Münchener Rück Stiftung Vom Wissen zum Handeln - Report 2008 - Munich Re Foundation
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Report 2008 Vom Wissen zum Münchener Rück Handeln Stiftung Münchener Rück Stiftung Report 2008 Vom Wissen zum Handeln
Januar / Februar März / April Mai / Juni Juli 16./17. Januar März 2008 bis Juni 2009 6./7. Juni Mikroversicherungs- Beteiligung an der Rottendorf-Symposium Workshop der China bayernweiten Wander- „Klimawandel und globale Insurance and ausstellung „Stifterland Armut“ Regulatory Commission Bayern“ 15. April Abschluss der Dialogforen 2007/2008 zum Thema „München 2030“ Seite 24 17./18. April Expert Workshop: „Migration and the Environment“ Seite 2 Mai 2008 Katastrophenhilfe für Myanmar nach Zyklon Nargis Seite 37 27. Juli bis 3. August Sommerakademie „Umwelt- bedingte Migration“ Seite 6 1. bis 10. Januar Flutwarnung und Evakuierung am Save, Mosambik Seite 34 23. bis 25. Mai Tagung „Klimawandel und Gerechtigkeit“ – Evangelische Akademie Tutzing Seite 18
August September Oktober November / Dezember Rückblick 2008 20./21. August 5. September 11. Oktober 1. Dezember Klima- und Wassertage Projekt Nebelnetze Präsentation der Allianz Berufung von 3 Lehrstuhl- im Rahmen der World Eritrea gestoppt für umweltbedingte inhabern „UNU Chair Water Week 2008 Seite 38 Migration (CCEMA) on Social Vulnerability“ Seite 29 in der Fachwelt, Bonn Seite 17 1. September 5. bis 7. November Abschluss des Projekts 4. Internationale Mikro- „Mapping Vulnerability“, versicherungskonferenz, Mosambik Cartagena, Kolumbien Seite 34 Seite 14 21. Oktober Auftakt Dialogforen 2008/2009 zum Thema Ressourcen 31. August Abschluss des Projekts „Warnsystem RANET für Tonga“ Seite 39 20. bis 24. Oktober Energieschule Oberbayern/München: Abschluss der Projektwochen Seite 29
Titelbild Inhalt Rückblick 2008 Riskante Bootsfahrt: Der Klimawandel wird 1 Editorial zu starken Umwelt- veränderungen und mehr Wetterextremen Erforschen 2 Frank Laczko führen. Das Bild zeigt Überschwemmungen Migration und Umwelt — nach starken Regen- wir brauchen politikorientierte Forschung fällen in Bangladesch. 6 Sommerakademie 2008 Umweltbedingte Migration: ein Thema mit Brisanz 8 Interview Land unter für die Menschenrechte Vernetzen 10 Prof. Hartmut Graßl Klimawandel und Gerechtigkeit — der Wandel spaltet und verbindet 14 4. Internationale Mikroversicherungskonferenz Die Nachfrage steigt 16 Blickpunkt Spielend begreifen — das Prinzip Versicherung 17 Gründung der Alliance on Migration CCEMA — vom Wissen zum Handeln 18 Klimawandel und Gerechtigkeit Appell für einen Global Deal Sensibilisieren 20 Dr. Werner Zittel und Dr. Daniele Ganser Peak Oil — warum wir jetzt umdenken müssen 24 Dialogforen München 2030 Blick in die Zukunft 28 Interview „Unter dem Deckel steigt der Druck“ 29 Weitere Projekte Green City, Klimaexpedition, World Water Week Handeln 30 Thomas Loster Ownership für eine bessere Welt 34 Flutwarnsystem Mosambik Einsatz am Save 36 Interview „Das Bewusstsein wachhalten“ 37 Zyklon Nargis Soforthilfe für Myanmar 38 Nebelnetze Eritrea Erfolg mit Schattenseiten 39 Frühwarnsystem für Tonga Ein Funknetz für den Ernstfall 40 Stiftungsrat und Team Publikationen Ausblick 2009 Umweltbilanz 2008 Impressum Bildnachweis und Quellen
1 Editorial Erfolg und Misserfolg lagen im vergangenen Jahr eng beieinander. Auf der Habenseite steht das Frühwarn- system am Fluss Save in Mosambik. Der Aufbau ging schneller als erwartet voran – mehr noch: Das System bestand seine Feuertaufe mit Bravour, als Anfang 2008 schwere Überschwemmungen Zentralmosambik heimsuchten. Ein enttäuschendes vorläufiges Ende nahm dagegen unser Nebelnetzprojekt in Eritrea. Dort mussten wir von einem weiteren Ausbau absehen, nachdem sich die politische Situation dramatisch verschlechtert hatte. Das ist besonders bedauerlich, weil die Technik, mithilfe von Nebelnetzen Trinkwasser zu gewinnen, einwandfrei funktionierte. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg, das zeigen beide Beispiele, ist die Projektakzeptanz. Je fester alle Akteure hinter einem Vorhaben stehen, desto größer ist die Chance auf ein positives Ergebnis. Die Lehre für unsere Arbeit ist klar: Sobald erste Zweifel an der Akzeptanz aufkommen, werden wir besondere Aufmerksamkeit walten lassen. Keinerlei Akzeptanzprobleme spüren wir bei einem zentralen Anliegen unserer Stiftungsarbeit, dem Konzept der Mikroversicherung zum Durchbruch zu verhelfen. Die Mikroversicherungskonferenz in Cartagena, Kolum- bien, verzeichnete mit 450 Besuchern einen neuen Rekord. Zwei Drittel der Teilnehmer kamen aus dem Privatsektor, was belegt, dass das Interesse am Thema weiter rapide steigt. Der kolumbianische Staatspräsident Álvaro Uribe brachte es in seiner Rede auf den Punkt: Mikroversicherung ist für Abermillionen armer Menschen ein wichtiges Instrument für das Risikomanagement. Wetterkatastrophen wie der Zyklon Nargis in Myanmar und Überflutungen in Indien haben Hunderttausende Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Weil umweltbedingte Migration immer stärker zunimmt, haben wir das Thema 2008 zum Schwerpunkt unserer jährlichen Sommerakademie mit Jungwissenschaftlern aus aller Welt gemacht. Die von uns 2008 mitinitiierte „Alliance on Migration“, die zentrale Akteure auf dem Gebiet miteinander verbindet, ist ein wichtiger Schritt, um die Forschung besser zu bündeln. Eng verbunden mit dem Thema der umweltbedingten Migration ist unser Projekt „Klimawandel und Gerechtig- keit“, das mittlerweile auf Hochtouren läuft. Damit diese Forderung auch endlich Wirklichkeit wird, sind schnelle und belastbare Ergebnisse nötig. Nach langen Verhand- lungen kommt es nun auf dem Klimagipfel in Kopen- hagen Ende 2009 zum Schwur. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass gerechter und nachhaltiger Klima- schutz zur Maxime wird. Thomas Loster Geschäftsführer
Flucht vor dem Bürgerkrieg: In Darfur im Sudan kam es aufgrund der Konflikte zu massiven Wanderungen. Die IOM war hierbei in umfassende Umsiedlungs- projekte involviert.
