Monitoring Gotthard-Achse - Bundesamt für Raumentwicklung ARE
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IMPRESSUM Herausgeber Produktion Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) Rudolf Menzi, Kommunikation ARE Autoren Zitierweise Aurelio Vigani, ARE Bundesamt für Raumentwicklung (2017): Mo- Gilles Chomat, ARE nitoring Gotthard-Achse – Phase A (MGA-A); Vor der Eröffnung – Wirkungssystem, Ziele Auftraggeber und Trends, Bern. Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) Bundesamt für Verkehr (BAV) Bezugsquelle Bundesamt für Strassen (ASTRA) Vertrieb: BBL, Bundespublikationen, Bundesamt für Umwelt (BAFU) 3003 Bern, Art.-Nr. 812.108.d Kanton Tessin www.bundespublikationen.admin.ch Kanton Uri Download der elektronischen Version: Auftragnehmer www.are.admin.ch Gianni Moreni, Rapp Trans Fabio Giacomazzi, urbass fgm Erhältlich auch in italienischer Sprache. Agostino Clericetti, CSD Elke Schimmel, Planteam S Gedruckt auf Rebello Recycling. Begleitgruppe 10.2017 Ulrich Seewer, ARE Aurelio Vigani, ARE Gilles Chomat, ARE Helmut Honermann, ARE Mélanie Attinger, BAV Matthias Wagner, BAV Jörg Häberli, ASTRA Nikolaus Hilty, BAFU Paolo Poggiati, Kanton Tessin Ruth Nydegger, Kanton Tessin Ronnie Moretti, Kanton Tessin Daniel Pittet, Kanton Tessin Marco Achermann, Kanton Uri Franziska Büeler, Kanton Uri Roger Brunner, Kanton Uri Christophe Siegenthaler, BFS Annette Spoerri, SECO Simon Coray, Programm San Gottardo 2020 Patrick Buetzberger, SBB Philipp Buhl, SBB Stefan Lüthi, BHP – Brugger und Partner AG Redaktionelle Bearbeitung Urs Steiger, steiger texte konzepte beratung, Luzern Gestaltung Kurt Brunner, Palézieux Fotos Nicola Demaldi, Bellinzona Christof Hirtler, Altdorf Carlo Iazeolla, Massagno
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT 3 1 Die neue Gotthard-Achse 4 2 Das Projekt «Monitoring Gotthard-Achse» 6 2.1 Auswirkungen neuer Verkehrsinfrastrukturen 6 2.2 Besonderheiten des MGA 6 2.3 Welche Faktoren beeinflussen die Entwicklungen? 7 2.4 Untersuchungsgebiet 8 3 Akteure und Zielsetzungen 9 4 Hypothesen 11 5 Entwicklungen vor der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 13 5.1 Güterverkehr 13 5.2 Personenverkehr 15 5.3 Umweltqualität 17 5.4 Sozioökonomische Entwicklung 18 5.5 Räumliche Entwicklung 22 6 Interpretation 28 6.1 Vorgezogene Effekte 28 6.2 Trends und Ziele: Stimmen sie überein? 29 6.3 Ausblick – Auswirkungen auf die nächsten Phasen 31 2
VORWORT Das Jahr 2016 stand ganz im Zeichen der Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt und wird zu Recht ULRICH SEEWER Vizedirektor ARE als «Jahr des Gotthards» in die Geschichte eingehen. Ab 2020 wird die Schweiz nach der Eröffnung des Ceneri- Basistunnels und des 4-Meter-Korridors für den Güterverkehr über eine moderne, ununterbrochene Flachbahn durch die Alpen verfügen. Die neue Gotthard-Eisenbahnachse – von manchen gar als Jahrhundertbauwerk bezeichnet – ist Teil eines komplexen Geflechts von Verkehrsflüssen und Interessen: Aus gesamteuro päischer Sicht ist der Gotthard das Herzstück des europäischen intermodalen Güterverkehrskorridors zwi- schen Rotterdam und Genua. Für die Schweiz ist die Neue Eisenbahn-Alpentransversale das wichtigste Ele- ment der Verlagerungspolitik, welche die Alpenregion vor den schädlichen Auswirkungen des Transitverkehrs schützen soll. Auf der regionalen Ebene haben die Kantone Tessin und Uri, durch deren Territorium der neue Korridor verläuft, verschiedene strategische Ziele formuliert und Massnahmen ergriffen, um die von der neu- en Infrastruktur gebotenen Chancen zu nutzen und gleichzeitig die möglichen Risiken zu vermindern. Die Bedeutung der neuen Gotthard-Achse für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung auf interna- tionaler, nationaler und regionaler Ebene steht ausser Frage. Aber wie wird sich dieses Grossbauwerk tat sächlich auf die Verkehrsströme und die betroffenen Gegenden auswirken? Welche Regionen werden einen greifbaren Nutzen daraus ziehen? Inwiefern wird das neue Verkehrsangebot zur Verwirklichung der strate gischen Ziele des Bundes und der Kantone beitragen? Welche allfälligen Korrekturmassnahmen müssen noch ergriffen werden? Diese Fragen sollen mit dem Projekt «Monitoring Gotthard-Achse» (MGA) beantwortet werden. Das Projekt be- inhaltet eine Langzeituntersuchung (2015–2025) über die Auswirkungen der neuen Verkehrsinfrastruktur auf den Personen- und Güterverkehr, die Umwelt sowie auf die wirtschaftliche und räumliche Entwicklung in den Kantonen Tessin und Uri. Bereits die Studienreihe «Räumliche Auswirkungen der Verkehrsinfrastrukturen», die in den 2000er-Jahren vom ARE lanciert wurde, hat deutlich gemacht, dass zwischen Infrastrukturen und ihren Aus- wirkungen keine automatische Kausalbeziehung besteht. Vielmehr werden die Auswirkungen massgeblich durch die proaktive Fähigkeit der verschiedenen Akteure geprägt, vorhandene Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Ziel des MGA ist es, die wichtigsten Auswirkungen auf Verkehr, Umwelt, Wirtschaft und Raumentwicklung vor, während und nach der Inbetriebnahme der neuen Gotthard-Eisenbahnachse zu messen und die beobachte- ten Wirkungen in einen Zusammenhang mit den verkehrs-, raum- und wirtschaftspolitischen Zielen auf nati- onaler und regionaler Ebene zu stellen. Auf diese Weise sollen allfällige unerwünschte Entwicklungen früh- zeitig erkannt und den zuständigen Akteuren Hinweise vermittelt werden, wo sich Begleitmassnahmen aufdrängen und wie diese zu koordinieren sind. Das Projekt MGA steht unter der Federführung des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) und wird von den Bundesämtern für Verkehr (BAV), Strassen (ASTRA) und Umwelt (BAFU) sowie von den Kantonen Tessin und Uri mitgetragen. Das ARE wünscht sich, dass dieses Projekt in Zukunft als Modell für ein systematisches Monito- ring der räumlichen Auswirkungen neuer Verkehrsinfrastrukturen Verwendung findet und sich in die laufende Planung der Handlungsräume im Sinne des Raumkonzepts Schweiz einfügen wird. Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 3
