Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
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D I E Z E I T S C H R I F T D E S K I N D E R S C H U T Z B U N D E S 3 . Q UA R TA L 2 0 1 9 / H 8 7 6 3 F KINDERSCHUTZ A K T U E L L 3.19 Smartphone Mobile ANSICHTEN Kinder und Jugendliche nutzen ihr Smartphone W auf Schritt und Tritt. Wie positioniert sich der WW DE .DK SB. DKSB dazu? Und was rät er Eltern?
Konzept/Texte: Swaantje Düsenberg -- Gestaltung: Rudolf Schwanke -- istockphoto/ericcote Medien dksb.de Der Kinderschutzbund fördert den kritischen und selbstbestimmten Umgang von Kindern mit dem Internet und den sozialen Netzwerken. KOMPETENZ „Hör mal, Hänsel und Gretel haben sich im Wald verirrt.“ – „Weiß doch jeder. Die hatten ja auch kein Navi auf’m Handy.“ HEUTE KÖNNEN SICH KINDER IM INTERNET VERIRREN. DA LAUERN AUCH GEFAHREN. MEDIENKOMPETENZ SCHÜTZT KINDER. SORGEN WIR DAFÜR! DER KINDERSCHUTZBUND
Mobile Ansichten Diese KSA-Ausgabe zum Thema „Smartphone“ hat ein erstaunliches Eigenleben entwickelt. Warum? Weil eindeutige Antworten auf wichtige Fragen nicht locker aus dem Ärmel zu schütteln waren, sondern zu immer neuen Fragen führten. Wieso fasziniert uns das Smartphone so? Was machen Kinder und Jugendliche damit? Verändert die Smartphone-Nutzung Beziehungen? Beeinträchtigt sie die Entwicklung von Kindern? Was sagt die Wissenschaft dazu? Wie setzt sich der Kinderschutzbund mit dem Thema auseinander? Was rät er verunsicherten Eltern? Kann er hier innerverbandlich Meinungsvielfalt tolerieren oder sollte er zu einer übereinstimmenden Haltung kommen? Wer viel fragt, bekommt viele Antworten – und die können durchaus unterschiedlich sein. In diesem Sinne stecken in diesem Heft viele Gedankenangebote, die im DKSB weiterdiskutiert werden können. INHALT 3.2019 18 KLIPP & KLAR 4 THEMA Kolumne, Leserbriefe, Kinderrechte 6 Internet to go Was kann das Smartphone alles? 8 Nicht ohne mein Smartphone! 9 Kinderansichten über den kleinen „Alleskönner“ 11 Sammelwut & Datenkraken Der Preis für die Internetnutzung Kindersicht DKSB-Sicht 12 Fluch oder Segen? Nora Brockamp ist Medienpädagogin, Joachim Türk ist „Onliner der ersten Eltern in der Zwickmühle Stephan Knorre Social Media Manager. Stunde“ und engagierter Kinderschützer. 14 Frühe Kindheit Beide haben diese KSA-Ausgabe sowohl Ihn beschäftigt die Frage, wie sich der Wie SINN-VOLL sind digitale mitkonzipiert als auch mitgeschrieben. Kinderschutzbund zum Thema Smartphone Entwicklungshelfer? Sie stehen auf unterschiedliche Weise positioniert bzw. positionieren sollte. ständig in direktem Kontakt mit Kindern Deshalb fragt er: Wollen wir dazu kindge- 16 Aktion und Reaktion und haben mit ihnen über ihr digitales rechte Positionen als Gesamtverband? Medienkompetenz für Kinder Leben gesprochen. Ab Seite 8 Ab Seite 18 18 Frage an den DKSB Wollen wir kindgerechte Positionen als Gesamtverband? 20 Eltern, die auf Handys starren Plakat-Aktion in Ortsverbänden 21 Service Informationsquellen zum Thema 23 26 KINDER IM BLICK 23 Fridays for future Schulpflicht versus Grundrechte? Kinderschutztage 2019 24 Die machen Sachen! Die diesjährigen Kinderschutztage fanden in Berlin statt. Zur Eröffnung sprachen Kurz & bündig aus der DKSB-Praxis dort u.a. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sowie zwei Jugendliche zu Themen, 26 Kinderschutztage 2019 die sie bewegen. Im Anschluss stellte die Mitgliederversammlung dann wichtige Weichenstellung in Berlin Weichen für die weitere Verbandsentwicklung. Die Delegierten wählten nicht nur einen neuen Bundesvorstand, sondern beschlossen auch die Umbenennung 30 Aktuelles aus dem Bundesverband des DKSB in Der Kinderschutzbund. Ab Seite 26 31 Impressum
KOLUMNE KLIPP & KLAR LIEBE LESERINNEN UND LESER, LESERBRIEFE 4,4 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut. Hier eine Auswahl aus Zuschriften zu KSA-Artikeln. Ihre Familien sind ganz oder teilweise von Sozial- Schreiben auch Sie Ihre Meinung an die E-Mail: leistungen abhängig. ksa-redaktion@duesenberg-kontext.de Der Staat gibt Milliarden für kinder- und familien- Zu KSA 2.2019, Schwerpunktthema: Viel Gefühl – politische Leistungen aus, aber oft kommt das Geld Vom Umgang mit kindlichen Emotionen nicht bei jenen an, die es brauchen. Zwar gibt die Mehrdimensional überwiegende Mehrheit der Eltern Studien zufolge Ein kluges Heft mit viel Gefühl und Empathie für jeden zusätzlichen Euro für Bildung und Teilhabe Kinder! Es kreist das Thema mit vielen Aspekten ein ihrer Kinder aus. Viele sind aber von all den An- und spart auch die verbreitete elterliche Unsicher- trägen und Formularen überfordert oder verzichten heit nicht aus. Sehr aufschlussreich fand ich das Ge- aus Scham auf Hilfen, die ihnen zustehen. spräch über Schamgefühle. Die Expertinnen haben gut herausgearbeitet, wie mehrdimensional das Das Problem ist nicht neu, es besorgt und beschäftigt uns Kinder- Schämen ist. schützerInnen schon lange. Vor zehn Jahren haben wir, gemeinsam mit Larissa Worthers, Frankfurt anderen Sozial- und Familienverbänden, das Bündnis Kindergrund- Zu KSA 2.2019, Kinder im Blick: Jubiläum „65/25“ sicherung gegründet. Verschiedene Leistungen wie Kindergeld, Kinder- – Kein Kaffeeklatsch zuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket sollten in einer einzigen, unbürokratischen Zahlung aufgehen: in der Kindergrundsicherung. Kleine Korrektur Der Bericht über die DKSB-Feier in Hamburg hat Zehn Jahre lang haben wir uns dafür eingesetzt, haben neue Bündnis- mich in seiner Ausführlichkeit und Differenziertheit partner gewonnen, mit der Politik diskutiert und eine gesellschaftliche sehr erfreut. Dazu noch eine kleine Richtigstellung: Debatte angestoßen – mit Erfolg! Jetzt, im Jahr 2019, ist die Kindergrund- Es wird berichtet, die Hamburger Senatorin hätte in sicherung in Sichtweite. Die Grünen haben unlängst ein neues, eigenes ihrer Rede ausgespart, dass die Kinderrechte nicht Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgestellt, das unsere Idee in in der Hamburger Verfassung festgeschrieben sind. vielen Punkten aufgreift und von uns ausdrücklich begrüßt wurde. Zum Aussparen hatte sie jedoch keinen Grund, Das Konzept der Grünen ist ein wichtiger Beitrag, um die Debatte denn Hamburg hat eine reine Organisations-Ver- weiter voranzutreiben und die ZweiflerInnen zu überzeugen. fassung, in der es keine Grundrechte gibt. Man ver- weist dazu auf das Grundgesetz, das vorher da war. Die Grünen stehen mit ihren Plänen nicht allein da. Auch die Linken Insofern können in die Hamburger Verfassung auch sprechen sich schon länger für eine Kindergrundsicherung aus. Die SPD keine Kinderrechte hineingeschrieben