3 Erforschen Umweltbedingte Migration kann als mangelnde Anpas- sungsfähigkeit, aber auch als erfolgreiche Überlebens- strategie angesehen werden. Weil verlässliche Daten und Definitionen fehlen, haben die politischen Entschei- dungsträger Schwierigkeiten, geeignete Lösungen zu entwickeln. Hier muss fundierte Forschung die Politik unterstützen. Schleichende oder plötzliche Umweltveränderungen können erhebliche Abwanderungs- und Flüchtlings- bewegungen auslösen. Es wird erwartet, dass die Migrationsströme innerhalb eines Landes und über Migration und Landesgrenzen hinweg künftig zunehmen werden – mit Umwelt — beispiellosen Auswirkungen auf das Leben und die Exis- tenz unzähliger Menschen. Denn Migration beeinflusst wir brauchen die lokale Bewältigungskapazität und die Umwelt nicht politikorientierte nur am Ausgangsort der Wanderbewegung, sondern auch an ihren Zwischenstationen und Zielorten. Will Forschung man die Sicherheit der Menschen gewährleisten, ist eine Frank Laczko sinnvolle Planung und Steuerung der Migrationsströme unerlässlich. Dennoch werden die Themen Migration, Klimawandel und Umweltzerstörung oft losgelöst voneinander diskutiert. Und obwohl die Internationale Organisation für Migration (IOM) seit 1992 mit der ersten Veröffentlichung über „Migration and the Environment“ das Thema erforscht, bleibt das Wissen über die Wechsel- beziehungen begrenzt. Deutlich wird das unter anderem am fehlenden Konsens, wie umweltbedingte Migration zu definieren ist. Die Schätzungen der Wissenschaftler über die Migrations- ströme klaffen weit auseinander. Demnach könnten in nicht allzu ferner Zukunft zwischen 25 und 700 Millionen Menschen pro Jahr betroffen sein. Solange keine Klar- heit über das genaue Ausmaß besteht, lässt sich nur schwer gegensteuern. Deshalb müssen die Qualität der Daten und die Auswertung hinsichtlich geografischer Menschen unterwegs und zeitlicher Korrelation verbessert werden. Um nach- In kommenden Jahrzehnten wird die Migration zuvollziehen, wer aus welchen Motiven geht und wer eine noch größere Rolle als heute spielen. bleibt, müssen entsprechende Fragen in Volkszählungen Ursprungs- und Zielregionen sind weitgehend bekannt, die Zahlen dagegen in der Fachwelt und Haushaltsbefragungen aufgenommen werden. sehr umstritten. Quelle: cartographie.dessciences-po.fr Russland Kanada Anzahl der Ukraine Europa Immigranten Zentral- USA Naher Japan asien Osten Nord- und < 3 000 000 China Südkorea < 5 500 000 Nord- < 7 500 000 Mexiko afrika Persischer Indien Golf < 10 300 000 Mittelamerika und Karibik Anteil der West- Immigranten an der afrika Südostasien- Gesamtbevölkerung Pazifik-Raum Keine Angaben < 2,4% Südamerika < 8,1% Süd- < 22,2% afrika < 45% Australien und Neuseeland Münchener Rück Stiftung Report 2008
Die Modelle zur Migration sollten zudem eine Vielzahl 4 verschiedener Faktoren berücksichtigen, wie den lokalen Kontext, soziale Netzwerke, Zielort und Aufenthaltsdauer, persönliche Wahrnehmung und historische Analogien. Wichtig ist auch die Untersuchung besonders gefährdeter Regionen, sogenannter Hotspots, sowie die Analyse kritischer Schwellenwerte bzw. Kipp-Punkte („tipping points“). Frank Laczko ist Chefwissenschaftler Auch wenn Migration oft als mangelnde Anpassung gesehen der IOM in Genf. Zurzeit beschäftigt er sich mit wird: Für diejenigen, die wegziehen, kann sie durchaus auch Migration und Entwicklung Bewältigungs- und Überlebensstrategie sein. Das Thema in Afrika sowie mit Wanderungsbewegungen muss daher in die Entwicklungsagenda einfließen. Besser aus China. Auf der erforscht werden sollte auch, inwiefern Geldüberweisungen Sommerakademie 2008 in die Heimat die Abwanderung aus Gebieten verringern, die stellte er die Ursachen und Wirkungen von Migra- von Umweltzerstörung betroffen sind. Darüber hinaus kann tion vor. das Wissen der Migranten dazu beitragen, die Widerstands- fähigkeit der lokalen Bevölkerung zu erhöhen. Wichtig ist, alle relevanten Personen und Gruppen einzubeziehen und ein breites Spektrum politischer Maßnahmen – von Klimaschutz und Anpassung bis hin zu Rückführung und Reintegration – sowohl aus nationaler wie auch aus internationaler Perspek- tive zu berücksichtigen. Die Eckpunkte künftiger Forschung hat der „Research Workshop on Migration and the Environment“ abgesteckt. Er wurde von der IOM und der Universität der Vereinten Nationen (UNU) in Zusammenarbeit mit dem Umwelt- programm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Münchener Rück Stiftung organisiert und fand im April 2008 mit Unter- stützung der Rockefeller Foundation in München statt. Zu den Kernpunkten gehört die systematische Bestandsaufnahme bestehender Forschungsergebnisse mit dem Ziel, deren politische Bedeutung zu unterstreichen und neue Methoden und Ansätze zu entwickeln. Die IOM widmet sich gegenwärtig dieser Aufgabe. Zudem muss ein weltweites Forschungs- programm auf Basis neuer detaillierter Untersuchungen aufgelegt werden, das die Regionen der Welt beleuchtet, die am stärksten von Umweltzerstörung und extremen Umweltereignissen betroffen sind. Einen wichtigen Schritt im Jahr 2008 markierte die Gründung der Climate Change, Environment, and Migration Alliance (CCEMA) auf dem oben erwähnten Workshop. Die Allianz bringt eine Vielzahl von Akteuren zusammen, darunter inter- nationale Organisationen, Staatengruppen sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft. Sie vertreten unterschiedliche Perspektiven in Bereichen wie Umwelt, Migrationsentwicklung und humanitäre Hilfe. Außerdem bietet die CCEMA ein neutrales und offenes Forum für den politischen Dialog. Ziel der CCEMA ist es, das Thema Migration in den Diskurs über Umwelt, Entwicklung und Klimawandel einzubringen und umgekehrt. Auf dem Arbeitsprogramm stehen die Öffent- lichkeitsarbeit, die Verbesserung von Informations- und Wissensmanagement durch Vernetzung und ein verstärkter Informationsaustausch mit Hilfe neuer Datenbanken und Websites. Geplant sind zudem Projekte, um Länder, die am stärksten von umweltbedingter Migration betroffen sind, besser vorzubereiten. Die Politik muss auf der Grundlage politikorientierter Forschung aus Best-Practice-Ansätzen lernen. Und wir müssen sie dabei unterstützen. Münchener Rück Stiftung Report 2008
Warten auf Hilfe: Katastrophenopfer in Myanmar sind nach dem Zyklon Nargis im Mai 2008 von der Außenwelt abgeschnitten. Werden Wirbelstürme in einem wärmeren Klima häufiger und stärker, müssen die Menschen im Irra- waddy-Delta ihre Heimat verlassen.