1 Die neue Gotthard-Achse Die Einweihung des Gotthard-Basistunnels (GBT) – abzuwickeln. Gleichzeitig bildet die NEAT das des längsten Bahntunnels der Welt – am 1. Juni 2016 Kernstück des multimodalen Rhein-Alpen-Ver- und dessen kommerzielle Inbetriebnahme im De- kehrskorridors zwischen den Häfen von Genua zember 2016 markieren zusammen einen zentralen und Rotterdam. Meilenstein beim Bau der Neuen Eisenbahn-Al- pentransversale (NEAT). Dieses schweizerische Am Gotthard umfasst die NEAT zwei Grossbau- Grossprojekt war Anfang der 1990er-Jahre lanciert werke: den Gotthard-Basistunnel (GBT) und den und von der Schweizer Stimmbevölkerung in meh- Ceneri-Basistunnel (CBT). Zudem wird die Stre- reren Volksabstimmungen gutgeheissen worden. cke zwischen Basel und Chiasso sowie Luino und auf den Zulaufstrecken zu den Terminals in Italien Mit den beiden Achsen «Gotthard» und «Lötsch- für den Transport von Lastwagen mit einer Eckhö- berg» stellt die NEAT die wichtigste Massnahme he von vier Metern (4-Meter-Korridor) ausgebaut. zur Umsetzung der schweizerischen Verlage- Diese Bauwerke werden die Leistung der multimo- rungspolitik dar. Diese hat zum Ziel, den Güter- dalen Gotthard-Achse bis 2020 deutlich steigern. verkehr auf der Schiene statt auf der Strasse Die neue Gotthard-Eisenbahnachse verläuft im Die Gotthard-Achse Norden durch den nördlichen Teil der landwirt- schaftlich und industriell geprägten Reussebene Die Gotthard–Achse umfasst folgende Elemente (in der Reihenfolge der Eröffnung): und mündet am Südportal in die industriell ge- — Gotthard-Passstrasse prägte und zersiedelte Ebene der Riviera zwischen — Gotthardbahn-Bergstrecke mit dem Gotthardtunnel und dem Ceneri-Tunnel (Eröffnung: 1882) Biasca und Bellinzona. Anschliessend durchquert — Autobahn A2 Basel (F/D) – Gotthard-Strassentunnel (Eröffnung: 1980) – Chiasso/Como (I) die neue Infrastruktur stark städtisch geprägte — Neue Gotthardbahn-Basislinie mit dem GBT (Eröffnung: 2016), dem CBT und dem 4-Meter-Korridor Gebiete: zuerst die Agglomeration von Bellinzo- (Eröffnung auf 2020 geplant) na und nach dem neuen Ceneri-Basistunnel das Stadtgebiet von Lugano mit dem Luganersee bis Länge zum Mendrisiotto, wo die Zersiedlung und der Gotthard-Basistunnel (GBT) 57 km Raum sich schliesslich in Richtung Italien, gegen Ceneri-Basistunnel (CBT) 15,4 km Como und Varese, öffnen. Bauzeit 17 Jahre für den GBT Aktuelle Kostenprognosen Gotthard-Basistunnel (GBT) 12,2 Milliarden Franken* Ceneri-Basistunnel (CBT) 3,2 Milliarden Franken* NEAT (insgesamt) 22,6 Milliarden Franken* 4-Meter-Korridor 0,8 Milliarden Franken* * inkl. Teuerung, MWST und Bauzinsen Kapazität bis zu 6 Güterzüge pro Stunde und Richtung neue Gotthard-Eisenbahnachse (rund 260 Güterzüge pro Tag) Personenzüge: im Stundentakt, jede zweite Stunde im Halbstundentakt Angestrebter Zeitgewinn (ab 2020) Zürich–Lugano: 45 Minuten (1 Std. 53 Min. statt 2 Std. 38 Min.) Lugano–Locarno: 25 Minuten (30 Min. statt 55 Min.) Zürich–Mailand: 60 Minuten (3 Std. statt 4 Std.) 4
Nordportal des Gotthard- Basistunnels Abb. 1 Streckenverlauf 1 Zürich Thalwil 1 Zimmerberg-Basistunnel Gesamtlänge: 20 km Litti Zug 2 Gotthard-Basistunnel Gesamtlänge: 57 km Arth-Goldau 3 Ceneri-Basistunnel Schwyz Gesamtlänge: 15 km Tunnel Offene Strecke Altdorf Erstfeld AlpTransit Gotthard 1. Etappe Amsteg zurückgestellt Bahn 2000 Sedrun 2 bestehende Bahnlinie Schacht, Stollen Faido Bodio Biasca Giustizia Bellinzona Camorino 3 Vezia Lugano Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 5
2 Das Projekt «Monitoring Gotthard-Achse» 2.1 AUSWIRKUNGEN NEUER chenzusammensetzung, Arbeitsplätzen, Bevöl- VERKEHRSINFRASTRUKTUREN kerung oder Bodennutzung zu erklären. Die ge- sellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale Neue Verkehrsinfrastrukturen haben oft Auswir- einer Region sowie die Strategien der Akteure kungen auf die Entwicklung des Verkehrs, der räum- (Unternehmen, Politiker, Verkehrsnutzer) spie- lichen Strukturen oder der Wirtschaft. Allerdings len ebenfalls eine massgebliche Rolle. Generell spielen dabei viele weitere Faktoren mit vielfäl verstärken oder schwächen neue Infrastruktu- tigen Wechselwirkungen eine Rolle. Angesichts der ren bereits bestehende Entwicklungen, führen erheblichen finanziellen Beträge, die in die Ver- jedoch nur sehr selten zu einer Trendwende. kehrsinfrastrukturen investiert werden, ist es notwendig, deren Auswirkungen und die Voraus- Für die neue Gotthard-Achse stellen sich damit setzungen für eine bestmögliche Nutzung genau eine Reihe von Fragen: Welche Vorteile werden zu kennen. Im Rahmen des Programms «Räumli- die neuen Infrastrukturen für Verkehr und Raum che Auswirkungen von Verkehrsinfrastrukturen» mit sich bringen, und wer wird den eigentlichen (EIT) hat das Bundesamt für Raumentwicklung Nutzen daraus ziehen? Wo liegen die potenziel- (ARE) deshalb in den letzten 15 Jahren in Zusam- len Risiken? Welche flankierenden Massnahmen menarbeit mit anderen Bundesämtern und den sind notwendig, um die anvisierten Ziele zu errei- betroffenen Kantonen Fallstudien zu Infrastruk- chen? Diese Fragen führten zum Projekt «Monito- turen durchgeführt. ring Gotthard-Achse» (MGA), das unter der Feder- Diese zeigen, dass Auswirkungen auf den Verkehr führung des Bundesamts für Raumentwicklung relativ rasch auftreten. Nach der Eröffnung des (ARE) in Zusammenarbeit mit den Bundesämtern Lötschberg-Basistunnels beispielsweise hat der für Verkehr (BAV), Strassen (ASTRA) und Umwelt Personenverkehr auf der Schiene zwischen dem (BAFU) sowie mit den Kantonen Tessin und Uri Kanton Bern und dem Wallis innert 5 Jahren um realisiert wird. 74 Prozent zugenommen. Die räumlichen Auswir- kungen dagegen werden in der Regel überschätzt und zeigen sich zu unterschiedlichen Zeitpunk- 2.2 BESONDERHEITEN DES MGA ten – einige bereits vor der Inbetriebnahme der neuen Infrastruktur, andere erst viele Jahre später. Im Gegensatz zu früheren Studien, die in der Re- Zwischen der Realisierung einer Verkehrsinfra gel die Auswirkungen nach der Inbetriebnahme struktur und der räumlichen Entwicklung be- neuer Infrastrukturen untersuchten, erstellt das steht zudem kein unmittelbarer und automati- MGA eine Langzeitbewertung, die drei Phasen scher Kausalzusammenhang. Jede Verbesserung umfasst (vgl. Abb. 2): eine Analyse vor der Eröff- bei der Erschliessung einer Region bildet zwar ei- nung des GBT (Phase A), eine Analyse einige Jah- nen wichtigen Faktor; sie allein ist jedoch nicht re nach der Inbetriebnahme des GBT, aber vor der in der Lage, die Veränderungen bezüglich Bran- Eröffnung des CBT (Phase B), und eine Analyse Abb. 2 Meilensteine Dezember 2016 Dezember 2020 MGA-Projektphasen Inbetriebnahme GBT Inbetriebnahme CBT 4-Meter-Korridor Phasen Evaluation A Evaluation B Evaluation C 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 Vorstudie Trendszenario Gotthard-Achse 6
