Johanniter die - Hoffnung Corona-Impfung? - Die Johanniter
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dieJohanniter Das Magazin der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich Hoffnung Corona-Impfung? Recht auf Leben – Recht zu sterben Wien/NÖ 1. 2021 Jahresbericht 2020 Einsatzleiter der ersten Stunde
Wo die Johanniter tätig sind Editorial Johanniter-Unfall-Hilfe, Bereich Wien 1210 Wien, Ignaz-Köck-Straße 22 T 01 470 70 30 wien@johanniter.at Spenden: Erste Bank IBAN: AT60 2011 1000 0494 0555 BIC: GIBAATWWXXX Johanniter-Unfall-Hilfe, Bereich Tirol 6020 Innsbruck, Josef-Wilberger-Straße 48 T 0512 24 11 tirol@johanniter.at Spenden: Hypo Tirol Bank AG IBAN: AT92 5700 0002 3003 8131 Sehr geehrte Damen und Herren, BIC: HYPTAT22 liebe Johanniter! Johanniter-Unfall-Hilfe, Bereich Kärnten 9564 Patergassen, Wiedweg 39 Die Corona-Pandemie begleitet uns nun bereits ein T 04275 634 Jahr und sie scheint mittlerweile tiefe Schlagschatten kaernten@johanniter.at zu werfen. Die Gesellschaft ist gespalten: den einen Spenden: Raiffeisenbank Nockberge gehen die Schutzmaßnahmen nicht weit genug, IBAN: AT74 3945 7000 0200 2152 den anderen ist jede Einschränkung ihrer Freiheit BIC: RZKTAT2K457 zu viel. Auf der einen Seite sind jene, die durch die Krise in ihrer Arbeit extrem belastet sind. Auf Johanniter-Unfall-Hilfe, Bereich Niederösterreich der anderen Seite sind jene, die ihre Jobs verloren 2403 Orth an der Donau, Kirchenplatz 1 haben und kaum noch eine Perspektive sehen. Da T 02212 30003 sind die „Alten“, die wir schützen wollen, und die orth@johanniter.at „Jungen“, die um die Qualität ihrer Ausbildung und Spenden: Raiffeisenkasse Orth/Donau den Einstieg in den Arbeitsmarkt fürchten müssen. IBAN: AT13 3261 4000 0002 3648 BIC: RLNWATWWODO Das Leben in der Corona-Krise hat seine Spuren hin- Mobiles Palliativteam terlassen. Ängste und Sorgen, Schlafstörungen und 3340 Waidhofen/Ybbs, Eberhardplatz 6 Stress wurden für viele zum alltäglichen Begleiter. T 07442 90909 Und mittlerweile werden auch die psychosozialen waidhofen@johanniter.at Auswirkungen von Einsamkeit und Depression bis Spenden: Erste Bank zu Burnout oder psychotischen Schüben immer IBAN: AT60 2011 1000 0494 0555 deutlicher. BIC: GIBAATWWXXX Doch wir haben in der Krise auch viele positive Erfahrungen gemacht. Die Spendenbereitschaft für Spenden an die Johanniter sind von Armut betroffene Menschen hat zugenommen. steuerlich absetzbar! Nachbarn haben mehr aufeinander geachtet. Junge Menschen haben in ihrem Grätzl Einkaufsdienste für Risikogruppen ins Leben gerufen. Ehemalige Zivildiener haben sich freiwillig zum außeror- Mitgliederservice dentlichen Zivildienst gemeldet und zahlreiche foerderer.wien@johanniter.at Ehrenamtliche haben sich in den Hilfsorganisationen foerderer.tirol@johanniter.at mehr denn je engagiert! foerderer.kaernten@johanniter.at Leserbriefe: Das alles stimmt mich zuversichtlich. Mit dieser redaktion@johanniter.at positiven, beherzten und leidenschaftlichen Haltung werden wir auch die kommenden Herausforderungen meistern! Weitere Informationen finden Sie unter DI Johannes Bucher www.johanniter.at Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich 2 die Johanniter 1. 2021
Inhalt } Das Jahr der Pandemie Sonderbeilage Jahresbericht Rubriken 4 Kurz & Bündig 5 } Freiheit, Verantwortung und Impfungen in Zeiten von Corona 16 Erste Hilfe Auf ein Wort 18 Kärnten 6 } Hoffnung Corona-Impfung? 20 Tirol Themenschwerpunkt 23 Niederösterreich 24 Wien 10 } Recht auf Leben – Recht zu sterben Kommentar 12 } Palliative Care für Menschen mit Beeinträchtigung Gesundheit 14 } COVID-Zwischenbilanz Serie Gesundheitswesen 15 } Wie übt man die Evakuierung von Kreuzfahrtschiffen? Johanniter Forschung 6 Jahresbericht 2020 24 Impressum Das Magazin „die Johanniter“ informiert Fördermitglieder der Johanniter-Unfall-Hilfe, Entscheidungsträger und andere Interessenten über Aktivitäten der Johanniter sowie über Neuigkeiten, Ereignisse und Hintergründe im christlichen, humanitären, sozial- und gesundheitspolitischen sowie medizinischen Bereich. Herausgegeben von Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich, Ignaz-Köck-Straße 22, 1210 Wien Bundesgeschäftsführung Dr. Robert Brandstetter Geschäftsführung Tirol Franz Bittersam, MA Geschäftsführung Wien Robert Heindl Geschäftsführung Kärnten Christiane Rusterholz Präsidium (Vorstand) Präsident: DI Johannes Bucher, Vize präsident & Bundesarzt: Prim. Dr. Christian Emich, Bundesfinanzreferent & Schriftführer: Dr. iur. Heinrich Weninger, Bundespfarrer: O. Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Ulrich Körtner, Schriftführer Stv.: Mag. Dr. Bernhard Kadlec, Bereichsbeauftragte: Anneliese Gottwald, Dr. Harald Gassler, Erich Pechlaner, DI Hansgeorg Schuster Chefredaktion Mag. a Belinda Schneider, redaktion@johanniter.at, Redaktion Brigitta Hochfilzer, Franziska Hobitsch, Mag. a Belinda Schneider Erscheinungsweise mindestens 3x jährlich Auflage 37.000 Stk. Anzeigenverkauf Mag. a Belinda Schneider, T +43 1 4707030-5713 Art Direction Mag. a Julia Kadlec Lektorat Rudolf Niebler Fotos falls nicht angegeben Johanniter Titelbild Rodrigo Olivares-Alba Hergestellt von Riedeldruck Mistelbach Verlags- & Herstellungsort Wien; ZVR-Nr. 269856203 Namentlich gekennzeichnete Artikel und Kommentare geben die Meinung des Autors wieder und müssen nicht der Auffassung des Medieninhabers oder der Redaktion entsprechen. Die Johanniter übernehmen keine Haftung für unverlangte Einsendungen aller Art. die Johanniter 1. 2021 3
Kurz & Bündig Ilyas kam im Rettungs- wagen zur Welt Am 9. Februar wurde das Einsatzteam der Johanniter zu einer bevorstehenden Geburt gerufen. Zunächst wirkte es wie ein Routineeinsatz, doch schon während der Fahrt ins Landesklinikum Korneuburg gab es auf der Höhe des Kagranerplatzes in Wien-Donaustadt eine Überraschung für Mutter Zuhal und das Johanniter- Team. Um 7:20 erblickte Ilyas nämlich im Rettungswagen das Licht der Welt. „Es ist alles gut gegangen und ich wurde Johanniter unterstützten bei bestens von den Rettungskräften ver- sorgt!