickeln Scham, wenn der/die Freund*innen den Rücksichtnahme bedeutet, sich immer auch vor Augen zu führen, dass beide Er- Elternteil so elendig oder ohne Haare zu sehen bekommt. Sozialer Rückzug ist die eignisse eine (potenzielle) Lebensbedrohung beinhalten – und was das für die/den Folge – oder sie sind viel bei den Familien des/der Freund*innen (was besonders Betroffene*n bedeutet. Dazu ist es ebenfalls hilfreich, sich in die Lage des/der beim Erkrankten zu Irritationen führen kann – als Frage, ob das Kind sich emoti- Anderen hineinzuversetzen, d.h. empathisch zu sein . onal distanziert oder die andere Familie zu sehr belasten könnte). Zieht das Kind Fühlen sich Krebsbetroffene z.B. zusätzlich zum generellen Risiko einer Anste- sich von Gleichaltrigen zurück, entfällt eine Ressourcenquelle, aber auch der Aus- ckung dadurch bedroht, dass Menschen sich gedankenlos oder absichtlich nicht tausch außerhalb der Familie. Hier ist es wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern of- an die empfohlenen und geltenden Schutzmaßnahmen halten (bes. ausreichender fen sprechen und sich austauschen . Wenn Eltern dieses Gespräch zu schwer fällt Abstand; korrektes Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes) gilt es auch hier, in der oder sie sich davon überfordert fühlen, gibt es in der Beratungsstelle das Angebot, Beratung Möglichkeiten des Umgangs mit einer solchen Rücksichtslosigkeit zu dieses mit Unterstützung der Therapeut*innen zu führen. erörtern. Dazu gehört besonders, freundliche aber bestimmte verbale Hinweise Eine ähnliche Situation (nur noch massiver) erleben alle Kinder in Lockdown Zei- zu erproben . Hier ist es ein wichtiger Aspekt, wieviel von der eigenen Verwundbar- ten, wenn die Kindergärten und Schulen geschlossen sind und maximal der Kon- keit durch das Krebsgeschehen preisgegeben wird. Häufig machen sie dann die takt zu einem außerhalb des Haushalts lebenden Kind erlaubt ist. Sie sind einzig positive Erfahrung, dass Menschen erschrocken über ihr Fehlverhalten sind und auf die familiären Bezüge zurückgeworfen – mit allen oben schon beschriebenen sich entschuldigen. Ebenso wird aber auf die Erfahrung „das Anpöbeln“ als Reak- Gespräch suchen positive Erfahrungen Konsequenzen. tion vorbereitet und dann das eigene Umgehen mit solchen Erfahrungen erprobt. Auch die Lebensqualität rückt in den Fokus. Was bedeutet Lebensqualität, inwie- Schon jetzt kommen medizinisches und pflegerisches Personal an den Rand der weit haben diese Dinge im bisherigen Leben Raum bekommen oder wurden mit vorhandenen Kapazitäten. Daher sind wir alle gehalten, Schutzmaßnahmen peni- tatsächlichen oder vermeintlichen Notwendigkeiten an die Seite bzw. auf „später“ bel einzuhalten, um das Gesundheitssystem durch Fahrlässigkeit nicht zusätzlich Was bedeutet verschoben. Dies ungebrochen weiter zu praktizieren, ist in der Regel schwer zu beanspruchen. Auch dies kommt Krebsbetroffenen insoweit zugute, damit für Lebensqualität möglich. ihre notwendigen Krebstherapien genügend Ressourcen vorhanden bleiben. Innerpsychisch macht es einen großen Unterschied, ob eigene belastende Erfah- rungen intrinsisch bejaht und in das Selbst integriert oder als von außen verur- 1.4 Konsequenzen sacht abgewehrt werden. WERTEORIENTIERUNG 1.5 Überlegungen zu Chancen und Notwendigkeiten Beide Ereignisse verlangen danach, sich mit den Werten auseinanderzusetzen, nach für die gesellschaftliche Entwicklung denen man lebt bzw. die sich im Laufe der alltäglichen Struktur durchgesetzt haben. Wie im ersten Kapitel betont, sind Krebserkrankungen und Covid-19 Infektionen Mehr noch, für viele ist die Auseinandersetzung damit eine innere Notwendigkeit, da nicht zu vergleichen geschweige denn gleichzusetzen. Fragen der Lebens- sie spüren, dass es sich nicht passend anfühlt, so weiterzuleben wie bisher. Beide schärfen das Bewusstsein, über Fragen der Lebensführung und der gesell- führung, gesellschaftliche Die Bedeutung der sozialen Struktur und ein gutes soziales Netz wird stärker ge- schaftliche Werte nachzudenken und in den Austausch zu kommen . Dazu