nach der kompletten Inbetriebnahme der Gott- dem Verhalten der verschiedenen Akteure. hard-Eisenbahnachse mit dem 4-Meter-Korridor Die räumlichen Auswirkungen lassen sich zwei (Phase C). Die vorliegende Broschüre berichtet Gruppen zuordnen: über Phase A. Die physischen Auswirkungen umfassen alle sichtbaren landschaftlichen Veränderun- Das MGA unternimmt zudem den Versuch, die be- gen wie neue Bauten, die Entwicklung der Sied- obachteten Entwicklungen in Bezug zu setzen zu lungsdichte oder die Neugestaltung öffentli- den verschiedenen strategischen Zielen des Bun- cher Räume. des sowie der betroffenen Kantone, Regionen und Die funktionalen Auswirkungen umfassen Gemeinden. Das MGA soll damit auch zeigen, in- alle sozioökonomischen Veränderungen der wieweit die Auswirkungen der Gotthard-Achse Charakteristiken und Strukturen der Räume mit den Zielen übereinstimmen, die der Bund und sowie ihrer gegenseitigen Beziehungen, bei- die Kantone Tessin und Uri mit ihrer Verkehrs- und spielsweise Pendlerbeziehungen zwischen Raumentwicklungspolitik anstreben. Regionen, wirtschaftliche Spezialisierungen (Cluster) oder Veränderungen bei der Auftei- lung der Zentrumsfunktionen. 2.3 WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN — Potenziale stellen diejenigen Faktoren dar, die Abb. 3 DIE ENTWICKLUNGEN? die Auswirkungen der veränderten Erreich- Wirkungssystem von Infrastrukturen Die Dynamik der räumlichen Entwicklung wird durch zahlreiche Einzelfaktoren bestimmt, die zusammenwirken und sich gegenseitig beein- flussen. Dieses Zusammenspiel lässt sich wie Infrastrukturen folgt darstellen (vgl. Abb. 3): — Direkte Auswirkungen von Infrastrukturen ergeben sich beispielsweise beim Personen- und Güterverkehrsaufkommen oder allge- meiner beim Verhältnis zwischen Strassen- Externe Direkte Normativer und Schienenverkehr (Modalsplit) mit direk- Auswirkungen Faktoren Rahmen ten Folgen für die Umwelt (Luftqualität und Lärmbelastung). — Räumliche Auswirkungen ergeben sich aus dem Zusammenwirken dieser direkten Aus- wirkungen, den räumlichen Potenzialen und Räumliche Auswirkungen Potenziale Akteure Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 7
Risiken zu reduzieren. Diese Massnahmen sol- len in den nächsten Phasen des Monitorings kontrolliert und bewertet werden. — Einfluss auf das gesamte System üben auch aus: 1 Normativer Rahmen: Ziele der Verkehrs- und 2 Raumentwicklungspolitik, die der Bund, die 4 Kantone, Regionen und Gemeinden in Geset- zen, Plänen und Leitlinien festgehalten haben 3 Externe Faktoren, die einen direkten Einfluss haben, jedoch unabhängig sind vom unter- 5 suchten Raum und von den neu gebauten Infra strukturen; beispielsweise die internationale Wirtschaftskonjunktur, transkontinentale Wa- 6 7 renflüsse, die Entwicklung der Anzahl Grenz- gängerinnen und Grenzgänger oder des Euro- Franken-Wechselkurses 9 8 11 10 12 2.4 UNTERSUCHUNGSGEBIET 13 14 Die direkten und die räumlichen Auswirkungen der 14 15 neuen Gotthard-Achse zeigen sich auf unterschied- lichen Ebenen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichem Ausmass. Beispielswei- 16 se sind die sozioökonomischen Auswirkungen auf regionaler Ebene möglicherweise positiv, wäh- rend entlang der Eisenbahnstrecken (Korridor) ne- gative Umweltauswirkungen und in Bahnhofsnähe Abb. 4 barkeit verstärken oder abschwächen kön- (lokal) neutrale Auswirkungen auftreten können. Untersuchungsgebiet MGA-Regionen nen. Das MGA betrachtet als Potenziale auf Um den unterschiedlichen Phänomenen gerecht regionaler Ebene insbesondere die Verteilung zu werden, untersucht das MGA die Wirkungen 1 Seegemeinden der Bevölkerung und der Arbeitsplätze (ein- auf verschiedenen Ebenen (multiskalarer Ansatz). 2 Unteres Reusstal schliesslich ihrer Typologie), die Übernachtun 3 Oberes Reusstal gen und standortrelevante Aspekte wie Boden- — Die Auswirkungen auf Verkehr (Aufkommen, 4 Seitentäler nutzung, Verfügbarkeit von Bauland und Be- Modalsplit usw.) und Umwelt werden vor allem 5 Urserntal sonderheiten der Landschaften. auf Korridorebene analysiert. Vergleiche mit 6 Leventina Alpentransitachsen in der Schweiz und im Aus- 7 Blenio — Akteure sind öffentliche Institutionen, Privat land ergänzen die Untersuchung. 8 Riviera unternehmen, Vereinigungen, Stakeholder und — Die wirtschaftlichen und räumlichen Auswir- 9 Valli Locarnese Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem Verhal- kungen werden auf zwei Ebenen analysiert: 10 Sponda destra Locarnese ten versuchen, aus der neuen Infrastruktur Regionale Ebene: Die Kantone Tessin und 11 Bellinzona Nutzen zu ziehen. In Phase A des MGA wurden Uri werden in 16 Regionen unterteilt (11 Tes- 12 Piano di Magadino e Gambarogno mittels einer Umfrage vor Eröffnung des GBT sin/5 Uri). 13 Vedeggio e Basso Malcantone 2016 rund 50 öffentliche und private Akteure Lokale Ebene: Verfeinerte Analysen auf Ge- 14 Valli di Lugano zu den möglichen Auswirkungen des neuen Ver- meindeebene oder im Umfeld der Bahnhöfe 15 Lugano kehrsangebots befragt sowie zu Massnahmen, als jener Zonen, die am wahrscheinlichsten von 16 Mendrisiotto die helfen sollen, Chancen zu nutzen und/oder der veränderten Erschliessung profitieren. 8
3 Akteure und Zielsetzungen Die ursprüngliche Begründung für das Projekt der die der Bund und die Kantone Tessin und Uri mit neuen Gotthard-Eisenbahnachse liegt in verkehrs der Gotthard-Achse verfolgen, sind in gesetzli- politischen Zielen, die eng mit dem Schutz der Al- chen Grundlagen, Konzepten und den jeweiligen pen vor Transitverkehr verbunden sind, wie er in Richtplänen festgelegt. Artikel 84 der Bundesverfassung (BV) verankert ist. In der langen Entwicklungsphase des Projektes – In der Verkehrspolitik steht die Verlagerung des erste Skizze 1947, Planung in den 1970er- und Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene im 1980er-Jahren, Realisierung ab den 1990er-Jah- Vordergrund, wie sie in der Bundesverfassung (BV) ren – kamen weitere Interessen und Zielsetzun- und im Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) gen unterschiedlicher öffentlicher und privater festgelegt ist. Für den Güterschwerverkehr auf Akteure hinzu, die die Auswirkungen dieser neuen den Transitstrassen im Alpengebiet legt das GVVG Verkehrsinfrastruktur beeinflussen. Die beteilig- als Ziel höchstens 650 000 Fahrten pro Jahr fest, ten Akteure nutzen die veränderte Erschliessung das spätestens 2 Jahre nach Inbetriebnahme des und das neue Verkehrsangebot, um Wirtschafts- Gotthard-Basistunnels zu erreichen ist. Zudem ansiedlungen zu fördern. Die institutionellen Ak- werden eine bessere Anbindung an die euro teure haben das NEAT-Projekt zunehmend in ihre päischen Hauptverkehrsachsen sowie gezielte Richtplanung (Kantone) und ihre Entwicklungs- Verbesserungen zwischen den Zentren auf der strategien (u. a. SBB, Tourismusorganisationen) in- Achse Zürich–Tessin–Mailand angestrebt. tegriert. Die direkten und die indirekten Ziele, Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 9