Erforschen Ende Juli 2008 fand auf Schloss Robin Bronen, eine Teilnehmerin 6 Hohenkammer bei München die aus Alaska und Expertin für soziale dritte Sommerakademie statt. Jung- Verwundbarkeit, erläuterte die Prob- wissenschaftler aus 16 Nationen lematik: „In meinem Land müssen untersuchten, inwieweit der Klima- heute schon zahlreiche Gemeinden wandel und Umweltveränderungen umsiedeln, weil der Permafrostboden den Menschen die Lebensgrundlage auftaut und starke Erosion die Küsten- entziehen. Beispiele aus Alaska und und Lebensräume zerstört. Die Regie- den kleinen Inselstaaten im Pazifik rung ist darauf nicht gut genug vorbe- zeigen, wie brisant das Thema schon reitet.“ Weitere Beispiele aus Asien heute ist. und von den kleinen Inselstaaten im Pazifik zeigen, dass umweltbedingte „Der Klimawandel zwingt uns Sommerakademie schneller als gedacht, Lösungen für Migration nicht mehr ausschließlich ein Thema für die Zukunft ist. 2008 das Problem der umweltbedingten Migration zu finden“, führte Prof. In den Medien und in der Fachliteratur Umweltbedingte Anthony Oliver-Smith, Leiter der gehen die Angaben zum Ausmaß der Migration: Sommerakademie, in die Thematik ein. Um die komplexen Zusammen- Migration weit auseinander. Experten schätzen, dass bis Mitte dieses ein Thema mit hänge zu untersuchen, waren 25 Jahrhunderts rund 200 Millionen Brisanz Jungwissenschaftler aus 16 Ländern nach Hohenkammer gereist. Ihr Ziel: Menschen aus Umweltgründen ihre Heimat verlassen müssen. Fachleute die wichtigsten Forschungsgebiete der in Genf ansässigen Internationalen zum Thema Migration zu identifi- Organisation für Migration (IOM) und zieren sowie einen Arbeitsplan für die des Umweltprogramms der Vereinten Wissenschaft festzulegen. Nationen (UNEP) debattierten mit den Teilnehmern der Sommerakademie über Push- und Pull-Faktoren. Dabei wurde klar, dass Umwelt- bzw. Klimaeinflüsse zwar zunehmen, aber längst nicht für alle Migrations- bewegungen verantwortlich sind. „Zahlreiche Aspekte bestimmen die Verwundbarkeit und die Widerstands- fähigkeit der Aus- und Einwanderer“, erklärte der Chefwissenschaftler der IOM, Frank Laczko. Es sei schwer, eine eindeutige Motivation für Migration herauszufiltern. „Wirtschaftliche und politische Motive spielen welt- weit eindeutig die Hauptrolle, aber Menschen müssen auch wegziehen, wenn Hitzewellen und Dürren die Ernten zerstören und so den Betroffenen die Lebensgrundlage entziehen.“ Die Ergebnisse der Fachgespräche bildeten die Grundlage der „Hohenkammer Challenge“, einer Forschungsagenda, die in die künf- Oben: Frank Laczko (links), tige wissenschaftliche und politische Chefwissenschaftler, und Arbeit der Akademieteilnehmer Philippe Boncour, Leiter einfließen soll. „Es ist wichtig, dass der Abteilung für inter- die Sommerakademie die Potenziale nationalen Dialog, beide von der IOM in Genf, der Jungwissenschaftler fördert. stellten sich den Fragen Am Ende müssen aber auch Ergeb- der Akademieteilnehmer. nisse greifbar sein“, forderte Thomas Loster, Geschäftsführer der Unten: Professor Anthony Oliver-Smith aus Florida, Münchener Rück Stiftung, die als im Jahr 2008 Inhaber des Gastgeberin fungierte. Lehrstuhls für Soziale Verwundbarkeit, war wissenschaftlicher Leiter der Sommerakademie.
7 Die Kernaussagen der Agenda lauten: — Wissenschaft und Politik müssen besser kooperieren. — Forschung soll nicht nur systema- tischer, sondern auch stärker im Verbund und institutionsübergrei- fend stattfinden. Die komplexen Zusammenhänge in den Span- nungsfeldern Politik, Umwelt, Ernährung, Armut, Kultur und Lebensqualität werden bei Weitem noch nicht ausreichend verstanden. — Eine einheitliche Erfassung der Migrationsparameter und die Verwendung adäquater Inter- viewtechniken bei Betroffenen ist genauso wichtig wie die sorgfäl- tige Berücksichtigung der sozialen Verwundbarkeit in unterschiedli- chen Kulturen. Prof. Oliver-Smith unterstrich die Bedeutung der Forschung für voraus- schauende Planung und fügte hinzu: „Letztendlich werden wir viel aus der Praxis lernen. Erfolgreiche Umsied- lungen sind die besten Lehrmeister.“ Bis dahin liegt noch ein langer Weg vor uns, wie das Beispiel der kleinen Pazifikinseln belegt: Der Meeres- spiegelanstieg in Tuvalu und Kiribati zwingt die Insulaner heute schon, nach Australien oder Neuseeland 25 Jungwissenschaftler auszuwandern. Die Umsiedlung zeigt aus 16 Ländern diskutierten neben den politischen Herausfor- angeregt ihre wissen- schaftlichen Thesen. derungen die Schwierigkeiten auf, Die Bilder zeigen (von links entwurzelte Menschen in ein neues oben) Aurélie Sgro (Frank- Umfeld einzugliedern. reich), Rebecca Witter (USA), Xiaomeng Shen von Am Ende der Studienwoche fasste der UNU (China), Divya Prof. Janos Bogardi, Vizedirektor der Chandrasekhar (Indien), Donald Makoka (Malawi) und Universität der Vereinten Nationen Henry Bang (Kamerun). (UNU) in Bonn, zusammen: „Bis dato fand die Migrationsforschung überwiegend in einem eher philoso- phischen Kontext statt. Sie bestand aus einer Mischung von Annahmen, Schätzungen, Befürchtungen und Hypothesen. Wir benötigen einen raschen Wechsel hin zu rigoroser empirischer Forschung, die sowohl die Medien als auch Gesellschaft und Politik erreicht. Nur so finden wir Lösungen für Menschen, denen heute schon umweltbedingte Migration droht.“ Mehr Informationen Stiftungslehrstuhl Social zum Thema: Vulnerability am Institut für Umwelt und mensch- Konferenz Environment, liche Sicherheit der UNU Forced Migration and (UNU-EHS) Social Vulnerability im www.ehs.unu.edu Oktober 2008 www.efmsv2008.org Münchener Rück Stiftung Report 2008
Erforschen 8 Interview Experten befürchten, dass in den kommenden Jahrzehnten bis zu Land unter für 200 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen. In Alaska und die Menschenrechte den kleinen Inselstaaten des Pazifischen Ozeans sind manche Gemeinden von der Klimaerwärmung bereits akut bedroht. Dr. Koko Warner von der UN-Univer- sität befragte auf der Sommer- akademie die Anthropologin Elizabeth Marino und die Juristin Robin Bronen, beide aus Fairbanks/ Alaska, sowie den Juristen Cosmin Corendea aus San Francisco zu ihrer Arbeit . Koko Warner: In Alaska sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits heute hautnah zu spüren. Das Polareis schmilzt und die Permafrostböden tauen auf, der Meeresspiegel steigt. Die Menschen sind gezwungen, ihren Lebensraum zu verlassen. Elizabeth, Sie arbeiten in den betroffenen Regionen. Wie ist der Stand der Dinge? Elizabeth Marino: Gegenwärtig sind die Folgen der Klimaerwär- mung in Alaska so dramatisch, dass einige Gemeinden sofort umsiedeln müssen. Nehmen wir das Beispiel Im Gespräch: Robin Bronen, Cosmin von Shishmaref, einem kleinen Corendea und Elizabeth Inseldorf an der Riffküste. Das Eis Marino (v.l.n.r.) und der Dauerfrostboden tauen unterhalten sich mit dort allmählich auf, so dass die Koko Warner über Meeresbrandung immer mehr Land die Auswirkungen der Klimaerwärmung wegschwemmt. Die Umzugsplanungen auf umweltbedingte laufen schon seit mindestens 30 Migration. Jahren, und die Lage ist zweifels- ohne sehr komplex. Dennoch überrascht es mich, dass die Verlegung der nur 608 Einwohner von Shishmaref in eine weniger als 10 Kilometer entfernte Gegend die Regierung anscheinend vor große Probleme stellt. Wenn das der Vorgeschmack auf die Zukunft ist, kann man heute schon ernst- hafte Probleme vorhersehen, wenn der Meeresspiegel weiter steigt.
