Alter Tiergarten - Klevischer Verein
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Experten-Tagung mit Bürgern und Behördenvertretern 14. September 2018 – Stadthalle Kleve Alter Tiergarten Klevisches Arkadien 17. Jahrhundert Von der Schwanenburg zum Papenberg Lustgarten – Sternbusch – Alter Park – Galleien Berg und Tal – Moritzgrab Klevischer Verein für Kultur und Geschichte e.V. – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering 4 1
Experten-Tagung mit Bürgern und Behördenvertretern 14. September 2018 – Stadthalle Kleve Alter Tiergarten Klevisches Arkadien 17. Jahrhundert Von der Schwanenburg zum Papenberg Lustgarten – Sternbusch – Alter Park – Galleien Berg und Tal – Moritzgrab Klevischer Verein für Kultur und Geschichte e.V. – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering 2 1
Experten-Tagung Seite Inhalt mit interessierten Bürgern 4 Vorwort Ulrich Francken und Behördenvertretern 5 Begrüßung und Moderation Hermann von Ameln zum Thema: 7 Grußwort Joachim Schmidt „Alter Tiergarten: 8 Grußwort Rainer Hoymann Klevisches Arkadien – Vorträge im Europäischen 10 Points de vue, Sichtachsen, Alleen – Die Landschaftsgestaltung des Statthalters Kulturerbejahr 2018“ Johann Moritz von Nassau-Siegen aus stadthistorischer Perspektive – Bert Thissen 27 Gartenkultur als Europareise – Prof. Dr. Stefan Schweizer – Vorgetragen von Prof. Dr. habil. Jens Gebauer – Bericht Werner van Ackeren 29 Die Bedeutung der Klever Parkanlagen in der Geschichte der europäischen Gartenkunst – Dr. Kerstin Walter 34 Entwicklungen im Historischen Park Alter Tiergarten ab 2003 – Gerlinde Semrau-Lensing und Thomas Velten 43 Das Parkpflegewerk „Alter Tiergarten“ – Ein Leitfaden für die zukünftige Entwicklung – Achim Röthig 57 Umgang mit archäologischem Kulturerbe in den Niederlanden Entwicklung der Denkmalpflege vom 19. bis ins 21. Jahrhundert – ir. Luuk J. Keunen 63 Exkursion durch den Alten Tiergarten – Ludger Baumann, Achim Röthig – Landschaftsarchitekt, Gerlinde Semrau-Lensing, Werner van Ackeren, Karl-Dieter Haas und Horst Terfehr – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein für Kultur und Geschichte e.V. 68 „Danke“! sagt der Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering 70 Autorenverzeichis 71 Buchvorstellung 72 Impressum 2 3
Vorwort Ulrich Francken – Euregio Rhein-Waal dieser Chance nur gratulieren. Eine zeitnahe, Förderung des Projektes durch die Euregio engagierte und authentische Umsetzung Rhein-Waal scheint es gelungen, einen Sehr verehrte Leserinnen und Leser, schap, der Stadt Kleve, der Karl-und-Maria- empfohlener Ratschläge für den Alten Tier- Grundstein für ein solches ambitioniertes liebe Freunde der Gartenkunst, Kisters-Stiftung und des Klevischen Vereins garten böte die Gelegenheit, die Wertschät- Vorhaben gelegt zu haben. Grenz als Vorsitzender der Euregio Rhein-Waal sichergestellt. Der Alte Tiergarten mit den zung der Gartenanlagen für alle Bürger und überschreitend in allen Belangen und als Teil ist mir das Engagement des Arbeitskreises Galleien wurde ausgewählt. Für die fachlich Besucher sichtbarer werden zu lassen. Er einer „Oranierroute“ von Den Haag über Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein fundierten Recherchen und Erhebungen zum wäre ein weiterer Anziehungspunkt in Kleve Kleve bis Berlin und weiter … für Kultur und Geschichte zu Erhalt und Parkpflegewerk 2015 konnte der Land- für die niederländischen Nachbarn, die Wiederherstellung des historischen Parks schaftsarchitekt Achim Röthig gewonnen wieder von „ihrem südholländischen Arka- Ulrich Francken, „Alter Tiergarten“ als ein wichtiges Anliegen werden. dien schwärmen“ könnten. U.a. mit der Vorsitzender Euregio Rhein-Waal für Kleve und überdies seit vielen Jahren Beim Alten Tiergarten handelt es sich um bekannt. Dass der Antrag auf vorläufige die im 17. Jh. entstandene Gartenkunst des Unterschutzstellung 2008 ein Zeichen setzte, Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen, war gut und folgerichtig! der Statthalter der Residenzstadt Kleve war. Moderation Hermann von Ameln, Honorarkonsul Die „Europäische Gartenkunst in Kleve“ – Die hier angewandte Landschaftsarchitektur der Niederlande a.D. – Schirmherr des Alten Tiergartens 70 Jahre nach den letzten Kriegsereignissen – im einzigartig gestalteten natürlichen Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schmidt, Ihnen vor dem Imbiss berichten und am – zu erhalten und zeitnah sicher zu stellen, Gelände – ist im deutschen Raum am sehr geehrte Damen und Herren, Nachmittag die einzelnen Gruppen der scheint mir der einzig richtige Weg zu sein. stärksten geprägt durch niederländische Exkursion begleiten. ich heiße Sie alle herzlich willkommen zur Anlässlich einer Führung des Arbeitskreises Einflüsse und Gestaltungsformen. Damals heutigen Tagung Klevisches Arkadien – Alter Die heutige Tagung wäre nicht möglich durch den ehemaligen Klever Lustgarten, war es eine Region ohne Grenzen, die Tiergarten. Ich freue mich mit den Veranstal- geworden ohne die ideelle und materielle (Garten des Königs) dem heutigen Moritz- Grenzen kamen und trennten erst später. tern, dass der heutige Tag eine so gute Unterstützung durch den Landschaftsver- park mit den historischen Abbildungen in Das europäische Kulturerbejahr 2018 Resonanz gefunden hat. Nicht zuletzt auch band Rheinland. Frau Dr. Kerstin Walter wird klassisch-niederländischem Barock, habe verdeutlicht das Zusammenwirken von Zeit dank der schönen Berichterstattung durch zu Ihnen sprechen, sie ist wissenschaftliche ich diese für Kleve und seine in der Außen- und Raum, von Ideen, Plänen, Handwerk, die Medien, hierfür vielen Dank! Nur einige Referentin für die Inventarisation von Gar- wirkung bedeutende Gartenkunst noch Kunst, Lebensart, Erfahrungen und mehr – Anwesende kann ich im Zeitlimit besonders tendenkmälern. Unser Referent Dr. Jan Smit klarer erkennen können. Ein Alleinstellungs- auch und gerade im heutigen euregionalen willkommen heißen. Zunächst begrüße ich musste krankheitsbedingt für heute leider merkmal für Kleve von hohem/bedeutendem Raum. Die Freundschaft des brandenburgi- den stellvertretenden Bürgermeister der absagen. Von hier aus wünschen wir ihm Rang, wie ich meine. schen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zu Stadt Kleve, Herrn Joachim Schmidt. Ich gute Besserung. Für ihn übernimmt der In diesem Sinne und im Interesse der Johann Moritz von Nassau, seinem Statt danke Ihnen dafür, Herr Schmidt, dass Sie Leiter des Klever Stadtarchivs, Herr drs. Bert Niederrhein-Charta hat die Euregio Rhein- halter, war für Kleve ein Glücksfall! gleich im Anschluss ein Grußwort zu uns Thissen, das Thema Sichtachsen. Beide Waal gerne zugestimmt, die Herausstellung Heute sind die historischen Klever Park- sprechen werden. Ebenfalls anwesend ist Herren arbeiten seit Jahren vertrauensvoll dieser einzigartigen Gartenbaukunst, die anlagen zur Visitenkarte und zum Allein Herr Bürgermeister Peter Driessen unserer zusammen. Anschließend verliest Prof. Dr. grenzüberschreitend bekannt und wahr- stellungsmerkmal für Kleve und seine Nachbargemeinde Bedburg-Hau, auf deren Jens Gebauer, Vizepräsident für Forschung nehmbar ist, zu fördern. Kern des Projektes Umgebung geworden. Sie sind ein Gewinn für Boden sich der östliche Teil des Alten Tier- und Entwicklung der Hochschule Rhein- war es, ein Parkpflegewerk zu erstellen und unseren gesamten grenzüberschreitenden gartens erstreckt. Waal, einen Vortrag von Prof. Dr. Stefan zu dokumentieren. Landschafts- und Kulturraum, mit Wirkung Danach wird Herr Rainer Hoymann, frisch Schweizer. 