In der Raumordnungspolitik verfolgen die ver- ten im Bereich des Tourismus, der Innovations- schiedenen Akteure gemäss dem Raumkonzept förderung sowie der neuen Regionalpolitik ange- Schweiz (RKCH) das gemeinsame Ziel einer poly- passt. Dies beinhaltet unter anderem die gezielte zentrischen Raumentwicklung, die die Besonder- Unterstützung der Täler und Randregionen, bei- heiten der verschiedenen urbanen und ländlichen spielsweise Subventionen für die Erarbeitung ei- Räume aufwerten soll. Das Raumplanungsgesetz ner neuen touristischen Positionierung und der (RPG) gibt grundsätzlich den haushälterischen dazu notwendigen Leuchtturm-Projekte. Optimie- Umgang mit dem Boden, die Siedlungsentwick- rungen und Investitionen im Bereich des öffent- lung nach innen (Art. 1 RPG) und die Begrenzung lichen Verkehrs stellen beidseits des Gotthards der Bauzonen (Art. 15 RPG) vor und verlangt die Ab- zentrale Handlungsfelder dar. Dazu zählen Infra- stimmung von Siedlung und Verkehr (Art. 3 RPG). strukturmodernisierungen, Tarifharmonisierungen Das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) begrenzt den oder Optimierungen der Schnittstellen zwischen Bau von Zweitwohnungen. Auf kantonaler Ebene den verschiedenen Verkehrsträgern. Im Kanton konkretisieren und ergänzen die kantonalen Richt- Uri gehört speziell die Planung eines neuen Kanto- pläne (RP) beziehungsweise das Tessiner Raum- nalbahnhofs in Altdorf dazu, der eine zentrale Rol- planungsgesetz (LST) und das Urner Planungs- le im Agglomerationsprogramm «unteres Reuss- und Baugesetz (PBG) die übergeordneten Ziele tal» und für den Entwicklungsschwerpunkt Urner des Bundes. Talboden spielt. Im Tourismus wurden beidseits des Gotthards die Nebst den generellen Raumplanungszielen formu- Marketingaktivitäten verstärkt und neue Ange- lieren das Raumkonzept Schweiz und die kantona- bote wie das «Ticino Ticket» (freier Zugang für Tou- len Richtpläne regionsspezifische Ziele, etwa risten und Touristinnen) oder das «Tunnelfenster eine bessere Vernetzung und einen Ausgleich zwi- Amsteg» (Museum, Bahnerlebniswelt) lanciert. schen Regionen und Agglomerationen innerhalb Nebst den Verbesserungen des Verkehrsangebots der Città Ticino. Zudem soll die Città Ticino besser im Güter- und Personenverkehr haben die SBB ver- ins Städtenetz Schweiz und in den Metropolitan- schiedene Bahnhöfe entlang der Achse renoviert, raum Mailand integriert werden. Der Kanton Uri neue geschaffen oder planen dies für die Zukunft. soll besser an die Wirtschaftsräume im Norden und Süden angeschlossen und das untere Reuss- tal als Schlüsselgebiet für die wirtschaftliche Po- sitionierung gefördert werden. Im Gotthardgebiet soll die Erschliessung durch die Bahn mit der Gotthard-Bergstrecke aufrecht- erhalten bleiben. Durch interkantonale Zusam- menarbeit sollen der Schutz der Naturlandschaft sowie die wirtschaftliche Entwicklung gleicher- massen gewährleistet werden. Dazu trägt unter anderem das Programm «San Gottardo» bei, das die Umsetzung der Neuen Regionalpolitik (NRP) in der Gotthardregion zum Ziel hat. Beidseits des Gotthards haben sich die staatli- chen Akteure ebenso wie jene aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur auf die Inbetriebnahme der neuen Verkehrsachse vorbereitet, um daraus bestmöglichen Nutzen zu ziehen. So hat der Kan- ton Tessin verschiedene wissenschaftliche Stu- dien erarbeitet und darauf aufbauend beispiels- weise die Gesetzgebung und Fördermöglichkei 10
4 Hypothesen Für das MGA wurden rund 50 Hypothesen for- Region (MS-Regionen) Bevölkerung Wirtschaft Tourismus muliert, die als die wahrscheinlichsten Entwick- lungen erscheinen. Zu Themen, für die sich Hy- Uri pothesen sehr schwer aufstellen liessen, wurden Tre Valli die wichtigsten Fragen formuliert, die in den ver- schiedenen Phasen des MGA beantwortet wer- Bellinzona den sollen. Locarno Trendszenario Gotthard-Achse Lugano Unter dem Titel «Trendszenario Gotthard-Achse» Chiasso-Mendrisio wurde 2015 eine erste qualitative Schätzung der möglichen Auswirkungen der neuen Gotthard- Achse auf die Raumentwicklung sowie den Perso- zeuge; Verbesserung dank des weiterhin rück- Abb. 5 nen- und Güterverkehr vorgenommen. Die Ergebnis- läufigen Strassenschwerverkehrs möglich Ergebnisse Trendszenario se daraus bilden eine wissenschaftliche Grund- Gotthard-Achse lage für die Analysemethode des Projekts MGA. — Lärm Deutliche Lärmminderung entlang der um- Steigerung/positive Effekte Wichtigste Hypothesen für das Monitoring fahrenen Bergstrecken keine Veränderung/neutrale Effekte Gotthard-Achse Mehrbelastung nördlich und südlich der Ba- Reduktion/negative Effekte Mobilität von Personen und Gütern: sistunnel aufgrund der Verkehrszunahme — Personenverkehr Mittelfristige Lärmminderung dank techni- MS-Regionen gemäss Bundesamt Schrittweise Zunahme der auf der Schiene scher Verbesserungen des Rollmaterials und für Statistik beförderten Passagiere neuer Gesetzesbestimmungen (z. B. Verbot Zunahme der Tagesausflüge und Kurzauf- von Gussbremsen) enthalte (Wochenende) zulasten längerer Aufenthalte — Bodennutzung Nach der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels: Landverbrauch und Landschaftsverände- Verkehrsverlagerung des Pendlerverkehrs von rungen durch die Infrastruktur der Strasse auf die Schiene innerhalb des Tes- Verschärfung des Siedlungsdrucks in der Um- siner Verkehrssystems gebung der besser erschlossenen Bahnhöfe Sofern die Bergstrecken beibehalten wer- Wachsende Nachfrage durch Wirtschaftsak- den: keine nennenswerten Veränderungen teure, die die neue Infrastruktur speziell nut- betreffend Herkunfts- und Zielort in den mit zen können (Logistik) den Basistunneln umfahrenen Regionen (obe- Die generellen Auswirkungen auf den Land- res Reusstal, Leventina, Vedaggio-Tal) verbrauch und die Landschaftsqualität lassen — Güterverkehr sich schwer bestimmen (Zunahme bestimmter Schrittweise Zunahme der auf der Schiene Bedürfnisse, Konzentration in Bahnhofsnähe) beförderten Gütertonnagen und hängen wesentlich von den flankierenden Anreize für die Verkehrsverlagerung von der Massnahmen, insbesondere der Raumpla- Strasse auf die Schiene nung, ab. Wachsender Marktanteil der neuen Gott- hard-Achse gegenüber dem Lötschberg-Sim- Wirtschaftsentwicklung plon-Korridor Positive Auswirkung auf die Wirtschafts- entwicklung der Città Ticino und des Kantons Umwelt Uri dank besserer Integration in das schwei- — Luftverschmutzung zerische und lombardische Städtenetz. Der Luftschadstoffentlastung, vor allem in den Wachstumsschub könnte sich auch auf die Ag- Alpentälern (oberes Reusstal, Leventina), dank glomerationsgürtel mit guter ÖV-Anbindung technischer Verbesserungen der Motorfahr- ausdehnen. Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 11