9 Robin Bronen: Der Klimawandel Cosmin Corendea: Interessanter- Warner: Das ist doch ein gefun- findet wesentlich schneller statt, weise hat die Interamerikanische denes Fressen für Journalisten. als wir gedacht haben. Die Regie- Menschenrechtskommission (IACHR) Übt die mediale Aufmerksamkeit rung steckt in der Klemme. Die der Petition bereits stattge- nicht auch einen positiven Druck Gemeinden in Alaska sind durchaus geben. Allein die Tatsache, dass aus, Lösungen zu finden? willens umzuziehen, aber die das Gericht den Fall angenommen Marino: Doch, in Alaska haben die zuständigen Institutionen haben hat, stellt ein Judiz dar. Damit Medien ganz sicher die öffentliche kein Mandat und auch keine Erfah- erkennt die Kommission nämlich Aufmerksamkeit auf die Probleme rung mit dieser Situation. Bisher quasi an, dass der Klimawandel real von Shishmaref und anderer hat die Regierung vor allem in ist und die Vereinigten Staaten Gemeinden gelenkt. Ob dies aller- technische Lösungen investiert und/oder andere Nationen für dings auch bei der Suche nach und über Jahre Millionen von Dollar das Problem verantwortlich sind. Lösungen hilft, wird sich erst noch für Erosions- und Flutschutz Der Fall der Inuit kann somit nicht zeigen. ausgegeben. Jetzt stellt sie ignoriert werden. plötzlich fest, dass diese Form Warner: Hat das Beispiel Alaska Das Ureinwohnerdorf Kivalina in der Katastrophenvorsorge nicht Signalwirkung auf andere Regionen Alaska prozessiert übrigens gegen ausreicht. Mit Technologie allein ist dieser Welt? Erdölunternehmen wegen deren den betroffenen Gemeinden nicht Verantwortung für die erzwungene Bronen: Definitiv, Alaska ist kein zu helfen. Migration. Es ist aber noch völlig Einzelfall. Auch an anderen Orten Warner: Wie kann die Regierung unklar, wie diese Rechtsfälle am gab es unerwartete und drama- sicherstellen, dass Umsiedlungen Ende entschieden werden. tische Umweltveränderungen, die erfolgreich verlaufen und sich humanitäre Krisen ausgelöst haben. Warner: Cosmin, Sie haben auch auf die Menschen gut an ihre neue Derzeit fehlen einfach bindende Tuvalu und Kiribati im Südpazifik Umgebung anpassen? Regelungen für die Umsiedlung von gearbeitet. Die Einwohner dieser Menschen, die aus Umweltgründen Marino: Die Menschen haben ein kleinen Inselstaaten befinden sich ihre Heimat verlassen müssen. Mit eigenes kulturelles Erbe, dessen in einer äußerst schwierigen Situ- dem fortschreitenden Klimawandel Bedeutung nicht unterschätzt ation. Sie müssen ihren Lebensraum gewinnt der Schutz der Menschen- werden darf. Dieses Erbe muss umgehend verlassen. Wie ist die rechte für diesen Personenkreis geschützt und erhalten bleiben. Lage dort? zunehmend an Bedeutung. Bei der Umsiedlung geht es also Corendea: Die kleinen Insel- nicht nur um Infrastruktur, Geld Warner: Das bedeutet, wir staaten verhandeln mit Austra- und Siedlungsraum, sondern benötigen nationale und globale lien, Neuseeland und anderen eben auch um Heimat, Tradition, Konzepte und müssen auf inter- potenziellen Zufluchtsländern. Gesundheit und um die persön- nationaler Ebene Verantwortung Diese Länder werden die Menschen liche Lebensweise. Der Erfolg ist übernehmen. wohl aufnehmen. Und dennoch: nur dann gewährleistet, wenn die Die Bewohner der Pazifikinseln Bronen: Stimmt. Eine große Heraus- Kulturgüter bewahrt werden und verlieren ja nicht nur ihr Land, forderung, wenn man bedenkt, die Menschen vor Ort die Möglich- sondern auch ihre Häuser sowie dass es mindestens fünf Jahre keit erhalten, den Prozess mitzu- ihre soziokulturelle und politische dauern wird, bis die relevanten gestalten. Umgebung. Auch wenn sie Zuflucht Länder ein internationales Rahmen- Bronen: Die Umsiedlung der finden, wird die gesellschaft- werk akzeptieren und ratifizieren. Gemeinden in Alaska hat viele liche Integration zu einer großen Corendea: Aber den Menschen auf Gesichtspunkte. Die gesellschaft- Herausforderung. den kleinen Inselstaaten steht das lichen und menschenrechtlichen Ich bearbeite unter anderem den Wasser heute schon bis zum Hals. Aspekte sind dabei besonders Fall der Malediven. Die Situation Sie können nicht mehr jahrelang hervorzuheben. dort ist weit schlimmer, da die warten, sie benötigen sofortige Warner: Ich habe gehört, dass Inselgruppe keiner relevanten Unterstützung. kanadische und US-amerikanische regionalen Schutzorganisation – Inuit die US-Regierung wegen wie beispielsweise der Afrika- der globalen Erwärmung verklagt nischen Union – angehört. Folglich haben. Cosmin, halten Sie dies für sind die Aussichten auf Unter- gerechtfertigt und wie sieht es stützung wesentlich begrenzter. mit den Chancen einer solchen Schon in wenigen Jahren werden die Klage aus? Malediven im Meer versinken, doch kein einziger Staat bietet bisher Unterstützung an. Eine Rettung in letzter Sekunde, bevor die Menschen ertrinken, ist kein nach- haltiges Lösungskonzept für Migra- tion. Dies führt nur zu Konflikten und enormen gesellschaftlichen Problemen. Münchener Rück Stiftung Report 2008
Dürre in Äthiopien: Ein Ziegenhirte führt seine Herde an einem schwer zugänglichen Wasserloch zur Tränke. Die Entwicklungs- länder leiden am meisten unter der hauptsächlich von den Industrieländern verursachten Klimaerwärmung.
