Mobile - Deutscher Kinderschutzbund

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Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
D I E Z E I T S C H R I F T D E S K I N D E R S C H U T Z B U N D E S  3 . Q UA R TA L 2 0 1 9 / H 8 7 6 3 F

                                               KINDERSCHUTZ A K T U E L L

                                                                                                           3.19

Smartphone

Mobile
                         ANSICHTEN  Kinder und Jugendliche nutzen ihr Smartphone
 W
                                      auf Schritt und Tritt. Wie positioniert sich der
     WW             DE
          .DK SB.                          DKSB dazu? Und was rät er Eltern?
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
Konzept/Texte: Swaantje Düsenberg -- Gestaltung: Rudolf Schwanke -- istockphoto/ericcote
Medien
                                                                     dksb.de
                                     Der Kinderschutzbund fördert den kritischen
                                   und selbstbestimmten Umgang von Kindern mit
                                       dem Internet und den sozialen Netzwerken.

KOMPETENZ
„Hör mal, Hänsel und Gretel haben sich
im Wald verirrt.“ – „Weiß doch jeder.
Die hatten ja auch kein Navi auf’m Handy.“
HEUTE KÖNNEN SICH KINDER IM INTERNET VERIRREN.
DA LAUERN AUCH GEFAHREN. MEDIENKOMPETENZ
SCHÜTZT KINDER. SORGEN WIR DAFÜR!
DER KINDERSCHUTZBUND
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
Mobile Ansichten
Diese KSA-Ausgabe zum Thema „Smartphone“ hat ein erstaunliches Eigenleben entwickelt. Warum?
Weil eindeutige Antworten auf wichtige Fragen nicht locker aus dem Ärmel zu schütteln waren, sondern zu
immer neuen Fragen führten. Wieso fasziniert uns das Smartphone so? Was machen Kinder und Jugendliche
damit? Verändert die Smartphone-Nutzung Beziehungen? Beeinträchtigt sie die Entwicklung von Kindern?
Was sagt die Wissenschaft dazu? Wie setzt sich der Kinderschutzbund mit dem Thema auseinander?
Was rät er verunsicherten Eltern? Kann er hier innerverbandlich Meinungsvielfalt tolerieren oder sollte er zu
einer übereinstimmenden Haltung kommen? Wer viel fragt, bekommt viele Antworten – und die
können durchaus unterschiedlich sein. In diesem Sinne stecken in diesem Heft viele Gedankenangebote,
die im DKSB weiterdiskutiert werden können.
                                                                                                 INHALT 3.2019

                                             18                                         KLIPP & KLAR
                                                                                        4

                                                                                        THEMA
                                                                                             Kolumne, Leserbriefe, Kinderrechte

                                                                                        6    Internet to go
                                                                                             Was kann das Smartphone alles?
                                                                                        8    Nicht ohne mein Smartphone!

                             9
                                                                                             Kinderansichten über den kleinen
                                                                                             „Alleskönner“
                                                                                        11   Sammelwut & Datenkraken
                                                                                             Der Preis für die Internetnutzung
          Kindersicht                                 DKSB-Sicht                        12   Fluch oder Segen?
 Nora Brockamp ist Medienpädagogin,          Joachim Türk ist „Onliner der ersten            Eltern in der Zwickmühle
 Stephan Knorre Social Media Manager.    Stunde“ und engagierter Kinderschützer.        14   Frühe Kindheit
Beide haben diese KSA-Ausgabe sowohl       Ihn beschäftigt die Frage, wie sich der           Wie SINN-VOLL sind digitale
 mitkonzipiert als auch mitgeschrieben. Kinderschutzbund zum Thema Smartphone                 Entwicklungshelfer?
 Sie stehen auf unterschiedliche Weise      positioniert bzw. positionieren sollte.
ständig in direktem Kontakt mit Kindern Deshalb fragt er: Wollen wir dazu kindge-       16   Aktion und Reaktion
 und haben mit ihnen über ihr digitales   rechte Positionen als Gesamtverband?               Medienkompetenz für Kinder
     Leben gesprochen. Ab Seite 8                        Ab Seite 18                    18   Frage an den DKSB
                                                                                             Wollen wir kindgerechte Positionen
                                                                                             als Gesamtverband?
                                                                                        20   Eltern, die auf Handys starren
                                                                                             Plakat-Aktion in Ortsverbänden
                                                                                        21   Service
                                                                                             Informationsquellen zum Thema

                                                                                                                  23
                                                              26                        KINDER IM BLICK
                                                                                        23 Fridays for future
                                                                                             Schulpflicht versus Grundrechte?
                       Kinderschutztage 2019                                            24   Die machen Sachen!
  Die diesjährigen Kinderschutztage fanden in Berlin statt. Zur Eröffnung sprachen           Kurz & bündig aus der DKSB-Praxis
dort u.a. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sowie zwei Jugendliche zu Themen,
                                                                                        26   Kinderschutztage 2019
  die sie bewegen. Im Anschluss stellte die Mitgliederversammlung dann wichtige
                                                                                             Weichenstellung in Berlin
 Weichen für die weitere Verbandsentwicklung. Die Delegierten wählten nicht nur
    einen neuen Bundesvorstand, sondern beschlossen auch die Umbenennung                30   Aktuelles aus dem Bundesverband
                   des DKSB in Der Kinderschutzbund. Ab Seite 26                        31   Impressum
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KOLUMNE
                                                                              KLIPP &
                                                                               KLAR
                    LIEBE LESERINNEN
                    UND LESER,                                               LESERBRIEFE
                    4,4 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut.      Hier eine Auswahl aus Zuschriften zu KSA-Artikeln.
                    Ihre Familien sind ganz oder teilweise von Sozial-       Schreiben auch Sie Ihre Meinung an die E-Mail:
                    leistungen abhängig.                                     ksa-redaktion@duesenberg-kontext.de

                    Der Staat gibt Milliarden für kinder- und familien-      Zu KSA 2.2019, Schwerpunktthema: Viel Gefühl –
                    politische Leistungen aus, aber oft kommt das Geld       Vom Umgang mit kindlichen Emotionen
                    nicht bei jenen an, die es brauchen. Zwar gibt die        Mehrdimensional
                    überwiegende Mehrheit der Eltern Studien zufolge         Ein kluges Heft mit viel Gefühl und Empathie für
                    jeden zusätzlichen Euro für Bildung und Teilhabe         Kinder! Es kreist das Thema mit vielen Aspekten ein
                    ihrer Kinder aus. Viele sind aber von all den An-        und spart auch die verbreitete elterliche Unsicher-
                    trägen und Formularen überfordert oder verzichten        heit nicht aus. Sehr aufschlussreich fand ich das Ge-
                    aus Scham auf Hilfen, die ihnen zustehen.                spräch über Schamgefühle. Die Expertinnen haben
                                                                             gut herausgearbeitet, wie mehrdimensional das
Das Problem ist nicht neu, es besorgt und beschäftigt uns Kinder-            Schämen ist.
schützerInnen schon lange. Vor zehn Jahren haben wir, gemeinsam mit          Larissa Worthers, Frankfurt
anderen Sozial- und Familienverbänden, das Bündnis Kindergrund-
                                                                             Zu KSA 2.2019, Kinder im Blick: Jubiläum „65/25“
sicherung gegründet. Verschiedene Leistungen wie Kindergeld, Kinder-
                                                                             – Kein Kaffeeklatsch
zuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket sollten in einer einzigen,
unbürokratischen Zahlung aufgehen: in der Kindergrundsicherung.               Kleine Korrektur
                                                                             Der Bericht über die DKSB-Feier in Hamburg hat
Zehn Jahre lang haben wir uns dafür eingesetzt, haben neue Bündnis-          mich in seiner Ausführlichkeit und Differenziertheit
partner gewonnen, mit der Politik diskutiert und eine gesellschaftliche      sehr erfreut. Dazu noch eine kleine Richtigstellung:
Debatte angestoßen – mit Erfolg! Jetzt, im Jahr 2019, ist die Kindergrund-   Es wird berichtet, die Hamburger Senatorin hätte in
sicherung in Sichtweite. Die Grünen haben unlängst ein neues, eigenes        ihrer Rede ausgespart, dass die Kinderrechte nicht
Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgestellt, das unsere Idee in        in der Hamburger Verfassung festgeschrieben sind.
vielen Punkten aufgreift und von uns ausdrücklich begrüßt wurde.             Zum Aussparen hatte sie jedoch keinen Grund,
Das Konzept der Grünen ist ein wichtiger Beitrag, um die Debatte             denn Hamburg hat eine reine Organisations-Ver-
weiter voranzutreiben und die ZweiflerInnen zu überzeugen.                   fassung, in der es keine Grundrechte gibt. Man ver-
                                                                             weist dazu auf das Grundgesetz, das vorher da war.
Die Grünen stehen mit ihren Plänen nicht allein da. Auch die Linken          Insofern können in die Hamburger Verfassung auch
sprechen sich schon länger für eine Kindergrundsicherung aus. Die SPD        keine Kinderrechte hineingeschrieben werden.
will noch in diesem Jahr ein eigenes Konzept vorlegen. In Nordrhein-         Prof. Dr. Wulf Rauer, Ehrenmitglied des
Westfalen hat die SPD-Fraktion im Landtag einen Antrag eingebracht,          DKSB, Hamburg
in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die Einführung einer
Kindergrundsicherung auf Bundesebene mitzugestalten und dabei Tempo          Zu KSA 1.2019, Schwerpunktthema: Wie gehts
zu machen. Viele weitere Landesverbände der SPD unterstützen das.            voran? Kinder im Straßenverkehr
Die FDP denkt mit ihrem sogenannten „Kinderchancengeld“ in eine               Unverantwortlich
ähnliche Richtung und lässt sich auf eine Diskussion ein. Mit CDU und        Ich finde es unverantwortlich von unserer Gesell-
CSU wäre eine Umsetzung nach jetzigem Stand der Dinge schwieriger,           schaft, die Kinder in diesem Verkehr „allein“ zu
dort überwiegen die Zweifel an der Idee.                                     lassen. Sie sind überfordert und bleiben im
                                                                             wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke.
In der politischen Landschaft in Deutschland ist derzeit vieles in Be-
                                                                             Lösungsmöglichkeit 1: kostenlose öffentliche Ver-
wegung. Wie die nächste Bundesregierung aussieht, kann noch niemand
                                                                             kehrsmittel vor allem im Nah- und Regionalverkehr.
sagen. Wir bleiben deshalb dran, werben weiterhin für unsere Idee und        Das regt deren Nutzung an und kann durch eine
versuchen, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen: Die Kinder-         CO2-Steuer finanziert werden.
grundsicherung wird viel Geld kosten, aber sie wird unterm Strich auch       Lösungsmöglichkeit 2: Ausbau der Ganztagsschule,
viel Geld einsparen. Jeder Euro, den wir in unsere Kinder investieren,       Unterrichtsbeginn erst um 9 oder 10 Uhr
zahlt sich am Ende aus. Besser kann ein Staat sein Geld nicht anlegen.       (wg. Dunkelheit im Winter sowie Unabhängigkeit
Herzlichst,                                                                  vom Berufsverkehr), Ausrichtung der Kindertages-
Ihr Heinz Hilgers                                                            stätten darauf.
                                                                             Dafür braucht es die Politik, einen Umbau der Ge-
Präsident des Kinderschutzbundes
                                                                             sellschaft und mehr Flexibilität der Einrichtungen.
                                                                             Henriette Auer, Burghausen

