Alter Tiergarten - Klevischer Verein

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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Experten-Tagung mit Bürgern
                und Behördenvertretern
         14. September 2018 – Stadthalle Kleve

        Alter Tiergarten
      Klevisches Arkadien 17. Jahrhundert
           Von der Schwanenburg zum Papenberg
       Lustgarten – Sternbusch – Alter Park – Galleien
                 Berg und Tal – Moritzgrab

                         Klevischer Verein
    für Kultur und Geschichte e.V. – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering
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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Experten-Tagung mit Bürgern
                und Behördenvertretern
         14. September 2018 – Stadthalle Kleve

        Alter Tiergarten
      Klevisches Arkadien 17. Jahrhundert
           Von der Schwanenburg zum Papenberg
       Lustgarten – Sternbusch – Alter Park – Galleien
                 Berg und Tal – Moritzgrab

                         Klevischer Verein
    für Kultur und Geschichte e.V. – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering
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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Experten-Tagung           Seite   Inhalt

    mit interessierten Bürgern
                                     4 Vorwort Ulrich Francken
     und Behördenvertretern          5 Begrüßung und Moderation Hermann von Ameln
           zum Thema:                7 Grußwort Joachim Schmidt

       „Alter Tiergarten:            8 Grußwort Rainer Hoymann

     Klevisches Arkadien –
                                 		 Vorträge
        im Europäischen
                                   10	Points de vue, Sichtachsen, Alleen – Die Landschaftsgestaltung des Statthalters
      Kulturerbejahr 2018“                Johann Moritz von Nassau-Siegen aus stadthistorischer Perspektive
                                          – Bert Thissen
                                   27 Gartenkultur als Europareise
                                          – Prof. Dr. Stefan Schweizer – Vorgetragen von Prof. Dr. habil. Jens Gebauer
                                          – Bericht Werner van Ackeren
                                    29	Die Bedeutung der Klever Parkanlagen in der Geschichte der
                                          europäischen Gartenkunst
                                          – Dr. Kerstin Walter
                                    34	Entwicklungen im Historischen Park Alter Tiergarten ab 2003
                                          – Gerlinde Semrau-Lensing und Thomas Velten
                                    43 Das Parkpflegewerk „Alter Tiergarten“
                                          – Ein Leitfaden für die zukünftige Entwicklung
                                          – Achim Röthig
                                    57 Umgang mit archäologischem Kulturerbe in den Niederlanden
                                          Entwicklung der Denkmalpflege vom 19. bis ins 21. Jahrhundert
                                          – ir. Luuk J. Keunen
                                    63	Exkursion durch den Alten Tiergarten
                                          – Ludger Baumann, Achim Röthig – Landschaftsarchitekt,
                                          Gerlinde Semrau-Lensing, Werner van Ackeren, Karl-Dieter Haas
                                          und Horst Terfehr – Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein
                                          für Kultur und Geschichte e.V.

                                    68 „Danke“! sagt der Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering
                                    70 Autorenverzeichis
                                    71 Buchvorstellung
                                    72 Impressum

2                                                                                                                        3
Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Vorwort Ulrich Francken – Euregio Rhein-Waal                                                   dieser Chance nur gratulieren. Eine zeitnahe,   Förderung des Projektes durch die Euregio
                                                                                               engagierte und authentische Umsetzung           Rhein-Waal scheint es gelungen, einen
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,             schap, der Stadt Kleve, der Karl-und-Maria-    empfohlener Ratschläge für den Alten Tier-      Grundstein für ein solches ambitioniertes
liebe Freunde der Gartenkunst,                  Kisters-Stiftung und des Klevischen Vereins    garten böte die Gelegenheit, die Wertschät-     Vorhaben     gelegt    zu   haben.    Grenz­
    als Vorsitzender der Euregio Rhein-Waal     sichergestellt. Der Alte Tiergarten mit den    zung der Gartenanlagen für alle Bürger und      überschreitend in allen Belangen und als Teil
ist mir das Engagement des Arbeitskreises       Galleien wurde ausgewählt. Für die fachlich    Besucher sichtbarer werden zu lassen. Er        einer „Oranierroute“ von Den Haag über
Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein        fundierten Recherchen und Erhebungen zum       wäre ein weiterer Anziehungspunkt in Kleve      Kleve bis Berlin und weiter …
für Kultur und Geschichte zu Erhalt und         Parkpflegewerk 2015 konnte der Land-           für die nieder­ländischen Nachbarn, die
Wiederherstellung des historischen Parks        schaftsarchitekt Achim Röthig gewonnen         wieder von „ihrem südholländischen Arka-        Ulrich Francken,
„Alter Tiergarten“ als ein wichtiges Anliegen   werden.                                        dien schwärmen“ könnten. U.a. mit der           Vorsitzender Euregio Rhein-Waal
für Kleve und überdies seit vielen Jahren         Beim Alten Tiergarten handelt es sich um
bekannt. Dass der Antrag auf vorläufige         die im 17. Jh. entstandene Gartenkunst des
Unterschutzstellung 2008 ein Zeichen setzte,    Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen,
war gut und folgerichtig!                       der Statthalter der Residenzstadt Kleve war.
                                                                                               Moderation Hermann von Ameln, Honorarkonsul
    Die „Europäische Gartenkunst in Kleve“ –    Die hier angewandte Landschaftsarchitektur     der Niederlande a.D. – Schirmherr des Alten Tiergartens
70 Jahre nach den letzten Kriegsereignissen     – im einzigartig gestalteten natürlichen       Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schmidt,       Ihnen vor dem Imbiss berichten und am
– zu erhalten und zeitnah sicher zu stellen,    Gelände – ist im deutschen Raum am             sehr geehrte Damen und Herren,                  Nachmittag die einzelnen Gruppen der
scheint mir der einzig richtige Weg zu sein.    stärksten geprägt durch niederländische                                                        Exkursion begleiten.
                                                                                                 ich heiße Sie alle herzlich willkommen zur
Anlässlich einer Führung des Arbeitskreises     Einflüsse und Gestaltungsformen. Damals
                                                                                               heutigen Tagung Klevisches Arkadien – Alter       Die heutige Tagung wäre nicht möglich
durch den ehemaligen Klever Lustgarten,         war es eine Region ohne Grenzen, die
                                                                                               Tiergarten. Ich freue mich mit den Veranstal-   geworden ohne die ideelle und materielle
(Garten des Königs) dem heutigen Moritz-        Grenzen kamen und trennten erst später.
                                                                                               tern, dass der heutige Tag eine so gute         Unterstützung durch den Landschaftsver-
park mit den historischen Abbildungen in          Das europäische Kulturerbejahr 2018          Resonanz gefunden hat. Nicht zuletzt auch       band Rheinland. Frau Dr. Kerstin Walter wird
klassisch-niederländischem Barock, habe         verdeutlicht das Zusammenwirken von Zeit       dank der schönen Berichterstattung durch        zu Ihnen sprechen, sie ist wissenschaftliche
ich diese für Kleve und seine in der Außen-     und Raum, von Ideen, Plänen, Handwerk,         die Medien, hierfür vielen Dank! Nur einige     Referentin für die Inventarisation von Gar-
wirkung bedeutende Gartenkunst noch             Kunst, Lebensart, Erfahrungen und mehr –       Anwesende kann ich im Zeit­limit besonders      tendenkmälern. Unser Referent Dr. Jan Smit
klarer erkennen können. Ein Alleinstellungs-    auch und gerade im heutigen euregionalen       willkommen heißen. Zunächst begrüße ich         musste krankheitsbedingt für heute leider
merkmal für Kleve von hohem/bedeutendem         Raum. Die Freundschaft des brandenburgi-       den stellvertretenden Bürgermeister der         absagen. Von hier aus wünschen wir ihm
Rang, wie ich meine.                            schen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zu          Stadt Kleve, Herrn Joachim Schmidt. Ich         gute Besserung. Für ihn übernimmt der
    In diesem Sinne und im Interesse der        Johann Moritz von Nassau, seinem Statt­        danke Ihnen dafür, Herr Schmidt, dass Sie       Leiter des Klever Stadtarchivs, Herr drs. Bert
Niederrhein-Charta hat die Euregio Rhein-       halter, war für Kleve ein Glücksfall!          gleich im Anschluss ein Grußwort zu uns         Thissen, das Thema Sichtachsen. Beide
Waal gerne zugestimmt, die Herausstellung         Heute sind die historischen Klever Park-     sprechen werden. Ebenfalls anwesend ist         Herren arbeiten seit Jahren vertrauensvoll
dieser einzigartigen Gartenbaukunst, die        anlagen zur Visitenkarte und zum Allein­       Herr Bürgermeister Peter Driessen unserer       zusammen. Anschließend verliest Prof. Dr.
grenz­überschreitend bekannt und wahr-          stellungsmerkmal für Kleve und seine           Nachbargemeinde Bedburg-Hau, auf deren          Jens Gebauer, Vizepräsident für Forschung
nehmbar ist, zu fördern. Kern des Projektes     Umgebung geworden. Sie sind ein Gewinn für     Boden sich der östliche Teil des Alten Tier-    und Entwicklung der Hochschule Rhein-
war es, ein Parkpflegewerk zu erstellen und     unseren gesamten grenzüberschreitenden         gartens erstreckt.                              Waal, einen Vortrag von Prof. Dr. Stefan
zu dokumentieren.                               Landschafts- und Kulturraum, mit Wirkung         Danach wird Herr Rainer Hoymann, frisch       Schweizer.
    2012 gestartet, wurde die Finanzierung      in die Niederlande und in weitere euro­        gewählter Vorsitzender des Klevischen Ver-        Nach dem Imbiss wird Herr Landschafts-
des Projektes im Rahmen des INTERREG            päische Länder.                                eins, einige Worte an Sie richten. Teil des     architekt Achim Röthig das Parkpflegewerk
IV-Programms Deutschland-Niederlande              Es wäre zu wünschen, dass mit der Erstel-    Klevischen Vereins ist der heute einladende     „Alter Tiergarten“ vorstellen. Parkpflege-
mit Mitteln des Europäischen Fonds für          lung und Umsetzung des Parkpflegewerkes        Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering unter          werk nennt man ein Fachgutachten, welches
Regionale Entwicklung und mit Co-Finanzie-      die Gartenkunst noch erfahrbarer und erleb-    Führung der sehr engagierten Frau Gerlinde      die Historie dokumentiert, den über ein
rung der Verenigung Nederlands Culturland-      barer wird. Der Stadt Kleve kann man zu        Semrau-Lensing. Der Arbeitskreis wird           gesamtes Jahr beobachteten Ist-Zustand