werden. will noch in diesem Jahr ein eigenes Konzept vorlegen. In Nordrhein- Prof. Dr. Wulf Rauer, Ehrenmitglied des Westfalen hat die SPD-Fraktion im Landtag einen Antrag eingebracht, DKSB, Hamburg in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die Einführung einer Kindergrundsicherung auf Bundesebene mitzugestalten und dabei Tempo Zu KSA 1.2019, Schwerpunktthema: Wie gehts zu machen. Viele weitere Landesverbände der SPD unterstützen das. voran? Kinder im Straßenverkehr Die FDP denkt mit ihrem sogenannten „Kinderchancengeld“ in eine Unverantwortlich ähnliche Richtung und lässt sich auf eine Diskussion ein. Mit CDU und Ich finde es unverantwortlich von unserer Gesell- CSU wäre eine Umsetzung nach jetzigem Stand der Dinge schwieriger, schaft, die Kinder in diesem Verkehr „allein“ zu dort überwiegen die Zweifel an der Idee. lassen. Sie sind überfordert und bleiben im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. In der politischen Landschaft in Deutschland ist derzeit vieles in Be- Lösungsmöglichkeit 1: kostenlose öffentliche Ver- wegung. Wie die nächste Bundesregierung aussieht, kann noch niemand kehrsmittel vor allem im Nah- und Regionalverkehr. sagen. Wir bleiben deshalb dran, werben weiterhin für unsere Idee und Das regt deren Nutzung an und kann durch eine versuchen, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen: Die Kinder- CO2-Steuer finanziert werden. grundsicherung wird viel Geld kosten, aber sie wird unterm Strich auch Lösungsmöglichkeit 2: Ausbau der Ganztagsschule, viel Geld einsparen. Jeder Euro, den wir in unsere Kinder investieren, Unterrichtsbeginn erst um 9 oder 10 Uhr zahlt sich am Ende aus. Besser kann ein Staat sein Geld nicht anlegen. (wg. Dunkelheit im Winter sowie Unabhängigkeit Herzlichst, vom Berufsverkehr), Ausrichtung der Kindertages- Ihr Heinz Hilgers stätten darauf. Dafür braucht es die Politik, einen Umbau der Ge- Präsident des Kinderschutzbundes sellschaft und mehr Flexibilität der Einrichtungen. Henriette Auer, Burghausen 4 KSA 3.2019
Die Kinderrechte sollen in ganz Deutschland noch be- kannter werden. Deshalb sind sie derzeit auf einer Reise quer durch alle Bundesländer. Der Kinderrechte-Bus des Bundesfamilienministeriums macht in vielen Städten Halt. An jeder Station gibt es für Kinder und Erwachsene Spiele und Mitmachaktionen. Damit werden die Kinderrechte für die Kleinen und Großen er- fahr- und erlebbar. Wo der Kinderrechte-Bus Stopp macht, erfahren Sie hier: www.kinder-ministerium.de 30 JAHRE KINDERRECHTE 2019 ist das Kinderrechtsjahr – denn die UN-Kinderrechtskonvention feiert ihren 30. Geburtstag. Sie wurde am 20. November 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedet. Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1992 unterzeichnet. Die Grundlage aller Aktivitäten des Kinderschutzbundes sind die Kinderrechte. Um ihnen eine stärkere Bedeutung zu geben, fordert der DKSB ihre Verankerung im Grundgesetz – und zwar inklusive dem Recht auf Beteiligung sowie dem Vorrang des Kindeswohls. Deshalb lautet das diesjährige DKSB-Jahresthema „Wir machen Zukunft – Kinder und Jugendliche mischen mit!“ Diese zentrale Botschaft wird der Kinderschutzbund auch auf dem Weltkindertag 2019 im September aussenden, zu dem der Verband überall in Deutschland Aktionen veranstalten will. EINE IDEE SETZT SICH DURCH Mit Bad Kreuznach und Wiesbaden konnte der Kinderschutzbund deutschlandweit bisher schon sechs offizielle Plätze der Kinderrechte aus der Taufe heben. Ideengeber ist der Kinderschützer Joachim Türk vom KV Westerwald/OV Höhr-Grenzhausen. Mit einem bunten, fröhlichen Fest haben der OV/KV Bad Kreuznach und VertreterInnen der rheinland-pfälzischen Stadt ihren Platz der Kinder- rechte eingeweiht. Der historische „Eiermarkt“, wo auch der Orts- und Kreisverband seine „Zentrale“ hat, trägt nun diese Zusatzbezeichnung. Einen besseren Ort hätte es in Bad Kreuznach gar nicht geben können, um den Kinderrechten einen festen Platz im Stadtbild einzuräumen! Außer dem Straßenschild „Platz der Kinderrechte“ zieren jetzt auch zehn bunte Tonziegel mit ausgewählten Kinderrechten das Pflaster des historischen Platzes. (Foto oben) Und der Staffelstab ging gleich weiter: Auch in Wiesbaden haben die Kinderrechte in der Adolfsallee jetzt eine offizielle Adresse, mit dem der OV Wiesbaden und das Amt für soziale Arbeit sie sichtbar machen. Zu Ehren des damit sechsten Platzes der Kinderrechte gab es in der hessischen Landeshauptstadt ein großes Kinderfest. Tanzen zum selbst erarbeiteten Kinderrechte-Song – das ließen sich die Kids nicht zweimal sagen und groovten fröhlich zu „Ich bin Wichtig“ vor dem neuen Straßen- schild. Verone Schöninger, Landesvorsitzende des Landesverbandes Hessen, und Berit Schmidt, 1. Vorsitzende des OV Wiesbaden, stellten sich anschließend einer Fragerunde zur Bedeutung der Kinderrechte. 5
TITEL- THEMA Foto: iStock/harleebob Smartphone Internet to go Ob im Bus oder Café, auf der Straße oder beim Einkaufen – Smartphones sind aus unserem Alltag Prinzip eine Kombination aus einem Handy und einem kleinen Computer. Erste Versuche nicht mehr wegzudenken. Und das allein schon aus gab es Ende der 90er Jahre. Die „Persönlichen dem Grund, weil sie wirklich smart sind. Werfen wir Digitalen Assistenten“ – kurz PDA – waren große Klötze für Manager, so kompliziert zu also zunächst einen Blick darauf, was dieser kleine bedienen, wie der Name es vermuten lässt. „Alleskönner“ so alles kann. Damit sind Sie auch schon Dazu kosteten sie wahnsinnig viel Geld. Im vorgewarnt: In diesem Artikel kommen Kinder nicht vor. Jahre 2007 dann – ja, kommt uns schon viel länger vor, oder? – kam der Durchbruch. Das Denn es gilt ja zunächst einmal, über das Smartphone US-amerikanische Unternehmen Apple und seine Funktionen zu reden, bevor wir in diesem brachte das erste iPhone auf den Markt. Die Zusammenhang über Kinder sprechen. Bedienung wurde einfacher und die geniale Idee, überall eine dauerhafte Internetverbin- Aus Sicht älterer NutzerInnen lässt sich übri- Welt? Schnell die neuesten Nachrichten ge- dung zu ermöglichen, öffnete der Fantasie gens mit Smartphones noch vortrefflich von checkt. Kurz noch der Oma schreiben, für die der ProgrammiererInnen Tür und Tor. Und unterwegs aus telefonieren. Das kann durch- Kinder einen Zahnarzttermin vereinbaren heute? Heute sind Smartphones eine Mi- aus praktisch sein. Ein Adressbuch dazu und und wann genau sind nochmal die Herbstferi- schung aus mobilem Telefon, Computer, Fo- die Möglichkeit, SMS zu senden und zu emp- en in diesem Jahr? Einen akuten Anfall Lange- toapparat, Stereoanlage und Spiele-Konsole. fangen.