4 KSA 3.2019
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
Die Kinderrechte sollen in
                                                                                                        ganz Deutschland noch be-
                                                                                                        kannter werden. Deshalb sind
                                                                                                        sie derzeit auf einer Reise
                                                                                                        quer durch alle Bundesländer.
                                                                                                        Der Kinderrechte-Bus des
                                                                                                        Bundesfamilienministeriums
                                                                                                        macht in vielen Städten Halt.
                                                                                                        An jeder Station gibt es für
                                                                                                        Kinder und Erwachsene Spiele
                                                                                                        und Mitmachaktionen. Damit
                                                                                                        werden die Kinderrechte für
                                                                                                        die Kleinen und Großen er-
                                                                                                        fahr- und erlebbar. Wo der
                                                                                                        Kinderrechte-Bus Stopp
                                                                                                        macht, erfahren Sie hier:

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                                                                                                   www.kinder-ministerium.de
30 JAHRE KINDERRECHTE
2019 ist das Kinderrechtsjahr – denn die UN-Kinderrechtskonvention feiert ihren 30. Geburtstag. Sie wurde am 20. November 1989
von den Vereinten Nationen verabschiedet. Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1992 unterzeichnet.
Die Grundlage aller Aktivitäten des Kinderschutzbundes sind die Kinderrechte. Um ihnen eine stärkere Bedeutung zu geben, fordert
der DKSB ihre Verankerung im Grundgesetz – und zwar inklusive dem Recht auf Beteiligung sowie dem Vorrang des Kindeswohls.
Deshalb lautet das diesjährige DKSB-Jahresthema „Wir machen Zukunft – Kinder und Jugendliche mischen mit!“ Diese zentrale Botschaft
wird der Kinderschutzbund auch auf dem Weltkindertag 2019 im September aussenden, zu dem der Verband überall in Deutschland
Aktionen veranstalten will. 

                          EINE IDEE
                 SETZT SICH DURCH
     Mit Bad Kreuznach und Wiesbaden konnte der Kinderschutzbund
 deutschlandweit bisher schon sechs offizielle Plätze der Kinderrechte
 aus der Taufe heben. Ideengeber ist der Kinderschützer Joachim Türk
                            vom KV Westerwald/OV Höhr-Grenzhausen.
Mit einem bunten, fröhlichen Fest haben der OV/KV Bad Kreuznach und
    VertreterInnen der rheinland-pfälzischen Stadt ihren Platz der Kinder-
    rechte eingeweiht. Der historische „Eiermarkt“, wo auch der Orts- und
   Kreisverband seine „Zentrale“ hat, trägt nun diese Zusatzbezeichnung.
  Einen besseren Ort hätte es in Bad Kreuznach gar nicht geben können,
     um den Kinderrechten einen festen Platz im Stadtbild einzuräumen!
       Außer dem Straßenschild „Platz der Kinderrechte“ zieren jetzt auch
                  zehn bunte Tonziegel mit ausgewählten Kinderrechten
                         das Pflaster des historischen Platzes. (Foto oben)
     Und der Staffelstab ging gleich weiter: Auch in Wiesbaden haben die
 Kinderrechte in der Adolfsallee jetzt eine offizielle Adresse, mit dem der
      OV Wiesbaden und das Amt für soziale Arbeit sie sichtbar machen.
      Zu Ehren des damit sechsten Platzes der Kinderrechte gab es in der
  hessischen Landeshauptstadt ein großes Kinderfest. Tanzen zum selbst
 erarbeiteten Kinderrechte-Song – das ließen sich die Kids nicht zweimal
sagen und groovten fröhlich zu „Ich bin Wichtig“ vor dem neuen Straßen-
     schild. Verone Schöninger, Landesvorsitzende des Landesverbandes
    Hessen, und Berit Schmidt, 1. Vorsitzende des OV Wiesbaden, stellten
  sich anschließend einer Fragerunde zur Bedeutung der Kinderrechte. 

                                                                                                                                  5
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
TITEL-
                                     THEMA
Foto: iStock/harleebob

                                   Smartphone

                         Internet to go
                                Ob im Bus oder Café, auf der Straße oder beim
                             Einkaufen – Smartphones sind aus unserem Alltag
                                                                                                                          Prinzip eine Kombination aus einem Handy
                                                                                                                          und einem kleinen Computer. Erste Versuche
                             nicht mehr wegzudenken. Und das allein schon aus                                             gab es Ende der 90er Jahre. Die „Persönlichen
                            dem Grund, weil sie wirklich smart sind. Werfen wir                                           Digitalen Assistenten“ – kurz PDA – waren
                                                                                                                          große Klötze für Manager, so kompliziert zu
                              also zunächst einen Blick darauf, was dieser kleine                                         bedienen, wie der Name es vermuten lässt.
                           „Alleskönner“ so alles kann. Damit sind Sie auch schon                                         Dazu kosteten sie wahnsinnig viel Geld. Im
                          vorgewarnt: In diesem Artikel kommen Kinder nicht vor.                                          Jahre 2007 dann – ja, kommt uns schon viel
                                                                                                                          länger vor, oder? – kam der Durchbruch. Das
                            Denn es gilt ja zunächst einmal, über das Smartphone                                          US-amerikanische Unternehmen Apple
                             und seine Funktionen zu reden, bevor wir in diesem                                           brachte das erste iPhone auf den Markt. Die
                                    Zusammenhang über Kinder sprechen.                                                    Bedienung wurde einfacher und die geniale
                                                                                                                          Idee, überall eine dauerhafte Internetverbin-
                         Aus Sicht älterer NutzerInnen lässt sich übri-   Welt? Schnell die neuesten Nachrichten ge-      dung zu ermöglichen, öffnete der Fantasie
                         gens mit Smartphones noch vortrefflich von         checkt. Kurz noch der Oma schreiben, für die    der ProgrammiererInnen Tür und Tor. Und
                         unterwegs aus telefonieren. Das kann durch-      Kinder einen Zahnarzttermin vereinbaren         heute? Heute sind Smartphones eine Mi-
                         aus praktisch sein. Ein Adressbuch dazu und      und wann genau sind nochmal die Herbstferi-     schung aus mobilem Telefon, Computer, Fo-
                         die Möglichkeit, SMS zu senden und zu emp-       en in diesem Jahr? Einen akuten Anfall Lange-   toapparat, Stereoanlage und Spiele-Konsole.
                         fangen.„Mensch! Ganz wie früher, als wir noch    weile mit einem kleinen Geduldsspiel über-      Nur Kaffee kochen können die Dinger (noch)
                         einfach nur Handys hatten!“ Genau. „Und was      brücken oder doch lieber ein Katzenvideo        nicht.
                         ist dann der Unterschied?“ Der größte sichtba-   oder einen richtigen Film ansehen?              Zu den anfangs noch einfachen Zusatzfunk-
                         re Unterschied ist das heute meist recht große   Zu viele Fragen auf einmal? Das Smartphone      tionen kamen schnell weitere hinzu. Mittler-
                         Touch-Display des Smartphones. Mit einem         hilft! Einfach die Suchmaschine fragen! Ir-     weile gibt es sogenannte Apps für nahezu
                         Fingertipp auf oder einem Wischer über den       gendwie sind diese genialen Maschinchen         alles. Von kleinen Puzzles und Quizspielen
                         Bildschirm lassen sich zahllose Funktionen       zur Schnittstelle unserer Kommunikation ge-     über Yogaanleitungen bis zur Beobachtung
                         steuern. Alles in einer Hand.                    worden. Mit der Möglichkeit, immer und          des Sternenhimmels gibt es alles, was wir uns
                         Hier ein kleiner Schnappschuss, da ein wohl      überall ins Internet zu kommen. (Na ja, außer   vorstellen können. Ob Bankgeschäfte, Behör-
                         inszeniertes Foto, den Lieblingssong anhören,    bei mir um die Ecke, da ist ein Funkloch.)      dengänge oder Bücher bestellen – immer
                         noch eben Geld überweisen. Wie wird mor-         Telefonieren steht schon lange nicht mehr im    mehr Einkäufe und Dienstleistungen lassen
                         gen wohl das Wetter? Was ist gerade los in der   Vordergrund. Denn ein Smartphone ist im         sich bequem mit dem Smartphone abwi-