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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
beschreibt und Empfehlungen gibt für Pflege,    Lösungen: grob vereinfacht Nahrungsmittel­       sehr hohem Maße engagiert, weit über den        Gruß an den anwesenden Bürgermeister von
Schutz und Weiterentwicklung. Das in 2015       anbau für die lokale Bevölkerung und für den     beruflich üblichen Umfang hinaus. Er wurde      Weeze, Ulrich Francken, der im Ehrenamt
erstellte Parkpflegewerk wurde von Herrn        Export. Hierfür und für Ihre Anwesenheit         bei seinen Aufgaben kräftig unterstützt von     Vorsitzender der Euregio Rhein-Waal ist, mit
Röthig am 6. September 2017 im Klever Aus-      einen besonderen Applaus!                        Mitgliedern des Arbeitskreises Kermis-          deren Fördermitteln das Parkpflegewerk
schuss für Kultur und Stadtgestaltung vorge-       Frau Dr. Kerstin Walter ist als ausgebil-     dahl-Wetering. Dank an alle Ehrenamtlichen      realisiert werden konnte. Herr Francken ist
stellt. Der nächste Schritt wäre jetzt eine     dete Gärtnerin und Kunsthistorikerin seit        des Arbeitskreises Kermisdahl-Wetering im       aktuell von König Willem Alexander der Nie-
Stellungnahme des Fachbereichs Planen           2005 beim LVR-Amt für Denkmalpflege im           Saal. Dank auch an alle übrigen Zuhörer für     derlande für sein hohes ehrenamtliches
und Bauen der Stadt Kleve zu den im Park-       Rheinland beschäftigt. Als wissenschaftliche     die vielfäl­tigen von ihnen ausgeübten ehren-   Engagement in den Orden der Ritter von
pflegewerk aufgeführten Empfehlungen. In        Referentin ist sie innerhalb der Abteilung       amtlichen Tätigkeiten, die für unser Zusam-     Oranje-Nassau aufgenommen worden.
Kleve wird seit Jahren im Bereich Planen und    Inventarisation für die Erfassung und denk-      menleben von sehr großer Wichtigkeit sind.
Bauen sehr viel bewegt, überall entstanden      malrechtliche Bewertung historischer Grün-
und entstehen Neubauten.                        anlagen zuständig. Für den Alten Tiergarten
    Der Arbeitskreis ist in Sorge, dass die     hat sie das Gutachten verfasst, welches für      Grußwort Joachim Schmidt
knappe Personaldecke und drängende Bau-         die Anerkennung als Denkmal erforderlich
vorhaben die Prioritäten zu Lasten des Alten    ist. Frau Dr. Walter, wir freuen uns auf Ihren   Liebe Frau Semrau-Lensing, lieber Herr          Wir würden nicht über die Zahl verkaufsoffe-
Tiergartens verschieben. Der Stadtrat kann      Vortrag: Die Bedeutung der Klever Park­          Hoymann, meine sehr verehrten Damen und         ner Sonntage streiten, sondern Kultur oder
erst über die Maßnahmen des Parkpflege-         anlagen in der Geschichte der Europäischen       Herren,                                         speziell unsere Gartenkunst als wesent­
werks entscheiden, wenn die Stellungnahme       Gartenkunst. Das Parkpflegewerk, um das es         ich heiße Sie alle in unserer Stadt Kleve     lichen Wirtschaftsfaktor begreifen. Wirt-
des Fachbereichs vorliegt. Bitte unterstützen   heute geht, ist sehr umfangreich (vorgezeigt),   herzlich willkommen. Besonders begrüße          schaftlicher Gewinn z. B. durch Kulturtouris-
Sie uns dabei, dass das Parkpflegewerk bei      gut lesbar, aber eher für Fachleute geschrie-    ich diejenigen, die weite Wege auf sich         mus.
der Stadt eine hohe Priorität bekommt und       ben. Daraus entwickelt ist diese Broschüre       genommen haben, um heute an einem für             Nun, meine sehr verehrten Damen und
behält. Um Verfall und Fehlentwicklungen        Klevisches Arkadien (vorgezeigt), geschrie-      die Stadt bedeutenden kulturhistorischen,       Herren, träumen darf ich mir wohl erlauben,
des Alten Tiergartens und seiner Elemente       ben von Herrn Wilhelm Diedenhofen, den ich       aber auch zukunftsgewandten Thema mitzu-        doch bin ich auch Realist. Und zur realisti-
entgegenzutreten, braucht es beschlossene       hiermit herzlich begrüße. Die Broschüre          arbeiten.                                       schen Einschätzung gehört, dass Politik und
Maßnahmen. Mein Gruß auch an Frau Raadts,       kann nach dem folgenden Beitrag, von dem                                                         Verwaltung unserer Stadt sich des kulturel-
                                                                                                   Meine Damen und Herren, der alte Tier-
die früher bei der Stadt Kleve tätig war und    Sie vieles in der Broschüre wiederfinden                                                         len Erbes durchaus bewusst sind. Doch wird
                                                                                                 garten steht bei der Bürgerschaft nicht im
heute extra aus Münster zu uns angereist ist,   werden, gegen eine geringe Schutzgebühr                                                          dieses Thema allzu oft von den Notwendig-
                                                                                                 gleichen Maße im Fokus wie der Forstgarten
weil sie das Thema unverändert interessiert.    käuflich erworben werden. Der Arbeitskreis                                                       keiten der Tagespolitik verdrängt. Die Priori-
                                                                                                 oder das Ensemble rund ums Amphitheater.
    Herr Prof. Dr. Stefan Schweizer, wissen-    Kermisdahl-Wetering kümmert sich seit                                                            tätenliste verändert sich immer wieder. Und
                                                                                                 Das ist schade und der kulturhistorischen
schaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss      vielen Jahren um den Alten Tiergarten und                                                        das zum Missfallen derer, die ihre Projekte
                                                                                                 Bedeutung sicherlich nicht angemessen.
und Park Benrath, hätte seinen Vortrag          wird uns jetzt die Entwicklungen ab 2003 vor-                                                    mit Herzblut und nachvollziehbarer Unge-
                                                                                                 Und ich befürchte, der alte Tiergarten könnte
Gartenkultur als Europareise gerne selbst in    stellen.                                                                                         duld verfolgen. Dazu sei nicht zu vergessen,
                                                                                                 in Vergessenheit geraten, wenn es nicht
Kleve gehalten, die Termine passten leider         Wir kommen jetzt zum Höhepunkt Park-          Initiativen wie diese am heutigen Tag gäbe.     dass Kultur nicht alles ist. Wobei ich mich
nicht zusammen. Umso schöner, dass Sie,         pflegewerk „Alter Tiergarten“. Parkpflege-                                                       korrigieren muss, denn ohne Kultur ist
                                                                                                   Prinz Moritz von Nassau-Siegen hat uns
verehrter Herr Prof. Dr. Gebauer, Ihre Reise-   werke werden normalerweise von der                                                               bekanntermaßen alles nichts.
                                                                                                 ein reiches, aber auch schwieriges Erbe hin-
pläne geändert haben um heute bei uns zu        öffentlichen Hand in Auftrag gegeben, es ist                                                       Meine Damen und Herren, somit sind wir
                                                                                                 terlassen. Wie anders wäre es, stünde der
sein und den Vortrag zu verlesen. Sie sind      hier eine Besonderheit, dass der Arbeitskreis                                                    auf Veranstaltungen wie heute angewiesen,
                                                                                                 Alte Tiergarten in seiner vollendeten Form
privat im Arbeitskreis aktiv, ich möchte aber   Kermisdahl-Wetering im Klevischen Verein                                                         damit neue Denkanstöße und neue Sichtwei-
                                                                                                 und wäre von Generation zu Generation
auch Ihre berufliche und wissenschaftliche      den Auftrag erteilte mit Fördermitteln der                                                       sen gegeben werden.
                                                                                                 weitergegeben worden. Ich bin mir sicher:
Leistung nicht unerwähnt lassen. Zum            Euregio Rhein-Waal, übrigens mit finanzieller
                                                                                                 wir wären ein Anziehungspunkt für Garten-         Ich wünsche Ihnen eine hohe Resonanz,
Thema Afrika wird fast immer nur über           Beteiligung der Stadt Kleve. Herr Achim
                                                                                                 freunde aus aller Welt. Wir würden weniger      die nachhaltig wirken möge. Setzen Sie
Probleme geredet, Sie sind äußerst aktiv mit    Röthig hat sich für das Parkpflegewerk in
                                                                                                 darüber diskutieren, was Kultur kosten darf.    Impulse. Wenn der große Wurf nicht gelingt,