gehören Werte bedenken, spürt – ebenso, was es ausmacht, plötzlich nicht mehr die Möglichkeit zu haben, Austausch suchen ein paar Fragen: Kontakte und Beziehungsaufnahme nach eigenen Wünschen zu gestalten. Häufig erleben besonders Krebsbetroffene in der Zeit der Erkrankung und Behandlung • was tolerieren wir? Welche Behandlungskosten wollen wir uns gesellschaft- Bedeutung sozialer Enttäuschungen durch abweisende oder ignorierende Reaktionen von Menschen, lich leisten? Struktur und sozialer die ihnen vermeintlich sehr nahe standen. Andere Menschen, die gar nicht so bei • welche wirtschaftlichen Auswirkungen sind vertretbar (Lockdown Folgen; Netzwerke ihnen im Fokus waren, erweisen sich als beständig und zuverlässig. lange Krankschreibungen von Krebserkrankten und notwendige vorzeitige Berentung)? Wie wichtig außerhalb der Familie stehende Menschen sind, haben wir alle im ver- gangenen Jahr erfahren. Besonders, wenn Familienangehörige nicht vor Ort sind, • wie können Rücksichtnahme und Schutz auf Erkrankte und Schwächere haben gerade junge Menschen Hilfsdienste für alte, alleinstehende und einsame mit legitimen Interessen von Gesunden gegenseitig abgewogen und in ein Menschen übernommen . Fast jede größere Stadt hat ein Register von Freiwilligen, auf Dauer verträgliches Gleichgewicht gebracht werden (z.B. Isolierung die angeben, welche Aufgaben sie für fremde Menschen übernehmen würden. und Bildungseinschränkungen bei Kindern; Rücksicht und auf schwächere Freiwilligenagentur Auch für Krebserkrankte lohnt es sich unter Umständen sich bei solchen Diensten Arbeitnehmer*innen und deren geringere Leistungen in Kauf nehmen mit Bierstraße 32a zu erkundigen. In Osnabrück läuft die Vermittlung z.B. über die Freiwilligenagen- der Folge der Mehrbelastung der Kolleg*innen)? (Tel. 0541 323 3105) tur an der Bierstraße 32a (Tel. 0541 323 3105). 10 11
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE 2. Aktionen und Veranstaltungen 2020 Dazu gehört engverknüpft das allgemeine Ernstnehmen unterschiedlicher Be- In 2020 war aufgrund des Infektionsrisikos die Durchführung unserer liebgewon- dürfnisse. nenen Aktionen und Veranstaltungen leider nicht möglich. Dies bedeutete den Ver- lust einer wichtigen Einnahmequelle für die Beratungsleistung. Gleichgewicht Eine weitere, in der Krebsberatung stets präsente Frage betrifft die des Gleichge- zwischen körperlicher wichts zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit (Schutz vor einer In- Umso mehr hat es uns gefreut und auch gerührt, wie sehr wir von Einzelpersonen, und psychischer fektion; Behandlungsneben- und Langzeitfolgewirkungen auf Kosten einer deut- Firmen und Institutionen unterstützt wurden. Dazu gehörte die Resonanz auf un- Gesundheit finden lich verminderten Lebensqualität). sere Spendenbitte im Sommer ebenso wie die vielen kreativen, mit viel Engage- ment durchgeführten Aktionen im Rahmen des Brustkrebsmonats. All diese Fragen erfordern ein Abwägen und damit einen gesellschaftlichen und Auch auf unseren Weihnachtsbrief mit der Bitte um Unterstützung haben zahl- politischen Austausch aller Gruppen (Erkrankte; Schwächere; Menschen mit Mi- reiche Bürgerinnen und Bürger großzügig reagiert, so dass die finanzielle Situa- grationshintergrund/Geflüchtete; unverbesserliche Leugner der Infektion bzw. ih- tion für den Jahreshaushalt nicht so drastisch ausfiel, wie von uns zu Beginn der rer Risiken; politische Vertreter*innen; „Bessergestellte“ etc.). Lockdown-Phase befürchtet. Dies ist sicherlich die größte aktuelle und zukünftige Herausforderung für uns Auch in diesem Jahr ein paar Impressionen vom Engagement für unsere Stelle: alle. Die Belastungen zu ignorieren wäre fahrlässig, denn Angst und Unsicherheit erzeugen und fördern individuell und gesellschaftlich eine Konfliktverarbeitung, Spendenaktion die Schwarz-Weiß-Denken verstärkt, da sie das Abwägen erschweren und zu po- einer Klasse von larisiertem Denken treibt. Pflegeschüler*innen des Niels-Stensen- Bildungszentrums, AUSTAUSCH UND NEUORIENTIERUNG 17.01.2020 Zusammenfassend für diese exemplarisch aufgeführten