2012 gestartet, wurde die Finanzierung in die Niederlande und in weitere euro gewählter Vorsitzender des Klevischen Ver- Nach dem Imbiss wird Herr Landschafts- des Projektes im Rahmen des INTERREG päische Länder. eins, einige Worte an Sie richten. Teil des architekt Achim Röthig das Parkpflegewerk IV-Programms Deutschland-Niederlande Es wäre zu wünschen, dass mit der Erstel- Klevischen Vereins ist der heute einladende „Alter Tiergarten“ vorstellen. Parkpflege- mit Mitteln des Europäischen Fonds für lung und Umsetzung des Parkpflegewerkes Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering unter werk nennt man ein Fachgutachten, welches Regionale Entwicklung und mit Co-Finanzie- die Gartenkunst noch erfahrbarer und erleb- Führung der sehr engagierten Frau Gerlinde die Historie dokumentiert, den über ein rung der Verenigung Nederlands Culturland- barer wird. Der Stadt Kleve kann man zu Semrau-Lensing. Der Arbeitskreis wird gesamtes Jahr beobachteten Ist-Zustand 4 5
beschreibt und Empfehlungen gibt für Pflege, Lösungen: grob vereinfacht Nahrungsmittel sehr hohem Maße engagiert, weit über den Gruß an den anwesenden Bürgermeister von Schutz und Weiterentwicklung. Das in 2015 anbau für die lokale Bevölkerung und für den beruflich üblichen Umfang hinaus. Er wurde Weeze, Ulrich Francken, der im Ehrenamt erstellte Parkpflegewerk wurde von Herrn Export. Hierfür und für Ihre Anwesenheit bei seinen Aufgaben kräftig unterstützt von Vorsitzender der Euregio Rhein-Waal ist, mit Röthig am 6. September 2017 im Klever Aus- einen besonderen Applaus! Mitgliedern des Arbeitskreises Kermis- deren Fördermitteln das Parkpflegewerk schuss für Kultur und Stadtgestaltung vorge- Frau Dr. Kerstin Walter ist als ausgebil- dahl-Wetering. Dank an alle Ehrenamtlichen realisiert werden konnte. Herr Francken ist stellt. Der nächste Schritt wäre jetzt eine dete Gärtnerin und Kunsthistorikerin seit des Arbeitskreises Kermisdahl-Wetering im aktuell von König Willem Alexander der Nie- Stellungnahme des Fachbereichs Planen 2005 beim LVR-Amt für Denkmalpflege im Saal. Dank auch an alle übrigen Zuhörer für derlande für sein hohes ehrenamtliches und Bauen der Stadt Kleve zu den im Park- Rheinland beschäftigt. Als wissenschaftliche die vielfältigen von ihnen ausgeübten ehren- Engagement in den Orden der Ritter von pflegewerk aufgeführten Empfehlungen. In Referentin ist sie innerhalb der Abteilung amtlichen Tätigkeiten, die für unser Zusam- Oranje-Nassau aufgenommen worden. Kleve wird seit Jahren im Bereich Planen und Inventarisation für die Erfassung und denk- menleben von sehr großer Wichtigkeit sind. Bauen sehr viel bewegt, überall entstanden malrechtliche Bewertung historischer Grün- und entstehen Neubauten. anlagen zuständig. Für den Alten Tiergarten Der Arbeitskreis ist in Sorge, dass die hat sie das Gutachten verfasst, welches für Grußwort Joachim Schmidt knappe Personaldecke und drängende Bau- die Anerkennung als Denkmal erforderlich vorhaben die Prioritäten zu Lasten des Alten ist. Frau Dr. Walter, wir freuen uns auf Ihren Liebe Frau Semrau-Lensing, lieber Herr Wir würden nicht über die Zahl verkaufsoffe- Tiergartens verschieben. Der Stadtrat kann Vortrag: Die Bedeutung der Klever Park Hoymann, meine sehr verehrten Damen und ner Sonntage streiten, sondern Kultur oder erst über die Maßnahmen des Parkpflege- anlagen in der Geschichte der Europäischen Herren, speziell unsere Gartenkunst als wesent werks entscheiden, wenn die Stellungnahme Gartenkunst. Das Parkpflegewerk, um das es ich heiße Sie alle in unserer Stadt Kleve lichen Wirtschaftsfaktor begreifen. Wirt- des Fachbereichs vorliegt. Bitte unterstützen heute geht, ist sehr umfangreich (vorgezeigt), herzlich willkommen. Besonders begrüße schaftlicher Gewinn z. B. durch Kulturtouris- Sie uns dabei, dass das Parkpflegewerk bei gut lesbar, aber eher für Fachleute geschrie- ich diejenigen, die weite Wege auf sich mus. der Stadt eine hohe Priorität bekommt und ben. Daraus entwickelt ist diese Broschüre genommen haben, um heute an einem für Nun, meine sehr verehrten Damen und behält. Um Verfall und Fehlentwicklungen Klevisches Arkadien (vorgezeigt), geschrie- die Stadt bedeutenden kulturhistorischen, Herren, träumen darf ich mir wohl erlauben, des Alten Tiergartens und seiner Elemente ben von Herrn Wilhelm Diedenhofen, den ich aber auch zukunftsgewandten Thema mitzu- doch bin ich auch Realist. Und zur realisti- entgegenzutreten, braucht es beschlossene hiermit herzlich begrüße. Die Broschüre arbeiten. schen Einschätzung gehört, dass Politik und Maßnahmen. Mein Gruß auch an Frau Raadts, kann nach dem folgenden Beitrag, von dem Verwaltung unserer Stadt sich des kulturel- Meine Damen und Herren, der alte Tier- die früher bei der Stadt Kleve tätig war und Sie vieles in der Broschüre wiederfinden len Erbes durchaus bewusst sind. Doch wird garten steht bei der Bürgerschaft nicht im heute extra aus Münster zu uns angereist ist, werden, gegen eine geringe Schutzgebühr dieses Thema allzu oft von den Notwendig- gleichen Maße im Fokus wie der Forstgarten weil sie das Thema unverändert interessiert. käuflich erworben werden. Der Arbeitskreis keiten der Tagespolitik verdrängt. Die Priori- oder das Ensemble rund ums Amphitheater. Herr Prof. Dr. Stefan Schweizer, wissen- Kermisdahl-Wetering kümmert sich seit tätenliste verändert sich immer wieder. Und Das ist schade und der kulturhistorischen schaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss vielen Jahren um den Alten Tiergarten und das zum Missfallen derer, die ihre Projekte Bedeutung sicherlich nicht angemessen. und Park Benrath, hätte seinen Vortrag wird uns jetzt die Entwicklungen ab 2003 vor- mit Herzblut und nachvollziehbarer Unge- Und ich befürchte, der alte Tiergarten könnte Gartenkultur als Europareise gerne selbst in stellen. duld verfolgen. Dazu sei nicht zu vergessen, in Vergessenheit geraten, wenn es nicht Kleve gehalten, die Termine passten leider Wir kommen jetzt zum Höhepunkt Park- Initiativen wie diese am heutigen Tag gäbe. dass Kultur nicht alles ist. Wobei ich mich nicht zusammen. Umso schöner, dass Sie, pflegewerk „Alter Tiergarten“. Parkpflege- korrigieren