“ erzählt Mutter Zuhal. Massentests Der Vater des Kindes und die Geschwister In Österreich fanden ab Mitte Dezember großflächige COVID-Massen- Ela (8) und Yasin (4) waren sehr erleich- tests statt. Auch die Johanniter unterstützten bei der Abwicklung und tert, dass der kleine Bruder gesund und Durchführung der Tests. munter zur Welt kam, er ist 53 cm groß und wiegt 3,56 kg. Die freiwilligen und kostenlosen Anti- und Sanitäterinnen, waren an der Ab- Für die Rettungssanitäter Fabian Watzl, gen-Schnelltests wurden in Zusam- wicklung beteiligt. Marvin Abass und Rettungssanitäterin menarbeit der Hilfsorganisationen mit in Ausbildung Anna Helena Grahsl war dem Bundesheer durchgeführt. Ins- Die Johanniter Kärnten waren mit 34 es der schönste Einsatz ihrer bisherigen gesamt waren über 417 Mitarbeitende Mitarbeitenden bei den Massentests in Laufbahn: „Eine Geburt im Rettungswa- der Johanniter bei den Massentestun- Klagenfurt vertreten. Ergänzend teste- gen ist etwas ganz Besonderes, auch für gen tätig. ten die Mitarbeitenden der Rettungs- uns“, so die drei unisono. station Patergassen in den angrenzen- 307 Mitarbeitende halfen bei den Tes- den Gemeinden. tungen in der Messe Wien mit. Ergän- zend zu den Massentests wurden in den Auch in Orth an der Donau waren im Bezirken auch mehrere „Schnupfen- Dezember und im Jänner 11 Mitarbei- boxen“ eingerichtet, wo die Johanniter tende der Rettungsstation in die Testun- nach wie vor Abstriche abnehmen. gen eingebunden. Mit den Teststationen in der Messehal- Ziel der Massentestungen war es, in- le sowie in der Olympiahalle Innsbruck fizierte Personen zu entdecken und zu übernahmen die Johanniter Tirol etwa isolieren, um das Infektionsgeschehen ein Drittel aller Testungen. 65 Mitarbei- nachhaltig einzudämmen. Österreich- tende, darunter diplomiertes Pflegeper- weit nahmen über zwei Millionen Per- sonal, Pflegeassistenzkräfte, Sanitäter sonen an den Massentests teil. Wir sind geimpft! Nicht nur unsere Senioren und Seniorinnen der Johanniter Residenz, wie unsere Bewohnerin am Titelblatt, wurden bereits geimpft. Auch 72 Prozent der Johanniter-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits immunisiert – aus Rücksicht auf unsere Patienten und Patientinnen! 4 die Johanniter 1. 2021
Auf ein Wort Freiheit, Verantwortung und Impfungen in Zeiten von Corona } O. Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Ulrich Körtner, Johanniter-Bundespfarrer Das Christentum ist Religion der Freiheit. „Zur Frei- weiterhin funktionsfähig bleibt, dafür tragen wir alle ge- heit hat uns Christus gefreit!“, schreibt der Apostel meinsam Verantwortung. Paulus (Galater 5,1). Freiheit im biblischen Sinne heißt aber nicht tun und lassen, was man will. Sie ist immer Auch bei Angehörigen von Gesundheitsberufen soll- rückgebunden an die Nächstenliebe und die Fürsor- te man zum derzeitigen Zeitpunkt mit der Forderung ge für den Anderen. Das meint Martin Luther, wenn nach einer Impfpflicht zurückhaltend sein. Weil es aber er schreibt, ein Christenmensch sei ein freier Herr und gerade jetzt in der äußerst angespannten Lage in den niemandem untertan, zugleich aber ein dienstbarer Spitälern und Pflegeeinrichtungen auf jede und jeden Knecht und jedermann untertan. Untertan sein: Das von ihnen ankommt, sehe ich diese Personen ganz be- klingt nach autoritärer Gesinnung. Luther geht es frei- sonders gefordert, nicht nur für ihre eigene Gesundheit lich nicht um Untertanengeist, sondern um Verantwor- Sorge zu tragen, sondern auch für die ihrer Patientin- tungsbewusstsein. nen und Patienten sowie der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. So gesehen ist seine Doppelthese hochaktuell: Nicht Untertanengeist, sondern Verantwortungsbewusstsein Eingriffe in die persönliche Freiheit und Grundrechte zeigen Menschen, die Hygienevorschriften und sons- müssen gut begründet sein. Grundsätzlich ist fest- tige Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pan- zuhalten: Auch jetzt leben wir noch immer in einem demie befolgen. Wer Verschwörungstheorien verbreitet Rechtsstaat, nicht in einem Polizeistaat. Rechtswidrige oder gegen den vermeintlichen „Corona-Wahnsinn“ der Verordnungen werden von den Gerichten aufgehoben. Regierung polemisiert, handelt verantwortungslos. Ver- Eine freiheitliche Gesellschaft kann sich aber nicht al- antwortungslosigkeit ist kein Zeichen von Glaubens- lein auf gesetzliche Vorschriften, auf staatliche Kontrol- stärke, sondern von Egoismus. len und Sanktionen stützen. Sie Christlicher Glaube weiß sich Eingriffe in die persönliche ist in starkem Maße auf das Ver- dem Gemeinwohl verpflichtet. antwortungsbewusstsein aller Freiheit und Grundrechte angewiesen. Ein konkretes Beispiel für Eigen- verantwortung und Verantwor- müssen gut begründet sein. Solange es Impfstoffe noch tung anderen gegenüber ist es, nicht in ausreichender Menge sich impfen zu lassen. Die Bereitschaft dazu ist in Ös- gibt, sind Priorisierungen nötig. Die Höhe des Krank- terreich nicht allzu hoch ausgeprägt. Jedoch ist schon heitsrisikos ist ein entscheidendes Kriterium und eine jetzt klar, dass wir die Corona-Pandemie ohne flächen- Frage der Gerechtigkeit. Dass Inhaftierte in Gefäng- deckende Impfungen nicht besiegen werden, sondern nissen, Asylsuchende oder Obdachlose in beengten weiter von einem Lockdown in den nächsten geraten. Gemeinschaftsunterkünften, wie sie auch die Johan- niter in Wien betreiben, vor Lehrenden oder Polizistin- Die jetzt zugelassenen Impfstoffe schützen diejeni- nen und Polizisten geimpft werden, hat hier und da für gen, die geimpft sind, vor dem Virus und schwerem Irritationen gesorgt. Wenn aber die Verletzlichkeit die Krankheitsverlauf. Solange nicht sicher ist, dass Ge- Basis für die Priorisierung ist, ist die Vorreihung die- impfte auch keine anderen Menschen mehr anstecken ser Menschen absolut nachvollziehbar. Sie sind einem können, lässt sich zwar keine allgemeine Impfpflicht hohen Risiko ausgesetzt und in ihrer Bewegungsfrei- rechtfertigen. Nach meiner Überzeugung besteht aber heit – Straffällige beispielsweise durch ihre Inhaftie- eine moralische Verpflichtung, sich impfen zu lassen, rung – stark eingeschränkt. Eine Gesellschaft, die das um COVID-Stationen und Intensivstationen und damit nicht erkennt, wäre inhuman. das Gesundheitswesen zu entlasten. Dass dieses auch die Johanniter 1. 2021 5