Fragen lässt sich sagen, dass ein Austausch und eine Neuorientierung, welche Erfahrungen das Leben und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft tragen und bereichern, relevant sind und unterstützt werden sollten. So können eine gute Lebensqualität und Solidarität untereinander gestärkt und der Gefahr einer gesellschaftlichen Zergliederung/ Spaltung vorgebeugt werden . Sprachlosigkeit vermeiden, Genau darin besteht die Arbeit einer Krebsberatungsstelle: extreme Sowohl innerpsychische als auch zwischenmenschliche Sprachlosigkeit versu- Verhaltensmuster chen zu vermeiden und einseitige und extreme Verhaltensmuster unter Stressbe- verhindern dingungen zu verhindern bzw. zu minimieren. Erlös aus der Silvestertombola im Vienna House Es ist nutzlos, Remarque, 12.02.2020 über das Interesse der Gemeinschaft zu sprechen, ohne zu verstehen, was das Interesse des Einzelnen ist. Die Abschlussklasse der Thomas-Morus- Jeremy Bentham (1748 - 1832) Schule hatte in vielen Aktionen Geld für ihre Abschlussfeier gesammelt – die Feier konnte leider nicht stattfinden. So haben sie das Geld spontan für die Beratung gespendet, 24.06.2020 12 13
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE Das große und ideen- reiche Engagement vieler Auch in diesem Jahr Akteur*innen hat im hat Herr Pommer die Brustkrebsmonat 2020 trotz Geschichte von „Kijuba der geltenden zahlreichen und der kleine Stern“ Einschränkungen dazu ge- wieder wunderschön führt, dass wir Ende Oktober illustriert, gesponsert von einer Rekordsumme von Rene Strothmann überrascht wurden! von SanderStrothmann GmbH (Illustrationen) und der Agentur Medienweite (digitale Umsetzung) Auch die Orgelfreunde haben in der Adventszeit für uns georgelt, leider musste diese Aktion aufgrund des erneut verhängten Lockdowns am 16.12.2020 abgebrochen werden – mit der festen Zusage, diese Aktion in 2021 für uns wieder zu starten! 27.11.2020 Christian Schäfer veranstaltete in der Silvester Nacht eine Der Prelle-Shop sam- digitale Session, bei der melt seit vielen Jahren er von 21.00 – 22.00 Uhr „Tütengeld“, wenn für die Krebsberatung Kund*innen eine sol- auflegte, che wünschen. 31.12.2020 Auch in diesem Jahr wurden wir auf diese Weise unterstützt, 16.12.2020 Liebevoll ausgesucht haben die Mitglieder des Ladies circles Osnabrück Pixibücher Herzlichen Dank für den familien- unterstützenden Bereich Dieser kurze Einblick in Aktionen und Veranstaltungen, die im letzten Jahr durch- Kijuba, zusätzlich hat geführt worden sind, lässt erahnen, wie vielfältige Unterstützung wir für unsere BB Immoinvest GmbH Arbeit erfahren durften. Diese ist für uns ein großer Schatz, finanziert sich die Wallenhorst Ostheimer Beratung doch zu knapp 70 % über Spenden. Auf den Seiten 28 bis 30 sind alle Ein- Tiere für diesen zelpersonen, Institutionen und Unternehmen aufgeführt, die sich engagiert haben. therapeutischen Bereich Wir danken allen Aktiven sehr herzlich - und nicht zuletzt unseren ehrenamtlich Viele Aktionen werden gespendet, tätigen Mitarbeitenden, die immer wieder ihre Zeit und Energie spenden, und die erst durch ihr Mitwirken 16.12.2020 Ratsuchenden im Empfang und am Telefon und bei vielen kleinen Alltagsaufgaben ermöglicht! unterstützen. Viele Aktionen werden erst durch ihr Mitwirken ermöglicht! 14 15
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE 3. Informationen zur Psychosozialen Krebsberatungsstelle 2020 3.1 Beratungssituation in den Lockdown-Phasen Jugendliche nutzen diese Form ebenfalls und zeigten dabei oft eine beeindrucken- de Offenheit und Fähigkeit, ihre Belastungen in Sprache auszudrücken . Zwischen beeindruckende Im März – sehr überraschend und plötzlich – wurde das öffentliche Leben „runter- den chatbasierten Terminen nutzten sie, wie auch vorher schon, den kurzen Aus- Offenheit gefahren“ und viele Institutionen und Dienstleistungen hatten nicht mehr geöffnet. tausch via Mobiltelefon. Der Begriff „Lockdown“ bekam einen festen Platz in unserer Kommunikation. Das Herausforderung Auch nach Lockerung der strengen Maßnahmen blieben digitale Angebote beste- digitale