MITTEILUNGEN aus dem Stadt-und Stiftsarchiv - ,t II 'I - Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
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MITTEILUNGEN aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg ISSN 0174-5328 Bd. 2, Heft 6 März 1989 .. -� -=--==------==--- - • .:_d; -��-··- � -. 1 1 II; ,t .''I ----�?,$�,:. �F?!'·,�;;; Haupteingang Schönborner Hof &,rat
Inhalt Martin Goes, Zur Geschichte der Erbsengasse. sowie eine kritische Bemerkung zur Welzbachgasse . . . . . . . . . . . . 209 Hans-Bernd Spies, Der schwedische Orientalist Jacob Jonas Björnstähl in Aschaffenburg . . . . . . . . . . . . . . 211 Hans-Bernd Spies, Eine Bemerkung Novalis' über Dalberg . . . . 219 Martin Goes, ,,Schutzpatron auf dem Katheder - Lujo Brentano" 222 .Garsten Pollnick, Die Eingemeindung Sehweinheims oder das Ende der Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Renate Welsch, Hanns Seidel - ein Leben für Bayern . . . . . . 235 Renate Welsch und Helmut Reiserth, Das Jahr 1988 im Presse- spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ·· 243 Mitarbeiterverzeichnis Dr. med. Martin Goes, Backoffenstr. 3, 8750 Aschaffenburg Garsten Pollnick, Westendstr. 1, 8751 Haibach Helmut Reiserth, Dalbergstr. 66, 8750 Aschaffenburg Dr. phil. Hans-Bernd Spies, M. A., Roßmarkt 33a, 8750 Aschaffenburg Renate Welsch, Schränksweg 2, 8752 Kleinostheim Vorschau auf kommende Hefte: Aschaffenburg 175 Jahre bayerisch (mehrere Aufsätze); Werner Krämer, Aschaffenburgs erste Gewerbeausstellung fand im Jahre 1849 statt; Garsten Pollnick, 150 Jahre evangeli sche Kirche in Aschaffenburg; Brigitte Schad, Neue Erkenntnisse zur Datierung der Por traits von Christian und Emilie Brentano im Städtischen Schloßmuseum; Hans-Bernd Spies, .,Die Königin Viktoria von England wird am 16. Juli dahier eintreffen". Eine Falsch meldung der Aschaffenburger Zeitung im Jahre 1845. Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg im Auftrag der Stadt Aschaffenburg - Stadt- und Stiftsarchiv - herausgegeben von Hans-Bernd Spies Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Wermbachstr. 15, D-8750 Aschaffenburg Druck: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, 8530 Neustadt an der Aisch Lithos: Thomaier und Ullrich, 8750 Aschaffenburg
Zur Geschichte der Erbsengasse sowie eine kritische Bemerkung zur Welzbachgasse von Martin Goes Am 8. April 1663 erklärte Johannes Berninger, daß er an diesem Tag seine „in der Erbeßgaßen gelegene" Scheune für 335 Gulden an Veit Berninger ver kauft habe 1 . In dieser Urkunde Berningers wurde die Erbs�ngasse zum erstenmal erwähnt. Nachdem Melchior Friedrich Freiherr (1701: Graf) von Schönborn (1644-1717)2 in den Jahren 1676 bis 1699 Grundstücke zur Erwei terung seines Aschaffenburger Anwesens erworben hatte, wurde in der Anweisung zum Rechnungswesen beim Amt Krombach3 in § 18 „ein Garten platzlein hinter einer Scheuer in der Erbesgasse" erwähnt; außerdem weiter unten in dieser Auflistung: ,,Seine Gemahlin hat 1699 eine Behausung an der Erbesgasse zum Storchsnest genannt [ ...] erkauft." Diese Belege passen nicht zu dem Hinweis Martin Balduin Kittels (1798-1885)4, die Erbsengasse sei „durch die Niederlegung der Welzbach gasse" entstanden, ,,indem der Graf den Bauern und Häckern am Ende des 17. Jhrh. ihre Häuser in der neuangelegten Erbsengasse wieder aufbaute oder sie bar entschädigte"5. Rund 100 Jahre vor Kittels Geburt wird in dem zitierten Schriftstücks aber nicht von der Welzbachgasse, sondern mehrfach von der Haargasse berichtet, nämlich hinsichtlich des Ankaufs einer „Scheuer in der Haargasse von Thomas Wenzel", einer „Scheuer daselbst von Johann Wilhelm Bußleben", einer „Behausung samt Umgriff in der Haargasse von Kristoph Zettel", des „Haargäßlein[s] von der Stadt Aschaffenburg ( .. . ] mit dem Beding, daß das 1 Verkaufsurkunde Johannes Berningers, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stadtarchiv, Urkunde 197. Hier und bei allen Aktenzitaten diplomatische Wiedergabe der Vorlage. 2 Vgl. Garsten Pol/nick, Der Schönborner Hof - Aschaffenburgs erster Barockbau, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 3-10, dies S. 3-6; Ernst Heinrich Kneschke, Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexikon, Bd. 8, Leipzig 21930, S. 288-292, bes. 288 f. 3 Abschrift in: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stadtarchiv, Akte 884. 4 Zu diesem vgl. Anton Kittel, Die Aschaffenburger Kittel - ein Geschichtsversuch, o. 0. 1944 (Masch.), S. 12-22. s Martin Balduin Kittel, Sonst und jetzt, Manuskript um 1875, S. 7; vgl. auch ders., Die Bau-Orna mente aller Jahrhunderte an monumentalen Gebäuden der Königlich Bayerischen Stadt Aschaffen burg, Lief. 17 (Programm der Königlich Bayerischen Gewerbschule zu Aschaffenburg zum Schlusse des Schuljahres 1867 in 1868), Aschaffenburg o. J. (1868), S. 5: .. standen an den Ufern des Welz baches zwischen der Sandgasse und der Erbsengasse die Wohnungen von Häckern; die Gasse hieß die W elzb a c h g a s s e und erstreckte sich vom Anfange der Erbsengasse bis an den Löher graben". s Wie Anm. 3. 209
durchlaufende Wasser seinen Lauf behalten soll", und einer „Scheuer in der Haargasse von Magdalena Jossin". Das durchlaufende Wasser war ein Nebenarm des Ohmbachs, der in der Ohmbachgasse bei der Zehntscheuer abzweigte und über den Schönborner Hof und durch den Löhergraben zum Main floß; denn nach der Errichtung des Sandtors hatte man den Welzbach in den äußeren Stadtgraben umgeleitet?. Die späte Namensgebung der Erbsengasse sollte die Herleitung erleichtern, es fehlen aber Belege für einen Erbsenacker oder wie in Sehweinheim für einen Erbsenrain, ebenso für eine Erbsenscheuer, einen Erbsenhof oder für Erbse bei einem Eigennamen. Man dachte an eine Scheuer zur SpeichE3rung des Erbsenzehnten, wie seit 1933 im Aschaffenburger Adreßbuch ange gebena. Hans Morsheuser (1866-1946)9 stellte die Ableitung vom Erbsen sonntag wohl unausgesprochen wegen der Nähe der Sandkirche, damals einer Kapelle, zur Diskussion1°: ,,Der Erbsensonntag war der weiße Sonntag, an dem in der Pfarrei St. Quintin zu Mainz unter die Armen die E r b s e n s u p p e verteilt wurde. Vielleicht steht damit auch der Name der hiesigen Erbsengasse in Verbindung", und bringt noch den anderen Vorschlag: ,,falls nicht das mhd. erbeizen = vom Pferdesteigen Ursache der Benennung ist. Dann würde sie soviel wie Einkehr-, Einstell-, Herbergsgasse bedeuten". Das Haus Erbsen gasse 1, heute „Erbsenschwind", gehörte im früheren Plan bis zum Jahr 1879 unter der Nummer C 92 zur Sandgasse und ist erst ab 1790 als Wirtschaft des Senders und Bierbrauers Lorenz Pfeifer nachgewiesen 11 . Auch in Hanau, Frankfurt am Main und in Kelsterbach kennt man keinen direkten Bezug. Es bleibt nur die Tatsache, daß in ganz Deutschland Straßen-, Flur- und Gewann-Namen mit der Bezeichnung Erbse vorkommen. Die Erbse hatte ja als eiweißhaltiges Nahrung- und Futtermittel früher eine größere Bedeutung als heute, und so dürfte die von Johann Schober 1905 zitierte Ansicht eines nicht genannten Kenners der alten Straßennamen noch am ehe sten zutreffen1 2: ,,Die Oekonomie stand offenbar in älterer Zeit in engerem Zusammenhang mit der Stadt; darauf weist die ,Erbsengasse' hin." 1 Vgl. Willi Köhl, Aschaffenburg. Urgeschichte, Geschichte, Wirtschaft, Aschaffenburg 1935, S. 51. e Vgl. Einwohnerbuch der Stadt Aschaffenburg 1933, Aschaffenburg o. J. (1933), S. 213; so auch noch im neuesten Adreßbuch: Adreßbuch Aschaffenburg 1966/67, Aschaffenburg o. J. (1966), Teil 3, S. 37. Einen Flurnamen Erbsenborn gibt es im Stadtteil Strietwald nördlich der Bundesautobahn 3 (Frankfurt-Nürnberg); dieses Flurstück Nr. 8421-8440 verläuft von Südosten nach Nordwesten. 