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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
machen Sie die kleinen Schritte, die – das        Bleiben Sie bitte der alten Herzogstadt, aber   Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!       Doch es bleibt noch viel zu tun und es geht
gebe ich zu – mühsam sein können. Mühsam          auch dem modernen Kleve gewogen.                Was man nicht nützt, ist eine schwere Last.    nur gemeinsam. Gemeinsam mit der Stadt
vor allem für die Protagonisten, deren bisheri­                                                     Vor gut 150 Jahren gründeten Bürger der      Kleve, dem Forst, der Gemeinde Bed-
gen Erfolge gerne auch größere Anerkennung        Joachim Schmidt, stellvertretender              Stadt eine Organisation, aus dem der heutige   burg-Hau, dem Kreis Kleve. Gemeinsam mit
verdient hätten. Ich wünsche gutes Gelingen.      Bürgermeister der Stadt Kleve                   Klevische Verein für Kultur und Geschichte /   den Klever Bürgern. Seit September 2015
                                                                                                  Freunde der Schwanenburg e. V. entstanden      liegt nunmehr das Parkpflegewerk „Alter
                                                                                                  ist. Sie taten dies aus Liebe zur Heimat und   Tiergarten / Galleien Kleve“ von Achim Röthig
                                                                                                                                                 vor. Zusammen mit dem Parkpflegewerk
Grußwort Rainer Hoymann                                                                           aus Verantwortung für die nachfolgenden
                                                                                                                                                 „Neuer Tiergarten Kleve / Kernbereich“ von
                                                                                                  Generationen. Auch heute noch fühlen wir
    Vor 400 Jahren begann der 30-jährige            In Kleve erzählt man sich, wie entrüstet      uns diesen Aufgaben verpflichtet und wir       Elke Lorenz von Dezember 2016 haben wir
Krieg. Auch der Freiheitskampf der Nieder-        der alte Fürst Johann Moritz von Nassau war,    liegen damit voll im Trend!                    einen Handlungsrahmen, der weite Teile der
lande spielt sich phasenweise auf dem Gebiet      als ihm einst die folgende, von einer gewöhn-                                                  historischen Gartenanlagen unserer Stadt
                                                                                                    Unser Arbeitskreis Kermisdahl-Wetering,
des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg ab und           lichen Gesinnung zeugende Inschrift an der                                                     erfasst. Nach Eröffnung der Hochschule
                                                                                                  der sich unter der Führung von Frau Gerlinde
tobte von 1559 bis 1648 – über 80 Jahre lang!     Gartentür eines gewissen Lamers zu Gesicht                                                     erlebte unsere Stadt einen Bauboom sonder-
                                                                                                  Semrau-Lensing seit fast 15 Jahren um die
Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit zog sich      kam: „Als de boom is groot, so is de pooter                                                    gleichen. Jetzt gilt es das kulturelle und
                                                                                                  historischen Gartenanlagen mit Schwer-
von 1609 bis 1666 hin. Nach den Kriegen ist       dood.“ (Ist der Baum groß, ist der Pflanzer                                                    gärtnerische Erbe dieser Stadt wach zu
                                                                                                  punkt „Alter Park / Galleien“ kümmert, hat
das Klever Land eine der meist verwüsteten        tot.) Johann Moritz soll den Mann zu sich                                                      küssen! Das Motto muss lauten: „Bouwen,
                                                                                                  vieles erreicht: Wege freigelegt und neue
Gegenden Deutschland.                             gebeten haben, um ihn persönlich von der                                                       grawen, planten laet uw niet verdrieten, soo
                                                                                                  geschaffen, den Kermisdahl entschlammt,
                                                  Verkehrtheit dieses Spruches zu überzeu-                                                       sult gy en die naar uw komen het genieten.“
                                                                                                  Denkmäler wachgeküsst, Beschilderungen
Drei Generationen kannten                         gen, so dass dieser die Worte änderte in:                                                      Ich wünsche uns einen lehrreichen Tag, so
                                                                                                  angebracht, Aussichten frei gelegt – ein
nur Elend und Not!                                „Bouwen, grawen, planten laet uw niet ver-                                                     dass wir mit neuer Kraft die vielen Aufgaben
                                                                                                  Parkpflegewerk für den Alten Park erstellt …
    1647 beginnt die Statthalterschaft von        drieten, soo sult gy en die naar uw komen het                                                  anpacken können, die noch vor uns liegen.
                                                                                                  Die Bürger und Gäste, viele davon aus den
Johann Moritz von Nassau in Kleve und er          genieten.“ (Bauen, graben, pflanzen, lasst‘s    benachbarten Niederlanden, genießen und        Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
verwandelt das verwüstete Kleve in eine           Euch nicht verdriessen, denn die nach Euch      nutzen den wiedergewonnenen Erholungs-         Rainer Hoymann,
Gartenstadt von europäischer Bedeutung.           kommen, werden‘s noch genießen.)                raum.                                          Vorsitzender des Klevischen Vereins
Gab es damals nichts Wichtigeres zu tun?            Wieder leben wir in einer Übergangszeit:
Gärten statt Ackerland? Denkmäler statt           Klimawandel, Zuwanderung, Demografische
Wiederaufbau zerstörter Gebäude? Doch die         Entwicklung, Digitalisierung, Währungs-
Maßnahmen wirkten wie eine gute Medizin.          krise, Nationalismus – es gibt angesichts
Mit der Verwandlung der Landschaft keimte         dieser Brüche eine neue Sehnsucht nach
bei den Menschen die Hoffnung auf ein             „Heimat“, nach Beständigkeit und Unver-
besseres, friedvolles, sorgenfreies Leben.        wechselbarkeit.
Schönheit als Medizin. Leben bedrohendes
Kriegsgerät als Baumaterial für Kunstwerke.       Was macht unsere Stadt unver­wechsel­
                                                  bar; macht unsere Stadt zur „Heimat“?
Ein Geniestreich sondergleichen!                    Es ist die Schwanenburg und es ist die
    Natürlich stieß dieses Wirken auf Unver-      schöne, grüne Lage Kleves auf einem Hügel
ständnis, so wie es heute nur wenigen Zeit-       mitten in der Niederung. WikiTravel schreibt:
genossen vergönnt ist, in den ersten kleinen      „Die Parkanlagen im Stadtgebiet stellen eine
Schritten eines Projekts den Weg und das          sehenswerte Attraktion dar.“ Es ist das Erbe
Ziel zu erkennen. Eine kleine Anekdote ver-       von Johann Moritz von Nassau, das es zu
deutlicht dies:                                   erhalten gilt. Was du ererbt von deinen

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Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Points de vue, Sichtachsen, Alleen –
Die Landschafts­gestaltung des Statthalters
Johann Moritz von Nassau-Siegen in Kleve
aus stadthistorischer Perspektive
Bert Thissen                                       heit ein vorzügliches Bild von der Genese,
                                                   der Struktur, der Ausdehnung und der äuße-
1.Einleitung                                       ren Gestalt sowie auch des Sinngehalts
     Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604         dieser Anlagen.1 Das soll hier nicht resümiert
– 1679), der ab 1647 bis zu seinem Tode kur-       werden. Vielmehr möchte ich versuchen, die
brandenburgischer Statthalter in Kleve war,        Bedeutung der Anlagen dieses Statthalters
hat das hiesige Stadtbild bekanntlich nach-        aus stadthistorischer Perspektive zu betrach­
haltig geprägt. Das landesherrliche Schloss,       ten. Dabei geht es nicht so sehr um die Frage
das sich bis dahin als ein Ensemble von Ele-       nach deren Bedeutung für die ästhetische
menten aus Mittelalter (der eigentlichen           Qualität des Stadtbildes oder um die ihrer
Schwanenburg) und Renaissance präsen-              wirtschaftlichen Bedeutung, sondern viel-
tierte, erhielt während seiner Statthalter-        mehr um eine Bestimmung ihres Verhältnis-
schaft sein barockes Antlitz. Mag man hierbei      ses zu der Stadt als öffentlich-rechtlichem
noch fragen, inwieweit Johann Moritz per-          Gebilde und dessen räumlichem Gefüge. Das
sönlich der Initiator und Regisseur gewesen        soll konkretisiert werden anhand der zu
ist, so gilt dies nicht für den Stadtpalast, den   diesen Anlagen gehörenden Alleen, Sicht­
er für sich an markanter Stelle über dem           achsen und points de vue.                        Abb. 1. Johann Heinrich Merner, Karte der klevischen Feldmark, 1760, nach einer Vorlage von Franz von Senhem, Juni 1650.
Kermisdahl errichten ließ: den im Zweiten                                                           Stadtarchiv Kleve