„Mensch! Ganz wie früher, als wir noch weile mit einem kleinen Geduldsspiel über- Nur Kaffee kochen können die Dinger (noch) einfach nur Handys hatten!“ Genau. „Und was brücken oder doch lieber ein Katzenvideo nicht. ist dann der Unterschied?“ Der größte sichtba- oder einen richtigen Film ansehen? Zu den anfangs noch einfachen Zusatzfunk- re Unterschied ist das heute meist recht große Zu viele Fragen auf einmal? Das Smartphone tionen kamen schnell weitere hinzu. Mittler- Touch-Display des Smartphones. Mit einem hilft! Einfach die Suchmaschine fragen! Ir- weile gibt es sogenannte Apps für nahezu Fingertipp auf oder einem Wischer über den gendwie sind diese genialen Maschinchen alles. Von kleinen Puzzles und Quizspielen Bildschirm lassen sich zahllose Funktionen zur Schnittstelle unserer Kommunikation ge- über Yogaanleitungen bis zur Beobachtung steuern. Alles in einer Hand. worden. Mit der Möglichkeit, immer und des Sternenhimmels gibt es alles, was wir uns Hier ein kleiner Schnappschuss, da ein wohl überall ins Internet zu kommen. (Na ja, außer vorstellen können. Ob Bankgeschäfte, Behör- inszeniertes Foto, den Lieblingssong anhören, bei mir um die Ecke, da ist ein Funkloch.) dengänge oder Bücher bestellen – immer noch eben Geld überweisen. Wie wird mor- Telefonieren steht schon lange nicht mehr im mehr Einkäufe und Dienstleistungen lassen gen wohl das Wetter? Was ist gerade los in der Vordergrund. Denn ein Smartphone ist im sich bequem mit dem Smartphone abwi- 6 KSA 3.2019
„ Ein generelles Handyverbot an der Schule finde ich total übertrieben. In der Pause kann man doch problemlos mal Nachrichten beantworten. Magdalena (15) Foto: iStock/zlikovec ckeln. Der Begriff „App“ kommt übrigens vom Apropos teilhaben: Fotos sind der größte englischen Wort „application“ und bedeutet Speicherfresser. Die Kameras werden immer nichts anderes als Anwendung – klingt aber besser, die Dateien immer dicker. Wer zwi- natürlich viel cooler. In der Praxis sind das schen zwei Modellen steht, wählt meist das kleine Computerprogramme, die schnell und mit dem größeren Speicherplatz. Die Erfah- einfach auf dem Smartphone installiert wer- rung zeigt nämlich: Selbst wenn einem der den können. Aber Obacht, nicht alle sind kos- Platz heute riesengroß erscheinen mag, wird tenfrei! Und selbst die kostenfreien sind nicht man trotzdem schon morgen in Platznot ge- umsonst. Nebenbei: Früher bedeutete Appli- raten. Nämlich dann, wenn sich all die Fotos kation (= App) immer auf Stoff genähte hüb- und Filmchen, die einem im Laufe der Zeit ge- sche Flicken… schickt werden, auf der Speicherkarte stauen nicht fantastisch, die letzten Urlaubsbilder Grundlage für die Installation der Apps ist die und stapeln. Gewohnheitsmäßige Urlaubs-, überall jederzeit zeigen zu können? Klar, ech- technische Ausstattung des Geräts. Als Faust- Katzen- und Essen-KnipserInnen sowie Inten- tes Papier und Fotoalben, die beim Kaffee- regel gilt: Je mehr Arbeitsspeicher und Spei- sivnutzerInnen von Instagram und WhatsApp trinken rumgereicht werden, sind vielleicht cherplatz es hat, umso mehr lässt sich mit können ein Lied davon singen. schöner. Aber schwerer. Es ist schon erstaun- dem kleinen Wunderwerk anstellen. Ganz Für Menschen wie mich sind Smartphones lich, wie leicht so ein kleines smartes Gerät ist wie bei einem richtigen PC. Nur dass ein ständige Begleiter. Wir lesen unsere Bücher – und was da alles draufpasst. Selbst die Smartphone auch Fotos machen kann. Und online oder hören beim Bügeln oder Joggen schwersten bleiben heute unter 200 Gramm. Filme. Was glauben Sie denn, woher all die ein Hörbuch damit. Kalender helfen uns, den Was gerade mal zwei Tafeln Schokolade ent- Katzenvideos herkommen... Offenbar knipst Alltag zu ordnen, Fotoalben und die Notiz- spricht. Nur dass Smartphones in der Gesäß- jede und jeder überall alles und jedes. „Ein funktion dienen als Tagebuch. Und ja: Es wur- tasche nicht schmelzen. schönes Erlebnis wird noch schöner, wenn du den schon ganze Romane auf Smartphones Übrigens: Eine der wichtigsten Funktionen es teilst“, sagt ein Sprichwort. Die so genann- geschrieben. Auch Youtube-Videos und Seri- im Smartphone ist die Einstellung für „laut- ten sozialen Medien wie Instagram, Whats- en werden auf den kleinen Schirmen angese- los“. Kein Gebimmel im Theater, keine lästige App oder Facebook machen es uns einfach, hen, selbst wenn das Anschauen mir da eher Störung beim Café-Besuch, kein geschmet- die Resultate zu verbreiten. Natürlich haben wie Radiohören vorkommt. Was übrigens bei terter Klingelton im Konzert. Bitte „lautlos“ alle Social Media-Dienstleister eine App fürs bestehender Internetverbindung auch sehr nicht mit „Vibration“ verwechseln. Ein vibrie- Smartphone. Das Programm Instagram wur- gut funktioniert. rendes Handy erzeugt immer noch jede Men- de sogar eigens für die Nutzung am Handy „Das meiste kann mein Computer doch auch ge Gebrumme und macht sich selbst aus ei- entwickelt – Foto machen, hochladen und alles!“, sagen Sie? Stimmt. Aber das Smart- ner Hosentasche heraus bemerkbar – zum andere Menschen am eigenen Leben teilha- phone passt bequemer in die Hosentasche Beispiel im Kino. Vorzugsweise bei Roman- ben lassen. und lässt sich überall mit hinnehmen. Ist es zen. Sie trifft ihn. Der Mond scheint. Die Musik wird leise. Sie blicken sich in die Augen. Tief. Ihre Gesichter nähern sich. Brrrrrr! Brrrrrr! Da stirbt die Liebe auf der Leinwand einen ab- rupten Tod. Noch eines: Niemand muss alle Funktionen und Möglichkeiten eines Smartphones nut- zen. Das meiste lässt sich abschalten. Wenn Foto: iStock/Morsa Images Sie die Einstellungen in der Tiefe des Menüs denn finden. Auf eine App möchte ich tatsächlich nicht mehr verzichten und Sie Ihnen deshalb ans Herz legen: die eingebaute Taschenlampe. Das klingt jetzt ein wenig nach MacGyver und Gimmicks aus dem Yps-Heft, ist aber in der Nacht oder im Keller ziemlich erhellend. So, nun folgen Beiträge zum Smartphone, die dieses Thema im Hinblick auf kindliche und jugendliche NutzerInnen in den Blick neh- men. Aber jetzt wissen Sie schon mal, worü- ber wir reden. Stefan Schwarck, freier Autor, Kiel 7