Mögliche Zuspitzung des wirtschaftlichen Städte (gemäss dem Raumentwicklungskon- Gefälles zwischen Zentrums- und Randzonen zept der Città Ticino) Wirtschaftlich positive Auswirkungen vor Wahrscheinlich stärkere Dynamik (Bautätig- allem auf den Tourismussektor und die da- keit, Wohnungsmarkt, Schaffung von Arbeits- mit verbundenen Tätigkeiten sowie die spe- plätzen usw.) im Umfeld der am besten er- zialisierten Unternehmensdienstleistungen. schlossenen Bahnhöfe. Allerdings stellt sich Die Entwicklung wird allerdings stark von ex- die Frage, ob es dadurch zu einer Spezialisie- ternen Faktoren wie dem Wechselkurs des rung und gegenseitigen Ergänzung der ver- Schweizer Frankens abhängen. schiedenen Zentren oder eher zu einer Kon- Im Tourismus stellt sich die Frage der Ent- kurrenzierung und Verzettelung kommt. wicklung der touristischen Profile. Werden Mögliche Stärkung der Zentrumsfunktion die verringerten Fahrzeiten dem Tagestouris- von Altdorf mus Auftrieb verleihen? Wird diese Entwick- Angesichts der komplexen Wechselwirkun- lung als Ergänzung oder auf Kosten des Über- gen sind die wirtschaftlichen, demografi- nachtungstourismus erfolgen? Werden die schen und baulichen Entwicklungen auf un- Gebiete, die eine Umweltverbesserung erfah- terschiedlichen räumlichen Ebenen der bei- ren (oberes Reusstal und Leventina), in tou- den Kantone differenziert zu verfolgen. ristischer Hinsicht davon profitieren können? Räumliche Auswirkungen Bessere Integration der Kantone Tessin und Uri in das schweizerische und norditalienische Städtenetz Mögliche Stärkung der polyzentrischen Struk- tur des Kantons Tessin und der gegenseitigen Ergänzung (Komplementarität) der Tessiner Urner Reusstal bei Erstfeld 12
5 Entwicklungen vor der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels Abb. 6 5.1 GÜTERVERKEHR 100 % Verkehrsart (Modalsplit) am Gotthard nach Verkehrsmodus, 2014 Der Gotthard-Basistunnel bildet die wichtigste 80 % Massnahme der schweizerischen Politik zur Ver- 60 % Strasse lagerung des alpenquerenden Verkehrs von der Schiene Strasse auf die Schiene (Verlagerungspolitik), für 40 % welche der Bund genaue und ehrgeizige Ziele de- 20 % finiert hat. Der alpenquerende Güterverkehr auf der Strasse 0% beeinträchtigt die Umweltqualität und die Raum Binnen- Import Export Transit Total entwicklung der durchquerten Regionen in er- verkehr heblichem Masse. Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene verbessert zwar die Sicherheit und Abb. 7 den Fluss des Strassenverkehrs. Zudem reduziert 80 % Marktanteile der Bahn am Gotthard, sie die Belastung mit Luftschadstoffen. Die inten- 1999 und 2014 sive Nutzung der Schiene für den Güterverkehr 60 % beschränkt jedoch die Kapazitäten für den Per- 1999 sonenverkehr. Zudem belastet der rege Güterver- 40 % 2014 kehr die dicht besiedelten Regionen, insbesonde- re während der Nachtstunden (Lärmbelastung). 20 % Unterdurchschnittliche Verkehrszunahme 0% auf der Gotthard-Achse Binnen- Import Export Transit Total Der Güterverkehr (Schiene und Strasse) hat in den verkehr Jahren 1999 bis 2014 generell zugenommen, auf der Gotthard-Achse von 22 auf 25 Millionen Ton- Wesentlicher Rückgang der schweren nen. Auf der Gotthard-Achse lag das durchschnitt- Güterfahrzeuge liche Wachstum von jährlich 0,9 Prozent jedoch Knapp drei Viertel der schweren Güterfahrzeuge, deutlich unter dem schweizerischen Mittelwert die die Alpen queren, fahren durch den Gotthard- (+2,5 %) und der am Simplon und am San Bernar- Strassentunnel. Die Hälfte dieses Verkehrsauf- dino gemessenen Zunahme (+7,8 % bzw. +5,8 %). kommens entfällt auf den Transitverkehr (vgl. Abb. 8). Gesamthaft hat die Anzahl schwerer Gü- Schiene hält im Güterverkehr den grösseren terfahrzeuge zwischen 1999 und 2014 um 22 Pro- Marktanteil zent abgenommen, am Gotthard um 31 Prozent Der grösste Marktanteil im Güterverkehr entfällt von über einer Million auf 750 000 (vgl. Abb. 8). weiterhin auf die Schiene: 63 Prozent der Güter Am Simplon hat der Transitverkehr – auf weitaus durchquerten 2014 den Gotthard auf der Schiene, tieferem Niveau – dagegen deutlich (+47 000, d. h. 37 Prozent auf der Strasse (vgl. Abb. 6). Insbe- sondere der Transitverkehr wird grösstenteils Abb. 8 über die Schiene abgewickelt (71 % Schiene/29 % Verteilung der alpenquerenden Strasse). Gegenüber 1999 hat sich der Marktan- schweren Güterfahrzeuge am Gott- teil des Eisenbahntransitverkehrs um 5 Prozent hard nach Verkehrsart, 2014 punkte vermindert (vgl. Abb. 7). Im Binnenverkehr hingegen verzeichnet er ein markantes Wachs- Binnenverkehr: 24 % tum, hat sich doch das Transportvolumen auf der Import: 13 % Schiene zwischen 1999 und 2014 vervierfacht. Export: 11 % Transit: 52 % Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 13
Abb. 9 Entwicklung der Anzahl Reisenden 1 100 000 am Gotthard nach Reisezweck 1 000 000 (2007–2015) 900 000 800 000 Schiene 700 000 600 000 Strasse 500 000 400 000 300 000 200 000 100 000 0 –100 000 –200 000 –300 000 –400 000 –500 000 –600 000 –700 000 Pendler Geschäftsreisen Einkaufs- Freizeitreisen Reisende/ verkehr Jahr Arbeit Bildung 1 Tag 2 Tage mehr als 1 Tag 2 Tage mehr als 2 Tage 2 Tage Abb. 10 Veränderungen der durchschnitt- Piano di Magadino e Gambarogno Monte Ceneri lichen Anzahl Reisender an Werk- 110 000 110 000 tagen auf der Strasse und auf der +22 % Schiene, 2004–2014 90 000 90 000 +68 % 70 000 70 000 Schiene +38 % Strasse 50 000 +15 %+ 50 000 30 000 30 000 Quelle: Rail-SBB-Erhebung HOP, Strasse: Erhebung ASTRA/Kt. TI, 10 000 10 000 0 0 Berechnung: Rapp Trans Reisende/ 2004 2014 2004 2014 Jahr +157 %), am San Bernardino leicht zugenommen — Erhöhung der Gewichtslimite für schwere Gü- (+13 000, d. h. +10 %). terfahrzeuge von 28 auf 40 Tonnen zwischen 2001 und 2004 Regulierungsmassnahmen und Produk — Bahnreform: Liberalisierung des Schienen tivitätssteigerungen güterverkehrsmarktes Die Entwicklung des alpenquerenden Güterver- — Modernisierung des alpenquerenden Schie- kehrs wurde zwischen 1999 und 2014 durch we- nengüterverkehrs (Infrastrukturen, Interope- sentlich veränderte Rahmenbedingungen beein- rabilität, Standardisierung, Innovationen) flusst, unter anderem durch: — Einführung flankierender Massnahmen — Einführung der leistungsabhängigen Schwer- — Landverkehrsabkommen Schweiz - EU verkehrsabgabe (LSVA) im Jahr 2001 Hinzu kommen weitere Veränderungen der Rah- menbedingungen, die zu einer spürbaren Produk- 14