11 Vernetzen Die Ungerechtigkeit des Klimawandels schreit zum Himmel und ruft nach einer global koordinierten, fairen Klimaschutzpolitik. Um eine Chance zu haben, sich den neuen Umweltbedingungen anzupassen, benötigen die Entwicklungsländer Unterstützung aus den Industriestaaten. Das Klima ist unsere wichtigste natürliche Ressource. Nur dort, wo die Sonne ausreichend Wärme spendet und genügend Wasser vorhanden ist, können Menschen in größerer Anzahl leben. Denn beide Faktoren bilden die Grundlage unserer pflanzlichen Klimawandel und Nahrung. Klimaänderungen, ausgelöst durch die Gerechtigkeit — veränderte Bahn der Erde um die Sonne, haben diese Grundlagen in nahezu periodischen Spannen von Zehn- der Wandel spaltet und Hundertausenden Jahren immer wieder verändert. und verbindet Obwohl die gesamte Energie, die jährlich von der Prof. Hartmut Graßl Sonne auf die Erde strahlt, durch die veränderte Bahn- ellipse im Verlauf von etwa 100 000 Jahren höchstens um wenige Promille schwankte, haben sich die Klima- zonen drastisch verschoben. Denn je nach Neigung der Erd-Rotationsachse und Lage der Ellipse im Raum verteilt sich die vorhandene Energie unterschiedlich auf die Breitengrade unseres Planeten. Riesige Eisschilde entstanden und verschwanden, was den Meeres- spiegel um mehr als 100 Meter schwanken ließ. Das Gebiet des heutigen Deutschland wechselte dabei zwischen Tundra und Vergletscherung. Laubmisch- wälder, wie im heutigen geologischen Zeitabschnitt des Holozäns, hatten oft nur über etwa 10 000 Jahre Bestand. Wir Menschen mussten daher weite Wanderungen unternehmen, haben in dezimierten Gemeinschaften überlebt oder sind in bestimmten Gebieten ganz ausgestorben. Heute befinden wir uns in einer völlig neuen Ausgangs- lage: Die Konzentration von Kohlendioxid, dem zweit- wichtigsten Treibhausgas der Erdatmosphäre, ist höher als je zuvor seit Bestehen des Homo sapiens. Das globale Klima wird sich im Mittel – je nach unserem Verhalten im 21. Jahrhundert – mindestens dreißig- Treibhaus Erde bis hundertmal schneller ändern, als es die natürlichen Der CO2-Gehalt der Atmosphäre schwankte Prozesse erwarten ließen. Die geraffte Version der im Laufe der geologischen Zeitalter angelaufenen und noch stärker bevorstehenden zwischen 180 ppm und 280 ppm (Parts per Million). Er könnte im Laufe dieses Jahr- Klimaänderungen lautet: Wer bislang ausreichend hunderts auf mehr als 500 ppm ansteigen. Wasser hat, bekommt etwas dazu. Wem es schon jetzt Quelle: National Geographic Society mangelt, dem wird oft noch etwas genommen. CO2-Konzentration (ppm) 280 260 240 220 200 250 000 200 000 350 000 300 000 400 000 Jahren Vor Münchener Rück Stiftung Report 2008
Da der industrialisierte Teil der Menschheit Haupt- 12 verursacher des beschleunigten Klimawandels ist, schreit die Ungerechtigkeit zum Himmel: Die beson- ders verletzbaren Menschen, nämlich die Armen in den Entwicklungsländern, die oft nur wenig zu den Klimaänderungen beigetragen haben, sehen ihre Lebensgrundlagen schwinden und verlieren ihre Prof. Hartmut Graßl ist ehemaliger Direktor ausgedörrte oder überschwemmte Heimat. Die Migra- des Max-Planck-Instituts tionsströme erschweren es, zwei andere, ebenfalls für Meteorologie in bedeutende und miteinander verwobene Probleme, Hamburg und ehemaliger Leiter des Klimafor- wenigstens teilweise zu lösen: die absolute Armut schungsprogramms der zu verringern und den Bevölkerungsanstieg in den World Meteorological Organization (WMO), Genf. Entwicklungsländern zu bremsen. Die Millennium- Er ist Stiftungsrat und Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, bis 2015 die leitet den Beirat im Projekt „Klimawandel und absolute Armut zu halbieren und alle Menschen mit Gerechtigkeit“. sauberem Trinkwasser zu versorgen, werden durch den raschen Klimawandel erheblich erschwert. Die Staatengemeinschaft muss daher schnell eine global koordinierte Klimaschutzpolitik organisieren. Hoffnungsvoll stimmt, dass der Klimagipfel auf Bali im Dezember 2007 am Fahrplan des Kioto-Protokolls festgehalten hat. Auch wenn die Klimaverhandlungen in Posen im Dezember 2008 keine bedeutenden Ergebnisse hervorbrachten, ist in Kopenhagen 2009 mit greifbaren Ergebnissen zu rechnen. Danach sollen die Industrieländer ihre Emissionen massiv reduzieren und die Schwellenländer in die Klimaschutz- anstrengungen zumindest teilweise integriert werden. Unter dem Aspekt „Klimawandel und Gerechtigkeit“ ist bedeutsam, dass der Handel mit Kohlendioxid- Zertifikaten dazu beiträgt, den Entwicklungsländern die Anpassung an den Klimawandel finanziell zu erleichtern. Dass die Bundesrepublik Deutschland einen wesentlichen Teil der Erträge aus dem Verkauf 2-Grad-Ziel von Zertifikaten im EU-weiten Emissionshandel 450 ppm für derartige Maßnahmen in Entwicklungsländern bereitstellt, lässt hoffen. Neben all den politischen und wirtschaftlichen Aspekten sollten wir aber die ethische Komponente Heute nicht außer Acht lassen. Denn Klimaschutz ist Unter- 380 ppm stützung der Armen und damit nicht nur Christenpflicht, sondern Aufgabe aller Religionen. Industrielle CO2-Konzentration (ppm) Revolution 280 260 240 220 200 150 000 100 000 50 000 Heute Münchener Rück Stiftung Report 2008
13 Tauwetter in Shishmaref: Viele Gemeinden in Alaska müssen in den kommenden Jahren umsiedeln. Durch die Klimaerwärmung taut der Permafrostboden auf, das macht die Siedlungen unbewohnbar. Gleichzeitig wird die Küste erodiert – die Inuit verlieren ihr Heimatland.