                         6 KSA 3.2019
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
„         Ein generelles Handyverbot an der Schule finde ich
                                       total übertrieben. In der Pause kann man doch
                                    problemlos mal Nachrichten beantworten. Magdalena (15)
                                                                                                                                Foto: iStock/zlikovec

                            ckeln. Der Begriff „App“ kommt übrigens vom        Apropos teilhaben: Fotos sind der größte
                            englischen Wort „application“ und bedeutet        Speicherfresser. Die Kameras werden immer
                            nichts anderes als Anwendung – klingt aber        besser, die Dateien immer dicker. Wer zwi-
                            natürlich viel cooler. In der Praxis sind das     schen zwei Modellen steht, wählt meist das
                            kleine Computerprogramme, die schnell und         mit dem größeren Speicherplatz. Die Erfah-
                            einfach auf dem Smartphone installiert wer-       rung zeigt nämlich: Selbst wenn einem der
                            den können. Aber Obacht, nicht alle sind kos-     Platz heute riesengroß erscheinen mag, wird
                            tenfrei! Und selbst die kostenfreien sind nicht   man trotzdem schon morgen in Platznot ge-
                            umsonst. Nebenbei: Früher bedeutete Appli-        raten. Nämlich dann, wenn sich all die Fotos
                            kation (= App) immer auf Stoff genähte hüb-        und Filmchen, die einem im Laufe der Zeit ge-
                            sche Flicken…                                     schickt werden, auf der Speicherkarte stauen    nicht fantastisch, die letzten Urlaubsbilder
                            Grundlage für die Installation der Apps ist die   und stapeln. Gewohnheitsmäßige Urlaubs-,        überall jederzeit zeigen zu können? Klar, ech-
                            technische Ausstattung des Geräts. Als Faust-     Katzen- und Essen-KnipserInnen sowie Inten-     tes Papier und Fotoalben, die beim Kaffee-
                            regel gilt: Je mehr Arbeitsspeicher und Spei-     sivnutzerInnen von Instagram und WhatsApp       trinken rumgereicht werden, sind vielleicht
                            cherplatz es hat, umso mehr lässt sich mit        können ein Lied davon singen.                   schöner. Aber schwerer. Es ist schon erstaun-
                            dem kleinen Wunderwerk anstellen. Ganz            Für Menschen wie mich sind Smartphones          lich, wie leicht so ein kleines smartes Gerät ist
                            wie bei einem richtigen PC. Nur dass ein          ständige Begleiter. Wir lesen unsere Bücher     – und was da alles draufpasst. Selbst die
                            Smartphone auch Fotos machen kann. Und            online oder hören beim Bügeln oder Joggen       schwersten bleiben heute unter 200 Gramm.
                            Filme. Was glauben Sie denn, woher all die        ein Hörbuch damit. Kalender helfen uns, den     Was gerade mal zwei Tafeln Schokolade ent-
                            Katzenvideos herkommen... Offenbar knipst          Alltag zu ordnen, Fotoalben und die Notiz-      spricht. Nur dass Smartphones in der Gesäß-
                            jede und jeder überall alles und jedes. „Ein      funktion dienen als Tagebuch. Und ja: Es wur-   tasche nicht schmelzen.
                            schönes Erlebnis wird noch schöner, wenn du       den schon ganze Romane auf Smartphones          Übrigens: Eine der wichtigsten Funktionen
                            es teilst“, sagt ein Sprichwort. Die so genann-   geschrieben. Auch Youtube-Videos und Seri-      im Smartphone ist die Einstellung für „laut-
                            ten sozialen Medien wie Instagram, Whats-         en werden auf den kleinen Schirmen angese-      los“. Kein Gebimmel im Theater, keine lästige
                            App oder Facebook machen es uns einfach,          hen, selbst wenn das Anschauen mir da eher      Störung beim Café-Besuch, kein geschmet-
                            die Resultate zu verbreiten. Natürlich haben      wie Radiohören vorkommt. Was übrigens bei       terter Klingelton im Konzert. Bitte „lautlos“
                            alle Social Media-Dienstleister eine App fürs     bestehender Internetverbindung auch sehr        nicht mit „Vibration“ verwechseln. Ein vibrie-
                            Smartphone. Das Programm Instagram wur-           gut funktioniert.                               rendes Handy erzeugt immer noch jede Men-
                            de sogar eigens für die Nutzung am Handy          „Das meiste kann mein Computer doch auch        ge Gebrumme und macht sich selbst aus ei-
                            entwickelt – Foto machen, hochladen und           alles!“, sagen Sie? Stimmt. Aber das Smart-     ner Hosentasche heraus bemerkbar – zum
                            andere Menschen am eigenen Leben teilha-          phone passt bequemer in die Hosentasche         Beispiel im Kino. Vorzugsweise bei Roman-
                            ben lassen.                                       und lässt sich überall mit hinnehmen. Ist es    zen. Sie trifft ihn. Der Mond scheint. Die Musik
                                                                                                                              wird leise. Sie blicken sich in die Augen. Tief.
                                                                                                                              Ihre Gesichter nähern sich. Brrrrrr! Brrrrrr! Da
                                                                                                                              stirbt die Liebe auf der Leinwand einen ab-
                                                                                                                              rupten Tod.
                                                                                                                              Noch eines: Niemand muss alle Funktionen
                                                                                                                              und Möglichkeiten eines Smartphones nut-
                                                                                                                              zen. Das meiste lässt sich abschalten. Wenn
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                                                                                                                              Sie die Einstellungen in der Tiefe des Menüs
                                                                                                                              denn finden.
                                                                                                                              Auf eine App möchte ich tatsächlich nicht
                                                                                                                              mehr verzichten und Sie Ihnen deshalb ans
                                                                                                                              Herz legen: die eingebaute Taschenlampe.
                                                                                                                              Das klingt jetzt ein wenig nach MacGyver und
                                                                                                                              Gimmicks aus dem Yps-Heft, ist aber in der
                                                                                                                              Nacht oder im Keller ziemlich erhellend.
                                                                                                                              So, nun folgen Beiträge zum Smartphone, die
                                                                                                                              dieses Thema im Hinblick auf kindliche und
                                                                                                                              jugendliche NutzerInnen in den Blick neh-
                                                                                                                              men. Aber jetzt wissen Sie schon mal, worü-
                                                                                                                              ber wir reden. 
                                                                                                                              Stefan Schwarck, freier Autor, Kiel

                                                                                                                                                                            7
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
Kindersicht

                           Nicht ohne mein Smartphone!
                           Überall in Deutschland sprechen Erwachsene privat oder von Berufs wegen
                           mit Kindern über das Smartphone. Wie wichtig ist es ihnen? Was machen sie damit?
                           Wie geht es ihnen dabei? Welche Probleme haben sie? Was sagen ihre Eltern?
                           Auch Nora Brockamp und Stephan Knorre,
                           das KSA-Expertenteam dieser Ausgabe,
                           geben der Sicht der Kinder hier
                           unabhängig voneinander eine Stimme.
fotolia/Syda Productions