Foto: Rodrigo Olivares-Alba Hoffnung Corona-Impfung? Die Corona-Impfung ist weltweit ein großer Hoffnungsschimmer im Wettrennen mit dem SARS-COV-2-Virus. Gleichzeitig herrscht eine gewisse Impfskepsis. Die Johanniter sprachen mit dem Immunologen Dr. Wilfried Ellmeier von der Med-Uni Wien über den aktuellen Stand der Forschung. Die Menschen sind der Corona- Messenger-RNA-Impfstoffe von nen kürzester Zeit entwickelt und Pandemie müde geworden und Biontech-Pfizer und Moderna und produziert worden. Dass das bei wünschen sich ein „normales“ die Vektorimpfstoffe von Astra-Ze- Impfstoffen erstmals angewand- Leben ohne Schutzmaßnahmen neca und Johnson & Johnson. Die- te Verfahren der Messenger-RNA zurück. Zugleich besteht ein ge- se sind bereits in geringen Mengen (mRNA) funktioniert hat, ist nicht wisses Misstrauen gegenüber den nach Österreich geliefert und ver- selbstverständlich. Zwar stecken Impfstoffen. Zwar ist die Impfbereit- impft worden. Entsprechend der bereits viele Jahre Forschung in schaft in Österreich einer Umfrage Priorisierung wurden vorrangig der mRNA-Technologie, allerdings vom Vienna Center for Electoral Menschen in Senioren- und Pfle- stand sie bisher eher im Fokus der Research (VieCER) zufolge auf geheimen sowie medizinisches Krebstherapie. Das Know-How 47% im Jänner 2021 leicht ange- Personal und Pflegekräfte geimpft. rund um die Funktionsweise der stiegen, doch von einem Aufwärts- Aktuell gibt es Lieferengpässe, mRNA ist vor allem der jahrzehn- trend kann noch nicht gesprochen weshalb die Impfstrategie der Re- telangen Grundlagenforschung der werden. 35% der Befragten (1.500 gierung nicht so recht in die Gänge ungarischen Biochemikerin Kata- Personen) zeigen gegenüber der kommt. lin Karikó zu verdanken und jenen Impfung nach wie vor eine deutli- Startups, die an ihre bahnbrechen- che Ablehnung. Dabei könnte die Entwicklung de Technologie glaubten. Dazu der Corona-Impfstoffe als Er- zählen die heute in aller Welt be- In Europa sind bislang vier Impf- folgsgeschichte gefeiert werden. kannten Unternehmen, wie Bion- stoffe zugelassen, dazu zählen die Sind doch einige Impfstoffe bin- tech oder Moderna, die die ersten 6 die Johanniter 1. 2021
Themenschwerpunkt } Das bedeutet, dass die Impfstoffe eine hohe Wirksamkeit haben. Foto: MedUni Wien/Matern Corona-Impfstoffe in Europa und COVID-19-Verläufe gegeben. Das den USA auf den Markt brachten. bedeutet, dass die Impfstoffe eine hohe Wirksamkeit haben. Daher Doch die rasche Entwicklung der wurden die Impfstoffe zugelassen. Impfstoffe und vor allem das neu- artige Verfahren stoßen in der brei- Ob man nach einer Impfung trotz- ten Öffentlichkeit auch auf Miss- dem eine Infektion bekommen kann } Univ. Prof. Mag. Dr. Wilfried Ellmeier trauen. Impfgegner und politische oder ob nur die Erkrankung verhin- Medizinische Universität Wien Akteure nutzen die Unsicherheit dert bzw. abgeschwächt durchlebt gleichermaßen, um gegen die Co- wird, weiß man noch nicht genau. rona-Maßnahmen insgesamt zu Auch kann man noch nicht sagen, sind. Hier kann man sicher Ergeb- mobilisieren und über Social-Me- ob eine geimpfte Person, die sich nisse in den nächsten Wochen dia-Plattformen Ängste gegen- infiziert hat, ansteckend – also in- und Monaten erwarten. Dann kann über den Impfstoffen zu schüren. fektiös – ist und das Virus weiter- man abschätzen, ob noch neutrali- Zudem wurde die Schutzwirkung geben kann. Es gibt erste Hinwei- sierende Antikörper und in welcher angesichts neuartiger Mutationen se, dass das der Fall sein könnte. Menge diese vorhanden sind, und in Frage gestellt. Das sind natürlich alles wichtige ob noch T-Zellimmunität1 vorhan- Fragen, die gerade weltweit unter- den ist. Die Johanniter sprachen mit dem sucht werden. Immunologen Dr. Wilfried Ellmeier Es gibt aber schon Studien, die vom Institut für Immunologie an Grundsätzlich würde man vermu- zeigen, dass 6 bis 8 Monate nach der Medizinischen Universität Wien ten, dass geimpfte Personen, die einer erfolgten natürlichen SARS- über die Gefahr der neuen Mutatio- einen Antikörperschutz aufgebaut COV-2-Infektion noch immer Im- nen, die Wirksamkeit der Impfstoffe haben und auch eine T-Zellimmu- munität vorhanden ist. Sowohl in und die Bedenken gegenüber den nität haben, weniger infektiös sind. Bezug auf neutralisierende Anti- neuen mRNA-Impfstoffen. körper also auch auf T-Zellen. Auch Durch eine Impfung versucht man, hier kann man in den nächsten Wo- Kann man schon näheres dazu sa- das Immunsystem so zu trainieren, chen und Monaten Ergebnisse von gen, ob man nach einer Impfung dass es Antikörper gegen virale Studien erwarten, die einen Zeit- noch ansteckend ist? Bestandteile produziert und die B- raum länger als 8 Monate unter- Die ersten klinischen Studien wur- und T-Gedächtniszellen schon vor- suchen, da die ersten Infektionen den so angelegt, um feststellen zu her bildet und daher ganz rasch re- in China Ende 2019/Anfang 2020 können, ob der Impfstoff vor einer agieren kann, wenn man mit einem aufgetreten sind und in Europa im COVID-19-Erkrankung schützt. Virus in Kontakt kommt. Februar/März 2020. Man hat untersucht, welche von den geimpften Probanden – aus Gibt es schon Details oder Prog- Wie sind die aktuellen Muta- der Gruppe der Geimpften und aus nosen dazu, wie lange der Impf- tionen einzuschätzen? Weiß man der Placebo-Gruppe – Symptome schutz voraussichtlich wirkt? schon, ob die Impfung hilft? Wie entwickelt und nachgewiesen eine Das lässt sich leider noch nicht oft wird man die Impfung voraus- Infektion hatten. Durch die Daten genau sagen. Es werden gerade sichtlich auffrischen müssen? konnte eindeutig gezeigt werden, Studien durchgeführt, in denen Es gibt Daten, dass die jetzt schon dass je nach Impfstoff die Wahr- man die Immunantwort von Perso- zugelassen Impfstoffe auch gegen scheinlichkeit einer Erkrankung um nen über einen längeren Zeitraum die englische Mutationsvariante bis zu 95 Prozent reduziert wurde. untersucht, die in den ersten klini- schützen. Bei den anderen Va- In der Gruppe an Probanden, die schen Phase-III-Studien geimpft rianten, der südafrikanischen und trotz Impfung an COVID-19 er- worden sind oder ab Anfang De- der brasilianischen Variante, wei- krankten, hatte es keine schweren zember weltweit geimpft worden sen Untersuchungen im Labor 1 Die B-Zellen produzieren Antikörper, die bei einer Infektion das Virus neutralisieren und daher verhindern, dass die Viren weiter in Zellen eindringen (z.B. in Epithelzellen der Atemwege) und sich vermehren können. Zusätzlich unterstützen die Helfer-T-Zellen die B-Zellen, damit diese Antikörper effizient produzieren können. Die Zytotoxischen-T-Zellen wirken direkt und können virus-infizierte Zellen abtöten. Nach erfolgter Virusabwehr bilden sich auch B- und T-Gedächtniszellen. die Johanniter 1. 2021 7