Vernetzen Mikroversicherungen bieten armen Statt zu Geldverleihern oder Geschäfte- 14 Haushalten in Entwicklungs- und machern am Schwarzmarkt zu gehen, Schwellenländern Absicherung gegen sollten die Betroffenen Versicherungs- elementare Risiken. Wie sehr das instrumente nutzen. Uribe hob hervor, Thema an Bedeutung gewonnen hat, dass Mikroversicherungen keine belegt das große Interesse an der Almosen sind. „Mikroversicherung 4. Internationalen Mikroversiche- kommt von Herzen, sie ist aber rungskonferenz, die vom 5. bis zum ein Geschäft und keine Wohltätigkeit.“ 7. November 2008 in Kolumbien Kolumbien gilt als einer der wich- stattfand. tigsten Märkte für Mikroversiche- 450 Experten und Praktiker aus rund rungen in Lateinamerika. Vor mehr als 50 Ländern waren zu der ersten 5 Jahren wurden hier die ersten Mikro- 4. Internationale internationalen Konferenz dieser Art produkte entworfen, heute bieten Mikroversicherungs- in Lateinamerika nach Cartagena gekommen. Im Mittelpunkt standen 11 Gesellschaften Versicherungen u. a. in den Sparten Leben, Unfall und konferenz die Themen Regulierung, Ausbildung, Begräbniskosten an. Aktuell werden Die Nachfrage steigt technische Lösungen und innovative Vertriebswege. Mit rund zwei Dritteln Policen für das Sachgeschäft entwi- ckelt, um der steigenden Nachfrage der Teilnehmer stellte die Versiche- gerecht zu werden. Den Erfolg von rungs- und Finanzindustrie die größte Mikroversicherungen in Kolumbien Gruppe – ein Beleg dafür, dass Mikro- führen Experten auf die enge Zusam- versicherungen längst nicht mehr menarbeit zwischen den Behörden nur als Instrument zur Armutsbe- und den Versicherern zurück. kämpfung gesehen werden, sondern Regulierung als Treiber zunehmend auch unter ökonomischen Aspekten in das Blickfeld der Versiche- Wie Regulierung die Verbreitung rungsindustrie geraten. Die potenzielle von Mikroversicherungen beeinflusst, Zielgruppe ist riesig: Allein in Zentral- hat das Microinsurance Network, und Südamerika leben rund 350 die frühere CGAP Working Group Millionen Menschen am unteren Ende on Microinsurance, anhand von der Einkommenspyramide. Studien in Uganda, Kolumbien, Indien, Südafrika und auf den Philippinen Geschäft und keine Wohltätigkeit untersucht. Dabei zeigte sich, dass die In seiner Eröffnungsrede äußerte Zielgruppe für Mikroversicherungen der kolumbianische Präsident Álvaro überwiegend dem informellen Sektor Uribe die Hoffnung, dass Mikrover- entstammt, der häufig nicht reguliert sicherungen weiter an Popularität ist. In Indien beträgt der Anteil gewinnen werden. „Wir müssen das 20 %, in Kolumbien sogar über 50 %. Konzept den armen Bevölkerungs- Erschwerend kommt hinzu, dass es schichten nahebringen und verdeutli- den Menschen an der nötigen Bildung chen, dass es die beste Möglichkeit für und am Verständnis für die Funktions- persönliches Risikomanagement ist – weise von Versicherungen fehlt. Der Präsident von sei es bei Gesundheitsproblemen, Kolumbien, Álvaro Uribe, Die Strategien der Behörden, diese bei finanziellen Engpässen oder bei eröffnete die Konferenz. Probleme anzugehen, reichen von Mehr als 450 Teilnehmer Naturkatastrophen“, erklärte Uribe. einer moderaten Regulierung, die aus 48 Ländern waren nach auf Kooperation von Versicherungen, Cartagena gekommen. Regierung und Mikrofinanzindustrie setzt (Kolumbien), bis zur Verpflich- tung der Privatwirtschaft, Mikrover- sicherungen anzubieten (Indien). Roberto Junguito, Präsident des kolumbianischen Versicherungs- verbands FASECOLDA, warb für den Kurs Kolumbiens und betonte, dass keine neuen Regeln nötig seien. „Der private Sektor bemüht sich auch so mit Nachdruck, maßgeschneiderte und erschwingliche Lösungen zu entwickeln und der steigenden Nach- frage gerecht zu werden“, erklärte er. Das allein sei schon Garant für weiteres Wachstum in dem Segment.
15 Auch andere Experten forderten auf Herausforderungen lösen, Die Konferenz in Cartagena hat der Konferenz, die Verbreitung von Produkte entwickeln gezeigt, dass sich gerade in Latein- Mikroversicherungen weniger mit amerika die Versicherungsindustrie Craig Churchill, Vorsitzender des Zwang, als mit Anreizen zu fördern – dem Thema Mikroversicherungen Microinsurance Networks, der informelle Versicherungen müssen verstärkt widmet. Dennoch bleiben Co-Organisatorin der Konferenz, in formalisierte Versicherungsformen vielfältige Herausforderungen, wobei betonte am Ende der Tagung: überführt werden. die bedarfsgerechte Gestaltung „Wir haben viel erreicht. Nun geht der Produkte und die Kosten zentrale Geld für Lotto oder Versicherung es darum, dass die kommerziellen Punkte sind. Diesen Problemen Versicherer mehr Lösungen Doch selbst wenn Rahmenbedin- werden sich sowohl das Microinsu- entwickeln und auf den Markt gungen und Produkte stimmen, rance Network als auch die nächste bringen.“ bleibt oft als Hindernis das fehlende Internationale Mikroversicherungs- Verständnis für Funktion und Nutzen konferenz widmen, die vom 3. bis von Versicherungen. Interessant ist, 5. November 2009 in Dakar, Senegal, dass die Menschen aus den unteren stattfindet. Einkommensschichten Kolumbiens etwa genauso viel für Versicherungen wie für Lotterien ausgeben, obwohl die Wahrscheinlichkeit, von Versi- cherung zu profitieren, nachweislich deutlich größer ist. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Bedeutung von Versicherungen zu erklären. Einen spielerischen Ansatz dafür hat Steve Mikroversicherung in Kolumbien Boucher von University of Davis, Mehr als 3 Millionen Menschen in Kolumbien haben eine Mikroversicherung Kalifornien, auf der Konferenz vorge- abgeschlossen. Wenn man berücksichtigt, dass die Beerdigungs- stellt (siehe Blickpunkt Seite 16). versicherung im Schnitt pro Haushalt mindestens 2 Personen abdeckt, sind insgesamt über 6 Millionen Kolumbianer mikroversichert – mehr Innovativer Vertrieb als 10 % der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2008 hat der kolumbianische Versicherungsverband FASECOLDA 550 Haushalte aus den untersten Die im Vergleich zu den Prämien drei sozialen Schichten nach ihrer Risikoeinschätzung befragt. hohen Fixkosten stellen nach wie Dabei zeigte sich, dass Arbeitslosigkeit, Krankheit und Tod zu den vor eine der wichtigsten Hürden dar. bedrohlichsten Gefahren zählen. Wie innovative Vertriebswege dazu Welche Risiken bedrohlich sind (%) beitragen, sowohl neue Kunden- gruppen zu erschließen als auch Kosten zu reduzieren, zeigt das Beispiel des Versicherers MAPFRE, Arbeitslosigkeit der in Kolumbien mit dem Strom- Erkrankung eines Familienangehörigen anbieter Condensa kooperiert. Im Rahmen dieser Allianz zahlen Tod eines Familienmitglieds mehr als 300 000 Familien ihre Versicherungsprämien über die Wohnungseinbruch Stromrechnung, wobei 90 % dieser Familien den untersten Einkommens- Verkehrsunfall gruppen angehören. Unfall am Arbeitsplatz Bislang wenig ausgeschöpft sind die Effizienzpotenziale bei der Nutzung Unfall im Haushalt von IT-Lösungen, deren Einführung Schäden am Haus durch Überschwemmung aber mit hohem Aufwand verbunden ist. Rund die Hälfte aller in einer Raub oder Beschädigung des Fahrzeugs Studie des Microinsurance Networks befragten Anbieter von Mikrover- Einbruch in das Geschäft sicherungen entwickelt ihre Software komplett selbst, nur 10 % bezogen Personenschäden mit eigenem Fahrzeug Programme von Drittanbietern. Auch Schäden am Haus durch Erdbeben die Möglichkeiten von technischen Lösungen wie Smartcards sind längst Schäden im Betrieb durch Erdbeben nicht ausgeschöpft. Allerdings will der Einsatz neuer Technologien gut Schäden im Betrieb durch Überschwemmung überlegt sein. Denn eine Festlegung hat langjährige Auswirkungen, und 0 10 20 30 40 um das Potenzial zu heben, muss man Armutsschicht 1 (Ärmste der Armen) die internen Prozesse optimieren. Armutsschicht 2 Armutsschicht 3 Quelle: Fasecolda 2008 Münchener Rück Stiftung Report 2008