9 Zu diesem vgl. Willibald Fischer, Hans Morsheuser, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 1 (1952), S. 271-274. 10 Hans Morsheuser, Erbsensonntag, in: Aschaffenburger Geschichtsblätter 9 (1920), S. 24. 11 Vorarbeiten von Alois Grimm zum zweiten Band des Aschaffenburger Häuserbuchs. 12 Johann Schober, Die Aschaffenburger Straßennamen. Als Beitrag zur Stadtgeschichte erklärt, Aschaffenburg o. J. (1906), S. 38 f. 210
Der schwedische Orientalist Jacob Jenas Björnstähl in Aschaffenburg (1774) von Hans-Bernd Spies Aus den Berichten von Skandinaviern über ihre Reisen durch Aschaffenburg und sein Umland1 ragt der des schwedischen Orientalisten Jacob Jonas Björn stähl deutlich hervor, denn dieser hielt sich im Frühjahr 1774 einige Wochen in Hanau auf2, von wo aus er mehrere Tagesausflüge in die Umgebung machte3, so daß er zahlreiche interessante Informationen sammeln und weitergeben konnte. Jacob Jonas Björnstähl (1731-1779)4 hatte seit 1754 an der Universität Upp sala studiert und 1761 den Magistergrad erlangt. 1763 erhielt er dort eine Dozentur für schwedische Philologie, die er 1765 gegen eine in arabischer Philologie tauschte; in diesem Fach schrieb und verteidigte er anschließend eine Dissertation, die ihn auch im Ausland bekannt machte. Als Begleiter zweier Landsmänner trat Björnstähl 1767 eine Auslandsreise an; er blieb drei Jahre in Paris und ging dann über die Schweiz und Toulon nach Rom, wo er seine Ernennung zum Professor (Adjunkt) für orientalische und griechische Literatur an der Universität Uppsala erfuhr (1771). 1773 begab sich Björnstähl von Italien auf eine Studienreise durch Deutschland und die Niederlande; 1775 ging er nach Großbritannien. In Oxford erreichte ihn der Auftrag, an einer wissenschaftlichen Expedition in den Orient teilzunehmen, sowie seine Ernen nung zum außerordentlichen Professor an der Universität Uppsala. Daraufhin 1 Hinsichtlich der bisher ausgewerteten Berichte von Skandinaviern über Reisen durch Aschaffenburg und den Spessart vgl. Hans-Bernd Spies, Bericht des Schweden Per Ulrik Kernell über seine Reise von Kitzingen nach Frankfurt im Jahre 1823, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 211-214; ders., Ein junger Norweger 1669 auf dem Weg durch den Spessart nach Italien: Hans Hansen Lilienskiold, in: ebd., Bd. 2, Heft 3 (März 1988), S. 90-93; unten Anm. 12. 2 Björnstähl traf am Abend des 16. April 1774 von Frankfurt kommend mit dem Postboot in Hanau ein und verließ die Stadt endgültig wieder am 26. Mai in Richtung Frankfurt, ebenfalls zu Schiff; vgl. Jakob Jonas Björnstl1hl, Briefe auf seinen ausländischen Reisen an den Königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell in Stockholm. Aus dem Schwedischen übersetzt von Christian Heinrich Groskurd, Bd. 5, Leipzig/Rostock 1782, S. 232 f. u. 267. a Am 4. Mai über Steinheim und Seligenstadt nach Babenhausen; am 6. Mai nach Langenselbold; am 18. Mai über Schloß Ronneburg und Herrnhaag nach Büdingen, Rückfahrt nach Hanau über Marienborn und Marköbel; vgl. BjörnsMhl, Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 249-252, 252 f. bzw. 256-261; in der deutschen Ausgabe Fahrt nach Babenhausen fälschlich auf den 5. Mai datiert, oben Termin korrigiert nach Jacob Jonas Björnstl1hl, Resa til Frankrike, Italien, Sweitz, Tyskland, Holland, Ängland, Turkiet och Grekeland, hrsg. von Carl Christotter Gjörwell, Bd. 4, Stockholm 1782, S. 162. 4 Zu seiner Biografie vgl. Nils Bohman, Jacob Jenas Björnstähl, in: Svenska män och kvinnor. Biogra fisk uppslagsbok, Bd. 1, Stockholm 1942, S. 353-354. 211
verließ er im März 1776 Großbritannien und traf zwei Monate später in der Türkei ein. Während seiner dortigen Studien starb Björnstähl, der kurz zuvor (1779) zum ordentlichen Professor für orientalische und griechische Sprache an der Universität Lund berufen worden war, in der damals zum Osmanischen Reich gehörenden nordgriechischen Stadt Saloniki. Jacob Jonas Björnstähl; Rundmedaillon von Johan Tobias Serge! (1740-1814), Besitzer: Stiftsbiblio teket Linköping, Foto: Statens Kunstmuseer - Svenska Porträttarkivet Stockholm. Auf seiner großen Deutschlandreise kam Jacob Jenas Björnstähl am 16. April 1774 mit seiner Begleitung nach Hanau5. Schon am nächsten Tag empfahl s Vgl. Anm. 3. - Zum Charakter dieses Teils der Reisebeschreibung vgl. Christian Heinrich Groskurd, Vorbericht des Uebersetzers, in: Björnstähl, Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 3-20, hier S. 4-6: ,,Daß 212
ihnen der hanau-münzenbergische Regierungskanzler Hombergk zu VachG, Aschaffenburg zu besuchen7: „Am 17. April waren wir zu Besuch bei Herrn Hofkanzler Hombergk zu Vach ( ...]. Er ist ein Herr von edelster Gesinnung und redlichem Herzen. Er empfahl uns, das Schloß Aschaffenburg, das wegen seiner schönen Lage und Bauart die Aufmerksamkeit aller Kenner auf sich zog, zu besichtigen. König Gustaf AdolfB hatte an diesem Schloß besonderen Gefallen gefunden: Er wohnte darin mehrere Wochen9 und sagte, daß es dieser fünfte Band an Materie viel reichhaltiger, als einer der vorhergehenden ist, lehrt der Augen schein. Dieser Vorzug rührt daher, weil Herr Legationsprediger Blomberg nicht das ganze vom Ver fasser geführte Journal, !!Ondern nur einen Auszug der wichtigsten darin aufgezeichneten Nach richten zur Herausgabe bereitet, und sich dabey bloß an die Sachen hält, mithin alle diejenigen Umschweife und Weitläuftigkeiten, welche die Gestalt eines Briefes und die Höflichkeit gegen vor kommende Personen mit sich bringen, nebst solchen wortreichen Betrachtungen, als der Ver storbne in seinen Briefen einzuflechten pflegte, vermeidet. Es hat der selige Björnstähl sein Tage buch nicht in schwedischer, sondern französischer Sprache geführt, und Herr Blomberg ists, der die daraus mitgetheilten Auszüge allererst ins Schwedische setzt. Dies zu wissen, kann beym Lesen derselben seinen Nutzen haben. Es ist solches zum Beyspiel die Ursache davon, daß nicht