Angebote betraf auch eine Reihe von Beratungseinrichtungen. So stellte sich auch uns die Pandemie hen. Sie sind auch für immobile Erkrankte eine gute und hilfreiche Form der Bera- bleiben dauerhaft im Frage, wie wir es mit persönlichen Beratungskontakten handhaben wollen. tung und bleiben von daher dauerhaft im Beratungsangebot. Beratungsangebot Nach einer intensiven Erörterung im Fachteam haben wir uns entschlossen, unter Etablierung der damals empfohlenen Schutzmaßnahmen weiterhin persönliche Angebot von Gespräche anzubieten. Parallel dazu schufen wir sehr zeitnah die Möglichkeit, mit persönlichen einer datenschutzkonformen Chat-Installation digital zu beraten, daneben wie 3.2 Klinische Liaisondienste, Außensprechstunden der Gesprächen auch schon in der Vergangenheit telefonisch weiterhin erreichbar zu sein. Beratungsstelle und Vernetzung Der weitere Verlauf zeigte uns, dass dies für uns die passende Entscheidung ge- 3.2.1 Klinische Liaisondienste wesen ist. Wie auch in den vergangenen Jahren leisten wir in vielen der onkologischen Zen- Bei telefonischer Terminvereinbarung wurde abgeschätzt, wie gefährdet jemand tren der Region Osnabrück/Vechta einen Liaisondienst. Im Brustzentrum Osna- ist (Körperliche Verfassung; Immunstatus; vorhandene Möglichkeit ohne öffentli- brück am Franziskus Hospital Harderberg (Chefarzt Dr. Albert von der Assen), Gefährdung chen Nahverkehr zu kommen etc.). Dazu gehörte auch das Ansprechen des indi- im Klinikum Osnabrück (Chefärztin Dr. Corinna Petz), in der Paracelsus-Klinik durch eine mögliche viduellen Ausmaßes der Befürchtung, sich im persönlichen Kontakt mit anderen (Leitende Ärztin Dr. Sibylle Greiner) und in der Rehabilitationsklinik Vechta (Chef- Ansteckung (also auch im Beratungsgespräch) anzustecken. ärztin Dr. Irene Link) leisten Psycholog*innen von uns vor Ort den psychoonkologi- psychoonkologischer schen Dienst. Der Umfang beträgt im Brustzentrum 30 Std. pro Woche und im St. Viele Klient*innen nutzten diese Form der Beratung und waren froh und auch Dienst vor Ort Marienhospital Vechta 20 Std. pro Woche. dankbar, in dieser unbekannten Zeit zu uns kommen zu können. Die allermeisten fühlten sich massiv verunsichert, mit ihrer Krebserkrankung nun durch eine neue Im Brustzentrum Harderberg (Dipl. Psych. Stefanie Schaefer, Psych. Psychothe- Infektion gefährdet zu sein, über die man zu Beginn nur sehr wenige Informati- rapeutin) schließt der Dienst auch die Versorgung der onkologischen Tagesklinik onen hatte. Aussagen, wie zusätzlich gefährdet die Betroffenen dadurch waren, mit ein. Im Marienhospital Vechta (Psych. M.Sc. Bettina Riesselmann, Psych. Psy- Ungewissheit führt konnten kaum getroffen werden. Diese Ungewissheit hatte bei einigen eine inne- chotherapeutin i.A.) kommen in Urlaubs- und Krankheitszeiten die Vertretung für zu Unruhe re und teils auch äußere Unruhe zur Folge – gleichzeitig fielen ihre bewährten das Brust- und Darmzentrum dazu, ebenso die Betreuung der Patient*innen, die Formen des Stressabbaus weg (Ablenkung durch Stadtbummel; Café-Besuche; im Rahmen der Palliativkomplex-Behandlung versorgt werden. Gefühl der Hilflosigkeit Reha-Sport; Treffen mit Freund*innen etc.). Dies führte zusätzlich zu einem Ge- Im Klinikum Osnabrück umfasst der Liaisondienst 67,5 Stunden im Kompetenzzen- fühl der Hilflosigkeit, besonders bei Menschen, die alleine lebten. trum für Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation. Daneben werden In der persönlichen Beratung war es möglich, neue, auch in einer Zeit der Kontakt- onkologische Patientinnen und Patienten der anderen Krebszentren (Darmkrebs-, Formen der Stress- Pankreas-, Brustkrebs- und Gynäkologisches Zentrum) konsiliarisch mitversorgt. abstinenz durchführbare Formen der Stressreduzierung gemeinsam zu finden, sie reduzierung fehlen Krebspatient*innen anderer Stationen haben ebenfalls die Möglichkeit der psy- kennenzulernen und sie auf jeweils individuelle Passung auszuprobieren. choonkologischen konsiliarischen Versorgung (z.B. der chirurgischen Klinik). Stellte sich bei der telefonischen Risikobewertung