                           Rund um die Uhr                                    angesagt sind, hat einen Grund: Sie bieten
                                                                              der jungen Zielgruppe das, was für sie gerade
                                                                                                                                   unterhaltsam kommentieren, aber auch Life-
                                                                                                                                   style-VloggerInnen, die aus ihrem Leben er-
                           Es ist 7.45 Uhr, als die Schulglocke zum           wichtig ist.                                         zählen. Diese sogenannten Influencer sind für
                           zweiten Mal läutet und die Klasse 7b in den        Sich selbst auszuprobieren hat in der Ju-            manche 13-Jährigen sogar ein Berufsvorbild.
                           Raum stürzt. Ich bin Medienpädagogin               gendzeit schon immer eine zentrale Rolle ge-         Während früher als Traumberuf „Fußballstar“
                           und kenne hier noch niemanden. Gleich              spielt. Das funktioniert heute beispielsweise        oder „Model“ in die Freundebücher geschrie-
                           werde ich mit diesen 13-Jährigen über              über die Foto-Plattform Instagram. Wer hier          ben wurde, findet man heute immer häufiger
                           etwas sprechen, das sie sehr beschäftigt,          ein Selfie hochlädt, bekommt schnell Rück-            den Berufswunsch „YouTube-Star“. Das wird
                           das immer mit dabei ist, aber über das             meldung in Form von Likes und Kommenta-              für die Jugendlichen erst dann problematisch,
                           selten jemand mit ihnen (auf Augenhöhe)            ren. „Auf Insta schaue ich auch immer, wo            wenn ihr Vertrauen in die Lieblingsstars so
                           redet: Smartphones, Soziale Netzwerke,             meine Lieblingsband gerade tourt“, fügt ein          groß ist, dass sie die von den Stars empfohle-
                           das Internet – ihr digitales Leben.                Junge hinzu. Viele interessieren sich für ihre       nen Produkte gedankenlos kaufen.
                           Viele Arme schießen in die Luft, als ich nach      Stars und Sternchen, die mit der jungen Ge-          „Super viel Spaß macht auch die App TikTok“,
                           viel genutzten Apps frage. Wie in allen 7. Klas-   neration auf sozialen Netzwerken private Ein-        meint plötzlich ein Junge aus der letzten Rei-
                           sen haben auch hier alle ein Smartphone. Ei-       blicke teilen. Ein Mädchen erzählt z.B.: „Ich fol-   he. „Da machen die Mädchen so kurze Tanz-
                           ne Welt ohne diese Geräte kennen Jugendli-         ge ganz vielen Künstler-Profilen und gucke            choreos“ – die Reihe Mädchen in der Mitte
                           che mit 13 heute nicht mehr. Also welche An-       mir da auch Tipps zum Zeichnen ab!“ Aha,             der Klasse kichert – „und ich mache da mit
                           wendungen sind am beliebtesten? Natürlich          denke ich, es hängt also auch stark von eige-        meinen Freunden andere Videos zu Musik!“
                           WhatsApp, Snapchat, Instagram und YouTu-           nen Interessen ab, wer welchen Profilen auf           Diese App nutzt kaum jemand in dieser Klas-
                           be, wie überall in diesem Alter. Auch Musik        Instagram und Kanälen auf YouTube folgt.             se alleine, sondern immer mit Freunden. Ob
                           hören sie mit dem Smartphone, früher haben         Die meisten älteren Kinder wollen auch wis-          ihnen da auch schon mal was Blödes passiert
                           sie auch mehr Spiele gespielt. „Das mache ich      sen, was gerade angesagt ist, und können sich        ist, will ich jetzt wissen. „Nö“, sagt ein Mäd-
                           jetzt aber lieber an der Konsole“, sagt der Jun-   dazu auf YouTube brandaktuelle Videos an-            chen. „Ich hab` mein Konto extra auf privat
                           ge mit dem coolen Emoji-Pullover in der ers-       schauen. Hier gibt es Videoformate, in denen         gestellt, damit einen da keine komischen
                           ten Reihe. Dass diese Apps unter Teenagern         YoutuberInnen Computerspiele spielen und             Leute anschreiben.“

                           8 KSA 3.2019
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
Gar nicht so anders
                                                                                                                             Es ist Montag. Ich sitze am Nachmittag im
                                                                                                                             Gruppenraum der „Emojis“. Diesen Namen
                                                                                                                             haben sich die Kinder der Erika-Mann-
                                                                                                                             Grundschule in Berlin-Wedding, wo unser

                                                                                                 Foto: iStock/Constantinis
                                                                                                                             LV Berlin die Kinderbetreuung hat, selbst
                                                                                                                             gegeben. Die sogenannten Emojis sind
                                                                                                                             auch in der Kommunikation mit dem
                                                                                                                             Smartphone kaum mehr wegzudenken.
                                                                                                                             Diese Symbole transportieren Gefühle und
                                                                                                                             machen deutlich, wie das Geschriebene ge-
                                                                                                                             meint ist. Zum Beispiel können Emojis la-
                                                                                                                             chen, zwinkern, tanzen, weinen und Grimas-
                                                                                                                             sen schneiden. Es gibt Emoji-Symbole für
Mit ihren Freunden möchten die Kinder am          Missgeschick nicht allein ist, weil es fast je-                            Haustiere, für die Oma und auch für den Fall,
liebsten rund um die Uhr in Kontakt stehen.       dem schon mal im Internet passiert ist – auch                              dass etwas gerade richtig blöd läuft.
„Ich schreibe ganz viel auf WhatsApp und          mir. Wie schnell ist ein Foto voreilig verschickt,                         Sieben Kinder erzählen mir jetzt, wann sie ihr
schicke meiner besten Freundin immer              ohne dass man alle Abgebildeten vorher ge-                                 erstes Smartphone bekommen haben. Ange-
Snaps“, spricht das Mädchen in der zweiten        fragt hat! Und eben auch ein Kettenbrief ist                               lina hat mit 9 Jahren das abgelegte von ihrem
Reihe schließlich aus, was hier alle gerne tun.   rasch versendet, noch bevor man gemerkt                                    älteren Bruders gekriegt; Keno hatte seines
Auf die Frage, ob sie auch eine Klassengruppe     hat, dass hinter dessen Link doch kein 500                                 bereits mit 6. „Und was macht ihr damit am
haben, hört man von 13-Jährigen fast überall:     Euro-Gutschein für Klamotten steckte, son-                                 liebsten?“, frage ich. Videos anschauen bei
„Ja klar!“ Und wie ist das so?, frage ich auch    dern ein fieser Virus.                                                      YouTube oder TikTok steht bei den Kindern
heute nach. Gleich melden sich 20 der 28 Kin-     Mit ähnlichen Themen bin ich häufig auch                                    ganz hoch im Kurs. Fernsehen ist out, Video-
der. Sie erzählen mir, dass in ihrer Gruppe, in   auf Elternveranstaltungen konfrontiert. El-                                Plattform in. Verständlich – hier bestimmt je-
die jeder aus der Klasse Textnachrichten,         tern wollen von mir wissen, wie lange ihre                                 des Kind sein eigenes Programm. Sie schauen
Emojis, Bilder, Videos oder Sprachnachrich-       Kinder am Smartphone sein dürfen, ab wel-                                  Filme über Videospiele, Musikvideos ihrer
ten über das Internet senden kann, allerhand      chem Alter Smartphones geeignet sind und                                   Idole oder informieren sich über angesagte
los ist. Mehrere hundert Nachrichten landen       welche Stolpersteine es im Internet für ihre                               Klamotten und Frisuren. Es erinnert mich
täglich in ihrem Gruppenchat, mit mehr oder       Kinder gibt. Auf keine dieser Fragen können                                stark an die gute alte BRAVO und das VIVA
weniger erhellendem Inhalt: „Guten Morgen“,       wir Medienfachleute einfache Antworten ge-                                 Fernsehprogramm aus meiner Jugend.
„Hi“, ein witziges Video, Lach-Emojis, einer      ben – weil es immer darauf ankommt, wie ein                                Untereinander kommunizieren die Kinder
schickt fünf lustige Bilder, die meisten schi-    Gerät eingesetzt wird, welche Apps genutzt                                 über WhatsApp mit den Eltern, Geschwistern
cken Kommentare zurück – und dazwischen           werden und wie kompetent das Kind mit
ist die Frage nach den Hausaufgaben für mor-      möglichen Problemen umgehen kann. El-
gen untergegangen. Auch Streits kennt diese       tern können sich am besten ein Bild über die
Klassengruppe, sie gehören nach meiner Er-        mediale Lebenswelt ihrer Kinder machen,
fahrung leider häufig dazu. „Deshalb versu-        wenn sie mit ihnen darüber sprechen. Wel-