nur der Epitomator, wenn ihm nicht völlig gleichbedeutende Ausdrücke in seiner Sprache aufstoßen, (wel ches nicht selten der Fall zu seyn scheint,) die vorgefundnen französischen stehen läßt; sondern auch der deutsche Uebersetzer da, wo er nicht ganz gewiß ist, ob er den rechten Sinn genau ausge drückt habe, die französischen, nicht aber schwedische, Wörter neben die deutschen setzt." Hin sichtlich des genannten Legationspredigers Carl Petter Blomberg (1748-1820) vgl. B[ertil] Boethius, Carl Petter Blomberg, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd.5, Stockholm 1925, S. 23-26. a Wilhelm Friedrich (1780: von) Hombergk zu Vach (1713-1784) wurde 1761 als Regierungsvize kanzler nach Hanau berufen und dort 1772 zum Regierungskanzler ernannt, was er bis 1783, als er aus Alters- und Gesundheitsgründen dies Amt niederlegte, blieb; vgl. [Johann August von} E{isen har]t, Wilhelm Friedrich Hombergk zu Vach, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 13, Leipzig 1881, S.43; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadligen Häuser, Jahrgang 5, Gotha 1911, S. 4471. 7 Björnstähl, Resa (wie Anm.3), Bd. 4, S.152: .,0. 17 Apr. aflade besök hos Herr Hof-Cantzlern Hom berg zu Vach [...]. Det är en Herre af de ädlaste tänkesätt och et det redeligaste hjerta.Han recom menderade oss at fara och bese Slottet Aschaffenburg, som för des vackra belägenhet och bygnad dragit til sig alle kännares upmärksamhet. Konung Gustaf Adolph hade synnerligt tycke för detta Slott: han bodde där i flera veckor, och sade: at det hade endast et tel, nämligen at det ej kunde flyttas til Sverige. Det tilhörer Churfursten i Mayntz, som vanligen kommer hit en gäng ärligen." Die Übersetzungen der im Text zitierten Abschnitte aus Björnstähls Reisebericht wurden nach der schwedischen Ausgabe neu angefertigt; die Hervorhebungen entsprechen der Vorlage. Zeitgenös sische deutsche Übersetzung vorstehender Passage: Björnstähl, Briefe (wie Anm.2), Bd. 5, s. 233 f. e Gustaf II.Adolf (1594-1632), 1611-1632 König von Schweden; vgl.u. a. Michael Roberts, Gustavus Adolphus. A History of Sweden 1611-1632, Bd. 1-2, London/New York/Toronto 1953-1958; Ulrich Bracher, Gustav Adolf von Schweden. Eine historische Biographie, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1971; Günter Barudio, Gustav Adolf - der Große. Eine politische Biographie, Frankfurt 1982; Liv rustkammaren (Hrsg.), Gustav II Adolf - 350 är efter Lützen, Stockholm 1982. 9 Die Überlieferung, Gustaf II. Adolf habe sich mehrere Wochen in Aschaffenburg aufgehalten und im Schloß gewohnt, ist eine maßlose Übertreibung des historischen Sachverhaltes: Der Schweden könig kam am 23. November 1631 nach Aschaffenburg, das am Vortag von der schwedischen Vorhut eingenommen worden war, und zog am 24. November nach Seligenstadt, wo er noch am 213
nur einen Fehler hätte, nämlich daß es nicht nach Schweden versetzt werden könne. Es gehört dem Kurfürsten von Mainz10 , der gewöhnlich einmal jährlich hierhin kommt." Den vorgeschlagenen Ausflug nach Aschaffenburg machte Björnstähl mit seiner Begleitung am 1. Mai 11. Diese Tagestour führte über Oettingen nach Aschaffenburg, von dort nach Seligenstadt, Wasserlos 12 und wieder zurück nach Hanau. Über den Aschaffenburg-Aufenthalt schrieb Björnstähl in sein Tagebuch 13: ,,Wir setzten unseren Weg weiter fort zum Schloß und zur Stadt Aschaf fenburg, 5-6 Meilen von Hanau 14. Hier hatte sich der schwedische_ Held gleichen Tag eintraf; bei seinem zweiten und zugleich letzten Besuch in Aschaffenburg blieb Gustaf 11. Adolf ebenfalls nur eine Nacht, denn er kam am 16. März 1632 auf der Aschaffenburg gegenüber liegenden Mainseite an, inspizierte dort seine Truppen und zog am nächsten Tag weiter in Richtung Lohr; vgl. Generalstaben, Sveriges krig 1611-1632, Bd. 5: Frän Breitenfeld till Lech, Stockholm 1938, S. 88; Erik Zeeh u. Nils Be/frage (Hrsg.), Dagbok förd i det svenska fältkansliet 25 maj 1630-6 november 1632 (Journal de Gustave Adolphe) (Historiska handlingar, Tl. 30, Nr. 3), Stockholm 1940, s. 33 u. 38. 10 Erzbischof und Kurfürst von Mainz (seit 1763) war damals noch (er starb am 11. Juni 1774) der 1707 geborene Emmerich Joseph Frhr. von Breidbach-Bürresheim; vgl. Anton Philipp Brück, Emmerich Joseph Frhr. v. Breidbach-Bürresheim, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959, s. 482-483. 11 Vgl. Björnstähl, Resa (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 159-162; ders., Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 245-249. 12 Vgl. dazu Hans-Bernd Spies, Ein Schwede zu Besuch beim Schloßherrn von Wasserlos im Jahre 1774: Jacob Jonas Björnstähl, in: Unser Kahlgrund. Heimatjahrbuch für den ehemaligen Landkreis Alzenau 33 (1988), S. 63-66. ,a Björnstäh/, Resa (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 159 f.: ,,Vi fortsalte vär väg vidare til Sloltet och Staden Aschaffenburg, 5 a 6 mil ifrän Hanau. Här hade Svenske Hjelten Gustaf Adolph uppehällit sig nägon tid. Staden är ej stor; men ligger väl til. Sloltet är tämligen vackert, bygt i fyrkant, omgifvet av en Löp -graf; och har man ifrän delta Slolt en ganska täck och vidsträckt utsigt: sä at det ej var underligt, at Kon. Gustaf Adolph tyckte sä mycket om at uppehälla sig här; och man säger, at det var delta Slolt, om hvilket Konungen y1trade sig, at det blolt hade et fel, nämligen at ej kunna fly1tas til Sverige; ehuru andre mena, at Konungen fält denna utlätelse om Sloltet i München. Förenämnde Slolt var nyss upbygdt, dä Kon. Gustaf Adolph var här: ty det bygdes 1626 af Churf. Johannes Svicardus von Cronberg: det är gjordt af huggen röd Qvader-sten. Vi sägo Källrarne, hvilka äro sä store, at man beqvämligen skulle där kunna anställa en Carrossel, och Sloltsmurarne äro ganska tjocke. Vi gingo sedan up och besägo rumen, som bebos af Churfursten i Mayntz, dä han plär komma hit Sommar -tiden. Hogre up i Sloltet är den sä kallade Chur-Furstarnes Sa/, i hvilken ses alle Mayntziske Chur furstarnes Portraiter ifrän är 13**, dä Staden Aschaffenburg kom under Mayntz, intil närvarande tid. Den nu regenande Churfurstens är det sidsta; och är nu endast rum för et Portrait til öfrigt. 1 pla fonden af denna Sal äro prägtiga bas-reliefs af förgyldt bly; men äro öfverstrukne med gips: det skedde i 30-ära-kriget för at dölja blyet för de Svenske. - lfrän Sloltet gingo vi at bese Jesuiternes Kyrka, och Bibliotheket, som tilförne tilhört denna Orden, men nu tilfallit det Gymnasium Illustre, och den lägre Skolan, som här blifvit inrältade. Sä har man öfveralt härstädes employerat Jesuiternes egendomar. - lfrä.n denne ort passerade vi Mayn-strömen öfver den stora Sten-bron vid Aschaffen burg, och ankommo til Staden Seligenstadt". Zeitgenössische deutsche Übersetzung: Björnstäh/, Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 245 ff. - Zu Björnstähls Tagebuch vgl. Groskurd (wie Anm. 5). 14 Eine geografische Meile entspricht 7,4204385 km, die verschiedenen Post- und Landmeilen wichen davon mehr oder weniger ab; vgl. Fritz Verdenhalven, Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachgebiet, Neustadt an der Aisch 1968, S. 36 u. 40. - Da Björnstähl die Entfernung 214