heraus, dass ein persönlicher Dazu gehören auch die der Intensivstation. Dort arbeiten die Psycholog*innen Kontakt zurzeit besser zu meiden sei, nutzten viele die digitale Form der Beratung. psychotherapeutische Angebot der digitalen M.Sc. Nicole Heckerodt, M.Sc. Dr. Laura Pereira-Lita und M.Sc. Pascal Speicher. Diese ist mit einer persönlichen nicht gleichzusetzen, aber doch eine gute Ersatz- Weiterbildung Form der Beratung Alle absolvieren zurzeit die psychotherapeutische Weiterbildung. form. Auch telefonische Beratung wurde gerne genutzt. Der psychoonkologische Dienst in der Paracelsus-Klinik (in 2020 geleistet bis zum Der therapeutische Kontakt mit den Kindern erforderte ebenfalls Ideenreichtum 30.06.2020 von Psych. M.Sc. Anna Meckling, anschließend von Psych. M.Sc. Lena und stellte die Bezugstherapeutin vor neue Herausforderungen. Therapeutische Pejic, Psych. Psychotherapeutin i.A. und Dipl. Psych. Dilaver Basata) umfasst Begleitung von Kindern und besonders jungen Jugendlichen erfolgt nicht in erster 30 Stunden pro Woche. Auch hier werden die stationär behandelten ebenso be- Linie verbal, sondern durch gemeinsames Tun . Dieser Bereich wird schwerpunkt- treut wie die ambulanten Patient*innen. mäßig durch unsere Kolleginnen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin therapeutische Martina Axmann und Kinderpsychotherapeutin Vita Wolf betreut. Aufgrund der Sowohl im Klinikum als auch in der Paracelsus-Klinik sind die Stunden auf drei Begleitung ist geprägt hohen Inanspruchnahme ergänzt seit dem 01.10.2020 Kinder- und Jugendlichen- bzw. zwei Kolleg*innen verteilt. Dadurch war es auch möglich, die Teams gemischt durch gemeinsames Tun psychotherapeutin i.A. Nicole Heckerodt das Team im Kijuba-Bereich. geschlechtlich zu besetzen. Dies erleben sowohl die Kliniken/Stationen als auch Beratung erfolgt die Patient*innen als eine wertvolle Erweiterung. Besonders für einige Männer gemischt Waren hier persönliche Kontakte nicht möglich, ging es darum, wie per Chat eine ist es leichter, sich einer männlichen Fachkraft emotional zu öffnen als einer Frau geschlechtlich altersgerechte Form gefunden werden konnte. Mit viel Kreativität – sowohl auf Sei- gegenüber. ten der Kinder als auch auf der Seite der Therapeutinnen – wurden teils selbst erdachte Spiele ausprobiert. Die Rückmeldung der Eltern bestätigte die Wirksam- Die überinstitutionelle Zusammenarbeit entspricht den Qualitätskriterien einer keit dieser Form . Dazu kam, dass die meisten zwischen den Beratungsterminen modernen ganzheitlichen Versorgung in der Onkologie. Für die Patient*innen und weitere Ideen entwickelten und - wenn notwendig - die dafür notwendigen Mate- ihre Angehörigen ist der Übergang zwischen stationärer und ambulanter psy- erfolgreiche rialien zusammensuchten bzw. selbst erstellten. Dies war in der Zeit der Schul- choonkologischer Versorgung niedrigschwellig und reibungsarm. Die Tendenz zu Einhaltung der Kommunikation schließung und des Ausfalls von nachmittäglichen Verabredungen eine weitere verkürzten Klinikaufenthalten und der somit schwerpunktmäßigen Behandlung Qualitätskriterien per Chat Beschäftigung. 16 17
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE im ambulanten Setting hält an. Dabei nimmt die psychosoziale Begleitung einen (Jugendhilfeträger, Jugendamt etc.), besteht eine vertrauensvolle kollegiale Zu- wichtigen Stellenwert ein . Die Diagnosestellung und die darauffolgende Behand- sammenarbeit. So ist es möglich, für die Erkrankten und ihre Angehörigen schnell vertrauensvolle lung bedeutet für viele Betroffene neben dem abrupten Wechsel vom Gesunden und unbürokratisch reale und erlebte Hürden zu überwinden und die passenden kollegiale Zusammen- zum/zur Patient*in viele weiteren Erfahrungen der Desorientierung und Verun- Unterstützungsmöglichkeiten anzubahnen. arbeit sicherung. Die ganzheitliche onkologische Behandlung berücksichtigt auch die psychosozialen Aspekte – der erkrankte Mensch steht im Mittelpunkt, seine Er- der erkrankte Mensch krankung wird sowohl in den körperlichen, psychischen als auch sozialen Auswir- 