muss, denn ohne Kultur ist Prinz Moritz von Nassau-Siegen hat uns verehrter Herr Prof. Dr. Gebauer, Ihre Reise- werke werden normalerweise von der bekanntermaßen alles nichts. ein reiches, aber auch schwieriges Erbe hin- pläne geändert haben um heute bei uns zu öffentlichen Hand in Auftrag gegeben, es ist Meine Damen und Herren, somit sind wir terlassen. Wie anders wäre es, stünde der sein und den Vortrag zu verlesen. Sie sind hier eine Besonderheit, dass der Arbeitskreis auf Veranstaltungen wie heute angewiesen, Alte Tiergarten in seiner vollendeten Form privat im Arbeitskreis aktiv, ich möchte aber Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein damit neue Denkanstöße und neue Sichtwei- und wäre von Generation zu Generation auch Ihre berufliche und wissenschaftliche den Auftrag erteilte mit Fördermitteln der sen gegeben werden. weitergegeben worden. Ich bin mir sicher: Leistung nicht unerwähnt lassen. Zum Euregio Rhein-Waal, übrigens mit finanzieller wir wären ein Anziehungspunkt für Garten- Ich wünsche Ihnen eine hohe Resonanz, Thema Afrika wird fast immer nur über Beteiligung der Stadt Kleve. Herr Achim freunde aus aller Welt. Wir würden weniger die nachhaltig wirken möge. Setzen Sie Probleme geredet, Sie sind äußerst aktiv mit Röthig hat sich für das Parkpflegewerk in darüber diskutieren, was Kultur kosten darf. Impulse. Wenn der große Wurf nicht gelingt, 6 7
machen Sie die kleinen Schritte, die – das Bleiben Sie bitte der alten Herzogstadt, aber Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen! Doch es bleibt noch viel zu tun und es geht gebe ich zu – mühsam sein können. Mühsam auch dem modernen Kleve gewogen. Was man nicht nützt, ist eine schwere Last. nur gemeinsam. Gemeinsam mit der Stadt vor allem für die Protagonisten, deren bisheri Vor gut 150 Jahren gründeten Bürger der Kleve, dem Forst, der Gemeinde Bed- gen Erfolge gerne auch größere Anerkennung Joachim Schmidt, stellvertretender Stadt eine Organisation, aus dem der heutige burg-Hau, dem Kreis Kleve. Gemeinsam mit verdient hätten. Ich wünsche gutes Gelingen. Bürgermeister der Stadt Kleve Klevische Verein für Kultur und Geschichte / den Klever Bürgern. Seit September 2015 Freunde der Schwanenburg e. V. entstanden liegt nunmehr das Parkpflegewerk „Alter ist. Sie taten dies aus Liebe zur Heimat und Tiergarten / Galleien Kleve“ von Achim Röthig vor. Zusammen mit dem Parkpflegewerk Grußwort Rainer Hoymann aus Verantwortung für die nachfolgenden „Neuer Tiergarten Kleve / Kernbereich“ von Generationen. Auch heute noch fühlen wir Vor 400 Jahren begann der 30-jährige In Kleve erzählt man sich, wie entrüstet uns diesen Aufgaben verpflichtet und wir Elke Lorenz von Dezember 2016 haben wir Krieg. Auch der Freiheitskampf der Nieder- der alte Fürst Johann Moritz von Nassau war, liegen damit voll im Trend! einen Handlungsrahmen, der weite Teile der lande spielt sich phasenweise auf dem Gebiet als ihm einst die folgende, von einer gewöhn- historischen Gartenanlagen unserer Stadt Unser Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering, des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg ab und lichen Gesinnung zeugende Inschrift an der erfasst. Nach Eröffnung der Hochschule der sich unter der Führung von Frau Gerlinde tobte von 1559 bis 1648 – über 80 Jahre lang! Gartentür eines gewissen Lamers zu Gesicht erlebte unsere Stadt einen Bauboom sonder- Semrau-Lensing seit fast 15 Jahren um die Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit zog sich kam: „Als de boom is groot, so is de pooter gleichen. Jetzt gilt es das kulturelle und historischen Gartenanlagen mit Schwer- von 1609 bis 1666 hin. Nach den Kriegen ist dood.“ (Ist der Baum groß, ist der Pflanzer gärtnerische Erbe dieser Stadt wach zu punkt „Alter Park / Galleien“ kümmert, hat das Klever Land eine der meist verwüsteten tot.) Johann Moritz soll den Mann zu sich küssen! Das Motto muss lauten: „Bouwen, vieles erreicht: Wege freigelegt und neue Gegenden Deutschland. gebeten haben, um ihn persönlich von der grawen, planten laet uw niet verdrieten, soo geschaffen, den Kermisdahl entschlammt, Verkehrtheit dieses Spruches zu überzeu- sult gy en die naar uw komen het genieten.“ Denkmäler wachgeküsst, Beschilderungen Drei Generationen kannten gen, so dass dieser die Worte änderte in: Ich wünsche uns einen lehrreichen Tag, so angebracht, Aussichten frei gelegt – ein nur Elend und Not! „Bouwen, grawen, planten laet uw niet ver- dass wir mit neuer Kraft die vielen Aufgaben Parkpflegewerk für den Alten Park erstellt … 1647 beginnt die Statthalterschaft von drieten, soo sult gy en die naar uw komen het anpacken können, die noch vor uns liegen. Die Bürger und Gäste, viele davon aus den Johann Moritz von Nassau in Kleve und er genieten.“ (Bauen, graben, pflanzen, lasst‘s benachbarten Niederlanden, genießen und Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! verwandelt das verwüstete Kleve in eine Euch nicht verdriessen, denn die nach Euch nutzen den wiedergewonnenen Erholungs- Rainer Hoymann, Gartenstadt von europäischer Bedeutung. kommen, werden‘s noch genießen.) raum. Vorsitzender des Klevischen Vereins Gab es damals nichts Wichtigeres zu tun? Wieder leben wir in einer Übergangszeit: Gärten statt Ackerland? Denkmäler statt Klimawandel, Zuwanderung, Demografische Wiederaufbau zerstörter Gebäude? Doch die Entwicklung, Digitalisierung, Währungs- Maßnahmen wirkten wie eine gute Medizin. krise, Nationalismus – es gibt angesichts Mit der Verwandlung der Landschaft keimte dieser Brüche eine neue Sehnsucht nach bei den Menschen die Hoffnung auf ein „Heimat“, nach Beständigkeit und Unver- besseres, friedvolles, sorgenfreies Leben. wechselbarkeit. Schönheit als Medizin. Leben bedrohendes Kriegsgerät als Baumaterial für Kunstwerke. Was macht unsere Stadt unverwechsel bar; macht unsere Stadt zur „Heimat“? Ein Geniestreich sondergleichen! Es ist die Schwanenburg und es ist die Natürlich stieß dieses Wirken auf Unver- schöne, grüne Lage Kleves auf einem Hügel ständnis, so wie es heute nur wenigen Zeit- mitten in der Niederung. WikiTravel schreibt: genossen vergönnt ist, in den ersten kleinen „Die Parkanlagen im Stadtgebiet stellen eine Schritten eines Projekts den Weg und das sehenswerte Attraktion dar.“ Es ist das Erbe Ziel zu erkennen. Eine kleine Anekdote ver- von Johann Moritz von Nassau, das es zu deutlicht dies: erhalten gilt. Was du ererbt von deinen 8 9