tivitätssteigerung im Strassenverkehr führten. sen ohne Übernachtung und beim Einkaufstouris- Insgesamt transportierten 2014 ein Fünftel we- mus. Abgenommen hat der Freizeitverkehr, wäh- niger Fahrzeuge 49 Prozent mehr Gütertonnagen rend der Pendlerverkehr eine starke Zunahme als 1999. Eine ähnliche, wenn auch weniger mar- verzeichnete (vgl. Abb. 9). kante Entwicklung verzeichnete der Eisenbahn- verkehr: Zwischen 2007 und 2014 nahm die beför- Gotthard bleibt wichtigste Tourismusachse derte Tonnage um 3 Prozent zu, während 9 Pro- Wie bei den anderen Alpenpässen entfiel der Abb. 11 zent weniger Züge eingesetzt wurden. Grossteil des Verkehrs durch den Gotthard (87 % Pendlerströme im MGA-Unter- des Strassenverkehrs und 72 % des Eisenbahn- suchungsgebiet (Durchschnitt Attraktive Lötschberg-Achse als Konkurrenz verkehrs) auf den Tourismus. Im Jahr 2015 fuhren 2010–2014) Nebst den skizzierten Änderungen der Rahmen- jährlich rund 2 Millionen Gäste durch den Gott- bedingungen hängt der registrierte Verkehrs- hard, davon 40 Prozent im Zug. Der Berufs- und Pendlerfrequenz rückgang auf der Gotthard-Achse auch mit der Pendlerverkehr machte 10 Prozent (Zug) bezie- 500–1000 Inbetriebnahme des Lötschberg-Basistunnels zu- hungsweise 4 Prozent (Strasse) aus. 1001–2000 sammen. Dieser hat die Bedeutung der Gott- 2001–3000 hard-Achse für den Güterverkehr auf der Nord- Weniger Fahrzeuge im Strassentunnel 3001–4000 Süd-Achse vorübergehend geschwächt. So haben und am Gotthardpass > 4000 sich die Anteile am alpenquerenden Eisenbahn- 2015 benutzten zwei Drittel der alpenquerenden güterverkehr von Gotthard und Lötschberg/Sim- Personenfahrzeuge (6 von 9 Mio. Fahrzeugen) die Quelle: BFS, Strukturerhebung 2010–2014, plon von 80 zu 20 im Jahr 1999 auf 60 zu 40 im Gotthard-Achse. Das jährliche Verkehrsaufkom- Grafik: Planteam S AG Jahr 2014 verschoben. 5.2 PERSONENVERKEHR Die neue Gotthard-Achse reduziert die Bahnrei- sezeiten zwischen Nord und Süd durch die Inbe- triebnahme des Gotthard-Basistunnels um rund 45 Minuten zwischen dem Tessin und Zürich be- ziehungsweise Luzern. Mit dem Ceneri-Basistun- nel werden die Reisezeiten zwischen den Tessiner Städten in etwa halbiert. Diese Infrastrukturen schaffen somit neue Chancen für den Personen- verkehr. Zuvor gilt es an dieser Stelle aber, die Entwicklungen in den 17 Jahren vor der Inbetrieb- nahme des GBT genauer unter die Lupe zu nehmen. Bahn gewinnt Marktanteile am Gotthard Im Jahr 2015 absorbierte der Gotthard mit 18 von 40 Millionen Reisenden 45 Prozent des alpenque- renden Personenverkehrs, was jedoch rund 2 Mil- lionen weniger Reisende waren als 2001. Die an- deren Schweizer Alpenpässe verzeichneten ver- gleichbare Veränderungen. Der Rückgang betraf auf der Gotthard-Achse die Strasse (−13 %) stär- ker als die Schiene (−4 %), sodass sich das Verhält- nis (Modalsplit) zugunsten der Bahn veränderte. Sie gewann Marktanteile beim Pendlerverkehr (Arbeit oder Ausbildung), bei den Geschäftsrei- Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 15
men nahm zwischen 2001 und 2015 um 14 Pro- und zwischen dem Kanton Uri und der Zentral- zent ab. Mit einer Million weniger Fahrzeugen schweiz (+60 %). Innerhalb der Regionen haben (−16 %) verzeichnete der Gotthard den stärksten die Pendlerströme hingegen um durchschnittlich Rückgang aller Alpenachsen. Die Abnahme ist 6 Prozent abgenommen. auf den Rückgang des Binnenverkehrs zurückzu- Die Città Ticino hat ein sehr hohes internes Pend- führen (rund −700 000 Fahrzeuge/Jahr). Der Tran- leraufkommen (vgl. Abb. 11). Die Region Luga- sitverkehr hat dagegen zugenommen (+78 500 no zieht am meisten Pendlerinnen und Pendler Fahrzeuge/Jahr). Darin kommt auch die Wirkung (14 500) aus den übrigen Tessiner Regionen an, des Tropfen- und Dosierungssystems zum Aus- was die Bedeutung Luganos als Zentrum verdeut- druck, das beim Strassentunnel installiert wur- licht. Im Sottoceneri werden die höchsten Pendler- de, um zur Verbesserung der Verkehrssicherheit aufkommen zwischen dem Mendrisiotto und Lu- die maximale Durchfahrtsmenge zu plafonieren. gano (rund 4000 Personen), zwischen Lugano und Vedeggio/Basso Malcantone (über 3000), aber vor Wachstum des regionalen Eisenbahn allem aus Italien ins Mendrisiotto (rund 25 000 Per- verkehrs im Tessin sonen) und nach Lugano (rund 19 000) registriert. Seit der Inbetriebnahme der ersten regionalen und grenzüberschreitenden Eisenbahnverbin- Der Kanton Uri verzeichnet bedeutende Pendler- dungen, der S-Bahn TILO, von 2004 bis 2014 ist ströme zwischen dem unteren Reusstal und der die Zahl der Zugreisenden im Süden des Kantons Zentralschweiz und dem Raum Zürich. Insbeson- Tessin stark gestiegen. Die grössten Zunahmen dere aus den Siedlungsräumen Stans und Schwyz (+30 bis +70 %) wurden auf jenen Strecken ver- ergeben sich im Zusammenhang mit dem künfti- zeichnet, auf denen auf der Strasse systematisch gen Kantonsbahnhof Altdorf substanzielle und bis- Kapazitätsengpässe bestehen: in der Magadino- her nicht erschlossene Fahrgastpotenziale. Inner- ebene, zwischen Bellinzona und Locarno und am halb des Kantons bewegen sich die Pendlerströ- Monte Ceneri zwischen Bellinzona und Lugano (vgl. me auf einem weit tieferen Niveau als im Tessin, Abb. 10). Auf diesen Abschnitten nahm der Verkehr wobei das untere Reusstal der wichtigste Zielort auf der Schiene stärker zu als auf der Strasse. der Pendlerinnen und Pendler ist (800 Personen). Grosse Pendlerströme im Süden Zwischen den Kantonen Tessin und Uri pendeln Die Pendlerströme beider Kantone belaufen sich derzeit weniger als 100 Personen. Die Zahl der auf rund 155 000 Personen pro Tag (vgl. Abb. 11). Grenzgänger und Grenzgängerinnen ins Tessin ist Sie haben zwischen den Regionen von 2000 bis von 28 000 Anfang der 2000er-Jahre auf mittler 2014 um 15 Prozent zugenommen. Gewachsen weile 64 000 gestiegen. Im Kanton Uri sind es nur sind in erster Linie die interregionalen Pendler- vereinzelte. Der Gotthard-Basistunnel und der ströme, einschliesslich der Grenzgänger, haupt- künftige Kantonsbahnhof Altdorf dürften jedoch sächlich zwischen Norditalien und dem Tessin mehr Pendlerinnen und Pendler aus Norden und (+96 %), zwischen Sopra- und Sottoceneri (+53 %) Süden anziehen. Abb. 12 Entwicklung der Anzahl Grenz 70 000 gängerinnen und Grenzgänger 60 000 im Kanton Tessin 2000−2016 50 000 40 000 Tessin 30 000 Sopraceneri 20 000 Sottoceneri 10 000 Quelle: BFS 0 2000 2004 2008 2012 2016 16