Weltkrieg mitsamt des dazugehörigen Prinz-         2. Der Klever Stadtraum vor der
                                                   Statthalterschaft von Johann Moritz                                                                              Johann Moritz. Man findet zwar an einigen
Moritz-Parks zerstörten Prinzenhof. Auch
                                                                                                                                                                    Stellen Spuren dieser Maßnahmen, dabei
die Anlage der Nassauerstraße, die vom               Im Stadtarchiv Kleve liegt eine Karte der
                                                                                                                                                                    handelt es sich aber wohl um Nachträge, die
Kleinen Markt am Prinzenhof vorbei zum             Stadt Kleve und ihrer Umgebung vor, die im
                                                                                                                                                                    entweder vom Kopisten im 18. Jahrhundert
Nassauer Tor führte und diesen Palast              Jahr 1760 im Auftrag des städtischen Magis-
                                                                                                                                                                    hinzugefügt worden sind oder die er bereits
sowohl mit dem Zentrum der Stadt als auch          trats von Johann Heinrich Merner gezeichnet
                                                                                                                                                                    als Aktualisierungen in seiner Vorlage vorge-
mit deren südlichen Vorfeld verband, war           worden ist [Abb. 1]. Es handelt sich um eine
                                                                                                                                                                    funden hat.
weitestgehend sein persönliches Projekt.           Kopie einer älteren, verlorenen Karte des
Darüber hinaus umgab dieser Statthalter,           Landmessers Frans von Senhem, die im Juni                                                                            Es lassen sich im kartierten Gebiet ver-
der als Graf nach Kleve gekommen war und           1650 erstellt worden war. Eine lithographi-                                                                      schiedene konzentrische Kreise unterschei-
1652 in den Fürstenstand erhoben wurde, die        sche Reproduktion ist 1879 der Stadtge-                                                                          den. Im Kern sieht man die ummauerte Stadt
Stadt mit großen Parkanlagen: den Alten            schichte von Robert Scholten beigefügt                                                                           [Abb. 2]. Klar erkennbar sind hier u.a. die
Tiergarten im Südosten und den Neuen Tier-         worden.2 Die Karte, die Südorientierung hat                                                                      Burg, die Stiftskirche und das Minoritenklos-
garten im Nordwesten. Diese Anlagen sind           (d.h.: der Norden ist unten), bietet eine Dar-                                                                   ter sowie die Stadtmauer mit den Stadttoren.
bereits mehrfach untersucht und beschrie-          stellung der Grenzen sowohl der Klever Feld-                                                                     Jenseits des Kermisdahls sind einige Gärten
ben worden. Ich verweise an dieser Stelle auf      mark als auch des landesherrlichen Amtes                                                                         angedeutet, darunter der kurz vor 1550 von
                                                                                                    Abb. 2. Die ummauerte Stadt Kleve und ihre Stadtfreiheit in
die vielen größeren und kleineren Veröffentli-     Kleve im Bereich der Stadt. Dabei zeigt sie                                                                      Herzog Wilhelm angelegte quadratische
                                                                                                    der Karte von Senhem bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1
chungen von Wilhelm Diedenhofen zu diesem          noch den Zustand Kleves vor Anfang der                                                                           „Nije Garten“, der später Neuer Wall hieß.3
Themenkomplex. Sie bieten in ihrer Gesamt-         landschaftsgestalterischen Maßnahmen von                                                                         Vor dem Hagschen Tor befindet sich ein

10                                                                                                                                                                                                                             11
Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Teich, der „Hagsche Poel“, und etwas weiter                        Das hier umrissene Gebiet, einschließlich                 Gebiet, das die Karte zeigt, von Amtmännern       seiner eigenen Forstverwaltung diesem Amt
auswärts, im Bereich der Linde, eine Häu-                      des Opschlags am Spoykanal und einer Zone                     des Landesherrn verwaltet.                        an, nördlich (jenseits des Kermisdahls und
sergruppe, die in der Legende als „Der Stadt                   mit Gemüsegärten vor der westlichen und                          Ein weiterer Kreis betrifft die Feldmark       Spoykanals) befand sich das landesherrliche
Cleve suburbium“, also als Vorstadt von                        südlichen Stadtmauer, bildete damals die                      [Abb. 3]. Diese umfasste ein Gebiet, das sich     Amt Kleverhamm.9
Kleve, bezeichnet wird. Hierzu zählt das                       sogenannte Stadtfreiheit von Kleve. In                        vom Kermisdahl bis zu einem markanten                Die Karte von Senhem zeigt also ein Gebiet
Melatenhaus, das Johann Moritz später                          seinem historischen Kern war dieses Gebiet                    Baum auf der Triftstraße, „Den Dicke Muen-        mit einer ziemlich feingliedrigen und kom-
abreißen lassen sollte.4 In Richtung Kermis-                   durch die Stadtrechtsverleihung im Jahr                       nick“ (Dicker Mönch), und von dort in Rich-       plexen Verwaltungsstruktur. Weiter kann
dahl liegt ein „Wyegert“ (Weingarten). Dieser                  1242 aus dem ländlichen Raum eximiert und                     tung Materborn und Stadtberg erstreckte.          man feststellen, dass die Karte kaum erah-
lässt sich bereits ab dem 14. Jahrhundert als                  der direkten Verwaltung des Magistrats                        Die vorstädtische Burgsiedlung Kleve hatte        nen lässt, dass es sich bei Kleve um eine
Besitzung des Landesherrn nachweisen.5                         unterstellt worden. Ansonsten wurde das                       einen eher ländlichen Charakter gehabt und        landesherrliche Residenz handelte.
                                                                                                                             nach 1242 spielte die Landwirtschaft auch in      Lediglich die Burg mit der Stiftskirche, der
                                                                                                                             der Stadt noch lange Zeit eine bedeutende         „Wyegert“ und der „Nije Garden“ sind als
                                                                                                                             Rolle. Viele Bürger verfügten über Ackerland      Spuren dieser Residenz-Qualität im Karten-
                                                                                                                             vor den Stadttoren und bis in das 17. Jahr-       bild zu bezeichnen.
                                                                                                                             hundert hinein gab es in der Stadt so viele
                                                                                                                             Kühe, dass diese beim Weidegang in mehre-         3. Die Maßnahmen zur Landschafts­
                                                                                                                             ren Herden gehütet werden mussten.6 Die           gestaltung von Johann Moritz
                                                                                                                             Klever Feldmark war das intensiv genutzte            Die Nachträge in der Kopie der Karte aus
                                                                                                                             eigene ländliche Umfeld der Stadt. Dieses ist     dem 18. Jahrhundert bieten bereits einen
                                                                                                                             im Hochmittelalter von Kleve aus gerodet          ersten Eindruck davon, wie Johann Moritz
                                                                                                                             worden. Abgesehen von Ackerland befanden          mit seinen Maßnahmen in diese Situation
                                                                                                                             sich hier auch Straßen, die als Triftwege für     hineingewirkt hat [Abb. 4]. Wenn wir uns den
                                                                                                                             das Vieh in Richtung Reichswald genutzt           Bereich des Alten Parks genauer anschauen,
                                                                                                                             wurden und die selbst als Gemeindebesitz          sehen wir, dass hier im Bereich der Galleien
                                                                                                                             der Stadt galten, wie die heutige Hoffmann-       die alte Siedlung Nedenooj mit einigen Höfen
                                                                                                                             bzw. Materborner Allee und natürlich die          vermerkt ist. Dazu schrieb der vormalige
                                                                                                                             Triftstraße, die ihren Namen von der Viehtrift,   Klever Stadtarchivar Dr. Friedrich Gorissen
                                                                                                                             die hier betrieben wurde,   herleitet.7           1954: „Man muss den Architekten des Mau-
                                                                                                                                Die Klever Feldmark grenzte im Süden an        rits v. Nassau böse sein, daß sie keine Karte
                                                                                                                             einen Gerichtsbezirk, der Hau, Reesputt und       hinterlassen haben, die uns zeigen würde,
                                                                                                                             Materborn umfasste. Diese Ortschaften             wie die Nedenooj ausgesehen hat vor der
                                                                                                                             waren als eigene Rodungssiedlungen im             großen Umgestaltung des Freudentales um
                                                                                                                             Kirchspiel Kleve entstanden und gehörten          das Jahr 1650.“10 Auch unsere Karte bietet
                                                                                                                             ebenso wie die Klever Feldmark zum landes-
                                                                                                                             herrlichen Amt Kleve. Dazu zählten ferner
                                                                                                                             Donsbrüggen und (auf der Karte kaum sicht-
                                                                                                                             bar) Rindern. Außerdem war der Klever
                                                                                                                             Stadtberg, den die Stadt 1370 vom Grafen
                                                                                                                             Adolf (1368-1391) geschenkt bekommen
                                                                                                                             hatte und der ihr sozusagen privatrechtlich
                                                                                                                             gehörte,8 ein Bestandteil des Amtes Kleve.        Abb. 4. Der Bereich des Alten Parks in der Karte von Senhem
Abb. 3. Die Stadt Kleve und ihr Umfeld, mit der klevischen Feldmark und die gemeinsamen Besitzungen und Rechte der Bürger.
                                                                                                                             Südlich schloss sich der Reichswald mit           bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1
Friedrich Gorissen, Städteatlas Kleve, Kleve 1952, S. 58