Gustaf Adolf einige Zeit aufgehalten1 s. Die Stadt ist nicht groß, aber rei zend gelegen. Das Schloß ist recht schön, im Viereck angelegt, von einem Laufgraben umgeben; und man hat von diesem Schloß eine ganz hübsche und weite Aussicht: Daher ist es nicht verwunderlich, daß es König Gustaf Adolf gefiel, sich hier aufzuhalten; und man erzählt, daß es dieses Schloß war, über das sich der König äußerte, es hätte nur einen Fehler, nämlich daß es nicht nach Schweden versetzt werden könne 1 6; andere meinen jedoch, der König habe diese Äußerung über das Schloß in München getan 17 . Das vorgenannte Schloß war neu erbaut, als König Gustaf Adolf hier war, denn es wurde 1626 von Kurfürst Johann Schwei kard von Kronberg errichtet18; es ist aus gehauenen roten Quader steinen erbaut. Wir sahen die Keller, die so groß sind, daß man dort sicher vor Fahrtantritt in Hanau erfahren hatte, beruht diese Angabe kaum auf einer viel zu hoch gegriffenen Schätzung des Orientalisten in schwedischen Meilen; eine solche entsprach seit 1649 10,689 km; vgl. Sam Owen Jansson, Mil (Sverige), in: Kulturhistorisk leksikon for nordisk middel alder fra vikingetid til reformationstid, Bd. 11, K0benhavn 21981, Sp. 627. 15 Dazu vgl. Anm. 9. 1s Ein aus der Zeit Gustaf Adolfs stammender Beleg für diese bereits Jahrzehnte vor Björnstähl nach weisbare Überlieferung ist nicht bekannt; zur Überlieferung vor Björnstähl vgl. Johann Hübner, Voll ständige Geographie, Tl. 3: Von Böhmen, Oesterreich, Bayern, Francken, Schwaben, Ober-Rhein, Nieder-Rhein, Westphalen, Nieder-Sachsen und Ober-Sachsen, Hamburg 1731, S. 432: ,,Es ist eines von den schönsten Schlößern im Römischen Reiche, auf welchem viel Chur-Fürsten Belieben getragen haben zu residiren. Der König in Schweden, Gustavus Adolphus, ließ seine Generals rathen, was dieses Schloß vor einen Haupt-Mange) hätte? und sagte zuletzt, es fehlte nichts daran, als zwey grosse Waltzen, darauf man es über die Ost-See nach Schweden schieben könte." Diese Bemerkung der Erstauflage dieses mehrfach aufgelegten Werkes von Johann Hübner d. J. (gest. 1758 - zu diesem vgl. Johann Christoph Adelung, Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian Gott lieb Jöchers allgemeinem Gelehrten-Lexico, worin die Schriftsteller aller Stände nach ihren vor nehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden, Bd. 2, Leipzig 1787, Sp. 2178 - erschien, wenngleich in teilweise veränderter Rechtschreibung, auch in späteren Ausgaben, z. B. Hamburg 51745, S. 455, und Hamburg 81756, S. 494. 17 Hinsichtlich der von Björnstähl überlieferten Behauptung, Gustaf II. Adolf hätte die Residenz in Mün chen ebenfalls gerne mit nach Schweden genommen, vgl. Georg von Sutner, München während des dreyßigjährigen Krieges. Eine Rede an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Sr. Churfürstl. Durchlaucht etc. etc. Carl Theodor in einer öffentlichen Versammlung auf dem Churfl. Bibliotheks saale abgegeben, München 1796, S. 29. Laut Auskunft des Stadtarchivs München an das Stadt und Stiftsarchiv Aschaffenburg vom 22. Oktober 1986 handelt es sich bei der Veröffentlichung Sut ners um den ältesten dort bekannten Beleg für diese Angelegenheit; über Sutner hinaus läßt „sich dieser Überlieferungsstrang nicht zurückverfolgen". 18 Die Jahresangabe 1626 ist falsch, denn Schloß Johannisburg wurde 1605-1618 (eingeweiht am 17. Februar 1614) unter Johann Schweikard von Kronberg (1553-1626), 1604-1626 Kurfürst und Erzbischof von Mainz, von dem Baumeister Georg Ridinger (1568-1617) errichtet; vgl. dazu zusam menfassend mit weiteren Literaturangaben Hans-Bernd Spies, Schloß Johannisburg in Aschaffen burg und Schloß Skokloster am Mälarsee in Schweden (Beihefte zum Aschaffenburger Jahrbuch, Heft 3), Aschaffenburg 1986, S. 10 ff.; zu Ridinger vgl. ders., Ergänzendes zur Biografie des Aschaffenburger Schloßbaumeisters Georg Ridinger, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stifts archiv Aschaffenburg, Bd. 2, Heft 3 (März 1988), S. 81-89; ders., Georg Ridinger und seine Familie, in: ebd., Bd. 2, Heft 4 (September 1988), S. 121-132. 215
bequem ein Karussell19 veranstalten könnte; und die Schloßmauern sind sehr dick. Anschließend gingen wir nach · oben und besichtigten die Räumlichkeiten, die vom Kurfürsten von Mainz bewohnt werden20, wenn er zur Sommerszeit hierher zu kommen pflegt. Weiter oben im Schloß befindet sich der sogenannte Kurfürstensaa/21, in dem Porträts aller Mainzer Kurfürsten von 13**22 an, als die Stadt Aschaffenburg zu Mainz kam23, bis zur heutigen Zeit zu sehen sind. Das des jetzt regierenden Kurfürsten ist das letzte; und es ist nur noch für ein Porträt Platz übrig. An der Decke dieses Saales sind prächtige Basreliefe aus vergoldetem Blei24; sie sind mit Gips überzogen: Das geschah im Dreißigjährigen 19 Zur damaligen Bedeutung des Wortes vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Univer sal-Lexikon, Bd. 5, Graz 1961 ( = Reprint der Ausgabe Halle/Leipzig 1733), Sp. 1148: ,,Carrousel, ein öffentliches Ritter-Spiel, welches zu Wagen selten, zu Pferde aber gemeiniglich angestellet wird. Man kleidet sich dabey nach Art der alten Ritter, und !heilet sich in verschiedene Nationen. Der Auszug geschiehet sehr prächtig, und wird öffters mit Triumph-Wagen und andern kostbaren Machinen und sinnreichen Erfindungen gezieret. In solchem Aufzug begiebt man sich nach einem freyen Platz, als ausgezierten Reit-Häusern, Renn-Bahnen, Schloß-Höfen, u. d. g. allwo man füg lich das Ring-rennen, Lantzen-brechen und andere Ritterliche Uebungen anstellen mag." 20 Die kurfürstlichen Wohnräume befanden sich im ersten Stock, Björnstähl erwähnte also nicht das die Kapelle sowie die Wirtschafts- und Verwaltungsräume enthaltende Erdgeschoß; vgl. Otto Schu/ze-Kolbitz, Das Schloß zu Aschaffenburg (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 65), Straßburg 1905, S. 100 f.; Götz Czymmek, Das Aschaffenburger Schloß und Georg Ridinger. Ein Beitrag zur kurmainzischen Baukunst unter Kurfürst Johann Schweickhardt von Cronberg, Köln 1978, S. 9 f. - Zum damaligen Kurfürsten vgl. Anm. 10. 21 Die Lokalisierung des Kurfürstensaales durch Björnstähl ist falsch, denn dieser fünfachsige Raum befand sich wie die kurfürstliche Wohnung im ersten Stock, und zwar im Mainflügel; vgl. Erich Bach mann, Schloß Aschaffenburg und Pompejanum. Amtlicher Führer, München 2 1965, S. 13. 