zigen Zeitpunkt nicht vorhersagen. Einige COVID-19-Impfstoffherstel- ler haben bekanntgegeben, dass jetzt schon Studien mit Jugend- lichen durchgeführt werden bzw. geplant sind. Foto: iStockphoto/francescoridolfi.com arauf hin, dass möglicherweise d nügend Impfstoffe gibt und da- Können sich Menschen mit chro- die Wirksamkeit der jetzt vorhan- her der verfügbare Impfstoff nach nischen Erkrankungen, Allergien denen Impfstoffe geringer sein den Impfplänen verimpft werden oder mit Autoimmunerkrankun- könnte. Das heißt, dass die gebil- muss. Risikogruppen und medizi- gen impfen lassen? deten Antikörper weniger gut neu- nisches und Pflegepersonal zuerst. Bei den bisherigen Studien wur- tralisierend sind, aber trotzdem Die verschiedenen Impfstoffe sind den Probanden mit gewissen Er- noch immer ein gewisser Schutz auch nicht zur gleichen Zeit ver- krankungen zum Teil inkludiert, nach einer Impfung vorhanden fügbar und es hängt auch davon aber die Datenlage ist nicht für alle sein könnte und die Impfung da- ab, welcher Impfstoff für welche häufigen Erkrankungen gleich gut her vor schweren Erkrankungen Altersgruppe zugelassen worden und für viele Erkrankungen gibt es schützen könnte. Das kann auch ist. Und auch die Logistik der Imp- überhaupt noch keine Befunde. von Mensch zu Mensch etwas fung und die Aufbewahrung ist für Bei häufig vorkommenden Aller- verschieden sein. die verschiedenen Impfstoffe unter- gien, wie gegen Pollen oder Haus- schiedlich. staub, kann man aber feststellen, Hier müssen aber die Ergebnisse dass es eigentlich keine Gründe weiterer Studien abgewartet wer- Alle Impfempfehlungen und Impf- gibt, sich nicht impfen zu lassen. den, um die Frage seriös beant- pläne werden vom nationalen Impf- Wer andere Allergien hat oder wer worten zu können. Auch muss wei- gremium in Zusammenarbeit mit bereits eine allergische Reaktion ter beobachtet werden, ob neue dem Gesundheitsministerium aus- nach einer Impfung gezeigt hat, Virusvarianten auftreten und ob gearbeitet. sollte das aber vorab, wie bei allen hier ein Schutz vorhanden ist. anderen vorhandenen Erkrankun- Ist eine Impfung für Kinder zu er- gen, mit dem behandelnden Arzt Der Vorteil der neuartigen Impf- warten? bzw. der behandelnden Ärztin ab- stoffe ist aber, dass man relativ Die durchgeführten klinischen Stu- sprechen. rasch einen auf neue Varianten an- dien fokussieren sich auf die Alters- gepassten Impfstoff produzieren gruppen, die häufig an COVID-19 Was gilt für Menschen, die eine könnte. Die Frage, ob und wie oft erkranken und auch eine hohe Chemotherapie machen oder Im- man die Impfung auffrischen muss Sterblichkeit haben, oder in den munsuppressiva nehmen? – möglicherweise mit einem ange- medizinischen Berufen und Be- Hier gibt es keine Erfahrungswer- passten Impfstoff – kann man zum treuungseinrichtungen arbeiten. te, da diese Gruppe nicht in den jetzigen Zeitpunkt nicht beantwor- Das heißt, sie betreffen vor allem bisherigen Corona-Impfstudien ten. Und man kann auch jetzt noch die Erwachsenen und Personen eingeschlossen war. Bei einer Im- nicht beantworten, ob ähnlich wie im hohen Alter. Zusätzlich werden munsuppression wird das Immun- bei einer Grippeimpfung der Coro- Impfstudien immer zuerst an Er- system geschwächt und unter- na-Impfstoff eventuell jährlich an- wachsenen durchgeführt, um die drückt, daher ist es fraglich, ob gepasst werden muss. Sicherheit des Impfstoffes festzu- das Immunsystem durch die Imp- stellen. Werden viele Erwachsene fung überhaupt aktiviert werden Kann ich zwischen den Impfstof- geimpft und dadurch auch die Aus- kann und ein gewisser Impfschutz fen wählen? Wer entscheidet, breitung des Virus abgeschwächt durch die Impfung entstehen welchen Impfstoff man erhält? oder sogar verhindert, bedeutet kann. Hier gilt wiederum, je mehr Mit Stand Februar 2021 kann man das natürlich, dass auch Kinder Menschen sich impfen lassen und sich nicht aussuchen, welchen geschützt werden. Ob und wann dadurch die Verbreitung des Vi- Impfstoff man haben möchte. Der eine Impfung für Kinder vorhan- rus eingedämmt wird, desto eher Grund ist, dass es noch nicht ge- den sein wird, lässt sich zum jet- werden auch Menschen mit einem 8 die Johanniter 1. 2021
Themenschwerpunkt Welche Impfreaktionen können auftreten? Nach der Impfung kann es zu einer Schwel- lung und Rötung an der Einstichstelle kom- men. Auch eine Immunantwort in Form von Müdigkeit, Fieber sowie Kopf-, Muskel- und unterdrückten oder geschwächten die sogenannte Boten – englisch Gliederschmerzen kann erfolgen. Diese klingen Immunsystem geschützt. „messenger“ – RNA. Diese wird in der Regel nach drei Tagen ab. dann aus dem Zellkern in das Zy- Wie bei jeder Impfung sind allergische Re- Generell ist bei dem Thema Imp- toplasma transportiert, wo durch aktionen möglich. Allergiker und Menschen, fung und Chemotherapie bzw. „eiweißproduzierende Maschinen“, die bereits einmal allergisch auf eine Impfung Impfung bei Personen mit Immun- den sogenannten Ribosomen, auf reagiert haben, aber auch Menschen mit Au- suppression eine genaue Bespre- Grund der mRNA-Vorlage die Ei- toimmunerkrankungen sollten sich mit ihrem chung und Konsultation mit dem weißmoleküle hergestellt werden. betreuenden Arzt oder ihrer Ärztin beraten. behandelnden Arzt oder der be- In allen unseren Zellen befinden handelnden Ärztin sehr wichtig. sich daher mRNA-Moleküle. Die- Was sollte man vor der Impfung berücksichtigen? se Moleküle sind sehr instabil und Man sollte 14 Tage vor und nach der Corona- Sollen sich Menschen mit einer werden rasch abgebaut, daher Impfung keine andere Impfung erhalten, wie vergangenen, diagnostizierten müssen unsere Zellen immer neue zum Beispiel gegen Grippe oder Tetanus. Es COVID-19-Erkrankung impfen mRNA-Moleküle produzieren, um sollte keine akute Erkrankung vorliegen. lassen und in welchem Zeitraum? die Eiweißsynthese aufrechtzu- Sollten sich auch Menschen impfen lassen, Durch eine COVID-19-Infektion erhalten. die nachweislich an COVID erkrankt waren? wird eine Immunität aufgebaut. Wer bereits an COVID erkrankt ist, hat bereits Man kann davon ausgehen, dass Und nun zu den mRNA-Impfstof- eine eigene Immunabwehr entwickelt und auch nach einer durchlaufenen In- fen: diese neuartigen mRNA-Impf- damit besteht ein gewisser Schutz vor einer fektion geimpft werden kann und stoffe liefern die Vorlage für das weiteren Infektion. Daher wird eine Impfung dadurch die Immunität verstärkt Spike-Protein des Corona-Virus. etwa erst 6 Monate nach Genesung empfoh- wird. Bis alle vulnerablen Gruppen Das Spike-Protein ist ein Eiweiß- len. und Personen geimpft werden, die molekül. Nach der Impfung neh- noch keine Infektion hatten, hat men die Zellen die mRNA auf. Werden auch Kinder geimpft? man aber möglicherweise als Per- Damit bekommen die Ribosomen Kinder und Jugendliche bis 16 bzw. 18 Jahre son, die eine COVID-19-Infektion in im Zytoplasma eine mRNA-Vorla- sind von der Corona-Impfung vorerst ausge- den letzten sechs Monaten durch- ge für das Spike-Protein und stel- schlossen. gemacht hat, eine niedrigere Priori- len das Spike-Protein selber her. tät beim Impfen. Das erfolgt aber nur vorüberge- hend, weil die Spike-mRNA rasch Viele Menschen befürchten, dass abgebaut wird und keine neue die neuen mRNA-Impfstoffe ge- Spike-mRNA produziert werden reduziert zumindest den Schwere- netische Veränderungen im Men- kann. Die mRNA im Impfstoff kann grad einer möglichen Erkrankung, schen nach sich ziehen könnten. sich nicht selbst vermehren und weil sich die Viren nicht stark ver- Muss man sich diesbezüglich Sor- auch nicht in die DNA eingebaut mehren können. gen machen? werden. Das