MITTEILUNGEN aus dem Stadt-und Stiftsarchiv - ,t II 'I - Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg

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MITTEILUNGEN
 aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
 ISSN 0174-5328                                     Bd. 2, Heft 6                   März 1989

                                                                                              ..
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Haupteingang Schönborner Hof                                                 &,rat
Inhalt
 Martin Goes, Zur Geschichte der Erbsengasse. sowie eine kritische
     Bemerkung zur Welzbachgasse       . . . . . . . . . . . .                        209
 Hans-Bernd Spies, Der schwedische Orientalist Jacob Jonas Björnstähl
    in Aschaffenburg      . . . . . . . . . . . . . .                                 211
 Hans-Bernd Spies, Eine Bemerkung Novalis' über Dalberg      . . . .                  219
 Martin Goes, ,,Schutzpatron auf dem Katheder - Lujo Brentano"                        222
.Garsten Pollnick, Die Eingemeindung Sehweinheims oder das Ende der
    Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .                               225
 Renate Welsch, Hanns Seidel - ein Leben für Bayern     . . . . . .                   235
 Renate Welsch und Helmut Reiserth, Das Jahr 1988 im Presse-
    spiegel       . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            ·· 243

Mitarbeiterverzeichnis
Dr. med. Martin Goes, Backoffenstr. 3, 8750 Aschaffenburg
Garsten Pollnick, Westendstr. 1, 8751 Haibach
Helmut Reiserth, Dalbergstr. 66, 8750 Aschaffenburg
Dr. phil. Hans-Bernd Spies, M. A., Roßmarkt 33a, 8750 Aschaffenburg
Renate Welsch, Schränksweg 2, 8752 Kleinostheim

Vorschau auf kommende Hefte:
Aschaffenburg 175 Jahre bayerisch (mehrere Aufsätze); Werner Krämer, Aschaffenburgs
erste Gewerbeausstellung fand im Jahre 1849 statt; Garsten Pollnick, 150 Jahre evangeli­
sche Kirche in Aschaffenburg; Brigitte Schad, Neue Erkenntnisse zur Datierung der Por­
traits von Christian und Emilie Brentano im Städtischen Schloßmuseum; Hans-Bernd
Spies, .,Die Königin Viktoria von England wird am 16. Juli dahier eintreffen". Eine Falsch­
meldung der Aschaffenburger Zeitung im Jahre 1845.

Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
im Auftrag der Stadt Aschaffenburg - Stadt- und Stiftsarchiv -
herausgegeben von Hans-Bernd Spies

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Wermbachstr. 15, D-8750 Aschaffenburg
Druck: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, 8530 Neustadt an der Aisch
Lithos: Thomaier und Ullrich, 8750 Aschaffenburg
Zur Geschichte der Erbsengasse sowie eine kritische Bemerkung
                      zur Welzbachgasse

                                      von Martin Goes

Am 8. April 1663 erklärte Johannes Berninger, daß er an diesem Tag seine „in
der Erbeßgaßen gelegene" Scheune für 335 Gulden an Veit Berninger ver­
kauft habe 1 . In dieser Urkunde Berningers wurde die Erbs�ngasse zum
erstenmal erwähnt. Nachdem Melchior Friedrich Freiherr (1701: Graf) von
Schönborn (1644-1717)2 in den Jahren 1676 bis 1699 Grundstücke zur Erwei­
terung seines Aschaffenburger Anwesens erworben hatte, wurde in der
Anweisung zum Rechnungswesen beim Amt Krombach3 in § 18 „ein Garten­
platzlein hinter einer Scheuer in der Erbesgasse" erwähnt; außerdem weiter
unten in dieser Auflistung: ,,Seine Gemahlin hat 1699 eine Behausung an der
Erbesgasse zum Storchsnest genannt [ ...] erkauft."
Diese Belege passen nicht zu dem Hinweis Martin Balduin Kittels
(1798-1885)4, die Erbsengasse sei „durch die Niederlegung der Welzbach­
gasse" entstanden, ,,indem der Graf den Bauern und Häckern am Ende des
17. Jhrh. ihre Häuser in der neuangelegten Erbsengasse wieder aufbaute oder
sie bar entschädigte"5.
Rund 100 Jahre vor Kittels Geburt wird in dem zitierten Schriftstücks aber nicht
von der Welzbachgasse, sondern mehrfach von der Haargasse berichtet,
nämlich hinsichtlich des Ankaufs einer „Scheuer in der Haargasse von
Thomas Wenzel", einer „Scheuer daselbst von Johann Wilhelm Bußleben",
einer „Behausung samt Umgriff in der Haargasse von Kristoph Zettel", des
„Haargäßlein[s] von der Stadt Aschaffenburg ( .. . ] mit dem Beding, daß das

1 Verkaufsurkunde Johannes Berningers, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stadtarchiv,
  Urkunde 197. Hier und bei allen Aktenzitaten diplomatische Wiedergabe der Vorlage.
2 Vgl. Garsten Pol/nick, Der Schönborner Hof - Aschaffenburgs erster Barockbau, in: Mitteilungen
  aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 3-10, dies S. 3-6; Ernst Heinrich
  Kneschke, Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexikon, Bd. 8, Leipzig 21930, S. 288-292, bes.
  288 f.
3 Abschrift in: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stadtarchiv, Akte 884.
4 Zu diesem vgl. Anton Kittel, Die Aschaffenburger Kittel - ein Geschichtsversuch, o. 0. 1944

  (Masch.), S. 12-22.
s Martin Balduin Kittel, Sonst und jetzt, Manuskript um 1875, S. 7; vgl. auch ders., Die Bau-Orna­
  mente aller Jahrhunderte an monumentalen Gebäuden der Königlich Bayerischen Stadt Aschaffen­
  burg, Lief. 17 (Programm der Königlich Bayerischen Gewerbschule zu Aschaffenburg zum Schlusse
  des Schuljahres 1867 in 1868), Aschaffenburg o. J. (1868), S. 5: .. standen an den Ufern des Welz­
  baches zwischen der Sandgasse und der Erbsengasse die Wohnungen von Häckern; die Gasse
  hieß die W elzb a c h g a s s e und erstreckte sich vom Anfange der Erbsengasse bis an den Löher­
  graben".
s Wie Anm. 3.

                                                                                               209
durchlaufende Wasser seinen Lauf behalten soll", und einer „Scheuer in der
Haargasse von Magdalena Jossin".
Das durchlaufende Wasser war ein Nebenarm des Ohmbachs, der in der
Ohmbachgasse bei der Zehntscheuer abzweigte und über den Schönborner
Hof und durch den Löhergraben zum Main floß; denn nach der Errichtung des
Sandtors hatte man den Welzbach in den äußeren Stadtgraben umgeleitet?.
Die späte Namensgebung der Erbsengasse sollte die Herleitung erleichtern,
es fehlen aber Belege für einen Erbsenacker oder wie in Sehweinheim für
einen Erbsenrain, ebenso für eine Erbsenscheuer, einen Erbsenhof oder für
Erbse bei einem Eigennamen. Man dachte an eine Scheuer zur SpeichE3rung
des Erbsenzehnten, wie seit 1933 im Aschaffenburger Adreßbuch ange­
gebena. Hans Morsheuser (1866-1946)9 stellte die Ableitung vom Erbsen­
sonntag wohl unausgesprochen wegen der Nähe der Sandkirche, damals
einer Kapelle, zur Diskussion1°: ,,Der Erbsensonntag war der weiße Sonntag, an
dem in der Pfarrei St. Quintin zu Mainz unter die Armen die E r b s e n s u p p e
verteilt wurde. Vielleicht steht damit auch der Name der hiesigen Erbsengasse
in Verbindung", und bringt noch den anderen Vorschlag: ,,falls nicht das mhd.
erbeizen = vom Pferdesteigen Ursache der Benennung ist. Dann würde sie
soviel wie Einkehr-, Einstell-, Herbergsgasse bedeuten". Das Haus Erbsen­
gasse 1, heute „Erbsenschwind", gehörte im früheren Plan bis zum Jahr 1879
unter der Nummer C 92 zur Sandgasse und ist erst ab 1790 als Wirtschaft des
Senders und Bierbrauers Lorenz Pfeifer nachgewiesen 11 .
Auch in Hanau, Frankfurt am Main und in Kelsterbach kennt man keinen
direkten Bezug. Es bleibt nur die Tatsache, daß in ganz Deutschland Straßen-,
Flur- und Gewann-Namen mit der Bezeichnung Erbse vorkommen. Die Erbse
hatte ja als eiweißhaltiges Nahrung- und Futtermittel früher eine größere
Bedeutung als heute, und so dürfte die von Johann Schober 1905 zitierte
Ansicht eines nicht genannten Kenners der alten Straßennamen noch am ehe­
sten zutreffen1 2: ,,Die Oekonomie stand offenbar in älterer Zeit in engerem
Zusammenhang mit der Stadt; darauf weist die ,Erbsengasse' hin."