Points de vue, Sichtachsen, Alleen – Die Landschaftsgestaltung des Statthalters Johann Moritz von Nassau-Siegen in Kleve aus stadthistorischer Perspektive Bert Thissen heit ein vorzügliches Bild von der Genese, der Struktur, der Ausdehnung und der äuße- 1.Einleitung ren Gestalt sowie auch des Sinngehalts Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604 dieser Anlagen.1 Das soll hier nicht resümiert – 1679), der ab 1647 bis zu seinem Tode kur- werden. Vielmehr möchte ich versuchen, die brandenburgischer Statthalter in Kleve war, Bedeutung der Anlagen dieses Statthalters hat das hiesige Stadtbild bekanntlich nach- aus stadthistorischer Perspektive zu betrach haltig geprägt. Das landesherrliche Schloss, ten. Dabei geht es nicht so sehr um die Frage das sich bis dahin als ein Ensemble von Ele- nach deren Bedeutung für die ästhetische menten aus Mittelalter (der eigentlichen Qualität des Stadtbildes oder um die ihrer Schwanenburg) und Renaissance präsen- wirtschaftlichen Bedeutung, sondern viel- tierte, erhielt während seiner Statthalter- mehr um eine Bestimmung ihres Verhältnis- schaft sein barockes Antlitz. Mag man hierbei ses zu der Stadt als öffentlich-rechtlichem noch fragen, inwieweit Johann Moritz per- Gebilde und dessen räumlichem Gefüge. Das sönlich der Initiator und Regisseur gewesen soll konkretisiert werden anhand der zu ist, so gilt dies nicht für den Stadtpalast, den diesen Anlagen gehörenden Alleen, Sicht er für sich an markanter Stelle über dem achsen und points de vue. Abb. 1. Johann Heinrich Merner, Karte der klevischen Feldmark, 1760, nach einer Vorlage von Franz von Senhem, Juni 1650. Kermisdahl errichten ließ: den im Zweiten Stadtarchiv Kleve Weltkrieg mitsamt des dazugehörigen Prinz- 2. Der Klever Stadtraum vor der Statthalterschaft von Johann Moritz Johann Moritz. Man findet zwar an einigen Moritz-Parks zerstörten Prinzenhof. Auch Stellen Spuren dieser Maßnahmen, dabei die Anlage der Nassauerstraße, die vom Im Stadtarchiv Kleve liegt eine Karte der handelt es sich aber wohl um Nachträge, die Kleinen Markt am Prinzenhof vorbei zum Stadt Kleve und ihrer Umgebung vor, die im entweder vom Kopisten im 18. Jahrhundert Nassauer Tor führte und diesen Palast Jahr 1760 im Auftrag des städtischen Magis- hinzugefügt worden sind oder die er bereits sowohl mit dem Zentrum der Stadt als auch trats von Johann Heinrich Merner gezeichnet als Aktualisierungen in seiner Vorlage vorge- mit deren südlichen Vorfeld verband, war worden ist [Abb. 1]. Es handelt sich um eine funden hat. weitestgehend sein persönliches Projekt. Kopie einer älteren, verlorenen Karte des Darüber hinaus umgab dieser Statthalter, Landmessers Frans von Senhem, die im Juni Es lassen sich im kartierten Gebiet ver- der als Graf nach Kleve gekommen war und 1650 erstellt worden war. Eine lithographi- schiedene konzentrische Kreise unterschei- 1652 in den Fürstenstand erhoben wurde, die sche Reproduktion ist 1879 der Stadtge- den. Im Kern sieht man die ummauerte Stadt Stadt mit großen Parkanlagen: den Alten schichte von Robert Scholten beigefügt [Abb. 2]. Klar erkennbar sind hier u.a. die Tiergarten im Südosten und den Neuen Tier- worden.2 Die Karte, die Südorientierung hat Burg, die Stiftskirche und das Minoritenklos- garten im Nordwesten. Diese Anlagen sind (d.h.: der Norden ist unten), bietet eine Dar- ter sowie die Stadtmauer mit den Stadttoren. bereits mehrfach untersucht und beschrie- stellung der Grenzen sowohl der Klever Feld- Jenseits des Kermisdahls sind einige Gärten ben worden. Ich verweise an dieser Stelle auf mark als auch des landesherrlichen Amtes angedeutet, darunter der kurz vor 1550 von Abb. 2. Die ummauerte Stadt Kleve und ihre Stadtfreiheit in die vielen größeren und kleineren Veröffentli- Kleve im Bereich der Stadt. Dabei zeigt sie Herzog Wilhelm angelegte quadratische der Karte von Senhem bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1 chungen von Wilhelm Diedenhofen zu diesem noch den Zustand Kleves vor Anfang der „Nije Garten“, der später Neuer Wall hieß.3 Themenkomplex. Sie bieten in ihrer Gesamt- landschaftsgestalterischen Maßnahmen von Vor dem Hagschen Tor befindet sich ein 10 11
Teich, der „Hagsche Poel“, und etwas weiter Das hier umrissene Gebiet, einschließlich Gebiet, das die Karte zeigt, von Amtmännern seiner eigenen Forstverwaltung diesem Amt auswärts, im Bereich der Linde, eine Häu- des Opschlags am Spoykanal und einer Zone des Landesherrn verwaltet. an, nördlich (jenseits des Kermisdahls und sergruppe, die in der Legende als „Der Stadt mit Gemüsegärten vor der westlichen und Ein weiterer Kreis betrifft die Feldmark Spoykanals) befand sich das landesherrliche Cleve suburbium“, also als Vorstadt von südlichen Stadtmauer, bildete damals die [Abb. 3]. Diese umfasste ein Gebiet, das sich Amt Kleverhamm.9 Kleve, bezeichnet wird. Hierzu zählt das sogenannte Stadtfreiheit von Kleve. In vom Kermisdahl bis zu einem markanten Die Karte von Senhem zeigt also ein Gebiet Melatenhaus, das Johann Moritz später seinem historischen Kern war dieses Gebiet Baum auf der Triftstraße, „Den Dicke Muen- mit einer ziemlich feingliedrigen und kom- abreißen lassen sollte.4 In Richtung Kermis- durch die Stadtrechtsverleihung im Jahr nick“ (Dicker Mönch), und von dort in Rich- plexen Verwaltungsstruktur. Weiter kann dahl liegt ein „Wyegert“ (Weingarten). Dieser 1242 aus dem ländlichen Raum eximiert und tung Materborn und Stadtberg erstreckte. man feststellen, dass die Karte kaum erah- lässt sich bereits ab dem 14. Jahrhundert als der direkten Verwaltung des Magistrats Die vorstädtische Burgsiedlung Kleve hatte nen lässt, dass es sich bei Kleve um eine Besitzung des Landesherrn nachweisen.5 unterstellt worden. Ansonsten wurde das einen eher ländlichen Charakter gehabt und landesherrliche Residenz handelte. nach 1242 spielte die Landwirtschaft auch in Lediglich die Burg mit der Stiftskirche, der der Stadt noch lange Zeit eine bedeutende „Wyegert“ und der „Nije Garden“ sind als Rolle. Viele Bürger verfügten über Ackerland Spuren dieser Residenz-Qualität im Karten- vor den Stadttoren und bis in das 17. Jahr- bild zu bezeichnen. hundert hinein gab es in der Stadt so viele Kühe, dass diese beim Weidegang in mehre- 3. Die Maßnahmen zur Landschafts ren Herden gehütet werden mussten.6 Die gestaltung von Johann Moritz Klever Feldmark war das intensiv genutzte Die Nachträge in der Kopie der Karte aus eigene ländliche Umfeld der Stadt. Dieses ist dem 18. Jahrhundert bieten bereits einen im Hochmittelalter von Kleve aus gerodet ersten Eindruck davon, wie Johann Moritz worden. Abgesehen von Ackerland befanden mit seinen Maßnahmen in diese Situation sich hier auch Straßen, die als Triftwege für hineingewirkt hat [Abb. 4]. Wenn wir uns den das Vieh in Richtung Reichswald genutzt Bereich des Alten Parks genauer anschauen, wurden und die selbst als Gemeindebesitz sehen wir, dass hier im Bereich der Galleien der Stadt galten, wie die heutige Hoffmann- die alte Siedlung Nedenooj mit einigen Höfen bzw. Materborner Allee und natürlich die vermerkt ist. Dazu schrieb der vormalige Triftstraße, die ihren Namen von der Viehtrift, Klever Stadtarchivar Dr. Friedrich Gorissen die hier betrieben wurde, herleitet.7 1954: „Man muss den Architekten des Mau- Die Klever Feldmark grenzte im Süden an rits v. Nassau böse sein, daß sie keine Karte einen Gerichtsbezirk, der Hau, Reesputt und hinterlassen haben, die uns zeigen würde, Materborn umfasste. Diese Ortschaften wie die Nedenooj ausgesehen hat vor der waren als eigene Rodungssiedlungen im großen Umgestaltung des Freudentales um Kirchspiel Kleve entstanden und gehörten das Jahr 1650.“10 Auch unsere Karte bietet ebenso wie die Klever Feldmark zum landes- herrlichen Amt Kleve. Dazu zählten ferner Donsbrüggen und (auf der Karte kaum sicht- bar) Rindern. Außerdem war der Klever Stadtberg, den die Stadt 1370 vom Grafen Adolf (1368-1391) geschenkt bekommen hatte und der ihr sozusagen privatrechtlich gehörte,8 ein Bestandteil des Amtes Kleve. Abb. 4. Der Bereich des Alten Parks in der Karte von Senhem Abb. 3. Die Stadt Kleve und ihr Umfeld, mit der klevischen Feldmark und die gemeinsamen Besitzungen und Rechte der Bürger. Südlich schloss sich der Reichswald mit bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1 Friedrich Gorissen, Städteatlas Kleve, Kleve 1952, S. 58 12 13