bedeutet, dass das Nein, man muss sich hier keine Spike-Protein nur vorübergehend Und man darf auch nicht verges- Sorgen machen. Vielleicht vorab produziert wird. Diese vorüberge- sen, dass bei einer Infektion mit etwas Grundsätzliches. Jedes Ei- hende Produktion reicht aber aus, dem Corona-Virus ebenfalls die weißmolekül – auch Protein ge- dass unser Immunsystem das Spi- RNA des Virus in die Zellen ein- nannt – besteht aus Aminosäuren ke-Protein als fremd erkennt und dringt und virale Proteine erzeugt und die Information über jedes Ei- eine Immunantwort induziert wird. werden. Auch hier werden dann weißmolekül, also die Abfolge der Dadurch entstehen unter anderem durch die Körperzellen das Spike- Aminosäuren, ist in unseren Zellen neutralisierende Antikörper und Protein und andere virale Proteine in den Genen kodiert. Die Informa- die sogenannte T-Zellvermittelnde hergestellt. tion ist im Zellkern in der DNA, die Immunität und das immunologi- die Chromosomen bilden, enthal- sche Gedächtnis wird ausgebildet. ten. Um Eiweißmoleküle herzustel- Bei einer Infektion mit dem Coro- Hinweis der Redaktion: len, wird in unseren Zellen zuerst na-Virus kann dann unser Immun- Das Gespräch fand im Februar 2021 statt eine Abschrift des entsprechen- system sehr schnell reagieren und und entsprach dem damals aktuellem den „dann-Abschnitts" hergestellt, es verhindert eine Infektion oder Stand der veröffentlichten Studien. die Johanniter 1. 2021 9
Foto: iStockphoto/Andrey Popov Recht auf Leben – Recht zu sterben Das Erkenntnis des VfGH zur Sterbehilfe und seine möglichen Folgen } O. Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Ulrich Körtner Die Zeiten, in denen man von der Suizids einschränken, um Miss- Sterbehilfe sind Menschenwürde Verdrängung des Todes in der mo- brauch zu verhindern und Men- und Autonomie. Auch der VfGH dernen Gesellschaft sprach, schei- schen schützen, die sich mit Sui- argumentiert, das Recht umfasse nen vorbei. Es ist nicht zuletzt der zidgedanken tragen, aber sozial nicht nur das Recht auf die per- internationalen Hospizbewegung oder wirtschaftlich unter Druck ge- sönliche Lebensgestaltung, son- zu verdanken, dass Sterben, Tod setzt fühlen, bleibt ihm dafür Zeit dern auch das Recht auf ein men- und Trauer heute wieder als Teil bis Ende dieses Jahres. schenwürdiges Sterben, welches des Lebens begriffen werden. Die das Recht eines Menschen, der öffentliche Diskussion kreist um Die öffentliche Diskussion sollte sich das Leben nehmen will, ein- Begriffe wie ein Sterben in Würde sich freilich nicht auf Probleme des schließt, die Hilfe eines dazu be- oder ein selbstbestimmtes Ster- Strafrechts und der Versorgungs- reiten Dritten anzunehmen. Sofern ben. strukturen im Bereich von Medizin die Entscheidung zum Suizid auf und Pflege verengen, sondern das der freien Selbstbestimmung des Dass das Erkenntnis des Verfas- Thema einer zeitgemäßen Kultur Betroffenen beruhe, sei dies vom sungsgerichtshofs (VfGH), wonach des Sterbens umfassender in den Gesetzgeber zu respektieren. zwar die Tötung auf Verlangen und Blick nehmen. Eine Kernfrage lautet die Verleitung zur Selbsttötung dabei, was Menschen eigentlich un- Das Recht auf Freiheit und Selbst- strafbar bleiben, das ausnahms- ter einem guten Sterben verstehen. bestimmung gehört zum Kern des lose Verbot der Suizidbeihilfe hin- Menschenwürdegedankens und gegen verfassungswidrig ist, hat Schlüsselbegriffe in der Diskus- aus dem Recht auf Leben folgt eine neue Runde in der Debatte sion um die Grenzen der Selbst- keine Pflicht zum Leben. Aller- eingeläutet. Will der Gesetzgeber bestimmung am Lebensende und dings wird in der Diskussion um ein die Möglichkeiten des assistierten die unterschiedlichen Formen von selbstbestimmtes Sterben häufig 10 die Johanniter 1. 2021
Kommentar } Eine Kernfrage lautet dabei, was Menschen eigentlich unter einem guten Sterben verstehen. mit einem sehr verengten Auto- vorzeitigen Tod in Kauf nehmen, nes Lebens überdrüssig ist? Wie nomiebegriff argumentiert, der die könne die Suizidbeihilfe nicht aus- lässt sich verhindern, dass aus vielfältige Abhängigkeit und Hilfs- nahmslos verboten sein. dem Recht auf Inanspruchnahme bedürftigkeit, die zum Menschsein freiwilliger Suizidbeihilfe irgend- grundlegend dazugehört, an sich Wie aber lässt sich sicherstellen, wann eine Beistandspflicht des schon als Beeinträchtigung der dass auch in Zukunft die Beihil- Staates wird? Und wird der Damm eigenen Würde betrachtet. Unein- fe zum Suizid grundsätzlich keine gegen die Tötung auf Verlangen geschränkte Autonomie bis zum ärztliche Aufgabe ist? Wie lässt auch in Zukunft halten? letzten Atemzug – das ist doch sich verhindern, dass Suizidbeihilfe weithin eine Fiktion. Und die abs- zu einer gewerbsmäßigen Tätig- Die Bedenken der Kirchen, der Ärz- trakte Berufung auf das Selbstbe- keit wird? Werden Ausnahmere- tekammer oder auch der Österrei- stimmungsrecht kann im Ergebnis gelungen für Ärzte und Ärztinnen chischen Gesellschaft für Palliativ- ebenso wie das uneingeschränkte kodifiziert, wird aus Grenzfällen medizin sind durchaus berechtigt. Verbot der Suizidbeihilfe unbarm- schnell eine routinisierte Praxis mit Umso mehr ist auf den weiteren herzig sein, dann nämlich, wenn Qualitätskontrolle und Qualifika- Ausbau der Palliativmedizin und Menschen in ihrer besonderen tionskriterien. Und was ist mit dem -pflege zu drängen. Auch der VfGH Verletzlichkeit und Schwäche – Pflegepersonal in Krankenhäusern hat betont, dass der Zugang zu Schwerkranke und Lebensmüde und Pflegeeinrichtungen? Weitere Palliativversorgung für alle gewähr- – auf sich selbst zurückgewor- Fragen stellen sich: Patientenver- leistet werden muss. Die weitere fen werden. Am Ende muss sich fügungen können bereits von Ju- Diskussion über menschenwürdi- nicht derjenige rechtfertigen, der gendlichen ab etwa 14 Jahren er- ges Sterben und eine Kultur der sein Leben beenden will, sondern richtet werden. Sollen Jugendliche Solidarität mit den Sterbenden, derjenige, der von dieser Möglich- nun auch das Recht haben, sich mit ihren Angehörigen und denen, die keit nicht Gebrauch macht. Was Hilfe Dritter das Leben zu nehmen? sie medizinisch und pflegerisch Sterbende dagegen brauchen, ist Und weshalb sollte die Suizidbeihil- versorgen, darf nicht auf gesetzli- unsere Solidarität, nicht die tod- fe überhaupt nur auf schwerkranke che Regelungen der Suizidbeihilfe bringende Spritze. Dass die aktive Patienten und Patientinnen einge- verengt werden. Ein solcher Tun- Sterbehilfe in Österreich weiterhin schränkt werden? Warum darf es nelblick wäre für die Sterbekultur verboten bleibt, ist eine gute Nach- sie nicht auch in dem Fall geben, und Humanität in unserem Land richt. dass jemand