22 Es ist nicht klar, welches Jahr Björnstähl damit gemeint haben könnte - eventuell 1356, das Jahr, in dem die sogenannte Goldene Bulle, die Recht und Zeremoniell der deutschen Königswahl regelte, verkündet wurde; vgl. Herbert Grundmann, Wahlkönigtum, Territorialpolitik und Ostbewegung im 13. und 14. Jahrhundert. 1198-1378 (Gebhardt - Handbuch der deutschen Geschichte. Neunte, neu bearbeitete Auflage, hrsg. v. Herbert Grundmann, Bd. 5), München 41979, S. 227-231. Unter dieser Voraussetzung müßte die Anzahl der Porträts, wenn wirklich von jedem Mainzer Kurfürsten seit dieser Zeit eins vorhanden war, 33 betragen haben; vgl. Wilhelm Diepenbach u. Gar/ Stenz, Die Mainzer Kurfürsten, Mainz 1935, S. 25-99. 23 Aschaffenburg gelangte nicht erst im 14. Jahrhundert, sondern spätestens 982 an das Erzstift Mainz; Beleg dafür ist ein vor dem 31. Oktober 982 zu datierender Eintrag im ältesten Aschaffen burger Evangeliar; Druck mit ausführlicher Einleitung: Matthias Thiel, Urkundenbuch des Stifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, Bd. 1: 861-1325 (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 26), Aschaffenburg 1986, S. 65-69. 24 Bei der Beschreibung der Decke verwechselte Björnstähl die des Kurfürstensaales mit der des über diesem im zweiten Stock liegenden Kaisersaales; die Deckenreliefe des letzteren waren natürlich nicht aus Blei, sondern aus Stuck; vgl. Schulze-Kolbitz (wie Anm. 20), S. 101-106. Vgl. auch die Beschreibung bei Wilhelm Engel u. Max Hermann von Freeden, Eine Gelehrtenreise durch Main franken 1660 (Mainfränkische Hefte, Heft 15), Würzburg 1952, S. 12 bzw. 47. 216
Krieg25, um das Blei vor den Schweden zu verstecken. - Wir verließen das Schloß, um die Kirche der Jesuiten26 und die Bibliothek, die früher diesem Orden gehörte, aber nun dem Gymnasium lllustre27 zugefallen ist, und die niedere Schule, die hier eingerichtet wurde, zu besichtigen2a. So hat man hier überall das Eigentum der Jesuiten verwendet. - Von dort überquerten wir den Main über die Steinbrücke3o bei Aschaffenburg und kamen in der Stadt Seligenstadt an". Jacob Jonas Björnstähl ist der früheste bisher bekannte Reisende, der über eine sich auf das Aschaffenburger Schloß beziehende angebliche Äußerung des Schwedenkönigs Gustaf II. Adolf berichtet. Aus seiner Notiz geht zugleich hervor, daß diese Geschichte den Gästen nicht erst in Aschaffenburg, sondern bereits in Hanau erzählt wurde. Allerdings hatte die Bemerkung des Königs schon Jahrzehnte vor Björnstähls Besuch Eingang in ein erfolgreiches Geo grafiebuch gefunden3 1. Die Behauptung, Gustaf Adolf hätte in ähnlichem Sinne über die Münchener Residenz gesprochen, ist bei Björnstähl sogar erst mals belegt32. 2s Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kam Aschaffenburg am 22. November 1631 in schwedische Hand, die schwedische Besatzung wurde am 3. Oktober 1634 durch eine spanische abgelöst; vgl. Anton Philipp Brück, Aus der Schwedenzeit Aschaffenburgs 1631-1634, in: Aschaf fenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), s. 719-736. 26 Mit dem Bau der Jesuitenkirche war 1619 begonnen worden, 1621 wurde sie geweiht; vgl. Franz Spiringer, Das Aschaffenburger Gymnasium unter der Leitung des Jesuitenordens 1620-1773 (Zur Geschichte des Aschaffenburger höheren Unterrichtswesens, Tl. 1. Programm des Kgl. humanisti schen Gymnasiums Aschaffenburg für das Schuljahr 1900/1901), Aschaffenburg 1901, S. 12 u. 15; Herbert Ger/, Die Jesuitenniederlassung in Aschaffenburg, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), S. 661-684, dies S. 664. 21 Vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 11, Graz 1982 (= Re print der Ausgabe Halle/Leipzig 1735), Sp. 1513: ,,Gymnasia illustria pflegen diejenigen Schulen genennet zu werden, welche, so zu sagen, das Mittel zwischen denen ordentlichen Schulen und denen Vniversitäten sind. Man bereitet daselbst die jungen Leute zur Academie zu, ließt ihnen Col legia Philosophica". 2a Die Schule der Jesuiten hatte 1620 mit einer Klasse ihren Unterricht aufgenommen, nach ihrem Ausbau auf mehrere Klassen erhielt sie 1625 Rang und Titel eines Kollegs; bei der niederen Schule handelte es sich um die Unterstufe dieser Schule. Nachdem die gleichzeitig mit der Jesuitenkirche erbaute Schule abgerissen worden war, wurde 1726-1731 ein neues Kolleggebäude errichtet; vgl. Spiringer (wie Anm. 26), S. 12 f., 15 f. u. 37 ff.; Ger/ (wie Anm. 26), S. 664 u. 677 f. 29 Der Jesuitenorden war 1773 von päpstlicher Seite aus aufgehoben worden, Besitz und Schule gingen an den Landesherrn über; vgl. Spiringer (wie Anm. 26), S. 42-45; Ger/ (wie Anm 26), S. 682; zur Geschichte der Jesuiten vgl. Burkhart Schneider, Jesuiten, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, Bd. 5, Freiburg 21960, Sp. 912-920, zur Aufhebung Sp. 917 f. 30 Zur Geschichte der bereits im Mittelalter vorhandenen Mainbrücke vgl. Alois Grimm, Die alte Main brücke zu Aschaffenburg, in: Spessart. Monatsschrift des Spessartbundes. Zeitschrift für Wandern, Heimatgeschichte und Naturwissen 1972, Juli- bis Oktoberheft, S. 6-8, 7-8, 6-12 bzw. 6-9. a1 Vgl. Anm. 16. 32 Vgl. Anm. 17. 217
Schloß Johannisburg verfehlte seine Wirkung auf Björnstähl nicht; vor allem beeindruckte ihn, wenn man seine Bemerkungen über die geräumigen Keller und die starken Mauern betrachtet, die wuchtige Masse des Baukörpers. In seiner Innenbeschreibung überging der schwedische Gelehrte das Erdge schoß und erwähnte nach den Kellern sogleich kurz die kurfürstlichen Räume im ersten Stock. Den dortigen Kurfürstensaal mit seinen Porträts zog er in der Erinnerung mit dem darüber gelegenen Kaisersaal und dessen Deckenreliefe versehentlich zu einem Raum zusammen und beschrieb diesen als Kur fürstensaal im zweiten Stock. Hinsichtlich des von ihm angegebenen Materials (Blei) der Reliefe fiel Björnstähl offensichtlich auf eine bewußt falsche Angabe herein. Auch dürfte der Kurfürstensaal für die erforderlichen 33 Porträts.wenn wirklich alle Mainzer Kurfürsten seit 1356 abgebildet33, zu klein gewesen sein, so daß man annehmen muß, daß die Anzahl der Gemälde geringer war; mithin kann die Reihe der Kurfürstenporträts in diesem Saal nicht vollständig gewesen sein. Nach dem Schloß besichtigte Björnstähl mit seinen Begleitern in Aschaffen burg noch die Kirche, die schulischen Einrichtungen und die Bibliothek des im Jahr zuvor aufgehobenen Jesuitenordens, bevor die Reise über die Main brücke weiter nach Seligenstadt ging. Wenn man bedenkt, daß Björnstähl an einem Tag von Hanau aus nachein ander Aschaffenburg, Seligenstadt und Wasserlos besuchte und noch am Abend nach Hanau zurückkehrte, dann ist es nicht verwunderlich, daß sich seine Eindrücke etwas verwischten und er auch einige-historische Fakten - z. 8. das Todesjahr des Kurfürsten Johann Schweikard (1626) als Baujahr des Schlosses - unrichtig wiedergab. Obgleich seine Beschreibung des Inneren des Schlosses Johannisburg nur knapp und nicht fehlerfrei ist, stellt sie doch eine der wenigen Schilderungen vor dem im letzten Viertel des 18. Jahrhun derts beginnenden Innenumbau dar34. 33 Vgl. Anm. 22. 34 Zum Umbau: Schulze-Kolbitz (wie Anm. 20), S. 96 ff.; Beschreibungen des Schießinneren durch Besucher: ebd., S. 142, u. Engel/Freeden (wie Anm. 24), S. 12 f. bzw. 47 ff. 218