Kindersicht Nicht ohne mein Smartphone! Überall in Deutschland sprechen Erwachsene privat oder von Berufs wegen mit Kindern über das Smartphone. Wie wichtig ist es ihnen? Was machen sie damit? Wie geht es ihnen dabei? Welche Probleme haben sie? Was sagen ihre Eltern? Auch Nora Brockamp und Stephan Knorre, das KSA-Expertenteam dieser Ausgabe, geben der Sicht der Kinder hier unabhängig voneinander eine Stimme. fotolia/Syda Productions Rund um die Uhr angesagt sind, hat einen Grund: Sie bieten der jungen Zielgruppe das, was für sie gerade unterhaltsam kommentieren, aber auch Life- style-VloggerInnen, die aus ihrem Leben er- Es ist 7.45 Uhr, als die Schulglocke zum wichtig ist. zählen. Diese sogenannten Influencer sind für zweiten Mal läutet und die Klasse 7b in den Sich selbst auszuprobieren hat in der Ju- manche 13-Jährigen sogar ein Berufsvorbild. Raum stürzt. Ich bin Medienpädagogin gendzeit schon immer eine zentrale Rolle ge- Während früher als Traumberuf „Fußballstar“ und kenne hier noch niemanden. Gleich spielt. Das funktioniert heute beispielsweise oder „Model“ in die Freundebücher geschrie- werde ich mit diesen 13-Jährigen über über die Foto-Plattform Instagram. Wer hier ben wurde, findet man heute immer häufiger etwas sprechen, das sie sehr beschäftigt, ein Selfie hochlädt, bekommt schnell Rück- den Berufswunsch „YouTube-Star“. Das wird das immer mit dabei ist, aber über das meldung in Form von Likes und Kommenta- für die Jugendlichen erst dann problematisch, selten jemand mit ihnen (auf Augenhöhe) ren. „Auf Insta schaue ich auch immer, wo wenn ihr Vertrauen in die Lieblingsstars so redet: Smartphones, Soziale Netzwerke, meine Lieblingsband gerade tourt“, fügt ein groß ist, dass sie die von den Stars empfohle- das Internet – ihr digitales Leben. Junge hinzu. Viele interessieren sich für ihre nen Produkte gedankenlos kaufen. Viele Arme schießen in die Luft, als ich nach Stars und Sternchen, die mit der jungen Ge- „Super viel Spaß macht auch die App TikTok“, viel genutzten Apps frage. Wie in allen 7. Klas- neration auf sozialen Netzwerken private Ein- meint plötzlich ein Junge aus der letzten Rei- sen haben auch hier alle ein Smartphone. Ei- blicke teilen. Ein Mädchen erzählt z.B.: „Ich fol- he. „Da machen die Mädchen so kurze Tanz- ne Welt ohne diese Geräte kennen Jugendli- ge ganz vielen Künstler-Profilen und gucke choreos“ – die Reihe Mädchen in der Mitte che mit 13 heute nicht mehr. Also welche An- mir da auch Tipps zum Zeichnen ab!“ Aha, der Klasse kichert – „und ich mache da mit wendungen sind am beliebtesten? Natürlich denke ich, es hängt also auch stark von eige- meinen Freunden andere Videos zu Musik!“ WhatsApp, Snapchat, Instagram und YouTu- nen Interessen ab, wer welchen Profilen auf Diese App nutzt kaum jemand in dieser Klas- be, wie überall in diesem Alter. Auch Musik Instagram und Kanälen auf YouTube folgt. se alleine, sondern immer mit Freunden. Ob hören sie mit dem Smartphone, früher haben Die meisten älteren Kinder wollen auch wis- ihnen da auch schon mal was Blödes passiert sie auch mehr Spiele gespielt. „Das mache ich sen, was gerade angesagt ist, und können sich ist, will ich jetzt wissen. „Nö“, sagt ein Mäd- jetzt aber lieber an der Konsole“, sagt der Jun- dazu auf YouTube brandaktuelle Videos an- chen. „Ich hab` mein Konto extra auf privat ge mit dem coolen Emoji-Pullover in der ers- schauen. Hier gibt es Videoformate, in denen gestellt, damit einen da keine komischen ten Reihe. Dass diese Apps unter Teenagern YoutuberInnen Computerspiele spielen und Leute anschreiben.“ 8 KSA 3.2019
Gar nicht so anders Es ist Montag. Ich sitze am Nachmittag im Gruppenraum der „Emojis“. Diesen Namen haben sich die Kinder der Erika-Mann- Grundschule in Berlin-Wedding, wo unser Foto: iStock/Constantinis LV Berlin die Kinderbetreuung hat, selbst gegeben. Die sogenannten Emojis sind auch in der Kommunikation mit dem Smartphone kaum mehr wegzudenken. Diese Symbole transportieren Gefühle und machen deutlich, wie das Geschriebene ge- meint ist. Zum Beispiel können Emojis la- chen, zwinkern, tanzen, weinen und Grimas- sen schneiden. Es gibt Emoji-Symbole für Mit ihren Freunden möchten die Kinder am Missgeschick nicht allein ist, weil es fast je- Haustiere, für die Oma und auch für den Fall, liebsten rund um die Uhr in Kontakt stehen. dem schon mal im Internet passiert ist – auch dass etwas gerade richtig blöd läuft. „Ich schreibe ganz viel auf WhatsApp und mir. Wie schnell ist ein Foto voreilig verschickt, Sieben Kinder erzählen mir jetzt, wann sie ihr schicke meiner besten Freundin immer ohne dass man alle Abgebildeten vorher ge- erstes Smartphone bekommen haben. Ange- Snaps“, spricht das Mädchen in der zweiten fragt hat! Und eben auch ein Kettenbrief ist lina hat mit 9 Jahren das abgelegte von ihrem Reihe schließlich aus, was hier alle gerne tun. rasch versendet, noch bevor man gemerkt älteren Bruders gekriegt; Keno hatte seines Auf die Frage, ob sie auch eine Klassengruppe hat, dass hinter dessen Link doch kein 500 bereits mit 6. „Und was macht ihr damit am haben, hört man von 13-Jährigen fast überall: Euro-Gutschein für Klamotten steckte, son- liebsten?“, frage ich. Videos anschauen bei „Ja klar!“ Und wie ist das so?, frage ich auch dern ein fieser Virus. YouTube oder TikTok steht bei den Kindern heute nach. Gleich melden sich 20 der 28 Kin- Mit ähnlichen Themen bin ich häufig auch ganz hoch im Kurs. Fernsehen ist out, Video- der. Sie erzählen mir, dass in ihrer Gruppe, in auf Elternveranstaltungen konfrontiert. El- Plattform in. Verständlich – hier bestimmt je- die jeder aus der Klasse Textnachrichten, tern wollen von mir wissen, wie lange ihre des Kind sein eigenes Programm. Sie schauen Emojis, Bilder, Videos oder Sprachnachrich- Kinder am Smartphone sein dürfen, ab wel- Filme über Videospiele, Musikvideos ihrer ten über das Internet senden kann, allerhand chem Alter Smartphones geeignet sind und Idole oder informieren sich über angesagte los ist. Mehrere hundert Nachrichten landen welche Stolpersteine es im Internet für ihre Klamotten und Frisuren. Es erinnert mich täglich in ihrem Gruppenchat, mit mehr oder Kinder gibt. Auf keine dieser Fragen können stark an die gute alte BRAVO und das VIVA weniger erhellendem Inhalt: „Guten Morgen“, wir Medienfachleute einfache Antworten ge- Fernsehprogramm aus meiner Jugend. „Hi“, ein witziges Video, Lach-Emojis, einer ben – weil es immer darauf ankommt, wie ein Untereinander kommunizieren die Kinder schickt fünf lustige Bilder, die meisten schi- Gerät eingesetzt wird, welche Apps genutzt über WhatsApp mit den Eltern, Geschwistern cken Kommentare zurück – und dazwischen werden und wie kompetent das Kind mit ist die Frage nach den Hausaufgaben für mor- möglichen Problemen umgehen kann. El- gen untergegangen. Auch Streits kennt diese tern können sich am besten ein Bild über die Klassengruppe, sie gehören nach meiner Er- mediale Lebenswelt ihrer Kinder machen, fahrung leider häufig dazu. „Deshalb versu- wenn sie mit ihnen darüber sprechen. Wel- Foto: iStock/Kerkez chen wir, sowas jetzt immer nur persönlich zu che Apps nutzt du am liebsten? Und warum? klären!