lebenssatt oder sei- fatal. Die Stärkung des Selbstbestim- mungsrechts durch das Erkenntnis des VfGH kann in seine Schwä- Verfassungsgerichtshof hebt Verbot zur Beihilfe zum Suizid auf chung umschlagen, sollte es dem Am 11. Dezember 2020 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) § 78 des Strafgesetz- Gesetzgeber nicht gelingen, Maß- buches für verfassungswidrig erklärt und damit die Bestimmung, die die Hilfeleistung nahmen gegen den Missbrauch der zum Selbstmord unter Strafe stellt, aufgehoben. Die Aufhebung der Beihilfe zum Sui- Suizidbeihilfe zu setzen, die nicht zid tritt mit 31. Dezember 2021 in Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, Maßnah- gleich wieder als verfassungswid- men gegen Missbrauch zu treffen. Das ebenfalls beanstandete Verbot der „Tötung auf rig aufgehoben werden. Das dürfte Verlangen“ (§ 77 StGB) wurde hingegen zurückgewiesen und bleibt weiterhin aufrecht. schwierig werden. Der VfGH zieht einen Vergleich zwischen Suizid- Vier Personen, darunter zwei Schwerkranke, brachten die Beschwerde auf Aufhebung beihilfe und Patientenverfügung. der § 77 und § 78 StGB ein. Bislang waren Beihilfe zum Suizid und aktive Sterbehilfe, Wenn es Patienten erlaubt ist, le- wie etwa die Verabreichung eines tödlichen Medikamentes, in Österreich strafbar und bensrettende oder -verlängernde mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren Haft belegt. medizinische Behandlung abzuleh- Der VfGH hielt es für verfassungswidrig, dass jede Art von Hilfe zum Suizid ausnahms- nen, und Ärzten und Ärztinnen, im los verboten sei. Dies widerspräche dem Recht auf Selbstbestimmung, welches das Rahmen palliativmedizinischer In- Recht auf ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Lebensende und auf Inan- dikationen Maßnahmen zu setzen, spruchnahme von Hilfe einschließe. die zwecks Linderung schwerster Schmerzen und Qualen sogar den die Johanniter 1. 2021 11
Foto: iStockphoto/Casarsa Guru Palliative Care für Menschen mit Beeinträchtigung Das mobile Palliativteam begleitet auch Menschen mit schwerer Beeinträchtigung auf ihrem letzten Weg und betritt dabei Neuland. In den letzten Jahren werden sehr wichtig, dass das Personal tung durch nahestehende Men- immer häufiger Anfragen zur der Wohngemeinschaften auch schen, die ihnen in schwierigen Begleitung von Menschen mit begleitet und unterstützt wird. Lebenssituationen beistehen und intellektueller oder komplexer Be- ihnen dabei helfen, selbstständig einträchtigung an die Palliativein- Wie hilft das Palliativteam? Entscheidungen zu treffen. richtungen in Niederösterreich Das Palliativteam unterstützt Men- gestellt. Bei Menschen mit intel- schen und ihre Angehörigen im Auch Menschen mit schwerer Be- lektueller oder komplexer Beein- fortgeschrittenen Stadium einer einträchtigung merken, wenn sich trächtigung sind noch viel mehr chronischen, unheilbaren, lebens- etwas in ihren Körpern verändert Einfühlungsvermögen und spe- bedrohlichen Erkrankung. Ziel ist und spüren die Last der Erkran- zielle Pflegekenntnisse gefragt. es, Schmerzen und Symptome zu kung. Obwohl sich Menschen mit In der Palliative Care geht es be- lindern und die Lebensqualität zu einer schweren Beeinträchtigung sonders darum, die Lebensquali- verbessern. Dabei soll immer das häufig nur eingeschränkt oder gar tät der Patienten und Patientinnen Recht auf Selbstbestimmung und nicht verbal über Wünsche und zu verbessern. Das Team betreut die Würde des Menschen gewahrt Bedürfnisse äußern können, ist ihr sowohl Betroffene als auch deren bleiben. passives Sprachverständnis groß. Angehörige in ihrem gewohnten Umfeld. Das kann zu Hause bei Menschen mit einer intellektuellen Mit der gesteigerten Lebenserwar- ihren Familien sein oder in einer Beeinträchtigung haben dieselben tung treten vermehrt körperliche Wohngruppe, wobei sich die Mit- Bedürfnisse und Wünsche wie Beeinträchtigungen auf. Häufige arbeitenden aus den Wohngrup- Menschen ohne Beeinträchtigung. Schmerzursachen sind unbeque- pen auch als Angehörige fühlen. Dazu gehören Symptomfreiheit, me Haltung, Verspannungen und Deshalb ist es für das Palliativteam Schmerzlinderung und die Beglei- Durchblutungsstörungen. Zahn- 12 die Johanniter 1. 2021
Gesundheit } Palliative Begleitung und Betreuung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ist noch keine Selbstverständlichkeit. und Ohrenschmerzen, Entzün- an? Wie soll ich mit möglichen dungen der Magenschleimhaut Verhaltensäußerungen umgehen? oder Druckgeschwüre sind eben- Gibt es sogenannte Schlüsselwör- falls typische Plagegeister, welche ter, die das Verhalten des Erkrank- aber sehr häufig nicht als solche ten beeinflussen? erkannt werden. Das Problem ist, dass diese Menschen schon sehr In der Kommunikation ist es hilf- früh in ihrem Leben lernen muss- reich, Schmerzskalen zu benut- ten mit Schmerzen umzugehen zen, welche in einfacher Sprache und diese sehr schwer einordnen, abgewandelt ausgedrückt werden } DGKP Regina Seyrlehner darstellen oder artikulieren kön- oder durch Bilder vermittelt wer- nen. den können. Gerade bei Menschen mit einer Palliative Begleitung und Betreu- Fotos: Fotostudio Vollmann schweren intellektuellen Beein- ung von Menschen mit intellek- trächtigung sind Schmerzanzei- tueller Beeinträchtigung ist noch chen häufig durch ihre starre Ge- keine Selbstverständlichkeit. Das sichtsmimik nicht erkennbar. In betreuende Team braucht speziel- dieser Situation muss die betreu- les Fachwissen und Mut, sich auf ende Person sehr genau auf vege- Neues einzulassen. tative und motorisch-emotionale } DSA Sigrid Bruckner Schmerzanzeichen achten, dazu zählen erhöhter Blutdruck und Puls sowie schnelle Atmung, er- weitere Pupillen oder Schweißaus- Was erwartet Angehörige? brüche. Auch ein erhöhter Muskel- tonus, Abwehr oder Flucht können So begegnet das Palliativteam den Klientinnen und Klienten: auf Schmerzen hindeuten. Voraussetzung für eine gelungene Kommunikation und Vertrauensbasis ist der respektvolle Umgang auf persönlicher Ebene. Klientinnen und Klienten Um diese Fülle an Symptomen werden zunächst per Sie angesprochen, die Erlaubnis zum DU muss erst beobachten und verstehen zu eingeholt werden. können und anschließend eine ad- Die Kommunikation sollte möglichst einfach und in leichter Sprache äquate Schmerztherapie beginnen erfolgen, indem einfache und bekannte Wörter verwendet werden. Kurze zu können, benötigt es viel Zeit Sätze und wenige Verneinungen ermöglichen eine klare und verständliche und Einfühlungsvermögen seitens Sprache. der Mitarbeitenden in den Wohn- Ehrlichkeit ist ein wichtiges Gebot. Die Menschen haben das Recht auf un- gruppen als auch seitens des un- eingeschränkte Information, um Entscheidungen treffen zu können. terstützenden Palliativteams. Vor Zeit und Geduld sind wichtige Eckpfeiler, um eine Vertrauensbasis aufzu- allem eine genaue biografische bauen. Erhebung im Vorfeld ist sehr wich- Wenn ein Angehöriger eines Menschen mit Beeinträchtigung verstorben ist, tig, damit sich Betroffene auf die dann ist es wichtig zu erklären, dass diese Person tot ist. Dies kann durch Unterstützung durch ein fremdes optische Zeichen vermittelt werden. Dem Verstorbenen wird Straßenklei- Team einlassen können. Folgende dung angezogen, aber kein Pyjama oder Nachthemd. Es wird über den Toten Fragen können dabei helfen: Wie gesprochen, aber nicht mit ihm. Es wird schonend beigebracht, dass der Tote nähere ich mich dem Erkrankten? nicht wieder kommt. Wie spreche ich den Betroffenen Auch Symbole und Rituale unterstützen in der Trauerarbeit. die Johanniter 1. 2021 13