                                                                                                                                                                              Foto: iStock/Kerkez
chen wir, sowas jetzt immer nur persönlich zu     che Apps nutzt du am liebsten? Und warum?
klären!“, erklärt mir ein Mädchen.                Was schaust du gerne auf YouTube? Dabei
Der Klasse sind Probleme des Internets durch-     können Eltern von Kindern lernen – und
aus bewusst, und für die meisten haben sie        gleichzeitig wichtige Tipps zum Umgang im
auch Bewältigungsstrategien. Wir reden trotz-     Netz weitergeben.
dem darüber, wie das in Zukunft vielleicht        Patrick aus der zweiten Reihe hat mir an
noch besser klappen könnte, und erstellen         diesem Tag verraten: „Mein Papa hat keine

                                                                                                                             „
schließlich gemeinsam ein Plakat mit Regeln       Ahnung von Smartphones. Der hat mir mal
für den Klassenchat. Die Kinder wissen, dass      `ne Sperre reingemacht, wann ich mein
es manchen schwerfällt, sich im Internet ge-      Smartphone nicht nutzen darf – aber in You-
nau so fair zu verhalten wie im realen Leben,     Tube habe ich gesehen, wie man die wieder
deshalb sind ihnen auch schon mal Beleidi-        rausmachen kann.“ Aha, der 13-Jährige weiß
gungen im Chat begegnet. Einer erzählt:           schon ganz gut, wie man recherchiert! „Die
„Und einmal, da haben mehrere von uns ei-         Erwachsenen haben ja keine Ahnung!“, höre                                             Manchmal macht es schon
nen Virus gekriegt, nur weil der Patrick uns so   ich übrigens oft von Kindern. Und „Die Kinder                                       Stress, ständig zu antworten,
einen beknackten Kettenbrief geschickt hat,       sind doch alle süchtig“, sagen Eltern oft. Viel-                           aber sonst hat man auch schnell das
und da war ein Link mit einem Virus drin!“ Pa-    leicht ist ja irgendwann mal Schluss mit den                               Gefühl, etwas zu verpassen oder fühlt
trick aus der zweiten Reihe senkt beschämt        gegenseitigen Vorurteilen.                                                    sich ausgeschlossen. Leandra (12)
den Kopf. Ich sage gleich, dass er mit diesem     Nora Brockamp

                                                                                                                                                                        9
Mobile - Deutscher Kinderschutzbund
eh nur ekelhafte Sachen laufen.“ (Keno). Bei
                                                                                                                                      den Antworten muss ich schmunzeln: Ähnli-
                                                                                                                                      ches haben meine Eltern früher auch be-
Foto: iStock/Alexander Medvedev

                                                                                                                                      fürchtet – aber da ging’s ums Fernsehen.
                                                                                                                                      Übrigens: Alexander lernt mit einer App auf
                                                                                                                                      dem Smartphone Englisch und Französisch.
                                                                                                                                      Keno benutzt häufig den Taschenrechner.
                                                                                                                                      Und mit so genannten Life Hacks findet er Lö-
                                                                                                                                      sungen für praktische Probleme, die in kur-
                                                                                                                                      zen Videos erklärt werden, beispielsweise wie
                                                                                                                                      man einen Flecken aus der Hose kriegt oder
                                                                                                                                      Spaghetti kocht.
                                                                                                                                      Die sieben Kinder vor mir wünschen sich, in
                                                                                                                                      der Schule noch viel mehr spannende Apps
                                                                                                                                      kennenlernen zu können. Ich verstehe es,
                                                                                                                                      schließlich gibt es viele interessante Lern-,
                                                                                                                                      Kooperations- und Kreativspiele für das
                                                                                                                                      Smartphone. Was ihre Eltern angeht, so hal-
                                  und Freunden – sowie über die Gruppen-            gel: „Meine Mama weiß zwar, was ich mit dem       ten die Kids manche für durchaus kompetent
                                  funktion mit der gesamten Klasse. „Die Klas-      Handy mache – aber sie schaut nicht ohne          zu helfen, wenn es mit dem Smartphone Pro-
                                  sengruppe ist ziemlich lustig. Es nervt nur,      meine Erlaubnis drauf!“                           bleme gibt. Sie glauben aber, dass es Eltern
                                  wenn andere Blödsinn schreiben“, erzählt der      Jetzt frage ich neugierig: Was befürchten die     gibt, die den Bildschirm ihres Laptops mit
                                  10-jährige Alexander. Ich bin überrascht, wie     Erwachsenen eigentlich, wenn Kinder mit           dem Finger bedienen wollen. Herzhaftes La-
                                  bewusst sie mit Mobbing und Streit umge-          dem Smartphone beschäftigt sind? „Mein Pa-        chen in der Runde. Ihre Wünsche an die
                                  hen, dazu haben sie einen klaren Standpunkt:      pa sagt immer, dass Handys dumm machen            Smartphone-Hersteller: Unendliche Akku-
                                  „Wenn sich jemand im Gruppenchat blöd be-         und ich mehr lesen soll.“ (Leo) - „Meine Mutter   laufzeit, unzerstörbares Material und werbe-
                                  nimmt, wird der einfach blockiert“, erklärt       meint, ich muss bald eine Brille tragen oder      freier Spielspaß! So viel anders waren meine
                                  Alexander kurzum.                                 werde sogar blind, wenn ich so lange am           Wünsche in ihrem Alter auch nicht... 
                                  In ihrer Schule sind Smartphones verboten,        Handy bin.“ (Marisa) – „Und dass bei YouTube      Stephan Knorre
                                  erzählen mir die Grundschulkinder. Viele las-
                                  sen es deshalb direkt zu Hause oder schalten
                                  es erst nach dem Unterricht an. „Das nervt“,
                                  finden einige. Die meisten sind mit den AG-
                                  Angeboten und beim Spielen auf dem Schul-
                                  hof aber eh gut beschäftigt. „Was nervt euch
                                  noch am Smartphone?“, frage ich in die Run-
                                  de. Alle sind sich gleich einig: die ätzenden
                                  Werbeblöcke. Und dass man manchmal das
                                  Passwort vergisst oder der Akku zu schnell
                                  leer ist. Schon witzig: Über leere Batterien im
                                  GameBoy und ätzende Werbung im Fernse-
                                  hen habe ich mich als Kind auch oft geärgert.

                                  Mal schauen, ob Eltern heute cooler sind, als
                                  ich sie damals empfunden habe. „Wie ist das
                                  denn mit dem Smartphone bei euch zu Hau-
                                                                                    Expertise im Doppelpack
                                  se? Gibt es Regeln? Und wissen eure Eltern,       Nora Brockkamp (24) und Stephan Knorre (34) haben an dieser KSA-Ausgabe
                                  was ihr mit dem Handy so macht?“, will ich        nicht nur pro bono mitgeschrieben, sondern waren auch in der Redaktion zu Gast, um
                                  wissen. Leo darf nur am Wochenende spielen;       das Schwerpunktthema mit zu konzipieren. Vielen Dank für die tolle Unterstützung!
                                  eine App-Sperre regelt seinen Konsum. Mari-       Nora Brockkamp ist „digital native“. Die Medienpädagogin arbeitet bei der mecodia GmbH
                                  sas Eltern schauen mit ihr zusammen, welche       in Aichtal. In diesem Rahmen bietet sie Schulklassen bundesweit Workshops u.a. zum Thema
                                  Apps und Spiele sie installiert. Gerade wenn      Smartphonenutzung an und bildet auch Eltern wie Lehrkräfte zu digitalen Medien fort.
                                  das Vergnügen erst ab 12 Jahren freigegeben       Außerdem ist sie für das Internetangebot www.handysektor.de tätig (vergl. S. 21),
                                  ist, wird vorher kontrolliert. Mich überrascht,   dessen Projektverantwortung ebenfalls bei der mecodia Gesellschaft liegt.
                                  dass die Kinder solche Regeln gut finden. Ke-      Stephan Knorre hat sein erstes Smartphone erst mit 33 Jahren angeschafft. Der Social
                                  no erzählt lachend: „Und wenn wir alle bei        Media Manager verantwortet im DKSB Berlin seit 2017 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
                                  meiner Oma essen, darf das Handy nicht mit        Außerdem leitet er im Landesverband die AG Medien. Diese widmet sich Fragestellungen
                                  auf den Tisch. Boah, das fällt auch meinen El-    aus dem Alltag von Grundschulkindern und konzipiert Angebote zum bewussten und
                                  tern voll schwer!“ Angelina, der Privatsphäre     nutzbringenden Umgang mit Medien. Diese Konzepte sollen den schulischen Teil der
                                  wichtig ist, berichtet von einer weiteren Re-     kindlichen digitalen Lebenswelt befruchten. 