 1 Vgl. Willi Köhl, Aschaffenburg. Urgeschichte, Geschichte, Wirtschaft, Aschaffenburg 1935, S. 51.
 e Vgl. Einwohnerbuch der Stadt Aschaffenburg 1933, Aschaffenburg o. J. (1933), S. 213; so auch
   noch im neuesten Adreßbuch: Adreßbuch Aschaffenburg 1966/67, Aschaffenburg o. J. (1966), Teil
   3, S. 37. Einen Flurnamen Erbsenborn gibt es im Stadtteil Strietwald nördlich der Bundesautobahn 3
   (Frankfurt-Nürnberg); dieses Flurstück Nr. 8421-8440 verläuft von Südosten nach Nordwesten.
 9 Zu diesem vgl. Willibald Fischer, Hans Morsheuser, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte,
   Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 1 (1952), S. 271-274.
10 Hans Morsheuser, Erbsensonntag, in: Aschaffenburger Geschichtsblätter 9 (1920), S. 24.
11 Vorarbeiten von Alois Grimm zum zweiten Band des Aschaffenburger Häuserbuchs.
12 Johann Schober, Die Aschaffenburger Straßennamen. Als Beitrag zur Stadtgeschichte erklärt,
   Aschaffenburg o. J. (1906), S. 38 f.

210
Der schwedische Orientalist Jacob Jenas Björnstähl
                     in Aschaffenburg (1774)

                                    von Hans-Bernd Spies

Aus den Berichten von Skandinaviern über ihre Reisen durch Aschaffenburg
und sein Umland1 ragt der des schwedischen Orientalisten Jacob Jonas Björn­
stähl deutlich hervor, denn dieser hielt sich im Frühjahr 1774 einige Wochen in
Hanau auf2, von wo aus er mehrere Tagesausflüge in die Umgebung machte3,
so daß er zahlreiche interessante Informationen sammeln und weitergeben
konnte.
Jacob Jonas Björnstähl (1731-1779)4 hatte seit 1754 an der Universität Upp­
sala studiert und 1761 den Magistergrad erlangt. 1763 erhielt er dort eine
Dozentur für schwedische Philologie, die er 1765 gegen eine in arabischer
Philologie tauschte; in diesem Fach schrieb und verteidigte er anschließend
eine Dissertation, die ihn auch im Ausland bekannt machte. Als Begleiter
zweier Landsmänner trat Björnstähl 1767 eine Auslandsreise an; er blieb drei
Jahre in Paris und ging dann über die Schweiz und Toulon nach Rom, wo er
seine Ernennung zum Professor (Adjunkt) für orientalische und griechische
Literatur an der Universität Uppsala erfuhr (1771). 1773 begab sich Björnstähl
von Italien auf eine Studienreise durch Deutschland und die Niederlande;
1775 ging er nach Großbritannien. In Oxford erreichte ihn der Auftrag, an einer
wissenschaftlichen Expedition in den Orient teilzunehmen, sowie seine Ernen­
nung zum außerordentlichen Professor an der Universität Uppsala. Daraufhin

1 Hinsichtlich der bisher ausgewerteten Berichte von Skandinaviern über Reisen durch Aschaffenburg
  und den Spessart vgl. Hans-Bernd Spies, Bericht des Schweden Per Ulrik Kernell über seine Reise
  von Kitzingen nach Frankfurt im Jahre 1823, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv
  Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 211-214; ders., Ein junger Norweger 1669 auf dem Weg durch den
  Spessart nach Italien: Hans Hansen Lilienskiold, in: ebd., Bd. 2, Heft 3 (März 1988), S. 90-93; unten
  Anm. 12.
2 Björnstähl traf am Abend des 16. April 1774 von Frankfurt kommend mit dem Postboot in Hanau ein

  und verließ die Stadt endgültig wieder am 26. Mai in Richtung Frankfurt, ebenfalls zu Schiff; vgl.
  Jakob Jonas Björnstl1hl, Briefe auf seinen ausländischen Reisen an den Königlichen Bibliothekar
  C. C. Gjörwell in Stockholm. Aus dem Schwedischen übersetzt von Christian Heinrich Groskurd,
  Bd. 5, Leipzig/Rostock 1782, S. 232 f. u. 267.
a Am 4. Mai über Steinheim und Seligenstadt nach Babenhausen; am 6. Mai nach Langenselbold; am
  18. Mai über Schloß Ronneburg und Herrnhaag nach Büdingen, Rückfahrt nach Hanau über
  Marienborn und Marköbel; vgl. BjörnsMhl, Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 249-252, 252 f. bzw.
  256-261; in der deutschen Ausgabe Fahrt nach Babenhausen fälschlich auf den 5. Mai datiert, oben
  Termin korrigiert nach Jacob Jonas Björnstl1hl, Resa til Frankrike, Italien, Sweitz, Tyskland, Holland,
  Ängland, Turkiet och Grekeland, hrsg. von Carl Christotter Gjörwell, Bd. 4, Stockholm 1782, S. 162.
4 Zu seiner Biografie vgl. Nils Bohman, Jacob Jenas Björnstähl, in: Svenska män och kvinnor. Biogra­

  fisk uppslagsbok, Bd. 1, Stockholm 1942, S. 353-354.

                                                                                                    211
verließ er im März 1776 Großbritannien und traf zwei Monate später in der
Türkei ein. Während seiner dortigen Studien starb Björnstähl, der kurz zuvor
(1779) zum ordentlichen Professor für orientalische und griechische Sprache
an der Universität Lund berufen worden war, in der damals zum Osmanischen
Reich gehörenden nordgriechischen Stadt Saloniki.

Jacob Jonas Björnstähl; Rundmedaillon von Johan Tobias Serge! (1740-1814), Besitzer: Stiftsbiblio­
teket Linköping, Foto: Statens Kunstmuseer - Svenska Porträttarkivet Stockholm.

Auf seiner großen Deutschlandreise kam Jacob Jenas Björnstähl am 16. April
1774 mit seiner Begleitung nach Hanau5. Schon am nächsten Tag empfahl

s Vgl. Anm. 3. - Zum Charakter dieses Teils der Reisebeschreibung vgl. Christian Heinrich Groskurd,
  Vorbericht des Uebersetzers, in: Björnstähl, Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 3-20, hier S. 4-6: ,,Daß

212
ihnen der hanau-münzenbergische Regierungskanzler Hombergk zu VachG,
Aschaffenburg zu besuchen7:
     „Am 17. April waren wir zu Besuch bei Herrn Hofkanzler Hombergk zu
     Vach ( ...]. Er ist ein Herr von edelster Gesinnung und redlichem Herzen.
     Er empfahl uns, das Schloß Aschaffenburg, das wegen seiner schönen
     Lage und Bauart die Aufmerksamkeit aller Kenner auf sich zog, zu
     besichtigen. König Gustaf AdolfB hatte an diesem Schloß besonderen
     Gefallen gefunden: Er wohnte darin mehrere Wochen9 und sagte, daß es