12                                                                                                                                                                                                                                     13
Alter Tiergarten - Klevischer Verein
keine genaue Darstellung der alten Situation.
Wohl ist hier als Aktualisierung die Ergän-
zung „jetzo Domainen“, die sich auf die
Galleien bezieht, hinzugefügt worden.
Jenseits der Wetering liest man den Namen
„Freudenberg“. Das war der ansonsten erst-
mals im Jahr 1651 erwähnte neue Name des
Ruisbergs, den Johann Moritz mitsamt dem         Abb. 5. Der Bereich des Neuen Tiergartens in der Karte von
                                                 Senhem bzw. Merner. Ausschnitt aus Abb. 1
darauf befindlichen Hof kürzlich erworben
hatte. Auf ein weiteres, damit zusammen-         von Gent“ sichtbar und weiter in Richtung
hängendes Projekt von Johann Moritz ver-         Donsbrüggen Besitz des Klosters Gnaden­
weist die Angabe: „olim Spielenbergh, jetzo      thal, das übrigens bereits 1603 von den
Meijerhoff“.11                                   Augustiner Chorherren verlassen worden
     Es ist übrigens bemerkenswert, dass in      war. In diesem Bereich liest man als Aktuali-
dieser Karte auf der Südseite der Stadt öst-     sierungen „anjetzo Thiergarten“ und „anjetzo
lich des Hagschen Tors ein zweites Feldtor in    zum Kgl. Thiergarten gehörig“.13
Form einer breiten doppeltürmigen Anlage            Aus all dem ergibt sich zweierlei. Auf der
mit Spitzdächern dargestellt ist. An dieser      Ebene des öffentlichen Rechts hat Johann
Stelle stand 1650, als Frans von Senhem die      Moritz sich über alte Grenzen hinweggesetzt                  Abb. 6. Die Stadt Kleve und die Parkanlagen in ihrem Umfeld. Karte von Michael Buyx, 1829. Niederrheinisches Museum für
                                                                                                              Volkskunde, Kevelaer
Karte zeichnete, noch ein mittelalterlicher      und Maßnahmen ergriffen, die den Rahmen
Stadtturm, der Buerensturm, der im Herbst        der Stadt bzw. Stadtfreiheit sprengten. Er                   zeichnen sich hier die Dimensionen ab. Ich                      der Bürgergemeinde und waren vorwiegend
1651 einstürzen sollte. Bald darauf wurde        wirkte bis in die Feldmark und in das sons-                  nenne als Eckpunkte zum einen den Stern-                        landwirtschaftlich geprägt. Die Schaffung
hier das Nassauer Tor errichtet. Möglicher-      tige landesherrliche Amt Kleve hinein und                    busch mit Freudenberg und den Anlagen in                        der Residenzlandschaft stand einer Trans-
weise benutzte man dazu verbliebene Teile        nahm im Bereich des Alten Parks ein Projekt                  Berg und Tal im Südosten und zum anderen                        formation solcher alten Verbindungen gleich,
des Vorgängerbaus, denn auf den vorhande-        in Angriff, das sogar über die Amtsgrenze                    den Neuen Tiergarten mit Tiergartenwald,                        wie sich gerade auch anhand der Sichtach-
nen Abbildungen, deren älteste den Zustand       hinweg bis in das Amt Kleverhamm hinein-                     Wasserburg und Schloss Gnadenthal, für das                      sen, Alleen und points de vue zeigen lässt.
im Winter 1653/54 zeigt, sieht man einen         ragte. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass             Johann Moritz zumindest Pläne hatte, im
Einzelturm, durch den das eigentliche Tor        Johann Moritz bei seinen Projekten auf der                   Nordosten. Der Charakter Kleves als fürstli-                    4. Sichtachsen, Alleen und
hindurchführte. Diesem Turmbau ähnelt das        Ebene des Privatrechts mit einer Vielzahl an                 che Residenz zeigt sich hier im Kartenbild                      points de vue
in der Karte dargestellte Tor in keiner Weise.   Besitzern konfrontiert wurde. Wir wissen,                    sehr nachdrücklich und in einem Bereich,                            Point de vue bedeutet im Französischen:
Da wir kein weiteres Stadttor in diesem          dass er deren Besitzungen manchmal recht-                    der weit über die Stadtgrenzen hinausreicht.                    Punkt, von dem aus man schaut, also Aus-
Bereich kennen, muss man wohl schließen,         mäßig durch Kauf oder Tausch erworben hat,                   Johann Moritz hat also zu Kleve eine neue                       sichtpunkt.17 In der architektonischen Fach-
dass die Karte eine nachträglich eingefügte      aber dass er auch andere Methoden nicht                      räumliche Struktur geschaffen. Diese kann                       sprache ist ein point de vue dagegen ein
und nicht realistische Darstellung des Nas-      scheute.14                                                   man als Residenzlandschaft              bezeichnen.16           Blickpunkt, auf dem man schaut, ein Blick-
sauer Tors bietet.12                                Wenn wir jetzt zum Vergleich die Karte der                Funktional gehörte diese zur Stadt, die ihr                     fang in einer Straßen- oder Gartenachse.18
     Schauen wir uns jetzt den Bereich des       Stadt Kleve und ihrer Parkanlagen des                        Herzstück bildete, aber viele Elemente dieser                   Points de vue in diesem Sinne hat Friedrich
Neuen Tiergartens an [Abb. 5]. Hier ist die      Geometers Michael Buyx von 1829 heranzie-                    Struktur lagen außerhalb der Stadtgrenzen.                      Gorissen bereits für das Mittelalter ausge-
alte Landschaft mit den bisherigen Besitzern     hen, bekommen wir einen Eindruck vom                         Im Bereich der Feldmark und darüber hinaus                      macht, zum Beispiel Kirchtürme, die als
dargestellt worden. Im Bereich des Amphi­        Gesamtumfang der Maßnahmen zur Land-                         hatte es zuvor auch bereits Stadt-Land-Ver-                     Orientierungspunkt für Rodungen dienten.19
theaters sieht man neben dem Waayenberg          schaftsgestaltung von Johann Moritz15 [Abb.                  bindungen gegeben, aber diese basierten                         Man darf auch den vorhin erwähnten Baum
den „Spring“ als kleinen Strom. Es ist auch      6]. Zwar kann man nicht alle dort sichtbaren                 vielfach auf Privatbesitz von Bürgern oder                      „Dicker Muennick“, der als Orientierungs-
noch der „Gentzhoff“ mit Besitz der „Junfer      Anlagen ihm zuschreiben, aber immerhin                       auf Kommunalbesitz und gemeinsame Rechte                        punkt für die Bestimmung der Südgrenze der