Eine Bemerkung Novalis' über Dalberg von Hans-Bernd Spies Es ist immer wieder interessant, eine Persönlichkeit durch Aussagen von Zeit genossen unter einem bestimmten Gesichtspunkt skizziert zu sehen. Über den letzten Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Carl Theodor Frhr. von Dal berg1, sind solche Äußerungen, die je nach dem Gesichtspunkt des Betrach ters positiv oder negativ ausfielen, in größerer Zahl überliefert2. Ganz all gemein läßt sich sagen, daß Dalbergs politisches Wirken von vielen Zeit genossen skeptisch bis negativ bewertet wurde; anders hingegen sieht es mit dem Urteil über Dalberg als musisch-begabte und mit zahlreichen Künstlern seiner Zeit befreundete Persönlichkeit aus3. Ein Beispiel dafür ist eine Dalberg betreffende Bemerkung Friedrich Frhr. von Hardenbergs, der sich als Dichter Novalis nannte4, in einem Brief aus Jena an 1 Carl Theodor Anton Maria Frhr. von Dalberg (1744-1817), 1772 (ernannt 1771)-1802 kurmainzischer Statthalter in Erfurt, ab 1787 Koadjutor von Mainz und Worms, ab 1788 auch von Konstanz, 1800-1817 Bischof von Konstanz, 1802-1803 Kurfürst und Erzbischof von Mainz, 1803-1817 Erz bischof von Regensburg, 1803-1806 Kurfürst und Reichserzkanzler, 1806-1813 Fürstprimas des Rheinbundes, 1810-1813 Großherzog von Frankfurt; zu diesem vgl. u. a. Karl Freiherr von Beaulieu Marconnay, Karl von Dalberg und seine Zeit. Zur Biographie und Charakteristik des Fürsten Primas, Bd. 1-2, Weimar 1879; Antje Freyh, Karl Theodor von Dalberg. Ein Beitrag zum Verhältnis von politi scher Theorie und Regierungspraxis in der Endphase des Aufgeklärten Absolutismus (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 95), Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978; Klaus Rob, Karl Theodor von Dalberg (1744-1817). Eine politische Biographie für die Jahre 1744-1806 (Europäische Hochschul schriften, Reihe 1, Bd. 231), Frankfurt/Bern/New York/Nancy 1984. 2 Vgl. als Beispiele die Äußerungen aus dem Weimarer Kreis bei Rob (wie Anm. 1), S. 108-112 u. 115-119; zum Dalberg-Bild in der historischen Literatur ebd., S. 19-34; vgl. auch Günter Christ, Geistliche Fürsten des ausgehenden 18. Jahrhunderts im lichte der Wiener Diplomatie, in: Aschaf fenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 8 (1984), S. 289-31o, dies S. 300-310. 3 Zu Dalbergs Beziehungen zu den Künstlern seiner Zeit vgl. Beaulieu-Marconnay (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 39-62 u. 168-200; Rob (wie Anm. 1), S. 107-127. 4 Georg Friedrich Philipp Frhr. von Hardenberg (1772-1801 ), bedeutendster Vertreter der Jenaer Früh romantik, studierte 1790-1794 in Jena, Leipzig und Wittenberg Rechtswissenschaften, wurde 1794 Aktuar beim Kreisamt in Tennstedt und 1796 Akzessist an den Salinen in Weißenfels; 1797-1799 studierte er an der Bergakademie in Freiberg, wurde 1799 Assessor in Weißenfels und Ende 1800 zum dortigen Amtshauptmann ernannt, konnte diese Stelle aufgrund seiner tödlichen Krankheit nicht mehr übernehmen; zu diesem vgl. u. a. Hans-Joachim Mäh/, Georg Friedrich Philipp Frhr. von Har denberg (Novalis), in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 7, Berlin 1966, S. 652-658; Gerhard Schulz, Novalis In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1969. 219
C. T. , " i . v. () � (. 1\ E l C . Carl Theodor Frhr. von Dalberg - Stich nach einem Gemälde von Friedrich Tischbein (1750-1812). 220
den Dichter und damaligen Geschichtsprofessor Friedrich Schiller5, bei dem er historische Vorlesungen gehört hatte. In seinem Brief vom 22. September 1791 bedauerte Novalis6 zunächst, daß er diesmal nicht nach Erfurt kommen könne, und fuhr dann fort: „Wie gern hätt' ich Sie nicht gesehn, wie gern an Ihrer Seite so glühend und froh [ ... ] die gelungensten Augenblicke der Kunst in der Vorstellung genossen und verschlungen; wie freute ich mich nicht zugleich auf die persönliche Bekanntschaft mit dem guten, seelenvollen Dalberg, der leider nur noch fast einzig unter den Fürsten Deutschlands steht, und den ich schon deswegen hochschätzen würde, wenn er sich nur für meinen lieben Schiller recht warm und innig interessirte: aber nun ist dis alles vereitelt, und ich muß mich resigniren; welches ich auch desto leichter kann, da mir wenigstens die Hoffnung nicht benommen ist doch Sie noch während dieser Ferien einmal zu sehn." Dalberg, der Schiller am 4. Dezember 1789 persönlich kennengelernt hatte, unterstützte den Dichter in lebenslanger Freundschaft sowohl ideell als auch finanziell7 und setzte damit auf andere Art und Weise die Hilfe fort, die Schiller durch Dalbergs Bruder Wolfgang Heribert8, den Intendanten des National theaters in Mannheim, erfahren hatte. Letzterer hatte 1782 in Mannheim Schil lers Drama „Die Räuber" uraufgeführt und ihn 1783/84 dort als Theaterdichter beschäftigt. Ob es später zu einer persönlichen Begegnung zwischen Dalberg und Novalis kam, ist nicht bekannt. 5 Johann Christoph Friedrich (1802: von) Schiller besuchte 1773-1780 die Karlsschule auf Schloß Soli tude bzw. Stuttgart (1775 dorthin verlegt), wo er zunächst Rechtswissenschaften und ab 1775 Medizin studierte; anschließend war er Regimentsmedikus. 1782 Flucht, 1783-1784 Theaterdichter in Mannheim, 1788 zum Professor für Geschichte in Jena ernannt, wo er ab 1789 fünf Semester Vor lesungen hielt, 1799 Übersiedlung nach Weimar; zu diesem Dichter der Deutschen Klassik vgl. u. a. Reinhard Buchwald, Schiller. Leben und Werk, Wiesbaden 1959. 6 Druck des Briefs: Novalis, Das dichterische Werk, Tagebücher und Briefe, hrsg. v. Richard Samuel (Novalis, Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs, hrsg. v. Hans-Joachim Mäh! u. Richard Samuel, Bd. 1), München 1978, S. 505-507, Zitat S. 505 f. Zur Beziehung zwischen Novalis und Schiller vgl. Buchwald (wie Anm. 5), S. 569-572, u. Schulz (wie Anm. 4), S. 28 f. 7 Zur Freundschaft zwischen Dalberg und Schiller vgl. Beaulieu-Marconnay (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 171-190, u. Buchwald (wie Anm. 5), S. 670 f. u. 791 f. 8 Wolfgang Heribert Tobias Otto Maria Johann Nepomuk Frhr. von Dalberg (1750-1806) hatte Rechts wissenschaften studiert und wurde 1776 pfälzischer Oberappellationsgerichtspräsident; 1778 grün dete er in kurfürstlichem Auftrag das Nationaltheater in Mannheim, das er bis 1803 leitete; zu diesem vgl. Hans Knudsen, Wolfgang Heribert Tobias Otto Maria Johann Nepomuk Frhr. von Dalberg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S. 490-491; zu diesem und Schiller vgl. Buchwald (wie Anm. 5), S. 297-300, 338-341, 347 ff., 365-370 u. 372-378. 221