“, erklärt mir ein Mädchen. Was schaust du gerne auf YouTube? Dabei Der Klasse sind Probleme des Internets durch- können Eltern von Kindern lernen – und aus bewusst, und für die meisten haben sie gleichzeitig wichtige Tipps zum Umgang im auch Bewältigungsstrategien. Wir reden trotz- Netz weitergeben. dem darüber, wie das in Zukunft vielleicht Patrick aus der zweiten Reihe hat mir an noch besser klappen könnte, und erstellen diesem Tag verraten: „Mein Papa hat keine „ schließlich gemeinsam ein Plakat mit Regeln Ahnung von Smartphones. Der hat mir mal für den Klassenchat. Die Kinder wissen, dass `ne Sperre reingemacht, wann ich mein es manchen schwerfällt, sich im Internet ge- Smartphone nicht nutzen darf – aber in You- nau so fair zu verhalten wie im realen Leben, Tube habe ich gesehen, wie man die wieder deshalb sind ihnen auch schon mal Beleidi- rausmachen kann.“ Aha, der 13-Jährige weiß gungen im Chat begegnet. Einer erzählt: schon ganz gut, wie man recherchiert! „Die „Und einmal, da haben mehrere von uns ei- Erwachsenen haben ja keine Ahnung!“, höre Manchmal macht es schon nen Virus gekriegt, nur weil der Patrick uns so ich übrigens oft von Kindern. Und „Die Kinder Stress, ständig zu antworten, einen beknackten Kettenbrief geschickt hat, sind doch alle süchtig“, sagen Eltern oft. Viel- aber sonst hat man auch schnell das und da war ein Link mit einem Virus drin!“ Pa- leicht ist ja irgendwann mal Schluss mit den Gefühl, etwas zu verpassen oder fühlt trick aus der zweiten Reihe senkt beschämt gegenseitigen Vorurteilen. sich ausgeschlossen. Leandra (12) den Kopf. Ich sage gleich, dass er mit diesem Nora Brockamp 9
eh nur ekelhafte Sachen laufen.“ (Keno). Bei den Antworten muss ich schmunzeln: Ähnli- ches haben meine Eltern früher auch be- Foto: iStock/Alexander Medvedev fürchtet – aber da ging’s ums Fernsehen. Übrigens: Alexander lernt mit einer App auf dem Smartphone Englisch und Französisch. Keno benutzt häufig den Taschenrechner. Und mit so genannten Life Hacks findet er Lö- sungen für praktische Probleme, die in kur- zen Videos erklärt werden, beispielsweise wie man einen Flecken aus der Hose kriegt oder Spaghetti kocht. Die sieben Kinder vor mir wünschen sich, in der Schule noch viel mehr spannende Apps kennenlernen zu können. Ich verstehe es, schließlich gibt es viele interessante Lern-, Kooperations- und Kreativspiele für das Smartphone. Was ihre Eltern angeht, so hal- und Freunden – sowie über die Gruppen- gel: „Meine Mama weiß zwar, was ich mit dem ten die Kids manche für durchaus kompetent funktion mit der gesamten Klasse. „Die Klas- Handy mache – aber sie schaut nicht ohne zu helfen, wenn es mit dem Smartphone Pro- sengruppe ist ziemlich lustig. Es nervt nur, meine Erlaubnis drauf!“ bleme gibt. Sie glauben aber, dass es Eltern wenn andere Blödsinn schreiben“, erzählt der Jetzt frage ich neugierig: Was befürchten die gibt, die den Bildschirm ihres Laptops mit 10-jährige Alexander. Ich bin überrascht, wie Erwachsenen eigentlich, wenn Kinder mit dem Finger bedienen wollen. Herzhaftes La- bewusst sie mit Mobbing und Streit umge- dem Smartphone beschäftigt sind? „Mein Pa- chen in der Runde. Ihre Wünsche an die hen, dazu haben sie einen klaren Standpunkt: pa sagt immer, dass Handys dumm machen Smartphone-Hersteller: Unendliche Akku- „Wenn sich jemand im Gruppenchat blöd be- und ich mehr lesen soll.“ (Leo) - „Meine Mutter laufzeit, unzerstörbares Material und werbe- nimmt, wird der einfach blockiert“, erklärt meint, ich muss bald eine Brille tragen oder freier Spielspaß! So viel anders waren meine Alexander kurzum. werde sogar blind, wenn ich so lange am Wünsche in ihrem Alter auch nicht... In ihrer Schule sind Smartphones verboten, Handy bin.“ (Marisa) – „Und dass bei YouTube Stephan Knorre erzählen mir die Grundschulkinder. Viele las- sen es deshalb direkt zu Hause oder schalten es erst nach dem Unterricht an. „Das nervt“, finden einige. Die meisten sind mit den AG- Angeboten und beim Spielen auf dem Schul- hof aber eh gut beschäftigt. „Was nervt euch noch am Smartphone?“, frage ich in die Run- de. Alle sind sich gleich einig: die ätzenden Werbeblöcke. Und dass man manchmal das Passwort vergisst oder der Akku zu schnell leer ist. Schon witzig: Über leere Batterien im GameBoy und ätzende Werbung im Fernse- hen habe ich mich als Kind auch oft geärgert. Mal schauen, ob Eltern heute cooler sind, als ich sie damals empfunden habe. „Wie ist das denn mit dem Smartphone bei euch zu Hau- Expertise im Doppelpack se? Gibt es Regeln? Und wissen eure Eltern, Nora Brockkamp (24) und Stephan Knorre (34) haben an dieser KSA-Ausgabe was ihr mit dem Handy so macht?“, will ich nicht nur pro bono mitgeschrieben, sondern waren auch in der Redaktion zu Gast, um wissen. Leo darf nur am Wochenende spielen; das Schwerpunktthema mit zu konzipieren. Vielen Dank für die tolle Unterstützung! eine App-Sperre regelt seinen Konsum. Mari- Nora Brockkamp ist „digital native“. Die Medienpädagogin arbeitet bei der mecodia GmbH sas Eltern schauen mit ihr zusammen, welche in Aichtal. In diesem Rahmen bietet sie Schulklassen bundesweit Workshops u.a. zum Thema Apps und Spiele sie installiert. Gerade wenn Smartphonenutzung an und bildet auch Eltern wie Lehrkräfte zu digitalen Medien fort. das Vergnügen erst ab 12 Jahren freigegeben Außerdem ist sie für das Internetangebot www.handysektor.de tätig (vergl. S. 21), ist, wird vorher kontrolliert. Mich überrascht, dessen Projektverantwortung ebenfalls bei der mecodia Gesellschaft liegt. dass die Kinder solche Regeln gut finden. Ke- Stephan Knorre hat sein erstes Smartphone erst mit 33 Jahren angeschafft. Der Social no erzählt lachend: „Und wenn wir alle bei Media Manager verantwortet im DKSB Berlin seit 2017 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. meiner Oma essen, darf das Handy nicht mit Außerdem leitet er im Landesverband die AG Medien. Diese widmet sich Fragestellungen auf den Tisch. Boah, das fällt auch meinen El- aus dem Alltag von Grundschulkindern und konzipiert Angebote zum bewussten und tern voll schwer!“ Angelina, der Privatsphäre nutzbringenden Umgang mit Medien. Diese Konzepte sollen den schulischen Teil der wichtig ist, berichtet von einer weiteren Re- kindlichen digitalen Lebenswelt befruchten. 10 KSA 3.2019