5.3 UMWELTQUALITÄT Dank des Gotthard-Basistunnels ist eine massi- ve Entlastung vom Eisenbahnlärm im Abschnitt zwischen Erstfeld und Bodio zu erwarten. Auf- grund der strengeren Abgasvorschriften für die Fahrzeuge hat sich die Luftschadstoffbelastung schon reduziert – ohne jedoch ein zufriedenstel- lendes Niveau zu erreichen. Diese Abnahme wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Die Entwicklung des Strassenlärms wird davon abhängen, inwieweit künftig technologische und betriebliche Massnahmen umgesetzt werden. Lärmentlastung dank modernen Roll Reifen bestimmt. Die Lärmmessungen lassen bis- materials und lärmarmer Beläge lang keine Reduktion der Lärmemissionen der Die Lärmbelastung durch den Strassenverkehr Fahrzeuge auf der A2 und A13 erkennen. Mar- wird durch die Abrollgeräusche – welche den Au- kante Reduktionen der Lärmemissionen wurden tobahnlärm dominieren –, den Motorenlärm so- durch eine Massnahme an der Quelle (Einsatz lärm wie den Strassenbelag, das Verkehrsvolumen, armer Beläge) erreicht. Der lärmmindernde Ef- den Fahrzeugtyp, die Geschwindigkeit und die fekt nimmt aber im Laufe der Zeit wieder ab und Abb. 13 80 000 79,0 Entwicklung der Lärmbelastung 70 000 2003−2015 77,0 60 000 Entwicklung des Bahnlärms (Tag/Nacht) 50 000 75,0 und Anzahl Züge, Bahnhof Steinen SZ 40 000 30 000 73,0 Emissionspegel Tag 20 000 Züge 71,0 10 000 Güterzüge 0 69,0 Emissionspegel Nacht 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Züge Anzahl Züge Emissionspegel dB(A) Güterzüge Entwicklung des Strassenlärms auf den 92,0 Autobahnen A2 und A13 90,0 88,0 A2 Camignolo 86,0 A2 Reiden 84,0 A2 Moleno 82,0 A13 Rothenbrunnen 80,0 78,0 Quelle: BAFU MFM-U, BAV MFM-V 76,0 74,0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Emissionspegel dB(A) Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 17
Abb. 14 Durchschnittliche jährliche NO2-Im- 70 missionen entlang der Autobahnen 60 A2 und A13 50 Grenzwert der Luftreinhalte- 40 verordnung (LRV) 30 Camignolo 20 Moleno 10 Chiasso 0 Erstfeld 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Bodio Bioggio NO2 (µg/m3) Rothenbrunnen der Belag muss nach rund 15 Jahren wieder er- im Kanton Uri mit 51 300 Franken um einen Drit- Quelle: BAFU und Kt. TI, SPAAS, 2016 neuert werden. Der Einsatz von modernerem Roll- tel tiefer als im schweizerischen Durchschnitt material hat die Lärmbelastung durch den Schie- (78 000 Franken). Mit 3,7 Prozent war die Arbeits- nenverkehr sowohl tags als auch nachts konti losenquote 2015 im Tessin höher als im schwei- nuierlich reduziert. zerischen Durchschnitt (3,2 %) und im Kanton Uri (1,0 %). Der Anstieg der Arbeitslosigkeit zwischen Luftqualität besser, aber weiterhin ungenügend 2000 und 2015 war allerdings deutlich geringer Obwohl die Stickoxidemissionen (NOx) dank tech- (TI: 0,6, UR 0,5, CH: 1,4 Prozentpunkte), auch wenn nischer Fortschrite beim Schwerverkehr in den sich im Kanton Uri die absolute Arbeitslosenan- letzten 10 Jahren um die Hälfte abgenommen ha- zahl verdoppelt hat. ben, bleibt die Luftqualität entlang der Autobahn A2 ungenügend. Die Stickstoffdioxidkonzentra Dynamik verbirgt komplexe Mechanismen tionen (NO2) liegen im Jahresdurchschnitt über Die BIP-Zahlen des Kantons Tessin müssen mit dem Grenzwert von 30 Mikrogramm pro Kubik- Vorsicht interpretiert werden. Der hohe Wert wi- meter (μg/m3). Die Entwicklung lässt sich teil- derspiegelt die Attraktivität und wirtschaftliche weise mit den Jahresschwankungen anderer Ein- Dynamik des Kantons, der beispielsweise aus flussgrössen (z. B. Witterung) und anderen Schad- steuerlichen Gründen und wegen der Qualität des stoffquellen (Industrie, Haushalte) erklären. Für die «Standorts Tessin» zahlreiche Tätigkeiten und Ar- Einhaltung der NO2-Immissionsgrenzwerte müssen beitsplätze aus den grenznahen italienischen Re- die Stickoxidemissionen weiter gesenkt werden. gionen anzieht. Dies hat eine besonders intensive Bodennutzung für wirtschaftliche Aktivitäten zur Folge, die bisweilen im Widerspruch steht zu an- 5.4 SOZIOÖKONOMISCHE deren sozialen und ökologischen Interessen. Zwi- ENTWICKLUNG schen 2006 und 2016 hat im Tessin die Anzahl der Beschäftigten um einen Viertel auf 234 200 zuge- Zwei wirtschaftlich dynamische Kantone nommen, die Zahl der Grenzgänger um 70 Prozent Im Zeitraum von 2005 bis 2013 verzeichneten auf 62 600. Der Anteil der im Kanton wohnhaften beide Kantone eine positive Wirtschaftsentwick- Beschäftigten an der Bevölkerung ist nur leicht an- lung, was sich in der Zunahme der Arbeitsplätze gestiegen (um 1,2 Prozentpunkte auf 47,9 %). und der kantonalen Wirtschaftsleistung zeigt. In Bemerkenswert ist die Zunahme des Lohnun- beiden Kantonen wuchs das Bruttoinlandprodukt terschieds zwischen dem Tessin und dem Rest (BIP) zwischen 2008 und 2012 deutlich stärker als der Schweiz: Der Medianlohn im Tessin betrug im im schweizerischen Durchschnitt (UR: 1,1 %/Jahr, Jahr 2008 nur 85 Prozent des gesamtschweize TI: 0,5 %/Jahr, CH: 0,1 %/Jahr). Das BIP pro Kopf lag rischen Medianlohns und sank bis 2014 weiter 2012 im Tessin mit 80 100 Franken leicht höher, auf 83 Prozent. 18
Abb. 15 70 000 +19,3 % Entwicklung der Anzahl Beschäf tigter in den Regionen des Kantons 60 000 Tessin 2005–2013 50 000 +22,2 % +14,8 % 40 000 +32,5 % +6,0 % –11,6 % Beschäftigte 2005 30 000 +9,4 % +7,1 % Beschäftigte 2013 20 000 +6,5 % –2,5 % –3,6 % 10 000 Quelle: BFS, STATENT-Datenbank 0 Mendrisiotto Lugano Valli di Lugano Vedeggio e Basso Malcantone Piano di Magadino e Gambarogno Bellinzona Sponda destra Locarnese Valli Locarnese Riviera Blenio Leventina Abb. 16 14 000 +3,5 % Entwicklung der Anzahl Beschäf 12 000 tigter in den Regionen des Kantons Uri 2005−2013 10 000 8 000 Beschäftigte 2005 6 000 –19,6 % +39,1 % Beschäftigte 2013 4 000 –23,3 % –19,0 % 2 000 Quelle: BFS, STATENT-Datenbank 0 Äussere Seegemeinden Unteres Reusstal Oberes Reusstal Seitentäler Urserntal Abb. 17 150 Entwicklung der Einnahmen durch die direkte Bundessteuer 140 von natürlichen Personen 130 Gesamte Schweiz 120 Sottoceneri 110 Sopraceneri 100 Uri 90 Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 (ESTV) Index Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 19
Abb. 18 Wirtschaftsstruktur der Tessiner 1 Wirtschaftszentren 2013 35 % 14 2 30 % Mendrisiotto 25 % 13 3 Lugano Bellinzona 20 % Sponda destra Locarnese 15 % 10 % 4 12 Tessin 5% Schweiz 0% 0% 5% 1 Verkehr und Lagerei 11 5 2 Finanz- und Versicherungs- 10 % dienstleistungen 15 % 3 Erziehung und Unterricht 20 % 4 Kunst und Unterhaltung 10 6 25 % 5 touristische Aktivitäten 30 % 6 zentrale und öffentliche 9 7 35 % Dienstleistungen 8 7 Forschung und Entwicklung 8 High-Tech-Dienstleistungen 9 spezialisierte Dienstleistungen Wirtschaftliche Ungleichgewichte auf den Bausektor und die zentralen und öffentli- für Unternehmen Im Tessin hat sich das Reichtumsgefälle zwischen chen Dienstleistungen. Das Mendrisiotto, Lugano 10 Landwirtschaft, Bergbau, den Regionen im Süden (Sottoceneri) und in der und Bellinzona sind die drei am stärksten spezia Herstellung von Waren Mitte beziehungsweise im Norden (Sopraceneri) lisierten Regionen des Tessins. Lugano positio- 11 Bau und Baugewerbe verschärft. Im Sottoceneri liegt die Einkommens- niert sich als Zentrum für Finanzdienstleistungen 12 Gross- und Detailhandel