3.2.4 Sprechstunde zu sozialrechtlichen Themen steht im Mittelpunkt kungen in den Blick genommen. Die in 2017 begonnene Sprechstunde zu sozialrechtlichen Themen wurde in 2020 intensive Nutzung Darüber hinaus ergeben sich Synergieeffekte hinsichtlich der Entwicklung eines so intensiv genutzt, dass mit einigen Ratsuchenden telefonische Termine außer- der Sprechstunde sowohl breiten als auch spezifischen Fachwissens. Dies betrifft Grundinformati- halb der regulären Sprechzeiten vereinbart wurden. Besonders die Möglichkeit, onen über neue Entwicklungen in der Medizin ebenso wie Weiterentwicklungen eine onkologische Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen, war mit vielen Fra- und neue Konzepte in der Psychoonkologie. Die gemeinsame, in der Beratungs- gen verbunden. Eine Zeit lang waren die Reha-Kliniken ebenfalls geschlossen, stelle fachspezifische Inter- und Supervision aller Kolleg*innen ist sowohl für die danach aufgrund der Abstandsregeln nur eingeschränkt belegbar. Hinzu kam für ambulante als auch für die stationäre Betreuung gleichermaßen eine Notwendig- viele die Unsicherheit, ob es für sie überhaupt sinnvoll sei, sich einem zusätzlichen viele Fragen und keit wie eine Bereicherung. Infektionsrisiko auszusetzen (s.a. Thematischer Schwerpunkt). Unsicherheit Auch die formellen und informellen professionellen Kontakte zwischen den Kli- Andere Themenfelder betrafen, wie auch in den vergangenen Jahren, Fragen nach Austausch spezifischen niken und der Krebsberatungsstelle ermöglichen einen schnellen und unkompli- finanzieller Unterstützung, Informationsbedarf rund um den Wiedereinstieg in Fachwissens zierten Austausch und kommen Krebsbetroffenen zugute. den Beruf bzw. die vorzeitige (teils zeitlich begrenzte) Berentung. Auch bei den komplexen Anforderungen einer Antragsstellung fühlen sich besonders ältere und/oder alleinstehende Menschen überfordert und benötigen Unterstützung – 3.2.2 Außensprechstunden unserer Beratungsstelle manchmal auch nur die Bestätigung, alles richtig gemacht zu haben. Die ambulante Versorgung in Form einer Außensprechstunde in Vechta , versorgt Viele dieser Fragen können gut telefonisch beantwortet werden. Ist dies aufgrund von der Psychologin (M.Sc.) Bettina Riesselmann, Psychologische Psychotherapeu- der Komplexität nicht möglich, wird zeitnah ein persönlicher Termin vereinbart. tin i.A., hat sich weiterhin gut etabliert und wird verstärkt in Anspruch genommen. Die wöchentliche Telefonsprechstunde, betreut von unserer sozialrechtlich hoch Sie findet in den vom Marienhospital Vechta unentgeltlich zur Verfügung gestell- qualifizierten Kollegin, Sozialarbeiterin Ellen Lahrmann, findet jeweils dienstags Telefonsprechstunde ten Räumlichkeiten statt und steht allen krebsbetroffenen Menschen der Region von 12.00 - 13.30 Uhr statt. Die häufig auch terminlich gebundenen drängenden dienstags von zur Verfügung. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in Vechta stationär behandelt Fragen zeitnah zu beantworten, ist eine Herausforderung, die mit der zunehmen- 12.00 - 13.30 Uhr wurden oder nicht. Es erleichtert sowohl den erkrankten Menschen als auch den den Anzahl von Anfragen wächst. Angehörigen eine wohnortnahe Versorgung mit kürzeren Anfahrtszeiten. Gera- de krankheitsbedingt geschwächte Personen oder auch Angehörige, die einen pflegebedürftigen Patienten zuhause versorgen, sind in ihren körperlichen und 3.3 Inanspruchnahme zeitlichen Kapazitäten begrenzt. Hinzu kommt, dass gerade ältere und erkrankte wohnortnahe In 2020 ist die Inanspruchnahme von Beratungen deutlich gestiegen, die Klient* Autofahrer*innen den Verkehr einer Stadt wie Osnabrück eher scheuen und dank- Versorgung innen Anzahl stieg um rund 11 % (+ 79 Klient*innen), die Zahl der ambulanten Be- bar für das Angebot in der vertrauten Umgebung sind. ratungskontakte sogar um rund 22 % (+ 885 Kontakte). Dies hat uns umso mehr deutlicher Anstieg Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung der Stiftung der Sparkassen des Land- überrascht, da wir aufgrund des Infektionsgeschehens eher erwartet hätten, dass kreises Osnabrück konnte zusätzlich eine Außenstelle in Dissen eröffnet werden. von Beratungen beide Werte niedriger als in 2019 sein würden. Hier ist Soz.