,,Schutzpatron auf dem Katheder _- Lujo Brentano" von Martin Goes Diese Überschrift wählte Gerhard Beier im 5. Teil des ersten Bandes seines Buches „Schwarze Kunst und Klassenkampf, Geschichte der Industriege werkschaft Druck und Papier und ihrer Vorläufer seit dem Beginn der modernen Arbeiterbewegung" 1. Lujo Brentano (1844-1931), in Aschaffenburg geboren und im Familiengrab beigesetzt, hatte sich 1871 mit seiner Aufsatzsammlung „Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine", dem ersten Band seiner „Arbeitergilden der Gegenwart", bekannt gemacht und am 6. Juni in Berlin habilitiert2. Schon zum Wintersemester 1872/73 wurde er, der „Kathedersozialist", nach Breslau berufen, allein „sein Sozialismus war nicht mehr als eine sozialwissenschaft liche Theorie des Tarifvertragswesens"3. Beim ersten Kampf der Buchdrucker um einen einheitlichen Reichstarif hatten die Leipziger Druckereibesitzer, die „Prinzipale", am 1. Februar 1873 mit der Aussperrung begonnen, nachdem fünf Tage vorher 350 „Gehilfen" - so nannten sich damals die Setzer - gekündigt hatten. Und seit dem 7. März ergab sich in Breslau dieselbe Lage. Da wurde Brenatano vom Besitzer der „Schlesischen Zeitung" gebeten, sich in Leipzig beim Präsidenten des Deutschen Buchdruckerverbandes um eine möglichst schnelle Beilegung zu bemühen. Es ging auch darum, daß andere Druckereibesitzer den Verband sprengen oder die Anerkennung hintertreiben wollten, was Brentano bekämpfte. Als beide Parteien miteinander verhandelten, machten die Prinzipale einen Vorbehalt. Deshalb wollten am 28. März die Breslauer Setzer die Bedin- 1 Gerhard Beier, Schwarze Kunst und Klassenkampf, Bd. 1: Vom Geheimbund zum königlich-preußi schen Gewerkverein (1830-1890) (Schwarze Kunst und Klassenkampf. Geschichte der Industriege werkschaft Druck und Papier und ihrer Vorläufer seit dem Beginn der modernen Arbeiterbewegung, Bd. 1), Frankfurt am Main 1966, S. 497. 2 Vgl. Lujo Brentano, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands, Jena 1931, S. 63-67; zu Lujo Brentano vgl. außer seinen vorgenannten Memoiren Friedrich Zahn, Lujo (Ludwig Josef) Brentano, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, Berlin 1955, S. 596-597; Brigitte Schad, Lujo Brentanos Weg vom katholischen Elternhaus zum „Kathedersozialisten". Nachgezeichnet anhand gedruckter und ungedruckter Quellen im Aschaffenburger Nachlaß, in: dies. (Hrsg.), Die Aschaffen burger Brentanos. Beiträge zur Geschichte der Familie aus unbekanntem Nachlaß-Material (Veröf fentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 25), Aschaffenburg 1984, S. 126-141; Martin Goes, Die Familie des Lujo Brentano, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stifts archiv Aschaffenburg, Bd. 2, Heft 3 (März 1988) S. 111-120. 3 Beier (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 441. 222
gungen nicht annehmen, obwohl Brentano ihnen dazu riet, wenn sie ebenfalls einen Vorbehalt einbringen würden. So erreichte er ihre Zustimmung. Um den Konflikt rascher zu beenden, wurde auf der Versammlung noch ein zweiter Antrag gestellt, nämlich im Breslauer Alleingang zu verhandeln. Aber sie hätten damit, wie ihnen Brentano sagte, den Verband gesprengt. Allerdings setze er sich umgehend bei ihrem Präsidenten eindringlich und mit Erfolg dafür ein, ,,j e d e n f a l l s mit Rücksicht auf die b e s o n d e r e n Breslauer Ver hältnisse den B r e s l a u e r Setzern zu gestatten, mit ihren Principalen über die Wiederaufnahme der Arbeit in Unterhandlung zu treten". Nach drei weiteren Tagen fand man in Breslau mit dieser Taktik den Arbeitsfrieden ohne Schaden für den Verband4. Die „Breslauer Zeitung" und die „Breslauer Morgenzeitung" hatten vereinbart, gegen Brentano zu schreiben und ihn „der f r i v o l e n E i n m i s c h u n g(!!) in den Setzerstreik und der Verlängerung(!!) desselben" zu beschuldigen5 , was durch den ganzen Blätterwald ging und den preußischen Kultusminister Adal bert Falk (1827-1900) 6 veranlaßte, Brentanos Stellungnahme einzuholen. Der erwiderte, er hätte sich nur nach den Ausführungen seines Buches verhalten, und „es würde die Autorität des Universitätslehrers erschüttern, wenn er selbst entgegen seiner Lehre handelte"7• Viele konnten damals nicht verstehen, daß sich ein Universitätsprofessor für die Arbeiter im Arbeitskampf einsetzte. Aber der Minister war so einsichtig anzuerkennen, daß Brentano nicht anders habe handeln können. Die Mitglieder des Deutschen Buchdruckerverbandes in Breslau8 erlaubten sich am 25. April, Lujo Brentano „die ergebene Bitte vorzutragen, eine Depu tation Breslauer Buchdruckergehilfen Sonntag, den 27. d. M., Vormittags 11 Uhr[ ...] gütigst empfangen zu wollen". Dabei überreichten sie ihm folgende in Rot und Gold gebundene, hier als Faksimile wiedergegebene Dankadres se9: 4 Zum Druckerstreik vgl. Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 88 f., u. ders., [Zuschrift]. in: Concordia. Zeitschrift für die Arbeiterfrage 1873, Nr. 16 (17. April), S. 126-127, Zitat ebd., S. 127. s Brentano, [Zuschrift] (wie Anm. 4), S. 127. 6 Zu diesem vgl. Stephan Skalweit, Paul Ludwig Adalbert Falk, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 5, Berlin 1961,S. 6-7. 7 Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 89. 8 Der Deutsche Buchdruckerverband war am 20. Mai 1860 gegründet worden. 9 Zitat aus dem Schreiben des Ortsvereins der Breslauer Buchdrucker (Breslau, 25. April 1873) an Brentano. Dieses Schreiben und die gedruckte Dankadresse im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffen burg, Familienarchiv Brentano. 223
ffocHWOHLGEBORNER ffERR-, ffocHGEEHRTER ffERR rROFESSOR! Je mehr in unseren 'l'agen clen wohl berechtigten Bestrebungen cles Arbeiterstandes von allen Seiten feindlich entgegengetreten wird, theils !\US Unverstllnclniss für clie wahre Lßge der arbeitenden Klasse, theils !