  dieser fünfte Band an Materie viel reichhaltiger, als einer der vorhergehenden ist, lehrt der Augen­
  schein. Dieser Vorzug rührt daher, weil Herr Legationsprediger Blomberg nicht das ganze vom Ver­
  fasser geführte Journal, !!Ondern nur einen Auszug der wichtigsten darin aufgezeichneten Nach­
  richten zur Herausgabe bereitet, und sich dabey bloß an die Sachen hält, mithin alle diejenigen
  Umschweife und Weitläuftigkeiten, welche die Gestalt eines Briefes und die Höflichkeit gegen vor­
  kommende Personen mit sich bringen, nebst solchen wortreichen Betrachtungen, als der Ver­
  storbne in seinen Briefen einzuflechten pflegte, vermeidet. Es hat der selige Björnstähl sein Tage­
  buch nicht in schwedischer, sondern französischer Sprache geführt, und Herr Blomberg ists, der die
  daraus mitgetheilten Auszüge allererst ins Schwedische setzt. Dies zu wissen, kann beym Lesen
  derselben seinen Nutzen haben. Es ist solches zum Beyspiel die Ursache davon, daß nicht nur der
  Epitomator, wenn ihm nicht völlig gleichbedeutende Ausdrücke in seiner Sprache aufstoßen, (wel­
  ches nicht selten der Fall zu seyn scheint,) die vorgefundnen französischen stehen läßt; sondern
  auch der deutsche Uebersetzer da, wo er nicht ganz gewiß ist, ob er den rechten Sinn genau ausge­
  drückt habe, die französischen, nicht aber schwedische, Wörter neben die deutschen setzt." Hin­
  sichtlich des genannten Legationspredigers Carl Petter Blomberg (1748-1820) vgl. B[ertil] Boethius,
  Carl Petter Blomberg, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd.5, Stockholm 1925, S. 23-26.
a Wilhelm Friedrich (1780: von) Hombergk zu Vach (1713-1784) wurde 1761 als Regierungsvize­
  kanzler nach Hanau berufen und dort 1772 zum Regierungskanzler ernannt, was er bis 1783, als er
  aus Alters- und Gesundheitsgründen dies Amt niederlegte, blieb; vgl. [Johann August von} E{isen­
  har]t, Wilhelm Friedrich Hombergk zu Vach, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 13, Leipzig
  1881, S.43; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadligen Häuser, Jahrgang 5,
  Gotha 1911, S. 4471.
7 Björnstähl, Resa (wie Anm.3), Bd. 4, S.152: .,0. 17 Apr. aflade besök hos Herr Hof-Cantzlern Hom­

  berg zu Vach [...]. Det är en Herre af de ädlaste tänkesätt och et det redeligaste hjerta.Han recom­
  menderade oss at fara och bese Slottet Aschaffenburg, som för des vackra belägenhet och bygnad
  dragit til sig alle kännares upmärksamhet. Konung Gustaf Adolph hade synnerligt tycke för detta
  Slott: han bodde där i flera veckor, och sade: at det hade endast et tel, nämligen at det ej kunde
  flyttas til Sverige. Det tilhörer Churfursten i Mayntz, som vanligen kommer hit en gäng ärligen." Die
  Übersetzungen der im Text zitierten Abschnitte aus Björnstähls Reisebericht wurden nach der
  schwedischen Ausgabe neu angefertigt; die Hervorhebungen entsprechen der Vorlage. Zeitgenös­
  sische deutsche Übersetzung vorstehender Passage: Björnstähl, Briefe (wie Anm.2), Bd. 5,
  s. 233 f.
e Gustaf II.Adolf (1594-1632), 1611-1632 König von Schweden; vgl.u. a. Michael Roberts, Gustavus
  Adolphus. A History of Sweden 1611-1632, Bd. 1-2, London/New York/Toronto 1953-1958; Ulrich
  Bracher, Gustav Adolf von Schweden. Eine historische Biographie, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz
  1971; Günter Barudio, Gustav Adolf - der Große. Eine politische Biographie, Frankfurt 1982; Liv­
  rustkammaren (Hrsg.), Gustav II Adolf - 350 är efter Lützen, Stockholm 1982.
9 Die Überlieferung, Gustaf II. Adolf habe sich mehrere Wochen in Aschaffenburg aufgehalten und im
  Schloß gewohnt, ist eine maßlose Übertreibung des historischen Sachverhaltes: Der Schweden­
  könig kam am 23. November 1631 nach Aschaffenburg, das am Vortag von der schwedischen
  Vorhut eingenommen worden war, und zog am 24. November nach Seligenstadt, wo er noch am

                                                                                                 213
nur einen Fehler hätte, nämlich daß es nicht nach Schweden versetzt
       werden könne. Es gehört dem Kurfürsten von Mainz10 , der gewöhnlich
       einmal jährlich hierhin kommt."
Den vorgeschlagenen Ausflug nach Aschaffenburg machte Björnstähl mit
seiner Begleitung am 1. Mai 11. Diese Tagestour führte über Oettingen nach
Aschaffenburg, von dort nach Seligenstadt, Wasserlos 12 und wieder zurück
nach Hanau. Über den Aschaffenburg-Aufenthalt schrieb Björnstähl in sein
Tagebuch 13:
     ,,Wir setzten unseren Weg weiter fort zum Schloß und zur Stadt Aschaf­
     fenburg, 5-6 Meilen von Hanau 14. Hier hatte sich der schwedische_ Held
   gleichen Tag eintraf; bei seinem zweiten und zugleich letzten Besuch in Aschaffenburg blieb Gustaf
   11. Adolf ebenfalls nur eine Nacht, denn er kam am 16. März 1632 auf der Aschaffenburg gegenüber­
   liegenden Mainseite an, inspizierte dort seine Truppen und zog am nächsten Tag weiter in Richtung
   Lohr; vgl. Generalstaben, Sveriges krig 1611-1632, Bd. 5: Frän Breitenfeld till Lech, Stockholm
   1938, S. 88; Erik Zeeh u. Nils Be/frage (Hrsg.), Dagbok förd i det svenska fältkansliet 25 maj 1630-6
   november 1632 (Journal de Gustave Adolphe) (Historiska handlingar, Tl. 30, Nr. 3), Stockholm
   1940, s. 33 u. 38.
10 Erzbischof und Kurfürst von Mainz (seit 1763) war damals noch (er starb am 11. Juni 1774) der 1707

   geborene Emmerich Joseph Frhr. von Breidbach-Bürresheim; vgl. Anton Philipp Brück, Emmerich
   Joseph Frhr. v. Breidbach-Bürresheim, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959,
   s. 482-483.
11 Vgl. Björnstähl, Resa (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 159-162; ders., Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 245-249.

12 Vgl. dazu Hans-Bernd Spies, Ein Schwede zu Besuch beim Schloßherrn von Wasserlos im Jahre

   1774: Jacob Jonas Björnstähl, in: Unser Kahlgrund. Heimatjahrbuch für den ehemaligen Landkreis
   Alzenau 33 (1988), S. 63-66.
,a Björnstäh/, Resa (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 159 f.: ,,Vi fortsalte vär väg vidare til Sloltet och Staden
   Aschaffenburg, 5 a 6 mil ifrän Hanau. Här hade Svenske Hjelten Gustaf Adolph uppehällit sig nägon
   tid. Staden är ej stor; men ligger väl til. Sloltet är tämligen vackert, bygt i fyrkant, omgifvet av en Löp­
   -graf; och har man ifrän delta Slolt en ganska täck och vidsträckt utsigt: sä at det ej var underligt, at
   Kon. Gustaf Adolph tyckte sä mycket om at uppehälla sig här; och man säger, at det var delta Slolt,
   om hvilket Konungen y1trade sig, at det blolt hade et fel, nämligen at ej kunna fly1tas til Sverige;
   ehuru andre mena, at Konungen fält denna utlätelse om Sloltet i München. Förenämnde Slolt var
   nyss upbygdt, dä Kon. Gustaf Adolph var här: ty det bygdes 1626 af Churf. Johannes Svicardus von
   Cronberg: det är gjordt af huggen röd Qvader-sten. Vi sägo Källrarne, hvilka äro sä store, at man
   beqvämligen skulle där kunna anställa en Carrossel, och Sloltsmurarne äro ganska tjocke. Vi gingo
   sedan up och besägo rumen, som bebos af Churfursten i Mayntz, dä han plär komma hit Sommar­
   -tiden. Hogre up i Sloltet är den sä kallade Chur-Furstarnes Sa/, i hvilken ses alle Mayntziske Chur­
   furstarnes Portraiter ifrän är 13**, dä Staden Aschaffenburg kom under Mayntz, intil närvarande tid.
   Den nu regenande Churfurstens är det sidsta; och är nu endast rum för et Portrait til öfrigt. 1 pla­
   fonden af denna Sal äro prägtiga bas-reliefs af förgyldt bly; men äro öfverstrukne med gips: det
   skedde i 30-ära-kriget för at dölja blyet för de Svenske. - lfrän Sloltet gingo vi at bese Jesuiternes
   Kyrka, och Bibliotheket, som tilförne tilhört denna Orden, men nu tilfallit det Gymnasium Illustre, och
   den lägre Skolan, som här blifvit inrältade. Sä har man öfveralt härstädes employerat Jesuiternes
   egendomar. - lfrä.n denne ort passerade vi Mayn-strömen öfver den stora Sten-bron vid Aschaffen­
   burg, och ankommo til Staden Seligenstadt". Zeitgenössische deutsche Übersetzung: Björnstäh/,
   Briefe (wie Anm. 2), Bd. 5, S. 245 ff. - Zu Björnstähls Tagebuch vgl. Groskurd (wie Anm. 5).
14 Eine geografische Meile entspricht 7,4204385 km, die verschiedenen Post- und Landmeilen wichen
   davon mehr oder weniger ab; vgl. Fritz Verdenhalven, Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem
   deutschen Sprachgebiet, Neustadt an der Aisch 1968, S. 36 u. 40. - Da Björnstähl die Entfernung