entwicklung (vgl. Abb. 17) weiterhin über dem und kulturelle Aktivitäten, das Mendrisiotto be- 13 Gesundheits- und Sozialwesen schweizerischen Durchschnitt und entfernt sich sitzt einen höheren Anteil Arbeitsplätze in den 14 weitere Dienstleistungen immer weiter vom Sopraceneri. Auch im Kanton Bereichen Industrie und Logistik als der Kanton und Aktivitäten Uri liegen die Einkommen unter dem schweizeri- insgesamt, und Bellinzona ist durch die zentralen schen Mittelwert, obwohl sie seit 2011 deutlich und öffentlichen Dienstleistungen geprägt. Quelle: BfS, STATENT-Datenbank zugelegt haben. Unteres Reusstal: Entwicklungszentrum Eine Gemeinsamkeit der beiden Kantone besteht des Kantons Uri darin, dass je eine Region − Lugano und das un- Der Kanton Uri weist im Vergleich zur übrigen tere Reusstal − als wirtschaftlicher Motor wirkt. Schweiz und zum Kanton Tessin einen höheren An- Mit 60 000 Arbeitsplätzen bestreitet die Region teil an Arbeitsplätzen in den Sektoren Landwirt- Lugano einen Drittel der gesamten Beschäftigung schaft, Herstellung von Waren, Bergbau und Ver- des Kantons Tessin, während das untere Reuss- sorgung auf. Über 80 Prozent der Arbeitsplätze tal unverändert 85 Prozent der Urner Arbeitsplät- konzentrieren sich auf das untere Reusstal. Die ze beheimatet. Stellung des unteren Reusstals als Entwicklungs- schwerpunkt des Kantons wird durch mehrere Polyzentrische Entwicklung im Tessin Verkehrsmassnahmen (Kantonsbahnhof Altdorf, Im Kanton Tessin konzentrieren sich drei Viertel neue ÖV-Angebote, A2-Halbanschluss Altdorf Süd) der Arbeitsplätze auf die Regionen Mendrisiotto, in Zukunft verstärkt. Im Urserntal finden sich da- Lugano, Bellinzona und Sponda destra Locarnese. gegen im Vergleich zur übrigen Schweiz und Im Vergleich zur gesamtschweizerischen Situa zum ganzen Kanton deutlich mehr touristische tion entfällt ein höherer Anteil an Arbeitsplätzen Aktivitäten. Dank des neuen Resorts in Andermatt 20
Abb. 19 Wirtschaftsstruktur der 1 40 % 14 2 Urner Regionen 2013 35 % Unteres Reusstal 30 % 13 3 Urserntal 25 % 20 % Uri 15 % Schweiz 10 % 12 4 5% 1 Verkehr und Lagerei 0% 0% 2 Finanz- und Versicherungs- 5% dienstleistungen 11 5 10 % 3 Erziehung und Unterricht 15 % 4 Kunst und Unterhaltung 20 % 5 touristische Aktivitäten 25 % 10 6 6 zentrale und öffentliche 30 % Dienstleistungen 35 % 7 Forschung und Entwicklung 9 7 40 % 8 High-Tech-Dienstleistungen 8 9 spezialisierte Dienstleistungen für Unternehmen ist es die einzige Urner Region, die zwischen 2005 Im Kanton Tessin war der Übernachtungstouris- 10 Landwirtschaft, Bergbau, und 2013 eine deutliche Zunahme der Anzahl Ar- mus zwischen 2005 und 2015 insgesamt stark Herstellung von Waren beitsplätze (+39,1 %) verzeichnen konnte, insbe- rückläufig (−14 %) − besonders ausgeprägt bei den 11 Bau und Baugewerbe sondere dank rund 280 neuer Arbeitsplätze im ausländischen Gästen (−28 %), moderater bei den 12 Gross- und Detailhandel Tourismussektor. Schweizer Gästen (−3 %). Mit einem Minus von 13 Gesundheits- und Sozialwesen rund 150 000 Übernachtungen hatte das Locar- 14 weitere Dienstleistungen Tourismus als Schlüsselsektor nese den grössten Verlust zu beklagen. Dennoch und Aktivitäten Der Tourismus zählt zu den Wirtschaftssektoren, bleibt die Region Locarno (Sponda destra) nach die von der neuen Gotthard-Achse am stärksten dem Luganese die wichtigste Tourismusregion Quelle: BfS, STATENT-Datenbank beeinflusst werden dürften. Aufgrund der besse- des Kantons. Zusammen vereinigen sie 80 Pro- ren Erreichbarkeit, insbesondere der kürzeren zent der Übernachtungen im Kanton auf sich. Fahrzeit, sind Auswirkungen auf die Nachfrage Die Veränderungen im Tessiner Tourismus ent- sowohl durch Tagestouristen als auch Übernach- sprechen nationalen Trends: Die urbanen Zentren tungsgäste zu erwarten. (Zürich, Genf, Basel usw.) erleben eine positive Abb. 20 22 % 0,3 –28 % 10 % 10 % 8% Entwicklung der Übernachtungs 0,2 –3 % –14 % 3% 7% zahlen in den Kantonen Tessin und Uri 2005 und 2015 0,1 0 Schweiz –0,1 Ausland –0,2 Total –0,3 –0,3 Quelle: HESTA, Bundesamt für Statistik Tessin Uri Schweiz Differenz in % Bundesamt für Raumentwicklung ARE — Monitoring Gotthard-Achse — 10.2017 21
Phase, während die Alpendestinationen (Grau- bünden, Wallis und Tessin) an Boden verlieren. Seegemeinden Der ausgeprägte Rückgang bei den Gästen aus Seitentäler Deutschland, Grossbritannien und den Nieder- Unteres landen lässt sich höchstwahrscheinlich mit der Reusstal Wechselkursentwicklung erklären. Die Entwicklung des Tourismus im Kanton Uri ver- Oberes Reusstal lief bei deutlich geringerem Volumen als im Tes- sin in allen Regionen ausser dem unteren Reuss Urserntal tal positiv. Das grösste Wachstum verzeichnete das obere Reusstal (+50 %). Mit fast 100 000 Über- Leventina nachtungen beziehungsweise 42 Prozent aller Blenio Übernachtungen im Kanton bleibt das Urserntal die wichtigste Tourismusregion. Die höchste Tourismusnachfrage verzeichnet die Valli Locarnese Riviera Parahotellerie, auf die im Tessin rund 70 Prozent aller touristischen Übernachtungen entfallen. Spe- ziell gilt dies für die Regionen Bellinzona und Alto Bellinzona Sponda destra Ticino (82 %). Die Zweitwohnungen spielen in die- Locarnese sem Sektor eine zentrale Rolle. Im Kanton Uri ent- Valli di Lugano Piano Magadino / fallen rund 300 000 Übernachtungen oder gut die Gambarogno Lugano Hälfte aller Übernachtungen auf Ferienwohnungen. Vedeggio Mendrisiotto 5.5 RÄUMLICHE ENTWICKLUNG Der Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels im 19. Jahr- hundert löste tiefgreifende Veränderungen in der räumlichen Struktur der Kantone Tessin und Uri Abb. 21 aus. In den auf das Gotthardmassiv zulaufenden Bevölkerungsdichte im MGA- Tälern entwickelte sich entlang der Bahnachse Untersuchungsgebiet 2014 eine lineare Struktur mit mehreren Zentren. Der Bau der Autobahn und die allgemeine Motorisie- Bevölkerungsdichte Einwohner rung prägten die zweite Hälfte des 20. Jahrhun- pro Hektar derts. Parallel dazu wuchs die Bevölkerung im mitt- < 10 leren und südlichen Teil des Tessins sehr unein 10–25 heitlich, während die Täler eine wirtschaftliche 26–50 und demografische Schwächung erlebten. Die In- 51–100 betriebnahme der neuen Gotthard-Achse findet in > 100 einer Zeit statt, die geprägt ist durch die «Wieder- Quelle: BFS, STATPOP, 2014; geburt der Eisenbahn» – vor allem bei den inter- Darstellung: Planteam S AG regionalen Verbindungen – sowie Optimierungen des ÖV-Angebots in den Agglomerationen, die mit der NEAT verbunden werden. Letztere dürfte ei- nen neuen, durch das Eisenbahnnetz strukturier- ten Wachstumsschub nach innen auslösen. 22
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