Vernetzen Seit Juli 2008 können die von 16 starken Ernteschwankungen geplagten peruanischen Baumwoll- farmer im Tal Pisco bei der lokalen Mikrofinanzorganisation Caja Rural Señor de Luren eine Ernteertrags- versicherung abschließen. Fällt der durchschnittliche Ertrag im Tal unter rund 1,5 t pro Hektar, werden gestaffelte Auszahlungen fällig. Die Prämie beträgt 41 US-Dollar pro Hektar, rund 3 bis 5 % der Produktions- Blickpunkt kosten. Spielend begreifen — Da die peruanischen Bauern wie das Prinzip in vielen Entwicklungsländern so gut wie keine Erfahrung mit Versi- Versicherung cherungen haben, fällt es ihnen schwer zu verstehen, dass sie für ihre regelmäßigen Zahlungen nur in Ausnahmefällen eine direkte Gegenleistung erhalten. Um die Akzeptanz der Ernteversicherung zu erhöhen, entwickelte Steve Boucher aus Kalifornien ein Spiel, das verschiedene Ertragsszenarien simuliert und den Bauern so das Verständnis für Kosten und Nutzen einer Versicherung näherbringt. Die Ergebnisse dieser Simulation stellte er den Teilnehmern der Mikroversicherungskonferenz in Cartagena vor. Das Spiel besteht aus mehreren Durchgängen, wobei die Teilnehmer zunächst den Zustand ohne und dann mit Versicherung simulieren. Gespielt wird mit echtem Geld, der Zufall entscheidet sowohl über die durchschnittliche Ernte im Tal (Pokerchips) als auch über den individuellen Ertrag („Glücksbälle“). Je nach Kombination von Ball und Eine neue Erfahrung: Chip bekommen die Spieler unter- Peruanische Bauern schiedlich hohe Beträge ausge- erlernen spielerisch, wie zahlt. Sie lernen dabei, dass sie sie sich durch Abschluss mit Versicherung zwar insgesamt einer Versicherung gegen weniger Geld zur Verfügung haben, Ernteausfälle schützen können. sie in schlechten Jahren aber dafür nicht um ihre Existenz bangen müssen. Das Projekt in Peru hat gezeigt, dass eine hohe potenzielle Nachfrage nach Versicherung besteht, sobald das Prinzip verstanden ist. Die Bauern sind dann in der Lage, sich bewusst Mehr Informationen für oder gegen eine Absicherung zum Thema: zu entscheiden. Microinsurance Quelle: Steve Boucher, Conference University of California (Davis) www.microinsurance conference2008.org Microinsurance Network www.microinsurance focus.org
17 Völkerwanderungen gehören von Es ist daher höchste Zeit, die Migra- jeher zur kulturellen Entwicklung tionsforschung zu bündeln und unseres Planeten. Globalisierung und international besser abzustimmen. steigende Bevölkerungszahlen lassen Nur so wird es möglich, Handlungs- die Migrantenströme mit sozialem empfehlungen mit starkem Mandat und wirtschaftlichem Hintergrund und entsprechender Wirkung zu stetig anschwellen. Die Alliance on formulieren. Migration hat sich zum Ziel gesetzt, Die Gründung der Alliance on Migra- Migrationsforschung zu bündeln und tion, die im April 2008 von der Inter- konkrete Handlungsvorschläge zu nationalen Organisation für Migration erarbeiten. (IOM), der UN-Universität (UNU), dem Nach Angaben der UN waren 2007 Umweltprogramm der UN (UNEP), Gründung der etwa 175 Millionen Menschen auf dem Stockholm Environment Institute Alliance on Migration der Flucht. „Migrantien“, das Land der Migranten, nimmt mittlerweile (SEI) und der Münchener Rück Stif- tung initiiert wurde, ist ein erster wich- CCEMA — im Vergleich der Bevölkerungszahlen tiger Schritt. Die Allianz hat sich zum vom Wissen zum weltweit Rang 6 ein. Migration hat negative wie positive Auswirkungen, Ziel gesetzt, das Verständnis für das Phänomen Migration zu fördern und Handeln insgesamt überwiegen in der öffentli- die Zug-, Schub- und Spannungskräfte chen Wahrnehmung aber die Ängste: in allen Facetten zu analysieren. Sie Bedrohungspotenziale wie Bevölke- will als interdisziplinäre Plattform die rungsdruck, soziale Unruhen, Sicher- internationale Zusammenarbeit auf heitsrisiken und die Beeinträchtigung diesem Gebiet fördern und anstoßen. von wirtschaftlichen Entwicklungs- Schwerpunkte der künftigen Arbeit chancen stehen im Vordergrund. sind Obwohl Migration ein Megathema — die Wahrnehmung von Politik und der Zukunft ist, werden die Probleme Öffentlichkeit zu schärfen, der modernen Völkerwanderungen — die Wissensbasis zu verbreitern, in Politik und Öffentlichkeit bislang allenfalls punktuell aufgegriffen. — ein neutrales und offenes Dialog- Die Erforschung des Phänomens hat forum zu bieten und im Vergleich mit anderen globalen — praktische Unterstützung zu Herausforderungen großen Aufhol- gewähren. bedarf. Der steigende Katastrophen- trend zum Ende des letzten Jahr- Im Sinne unseres Stiftungsmottos hunderts hat in den 90er Jahren die „Vom Wissen zum Handeln” Internationale Dekade zur Redu- schafft die Alliance on Migration die zierung von Naturkatastrophen nötigen Grundlagen, um die Lebens- (UN-IDNDR) auf den Plan gerufen; bedingungen der Menschen in den heute agieren die Internationale migrationsgefährdeten Ländern zu Strategie zur Katastrophenvorsorge verbessern. Wenn wir rechtzeitig (UN-ISDR) und die Politik entsprechend handeln, können wir die Widerstands- des „Hyogo Framework for Action“. fähigkeit der Betroffenen stärken und Der Weltklimarat IPCC erforscht Risiken der Zukunft minimieren. seit 1990 die Auswirkungen des sich immer deutlicher abzeichnenden Klimawandels. Er spricht Empfeh- lungen im Konsens aus, die längst höchste politische Entscheidungen beeinflussen. Die Alliance on Migration Mehr Informationen stellte sich im Oktober zum Thema: 2008 auf einer inter- nationalen Konferenz in Environment, Bonn (EFMSV 2008) Forced Migration & Social der Fachwelt vor. Das Bild Vulnerability zeigt die Initiatoren. www.efmsv2008.org Münchener Rück Stiftung Report 2008