214
Gustaf Adolf einige Zeit aufgehalten1 s. Die Stadt ist nicht groß, aber rei­
       zend gelegen. Das Schloß ist recht schön, im Viereck angelegt, von
       einem Laufgraben umgeben; und man hat von diesem Schloß eine ganz
       hübsche und weite Aussicht: Daher ist es nicht verwunderlich, daß es
       König Gustaf Adolf gefiel, sich hier aufzuhalten; und man erzählt, daß es
       dieses Schloß war, über das sich der König äußerte, es hätte nur einen
       Fehler, nämlich daß es nicht nach Schweden versetzt werden könne 1 6;
       andere meinen jedoch, der König habe diese Äußerung über das Schloß
       in München getan 17 . Das vorgenannte Schloß war neu erbaut, als König
       Gustaf Adolf hier war, denn es wurde 1626 von Kurfürst Johann Schwei­
       kard von Kronberg errichtet18; es ist aus gehauenen roten Quader­
       steinen erbaut. Wir sahen die Keller, die so groß sind, daß man dort

   sicher vor Fahrtantritt in Hanau erfahren hatte, beruht diese Angabe kaum auf einer viel zu hoch
   gegriffenen Schätzung des Orientalisten in schwedischen Meilen; eine solche entsprach seit 1649
   10,689 km; vgl. Sam Owen Jansson, Mil (Sverige), in: Kulturhistorisk leksikon for nordisk middel­
   alder fra vikingetid til reformationstid, Bd. 11, K0benhavn 21981, Sp. 627.
15 Dazu vgl. Anm. 9.
1s Ein aus der Zeit Gustaf Adolfs stammender Beleg für diese bereits Jahrzehnte vor Björnstähl nach­
   weisbare Überlieferung ist nicht bekannt; zur Überlieferung vor Björnstähl vgl. Johann Hübner, Voll­
   ständige Geographie, Tl. 3: Von Böhmen, Oesterreich, Bayern, Francken, Schwaben, Ober-Rhein,
   Nieder-Rhein, Westphalen, Nieder-Sachsen und Ober-Sachsen, Hamburg 1731, S. 432: ,,Es ist
   eines von den schönsten Schlößern im Römischen Reiche, auf welchem viel Chur-Fürsten Belieben
   getragen haben zu residiren. Der König in Schweden, Gustavus Adolphus, ließ seine Generals
   rathen, was dieses Schloß vor einen Haupt-Mange) hätte? und sagte zuletzt, es fehlte nichts daran,
   als zwey grosse Waltzen, darauf man es über die Ost-See nach Schweden schieben könte." Diese
   Bemerkung der Erstauflage dieses mehrfach aufgelegten Werkes von Johann Hübner d. J. (gest.
   1758 - zu diesem vgl. Johann Christoph Adelung, Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian Gott­
   lieb Jöchers allgemeinem Gelehrten-Lexico, worin die Schriftsteller aller Stände nach ihren vor­
   nehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden, Bd. 2, Leipzig 1787, Sp. 2178 -
   erschien, wenngleich in teilweise veränderter Rechtschreibung, auch in späteren Ausgaben, z. B.
   Hamburg 51745, S. 455, und Hamburg 81756, S. 494.
17 Hinsichtlich der von Björnstähl überlieferten Behauptung, Gustaf II. Adolf hätte die Residenz in Mün­

   chen ebenfalls gerne mit nach Schweden genommen, vgl. Georg von Sutner, München während
   des dreyßigjährigen Krieges. Eine Rede an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Sr. Churfürstl.
   Durchlaucht etc. etc. Carl Theodor in einer öffentlichen Versammlung auf dem Churfl. Bibliotheks­
   saale abgegeben, München 1796, S. 29. Laut Auskunft des Stadtarchivs München an das Stadt­
   und Stiftsarchiv Aschaffenburg vom 22. Oktober 1986 handelt es sich bei der Veröffentlichung Sut­
   ners um den ältesten dort bekannten Beleg für diese Angelegenheit; über Sutner hinaus läßt „sich
   dieser Überlieferungsstrang nicht zurückverfolgen".
18 Die Jahresangabe 1626 ist falsch, denn Schloß Johannisburg wurde 1605-1618 (eingeweiht am

   17. Februar 1614) unter Johann Schweikard von Kronberg (1553-1626), 1604-1626 Kurfürst und
   Erzbischof von Mainz, von dem Baumeister Georg Ridinger (1568-1617) errichtet; vgl. dazu zusam­
   menfassend mit weiteren Literaturangaben Hans-Bernd Spies, Schloß Johannisburg in Aschaffen­
   burg und Schloß Skokloster am Mälarsee in Schweden (Beihefte zum Aschaffenburger Jahrbuch,
   Heft 3), Aschaffenburg 1986, S. 10 ff.; zu Ridinger vgl. ders., Ergänzendes zur Biografie des
   Aschaffenburger Schloßbaumeisters Georg Ridinger, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stifts­
   archiv Aschaffenburg, Bd. 2, Heft 3 (März 1988), S. 81-89; ders., Georg Ridinger und seine Familie,
   in: ebd., Bd. 2, Heft 4 (September 1988), S. 121-132.

                                                                                                  215
bequem ein Karussell19 veranstalten könnte; und die Schloßmauern sind
       sehr dick. Anschließend gingen wir nach · oben und besichtigten die
       Räumlichkeiten, die vom Kurfürsten von Mainz bewohnt werden20, wenn
       er zur Sommerszeit hierher zu kommen pflegt. Weiter oben im Schloß
       befindet sich der sogenannte Kurfürstensaa/21, in dem Porträts aller
       Mainzer Kurfürsten von 13**22 an, als die Stadt Aschaffenburg zu Mainz
       kam23, bis zur heutigen Zeit zu sehen sind. Das des jetzt regierenden
       Kurfürsten ist das letzte; und es ist nur noch für ein Porträt Platz übrig. An
       der Decke dieses Saales sind prächtige Basreliefe aus vergoldetem
       Blei24; sie sind mit Gips überzogen: Das geschah im Dreißigjährigen

19 Zur damaligen Bedeutung des Wortes vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Univer­
   sal-Lexikon, Bd. 5, Graz 1961 ( = Reprint der Ausgabe Halle/Leipzig 1733), Sp. 1148: ,,Carrousel,
   ein öffentliches Ritter-Spiel, welches zu Wagen selten, zu Pferde aber gemeiniglich angestellet wird.
   Man kleidet sich dabey nach Art der alten Ritter, und !heilet sich in verschiedene Nationen. Der
   Auszug geschiehet sehr prächtig, und wird öffters mit Triumph-Wagen und andern kostbaren
   Machinen und sinnreichen Erfindungen gezieret. In solchem Aufzug begiebt man sich nach einem
   freyen Platz, als ausgezierten Reit-Häusern, Renn-Bahnen, Schloß-Höfen, u. d. g. allwo man füg­
   lich das Ring-rennen, Lantzen-brechen und andere Ritterliche Uebungen anstellen mag."
20 Die kurfürstlichen Wohnräume befanden sich im ersten Stock, Björnstähl erwähnte also nicht das
   die Kapelle sowie die Wirtschafts- und Verwaltungsräume enthaltende Erdgeschoß; vgl. Otto
   Schu/ze-Kolbitz, Das Schloß zu Aschaffenburg (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 65),
   Straßburg 1905, S. 100 f.; Götz Czymmek, Das Aschaffenburger Schloß und Georg Ridinger. Ein
   Beitrag zur kurmainzischen Baukunst unter Kurfürst Johann Schweickhardt von Cronberg, Köln
   1978, S. 9 f. - Zum damaligen Kurfürsten vgl. Anm. 10.
21 Die Lokalisierung des Kurfürstensaales durch Björnstähl ist falsch, denn dieser fünfachsige Raum
   befand sich wie die kurfürstliche Wohnung im ersten Stock, und zwar im Mainflügel; vgl. Erich Bach­
   mann, Schloß Aschaffenburg und Pompejanum. Amtlicher Führer, München 2 1965, S. 13.
22 Es ist nicht klar, welches Jahr Björnstähl damit gemeint haben könnte - eventuell 1356, das Jahr, in
   dem die sogenannte Goldene Bulle, die Recht und Zeremoniell der deutschen Königswahl regelte,
   verkündet wurde; vgl. Herbert Grundmann, Wahlkönigtum, Territorialpolitik und Ostbewegung im
   13. und 14. Jahrhundert. 1198-1378 (Gebhardt - Handbuch der deutschen Geschichte. Neunte,
   neu bearbeitete Auflage, hrsg. v. Herbert Grundmann, Bd. 5), München 41979, S. 227-231. Unter
   dieser Voraussetzung müßte die Anzahl der Porträts, wenn wirklich von jedem Mainzer Kurfürsten
   seit dieser Zeit eins vorhanden war, 33 betragen haben; vgl. Wilhelm Diepenbach u. Gar/ Stenz, Die
   Mainzer Kurfürsten, Mainz 1935, S. 25-99.
23 Aschaffenburg gelangte nicht erst im 14. Jahrhundert, sondern spätestens 982 an das Erzstift