14                                                                                                                                                                                                                                      15
Alter Tiergarten - Klevischer Verein
Feldmark Kleve diente, als point de vue                                                                         das volle Nutzungsrecht an diesem Besitz,         ab. Die primäre Bedeutung von Allee ist wohl
betrachten.20 Sowohl für die points de vue                                                                      als Unterpfand für eine Schuld von 50.000         Gehweg. In der berühmten französischen
wie für die Sichtachsen gilt, dass man sie in                                                                   Reichstalern wegen Kostbarkeiten, die er          ‚Encyclopédie‘ von Diderot und d‘Alembert
manchen Fällen bereits in der Landschaft                                                                        dem Kurfürsten geliefert hatte. Die Güter         findet man unter ‚Allée‘ lediglich die Angabe:
vorfand, sei es als naturgegebene Objekte,                                                                      sollten dem Kurfürsten aber wohl zur Verfü-       term d‘architecture, d.h. architektonischer
wie z.B. auffällige Bäume oder Felsen, sei es                                                                   gung stehen, wenn er in Kleve residierte.         Begriff.25 Daneben gibt es dort aber einen
von Menschenhand geschaffen, wie z.B. die                                                                       Vierzehn Jahre später, 1666, galt die Schuld      viel ausführlicheren Artikel ‚Allées de jardin‘
bereits genannten Kirchtürme. Man konnte                                                                        des Kurfürsten als beglichen und damit            (Alleen in Gartenanlagen). Hier werden zahl-
aber auch selbst neue schaffen. Bei Johann                                                                      erlosch im Prinzip das Nutzungsrecht von          reiche Varianten beschrieben: die einfache
Moritz lassen sich verschiedene Varianten          Abb. 7. Die Columna von Johann Moritz von Nassau-Siegen
                                                                                                                Johann Moritz. Bald zeigte sich jedoch, dass      Allee mit zwei und die doppelte mit vier
feststellen. Im Falle der Nassauer Allee           auf dem aufgeworfenen Hügel Kiek-in-de-Pot. Ausschnitt aus   der Unterhalt des Neuen Tiergartens, den          Baumreihen, grüne, zugedeckte und offene
                                                   dem Einblattdruck Ducatus Clivensis mit Stadtansichten von
diente der Dachreiter der Klever Stiftskirche                                                                   Johann Moritz auf eigene Kosten angelegt          Alleen, hoch- und tiefgelegene Alleen, Alleen
                                                   Henrick Feltmann, 1660-1663. Stadtmuseum, Köln
als point de vue, in anderen Fällen orientier-                                                                  und dann 1662 dem Kurfürsten geschenkt            in Hanglage, die perspektivische Allee und
ten Anlagen sich an Hügelspitzen. Diese            Anblicken, für seinen Herrn in Besitz.21 Erbli-              hatte, die kurfürstliche Amtskasse überfor-       die Wasserallee.
wurden mehrfach künstlich erhöht, wie z.B.         cken stand hier also fast Beherrschen gleich.                derte. Deshalb wurde am 26. August 1667 ein          Wichtig ist hier die generelle Verbindung
die Spitze des Sternbergs. Am bemerkens-           Zweifellos hat dieser Gedanke auch bei den                   Vertrag geschlossen, mit dem Johann Moritz        von Allee und Garten. Denn dem Garten
wertesten sind die neu geschaffenen points         Sichtachsen von Johann Moritz eine Rolle                     sich zur Pflege dieser Anlage verpflichtete.      wurde bereits im Mittelalter vielfach eine
de vue, wie etwa das Trophäendenkmal               gespielt, zumal dieser zumindest im Falle                    Dafür erhielt er das Nutzungsrecht sowohl         große symbolische oder allegorische Bedeu-
Cupido am Ende der Nassauer Allee oder die         der Columna, die er auf dem künstlich aufge-                 des Neuen Tiergartens wie des Alten Parks         tung beigemessen. Von seiner Grundbedeu-
Mars-Statue am Amphitheater.                       worfenen Hügel ‚Kiek in de Pot‘ errichten                    (Freudenberg und Freudenthal)23. Man sieht:       tung her war es ein umzäunter, eingefriede-
     Es stellt sich die Frage, was Johann Moritz   ließ, einen point de vue installierte, der u.a.              eine sehr wechselvolle und nicht ganz ein-        ter Ort.26 Von daher galt er auch als sicherer
mit seinen Sichtachsen und points de vue           wegen des Monogramms JM an sich schon                        deutige Geschichte, wobei Johann Moritz           Ort, Ort des Friedens. Außerdem lautet ein
bezweckte. Natürlich spielten hier ein erhoff-     als Herrschaftszeichen zu betrachten war22                   faktisch die meiste Zeit über die Güter verfü-    Kernsatz im eben zitierten Artikel der ‚Ency-
ter Überraschungseffekt und ästhetischer           [Abb. 7]. Insofern die points de vue nicht                   gen konnte. Insofern er zumindest das Nut-        clopédie‘ (übersetzt): „Die Alleen eines Gar-
Genuss eine Rolle. Aber es ist noch ein wei-       wirklich im eigenen Herrschaftsbereich                       zungsrecht hatte, konnte er wohl auch seine       tens sind wie die Straßen einer Stadt; es sind
terer Aspekt zu beachten. Ich bringe zur           lagen, ordneten sie diesen zumindest geo-                    eigenen Herrschaftszeichen einsetzen. Die         gerade und parallele Wege, eingesäumt von
Erläuterung eine Begebenheit aus dem               graphisch ein.                                               Position des Statthalters glich dann der des      Bäumen, von Sträuchern, von Rasen usw.
Anfangsjahr des klevischen Erbfolgestreits            Doch spätestens an dieser Stelle muss                     Lehnsmanns in einem feudalen Verhältnis,          (…).“27 Unausgesprochen werden hier die
(1609) in Erinnerung. Damals ergriff Stephan       gefragt werden, um wessen Anlagen es sich                    der die Lehnsgüter mit seinem eigenen             wohlgeordneten Alleen eines Gartens und
von Hertefeld zum Kolk als Bevollmächtigter        hier handelte: Gehörten sie dem Statthalter                  Wappen versehen durfte. Johann Moritz ist         die Straßen einer Stadt gemeinsam den offe-
des Kurfürsten von Brandenburg, Johann             oder dessen Herrn, dem Kurfürsten Fried-                     hier auch nicht als einfacher Privatmann zu       nen und auch nicht geraden Landstraßen
Sigismund, Besitz des Klever Landes. Nach-         rich Wilhelm von Brandenburg (1640-1688)?                    betrachten: Er war ein Fürst, der sich als        gegenübergestellt. Somit kann man feststel-
dem er am 4. April u.a. durch Anschlagen des       Wie komplex die Beantwortung dieser Frage                    solcher präsentierte.                             len: Die Anlage von Alleen verschaffte der
brandenburgischen Wappens an einigen               ist, möchte ich am Beispiel des Alten Parks                     Wenden wir uns den Alleen zu. Der              Landschaft den Charakter eines wohlgeord-
Toren symbolisch Besitz von der Klever Burg        zeigen. In diesem Bereich hat Johann Moritz                  Kunst-Brockhaus definiert sie als: „2 oder        neten und friedlichen Gartens.
und von der Stadt Kleve ergriffen hatte, ritt er   bereits 1650 den späteren Freudenberg mit                    mehr parallel verlaufende Baumreihen an
mit Notar und Zeugen zum Kermisdahl,               dem Meyerhof und weiteren Besitz erwor-                      Straßen und Wegen“24. Das ist eine oft über-      5. Kleve und Den Haag
zeigte von einer hohen Stelle über dem Hang        ben. Im darauffolgenden Jahr bot er diesen                   nommene, aber eigentlich nicht wirklich              Diese Einsicht lässt sich durch einen Ver-
auf die Städte Griethausen und Kalkar, auf         Komplex dem Kurfürsten zum Kauf an und                       zutreffende und auf jeden Fall auch sehr          gleich von Kleve mit Den Haag vertiefen. Die
die Burg Monterberg und auf das sonstige           der akzeptierte dieses Angebot am 5. Okto-                   verkürzte Definition. Das Wort Allee ist offen-   beiden Städte verband viel. Den Haag war
von dort aus sichtbare Klever Land und nahm        ber 1651. Knapp ein Jahr später, am 21. Sep-                 sichtlich französischer Herkunft. Es leitet       eine alte landesherrliche Residenz, wie
es visu et aspectu, d.h. durch Sehen und           tember 1652, erhielt Johann Moritz jedoch                    sich vom französischen Wort aller = gehen         Kleve: Im Spätmittelalter hatten dort die

16                                                                                                                                                                                                            17
Grafen von Holland residiert und in der                      manchmal fast wie seine Exil-Residenz: Zwei
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Den                   Töchter von Friedrich Heinrich begingen hier
Haag die Residenz des niederländischen                       ihre Hochzeit und sein Enkel, der künftige
Statthalters.28 Dieser war in der jungen                     Statthalter Wilhelm III. (1672-1702), war hier
Republik, die aus dem niederländischen Auf-                  gelegentlich bei seinem Onkel, dem Großen
stand gegen den König von Spanien hervor-                    Kurfürsten, zu Gast.29 Auch dessen klevi-
gegangen war, zwar formell ein Diener der                    scher Statthalter Johann Moritz von Nas-
Generalstaaten, aber in der Praxis erwarben                  sau-Siegen war mit dem Haus Oranien-Nas-
die Prinzen Moritz (Statthalter von 1585 bis                 sau verwandt und Prinz Moritz von
1625) und vor allem Friedrich Heinrich (1625-                Oranien-Nassau war sein Taufpate gewesen.
1647) von Oranien-Nassau einen quasi-mon-                    Die Karriere von Johann Moritz hatte in Den
archischen Status. Kurfürst Friedrich Wil-                   Haag angefangen und er hatte hier ab 1633
helm von Brandenburg, der damals zwar                        ein eigenes, sehr prominentes Domizil bauen
noch nicht formell anerkannte, aber wohl                     lassen: das heutige Museum Mauritshuis
faktische klevische Landesherr, heirate 1646                 [Abb. 8]. Bekanntlich hat Johann Moritz im
Louise Henriette, Tochter des niederländi-                   Oktober 1647, zu Anfang seiner Zeit als kle-
schen Statthalters Friedrich Heinrich und                    ve-märkischer Statthalter, den Klever Bür-
nachdem das Haus Oranien-Nassau ab 1650                      germeister Dr. Johan Nieß bei einer ersten
in der Repu­blik vorübergehend in das politi-                Unterredung auf dem Schloss auf das Bei-
                                                                                                              Abb. 9. Das Voorhout in Den Haag. Stich von Cornelis Elandts, 1668. Collectie Haags Gemeentearchief
sche Abseits geraten war, diente Kleve                       spiel der Alleen in Den Haag hingewiesen,