Sammelwut & Datenkraken Ob Jung oder Alt – wer das Foto: iStock/yevtony Internet nutzt, macht seine Daten fast automatisch zur Ware. Denn sie werden von Unternehmen gesammelt, ausgewertet und weiter- verwertet. Dabei geht es nur um eines: mit den „Sammlungen“ so viel Geld wie möglich zu machen. Das neue Spiel fürs Smartphone verspricht Action und lässt sich sogar „kostenlos“ runter- laden. Klingt verlockend – ist aber keineswegs umsonst. Die Währung, in der es bezahlt wird, heißt Daten. Gleiches gilt für unzählige andere „ kostenlose Apps von der Wettervorhersage bis zum Vokabeltraining sowie für Anfragen in Suchmaschinen oder Onlineshops. Anbieter werten jede Bewegung im Netz aus und er- stellen daraus Profile der NutzerInnen. So ent- stehen Datenpäckchen und -pakete, die das eigene Geschäft der Unternehmen ankurbeln und auch an Dritte weiterverkauft werden. Mein Smartphone war mir mal kaputt gegangen, da war Von diesem „Geschäftsmodell“ leben nicht ich von der Zivilisation abgeschnitten. Mit meinem neuen nur Google und Facebook. Auch deren Kun- Smartphone kann ich voll viel machen. Jeremy (15) den, die auf diesen Seiten Werbung treiben, können sich darauf verlassen, dass ihre Wer- treten. Darin wird ausdrücklich anerkannt, Jahren voraus, bräuchte also eigentlich für alle beangebote passgenau immer bei der „richti- dass Kinder „besonderen Schutz“ bei ihren unter 16-Jährigen eine Einverständniserklä- gen“ Zielgruppe auftauchen. personenbezogenen Daten benötigen, weil rung der Eltern. Tatsächlich müssen diese je- Dieses Sammeln im großen Stil hat mittler- ihnen das Ausmaß bei der Verarbeitung solch doch nur für besonders geschützte Daten ein- weile den Begriff der „Datenkrake“ geprägt. sensibler Informationen „möglicherweise we- willigen, etwa für Angaben ihres Kindes zu re- Firmen analysieren nicht nur, was jemand im niger bewusst“ ist. Entsprechend schreibt die ligiösen und politischen Standpunkten, zur Internet tut, sondern sie puzzeln auch aus DSGVO vor: Personenbezogene Daten dürfen sexuellen Orientierung oder zum Wunsch den verschiedenen einzelnen Profilen, die ein nur nach Einwilligung verarbeitet werden. nach personalisierter Werbung. Mensch von sich eingestellt hat, ein Gesamt- Wirksam einwilligen können Jugendliche ge- Viele Anbieter verzichten ganz auf das Einho- bild von ihm zusammen, das noch weit mehr mäß der neuen Verordnung erst ab 16 Jahren, len der elterlichen Zustimmung. Sie versu- über ihn verrät. Das beflügelt die Zukunftsvi- vorher müssen das die Erziehungsberechtig- chen mittels Altersgrenzen in ihren AGB ledig- sion z.B. von Amazon: Der Internet-Versand- ten für sie tun. lich, sich selbst vor Haftungsansprüchen bzw. händler könnte seiner Kundschaft schon bald In diesem Zusammenhang sind nun die Strafen zu schützen, die bei Verstößen drohen. bestimmte Waren ins Haus liefern – noch be- Nutzungsbedingungen verschiedener sozia- Jugendliche, die ihr Alter wahrheitswidrig mit vor die überhaupt weiß, dass sie diese Pro- ler Netzwerke interessant. Beim Messenger 16 angeben, sowie Eltern, die ihren Kindern dukte „braucht“ und bestellen will. Dienst WhatsApp z.B., einer Facebook-Toch- unter dem Mindestalter die Nutzung erlau- Zu den größten Datenkraken gehört übrigens ter, liegt das Mindestalter bei 16 Jahren. Aller- ben, machen sich dagegen nicht strafbar. Das die US-amerikanische Firma Oracle. Sie sam- dings reicht bei der Anmeldung ein Klick für entbindet Erziehungsberechtigte jedoch melt Daten von mehr als 15 Millionen Inter- die Bestätigung, dass man alt genug sei. nicht von der Verantwortung, sich mit ihren netseiten und soll Profile von rund drei Milliar- Überprüft wird das nicht. Entsprechend die Kindern darüber auseinanderzusetzen, ob den Personen besitzen. Man mag sich gar Ergebnisse der Jim-Studie 2018: Für rund und wann sie ihnen die Nutzung sozialer nicht ausdenken, wozu all diese sensiblen Da- 90% der 12- bis 15-Jährigen gehört Whats- Netzwerke erlauben und wie sie sie dabei be- ten noch alles benutzt werden könnten... App zu den wichtigsten Anwendungen auf gleiten. Und was ist mit dem Datenschutz? Schließlich ihrem Smartphone. Marina Haßelbusch, ist im Mai 2018 die neue europäische Daten- Facebook selbst setzt in seinen Nutzungsbe- Juristin und Journalistin, Hannover schutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft ge- dingungen weiterhin ein Mindestalter von 13 11
Foto: iStock/Kerkez Elternsicht FLUCH oder SEGEN? Der Streit geht mitten durch die Familien, Kollegien und (Menschen mit starker Präsenz in sozialen Netzwerken, die deshalb als Werbeträger Redaktionen: Wie viel Handy oder Smartphone schadet gefragt sind). Auch diese Sorgen sind ver- dem Kind? Gerade Eltern fragen sich: Isoliere ich mein ständlich. Kind, wenn ich ihm noch kein Mobiltelefon erlaube, Hilft uns Eltern hier ein Blick in die einschlägi- ge Literatur, damit wir uns eine Meinung bil- obwohl doch alle schon eines haben und es sogar einen den und sicherer werden können? Nicht wirk- Klassenchat gibt? Und wenn ich es erlaube, dann kann lich, denn die Lage ist verwirrend. es im wahrsten Sinne des Wortes mitreden und sich gut Wir wissen, dass das kindliche Gehirn eine Zeit zur Reifung benötigt (bis zum 18. – 20. auf die digitale Zukunft vorbereiten – bloß wie? Lebensjahr) und in dieser Phase erheblich be- Der Umgang mit mobilen Endgeräten in der und was es online macht. Auch als Hausauf- einflussbar ist – auch durch eine übermäßige Familie wird uns Eltern wahrlich nicht leicht gabenhelfer ist das kleine Ding smart. Oft Nutzung von Smartphones. Und die soge- gemacht. Einerseits sind wir mittendrin im di- selbst schon mit Handys groß geworden, se- nannte BLIKK Studie – um nur eine zu nen- gitalen Zeitalter. Selbst in der Schule sollen hen diese Eltern die ganze Angelegenheit ge- nen – fand heraus, dass Fütter- und Schlafstö- Tablets die Bildungskrise abwenden und da- lassen oder setzen sogar selbst die Mobilge- rungen bei Säuglingen ein Resultat der elter- zu beitragen, dass Deutschland den An- räte bei der Erziehung ihrer Kinder gezielt ein, lichen Mediennutzung während der Bertreu- schluss an die digitale Außenwelt nicht ver- sei es zur Ablenkung der Kleinen oder zum ung sein können. Weitere Ergebnisse der liert. Andererseits hören wir Warnungen vor Spielen. BLIKK Studie: „digitaler Demenz“, die unsere Kinder durch Die andere Gruppe ist da deutlich zurückhal- 70 Prozent der Kinder im Kita-Alter nutzen frühe und häufige Nutzung digitaler Medien tender, befürwortet ein Smartphone teils so- das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine heimsuchen könnte. Fluch oder Segen – nein, gar erst für 18-Jährige und versucht, alle me- halbe Stunde täglich. wir haben keine Wahl: Es ist immer beides. dialen Einflüsse auf ihre Kinder einigermaßen Kinder unter sechs Jahren, die intensiv digi- Die eine Gruppe Eltern ist vom Smartphone unter Kontrolle zu behalten. Bei dieser Grup- tale Medien nutzen, haben häufiger Störun- in Kinderhand begeistert, kann sie doch je- pe schlägt die Sorge durch vor schädlichen gen bei der Sprachentwicklung oder können derzeit sehen, wo sich ihr Kind gerade aufhält Strahlungen, Suchtgefahr und Influencern sich schlechter konzentrieren. 12 KSA 3.2019
Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis zufrieden geben, die teils sogar widersprüch- nicht sagen können, was genau gefährlich ist. 13 Jahren, die täglich mehr als eine Stunde di- lich sind. In der Folge wird sich jeder nach ei- Dazu aber müssen wir selbst schlau sein! gitale Medien nutzen, leiden häufiger unter genen Überzeugungen gleichsam mosaik- Vorläufig helfen uns gute Internetportale Konzentrationsschwächen. Sie konsumieren mäßig daraus sein Bild vom „Smartphone in weiter, und davon gibt es genügend. (Lesen mehr süße Getränke und Süßigkeiten und der Familie“ zusammenbasteln. sie dazu auch ab Seite 21.) neigen eher zu Adipositas. Das dürfte uns Eltern nicht gerade sicherer in Ganz klar, es müssen Regeln für die Familie unserem Verhalten machen. Allein bei den her, die gut nachvollziehbar und fair sind – Klar scheint auch zu sein, dass die Interaktion Fragen, ab welchem Alter und wie lange täg- und an deren Entwicklung die Kinder betei- zwischen Eltern und Kindern durch die elter- lich ein Smartphone von Kindern genutzt wer- ligt sind wie z.B. liche Handynutzung oft gestört wird, was den kann, kursieren völlig unterschiedliche M Smartphone erst ab ca. 12 Jahren, Kindern Stress bereitet. Der ständige Blick Ansichten. Wenn dann auch noch vergleich- M keine Smartphone-Nutzung beim von Eltern auf das Display, ihr Drang, sofort bare Medien in Kita und Grundschule metho- gemeinsamen Essen, bei Ausflügen antworten oder posten zu müssen, könnte disch-didaktisch eingesetzt werden, wird es und für Kinder nach z.B. 20 Uhr, dem Kind signalisieren: Das Handy ist mir ganz kompliziert. Klar ist aber auch: Verban- M gemeinsam festgelegte Zeitlimits, wichtiger als du! Das wäre eine fatale Bot- nen und verdammen können wir das kleine M Beteiligung an den Kosten. schaft. Möglicherweise fördert das elterliche Mobilgerät schon vor dem Hintergrund nicht, Verhalten aber auch den Wunsch im Kind: So dass die technologische Entwicklung rasant Wir Eltern haben nicht viel Zeit. Wenn wir ein Ding will ich auch haben – da muss was voranschreitet und das„smart-home“ und die ehrlich sind, müssen wir nämlich zugeben: Spannendes drin sein! „smart-city“ am Horizont zu erkennen sind. Ab einem bestimmten Alter verlieren wir die Viele Studien kommen zu ähnlichen Ergeb- Wir wollen trotzdem versuchen, im Folgen- Kontrolle darüber, wie unsere Kinder die nissen, die aber durchaus vorsichtig interpre- den wenigstens ein paar übereinstimmende Endgeräte nutzen. Dann sind sie uns auch tiert werden. Jedenfalls lässt sich der Nach- Hinweise zu geben. viele Schritte voraus, was die Möglichkeiten weis, dass das Smartphone an vielen Übeln Auch wenn das Bild vom Vorbild immer der Geräte angeht. Nicht selten müssen wir schuld sei, kaum eindeutig erbringen. Heute schwierig ist – in Sachen Umgang mit den Me- sie dann fragen, wie dies oder jenes über- zumindest wissen wir noch viel zu wenig dien mag es Sinn machen. Kinder verfolgen haupt funktioniert. Und mal ehrlich: Wir ha- über den Einfluss der mobilen Geräte auf uns schon von Klein auf, wie wir Erwachsenen TV, ben meist keine Ahnung, auf welchen Platt- Menschen. Und in der Regel ist die Beziehung Smartphone & Co handhaben. Je sorgsamer formen sie sich tummeln – außer, eine gute zwischen Ursache und Wirkung ohnehin sehr wir mit unseren eigenen digitalen Endgeräten Beziehung vorausgesetzt, sie lassen uns gnä- komplex. Deswegen wird es forschungsme- umgehen, umso eher besteht eine Chance, dig teilhaben. Bis dahin jedoch haben wir ei- „ thodisch auch schwierig bleiben, eindeutige dass etwas davon abfärbt. Was dagegen si- nen nicht zu unterschätzenden Einfluss, den kausale Zusammenhänge zwischen Handy- cher kein guter Rat wäre, sind Verbote und wir nutzen sollten. nutzung und Konsequenzen für das Kind he- Strafen. Auch schwammige Warnungen vor Dr. Martin Stahlmann, Redaktion rauszuarbeiten. Vorerst müssen wir uns also Strahlungen, Suchtgefahr, Betrug oder „bö- mit Annäherungswerten und Hypothesen sen“ Websites helfen nur wenig, solange wir Manchmal sind meine Eltern genervt, wenn ich so oft am Handy bin. Bei gemeinsamen Mahlzeiten ist deshalb das Handy tabu – aber dann für alle. Tamara (14) Foto: iStock/Daisy-Daisy fotolia/bramgino 13
Frühe Kindheit Wie SINN-VOLL sind digitale Entwicklungshelfer? Der Kinderschutzbund Leipzig hat unter dem Titel Wie schwer fühlt sich der Apfel an? Ist seine Schale rau oder glatt? Wie duftet er, wie saftig #starkmitmedien ein neues Angebot aufgelegt. Es soll ist er? Wie knackig hört sich der Biss in den Eltern mit Kindern im Vor- und Grundschulalter, aber auch Apfel an? Dieses Lernen unter Benutzung al- pädagogische Fachkräfte weiterbilden. Hier berichtet die ler Sinne bietet dem kindlichen Hirn sehr vie- le Möglichkeiten, die verschiedenen Wahr- Projektleiterin Annett Zappe über die Grundlagen ihrer nehmungen mit weiteren Informationen zu Arbeit und ihre Erfahrungen. Dabei stellt sie auch verknüpfen. Je öfter so ein Prozess nun ge- einige Gedanken im DKSB zur Diskussion. schieht, umso tiefer verankern sich Wissen und Erfahrungen im Gehirn. Es wird mit jeder WIE LERNT DER MENSCH AM BESTEN? neuen Erfahrung leistungsfähiger und er- Die biologisch im Menschen verankerten An- möglicht ein zunehmend vernetztes Denken. triebe zur Welterkundung – etwa durch Nach- Außerdem kann das Kind bei dieser Art realer ahmen, Spielen, durch Wissbegierde und fan- Welterkundung in seinem ganz persönlichen tasievolles Erfinden – benötigen alle Sinne, Tempo lernen und verstehen. Foto: iStock/komisar um sich voll entfalten zu können: das Hören, Ganz anders sieht die Sache aus, wenn ein Ap- das Riechen, das Schmecken, das Sehen und fel virtuell vorgestellt wird, etwa in einem Film das Tasten. Mit diesem Wissen über das Ler- auf dem Smartphone oder Tablet. Der Film ist nen mit allen fünf Sinnen, das sich durch das bestimmt sehr informativ – er kann aber das gesamte Menschenleben zieht, ist folgende Fühlen, Schmecken und Riechen nicht erset- Frage spannend: Wann, wie und in welchem zen. Außerdem geben die szenischen Schnit- Umfang kann der Einsatz von digitalen Me- te und dramaturgischen Kniffe dem Kind ein diengeräten wie einem Smartphone oder Lerntempo vor, das nur selten seine persönli- Tablet Kinder in ihrer Entwicklung unterstüt- che Wahrnehmungs- und Verarbeitungszeit zen – oder auch stören, z.B. beim Spracher- hundertprozentig trifft. werb oder bei der Konzentration? Meine Arbeitsschwerpunkte im