   Mainz; Beleg dafür ist ein vor dem 31. Oktober 982 zu datierender Eintrag im ältesten Aschaffen­
   burger Evangeliar; Druck mit ausführlicher Einleitung: Matthias Thiel, Urkundenbuch des Stifts St.
   Peter und Alexander zu Aschaffenburg, Bd. 1: 861-1325 (Veröffentlichungen des Geschichts- und
   Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 26), Aschaffenburg 1986, S. 65-69.
24 Bei der Beschreibung der Decke verwechselte Björnstähl die des Kurfürstensaales mit der des über
   diesem im zweiten Stock liegenden Kaisersaales; die Deckenreliefe des letzteren waren natürlich
   nicht aus Blei, sondern aus Stuck; vgl. Schulze-Kolbitz (wie Anm. 20), S. 101-106. Vgl. auch die
   Beschreibung bei Wilhelm Engel u. Max Hermann von Freeden, Eine Gelehrtenreise durch Main­
   franken 1660 (Mainfränkische Hefte, Heft 15), Würzburg 1952, S. 12 bzw. 47.

216
Krieg25, um das Blei vor den Schweden zu verstecken. - Wir verließen
       das Schloß, um die Kirche der Jesuiten26 und die Bibliothek, die früher
       diesem Orden gehörte, aber nun dem Gymnasium lllustre27 zugefallen
       ist, und die niedere Schule, die hier eingerichtet wurde, zu besichtigen2a.
       So hat man hier überall das Eigentum der Jesuiten verwendet. - Von
       dort überquerten wir den Main über die Steinbrücke3o bei Aschaffenburg
       und kamen in der Stadt Seligenstadt an".
Jacob Jonas Björnstähl ist der früheste bisher bekannte Reisende, der über
eine sich auf das Aschaffenburger Schloß beziehende angebliche Äußerung
des Schwedenkönigs Gustaf II. Adolf berichtet. Aus seiner Notiz geht zugleich
hervor, daß diese Geschichte den Gästen nicht erst in Aschaffenburg, sondern
bereits in Hanau erzählt wurde. Allerdings hatte die Bemerkung des Königs
schon Jahrzehnte vor Björnstähls Besuch Eingang in ein erfolgreiches Geo­
grafiebuch gefunden3 1. Die Behauptung, Gustaf Adolf hätte in ähnlichem
Sinne über die Münchener Residenz gesprochen, ist bei Björnstähl sogar erst­
mals belegt32.

2s Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kam Aschaffenburg am 22. November 1631 in
   schwedische Hand, die schwedische Besatzung wurde am 3. Oktober 1634 durch eine spanische
   abgelöst; vgl. Anton Philipp Brück, Aus der Schwedenzeit Aschaffenburgs 1631-1634, in: Aschaf­
   fenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957),
    s. 719-736.
26 Mit dem Bau der Jesuitenkirche war 1619 begonnen worden, 1621 wurde sie geweiht; vgl. Franz
   Spiringer, Das Aschaffenburger Gymnasium unter der Leitung des Jesuitenordens 1620-1773 (Zur
   Geschichte des Aschaffenburger höheren Unterrichtswesens, Tl. 1. Programm des Kgl. humanisti­
   schen Gymnasiums Aschaffenburg für das Schuljahr 1900/1901), Aschaffenburg 1901, S. 12 u. 15;
   Herbert Ger/, Die Jesuitenniederlassung in Aschaffenburg, in: Aschaffenburger Jahrbuch für
   Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), S. 661-684, dies S. 664.
21 Vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 11, Graz 1982 (= Re­
   print der Ausgabe Halle/Leipzig 1735), Sp. 1513: ,,Gymnasia illustria pflegen diejenigen Schulen
   genennet zu werden, welche, so zu sagen, das Mittel zwischen denen ordentlichen Schulen und
   denen Vniversitäten sind. Man bereitet daselbst die jungen Leute zur Academie zu, ließt ihnen Col­
   legia Philosophica".
2a Die Schule der Jesuiten hatte 1620 mit einer Klasse ihren Unterricht aufgenommen, nach ihrem
   Ausbau auf mehrere Klassen erhielt sie 1625 Rang und Titel eines Kollegs; bei der niederen Schule
   handelte es sich um die Unterstufe dieser Schule. Nachdem die gleichzeitig mit der Jesuitenkirche
   erbaute Schule abgerissen worden war, wurde 1726-1731 ein neues Kolleggebäude errichtet; vgl.
   Spiringer (wie Anm. 26), S. 12 f., 15 f. u. 37 ff.; Ger/ (wie Anm. 26), S. 664 u. 677 f.
29 Der Jesuitenorden war 1773 von päpstlicher Seite aus aufgehoben worden, Besitz und Schule
   gingen an den Landesherrn über; vgl. Spiringer (wie Anm. 26), S. 42-45; Ger/ (wie Anm 26), S. 682;
   zur Geschichte der Jesuiten vgl. Burkhart Schneider, Jesuiten, in: Lexikon für Theologie und Kirche,
   hrsg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, Bd. 5, Freiburg 21960, Sp. 912-920, zur Aufhebung Sp. 917 f.
30 Zur Geschichte der bereits im Mittelalter vorhandenen Mainbrücke vgl. Alois Grimm, Die alte Main­
   brücke zu Aschaffenburg, in: Spessart. Monatsschrift des Spessartbundes. Zeitschrift für Wandern,
   Heimatgeschichte und Naturwissen 1972, Juli- bis Oktoberheft, S. 6-8, 7-8, 6-12 bzw. 6-9.
a1 Vgl. Anm. 16.
32 Vgl. Anm. 17.

                                                                                                 217
Schloß Johannisburg verfehlte seine Wirkung auf Björnstähl nicht; vor allem
beeindruckte ihn, wenn man seine Bemerkungen über die geräumigen Keller
und die starken Mauern betrachtet, die wuchtige Masse des Baukörpers. In
seiner Innenbeschreibung überging der schwedische Gelehrte das Erdge­
schoß und erwähnte nach den Kellern sogleich kurz die kurfürstlichen Räume
im ersten Stock. Den dortigen Kurfürstensaal mit seinen Porträts zog er in der
Erinnerung mit dem darüber gelegenen Kaisersaal und dessen Deckenreliefe
versehentlich zu einem Raum zusammen und beschrieb diesen als Kur­
fürstensaal im zweiten Stock. Hinsichtlich des von ihm angegebenen Materials
(Blei) der Reliefe fiel Björnstähl offensichtlich auf eine bewußt falsche Angabe
herein. Auch dürfte der Kurfürstensaal für die erforderlichen 33 Porträts.wenn
wirklich alle Mainzer Kurfürsten seit 1356 abgebildet33, zu klein gewesen sein,
so daß man annehmen muß, daß die Anzahl der Gemälde geringer war; mithin
kann die Reihe der Kurfürstenporträts in diesem Saal nicht vollständig
gewesen sein.
Nach dem Schloß besichtigte Björnstähl mit seinen Begleitern in Aschaffen­
burg noch die Kirche, die schulischen Einrichtungen und die Bibliothek des im
Jahr zuvor aufgehobenen Jesuitenordens, bevor die Reise über die Main­
brücke weiter nach Seligenstadt ging.
Wenn man bedenkt, daß Björnstähl an einem Tag von Hanau aus nachein­
ander Aschaffenburg, Seligenstadt und Wasserlos besuchte und noch am
Abend nach Hanau zurückkehrte, dann ist es nicht verwunderlich, daß sich
seine Eindrücke etwas verwischten und er auch einige-historische Fakten -
z. 8. das Todesjahr des Kurfürsten Johann Schweikard (1626) als Baujahr des
Schlosses - unrichtig wiedergab. Obgleich seine Beschreibung des Inneren
des Schlosses Johannisburg nur knapp und nicht fehlerfrei ist, stellt sie doch
eine der wenigen Schilderungen vor dem im letzten Viertel des 18. Jahrhun­
derts beginnenden Innenumbau dar34.