\US Her,losigkeit oder dem schmutzigsten Eigennutz, um so hüher ist es anzuschlagen, wenn Männer der Wissenschaft es nicht vcrschmllhcn, öffentlich Zeugniss zu gel,en filr die durch unsere socialen Ver hältnisse herbeigefllhrte Nothwencligkeit, Organisßtionen zu schaffen, welche es dem Arbeiter cnnöglichen, die Bessergestaltung seiner geiotigen und materiellen Verhllltni•se ins Auge zu fassen. Sie , hochgeehrter Herr Professor, haben - und dessen werden sich die ßreslauer lluchclrucker stets dankbar erinnern - in dem zu unser Aller grösstem Bedau rn 1msgebrochenen Streite mit unseren Principalen ein offeneg, mllnnliches Wort zu unsern· Gunsten geredet. Dass Sie, hochgeehrter Herr, so und nicht anders redeten , war das Product Ihrer Forschungen, Ihrer Wissenschaft auf volkswirthschaftlichem Gebiete. Dadurch erhltlt lh,r Wort um so g1·össere Bedeutung und nm so unbegreiflicher, und doch wieder um so leichter begreitticb ist es, wenn von gewisser Seite dieses Ihr freimüthiges Auftreten zum GegenstanJe der gehllssigsten Anfeindungen gemacht wird, ja, dass man sich unterfing, Ihre werthe Pe"'on in einem der hiesi;:-en Illlltter mit der lltngercn Dauer der von unserer Seite nicht hervorgerufenen Arbeits- Einstellung in Verbindung zu bringen. Die Unterzeichneten glauben, indem sie ein demrtiges Gebuhren auf das Lebhafteste bedauern, dem gegenüber nur ihre Pflicht zu thun, wenn sie 1rnsdrUcklich constatiren, dass gemde Sie, hochgeehrter Herr Professor, es waren , welcher durch seine, nur rlus Interesse beider streitenden Parteien im Auge habenden füithschläge d1\s beschlennigte Ende der ZerwUrfnisse zwischen den hiesigen Buehdruckerei-Hesitzern und den Gehilfen herbeifllhrte. Genehmigen Sie daher, hochgeehrter Herr Professor, die Versicherung unserer grGssten Da11kuarkeit und Hochachtung, mit der wir zeiclmen als Bre•lau, 18. April 1873. Die Mitglieder des Deutschen Buchdrucker-Verbandes zu Breslau. Als Brentano neun Jahre später Breslau verließ, dankten sie ihm ebenso ehr furchtsvoll und herzlich; auch gratulierten sie ihm noch zu seinem 80. und 85. Geburtstag. Er selbst schrieb am Ende seines Lebens 10 : ,,Ich bin stolz auf diese Treue!" 10 Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 89; ebd. Gratulation zum 80. Geburtstag erwähnt, Gratulation zum 85. Geburtstag im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Familienarchiv Brentano. 224
Die Eingemeindung Sehweinheims oder das Ende der Selbständigkeit von Carsten Pollnick Sehweinheim, ursprünglich „hagen", später „hayn", ,,heyn" oder latinisiert „indago", wird seit dem 13. Jahrhundert in einigen Urkunden erwähnt, der heutige Name jedoch erst im 15. oder 16. Jahrhundert1. Meist �ind es Belege über hinterlassene Besitzungen oder Grundstücksverkäufe, die von dem ehe mals nur aus einzelnen Mühlen oder Höfen bestehenden Ort berichten2. Eine genaue Beschreibung der Gemarkungsgrenzen wird im „Schweinheimer Weisthumb" von 1624 gegeben3. Für das Jahr 1660 läßt sich in Sehweinheim eine Kapelle nachweisen, vermut lich dem hl. Wendelin geweiht; sie stand dort, wo sich die heutige Pfarrkirche befindet4. Nachdem 1756 der Chor abgebrochen und an seiner Stelle ein Querhaus mit neuem Chor erbaut (bereits 1751 war eine Kaplanei gestiftet worden), die Langhausfenster vergrößert und ein Seitenportal eingesetzt worden waren, erhielt der St. Alban geweihte Bau ein völlig neues Aussehens. Die Erhebung zur Pfarrkirche erfolgte 1821, abgebrochen wurde sie 1894, um einem Neubau Platz zu machen; ein Jahr darauf fand die Konsekration statts. Der Friedhof ist ebenso alt wie die Kapelle. Nach ihrer Vergrößerung wurde er auf den Haidberg verlegt, wo er sich noch gegenwärtig befindet; dort soll einst das Stammschloß der Herren von Hagen gewesen sein. Ein Torbogen dieses Schlößchens bildete bis 1833 das Portal des Friedhofes, trug das Wappen des Mainzer Erzbischofs Daniel Brendel vom Homburg mit der Jahreszahl 1579; bis in die jüngste Vergangenheit wurde der Gottesacker immer wieder erwei tert?. Ein geregelter Schulunterricht war früher in Sehweinheim unbekannt; begü terte und bildungsbeflissene Bürger schickten ihre Kinder in die Aschaffen- 1 Vgl. Johann Georg Sehweinfest, Das Pfarrdorf Sehweinheim und seine Filialen Haibach, Grünmors bach und Gailbach, Aschaffenburg 1912, S. 8 f.; Michael Göbel, Sehweinheim - Ein Heimatbuch, Aschaffenburg 1930, S. 28 f. 2 Vgl. Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 20-23; vgl. auch Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Reperto- rium des Stiftsarchivs (Register). 3 Druck: Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 26-30. 4 Vgl. ebd., S. 39. 5 Vgl. Adolf Feulner/Bernhard Hermann Röttger, Bezirksamt Aschaffenburg (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Bd. 3: Regierungsbezirk Unterfranken, Heft 24), München 1927, S. 133. e Vgl. ebd. 7 Vgl. Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 79-82. 225
burger Pfarrschule zu Unserer Lieben Frau. Erste Nachrichten über eine Filial schule, über einen eigenen Schulmeister, lassen sich für das 17. Jahrhundert belegen, aber erst im 18. Jahrhundert wird von einem Schulzimmer im ersten Stock des alten Rathauses berichtet8. Weitere Räume kamen während und nach der Dalberg-Zeit hinzu. Von einem einigermaßen organisierten Schul betrieb kann ab 1838 gesprochen werden, als die Gemeinde ein zweistök kiges Gebäude erwarb, das 1878 erweitert wurde; der erste Schulbau stammt aus dem Jahre 19049. Der wirtschaftliche Stellenwert Sehweinheims erhöhte sich erst gegen Ende des 19., vor allem aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vorher prägte die Feldwirtschaft den Ort, waren seine Bewohner meist Bauern oder Arbeiter mit landwirtschaftlichem Nebenerwerb. Noch um die Jahrhundertwende galt Sehweinheim mit seinen „2500 Köpfen auf 1616 ha" als das größte Dorf im Spessart 10. Eine umfangreiche Siedlungsfläche begünstigte den kontinuier lichen Zuwachs der Bevölkerung. Im Jahre 1926 hatte Sehweinheim schon 3652 Einwohner, dazu eine Poststation mit Posthilfsstelle und öffentlicher Fernsprechzelle, Industriebetriebe wie eine Brauerei (Schwindbräu), eine Cel luloidfabrik (Petri), eine Hadernsortieranstalt; neben etlichen Gewerbeunter nehmen waren auch schon zwei praktizierende Ärzte ansässig. Zur Gemar kung gehörten ferner die Almhütte, die Aumühle sowie die Eiterhöfe; Unter schweinheim wird zu diesem Zeitpunkt noch gesondert aufgeführt11. Zehn Jahre später war die Einwohnerzahl bereits auf 4702 angestiegen; einige Industrien waren verschwunden, Unterschweinheim integriert12. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 hatte Aschaf fenburg in seiner Entwicklung ein Ausmaß erreicht, das möglichst rasch nach einer zweckgebundenen Lösung verlangte. Nicht nur Wohnungen, sondern auch verkehrstechnisch günstig gelegene Plätze für Industriebetriebe wurden benötigt, zumal die städtebauliche Ausdehnung am Main naturbedingt begrenzt war. Was lag also näher, als mit einer Eingemeindung von Schwein heim die gesamte bauliche Gestaltung planmäßiger und geschlossener zu beschleunigen, denn neben dem wertvollen Siedlungsland stellte auch der Waldbesitz der Gemeinde eine nicht unbedeutende Kapitalanlage dar; eine Mitgift also, die durch ihren ausgeglichenen Haushalt der Stadt Aschaffenburg s Vgl. ebd., S. 73. e Vgl. ebd., S. 78. 10 Hellmuth Wo/ff, Der Spessart. Sein Wirtschaftsleben, Aschaffenburg 1905, S. 17. 11 Adreßbuch 1926 für die Bezirksämter Aschaffenburg-Land, Alzenau und Obernburg mit einem Fir menverzeichnis der Stadt Aschaffenburg, Aschaffenburg 1926, S. 77. 12 Adreßbuch 1936 für die Bezirksämter Aschaffenburg-Land, Alzenau und Obernburg, Aschaffenburg 1936, s. 101. 226
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