Serie Gesundheitswesen COVID-Zwischenbilanz Wenn die deutsche Bundeskanz- an die Grenzen unseres Gesund- samen Team die bestmögliche lerin Angela Merkel als studierte heitssystems. Gleichzeitig haben Versorgung der Patientinnen und Physikerin davon spricht, dass sich aber auch neue Chancen Patienten gewährleistet. Von der das Virus eine demokratische und Möglichkeiten aufgetan. So Security, die vor dem Spital den Zumutung ist, dann trifft sie den dürfen Sanitäterinnen und Sani- Zugang kontrolliert bis zur öf- Nagel auf den Kopf. Gemeinsam täter im Rahmen von Corona-Tes- fentlichen Apotheke, die mittels ist es bislang vielen im Gesund- tungen Abstriche nehmen. Erst Schnelltest körpernahe Dienst- heitswesen Beteiligten gelungen seit kurzem dürfen diplomierte leistungen ermöglicht. für ihre Patientinnen und Patien- Gesundheits- und Krankenpfle- ten das Beste aus der Pandemie gepersonen und Pflegefachas- Wie geht es weiter? zu machen. sistentinnen und -assistenten Selbst wenn es gelingt, durch ohne ärztliche Anordnung testen Testen und Impfen die Krise zu Neue Möglichkeiten und Bescheinigungen dafür aus- überwinden, dürfen wir im Ge- Für viele Mitarbeiterinnen und stellen. Zu verdanken ist diese sundheitswesen nicht mehr in Mitarbeiter im Gesundheitswesen wichtige Entwicklung dem Ös- alte Muster zurückfallen. Eine Be- bedeutet die Auseinanderset- terreichischen Gesundheits- und fundbesprechung per Video oder zung mit COVID an die Grenzen Krankenpflegeverband, der sich das bloße Fortschreiben eines zu gehen. An die Grenzen der maßgeblich dafür eingesetzt hat. Rezeptes dürfen künftig nicht persönlichen Belastbarkeit und mehr physische Termine erfor- Digitale Unterstützung derlich machen. Ein gutes Bei- Längst ist es für viele im beruf- spiel, wie rasch und effizient mit lichen und privaten Umfeld zur Versicherten per App kommuni- Routine geworden, Videokonfe- ziert werden kann, bietet die So- renzen abzuhalten oder online an zialversicherung der Selbständi- Fort- und Weiterbildungen teilzu- gen. Schon heute ist es möglich, nehmen. Auch im Gesundheits- Rechnungen online einzureichen wesen hat die Digitalisierung Ein- und den Status digital nachzu- zug gehalten. Von der sofortigen verfolgen. Langfristig wird diese Umsetzung des elektronischen Entwicklung dazu führen, dass Impfpasses, der über die ELGA wieder mehr Zeit für individuelle aufgerufen werden kann, bis zur Fragestellungen und Lösungen virtuellen Ambulanz, wie sie zum zur Verfügung steht. In diesem Beispiel die Vinzenz-Gruppe in Sinne gilt es auch den „Kollateral- Wien, Linz und Ried anbietet. nutzen‟ der Pandemie nicht aus dem Auge zu verlieren. Zusammenarbeit neu organisiert Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass innerhalb des Ge- sundheitswesens die Arbeit neu organisiert wurde. Immer deut- licher kommt hervor, dass keine einzelnen Akteure, sondern viel- Mag. Dr. Bernhard Kadlec ist mehr jeder einzelne im gemein- Betriebswirt, Gesundheitswissen- schafter, Präsidiumsmitglied der Johanniter und Hospizbeauftragter des Johanniterordens in Österreich. 14 die Johanniter 1. 2021
Jahresbericht 2020 Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich
Vorwort Das Jahr 2020 wird wohl als das Jahr der Corona-Pandemie in die Geschichte einge- hen. Ein simples Virus veränderte weltweit schlagartig unser aller Leben und kaum ein Lebensbereich blieb unberührt. Im Minu- tentakt erreichten uns neue Nachrichten und aktuelle Zahlen. Die Veränderungen brachten für viele Menschen Unsicherheit Februar und Sorgen mit sich. Robert Seligo gewinnt den Camillo Award. Auch die Johanniter standen plötzlich vor neuen Herausforderungen. Wir mussten zahlreiche Hürden nehmen, Abläufe neu organisieren und unser Leistungsangebot erweitern. Und das alles binnen kürzester Zeit. Möglich war das mit vereinten Kräften aller Mitarbeitenden und dank der Unter- stützung durch Ehrenamtliche sowie durch außerordentliche Zivildiener. Rückblickend sind wir gemeinsam an die- sen Herausforderungen gewachsen. Impressum: Herausgegeben von Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich Redaktion: Dr. Robert Brandstetter, Mag. a Belinda Schneider 1210 Wien, Ignaz-Köck-Straße 22 T +43 1 470 70 30 - 5713 Titelbild: Rodrigo Olivares-Alba Jänner Grafik und Layout: Mag. a Julia Kadlec Druck: Riedeldruck Mistelbach Erstes Meeting zum Projekt „EUinAid" in Turin. Ziel ist, das Verlags- und Herstellungsort: Wien ZVR: 269856203 Engagement der Jugend in Erster Hilfe zu fördern. 2 Sonderbeilage Jahresbericht 2020
Das Jahr der Pandemie Über 70.000 FFP2-Masken wurden bei den Johannitern verbraucht, 3.500 COVID-Ver- dachtsfälle wurden transportiert, 1.299 Menschen haben in den Obdachloseneinrichtungen eine Unterkunft gefunden. Notspitäler wurden eingerichtet, mobile Abstrich-Teams ein- gesetzt und mobile Corona-Impfteams aufgebaut. Die Corona-Pandemie war das bestim- mende Thema des Jahres 2020. Es ist ein kleines Virus und doch Aufgabenbereichen geschult, das den Wiener Grippe-Impfstraßen, hat es die Welt fest im Griff. Die Kurswesen musste mal stillgelegt, den Schnupfen-Checkboxen und Corona-Pandemie prägte das Jahr bald wieder hochgefahren werden den Impfungen in den Seniorenhei- 2020 wie kaum ein anderes Er- und Notunterkünfte für obdachlose men halfen und helfen die Johan- eignis und stellte auch für die Ge- Menschen wurden zu Dauerein- niter mit. sundheitseinrichtungen einen Be- richtungen umfunktioniert. lastungstest dar. „30.000 COVID-Tests haben allein Besonders viel Feingefühl war in unsere fünf mobilen Testteams Dr. Robert Brandstetter: „Binnen der mobilen Pflege gefragt. „Unse- durchgeführt, hinzu kamen zahl- kürzester Zeit musste ein Einsatz- re Einsatz- und Pflegekräfte wa- reiche Testungen in Unternehmen stab eingerichtet werden, Schutz- ren in vielerlei Hinsicht gefordert. und die Mitarbeit bei den Massen- ausrüstung organisiert werden und Ganz besondere Bedeutung hatte tests“, so der Wiener Geschäfts- die ohnehin schon hohen Hygie- die psychosoziale Betreuung, um führer Robert Heindl. nestandards mussten adaptiert Ängste abzubauen“, so der Tiroler werden, um unsere Patientinnen Geschäftsführer Franz Bittersam. Um die neuen Aufgaben neben den und Patienten wie auch unsere Mit- bestehenden Angeboten bewälti- arbeitenden so gut wie möglich zu Während zunächst die Kranken- gen zu können, wurden zahlreiche schützen.