33   Vgl. Anm. 22.
34   Zum Umbau: Schulze-Kolbitz (wie Anm. 20), S. 96 ff.; Beschreibungen des Schießinneren durch
     Besucher: ebd., S. 142, u. Engel/Freeden (wie Anm. 24), S. 12 f. bzw. 47 ff.

218
Eine Bemerkung Novalis' über Dalberg

                                   von Hans-Bernd Spies

Es ist immer wieder interessant, eine Persönlichkeit durch Aussagen von Zeit­
genossen unter einem bestimmten Gesichtspunkt skizziert zu sehen. Über
den letzten Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Carl Theodor Frhr. von Dal­
berg1, sind solche Äußerungen, die je nach dem Gesichtspunkt des Betrach­
ters positiv oder negativ ausfielen, in größerer Zahl überliefert2. Ganz all­
gemein läßt sich sagen, daß Dalbergs politisches Wirken von vielen Zeit­
genossen skeptisch bis negativ bewertet wurde; anders hingegen sieht es mit
dem Urteil über Dalberg als musisch-begabte und mit zahlreichen Künstlern
seiner Zeit befreundete Persönlichkeit aus3.
Ein Beispiel dafür ist eine Dalberg betreffende Bemerkung Friedrich Frhr. von
Hardenbergs, der sich als Dichter Novalis nannte4, in einem Brief aus Jena an

1 Carl Theodor Anton Maria Frhr. von Dalberg (1744-1817), 1772 (ernannt 1771)-1802 kurmainzischer
  Statthalter in Erfurt, ab 1787 Koadjutor von Mainz und Worms, ab 1788 auch von Konstanz,
  1800-1817 Bischof von Konstanz, 1802-1803 Kurfürst und Erzbischof von Mainz, 1803-1817 Erz­
  bischof von Regensburg, 1803-1806 Kurfürst und Reichserzkanzler, 1806-1813 Fürstprimas des
  Rheinbundes, 1810-1813 Großherzog von Frankfurt; zu diesem vgl. u. a. Karl Freiherr von Beaulieu­
  Marconnay, Karl von Dalberg und seine Zeit. Zur Biographie und Charakteristik des Fürsten Primas,
  Bd. 1-2, Weimar 1879; Antje Freyh, Karl Theodor von Dalberg. Ein Beitrag zum Verhältnis von politi­
  scher Theorie und Regierungspraxis in der Endphase des Aufgeklärten Absolutismus (Europäische
  Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 95), Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978; Klaus Rob, Karl Theodor von
  Dalberg (1744-1817). Eine politische Biographie für die Jahre 1744-1806 (Europäische Hochschul­
  schriften, Reihe 1, Bd. 231), Frankfurt/Bern/New York/Nancy 1984.
2 Vgl. als Beispiele die Äußerungen aus dem Weimarer Kreis bei Rob (wie Anm. 1), S. 108-112 u.
  115-119; zum Dalberg-Bild in der historischen Literatur ebd., S. 19-34; vgl. auch Günter Christ,
  Geistliche Fürsten des ausgehenden 18. Jahrhunderts im lichte der Wiener Diplomatie, in: Aschaf­
  fenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 8 (1984),
  S. 289-31o, dies S. 300-310.
3 Zu Dalbergs Beziehungen zu den Künstlern seiner Zeit vgl. Beaulieu-Marconnay (wie Anm. 1), Bd. 1,
  S. 39-62 u. 168-200; Rob (wie Anm. 1), S. 107-127.
4 Georg Friedrich Philipp Frhr. von Hardenberg (1772-1801 ), bedeutendster Vertreter der Jenaer Früh­

  romantik, studierte 1790-1794 in Jena, Leipzig und Wittenberg Rechtswissenschaften, wurde 1794
  Aktuar beim Kreisamt in Tennstedt und 1796 Akzessist an den Salinen in Weißenfels; 1797-1799
  studierte er an der Bergakademie in Freiberg, wurde 1799 Assessor in Weißenfels und Ende 1800
  zum dortigen Amtshauptmann ernannt, konnte diese Stelle aufgrund seiner tödlichen Krankheit nicht
  mehr übernehmen; zu diesem vgl. u. a. Hans-Joachim Mäh/, Georg Friedrich Philipp Frhr. von Har­
  denberg (Novalis), in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 7, Berlin 1966, S. 652-658; Gerhard Schulz,
  Novalis In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1969.

                                                                                                219
C. T. ,           "   i   .   v.   () �   (. 1\ E l C .
Carl Theodor Frhr. von Dalberg - Stich nach einem Gemälde von Friedrich Tischbein (1750-1812).

220
den Dichter und damaligen Geschichtsprofessor Friedrich Schiller5, bei dem er
historische Vorlesungen gehört hatte. In seinem Brief vom 22. September
1791 bedauerte Novalis6 zunächst, daß er diesmal nicht nach Erfurt kommen
könne, und fuhr dann fort:
      „Wie gern hätt' ich Sie nicht gesehn, wie gern an Ihrer Seite so glühend
      und froh [ ... ] die gelungensten Augenblicke der Kunst in der Vorstellung
      genossen und verschlungen; wie freute ich mich nicht zugleich auf die
      persönliche Bekanntschaft mit dem guten, seelenvollen Dalberg, der
      leider nur noch fast einzig unter den Fürsten Deutschlands steht, und
      den ich schon deswegen hochschätzen würde, wenn er sich nur für
      meinen lieben Schiller recht warm und innig interessirte: aber nun ist dis
      alles vereitelt, und ich muß mich resigniren; welches ich auch desto
      leichter kann, da mir wenigstens die Hoffnung nicht benommen ist doch
      Sie noch während dieser Ferien einmal zu sehn."
Dalberg, der Schiller am 4. Dezember 1789 persönlich kennengelernt hatte,
unterstützte den Dichter in lebenslanger Freundschaft sowohl ideell als auch
finanziell7 und setzte damit auf andere Art und Weise die Hilfe fort, die Schiller
durch Dalbergs Bruder Wolfgang Heribert8, den Intendanten des National­
theaters in Mannheim, erfahren hatte. Letzterer hatte 1782 in Mannheim Schil­
lers Drama „Die Räuber" uraufgeführt und ihn 1783/84 dort als Theaterdichter
beschäftigt.
Ob es später zu einer persönlichen Begegnung zwischen Dalberg und Novalis
kam, ist nicht bekannt.

5 Johann Christoph Friedrich (1802: von) Schiller besuchte 1773-1780 die Karlsschule auf Schloß Soli­
  tude bzw. Stuttgart (1775 dorthin verlegt), wo er zunächst Rechtswissenschaften und ab 1775
  Medizin studierte; anschließend war er Regimentsmedikus. 1782 Flucht, 1783-1784 Theaterdichter
  in Mannheim, 1788 zum Professor für Geschichte in Jena ernannt, wo er ab 1789 fünf Semester Vor­
  lesungen hielt, 1799 Übersiedlung nach Weimar; zu diesem Dichter der Deutschen Klassik vgl. u. a.
  Reinhard Buchwald, Schiller. Leben und Werk, Wiesbaden 1959.
6 Druck des Briefs: Novalis, Das dichterische Werk, Tagebücher und Briefe, hrsg. v. Richard Samuel
  (Novalis, Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs, hrsg. v. Hans-Joachim Mäh! u.
  Richard Samuel, Bd. 1), München 1978, S. 505-507, Zitat S. 505 f. Zur Beziehung zwischen Novalis
  und Schiller vgl. Buchwald (wie Anm. 5), S. 569-572, u. Schulz (wie Anm. 4), S. 28 f.
7 Zur Freundschaft zwischen Dalberg und Schiller vgl. Beaulieu-Marconnay (wie Anm. 1), Bd. 1,

  S. 171-190, u. Buchwald (wie Anm. 5), S. 670 f. u. 791 f.
8 Wolfgang Heribert Tobias Otto Maria Johann Nepomuk Frhr. von Dalberg (1750-1806) hatte Rechts­

  wissenschaften studiert und wurde 1776 pfälzischer Oberappellationsgerichtspräsident; 1778 grün­
  dete er in kurfürstlichem Auftrag das Nationaltheater in Mannheim, das er bis 1803 leitete; zu diesem
  vgl. Hans Knudsen, Wolfgang Heribert Tobias Otto Maria Johann Nepomuk Frhr. von Dalberg, in:
  Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S. 490-491; zu diesem und Schiller vgl. Buchwald
  (wie Anm. 5), S. 297-300, 338-341, 347 ff., 365-370 u. 372-378.