keine genaue Darstellung der alten Situation. Wohl ist hier als Aktualisierung die Ergän- zung „jetzo Domainen“, die sich auf die Galleien bezieht, hinzugefügt worden. Jenseits der Wetering liest man den Namen „Freudenberg“. Das war der ansonsten erst- mals im Jahr 1651 erwähnte neue Name des Ruisbergs, den Johann Moritz mitsamt dem Abb. 5. Der Bereich des Neuen Tiergartens in der Karte von Senhem bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1 darauf befindlichen Hof kürzlich erworben hatte. Auf ein weiteres, damit zusammen- von Gent“ sichtbar und weiter in Richtung hängendes Projekt von Johann Moritz ver- Donsbrüggen Besitz des Klosters Gnaden weist die Angabe: „olim Spielenbergh, jetzo thal, das übrigens bereits 1603 von den Meijerhoff“.11 Augustiner Chorherren verlassen worden Es ist übrigens bemerkenswert, dass in war. In diesem Bereich liest man als Aktuali- dieser Karte auf der Südseite der Stadt öst- sierungen „anjetzo Thiergarten“ und „anjetzo lich des Hagschen Tors ein zweites Feldtor in zum Kgl. Thiergarten gehörig“.13 Form einer breiten doppeltürmigen Anlage Aus all dem ergibt sich zweierlei. Auf der mit Spitzdächern dargestellt ist. An dieser Ebene des öffentlichen Rechts hat Johann Stelle stand 1650, als Frans von Senhem die Moritz sich über alte Grenzen hinweggesetzt Abb. 6. Die Stadt Kleve und die Parkanlagen in ihrem Umfeld. Karte von Michael Buyx, 1829. Niederrheinisches Museum für Volkskunde, Kevelaer Karte zeichnete, noch ein mittelalterlicher und Maßnahmen ergriffen, die den Rahmen Stadtturm, der Buerensturm, der im Herbst der Stadt bzw. Stadtfreiheit sprengten. Er zeichnen sich hier die Dimensionen ab. Ich der Bürgergemeinde und waren vorwiegend 1651 einstürzen sollte. Bald darauf wurde wirkte bis in die Feldmark und in das sons- nenne als Eckpunkte zum einen den Stern- landwirtschaftlich geprägt. Die Schaffung hier das Nassauer Tor errichtet. Möglicher- tige landesherrliche Amt Kleve hinein und busch mit Freudenberg und den Anlagen in der Residenzlandschaft stand einer Trans- weise benutzte man dazu verbliebene Teile nahm im Bereich des Alten Parks ein Projekt Berg und Tal im Südosten und zum anderen formation solcher alten Verbindungen gleich, des Vorgängerbaus, denn auf den vorhande- in Angriff, das sogar über die Amtsgrenze den Neuen Tiergarten mit Tiergartenwald, wie sich gerade auch anhand der Sichtach- nen Abbildungen, deren älteste den Zustand hinweg bis in das Amt Kleverhamm hinein- Wasserburg und Schloss Gnadenthal, für das sen, Alleen und points de vue zeigen lässt. im Winter 1653/54 zeigt, sieht man einen ragte. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass Johann Moritz zumindest Pläne hatte, im Einzelturm, durch den das eigentliche Tor Johann Moritz bei seinen Projekten auf der Nordosten. Der Charakter Kleves als fürstli- 4. Sichtachsen, Alleen und hindurchführte. Diesem Turmbau ähnelt das Ebene des Privatrechts mit einer Vielzahl an che Residenz zeigt sich hier im Kartenbild points de vue in der Karte dargestellte Tor in keiner Weise. Besitzern konfrontiert wurde. Wir wissen, sehr nachdrücklich und in einem Bereich, Point de vue bedeutet im Französischen: Da wir kein weiteres Stadttor in diesem dass er deren Besitzungen manchmal recht- der weit über die Stadtgrenzen hinausreicht. Punkt, von dem aus man schaut, also Aus- Bereich kennen, muss man wohl schließen, mäßig durch Kauf oder Tausch erworben hat, Johann Moritz hat also zu Kleve eine neue sichtpunkt.17 In der architektonischen Fach- dass die Karte eine nachträglich eingefügte aber dass er auch andere Methoden nicht räumliche Struktur geschaffen. Diese kann sprache ist ein point de vue dagegen ein und nicht realistische Darstellung des Nas- scheute.14 man als Residenzlandschaft bezeichnen.16 Blickpunkt, auf dem man schaut, ein Blick- sauer Tors bietet.12 Wenn wir jetzt zum Vergleich die Karte der Funktional gehörte diese zur Stadt, die ihr fang in einer Straßen- oder Gartenachse.18 Schauen wir uns jetzt den Bereich des Stadt Kleve und ihrer Parkanlagen des Herzstück bildete, aber viele Elemente dieser Points de vue in diesem Sinne hat Friedrich Neuen Tiergartens an [Abb. 5]. Hier ist die Geometers Michael Buyx von 1829 heranzie- Struktur lagen außerhalb der Stadtgrenzen. Gorissen bereits für das Mittelalter ausge- alte Landschaft mit den bisherigen Besitzern hen, bekommen wir einen Eindruck vom Im Bereich der Feldmark und darüber hinaus macht, zum Beispiel Kirchtürme, die als dargestellt worden. Im Bereich des Amphi Gesamtumfang der Maßnahmen zur Land- hatte es zuvor auch bereits Stadt-Land-Ver- Orientierungspunkt für Rodungen dienten.19 theaters sieht man neben dem Waayenberg schaftsgestaltung von Johann Moritz15 [Abb. bindungen gegeben, aber diese basierten Man darf auch den vorhin erwähnten Baum den „Spring“ als kleinen Strom. Es ist auch 6]. Zwar kann man nicht alle dort sichtbaren vielfach auf Privatbesitz von Bürgern oder „Dicker Muennick“, der als Orientierungs- noch der „Gentzhoff“ mit Besitz der „Junfer Anlagen ihm zuschreiben, aber immerhin auf Kommunalbesitz und gemeinsame Rechte punkt für die Bestimmung der Südgrenze der 14 15