“ transporte und Fahrdienste für hauptberufliche Mitarbeitende ein- Menschen mit Behinderungen gestellt. Österreichweit hatten die Die sich stets ändernden Rahmen- zurückgingen, wurden neue Auf- Johanniter einen Personalzuwachs bedingungen brachten in allen gaben übernommen. Gemeinsam von 44 Prozent zu verzeichnen. Arbeitsbereichen Veränderungen mit dem Roten Kreuz und dem mit sich, die ein hohes Maß an Fle- Samariterbund wurden Notspitä- Ein Hoch auf die Ehrenamtlichen xibilität verlangten. Sanitäterinnen ler, COVID-Teststraßen und mobile „Ohne die Hilfe der Ehrenamtli- und Sanitäter wurden in neuen Testteams eingerichtet. Auch bei chen und der außerordentlichen März April Der COVID-Krisenstab sorgt für die Organistation und Umset- 48 außerordentliche Zivildiener melden sich freiwillig zum Dienst. zung der Schutzmaßnahmen. Sonderbeilage Jahresbericht 2020 3
Obdachlosenhilfe Schutz gewähren Zivildiener hätten wir das alles nicht „Ehrenamtliche sind in jeder Krise Soziale Distanz wahren und zu geschafft“, blickt Johanniter-Prä- eine für die Gesellschaft enorm Hause bleiben, um die Gesundheit sident Johannes Bucher auf das wichtige Ressource, das haben sie nicht zu gefährden, war die Devi- Jahr 2020 zurück. in der Corona-Krise einmal mehr se des Jahres 2020. Was einfach bewiesen“, bedankt sich Johannes klingt, ist für wohnungslose Men- Obwohl Sanitätsdienste, einer der Bucher. schen schier unmöglich. Damit klassischen Einsatzbereiche für auch sie in der Corona-Krise nicht Ehrenamtliche, in dem Jahr voll- Auch ein trauriger Anlass – der Ter- schutzlos sind, haben die Johan- kommen eingebrochen sind, ha- roranschlag in Wien – hat gezeigt, niter ihre Angebote erweitert und ben die freiwilligen Helferinnen und dass die Einsatzorganisationen nur hatten nahezu ganzjährig geöffnet. Helfer rund 95.000 Einsatzstunden mit Hilfe der Freiwilligen rasch und So wurden aus den Notunterkünf- geleistet und damit einen Rekord- flexibel agieren können. Sowohl ten für die Wintermonate zwei fixe wert hingelegt. Das entspricht der hauptberufliche als auch ehren- Einrichtungen, die nicht nur nachts jährlichen Arbeitsleistung von 58 amtliche Mitarbeitende waren bin- sondern auch tagsüber geöffnet Vollzeit-Mitarbeitenden! nen kürzester Zeit eingerückt, um hatten. Bis zu 440 Personen fanden die Opfer zu versorgen. Es hat sich hier einen sicheren Schlafplatz und bezahlt gemacht, in die Ausbildung bei Bedarf medizinische Betreuung. und in regelmäßige Einsatzübun- gen zu investieren. Die Zusammen- Das neue Konzept erforderte na- arbeit der Einsatzorganisationen türlich auch zusätzliche finanzielle hat bestens funktioniert. Diese und personelle Ressourcen, die Nacht hat aber auch gezeigt, dass vom Fonds Soziales Wien wie auch Terror in den Herzen der Österrei- durch Spenden gedeckt werden. cherinnen und Österreicher keinen „Zahlreiche Menschen haben die Platz hat. Johanniter in der Zeit auch mit Sach- und Geldspenden unter- stützt. Die Solidarität ist groß!“, be- dankt sich Roman Groiss, Leiter der sozialen Dienste, für die Hilfe. April Die mobilen Teams unterstützen bei der Ab- nahme von COVID-Test-Abstrichen. April Juni Juli Im Krankenhaus Floridsdorf wird ein Betreu- Dieter Horn wird neuer Leiter der Die Johanniter Tirol erweitern ihre ungszentrum für Verdachtsfälle eingerichtet. Rettungshundegruppe in Wien. Fahrzeugflotte um weitere E-Autos. 4 Sonderbeilage Jahresbericht 2020
Rettungsdienst, Krankentransport und Fahrdienste Aus- und Weiterbildung Doppelte Herausforderung Balanceakt Seit Beginn der Corona-Pande- Jahr annähernd gehalten werden. Für den Ausbildungsbereich mie im März wurden die Johanni- Hingegen hatte Niederösterreich brachte die Corona-Pandemie ter mehrmals täglich zu Einsätzen einen Zuwachs von 10,37 Prozent, eine Berg- und Talfahrt der Son- mit COVID-Verdacht gerufen. Unter Kärnten einen Zuwachs von 2,85 derklasse mit sich. Während der den 30.272 Rettungseinsätzen Prozent. Insgesamt leisteten die Lockdowns mussten einerseits wurden rund 3.500 COVID-Fälle Johanniter 85.193 Krankentrans- alle Ausbildungen in der Breiten- versorgt. Jeder Einsatz erforderte porte. schulung eingestellt werden, neun verstärkte Hygiene- und Schutz- Wochen lang durften keine Kurse maßnahmen. Die Übergabe in den Auch der Fahrdienst für Schülerin- abgehalten werden. Andererseits Spitälern gestaltete sich komplexer nen und Schüler mit Behinderun- mussten anschließend so schnell und zeitaufwendiger. Daher wur- gen (-32,26 Prozent) und der be- und so intensiv wie möglich zahl- den in Wien ausgehend von einem treute Fahrdienst (-44,83 Prozent) reiche Kurse angeboten werden, hohen Niveau rund 10 Prozent wurden aufgrund der Schließung zumal diese für berufliche Zwecke weniger Rettungseinsätze geleis- der Tagesbetreuungszentren und benötigt wurden. Zudem wurden tet als im Vorjahr. In den anderen Schulen weniger stark in Anspruch binnen kürzester Zeit Online-Mo- Bundesländern hingegen sind die genommen. 6.721 Transporte wur- dule im Pflegebereich entwickelt. Rettungs- und Notarzteinsätze an- den in Tirol geleistet. gestiegen, in Tirol um 36 Prozent, Schließlich konnten in 877 Kursen in Niederösterreich um 21 Prozent 11.047 Besucherinnen und Besu- und in Kärnten um 5 Prozent. cher in Erster Hilfe, Verkehrscoa- ching und Pflege geschult werden, Im Vergleich dazu sind die Kran- was einem Minus von rund 46 kentransporte vor allem im ersten Prozent an Teilnehmenden gleich- Lockdown stark eingebrochen, kommt. Ein herber Verlust – an- weil zahlreiche Behandlungen und gesichts der Tatsache, dass der Therapien abgesagt wurden. In Ti- Aufwand aufgrund der neuen Vor- rol bedeutete das einen Rückgang schriften und Schutzmaßnahmen von 26,9 Prozent, in Wien konn- enorm hoch war. te das Niveau über das gesamte August Der Pflegenotdienst wird Mitglied der Plattform „Demenzfreundliches Wien“. Foto: Vanessa Rachlé Bundesministerin Köstinger besucht die Vor zehn Jahren wurde das Palliativteam in Waidhofen an Zivildiener im Johanniter-Center-Nord. der Ybbs gegründet. Die geplante Feier musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Sonderbeilage Jahresbericht 2020 5
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