                                                                                                  221
,,Schutzpatron auf dem Katheder _- Lujo Brentano"

                                       von Martin Goes

Diese Überschrift wählte Gerhard Beier im 5. Teil des ersten Bandes seines
Buches „Schwarze Kunst und Klassenkampf, Geschichte der Industriege­
werkschaft Druck und Papier und ihrer Vorläufer seit dem Beginn der
modernen Arbeiterbewegung" 1.
Lujo Brentano (1844-1931), in Aschaffenburg geboren und im Familiengrab
beigesetzt, hatte sich 1871 mit seiner Aufsatzsammlung „Zur Geschichte der
englischen Gewerkvereine", dem ersten Band seiner „Arbeitergilden der
Gegenwart", bekannt gemacht und am 6. Juni in Berlin habilitiert2. Schon zum
Wintersemester 1872/73 wurde er, der „Kathedersozialist", nach Breslau
berufen, allein „sein Sozialismus war nicht mehr als eine sozialwissenschaft­
liche Theorie des Tarifvertragswesens"3.
Beim ersten Kampf der Buchdrucker um einen einheitlichen Reichstarif hatten
die Leipziger Druckereibesitzer, die „Prinzipale", am 1. Februar 1873 mit der
Aussperrung begonnen, nachdem fünf Tage vorher 350 „Gehilfen" - so
nannten sich damals die Setzer - gekündigt hatten. Und seit dem 7. März
ergab sich in Breslau dieselbe Lage.
Da wurde Brenatano vom Besitzer der „Schlesischen Zeitung" gebeten, sich
in Leipzig beim Präsidenten des Deutschen Buchdruckerverbandes um eine
möglichst schnelle Beilegung zu bemühen. Es ging auch darum, daß andere
Druckereibesitzer den Verband sprengen oder die Anerkennung hintertreiben
wollten, was Brentano bekämpfte.
Als beide Parteien miteinander verhandelten, machten die Prinzipale einen
Vorbehalt. Deshalb wollten am 28. März die Breslauer Setzer die Bedin-

1 Gerhard Beier, Schwarze Kunst und Klassenkampf, Bd. 1: Vom Geheimbund zum königlich-preußi­
  schen Gewerkverein (1830-1890) (Schwarze Kunst und Klassenkampf. Geschichte der Industriege­
  werkschaft Druck und Papier und ihrer Vorläufer seit dem Beginn der modernen Arbeiterbewegung,
  Bd. 1), Frankfurt am Main 1966, S. 497.
2 Vgl. Lujo Brentano, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands, Jena 1931,
  S. 63-67; zu Lujo Brentano vgl. außer seinen vorgenannten Memoiren Friedrich Zahn, Lujo (Ludwig
  Josef) Brentano, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, Berlin 1955, S. 596-597; Brigitte Schad, Lujo
  Brentanos Weg vom katholischen Elternhaus zum „Kathedersozialisten". Nachgezeichnet anhand
  gedruckter und ungedruckter Quellen im Aschaffenburger Nachlaß, in: dies. (Hrsg.), Die Aschaffen­
  burger Brentanos. Beiträge zur Geschichte der Familie aus unbekanntem Nachlaß-Material (Veröf­
  fentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 25), Aschaffenburg 1984,
  S. 126-141; Martin Goes, Die Familie des Lujo Brentano, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stifts­
  archiv Aschaffenburg, Bd. 2, Heft 3 (März 1988) S. 111-120.
3 Beier (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 441.

222
gungen nicht annehmen, obwohl Brentano ihnen dazu riet, wenn sie ebenfalls
einen Vorbehalt einbringen würden. So erreichte er ihre Zustimmung. Um den
Konflikt rascher zu beenden, wurde auf der Versammlung noch ein zweiter
Antrag gestellt, nämlich im Breslauer Alleingang zu verhandeln. Aber sie
hätten damit, wie ihnen Brentano sagte, den Verband gesprengt. Allerdings
setze er sich umgehend bei ihrem Präsidenten eindringlich und mit Erfolg
dafür ein, ,,j e d e n f a l l s mit Rücksicht auf die b e s o n d e r e n Breslauer Ver­
hältnisse den B r e s l a u e r Setzern zu gestatten, mit ihren Principalen über die
Wiederaufnahme der Arbeit in Unterhandlung zu treten". Nach drei weiteren
Tagen fand man in Breslau mit dieser Taktik den Arbeitsfrieden ohne Schaden
für den Verband4.
Die „Breslauer Zeitung" und die „Breslauer Morgenzeitung" hatten vereinbart,
gegen Brentano zu schreiben und ihn „der f r i v o l e n E i n m i s c h u n g(!!) in den
Setzerstreik und der Verlängerung(!!) desselben" zu beschuldigen5 , was
durch den ganzen Blätterwald ging und den preußischen Kultusminister Adal­
bert Falk (1827-1900) 6 veranlaßte, Brentanos Stellungnahme einzuholen. Der
erwiderte, er hätte sich nur nach den Ausführungen seines Buches verhalten,
und „es würde die Autorität des Universitätslehrers erschüttern, wenn er selbst
entgegen seiner Lehre handelte"7• Viele konnten damals nicht verstehen, daß
sich ein Universitätsprofessor für die Arbeiter im Arbeitskampf einsetzte. Aber
der Minister war so einsichtig anzuerkennen, daß Brentano nicht anders habe
handeln können.
Die Mitglieder des Deutschen Buchdruckerverbandes in Breslau8 erlaubten
sich am 25. April, Lujo Brentano „die ergebene Bitte vorzutragen, eine Depu­
tation Breslauer Buchdruckergehilfen Sonntag, den 27. d. M., Vormittags
11 Uhr[ ...] gütigst empfangen zu wollen". Dabei überreichten sie ihm folgende
in Rot und Gold gebundene, hier als Faksimile wiedergegebene Dankadres­
se9:

4 Zum Druckerstreik vgl. Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 88 f., u. ders., [Zuschrift]. in: Concordia.
  Zeitschrift für die Arbeiterfrage 1873, Nr. 16 (17. April), S. 126-127, Zitat ebd., S. 127.
s Brentano, [Zuschrift] (wie Anm. 4), S. 127.
6 Zu diesem vgl. Stephan Skalweit, Paul Ludwig Adalbert Falk, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 5,
  Berlin 1961,S. 6-7.
7 Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 89.

8 Der Deutsche Buchdruckerverband war am 20. Mai 1860 gegründet worden.
9 Zitat aus dem Schreiben des Ortsvereins der Breslauer Buchdrucker (Breslau, 25. April 1873) an
  Brentano. Dieses Schreiben und die gedruckte Dankadresse im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffen­
  burg, Familienarchiv Brentano.

                                                                                                223
ffocHWOHLGEBORNER ffERR-,

                  ffocHGEEHRTER ffERR rROFESSOR!

         Je   mehr in unseren 'l'agen clen wohl berechtigten Bestrebungen cles Arbeiterstandes von allen
Seiten feindlich entgegengetreten wird, theils !\US Unverstllnclniss für clie wahre Lßge der arbeitenden Klasse,
theils !\US Her,losigkeit oder dem schmutzigsten Eigennutz, um so hüher ist es anzuschlagen, wenn Männer
der Wissenschaft es nicht vcrschmllhcn, öffentlich Zeugniss zu gel,en filr die durch unsere socialen Ver­
hältnisse herbeigefllhrte Nothwencligkeit, Organisßtionen zu schaffen, welche es dem Arbeiter cnnöglichen,
die Bessergestaltung seiner geiotigen und materiellen Verhllltni•se ins Auge zu fassen.
         Sie , hochgeehrter Herr Professor, haben - und dessen werden sich die ßreslauer lluchclrucker
stets dankbar erinnern - in dem zu unser Aller grösstem Bedau rn 1msgebrochenen Streite mit unseren
Principalen ein offeneg, mllnnliches Wort zu unsern· Gunsten geredet.
         Dass Sie, hochgeehrter Herr, so und nicht anders redeten , war das Product Ihrer Forschungen,
Ihrer Wissenschaft auf volkswirthschaftlichem Gebiete.    Dadurch erhltlt lh,r Wort um so g1·össere Bedeutung
und nm so unbegreiflicher, und doch wieder um so leichter begreitticb ist es, wenn von gewisser Seite
dieses Ihr freimüthiges Auftreten zum GegenstanJe der gehllssigsten Anfeindungen gemacht wird, ja, dass
man sich unterfing, Ihre werthe Pe"'on in einem der hiesi;:-en Illlltter mit der lltngercn Dauer der von
unserer Seite nicht hervorgerufenen Arbeits- Einstellung in Verbindung zu bringen.
         Die Unterzeichneten glauben, indem sie ein demrtiges Gebuhren auf das Lebhafteste bedauern,
dem gegenüber nur ihre Pflicht zu thun, wenn sie 1rnsdrUcklich constatiren, dass gemde Sie, hochgeehrter
Herr Professor, es waren , welcher durch seine, nur rlus Interesse beider streitenden Parteien im Auge
habenden füithschläge d1\s beschlennigte Ende der ZerwUrfnisse zwischen den hiesigen Buehdruckerei-Hesitzern
und den Gehilfen herbeifllhrte.
         Genehmigen Sie daher, hochgeehrter Herr Professor, die Versicherung unserer grGssten Da11kuarkeit
und Hochachtung, mit der wir zeiclmen als