Feldmark Kleve diente, als point de vue das volle Nutzungsrecht an diesem Besitz, ab. Die primäre Bedeutung von Allee ist wohl betrachten.20 Sowohl für die points de vue als Unterpfand für eine Schuld von 50.000 Gehweg. In der berühmten französischen wie für die Sichtachsen gilt, dass man sie in Reichstalern wegen Kostbarkeiten, die er ‚Encyclopédie‘ von Diderot und d‘Alembert manchen Fällen bereits in der Landschaft dem Kurfürsten geliefert hatte. Die Güter findet man unter ‚Allée‘ lediglich die Angabe: vorfand, sei es als naturgegebene Objekte, sollten dem Kurfürsten aber wohl zur Verfü- term d‘architecture, d.h. architektonischer wie z.B. auffällige Bäume oder Felsen, sei es gung stehen, wenn er in Kleve residierte. Begriff.25 Daneben gibt es dort aber einen von Menschenhand geschaffen, wie z.B. die Vierzehn Jahre später, 1666, galt die Schuld viel ausführlicheren Artikel ‚Allées de jardin‘ bereits genannten Kirchtürme. Man konnte des Kurfürsten als beglichen und damit (Alleen in Gartenanlagen). Hier werden zahl- aber auch selbst neue schaffen. Bei Johann erlosch im Prinzip das Nutzungsrecht von reiche Varianten beschrieben: die einfache Moritz lassen sich verschiedene Varianten Abb. 7. Die Columna von Johann Moritz von Nassau-Siegen Johann Moritz. Bald zeigte sich jedoch, dass Allee mit zwei und die doppelte mit vier feststellen. Im Falle der Nassauer Allee auf dem aufgeworfenen Hügel Kiek-in-de-Pot. Ausschnitt aus der Unterhalt des Neuen Tiergartens, den Baumreihen, grüne, zugedeckte und offene dem Einblattdruck Ducatus Clivensis mit Stadtansichten von diente der Dachreiter der Klever Stiftskirche Johann Moritz auf eigene Kosten angelegt Alleen, hoch- und tiefgelegene Alleen, Alleen Henrick Feltmann, 1660-1663. Stadtmuseum, Köln als point de vue, in anderen Fällen orientier- und dann 1662 dem Kurfürsten geschenkt in Hanglage, die perspektivische Allee und ten Anlagen sich an Hügelspitzen. Diese Anblicken, für seinen Herrn in Besitz.21 Erbli- hatte, die kurfürstliche Amtskasse überfor- die Wasserallee. wurden mehrfach künstlich erhöht, wie z.B. cken stand hier also fast Beherrschen gleich. derte. Deshalb wurde am 26. August 1667 ein Wichtig ist hier die generelle Verbindung die Spitze des Sternbergs. Am bemerkens- Zweifellos hat dieser Gedanke auch bei den Vertrag geschlossen, mit dem Johann Moritz von Allee und Garten. Denn dem Garten wertesten sind die neu geschaffenen points Sichtachsen von Johann Moritz eine Rolle sich zur Pflege dieser Anlage verpflichtete. wurde bereits im Mittelalter vielfach eine de vue, wie etwa das Trophäendenkmal gespielt, zumal dieser zumindest im Falle Dafür erhielt er das Nutzungsrecht sowohl große symbolische oder allegorische Bedeu- Cupido am Ende der Nassauer Allee oder die der Columna, die er auf dem künstlich aufge- des Neuen Tiergartens wie des Alten Parks tung beigemessen. Von seiner Grundbedeu- Mars-Statue am Amphitheater. worfenen Hügel ‚Kiek in de Pot‘ errichten (Freudenberg und Freudenthal)23. Man sieht: tung her war es ein umzäunter, eingefriede- Es stellt sich die Frage, was Johann Moritz ließ, einen point de vue installierte, der u.a. eine sehr wechselvolle und nicht ganz ein- ter Ort.26 Von daher galt er auch als sicherer mit seinen Sichtachsen und points de vue wegen des Monogramms JM an sich schon deutige Geschichte, wobei Johann Moritz Ort, Ort des Friedens. Außerdem lautet ein bezweckte. Natürlich spielten hier ein erhoff- als Herrschaftszeichen zu betrachten war22 faktisch die meiste Zeit über die Güter verfü- Kernsatz im eben zitierten Artikel der ‚Ency- ter Überraschungseffekt und ästhetischer [Abb. 7]. Insofern die points de vue nicht gen konnte. Insofern er zumindest das Nut- clopédie‘ (übersetzt): „Die Alleen eines Gar- Genuss eine Rolle. Aber es ist noch ein wei- wirklich im eigenen Herrschaftsbereich zungsrecht hatte, konnte er wohl auch seine tens sind wie die Straßen einer Stadt; es sind terer Aspekt zu beachten. Ich bringe zur lagen, ordneten sie diesen zumindest geo- eigenen Herrschaftszeichen einsetzen. Die gerade und parallele Wege, eingesäumt von Erläuterung eine Begebenheit aus dem graphisch ein. Position des Statthalters glich dann der des Bäumen, von Sträuchern, von Rasen usw. Anfangsjahr des klevischen Erbfolgestreits Doch spätestens an dieser Stelle muss Lehnsmanns in einem feudalen Verhältnis, (…).“27 Unausgesprochen werden hier die (1609) in Erinnerung. Damals ergriff Stephan gefragt werden, um wessen Anlagen es sich der die Lehnsgüter mit seinem eigenen wohlgeordneten Alleen eines Gartens und von Hertefeld zum Kolk als Bevollmächtigter hier handelte: Gehörten sie dem Statthalter Wappen versehen durfte. Johann Moritz ist die Straßen einer Stadt gemeinsam den offe- des Kurfürsten von Brandenburg, Johann oder dessen Herrn, dem Kurfürsten Fried- hier auch nicht als einfacher Privatmann zu nen und auch nicht geraden Landstraßen Sigismund, Besitz des Klever Landes. Nach- rich Wilhelm von Brandenburg (1640-1688)? betrachten: Er war ein Fürst, der sich als gegenübergestellt. Somit kann man feststel- dem er am 4. April u.a. durch Anschlagen des Wie komplex die Beantwortung dieser Frage solcher präsentierte. len: Die Anlage von Alleen verschaffte der brandenburgischen Wappens an einigen ist, möchte ich am Beispiel des Alten Parks Wenden wir uns den Alleen zu. Der Landschaft den Charakter eines wohlgeord- Toren symbolisch Besitz von der Klever Burg zeigen. In diesem Bereich hat Johann Moritz Kunst-Brockhaus definiert sie als: „2 oder neten und friedlichen Gartens. und von der Stadt Kleve ergriffen hatte, ritt er bereits 1650 den späteren Freudenberg mit mehr parallel verlaufende Baumreihen an mit Notar und Zeugen zum Kermisdahl, dem Meyerhof und weiteren Besitz erwor- Straßen und Wegen“24. Das ist eine oft über- 5. Kleve und Den Haag zeigte von einer hohen Stelle über dem Hang ben. Im darauffolgenden Jahr bot er diesen nommene, aber eigentlich nicht wirklich Diese Einsicht lässt sich durch einen Ver- auf die Städte Griethausen und Kalkar, auf Komplex dem Kurfürsten zum Kauf an und zutreffende und auf jeden Fall auch sehr gleich von Kleve mit Den Haag vertiefen. Die die Burg Monterberg und auf das sonstige der akzeptierte dieses Angebot am 5. Okto- verkürzte Definition. Das Wort Allee ist offen- beiden Städte verband viel. Den Haag war von dort aus sichtbare Klever Land und nahm ber 1651. Knapp ein Jahr später, am 21. Sep- sichtlich französischer Herkunft. Es leitet eine alte landesherrliche Residenz, wie es visu et aspectu, d.h. durch Sehen und tember 1652, erhielt Johann Moritz jedoch sich vom französischen Wort aller = gehen Kleve: Im Spätmittelalter hatten dort die 16 17