-Päd. (B.A.) Ellen Lahrmann engagiert. Damit ist die bisher unversorgte wohnortnahe Beratung auch des Südkreises von Osnabrück geschaffen worden. Es belegt, wie Krebsbetroffene durch das Aufkommen des neuartigen Virus ver- Der Beratungsraum befindet sich im Gebäude der Volkshochschule (Alte Teuto- unsichert werden und dass sie dadurch besonders auf Unterstützung angewiesen neue Außenstelle sind. burger Waldschule) und ist an einem Vormittag für die Beratung geöffnet. Eine in Dissen telefonische Terminvereinbarung ist notwendig. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass die Manifestation von Belastungen das Ri- siko in sich birgt, eine klinisch relevante Störung zu entwickeln. Das heißt, krebs- betroffene Menschen verfügen grundsätzlich über Ressourcen und Kompetenzen, 3.2.3 Vernetzung die es ihnen ermöglichen, die Belastungen einer Erkrankung genügend zu kom- Generell ist die gute und breite Vernetzung der Psychosozialen Krebsberatungs- pensieren. Werden diese Fähigkeiten aber über weitere Faktoren zusätzlich bean- stelle mit den onkologisch tätigen Fachkräften und Institutionen eine wichtige sprucht, gelingt es nicht mehr in ausreichendem Maß, das innere Gleichgewicht höheres Risiko eine Voraussetzung, um auch die von der Deutschen Krebshilfe angestrebte „Lotsen- stabil zu halten. Je nach Persönlichkeit und Vorerfahrung kommt es dann zum klinisch relevante funktion“ von Kompetenzberatungsstellen für eine jeweilige Region zu erfüllen. Schwanken der mühsam gehaltenen Balance bis hin zur psychischen Dekompen- Störung zu entwickeln Sozialrechtliche, psychoonkologische und psychologische Fragestellungen kön- sation . nen beantwortet werden. Notwendige Weitervermittlung oder ein Informations- Um Kenntnisse über das generelle und individuelle Risiko durch Covid-19 zu be- austausch findet in einer guten Arbeitsatmosphäre und häufig auf dem „schnellen kommen, war es an dieser Stelle immer äußerst hilfreich, auf die seriöse, gute Informationsaustausch Hinweis auf weitere Dienstweg“ statt. Auch zu anderen, angrenzenden sozialen Diensten, die beson- Information und Beratung der Krebsinformationsdienste der Deutschen Krebs- auf schnellem Dienstweg Krebsinformations- ders durch unseren Familienunterstützenden Bereich mit involviert sein können hilfe und des Informationsdienstes des Deutschen Krebsforschungsinstituts in dienste Heidelberg ergänzend hinweisen zu können. 18 19
JAHRESBERICHT 2020 PSYCHOSOZIALE KREBSBERATUNGSSTELLE Anzahl Beratungskontakte Ihre Belastung geben die Ratsuchenden nach wie vor mit über 90 % im oberen 12.000 Drittel des standardmäßig erhobenen Screenings an, d.h. unser Angebot wird von denjenigen in Anspruch genommen, die durch die Erkrankung besonders stark 10.000 11.392 gefordert sind. 9.554 9.685 Die in der Literatur beschrieben Leitthemen in der Beratung – Ängste, Überforde- 8.000 rung, die Sorgen um Familie, Partnerschaft und Kinder - haben sich, wie beschrie- ben, um die spezifische Verunsicherung wegen des neuartigen Virus und seiner zusätzliche Verunsiche- 6.000 6.735 rung durch Covid-19 Risikofaktoren für Krebserkrankte erweitert. 4.000 In der ambulanten Beratung sind Männer nach wie vor unterrepräsentiert, ob- 3.864 wohl ihre Belastungen gleich hoch sind. Das zeigt sich besonders in ihrer hohen 2.000 2.586 Inanspruchnahme von Beratungsgesprächen im klinischen Setting. Hier waren 380 sie besonders in der Onkologie der Paracelsus-Klinik sogar stärker vertreten als 0 Männer sind in der Frauen (was auch auf eine höhere Fallzahl männlicher im Vergleich zu weiblichen 2002 2006 2010 2014 2018 2019 2020 ambulanten Beratung stationären Patient*innen zurückzuführen sein kann. Darüber haben wir keine In- formationen). unterrepräsentiert Anzahl Klient*innen Häufig auftretende finanzielle Notlagen durch die Erkrankung/Behandlung wer- (ohne Kursteilnehmer*innen) den in der Beratung immer mit in den Blick genommen und über