         Bre•lau, 18. April 1873.

                                  Die Mitglieder des Deutschen Buchdrucker-Verbandes
                                                               zu Breslau.

Als Brentano neun Jahre später Breslau verließ, dankten sie ihm ebenso ehr­
furchtsvoll und herzlich; auch gratulierten sie ihm noch zu seinem 80. und
85. Geburtstag. Er selbst schrieb am Ende seines Lebens 10 : ,,Ich bin stolz auf
diese Treue!"

10 Brentano, Leben (wie Anm. 2), S. 89; ebd. Gratulation zum 80. Geburtstag erwähnt, Gratulation
   zum 85. Geburtstag im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Familienarchiv Brentano.

224
Die Eingemeindung Sehweinheims
                      oder das Ende der Selbständigkeit

                                    von Carsten Pollnick

Sehweinheim, ursprünglich „hagen", später „hayn", ,,heyn" oder latinisiert
„indago", wird seit dem 13. Jahrhundert in einigen Urkunden erwähnt, der
heutige Name jedoch erst im 15. oder 16. Jahrhundert1. Meist �ind es Belege
über hinterlassene Besitzungen oder Grundstücksverkäufe, die von dem ehe­
mals nur aus einzelnen Mühlen oder Höfen bestehenden Ort berichten2. Eine
genaue Beschreibung der Gemarkungsgrenzen wird im „Schweinheimer
Weisthumb" von 1624 gegeben3.
Für das Jahr 1660 läßt sich in Sehweinheim eine Kapelle nachweisen, vermut­
lich dem hl. Wendelin geweiht; sie stand dort, wo sich die heutige Pfarrkirche
befindet4. Nachdem 1756 der Chor abgebrochen und an seiner Stelle ein
Querhaus mit neuem Chor erbaut (bereits 1751 war eine Kaplanei gestiftet
worden), die Langhausfenster vergrößert und ein Seitenportal eingesetzt
worden waren, erhielt der St. Alban geweihte Bau ein völlig neues Aussehens.
Die Erhebung zur Pfarrkirche erfolgte 1821, abgebrochen wurde sie 1894, um
einem Neubau Platz zu machen; ein Jahr darauf fand die Konsekration statts.
Der Friedhof ist ebenso alt wie die Kapelle. Nach ihrer Vergrößerung wurde er
auf den Haidberg verlegt, wo er sich noch gegenwärtig befindet; dort soll einst
das Stammschloß der Herren von Hagen gewesen sein. Ein Torbogen dieses
Schlößchens bildete bis 1833 das Portal des Friedhofes, trug das Wappen des
Mainzer Erzbischofs Daniel Brendel vom Homburg mit der Jahreszahl 1579;
bis in die jüngste Vergangenheit wurde der Gottesacker immer wieder erwei­
tert?.
Ein geregelter Schulunterricht war früher in Sehweinheim unbekannt; begü­
terte und bildungsbeflissene Bürger schickten ihre Kinder in die Aschaffen-

1 Vgl. Johann Georg Sehweinfest, Das Pfarrdorf Sehweinheim und seine Filialen Haibach, Grünmors­
  bach und Gailbach, Aschaffenburg 1912, S. 8 f.; Michael Göbel, Sehweinheim - Ein Heimatbuch,
  Aschaffenburg 1930, S. 28 f.
2 Vgl. Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 20-23; vgl. auch Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Reperto-
  rium des Stiftsarchivs (Register).
3 Druck: Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 26-30.
4 Vgl. ebd., S. 39.

5 Vgl. Adolf Feulner/Bernhard Hermann Röttger, Bezirksamt Aschaffenburg (Die Kunstdenkmäler von

  Bayern, Bd. 3: Regierungsbezirk Unterfranken, Heft 24), München 1927, S. 133.
e Vgl. ebd.
7 Vgl. Sehweinfest (wie Anm. 1), S. 79-82.

                                                                                               225
burger Pfarrschule zu Unserer Lieben Frau. Erste Nachrichten über eine Filial­
schule, über einen eigenen Schulmeister, lassen sich für das 17. Jahrhundert
belegen, aber erst im 18. Jahrhundert wird von einem Schulzimmer im ersten
Stock des alten Rathauses berichtet8. Weitere Räume kamen während und
nach der Dalberg-Zeit hinzu. Von einem einigermaßen organisierten Schul­
betrieb kann ab 1838 gesprochen werden, als die Gemeinde ein zweistök­
kiges Gebäude erwarb, das 1878 erweitert wurde; der erste Schulbau stammt
aus dem Jahre 19049.
Der wirtschaftliche Stellenwert Sehweinheims erhöhte sich erst gegen Ende
des 19., vor allem aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vorher prägte die
Feldwirtschaft den Ort, waren seine Bewohner meist Bauern oder Arbeiter mit
landwirtschaftlichem Nebenerwerb. Noch um die Jahrhundertwende galt
Sehweinheim mit seinen „2500 Köpfen auf 1616 ha" als das größte Dorf im
Spessart 10. Eine umfangreiche Siedlungsfläche begünstigte den kontinuier­
lichen Zuwachs der Bevölkerung. Im Jahre 1926 hatte Sehweinheim schon
3652 Einwohner, dazu eine Poststation mit Posthilfsstelle und öffentlicher
Fernsprechzelle, Industriebetriebe wie eine Brauerei (Schwindbräu), eine Cel­
luloidfabrik (Petri), eine Hadernsortieranstalt; neben etlichen Gewerbeunter­
nehmen waren auch schon zwei praktizierende Ärzte ansässig. Zur Gemar­
kung gehörten ferner die Almhütte, die Aumühle sowie die Eiterhöfe; Unter­
schweinheim wird zu diesem Zeitpunkt noch gesondert aufgeführt11. Zehn
Jahre später war die Einwohnerzahl bereits auf 4702 angestiegen; einige
Industrien waren verschwunden, Unterschweinheim integriert12.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 hatte Aschaf­
fenburg in seiner Entwicklung ein Ausmaß erreicht, das möglichst rasch nach
einer zweckgebundenen Lösung verlangte. Nicht nur Wohnungen, sondern
auch verkehrstechnisch günstig gelegene Plätze für Industriebetriebe wurden
benötigt, zumal die städtebauliche Ausdehnung am Main naturbedingt
begrenzt war. Was lag also näher, als mit einer Eingemeindung von Schwein­
heim die gesamte bauliche Gestaltung planmäßiger und geschlossener zu
beschleunigen, denn neben dem wertvollen Siedlungsland stellte auch der
Waldbesitz der Gemeinde eine nicht unbedeutende Kapitalanlage dar; eine
Mitgift also, die durch ihren ausgeglichenen Haushalt der Stadt Aschaffenburg

s Vgl. ebd., S. 73.
e Vgl. ebd., S. 78.
10 Hellmuth Wo/ff, Der Spessart. Sein Wirtschaftsleben, Aschaffenburg 1905, S. 17.
11 Adreßbuch 1926 für die Bezirksämter Aschaffenburg-Land, Alzenau und Obernburg mit einem Fir­
   menverzeichnis der Stadt Aschaffenburg, Aschaffenburg 1926, S. 77.
12 Adreßbuch 1936 für die Bezirksämter Aschaffenburg-Land, Alzenau und Obernburg, Aschaffenburg
   1936, s. 101.

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