Grafen von Holland residiert und in der manchmal fast wie seine Exil-Residenz: Zwei ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Den Töchter von Friedrich Heinrich begingen hier Haag die Residenz des niederländischen ihre Hochzeit und sein Enkel, der künftige Statthalters.28 Dieser war in der jungen Statthalter Wilhelm III. (1672-1702), war hier Republik, die aus dem niederländischen Auf- gelegentlich bei seinem Onkel, dem Großen stand gegen den König von Spanien hervor- Kurfürsten, zu Gast.29 Auch dessen klevi- gegangen war, zwar formell ein Diener der scher Statthalter Johann Moritz von Nas- Generalstaaten, aber in der Praxis erwarben sau-Siegen war mit dem Haus Oranien-Nas- die Prinzen Moritz (Statthalter von 1585 bis sau verwandt und Prinz Moritz von 1625) und vor allem Friedrich Heinrich (1625- Oranien-Nassau war sein Taufpate gewesen. 1647) von Oranien-Nassau einen quasi-mon- Die Karriere von Johann Moritz hatte in Den archischen Status. Kurfürst Friedrich Wil- Haag angefangen und er hatte hier ab 1633 helm von Brandenburg, der damals zwar ein eigenes, sehr prominentes Domizil bauen noch nicht formell anerkannte, aber wohl lassen: das heutige Museum Mauritshuis faktische klevische Landesherr, heirate 1646 [Abb. 8]. Bekanntlich hat Johann Moritz im Louise Henriette, Tochter des niederländi- Oktober 1647, zu Anfang seiner Zeit als kle- schen Statthalters Friedrich Heinrich und ve-märkischer Statthalter, den Klever Bür- nachdem das Haus Oranien-Nassau ab 1650 germeister Dr. Johan Nieß bei einer ersten in der Republik vorübergehend in das politi- Unterredung auf dem Schloss auf das Bei- Abb. 9. Das Voorhout in Den Haag. Stich von Cornelis Elandts, 1668. Collectie Haags Gemeentearchief sche Abseits geraten war, diente Kleve spiel der Alleen in Den Haag hingewiesen, das sich im Bereich des Klever Stadtbergs Johann Moritz kannte das Voorhout zwei- nachahmen ließe.30 Er muss dabei konkret fellos sehr gut. Möglicherweise gilt das auch das sogenannte Voorhout in Den Haag vor für die Lobgedichte der Haager Dichter Augen gehabt haben. Im Mittelalter war Constantijn Huygens, seines dortigen Nach- dieses Voorhout ein Ausläufer eines Waldes barn, und Jacob van der Does auf diese Allee. bei der damaligen holländischen landes- Auf jeden Fall erwähnt Christoffel de Vries herrlichen Residenz gewesen. Margarete von sie in seinem Büchlein ‚Den Cleefschen Lust- Kleve, Ehefrau von Albrecht von Bayern und hoff‘, das er 1698 beim Klever Drucker Tobias Gräfin von Holland († 1411), hatte den Domi- Silberling drucken ließ, bei der Beschreibung nikanern 1403 hier den Bau eines Klosters der Nassauer Allee.32 Huygens, der bislang ermöglicht und seitdem war das Gebiet all- nur lateinische Gedichte verfasst hatte, wid- mählich dichter bewohnt worden. Unter dem mete 1621 sein erstes Gedicht in niederlän- damaligen Landesherrn Kaiser Karl V. hatte discher Sprache dem Voorhout: ‚Batava- man hier 1539 Baumreihen angepflanzt, Tempe, dat is ‚t Voorhout‘. Dieses war ein eher wodurch eine Allee entstanden war, deren konventionelles Lobgedicht, dass das Voor- Schönheit bereits von Lodovico Guicciardini hout mit dem altgriechischen idyllischen Tal (1521-1589) gelobt wurde. Im frühen 17. Tempe verglich. Trotz seiner großen Länge Jahrhundert besaß das Voorhout städtischen enthielt es wenig konkrete Bezüge zu der Charakter und an der Allee standen viele Haager Allee, sondern verband vielmehr die vornehme Häuser31 [Abb. 9]. Zyklen der Jahreszeiten und der Tageszeiten in poetischer Weise mit den Lebensphasen des Menschen, insbesondere der Frau.33 Abb. 8. Plan von Den Haag im 17. Jahrhundert. Bert Thissen 18 19
Für uns ist ein viel kürzeres lateinisches dert in Form des Neustoizismus stark aufge- sche Stimme hatten (die ‚Generaliteitslan- Gedicht von Huygens interessanter.34 Dieses lebt und hatte sowohl die Ethik wie das Staats- den‘, global genommen die heutigen verfasste er 1631 anlässlich der Anpflanzung denken und die Heeresreformen der Nassauer Provinzen Drenthe und Noord-Brabant sowie von weiteren Linden entlang des Voorhout geprägt.35 Allerdings ist im Gedicht die Rede Teile von Limburg), sowie einen Gürtel von auf Anordnung des Statthalters Friedrich von der Stoa des Kuckucks (στόα cuculli) und Festungen, der von der Nordseeküste in der Heinrich. das gibt dem Ganzen eine ironische Wende. Provinz Zeeland bis zur Wattenküste in der Denn der Kuckuck war nicht irgendein Vogel, Provinz Groningen reichte40 [Abb. 10]. Die auf In Anteriorem Hagae Sylvam principis der in den Linden hauste, sondern er galt als klevischem Hoheitsgebiet angelegte Festung nuper jussu frequentiori tilia consita. Symbol des Betrugs. Im früheren Lobgedicht Schenkenschanz war ein Bestandteil dieses Hagae delicium, cantatae frondis amictu, von Huygens war er der Vogel, der auf Ehebe- Gürtels, dem im Übrigen weitere niederlän- Saepe poetarum laurea, semper amor, trug pochte.36 Das Voorhout, das in diesem dische Festungen entlang Maas und Rhein Nobilis, et non hac deliri, στόα cuculli, früheren Gedicht u.a. als „Joffrou-rack“, d.h. vorgelagert waren. Hierzu zählten die Fes- Rara diu prisco sylua decore steti; Jungfernallee, bezeichnet wurde, war also tungen mit niederländischen Garnisonen in nicht nur ein Ort der philosophischen Besin- rechtsrheinischen Städten wie Emmerich, Et placui simplex Batauis: si digna videri nung, sondern auch – oder vielmehr – ein Rees und Wesel und auch die linksrheinische Nassauijs vellem, ter triplicanda fui. Schauplatz vieler Flirts und Liebesabenteuer. Festung zu Büderich. Hinc, spatijs multo nuper quicunque Mit der Nassauer Allee in Kleve verhielt es Es ist offensichtlich, dass das Herzogtum repletis, Abb. 10. Grenzfestungen der Republik. Bert Thissen sich übrigens wohl nicht völlig anders, denn Kleve als Pufferstaat innerhalb dieses nie- Spissior aestiuos arceo tota canes. dies war nach einer Angabe aus dem Jahre Bei den Alleen und Gartenanlagen in Den derländischen Sicherheitssystems diente. Quid non Auriaco metuant victore Brabanti, 1731 der Ort wo „het Kleefse juffrouwschap Dadurch wurde man hier aber auch gewis- Haag und Kleve zeigte sich fürstliche Macht Gloria cui Syluae non satis una fuit? uyt wandelen gaat“.37 sermaßen vom mächtigen Nachbarn geschützt jedoch nicht nur im Sinne von Gestaltungs- Constantijn Huygens, 9. April 1631 Die beiden letzten Zeilen des lateinischen kraft und Durchsetzungsvermögen, sondern und nicht zuletzt deswegen glaubten die Gedichts von Huygens zum Voorhout stellen auch als effektive Schutzherrschaft. Die klevischen Landstände weitgehend auf Das Voorhout präsentiert sich in diesem einen Bezug zur damaligen Zeitgeschichte beiden Residenzen kannten keine moderne eigene moderne Festungen verzichten zu Gedicht als ehemaliger Wald (sylva), der als dar. Es wird rhetorisch gefragt, wieso die Süd- Befestigung. Den Haag war im Mittelalter als können. Dem Großen Kurfürsten vergönnten solcher lange Zeit gestanden und den alten niederländer (Brabanti) sich nicht vor einem Dorf zur landesherrlichen Residenz gewor- sie lediglich die Anlage einer einzigen Lan- Nordniederländern (Batavi) genügt hatte. Um siegreichen Oranier (Auriaco … victore) fürch- den und hatte im Laufe der Zeit baulich teil- desfestung in Kalkar ab 1656. Die dortige den Nassauern würdig zu sein, musste die teten, dem ein einziger ‚Waldsieg‘ (Gloria weise einen städtischen Charakter gewon- Zitadelle ist jedoch nie in Betrieb genommen Anlage aber beträchtlich erweitert werden Sylvae … una) nicht genügte. Hier wird daran nen, aber der Ort hatte niemals den und 1674 wieder geschleift worden.41 (ter triplicanda). Und jetzt, da viele Löcher erinnert, dass der niederländische Statthalter Rechtsstatus einer Stadt erhalten. Formell Die Stadt Kleve hatte im Gegensatz zu Den geschlossen waren, bot