                                                                                                              das sich im Bereich des Klever Stadtbergs                            Johann Moritz kannte das Voorhout zwei-
                                                                                                              nachahmen ließe.30 Er muss dabei konkret                         fellos sehr gut. Möglicherweise gilt das auch
                                                                                                              das sogenannte Voorhout in Den Haag vor                          für die Lobgedichte der Haager Dichter
                                                                                                              Augen gehabt haben. Im Mittelalter war                           Constantijn Huygens, seines dortigen Nach-
                                                                                                              dieses Voorhout ein Ausläufer eines Waldes                       barn, und Jacob van der Does auf diese Allee.
                                                                                                              bei der damaligen holländischen landes-                          Auf jeden Fall erwähnt Christoffel de Vries
                                                                                                              herrlichen Residenz gewesen. Margarete von                       sie in seinem Büchlein ‚Den Cleefschen Lust-
                                                                                                              Kleve, Ehefrau von Albrecht von Bayern und                       hoff‘, das er 1698 beim Klever Drucker Tobias
                                                                                                              Gräfin von Holland († 1411), hatte den Domi-                     Silberling drucken ließ, bei der Beschreibung
                                                                                                              nikanern 1403 hier den Bau eines Klosters                        der Nassauer Allee.32 Huygens, der bislang
                                                                                                              ermöglicht und seitdem war das Gebiet all-                       nur lateinische Gedichte verfasst hatte, wid-
                                                                                                              mählich dichter bewohnt worden. Unter dem                        mete 1621 sein erstes Gedicht in niederlän-
                                                                                                              damaligen Landesherrn Kaiser Karl V. hatte                       discher Sprache dem Voorhout: ‚Batava-­
                                                                                                              man hier 1539 Baumreihen angepflanzt,                            Tempe, dat is ‚t Voorhout‘. Dieses war ein eher
                                                                                                              wodurch eine Allee entstanden war, deren                         konventionelles Lobgedicht, dass das Voor-
                                                                                                              Schönheit bereits von Lodovico Guicciardini                      hout mit dem altgriechischen idyllischen Tal
                                                                                                              (1521-1589) gelobt wurde. Im frühen 17.                          Tempe verglich. Trotz seiner großen Länge
                                                                                                              Jahrhundert besaß das Voorhout städtischen                       enthielt es wenig konkrete Bezüge zu der
                                                                                                              Charakter und an der Allee standen viele                         Haager Allee, sondern verband vielmehr die
                                                                                                              vornehme Häuser31 [Abb. 9].                                      Zyklen der Jahreszeiten und der Tageszeiten
                                                                                                                                                                               in poetischer Weise mit den Lebensphasen
                                                                                                                                                                               des Menschen, insbesondere der Frau.33
Abb. 8. Plan von Den Haag im 17. Jahrhundert. Bert Thissen

18                                                                                                                                                                                                                         19
Für uns ist ein viel kürzeres lateinisches   dert in Form des Neustoizismus stark aufge-                                                            sche Stimme hatten (die ‚Generaliteitslan-
Gedicht von Huygens interessanter.34 Dieses       lebt und hatte sowohl die Ethik wie das Staats-                                                        den‘, global genommen die heutigen
verfasste er 1631 anlässlich der Anpflanzung      denken und die Heeresreformen der Nassauer                                                             Provinzen Drenthe und Noord-Brabant sowie
von weiteren Linden entlang des Voorhout          geprägt.35 Allerdings ist im Gedicht die Rede                                                          Teile von Limburg), sowie einen Gürtel von
auf Anordnung des Statthalters Friedrich          von der Stoa des Kuckucks (στόα cuculli) und                                                           Festungen, der von der Nordseeküste in der
Heinrich.                                         das gibt dem Ganzen eine ironische Wende.                                                              Provinz Zeeland bis zur Wattenküste in der
                                                  Denn der Kuckuck war nicht irgendein Vogel,                                                            Provinz Groningen reichte40 [Abb. 10]. Die auf
 In Anteriorem Hagae Sylvam principis
                                                  der in den Linden hauste, sondern er galt als                                                          klevischem Hoheitsgebiet angelegte Festung
 nuper jussu frequentiori tilia consita.
                                                  Symbol des Betrugs. Im früheren Lobgedicht                                                             Schenkenschanz war ein Bestandteil dieses
 Hagae delicium, cantatae frondis amictu,         von Huygens war er der Vogel, der auf Ehebe-                                                           Gürtels, dem im Übrigen weitere niederlän-
 Saepe poetarum laurea, semper amor,              trug pochte.36 Das Voorhout, das in diesem                                                             dische Festungen entlang Maas und Rhein
 Nobilis, et non hac deliri, στόα cuculli,        früheren Gedicht u.a. als „Joffrou-rack“, d.h.                                                         vorgelagert waren. Hierzu zählten die Fes-
 Rara diu prisco sylua decore steti;              Jungfernallee, bezeichnet wurde, war also                                                              tungen mit niederländischen Garnisonen in
                                                  nicht nur ein Ort der philosophischen Besin-                                                           rechtsrheinischen Städten wie Emmerich,
 Et placui simplex Batauis: si digna videri
                                                  nung, sondern auch – oder vielmehr – ein                                                               Rees und Wesel und auch die linksrheinische
 Nassauijs vellem, ter triplicanda fui.
                                                  Schauplatz vieler Flirts und Liebesabenteuer.                                                          Festung zu Büderich.
 Hinc, spatijs multo nuper quicunque              Mit der Nassauer Allee in Kleve verhielt es                                                              Es ist offensichtlich, dass das Herzogtum
 repletis,                                                                                          Abb. 10. Grenzfestungen der Republik. Bert Thissen
                                                  sich übrigens wohl nicht völlig anders, denn                                                           Kleve als Pufferstaat innerhalb dieses nie-
 Spissior aestiuos arceo tota canes.              dies war nach einer Angabe aus dem Jahre
                                                                                                       Bei den Alleen und Gartenanlagen in Den           derländischen Sicherheitssystems diente.
 Quid non Auriaco metuant victore Brabanti,       1731 der Ort wo „het Kleefse juffrouwschap                                                             Dadurch wurde man hier aber auch gewis-
                                                                                                    Haag und Kleve zeigte sich fürstliche Macht
 Gloria cui Syluae non satis una fuit?            uyt wandelen gaat“.37                                                                                  sermaßen vom mächtigen Nachbarn geschützt
                                                                                                    jedoch nicht nur im Sinne von Gestaltungs-
 Constantijn Huygens, 9. April 1631                  Die beiden letzten Zeilen des lateinischen     kraft und Durchsetzungsvermögen, sondern             und nicht zuletzt deswegen glaubten die
                                                  Gedichts von Huygens zum Voorhout stellen         auch als effektive Schutzherrschaft. Die             klevischen Landstände weitgehend auf
     Das Voorhout präsentiert sich in diesem      einen Bezug zur damaligen Zeitgeschichte          beiden Residenzen kannten keine moderne              eigene moderne Festungen verzichten zu
Gedicht als ehemaliger Wald (sylva), der als      dar. Es wird rhetorisch gefragt, wieso die Süd-   Befestigung. Den Haag war im Mittelalter als         können. Dem Großen Kurfürsten vergönnten
solcher lange Zeit gestanden und den alten        niederländer (Brabanti) sich nicht vor einem      Dorf zur landesherrlichen Residenz gewor-            sie lediglich die Anlage einer einzigen Lan-
Nordniederländern (Batavi) genügt hatte. Um       siegreichen Oranier (Auriaco … victore) fürch-    den und hatte im Laufe der Zeit baulich teil-        desfestung in Kalkar ab 1656. Die dortige
den Nassauern würdig zu sein, musste die          teten, dem ein einziger ‚Waldsieg‘ (Gloria        weise einen städtischen Charakter gewon-             Zitadelle ist jedoch nie in Betrieb genommen
Anlage aber beträchtlich erweitert werden         Sylvae … una) nicht genügte. Hier wird daran      nen, aber der Ort hatte niemals den                  und 1674 wieder geschleift worden.41
(ter triplicanda). Und jetzt, da viele Löcher     erinnert, dass der niederländische Statthalter    Rechtsstatus einer Stadt erhalten. Formell             Die Stadt Kleve hatte im Gegensatz zu Den
geschlossen waren, bot sie in verdichteter        Friedrich Heinrich 1629 nach langer Belage-       galt er als Landgemeinde und als solche ver-         Haag mittelalterliche Stadtmauern und
Form vollkommenen Schutz vor der Sommer-          rung die Stadt Herzogenbusch (Sylvae ducis)       fügte er nicht über eine Stadtmauer. Bestre-         wurde außerdem seit der Zeit Herzog Adolfs
hitze (spissior aestivos arceo tota canes, wohl   eingenommen hatte. Diese Eroberung galt als       bungen zu einer Befestigung im ausgehen-             († 1448) von Landwehren geschützt. Beide
Anspielung auf die Hundstage). Das Voorhout       wichtiger Sieg der Republik im Achtzigjähri-      den 16. und frühen 17. Jahrhundert hatten            verloren jedoch ab dem 17. Jahrhundert
wird hier außer als Haager Kleinod (Hagae         gen Krieg gegen Spanien und hat viel zum          lediglich zu der Anlage von Wassergräben             weitgehend ihre militärische Bedeutung. Der
delicium) u.a. auch als edle Stoa (Nobilis …      Ruhm Friedrich Heinrichs als ‚Stededwinger‘       geführt.39    Ansonsten vertraute man für die        Große Kurfürst drängte im Sommer 1651
στόα) bezeichnet, womit die Linden entlang        (Bezwinger von Städten) beigetragen. Das          Sicherheit der niederländischen Residenz             noch auf eine Instandsetzung der Mauern.
der Allee implizit mit griechischen Säulen        Gleichnis ist klar: In beiden Fällen, bei der     zunehmend auf das großräumige Verteidi-              Diese wiesen damals u.a. beim früheren
verglichen werden. Man wird aber auch an die      Umgestaltung des Voorhout wie bei der             gungssystem der Republik. Dieses umfasste            Haus von Johann Wier am Kermisdahl, beim
Stoa im antiken Athen als Geburtsort der stoi-    Eroberung von Herzogenbusch, hatte der Ora-       eine militärische Pufferzone von Gebieten im         Bollwerk Netelenhorst und beim Ravensturm
schen Philosophie erinnert. Diese Philosophie     nier einen Wald (sylva) bezwungen.38 In beiden    Süden und Osten, die der Autorität der Gene-         Schwächen auf, die repariert werden sollten.
war in den Niederlanden ab dem 16. Jahrhun-       Fällen hatte er als Fürst Macht demonstriert.     ralstaaten unterstanden, aber keine politi-          Außerdem hatten Privatpersonen an ver-