mögliche Unter- Beratung bezieht 4.000 stützungsformen informiert, auf Wunsch auch mit den Ratsuchenden gemeinsam finanzielle Notlagen initiiert. mit ein 3.500 3.632 Gerade in diesem Jahr war die Vermittlung einer ambulanten Psychotherapie 3.000 3.342 3.354 nochmals schwieriger, da viele kassenzugelassene Therapeut*innen über keine chatbasierte Therapiemöglichkeit verfügten und zum Teil besonders in der ersten 2.500 Phase im Frühjahr gar keine Therapie anboten, vor allem nicht für neu anfragende Klient*innen. Die Weitervermittlung wird zum Beispiel notwendig, wenn zusätz- 2.000 lich zur Krebserkrankung eine psychische Störung (Depression, Angststörung, 2010 Belastungsstörungen) besteht. Dies ist bei ungefähr einem Drittel der Betroffenen 1.500 der Fall. Hier bieten wir ihnen nach wie vor im Rahmen der Beratungsstelle die 1.000 Möglichkeit einer Kurzzeittherapie durch approbierte Psychotherapeut*innen zur Stabilisierung an, die es ihnen ermöglicht, die kräftezehrende Behandlung durch- Möglichkeit einer 947 Kurzzeittherapie 500 zuhalten. 530 Neben unserem Vorgehen der schnellen und unbürokratischen Unterstützung 0 (Erstgespräche innerhalb von acht Tagen, bei akuten Krisen auch am gleichen Tag) 2006 2010 2014 2018 2019 2020 ist es für viele Ratssuchende wichtig, sich nach Beendigung der Beratung bei er- neutem Bedarf wieder melden zu dürfen. Diese Sicherheit und die Erinnerung an Wie stark besonders krebsbetroffene Familien durch die Doppelbelastung der Be- Beratung ist jederzeit erhöhte Belastung wesentliche Punkte des Beratungsprozesses reichen häufig schon aus, um genü- treuung minderjähriger Kinder und Jugendlicher – zum Teil mit dem schulischen möglich durch pandemiebedingte gend eigene Kompetenzen aktivieren zu können. Anspruch des häuslichen, digital gestützten Lernens – überfordert waren, wurde Einschränkungen ebenfalls deutlich. Auch in Gesprächen, die nicht als „Elternberatung“ markiert Auch in diesem Jahr hatten wir zusätzlich zahlreiche E-Mail-Anfragen aus dem waren, kam es immer wieder von den Betroffenen zum Ausdruck. Die von ihnen ganzen Bundesgebiet. Aber auch von Menschen in der Region wurde diese Form wahrgenommene Belastung der Kinder durch die teilweise vollständige Isolie- als anfängliche Kontaktaufnahme oder zur Informationssuche besonders in die- Kontaktzahlen rung von Freund*innen und Gleichaltrigen drückte sich auch massiv in den Kon- sem Jahr mitgenutzt. steigen taktzahlen mit den Kindern und Jugendlichen selbst aus. Die grundsätzliche Angst erwerbstätiger krebserkrankter Menschen, den Ar- beitsplatz zu verlieren, potenzierte sich durch den massiven wirtschaftlichen 3.4 Förderschwerpunkt „Psychosoziale Krebsberatungsstellen“ Einbruch , den einige Sparten während der Lockdown Phasen erlitten. der Deutschen Krebshilfe Die Anfragen in der telefonischen Sprechstunde zu sozialrechtlichen Fragen stie- Ein Ziel des Nationalen Krebsplans ist die gesetzliche Finanzierung der ambulan- gen ebenfalls – nicht zuletzt, weil viel Unsicherheit hinsichtlich des Gesundheits- ten psychosozialen Krebsberatung. Die Expertenkommission empfahl eine Fi- risikos bei einer stationären Rehabilitationsmaßnahme herrschte. Auch wenn nanzierung von 40 % durch die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), 40 % durch die eine solche Maßnahme von den Leistungsträgern für eine bestimmte Klinik zu ei- Rentenversicherungen, 15 % durch die jeweiligen Bundesländer und 5 % durch die nem festgelegten Zeitpunkt bewilligt war, dies aber aufgrund einer vorübergehen- Träger der Institutionen. Unsicherheit den Schließung oder Minderbelegung (um zum Beispiel die notwendigen Schutz- durch erhöhtes Über 10 Jahre lang hat die DKH – ab 2013 in Zusammenarbeit mit der Deutschen maßnahmen einhalten zu können) nicht möglich war, kam häufig die Frage auf, ob Gesundheitsrisiko Krebsgesellschaft (DKG) – sich für die gesetzliche Finanzierung ambulanter damit der Anspruch auf die Leistung erlischt. Krebsberatung engagiert. Parallel dazu wurden bundesweit 18 sogenannte Kom- 20 21
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