                                  10 KSA 3.2019
Sammelwut & Datenkraken
  Ob Jung oder Alt – wer das

                                                   Foto: iStock/yevtony
 Internet nutzt, macht seine
 Daten fast automatisch zur
 Ware. Denn sie werden von
  Unternehmen gesammelt,
    ausgewertet und weiter-
    verwertet. Dabei geht es
      nur um eines: mit den
 „Sammlungen“ so viel Geld
    wie möglich zu machen.

Das neue Spiel fürs Smartphone verspricht
Action und lässt sich sogar „kostenlos“ runter-
laden. Klingt verlockend – ist aber keineswegs
umsonst. Die Währung, in der es bezahlt wird,
heißt Daten. Gleiches gilt für unzählige andere

                                                                          „
kostenlose Apps von der Wettervorhersage
bis zum Vokabeltraining sowie für Anfragen in
Suchmaschinen oder Onlineshops. Anbieter
werten jede Bewegung im Netz aus und er-
stellen daraus Profile der NutzerInnen. So ent-
stehen Datenpäckchen und -pakete, die das
eigene Geschäft der Unternehmen ankurbeln
und auch an Dritte weiterverkauft werden.                                     Mein Smartphone war mir mal kaputt gegangen, da war
Von diesem „Geschäftsmodell“ leben nicht                                    ich von der Zivilisation abgeschnitten. Mit meinem neuen
nur Google und Facebook. Auch deren Kun-                                  Smartphone kann ich voll viel machen. Jeremy (15)
den, die auf diesen Seiten Werbung treiben,
können sich darauf verlassen, dass ihre Wer-       treten. Darin wird ausdrücklich anerkannt,          Jahren voraus, bräuchte also eigentlich für alle
beangebote passgenau immer bei der „richti-        dass Kinder „besonderen Schutz“ bei ihren           unter 16-Jährigen eine Einverständniserklä-
gen“ Zielgruppe auftauchen.                        personenbezogenen Daten benötigen, weil             rung der Eltern. Tatsächlich müssen diese je-
Dieses Sammeln im großen Stil hat mittler-         ihnen das Ausmaß bei der Verarbeitung solch         doch nur für besonders geschützte Daten ein-
weile den Begriff der „Datenkrake“ geprägt.         sensibler Informationen „möglicherweise we-         willigen, etwa für Angaben ihres Kindes zu re-
Firmen analysieren nicht nur, was jemand im        niger bewusst“ ist. Entsprechend schreibt die       ligiösen und politischen Standpunkten, zur
Internet tut, sondern sie puzzeln auch aus         DSGVO vor: Personenbezogene Daten dürfen            sexuellen Orientierung oder zum Wunsch
den verschiedenen einzelnen Profilen, die ein       nur nach Einwilligung verarbeitet werden.           nach personalisierter Werbung.
Mensch von sich eingestellt hat, ein Gesamt-       Wirksam einwilligen können Jugendliche ge-          Viele Anbieter verzichten ganz auf das Einho-
bild von ihm zusammen, das noch weit mehr          mäß der neuen Verordnung erst ab 16 Jahren,         len der elterlichen Zustimmung. Sie versu-
über ihn verrät. Das beflügelt die Zukunftsvi-      vorher müssen das die Erziehungsberechtig-          chen mittels Altersgrenzen in ihren AGB ledig-
sion z.B. von Amazon: Der Internet-Versand-        ten für sie tun.                                    lich, sich selbst vor Haftungsansprüchen bzw.
händler könnte seiner Kundschaft schon bald        In diesem Zusammenhang sind nun die                 Strafen zu schützen, die bei Verstößen drohen.
bestimmte Waren ins Haus liefern – noch be-        Nutzungsbedingungen verschiedener sozia-            Jugendliche, die ihr Alter wahrheitswidrig mit
vor die überhaupt weiß, dass sie diese Pro-        ler Netzwerke interessant. Beim Messenger           16 angeben, sowie Eltern, die ihren Kindern
dukte „braucht“ und bestellen will.                Dienst WhatsApp z.B., einer Facebook-Toch-          unter dem Mindestalter die Nutzung erlau-
Zu den größten Datenkraken gehört übrigens         ter, liegt das Mindestalter bei 16 Jahren. Aller-   ben, machen sich dagegen nicht strafbar. Das
die US-amerikanische Firma Oracle. Sie sam-        dings reicht bei der Anmeldung ein Klick für        entbindet Erziehungsberechtigte jedoch
melt Daten von mehr als 15 Millionen Inter-        die Bestätigung, dass man alt genug sei.            nicht von der Verantwortung, sich mit ihren
netseiten und soll Profile von rund drei Milliar-   Überprüft wird das nicht. Entsprechend die          Kindern darüber auseinanderzusetzen, ob
den Personen besitzen. Man mag sich gar            Ergebnisse der Jim-Studie 2018: Für rund            und wann sie ihnen die Nutzung sozialer
nicht ausdenken, wozu all diese sensiblen Da-      90% der 12- bis 15-Jährigen gehört Whats-           Netzwerke erlauben und wie sie sie dabei be-
ten noch alles benutzt werden könnten...           App zu den wichtigsten Anwendungen auf              gleiten. 
Und was ist mit dem Datenschutz? Schließlich       ihrem Smartphone.                                   Marina Haßelbusch,
ist im Mai 2018 die neue europäische Daten-        Facebook selbst setzt in seinen Nutzungsbe-         Juristin und Journalistin, Hannover
schutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft ge-         dingungen weiterhin ein Mindestalter von 13

                                                                                                                                                   11
Foto: iStock/Kerkez
               Elternsicht

FLUCH oder SEGEN?
Der Streit geht mitten durch die Familien, Kollegien und                                            (Menschen mit starker Präsenz in sozialen
                                                                                                    Netzwerken, die deshalb als Werbeträger
Redaktionen: Wie viel Handy oder Smartphone schadet                                                 gefragt sind). Auch diese Sorgen sind ver-
dem Kind? Gerade Eltern fragen sich: Isoliere ich mein                                              ständlich.
Kind, wenn ich ihm noch kein Mobiltelefon erlaube,                                                  Hilft uns Eltern hier ein Blick in die einschlägi-
                                                                                                    ge Literatur, damit wir uns eine Meinung bil-
obwohl doch alle schon eines haben und es sogar einen                                               den und sicherer werden können? Nicht wirk-
Klassenchat gibt? Und wenn ich es erlaube, dann kann                                                lich, denn die Lage ist verwirrend.
es im wahrsten Sinne des Wortes mitreden und sich gut                                               Wir wissen, dass das kindliche Gehirn eine
                                                                                                    Zeit zur Reifung benötigt (bis zum 18. – 20.
auf die digitale Zukunft vorbereiten – bloß wie?                                                    Lebensjahr) und in dieser Phase erheblich be-
Der Umgang mit mobilen Endgeräten in der         und was es online macht. Auch als Hausauf-         einflussbar ist – auch durch eine übermäßige
Familie wird uns Eltern wahrlich nicht leicht    gabenhelfer ist das kleine Ding smart. Oft         Nutzung von Smartphones. Und die soge-
gemacht. Einerseits sind wir mittendrin im di-   selbst schon mit Handys groß geworden, se-         nannte BLIKK Studie – um nur eine zu nen-
gitalen Zeitalter. Selbst in der Schule sollen   hen diese Eltern die ganze Angelegenheit ge-       nen – fand heraus, dass Fütter- und Schlafstö-
Tablets die Bildungskrise abwenden und da-       lassen oder setzen sogar selbst die Mobilge-       rungen bei Säuglingen ein Resultat der elter-
zu beitragen, dass Deutschland den An-           räte bei der Erziehung ihrer Kinder gezielt ein,   lichen Mediennutzung während der Bertreu-
schluss an die digitale Außenwelt nicht ver-     sei es zur Ablenkung der Kleinen oder zum          ung sein können. Weitere Ergebnisse der
liert. Andererseits hören wir Warnungen vor      Spielen.                                           BLIKK Studie:
„digitaler Demenz“, die unsere Kinder durch      Die andere Gruppe ist da deutlich zurückhal-        70 Prozent der Kinder im Kita-Alter nutzen
frühe und häufige Nutzung digitaler Medien        tender, befürwortet ein Smartphone teils so-       das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine
heimsuchen könnte. Fluch oder Segen – nein,      gar erst für 18-Jährige und versucht, alle me-     halbe Stunde täglich.
wir haben keine Wahl: Es ist immer beides.       dialen Einflüsse auf ihre Kinder einigermaßen        Kinder unter sechs Jahren, die intensiv digi-
Die eine Gruppe Eltern ist vom Smartphone        unter Kontrolle zu behalten. Bei dieser Grup-      tale Medien nutzen, haben häufiger Störun-
in Kinderhand begeistert, kann sie doch je-      pe schlägt die Sorge durch vor schädlichen         gen bei der Sprachentwicklung oder können
derzeit sehen, wo sich ihr Kind gerade aufhält   Strahlungen, Suchtgefahr und Influencern            sich schlechter konzentrieren.