20                                                                                                                                                                                                  21
durch den Umfang der neuen fürstlichen                    Kirchtürme der Umgebung und den Elten-
                                                                                                                             Besitzungen, aus denen später königlich                   berg. Meist sind es hohe Beamte der klevi-
                                                                                                                             preußischer Fiskalbesitz werden sollte,                   schen Regierung, die auf diese Weise das
                                                                                                                             erheblich reduziert. Damit gingen Änderun-                Werk des Prinzen auf ihren Landgütern wei-
                                                                                                                             gen in der Landnutzung und ein anderes                    terführen.“45 Über fürstliche Gäste und sons-
                                                                                                                             ‚Erleben’ der Landschaft einher: Das bislang              tige Besucher wird das Beispiel auch in
                                                                                                                             vorwiegend landwirtschaftlich genutzte                    andere Regionen verbreitet. Ich denke hier-
                                                                                                                             Gebiet wurde teilweise zum Erholungsraum                  bei z.B. an den Rand der Veluwe mit seinen
                                                                                                                             und zu einer ‚Vorzeige-Landschaft‘, die als               vielen Adelssitzen, das ‚Geldrische Arka-
                                                                                                                             solche viel bewusster wahrgenommen wurde                  dien‘.46
                                                                                                                             als bisher. Mit ihrer neuen Ordnung und in                   In Kleve wurden die Anlagen von Johann
                                                                                                                             ihrer fast demonstrativen Wehrlosigkeit                   Moritz, die nach seinem Tode Fiskalbesitz
                                                                                                                             diente diese Landschaft nunmehr als Symbol                wurden, vom Nachfolger des Großen Kur-
                                                                                                                             guter Herrschaft.44                                       fürsten beträchtlich erweitert. Es handelt
                                                                                                                                                                                       sich hier um Kurfürst Friedrich III., der, bevor
                                                                                                                             6. Die spätere Zeit
                                                                                                                                                                                       er 1688 die Nachfolge seines Vaters antrat,
                                                                                                                                 Die Anlagen von Johann Moritz haben, wie              bereits der Nachfolger von Johann Moritz als
                                                                                                                             eingangs bereits betont wurde, Kleve nach-                Statthalter in Kleve gewesen war. Bekannt-
                                                                                                                             haltig geprägt. Ein Thema, das noch der sys-              lich sollte er ab 1701 bis 1713 als König in
                                                                                                                             tematischen Erforschung harrt, sind die                   Preußen regieren.
Abb. 11. Das Herzogtum Kleve mit der Herrschaft Ravenstein, Karte von Johan Blaeu, 1643. Die befestigten klevischen Städte
                                                                                                                             Nachahmungen durch Privatpersonen.
                                                                                                                                                                                          Er gestaltete 1692 die alte, breite und
mit niederländischen Garnisonen am Rhein sind farblich hervorgehoben. Stadtarchiv Kleve                                      Gorissen schreibt dazu im Städteatlas Kleve:
                                                                                                                                                                                       unregelmäßige Straße nach Materborn zu
                                                                                                                             „Die Dorffluren von Materborn und Hau
schiedenen Stellen Türen in sie eingebaut.                       Haag und die Parks und Alleen von Johann                                                                              einer Allee um und verband mit ihr zwei neue
                                                                                                                             werden mit einem Netz von Alleen über-
Diese sollten zugemauert werden. Jedoch                          Moritz in Kleve, die die Stadt fast nahtlos mit                                                                       Alleen, die über „den Rücken des Clevischen
                                                                                                                             spannt, welche immer wieder die bedeuten-
stürzte, wie wir bereits gesehen haben,                          ihrer Umgebung verbanden, überhaupt in                                                                                Bergs“ führende Schlossallee, die heute Bra-
                                                                                                                             den Landschaftsmarken zu Points-de-vue
wenige Monate später der Buerensturm ein                         dieser Form existieren konnten, denn Fes-                                                                             banterstraße heißt, und die Königsallee, die
                                                                                                                             haben, den Schwanenturm, den Mühlenberg,
und dieser wurde von einem neuen Stadttor,                       tungsanlagen hätten Stadt und Land eindeu-                                                                            vom Klever Berg in Richtung Bresserberg
                                                                                                                             die Hagsche Linde, den Kleverberg, auch die
dem Nassauer Tor, ersetzt. Damit setzte                          tig getrennt. Gleichzeitig konnten die nicht                                                                          und danach hinunter zur Materborner Allee
endgültig die Entfestigung der Stadt ein.42                      befestigten Residenzen auch als Zeichen der                                                                           verläuft. Insgesamt entstand so eine ‚Ringal-
Kleve und die weiteren klevischen Städte                         fürstlichen Macht gelten: Das Land wurde                                                                              lee‘. Daneben sind die Lindenallee und eine
verloren in dieser Zeit ihre militärische                        vom Fürsten so gut gesichert, dass für die                                                                            Allee, die teilweise dem Verlauf der heutigen
Bedeutung zu Gunsten des Staates. Dazu                           Residenz keine besonderen Schutzmaßnah-                                                                               Nimweger Straße folgte, sowie die Xantener
passt, dass der preußische König ihnen 1713                      men erforderlich waren. Gewissermaßen                                                                                 Allee zu nennen.47
die Akzisen entzog, denn diese Verbrauchs-                       kündigte sich hier – frei nach Thomas Mann                                                                               Die Alleen und sonstigen Anlagen von
steuern waren im Mittelalter als städtische                      – die ‚machtgeschützte Innerlichkeit‘ im                                                                              Johann Moritz zogen bereits früh fremde
Einkommensquellen zur Finanzierung der                           modernen Obrigkeitsstaat an.43                                                                                        Besucher an. Der preußische Ortskommis-
Stadtmauern eingeführt worden.                                      Die Transformation der Stadt-Land-Ver-                                                                             sar Samuel Schmettach erwähnt z.B. in
     Die beiden nicht befestigten Residenz-                      bindungen durch die Anlage der Gärten von                                                                             einem Bericht aus dem Jahre 1722 die „weit
städte Den Haag und Kleve stellten sozusa-                       Johann Moritz mit ihren Alleen, Sichtachsen                                                                           und breit berühmten Alleen“ aus der Zeit des
gen das weiche Herz ihres jeweiligen Landes                      und points de vue war also grundlegend. Die                                                                           Statthalters Johann Moritz und merkt an,
                                                                                                                             Abb. 12. Die großen Parks und Alleen in Kleve und
dar. Das war einerseits eine Voraussetzung                       Anteile des Privatbesitzes und des Kommu-                   Umge­bung, 1730. Friedrich Gorissen, Städteatlas Kleve,
                                                                                                                                                                                       dass die dadurch geschaffene „vortreffliche
dafür, dass Anlagen wie das Voorhout in Den                      nalbesitzes im Umfeld der Stadt wurden                      Kleve 1952, S. 69                                         Situation“ der Stadt „viele Fremde zur curi-

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