OV Leipzig Kommen wir nun zur Nutzung des Smartpho- WAS VERMITTELN WIR ELTERN? sind seit 2004 u.a. die Koordination und nes, bei der nur der Seh- und Hörsinn ange- In unserem Begleitmaterial zur Stärkung der Durchführung von unterschiedlichen prä- sprochen wird. Den Tastsinn können wir hier psychischen Gesundheit von Kindern und Ju- ventiven Kursen und Veranstaltungen für El- vernachlässigen, wenn nur das Wischen mit gendlichen, das uns Elternkursleitungen bei tern zu (fast) allen Fragen rund um den Fami- einem Finger über den gläsernen Bildschirm der Wissensvermittlung in den Elternkursen lienalltag. Dabei kann ich sehr praxisnah mein erforderlich ist. Und was ist mit Riechen und Starke Eltern – Starke Kinder® fachlich unter- Fachwissen und meine Erfahrungen als Trai- Schmecken? Fehlanzeige – Bildschirmme- stützt, werden die psychischen Grundbedürf- nerin des DKSB-Elternkurses Starke Eltern – dien können zumindest heute noch keine nisse erläutert (nach Klaus Grawe in Anleh- Starke Kinder® sowie als Marte Meo-Beraterin Düfte absondern. Und schmecken tun sie nung an Epstein). Ich selber arbeite nur noch einbringen. Unser Angebot #starkmitmedien auch nicht gut. mit diesem Modell, weil ich sehr oft die Erfah- gibt es seit Januar 2019. Im Mittelpunkt ste- Stellen wir uns jetzt als Beispiel ein Kind vor, rung gemacht habe, dass es Eltern und auch hen zwei Fragen: Wie kann das Kind mit mög- das gerade einen echten Apfel erkundet: Wie Fachkräften damit viel leichter fällt, das Ver- lichst allen Sinnen lernen? Und welche Chan- ist die Form der Frucht? Welche Farbe hat sie? halten von Kindern zu verstehen und eine ent- cen und Grenzen weisen digitale Medien bei sprechend entwicklungsfördernde Haltung der Erfüllung menschlicher Grundbedürfnis- einzunehmen. Foto: iStock/LeManna se auf? Beispielhaft möchte ich hier das Grundbe- Wenden wir uns zunächst dem Begriff „Me- dürfnis nach Bindung und sozialen Beziehun- dien“ zu: Ein Medium ist eigentlich nichts an- gen herausgreifen und es in Zusammenhang deres als ein Hilfsmittel, mit dem Informatio- mit der Nutzung digitaler Medienangebote nen, Wissen und Meinungen vermittelt und bringen. Von Geburt an sind wir Menschen verbreitet werden. Das Spektrum der „Hilfs- auf sichere Bindungen zu anderen Menschen mittel“ ist entsprechend breit gefächert - von angewiesen. Sie sorgen für unsere körperliche gedruckten Medien über den Funk (Radio und seelische Sicherheit. Die Nutzung digita- oder Podcast) bis hin zu den Bildschirmme- ler Angebote wie Messenger Dienste oder So- dien, wozu auch das Smartphone gehört. Je ziale Netzwerke scheint dieses Grundbedürf- nachdem, welches Medium benutzt wird, nis ebenso zu erfüllen. Hier sind die Grenzen spricht es unterschiedliche Sinne an. jedoch schnell erreicht, denn es wird vollkom- 14 KSA 3.2019
„ fotolia/zwiebackesser Manchmal ruf ich Mama oder Papa mit meinem Handy an. Maria (5) men ohne hautnahe körperliche Erfahrungen Aktuelle Untersuchungen zeigen folgenden auch Institutionen wie eine Kita oder die kommuniziert. Zudem verknappt sich dabei Zusammenhang, der vielen Eltern nicht be- Schule in Sachen „digitale Nutzung“ als Vor- nicht nur die Sprache, sondern es entfallen wusst ist: Unterbrechen sie ihren Kontakt mit bilder und haben Einflussmöglichkeiten. meist auch weitere Dimensionen von Kom- dem Kind häufig durch die Nutzung des Bleibt das Gespräch dagegen aus, so könn- munikation wie z.B. Mimik, Gestik oder Ton- Smartphones, können Kinder darauf mit ten Eltern gar in folgendem Gedanken be- fall. Das kann schnell zu Missverständnissen Frust und Verhaltensauffälligkeiten reagie- stätigt werden: „Ist doch gar nicht schlimm, führen. Und wenn eine Nachricht zwar gele- ren. Das wiederum bereitet Eltern vermehr- wenn ich mein Smartphone oft benutze – sen oder gehört, aber noch nicht beantwor- ten Stress. Entsprechend benötigen sie mehr wo doch selbst in der Kita Tablets eingesetzt tet wurde, kann auch der emotionale Druck Wissen, damit sie die Entwicklungsbedürf- werden.“ Im Ergebnis geht dann schnell der steigen. nisse ihrer Kinder besser verstehen und da- Blick auf das Kind, seine Bedürfnisse und ei- Blicken wir mit diesem Wissen nochmal aufs rauf ggf. durch Selbststeuerung und Selbst- ne gute Entwicklung verloren. Kind. Dessen Bindung entsteht und wird ge- korrektur adäquater antworten können. Hier stärkt durch seine tägliche Interaktionen mit greifen Angebote der Familienbildung, die MEINE SCHLUSSFOLGERUNG den Eltern (oder mit anderen Bezugsperso- Eltern in ihrer Selbstwirksamkeit stärken. Wir vom Kinderschutzbund müssen das Rad nen). Der Blickkontakt, ein aufmunterndes Lä- auch in Sachen Smartphone/Tablet nicht cheln oder einfühlsames Trösten mit Worten WIE HANDELN KITAS neu erfinden. Wir könnten uns gerade mit und/oder einer Umarmung geben dem Kind UND SCHULEN? Blick auf die unter Sechsjährigen auf das be- im unmittelbarem persönlichen Kontakt die In der institutionellen Betreuung halte ich es sinnen, was wir als gesichertes Wissen anse- Gewissheit: Meine Bindungspersonen sind für wichtig, dass die pädagogischen Fach- hen und was Grundlage unserer Angebote zwar nicht pausenlos, aber doch stets verläss- kräfte in den Kitas und Schulen einen sach- ist: Kinder entwickeln sich am besten, wenn lich verfügbar und bereit, mir zu helfen. Eine kundigen, kritischen Dialog darüber führen, sie mit allen Sinnen, in ihrem eigenen Tempo solche Interaktion mit dem Kind wird jedoch ob z.B. Tablets in der Einrichtung angeschafft und in sicherer Bindung die Welt erkunden jedes Mal unterbrochen, wenn der elterliche und eingesetzt werden sollen oder nicht. können. Smartphones und Tablets helfen ih- „ Blick zum Smartphone geht! Sollte dadurch Über diese Frage sollten sie sowohl unter- nen dabei nur bedingt. Und wir vom DKSB die Bindungssicherheit des Kindes gefährdet einander als auch mit den Eltern sprechen. könnten aus meiner Sicht auch mehr Gelas- werden oder verloren gehen, wird es alle ihm Mit Blick auf eine bestmögliche kindliche senheit aufbringen und darauf vertrauen, zur Verfügung stehenden Strategien aufwen- Entwicklung in der Sprache, der Konzentra- dass es nach dem sechsten Lebensjahr immer den, um die benötigte Sicherheit wiederzuer- tion und auch bei körperlichen Fähigkeiten noch rechtzeitig genug ist, Kinder langsam langen. (Fein- und Grobmotorik) fungieren nämlich und altersgerecht in die digitale Welt einzu- führen. Annett Zappe, Dipl.-Sozialpädagogin, Mein Bruder ist sechs. OV Leipzig Der hat schon ein Smartphone. Mama sagt, ich bin dafür zu klein und muss noch bisschen warten. Jona (4) 15
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