sie in verdichteter Friedrich Heinrich 1629 nach langer Belage- galt er als Landgemeinde und als solche ver- Haag mittelalterliche Stadtmauern und Form vollkommenen Schutz vor der Sommer- rung die Stadt Herzogenbusch (Sylvae ducis) fügte er nicht über eine Stadtmauer. Bestre- wurde außerdem seit der Zeit Herzog Adolfs hitze (spissior aestivos arceo tota canes, wohl eingenommen hatte. Diese Eroberung galt als bungen zu einer Befestigung im ausgehen- († 1448) von Landwehren geschützt. Beide Anspielung auf die Hundstage). Das Voorhout wichtiger Sieg der Republik im Achtzigjähri- den 16. und frühen 17. Jahrhundert hatten verloren jedoch ab dem 17. Jahrhundert wird hier außer als Haager Kleinod (Hagae gen Krieg gegen Spanien und hat viel zum lediglich zu der Anlage von Wassergräben weitgehend ihre militärische Bedeutung. Der delicium) u.a. auch als edle Stoa (Nobilis … Ruhm Friedrich Heinrichs als ‚Stededwinger‘ geführt.39 Ansonsten vertraute man für die Große Kurfürst drängte im Sommer 1651 στόα) bezeichnet, womit die Linden entlang (Bezwinger von Städten) beigetragen. Das Sicherheit der niederländischen Residenz noch auf eine Instandsetzung der Mauern. der Allee implizit mit griechischen Säulen Gleichnis ist klar: In beiden Fällen, bei der zunehmend auf das großräumige Verteidi- Diese wiesen damals u.a. beim früheren verglichen werden. Man wird aber auch an die Umgestaltung des Voorhout wie bei der gungssystem der Republik. Dieses umfasste Haus von Johann Wier am Kermisdahl, beim Stoa im antiken Athen als Geburtsort der stoi- Eroberung von Herzogenbusch, hatte der Ora- eine militärische Pufferzone von Gebieten im Bollwerk Netelenhorst und beim Ravensturm schen Philosophie erinnert. Diese Philosophie nier einen Wald (sylva) bezwungen.38 In beiden Süden und Osten, die der Autorität der Gene- Schwächen auf, die repariert werden sollten. war in den Niederlanden ab dem 16. Jahrhun- Fällen hatte er als Fürst Macht demonstriert. ralstaaten unterstanden, aber keine politi- Außerdem hatten Privatpersonen an ver- 20 21
durch den Umfang der neuen fürstlichen Kirchtürme der Umgebung und den Elten- Besitzungen, aus denen später königlich berg. Meist sind es hohe Beamte der klevi- preußischer Fiskalbesitz werden sollte, schen Regierung, die auf diese Weise das erheblich reduziert. Damit gingen Änderun- Werk des Prinzen auf ihren Landgütern wei- gen in der Landnutzung und ein anderes terführen.“45 Über fürstliche Gäste und sons- ‚Erleben’ der Landschaft einher: Das bislang tige Besucher wird das Beispiel auch in vorwiegend landwirtschaftlich genutzte andere Regionen verbreitet. Ich denke hier- Gebiet wurde teilweise zum Erholungsraum bei z.B. an den Rand der Veluwe mit seinen und zu einer ‚Vorzeige-Landschaft‘, die als vielen Adelssitzen, das ‚Geldrische Arka- solche viel bewusster wahrgenommen wurde dien‘.46 als bisher. Mit ihrer neuen Ordnung und in In Kleve wurden die Anlagen von Johann ihrer fast demonstrativen Wehrlosigkeit Moritz, die nach seinem Tode Fiskalbesitz diente diese Landschaft nunmehr als Symbol wurden, vom Nachfolger des Großen Kur- guter Herrschaft.44 fürsten beträchtlich erweitert. Es handelt sich hier um Kurfürst Friedrich III., der, bevor 6. Die spätere Zeit er 1688 die Nachfolge seines Vaters antrat, Die Anlagen von Johann Moritz haben, wie bereits der Nachfolger von Johann Moritz als eingangs bereits betont wurde, Kleve nach- Statthalter in Kleve gewesen war. Bekannt- haltig geprägt. Ein Thema, das noch der sys- lich sollte er ab 1701 bis 1713 als König in tematischen Erforschung harrt, sind die Preußen regieren. Abb. 11. Das Herzogtum Kleve mit der Herrschaft Ravenstein, Karte von Johan Blaeu, 1643. Die befestigten klevischen Städte Nachahmungen durch Privatpersonen. Er gestaltete 1692 die alte, breite und mit niederländischen Garnisonen am Rhein sind farblich hervorgehoben. Stadtarchiv Kleve Gorissen schreibt dazu im Städteatlas Kleve: unregelmäßige Straße nach Materborn zu „Die Dorffluren von Materborn und Hau schiedenen Stellen Türen in sie eingebaut. Haag und die Parks und Alleen von Johann einer Allee um und verband mit ihr zwei neue werden mit einem Netz von Alleen über- Diese sollten zugemauert werden. Jedoch Moritz in Kleve, die die Stadt fast nahtlos mit Alleen, die über „den Rücken des Clevischen spannt, welche immer wieder die bedeuten- stürzte, wie wir bereits gesehen haben, ihrer Umgebung verbanden, überhaupt in Bergs“ führende Schlossallee, die heute Bra- den Landschaftsmarken zu Points-de-vue wenige Monate später der Buerensturm ein dieser Form existieren konnten, denn Fes- banterstraße heißt, und die Königsallee, die haben, den Schwanenturm, den Mühlenberg, und dieser wurde von einem neuen Stadttor, tungsanlagen hätten Stadt und Land eindeu- vom Klever Berg in Richtung Bresserberg die Hagsche Linde, den Kleverberg, auch die dem Nassauer Tor, ersetzt. Damit setzte tig getrennt. Gleichzeitig konnten die nicht und danach hinunter zur Materborner Allee endgültig die Entfestigung der Stadt ein.42 befestigten Residenzen auch als Zeichen der verläuft. Insgesamt entstand so eine ‚Ringal- Kleve und die weiteren klevischen Städte fürstlichen Macht gelten: Das Land wurde lee‘. Daneben sind die Lindenallee und eine verloren in dieser Zeit ihre militärische vom Fürsten so gut gesichert, dass für die Allee, die teilweise dem Verlauf der heutigen Bedeutung zu Gunsten des Staates. Dazu Residenz keine besonderen Schutzmaßnah- Nimweger Straße folgte, sowie die Xantener passt, dass der preußische König ihnen 1713 men erforderlich waren. Gewissermaßen Allee zu nennen.47 die Akzisen entzog, denn diese Verbrauchs- kündigte sich hier – frei nach Thomas Mann Die Alleen und sonstigen Anlagen von steuern waren im Mittelalter als städtische – die ‚machtgeschützte Innerlichkeit‘ im Johann Moritz zogen bereits früh fremde Einkommensquellen zur Finanzierung der modernen Obrigkeitsstaat an.43 Besucher an. Der preußische Ortskommis- Stadtmauern eingeführt worden. Die Transformation der Stadt-Land-Ver- sar Samuel Schmettach erwähnt z.B. in Die beiden nicht befestigten Residenz- bindungen durch die Anlage der Gärten von einem Bericht aus dem Jahre 1722 die „weit städte Den Haag und Kleve stellten sozusa- Johann Moritz mit ihren Alleen, Sichtachsen und breit berühmten Alleen“ aus der Zeit des gen das weiche Herz ihres jeweiligen Landes und points de vue war also grundlegend. Die Statthalters Johann Moritz und merkt an, Abb. 12. Die großen Parks und Alleen in Kleve und dar. Das war einerseits eine Voraussetzung Anteile des Privatbesitzes und des Kommu- Umgebung, 1730. Friedrich Gorissen, Städteatlas Kleve, dass die dadurch geschaffene „vortreffliche dafür, dass Anlagen wie das Voorhout in Den nalbesitzes im Umfeld der Stadt wurden Kleve 1952, S. 69 Situation“ der Stadt „viele Fremde zur curi- 22 23
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