12 KSA 3.2019
 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis       zufrieden geben, die teils sogar widersprüch-      nicht sagen können, was genau gefährlich ist.
                           13 Jahren, die täglich mehr als eine Stunde di-   lich sind. In der Folge wird sich jeder nach ei-   Dazu aber müssen wir selbst schlau sein!
                           gitale Medien nutzen, leiden häufiger unter        genen Überzeugungen gleichsam mosaik-              Vorläufig helfen uns gute Internetportale
                           Konzentrationsschwächen. Sie konsumieren          mäßig daraus sein Bild vom „Smartphone in          weiter, und davon gibt es genügend. (Lesen
                           mehr süße Getränke und Süßigkeiten und            der Familie“ zusammenbasteln.                      sie dazu auch ab Seite 21.)
                           neigen eher zu Adipositas.                        Das dürfte uns Eltern nicht gerade sicherer in     Ganz klar, es müssen Regeln für die Familie
                                                                             unserem Verhalten machen. Allein bei den           her, die gut nachvollziehbar und fair sind –
                           Klar scheint auch zu sein, dass die Interaktion   Fragen, ab welchem Alter und wie lange täg-        und an deren Entwicklung die Kinder betei-
                           zwischen Eltern und Kindern durch die elter-      lich ein Smartphone von Kindern genutzt wer-       ligt sind wie z.B.
                           liche Handynutzung oft gestört wird, was          den kann, kursieren völlig unterschiedliche        M Smartphone erst ab ca. 12 Jahren,
                           Kindern Stress bereitet. Der ständige Blick       Ansichten. Wenn dann auch noch vergleich-          M keine Smartphone-Nutzung beim
                           von Eltern auf das Display, ihr Drang, sofort     bare Medien in Kita und Grundschule metho-            gemeinsamen Essen, bei Ausflügen
                           antworten oder posten zu müssen, könnte           disch-didaktisch eingesetzt werden, wird es           und für Kinder nach z.B. 20 Uhr,
                           dem Kind signalisieren: Das Handy ist mir         ganz kompliziert. Klar ist aber auch: Verban-      M gemeinsam festgelegte Zeitlimits,
                           wichtiger als du! Das wäre eine fatale Bot-       nen und verdammen können wir das kleine            M Beteiligung an den Kosten.
                           schaft. Möglicherweise fördert das elterliche     Mobilgerät schon vor dem Hintergrund nicht,
                           Verhalten aber auch den Wunsch im Kind: So        dass die technologische Entwicklung rasant         Wir Eltern haben nicht viel Zeit. Wenn wir
                           ein Ding will ich auch haben – da muss was        voranschreitet und das„smart-home“ und die         ehrlich sind, müssen wir nämlich zugeben:
                           Spannendes drin sein!                             „smart-city“ am Horizont zu erkennen sind.         Ab einem bestimmten Alter verlieren wir die
                           Viele Studien kommen zu ähnlichen Ergeb-          Wir wollen trotzdem versuchen, im Folgen-          Kontrolle darüber, wie unsere Kinder die
                           nissen, die aber durchaus vorsichtig interpre-    den wenigstens ein paar übereinstimmende           Endgeräte nutzen. Dann sind sie uns auch
                           tiert werden. Jedenfalls lässt sich der Nach-     Hinweise zu geben.                                 viele Schritte voraus, was die Möglichkeiten
                           weis, dass das Smartphone an vielen Übeln         Auch wenn das Bild vom Vorbild immer               der Geräte angeht. Nicht selten müssen wir
                           schuld sei, kaum eindeutig erbringen. Heute       schwierig ist – in Sachen Umgang mit den Me-       sie dann fragen, wie dies oder jenes über-
                           zumindest wissen wir noch viel zu wenig           dien mag es Sinn machen. Kinder verfolgen          haupt funktioniert. Und mal ehrlich: Wir ha-
                           über den Einfluss der mobilen Geräte auf uns       schon von Klein auf, wie wir Erwachsenen TV,       ben meist keine Ahnung, auf welchen Platt-
                           Menschen. Und in der Regel ist die Beziehung      Smartphone & Co handhaben. Je sorgsamer            formen sie sich tummeln – außer, eine gute
                           zwischen Ursache und Wirkung ohnehin sehr         wir mit unseren eigenen digitalen Endgeräten       Beziehung vorausgesetzt, sie lassen uns gnä-
                           komplex. Deswegen wird es forschungsme-           umgehen, umso eher besteht eine Chance,            dig teilhaben. Bis dahin jedoch haben wir ei-

      „
                           thodisch auch schwierig bleiben, eindeutige       dass etwas davon abfärbt. Was dagegen si-          nen nicht zu unterschätzenden Einfluss, den
                           kausale Zusammenhänge zwischen Handy-             cher kein guter Rat wäre, sind Verbote und         wir nutzen sollten. 
                           nutzung und Konsequenzen für das Kind he-         Strafen. Auch schwammige Warnungen vor             Dr. Martin Stahlmann, Redaktion
                           rauszuarbeiten. Vorerst müssen wir uns also       Strahlungen, Suchtgefahr, Betrug oder „bö-
                           mit Annäherungswerten und Hypothesen              sen“ Websites helfen nur wenig, solange wir

                                     Manchmal sind meine Eltern genervt, wenn ich so oft
                                    am Handy bin. Bei gemeinsamen Mahlzeiten ist
                                   deshalb das Handy tabu – aber dann für alle. Tamara (14)
Foto: iStock/Daisy-Daisy

                                                                                                                                     fotolia/bramgino

                                                                                                                                                                          13
Frühe Kindheit                Wie SINN-VOLL sind
                       digitale Entwicklungshelfer?
                           Der Kinderschutzbund Leipzig hat unter dem Titel                                                Wie schwer fühlt sich der Apfel an? Ist seine
                                                                                                                           Schale rau oder glatt? Wie duftet er, wie saftig
                         #starkmitmedien ein neues Angebot aufgelegt. Es soll
                                                                                                                           ist er? Wie knackig hört sich der Biss in den
                       Eltern mit Kindern im Vor- und Grundschulalter, aber auch                                           Apfel an? Dieses Lernen unter Benutzung al-
                        pädagogische Fachkräfte weiterbilden. Hier berichtet die                                           ler Sinne bietet dem kindlichen Hirn sehr vie-
                                                                                                                           le Möglichkeiten, die verschiedenen Wahr-
                        Projektleiterin Annett Zappe über die Grundlagen ihrer
                                                                                                                           nehmungen mit weiteren Informationen zu
                           Arbeit und ihre Erfahrungen. Dabei stellt sie auch                                              verknüpfen. Je öfter so ein Prozess nun ge-
                               einige Gedanken im DKSB zur Diskussion.                                                     schieht, umso tiefer verankern sich Wissen
                                                                                                                           und Erfahrungen im Gehirn. Es wird mit jeder
                                                                        WIE LERNT DER MENSCH AM BESTEN?                    neuen Erfahrung leistungsfähiger und er-
                                                                        Die biologisch im Menschen verankerten An-         möglicht ein zunehmend vernetztes Denken.
                                                                        triebe zur Welterkundung – etwa durch Nach-        Außerdem kann das Kind bei dieser Art realer
                                                                        ahmen, Spielen, durch Wissbegierde und fan-        Welterkundung in seinem ganz persönlichen
                                                                        tasievolles Erfinden – benötigen alle Sinne,        Tempo lernen und verstehen.
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                                                                        um sich voll entfalten zu können: das Hören,       Ganz anders sieht die Sache aus, wenn ein Ap-
                                                                        das Riechen, das Schmecken, das Sehen und          fel virtuell vorgestellt wird, etwa in einem Film
                                                                        das Tasten. Mit diesem Wissen über das Ler-        auf dem Smartphone oder Tablet. Der Film ist
                                                                        nen mit allen fünf Sinnen, das sich durch das      bestimmt sehr informativ – er kann aber das
                                                                        gesamte Menschenleben zieht, ist folgende          Fühlen, Schmecken und Riechen nicht erset-
                                                                        Frage spannend: Wann, wie und in welchem           zen. Außerdem geben die szenischen Schnit-
                                                                        Umfang kann der Einsatz von digitalen Me-          te und dramaturgischen Kniffe dem Kind ein
                                                                        diengeräten wie einem Smartphone oder              Lerntempo vor, das nur selten seine persönli-
                                                                        Tablet Kinder in ihrer Entwicklung unterstüt-      che Wahrnehmungs- und Verarbeitungszeit
                                                                        zen – oder auch stören, z.B. beim Spracher-        hundertprozentig trifft.
                                                                        werb oder bei der Konzentration?
                       Meine Arbeitsschwerpunkte im OV Leipzig          Kommen wir nun zur Nutzung des Smartpho-               WAS VERMITTELN WIR ELTERN?
                       sind seit 2004 u.a. die Koordination und         nes, bei der nur der Seh- und Hörsinn ange-        In unserem Begleitmaterial zur Stärkung der
                       Durchführung von unterschiedlichen prä-          sprochen wird. Den Tastsinn können wir hier        psychischen Gesundheit von Kindern und Ju-
                       ventiven Kursen und Veranstaltungen für El-      vernachlässigen, wenn nur das Wischen mit          gendlichen, das uns Elternkursleitungen bei
                       tern zu (fast) allen Fragen rund um den Fami-    einem Finger über den gläsernen Bildschirm         der Wissensvermittlung in den Elternkursen
                       lienalltag. Dabei kann ich sehr praxisnah mein   erforderlich ist. Und was ist mit Riechen und      Starke Eltern – Starke Kinder® fachlich unter-
                       Fachwissen und meine Erfahrungen als Trai-       Schmecken? Fehlanzeige – Bildschirmme-             stützt, werden die psychischen Grundbedürf-
                       nerin des DKSB-Elternkurses Starke Eltern –      dien können zumindest heute noch keine             nisse erläutert (nach Klaus Grawe in Anleh-
                       Starke Kinder® sowie als Marte Meo-Beraterin     Düfte absondern. Und schmecken tun sie             nung an Epstein). Ich selber arbeite nur noch
                       einbringen. Unser Angebot #starkmitmedien        auch nicht gut.                                    mit diesem Modell, weil ich sehr oft die Erfah-
                       gibt es seit Januar 2019. Im Mittelpunkt ste-    Stellen wir uns jetzt als Beispiel ein Kind vor,   rung gemacht habe, dass es Eltern und auch
                       hen zwei Fragen: Wie kann das Kind mit mög-      das gerade einen echten Apfel erkundet: Wie        Fachkräften damit viel leichter fällt, das Ver-
                       lichst allen Sinnen lernen? Und welche Chan-     ist die Form der Frucht? Welche Farbe hat sie?     halten von Kindern zu verstehen und eine ent-
                       cen und Grenzen weisen digitale Medien bei                                                          sprechend entwicklungsfördernde Haltung
                       der Erfüllung menschlicher Grundbedürfnis-                                                          einzunehmen.
                                                                         Foto: iStock/LeManna