Vernetzen Im Streben nach wirtschaftlichem das von der Deutschen Gesellschaft 18 Anschluss setzen Entwicklungs- und für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Schwellenländer zunehmend auf zusammen mit der Münchener Rück fossile Brennstoffe. Müssen sie wie Stiftung aufgebaute Hochwasserwarn- die Industrieländer ihre Treibhaus- system am Fluss Búzi in Mosambik. gasemissionen drastisch reduzieren? Ähnlich gravierend ist die Situation Wie sieht eine ethisch verantwortliche in Benin, wo etwa 70 % der Menschen Klimapolitik aus? Antworten auf diese auf dem Land leben. Mit dem Fragen diskutierte die Stiftung mit Klimawandel verschieben sich die Partnern und Experten auf Fachta- Jahreszeiten, es regnet weniger oder gungen im Rahmen des Projekts heftiger. Weil Reservoirs fehlen, sinken „Klimawandel und Gerechtigkeit“. die Länder noch tiefer in die Armut. Klimawandel und Der Zielkonflikt zwischen Klimaschutz Konflikte zwischen den Bevölkerungs- Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum ist zum zentralen Problem bei internationalen gruppen um gute Böden und Wasser nehmen zu, der Migrationsdruck auf Appell für einen Klimaabkommen geworden. Global die Städte wächst. Global Deal müssen die Menschen nach Experten- meinung den CO2-Ausstoß bis 2050 Ungeachtet des Klimawandels pochen Entwicklungs- und Schwellenländer drastisch reduzieren – von rund 5 auf auf ihr Recht zur wirtschaftlichen 2 Tonnen pro Kopf im Durchschnitt –, Entwicklung, zumal sie bislang nur in um den weiteren Temperaturanstieg geringem Ausmaß klimaschädliche der Atmosphäre auf maximal 2 Grad Gase ausgestoßen haben. Drei Viertel zu begrenzen. Denn: „Ungebremster der energiebedingten Emissionen Klimawandel ist gefährlich“, warnt von Treibhausgasen zwischen 1850 Prof. Ottmar Edenhofer, Chefökonom und 2004 stammen aus den Industrie- des Potsdam-Instituts für Klimafol- ländern, der Rest geht auf das Konto genforschung (PIK). Sobald eine von Entwicklungsländern. Die Folge: bestimmte mittlere Erdtemperatur Aufgrund der gleichsam umgekehrten überschritten sei, könnten wichtige Verteilung der Lasten des Klimawan- Prozesse im Klimasystem kippen und dels entsteht ein globales Gerechtig- von da an unwiederbringlich anders keitsproblem. ablaufen. Klimawandel nur Der Klimawandel trifft Entwicklungs- gemeinsam zu meistern und Schwellenländer härter als Industrienationen. Dieser Tatsache ist Prof. Johannes Wallacher vom sich auch Moises Benessene bewusst. Institut für Gesellschaftspolitik an Der Direktor des nationalen Wetter- der Hochschule für Philosophie in dienstes von Mosambik zeichnet ein München versteht den Klimawandel düsteres Bild seines Landes. „Die als ein globales, interdependentes Folgen von Wetterkatastrophen sind Umweltproblem, dem kein Land verheerend für arme Länder“, klagte alleine gewachsen ist. „Ein Ausweg er auf Veranstaltungen zum Thema kann darin bestehen, auf kurzfristige „Klimawandel und Gerechtigkeit“, Eigeninteressen zugunsten lang- die im Mai und Juni 2008 in München fristiger Gemeinwohlinteressen Prof. Ottmar Edenhofer, und Tutzing stattfanden. Langfristig zu verzichten“, forderte Wallacher. der Chefökonom des seien Stabilität und wirtschaftliche PIK-Chefökonom Edenhofer vertritt Potsdam-Instituts für Entwicklung bedroht. Linderung böten eine ähnliche Ansicht. „Der Klima- Klimafolgenforschung, nationale und regionale Katastrophen- wandel ist das wichtigste Kollektiv- warnt vor unkontrollier- baren Klimaprozessen vorsorgeprojekte, wie beispielsweise gutproblem, das die Menschheit je und entwickelt einen erlebt hat.“ Man könne nicht darauf gerechten Energiefahr- bauen, dass sich die Schwierigkeiten plan – den Global Deal – schon lösen, wenn jeder ein wenig für das 21. Jahrhundert. dazu beiträgt. „Das wird nicht funktio- nieren“, warnte er. Doch welche Wege aus dem Dilemma sind denkbar? Edenhofer plädiert für ein weltweit gültiges Abkommen, einen „Global Deal“. Das Konzept sieht vor, dass die Weltgemeinschaft anhand eines genau vorgegebenen Energiefahrplans ihre CO2-Emissionen erheblich drosselt und zunehmend in regenerative Energien investiert. Damit das funktioniert, müssten CO2-Emissionen einen echten Markt- preis bekommen.
19 Die Industrieländer hätten dann die Autofahren: Nachholbedarf in China Möglichkeit, den Entwicklungslän- Die heutige Pkw-Dichte in China entspricht dem Wert in dern Emissionsrechte abzukaufen. Deutschland nach dem 2. Weltkrieg vor 60 Jahren. Die Mittel, die diesen Ländern daraus Mittlerweile besitzt im Durchschnitt mindestens jeder zufließen, könnten sie in Infrastruk- zweite Deutsche ein Auto. Wenn China aufholt, führt das zu weiteren Umweltbelastungen. turmaßnahmen in den Bereichen Energie, Bildung oder Gesundheit investieren. Anzahl PKW je 1 000 Einwohner 600 Ursache und Wirkung begreifen Die Umsetzung dieses bestechenden 500 Plans dürfte allerdings schwierig werden. Denn in vielen Entwick- lungsländern sind die Bedrohungen 400 PKW-Dichte China im Jahr 2020 des Klimawandels noch nicht in den in Deutschland Köpfen der Menschen angekommen. 300 China im Jahr 2004 Sie werden von anderen Problemen, etwa Hunger, Armut oder der Krimi- nalität, in den Hintergrund gedrängt. 200 „Das arktische Eis mag schmelzen, Zentralamerika ist aber räumlich weit 100 davon entfernt“, bringt es Juan Carlos Villagran vom Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der 2000 1950 1960 1980 1990 1970 UN-Universität in Bonn auf den Punkt. „Viele Wetterkatastrophen werden Quelle: Europäische Kommission 2004 nach wie vor als unvermeidbar oder sogar als Bestrafung Gottes gesehen. Dabei wäre es wichtig, dass die Menschen beispielsweise in den Bausteine eines Global Deals Tropen erkennen, welchen Beitrag sie Die internationale Klimapolitik im 21. Jahrhundert etwa durch die Abholzung von Regen- muss wesentliche Kernelemente berücksichtigen, wenn sie global fair und nachhaltig sein soll. wäldern zu mancher Wetterkatastrophe leisten“, erklärte er in Tutzing. Zudem setzen viele aufstrebende Nationen wie China oder Indien alles Kioto-Folgevertrag ab 2012 daran, den westlichen Lebensstil zu imitieren. Das fängt beim Auto- fahren an und endet bei allgemeinen Technolgietransfer Konsumgütern. Diese Länder werden Globaler Kohlen- Vermeidung von nur schwer davon zu überzeugen Entwicklung stoffmarkt Entwaldung sein, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren Anpassung und gleichzeitig in umweltfreundliche Energien zu investieren. Experten fordern deshalb, neben den Verhand- lungen auf Regierungsebene die Nichtregierungsorganisationen Wirksamkeit, Effizienz, Gleichheit so weit wie möglich in die Debatte zu integrieren. Nur so könne man es schaffen, dass der Global Quelle: PIK 2008 Deal nicht durch Machtinteressen und Korruptionsschlupflöcher unter- miniert wird. Fazit: Jeder, ob arm oder reich, Mehr Informationen zum Thema: muss zum Klimaschutz beitragen. Neben dem Verursacherprinzip Klimawandel dürfen wir aber das Prinzip der und Gerechtigkeit Leistungsfähigkeit nicht außer Acht www.klima-und- gerechtigkeit.de lassen; jeder muss so viel leisten, wie er kann. Und wir müssen rasch handeln. Denn nur wenn Nutzen und Pflichten gerecht verteilt sind, besteht die realistische Chance auf eine gemeinsame Zukunft für alle Gesell- schaften, Länder und Kulturen. Münchener Rück Stiftung Report 2008
Handel an der Interna- tional Petroleum Exchange in London: Die Angst vor einer Ölknappheit jagte die Preise 2008 auf neue Rekordhöhen.
Sie können auch lesen