                       se auf?                                                                                             Beispielhaft möchte ich hier das Grundbe-
                       Wenden wir uns zunächst dem Begriff „Me-                                                             dürfnis nach Bindung und sozialen Beziehun-
                       dien“ zu: Ein Medium ist eigentlich nichts an-                                                      gen herausgreifen und es in Zusammenhang
                       deres als ein Hilfsmittel, mit dem Informatio-                                                      mit der Nutzung digitaler Medienangebote
                       nen, Wissen und Meinungen vermittelt und                                                            bringen. Von Geburt an sind wir Menschen
                       verbreitet werden. Das Spektrum der „Hilfs-                                                         auf sichere Bindungen zu anderen Menschen
                       mittel“ ist entsprechend breit gefächert - von                                                      angewiesen. Sie sorgen für unsere körperliche
                       gedruckten Medien über den Funk (Radio                                                              und seelische Sicherheit. Die Nutzung digita-
                       oder Podcast) bis hin zu den Bildschirmme-                                                          ler Angebote wie Messenger Dienste oder So-
                       dien, wozu auch das Smartphone gehört. Je                                                           ziale Netzwerke scheint dieses Grundbedürf-
                       nachdem, welches Medium benutzt wird,                                                               nis ebenso zu erfüllen. Hier sind die Grenzen
                       spricht es unterschiedliche Sinne an.                                                               jedoch schnell erreicht, denn es wird vollkom-

                       14 KSA 3.2019
„
fotolia/zwiebackesser

                                                                                                                                       Manchmal ruf ich Mama
                                                                                                                                        oder Papa mit meinem
                                                                                                                                          Handy an. Maria (5)

                        men ohne hautnahe körperliche Erfahrungen        Aktuelle Untersuchungen zeigen folgenden         auch Institutionen wie eine Kita oder die
                        kommuniziert. Zudem verknappt sich dabei         Zusammenhang, der vielen Eltern nicht be-        Schule in Sachen „digitale Nutzung“ als Vor-
                        nicht nur die Sprache, sondern es entfallen      wusst ist: Unterbrechen sie ihren Kontakt mit    bilder und haben Einflussmöglichkeiten.
                        meist auch weitere Dimensionen von Kom-          dem Kind häufig durch die Nutzung des             Bleibt das Gespräch dagegen aus, so könn-
                        munikation wie z.B. Mimik, Gestik oder Ton-      Smartphones, können Kinder darauf mit            ten Eltern gar in folgendem Gedanken be-
                        fall. Das kann schnell zu Missverständnissen     Frust und Verhaltensauffälligkeiten reagie-       stätigt werden: „Ist doch gar nicht schlimm,
                        führen. Und wenn eine Nachricht zwar gele-       ren. Das wiederum bereitet Eltern vermehr-       wenn ich mein Smartphone oft benutze –
                        sen oder gehört, aber noch nicht beantwor-       ten Stress. Entsprechend benötigen sie mehr      wo doch selbst in der Kita Tablets eingesetzt
                        tet wurde, kann auch der emotionale Druck        Wissen, damit sie die Entwicklungsbedürf-        werden.“ Im Ergebnis geht dann schnell der
                        steigen.                                         nisse ihrer Kinder besser verstehen und da-      Blick auf das Kind, seine Bedürfnisse und ei-
                        Blicken wir mit diesem Wissen nochmal aufs       rauf ggf. durch Selbststeuerung und Selbst-      ne gute Entwicklung verloren.
                        Kind. Dessen Bindung entsteht und wird ge-       korrektur adäquater antworten können. Hier
                        stärkt durch seine tägliche Interaktionen mit    greifen Angebote der Familienbildung, die             MEINE SCHLUSSFOLGERUNG
                        den Eltern (oder mit anderen Bezugsperso-        Eltern in ihrer Selbstwirksamkeit stärken.       Wir vom Kinderschutzbund müssen das Rad
                        nen). Der Blickkontakt, ein aufmunterndes Lä-                                                     auch in Sachen Smartphone/Tablet nicht
                        cheln oder einfühlsames Trösten mit Worten                 WIE HANDELN KITAS                      neu erfinden. Wir könnten uns gerade mit
                        und/oder einer Umarmung geben dem Kind                       UND SCHULEN?                         Blick auf die unter Sechsjährigen auf das be-
                        im unmittelbarem persönlichen Kontakt die        In der institutionellen Betreuung halte ich es   sinnen, was wir als gesichertes Wissen anse-
                        Gewissheit: Meine Bindungspersonen sind          für wichtig, dass die pädagogischen Fach-        hen und was Grundlage unserer Angebote
                        zwar nicht pausenlos, aber doch stets verläss-   kräfte in den Kitas und Schulen einen sach-      ist: Kinder entwickeln sich am besten, wenn
                        lich verfügbar und bereit, mir zu helfen. Eine   kundigen, kritischen Dialog darüber führen,      sie mit allen Sinnen, in ihrem eigenen Tempo
                        solche Interaktion mit dem Kind wird jedoch      ob z.B. Tablets in der Einrichtung angeschafft    und in sicherer Bindung die Welt erkunden
                        jedes Mal unterbrochen, wenn der elterliche      und eingesetzt werden sollen oder nicht.         können. Smartphones und Tablets helfen ih-

                                             „
                        Blick zum Smartphone geht! Sollte dadurch        Über diese Frage sollten sie sowohl unter-       nen dabei nur bedingt. Und wir vom DKSB
                        die Bindungssicherheit des Kindes gefährdet      einander als auch mit den Eltern sprechen.       könnten aus meiner Sicht auch mehr Gelas-
                        werden oder verloren gehen, wird es alle ihm     Mit Blick auf eine bestmögliche kindliche        senheit aufbringen und darauf vertrauen,
                        zur Verfügung stehenden Strategien aufwen-       Entwicklung in der Sprache, der Konzentra-       dass es nach dem sechsten Lebensjahr immer
                        den, um die benötigte Sicherheit wiederzuer-     tion und auch bei körperlichen Fähigkeiten       noch rechtzeitig genug ist, Kinder langsam
                        langen.                                          (Fein- und Grobmotorik) fungieren nämlich        und altersgerecht in die digitale Welt einzu-
                                                                                                                          führen. 
                                                                                                                          Annett Zappe, Dipl.-Sozialpädagogin,
                                                 Mein Bruder ist sechs.                                                   OV Leipzig
                                  Der hat schon ein Smartphone. Mama sagt, ich bin
                                 dafür zu klein und muss noch bisschen warten. Jona (4)

                                                                                                                                                                    15
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